TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial

 
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TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
Das Magazin der Technischen Universität München   1/2013

TUMcampus

                                                                  Spezial:
                                                            Zehn Jahre
                                                       GIST – TUM Asia

                                                                Forschen:
                                                       Leibniz-Preis für
                                                    Vasilis Ntziachristos
TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
Impressum

                                            Das Magazin der Technischen Universität München   1/2013

                                            TUMcampus

                                                                                                                         Impressum

                                                                                                                         TUMcampus
                                                                                                                         Das Magazin der TU München für Studierende,
                                                                                                                         Mitarbeiter, Freunde, erscheint im Selbstverlag viermal
                                                                                                                         pro Jahr. Auflage 9 000
                                                                                                              Spezial:
                                                                                                        Zehn Jahre       Herausgeber: Der Präsident der TU München
                                                                                                   GIST – TUM Asia
                     © Andreas Heddergott

                                                                                                                         Redaktion: Dr. Ulrich Marsch (verantwortlich)
                                                                                                            Forschen:
                                                                                                   Leibniz-Preis für     Dipl.-Biol., Dipl.-Journ. Sibylle Kettembeil
                                                                                                Vasilis Ntziachristos    Gabriele Sterflinger, M.A.
                                                                                                                         TU München, Corporate Communications Center
                                                                                                                         80290 München
                                                                                                                         Telefon (089) 289-22766
                     Der erste Aufbau für Multi-Spektrale Optoakustische                                                 redaktion@zv.tum.de
                     Tomografie (MSOT) am Institut für biologische und medi-                                             www.tum.de/tumcampus
                     zinische Bildgebung. Damit lassen sich zweidimensio-
                     nale Querschnittsbilder von lebenden Organismen wie                                                 Layout: Karla Hey
                     Zebrafischen oder Mäusen erzeugen. Die gepulste mono-
                     chromatische Beleuchtung im Nahinfrarot-Bereich setzt                                               Herstellung/Druck:
                     optischen Kontrast in Ultraschallwellen um, die ein Ultra-                                          Joh. Walch GmbH & Co, 86179 Augsburg
                     schallwandler detektiert. Durch Rotation um die Längs-                                              Gedruckt auf chlorfreiem Papier
                     achse wird daraus ein tomografischer Datensatz
                     erzeugt. Das rekonstruierte Bild vereint die Vorteile von                                           © Copyright by TU München. Alle Rechte vorbehalten.
                     optischer Anregung (hoher Kontrast) und Ultraschallde-                                              Nachdruck, auch auszugsweise, nur in Abstimmung mit
                     tektion (hohe Auflösung) tief in lebendem Gewebe. Die                                               der Redaktion. Gezeichnete Beiträge geben die Meinung
                     mehrfache Abbildung derselben Querschnittsebene mit                                                 der Autoren wieder. Für unverlangt eingesandte Manu-
                     jeweils anderer Wellenlänge – »multispektral« – erlaubt                                             skripte und Bildmaterial wird keine Gewähr übernommen.
                     es, Gewebeeigenschaften oder Kontrastmittel zu detek-
                     tieren, die charakteristisch spektral abhängig, aber zu ge-                                         Zum Sprachgebrauch: Nach Artikel 3 Abs. 2 des
                     ring konzentriert sind, um in einem monochromatischen                                               Grundgesetzes sind Frauen und Männer gleichberech-
                     Bild sichtbaren Kontrast entstegen zu lassen. Aus diesem                                            tigt. Alle Personen- und Funktionsbezeichnungen im
                     Aufbau weiterentwickelte Systeme dienen derzeit dazu,                                               Magazin TUMcampus beziehen sich in gleicher Weise
                     das Wachstum von Tumoren, die Entwicklung spezifi-                                                  auf Frauen und Männer. Dies dient allein der Verbesse-
                     scher Molekularkontrastmittel oder biologische Prozesse                                             rung der Lesbarkeit des Textes.
                     mittels fluoreszierender Proteine zu untersuchen. Lesen
                     Sie dazu den Bericht auf S. 10.                                                                     Redaktionsschluss für Heft 2/13: 25. Februar

2   TUMcampus 1/13
TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
Die TUM-Familie wird
internationaler
Im fortgeschrittenen Prozess der Internationalisierung der TUM erleben
 wir einen zunehmend interkulturellen Campusalltag mit einheimischen
und ausländischen Studierenden und Mitarbeitern. Das vervielfacht die
Sichtweisen auf die gleichen Aufgaben und regt den Wissensdurst an.

Während unser interdisziplinäres Fächerportfolio durch eine stetig steigende
Zahl englischsprachiger Studiengänge und Weiterbildungskurse geprägt
wird, wächst auch die TUM-Familie mit bereits rund 80 000 Mitgliedern;
die Hälfte davon sind Ehemalige und ein Fünftel Ausländer.

»TUM Asia« in Singapur, die erste Auslands-Niederlassung einer deut-
schen Universität, ist seit ihrer Gründung 2002 zu einem weltweit aner-
kannten Flaggschiff herangewachsen. Das Verbindungsbüro in Beijing hat
sich zu einem regionalen Zentrum zur Talentrekrutierung und Alumni-Ver-
netzung entwickelt. Weitere Büros öffneten in Mumbai, São Paulo und Kai-
ro. Gleichzeitig entstand aus unserer strategischen Partnerschaft mit der
Danmarks Tekniske Universitet, der TU Eindhoven und der École Polytech-
nique Fédérale de Lausanne die Allianz der »EuroTech Universities« mit
permanenter Präsenz in Brüssel.

Um den Mehrwert der TUM-Familie nach innen und außen bestmöglich
auszuschöpfen, müssen wir zunächst den Wert jedes ihrer Mitglieder
schätzen lernen und nach dem Motto »yes, we care« handeln. Wir möch-
ten nicht nur exzellente Lehre und Forschung bieten, sondern auch eine
flächendeckende Servicekultur aufbauen. So sind unsere Ehemaligen oft
mehrfach ehrenamtlich aktiv – als Mentoren für Studierende, als Berater
bei der Gestaltung unseres Zukunftsplans, als Botschafter zur Stärkung
des TUM-Images. Als Gründungsmitglieder der TUM-Universitätsstiftung
stärken sie maßgeblich die Autonomie und Handlungsfähigkeit unserer
unternehmerischen Universität. Nicht zuletzt verhelfen sie von Wohnungs-
not geplagten Studierenden zu einer Bleibe.

In einer globalisierten Gesellschaft sind verbindende Elemente wichtiger
als trennende. Der Zusammenhalt der gesamten TUM-Familie macht uns
stark. In Zeiten begrenzter staatlicher Budgets und noch härteren Wettbe-
werbs brauchen wir Kooperationen und Benchmarking mit regionalen und
globalen Partnern. Wir können nur dann konkurrenzfähig bleiben, wenn wir
es schaffen, aus jeder erreichten Decke einen Fußboden für das nächst-
höhere Stockwerk zu machen.

Liqiu Meng
Vizepräsidentin Internationale Allianzen und Alumni

                                                                               TUMcampus 1/13   3
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Inhalt

                                                                                                        9                                                                                    11

                     Editorial                                                                                Politik
                     Die TUM-Familie wird internationaler . . . . . . . . . . . . . . . 3                     Dies academicus
                                                                                                              »Exzellenzinitiative 2012: Was ist und was bringt
                                                                                                              das Zukunftskonzept?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
                     Spezial                                                                                  Rede des TUM-Präsidenten Prof. Wolfgang A. Herrmann
                                                                                                              Hochschulpolitik für das Innovationsland Bayern. . . . 26
                     Eine deutsche Erfolgsgeschichte in Asien . . . . . . . . . . . 6                         Rede des Staatsministers Dr. Wolfgang Heubisch
                     10 Jahre GIST – TUM Asia                                                                 Akademische Ehrungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
                                                                                                              Die »Hohe Schule der Forschung« an der TUM . . . . . 30
                                                                                                              Rede des Graduate Dean Prof. Ernst Rank
                     Forschen                                                                                 Studieren darf keine Frage des Geldes sein . . . . . . . . 31
                                                                                                              Rede der Studentin Franziska Traube
                     Leibniz-Preis für Vasilis Ntziachristos . . . . . . . . . . . . . . 10
                     Humboldt-Professur für Nanosystemtechnologie. . . . 11                                   Klaus Diepold neuer Vizepräsident . . . . . . . . . . . . . . . . 32
                     Der Druck steigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12      THE-Ranking: TUM ganz vorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
                     Hochdruckpresse am FRM 2                                                                 Stiftungslehrstuhl für Akustik mobiler Systeme. . . . . . . 33
                     Millionenförderung für Forschungsprojekte . . . . . . . . . 13                           Schwerpunkt Internationale Kommunikation . . . . . . . . 34
                     Ameisenstaat als Vorbild für die Produktions-                                            Neues Zentrum für das Risikomanagement
                     organisation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14   im Finanzsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
                     Forschungssplitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
                     Zwischen Zahnrädern und Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
                     Kooperation Medizin – Maschinenwesen                                                     Wissenschaft und Wirtschaft
                                                                                                              Der Ingenieur im Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
                     Lernen und Lehren                                                                        10 Jahre Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
                                                                                                              BMBF fördert Start-up AVIRU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
                     Bewegung in den Bergen – Berge in Bewegung . . . . 17                                    Gemeinsame Strategie unter einem Dach . . . . . . . . . . 39
                     »Prävention alpiner Naturgefahren«                                                       FoodDACH e.V.
                     Für schnelle Spiele am Computer . . . . . . . . . . . . . . . . . 18                     flissade – Erfolg aus der TUM-Architektur . . . . . . . . . . 40
                     Details aus dem Darm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19            Made by TUM, Folge 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
                     Graduiertenkolleg am WZW                                                                 Abwärme nutzen – Strom gewinnen
                     Maßanfertigung statt Massenware . . . . . . . . . . . . . . . . 20
                     10 Jahre AuTUM                                                                           Zu Besuch auf dem Campus
                     Graduiertenschule Bio-Nanotechnologie . . . . . . . . . . . 21                           Reinhard Kardinal Marx, Rupert Stadler. . . . . . . . . . . . 42
                     Doctoral Candidates’ Day . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
                     Medienecho Lehrerbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

4   TUMcampus 1/13
TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
Inhalt

                                                                                    25                                                                                           46

Global
                                                                                             Auszeichnungen
EuroTech-Universitäten arbeiten gemeinsam                                                    Preise und Ehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
in Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
TUM eröffnet Büro in Kairo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44                  Die »Eisernen Ladies« aus München. . . . . . . . . . . . . . . 72
Großer Erfolg der International Week 2012 . . . . . . . . . 46                               Zwei Sportwissenschaftlerinnen beim »Ironman«
Fotowettbewerb »Campus Life Abroad« . . . . . . . . . . . 47
                                                                                             Kurz und knapp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Campus                                                                                       Ruhestand
                                                                                             John Hess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Bier aus dem Reagenzglas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48                    Albert Wilhelm Schömig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Literatursuche per Videoauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . 49                        Heinz Ulbrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Welcher Master soll es sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50                    Wolfram Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Technik fürs Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Für Sie notiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51       in memoriam
Neu auf dem Büchermarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52                     Konrad Bühlmeyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Dr. Holunder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53       Eberhard Geiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Rundum gelungen: TUM-Adventsmatinee . . . . . . . . . . 53                                   Erwin Georg Hipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

                                                                                             Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Menschen
                                                                                             Spiel mit Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Neu berufen
Renzo Akkerman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Florian Eyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54      Service
Björn Garbrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Uta Graff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55   Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Jörg Königstorfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55           Termine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Michael Krautblatter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55            Ausblicke auf TUMcampus 2/13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Christina Raasch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Roland Rad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Daniel Razansky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Sabine Reuker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Heribert Schunkert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Eric Sonnendrücker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

                                                                                                                                                                                         TUMcampus 1/13   5
TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
Spezial
© TUM CREATE

                                    Der singapurische CREATE-Forschungscampus mit Vertretungen
                                    internationaler Spitzenuniversitäten – die TUM hat zwei Etagen
                                    bezogen.

               6   TUMcampus 1/13
TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
Spezial

TUM Asia feiert zehn Jahre Lehre und Forschung in Singapur mit
neuem Campus

Eine deutsche
Erfolgsgeschichte
in Asien

                                                                 TUMcampus 1/13   7
TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
Spezial                                                                                                           Meilensteine der
     2002                                                                             2005                                      20

 Gründung des GIST als
   privatwirtschaftliche
     Tochter der TUM                                                                   Master
erster Masterstudiengang                                                         »Integrated Circuit                                        Ma
  »Industrial Chemistry«                                                              Design«                                         »Microele

                                                                               Deutsches Ingenieur-Know-how, das »German Enginee-
                                                                               ring«, gepaart mit Erfahrung in einer der innovativsten
                                                                               Wissensmetropolen Asiens – von Mastern mit diesem
                                                                               Profil profitieren nicht zuletzt deutsche Firmen: Jeder
                                                                               zweite der bislang rund 320 Absolventen hat dort einen
                                                                               Job gefunden. Unternehmen unterstützen deshalb TUM
                                                                               Asia mit Dozenten, Stipendien oder Praktikumsplätzen.
                                                                               Nun erweitert TUM Asia sein Programm für Arbeitnehmer,
                                                                               die sich akademisch weiterbilden wollen, ohne dabei
                                                                               ihren Job aufzugeben: Das Masterprogramm Transport
                                                                               and Logistics gibt es künftig auch als Teilzeitstudiengang
                                                                               – eine weitere Premiere der TUM im Ausland.

                                                                               »Vor zehn Jahren haben wir einen Schritt gewagt, den
                                                                               keine andere deutsche Universität je zuvor gegangen
                                                                               war«, sagte TUM-Präsident Herrmann. »Die Erfolgsge-
Bei der Eröffnung des CREATE-Campus wurden auch Master-Urkunden vergeben –     schichte mit hunderten interkulturell ausgebildeten Absol-
die Absolventen von TUM Asia haben beste Jobaussichten.
                                                                               venten und der immer tiefer gehenderen Zusammenar-
                                                                               beit mit unseren singapurischen Partnern hat uns bestä-
                                                                               tigt. Heute nutzen wir die Vertrauensbasis, die wir in Sin-

J    ubiläum in Singapur: Vor zehn Jahren gründete dort die TUM die
     erste Auslandsdependance einer deutschen Universität – das »Ger-
man Institute of Science and Technology (GIST) – TUM Asia«. Unter-
                                                                               gapur als der ostasiatischen Bildungsmetropole aufge-
                                                                               baut haben.«

stützung kam von der singapurischen Regierung, vom DAAD und dem                Elektrotaxi mit höchstens 20 Minuten Ladezeit
BMBF. Bis heute haben bereits mehr als 300 Absolventen aus aller Welt
dort studiert. Mit dem ersten Teilzeitstudiengang der TUM wird TUM             Aufgrund der gegenseitigen Wertschätzung beteiligte
Asia künftig erneut Vorreiter sein. Außerdem forschen seit zwei Jahren         Singapur die TUM vor zwei Jahren als einzige deutsche
Wissenschaftler aus München am »TUM CREATE Center of Electromo-                Universität am neuen »Campus for Research Excellence
bility in Mega Cities«. Singapurs Premierminister, Lee Hsien Loong, und        and Technological Enterprise (CREATE)«. Dort vernetzt
TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Herrmann eröffneten zum Jubiläum               der Stadtstaat Vertretungen der weltweit führenden
den Neubau des Forschungszentrums. Herrmann startete außerdem                  Hochschulen, darunter das MIT, Berkeley und die ETH
das »Graduate Centre TUM CREATE«. Singapur war der Auftakt zur                 Zürich. Gemeinsam mit der singapurischen Nanyang
Globalisierung der TUM, die derzeit weitere Vertretungen auf mehreren          Technological University erforscht die TUM neue Tech-
Kontinenten gründet.                                                           nologien und Transportkonzepte für die Elektromobilität
                                                                               in Megastädten. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung
Studiengänge, die auf die Praxis in der Industrie zugeschnitten sind. Exzel-   eines Elektrotaxis – ein Projekt mit enormen Herausfor-
lente Wissenschaftler der TUM und der besten singapurischen Universitäten      derungen. So soll beispielsweise die Ladezeit der Batte-
als Dozenten. Absolventen, die sowohl die europäische als auch die asiati-     rie auf unter 20 Minuten reduziert werden, da die meis-
sche Wissenschaftskultur verstehen. Rund 380 Studierende sind derzeit im       ten Taxis in Singapur rund um die Uhr im Einsatz sind.
einzigartigen Programm des »GIST – TUM Asia« eingeschrieben. Aus ganz          Damit ergänzt die TUM ihre Forschung zur Elektromobi-
Asien, aber auch aus Europa, Amerika und Afrika werden ausgewählte Talen-      lität in einem andersartigen Kulturkreis mit seinen spezi-
te in fünf ingenieur- und naturwissenschaftlichen Master- sowie zwei Bache-    fischen klimatischen, logistischen und soziokulturellen
lorstudiengängen ausgebildet.                                                  Gegebenheiten.

8    TUMcampus 1/13
TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
TUM in Singapur                                                                                                                       Spezial
07                                               2009                       2010                         2011                       2012

                                                                        Gründung der
                                                                      Forschungstochter                                    Neubau des CREATE-
                                                                       »TUM CREATE«                                                Campus
                                                 Master                erster Bachelor-                                   Gründung des »Graduate

                                                                                                                                                           © iStockphoto.com
                                               »Aerospace               studiengang                                        Centre TUM CREATE«
                                              Engineering«,              »Electrical                    Bachelor               »Transport and
ster                                         »Transport and            Engineering and                 »Chemical             Logistics« auch als
ctronics«                                       Logistics«        Information Technology«             Engineering«           Teilzeitstudiengang

      Am 16. November 2012 übergaben Premierminister Lee Hsien Loong und
      TUM-Chef Herrmann die Räume des »TUM CREATE Center of Electromobility                  Medienecho:
      in Mega Cities« für mehr als 100 Wissenschaftler im neuen Campus-Gebäude
      ihrer Bestimmung. Zugleich verkündete Herrmann die Gründung des »Gradu-                »›München‹ und ›Garching‹ heißen die Seminarräume
      ate Centre TUM CREATE«. Die derzeit rund 70 Doktoranden bekommen hier                  an der TUM Asia-Universität in Singapur. ›Grüß Gott‹
      überfachliche Qualifikationen vermittelt, von Führungskompetenz bis zu Mana-           hört man auf dem Flur. Studenten aus aller Welt be-
      gementkenntnissen. Wie alle Graduiertenzentren der TUM wurde das neue                  kommen in der schwülen Hitze am Äquator bayeri-
      Zentrum in das zentrale TUM Graduate School-System eingebunden. So                     sches Know-how: TUM steht für Technische Univer-
      erhalten die Doktoranden aus Singapur die Möglichkeit, sich mit Promovieren-           sität München. Die Elite-Uni feiert zehnjähriges Beste-
      den anderer Fächer auszutauschen. »Die Wettbewerbsfähigkeit der Wissen-                hen ihres Campus in Singapur.«
      schaftsgesellschaften entscheidet sich heute an ihrer Allianzfähigkeit und an
      ihrer internationalen Vernetzung«, sagt Herrmann. »Der CREATE-Campus ist               »Die Münchner bieten unter anderem Master-Kurse in
      ein Paradebeispiel für intensiven Wissensaustausch, der den technologischen            Mikroelektronik, industrieller Chemie und Transport
      Fortschritt in allen beteiligten Ländern vorantreibt.« Den Weg, die besten Köp-        und Mobilität an. ›Unser Ziel ist es, gut ausgebildete
      fe der Welt zusammenzuführen, hat die TUM in den vergangenen Jahren kon-               Mitarbeiter für die deutsche Industrie in der Region
      sequent verfolgt: Nach Büros in Peking und Mumbai gründete sie jüngst Ver-             auszubilden‹, sagt TUM Asia-Direktor Markus Wäch-
      tretungen in São Paulo und Brüssel. Ende 2012 eröffnete sie ihre Dependance            ter... ›20 Prozent unserer Absolventen machen einen
      in Kairo. Eine Niederlassung an der Ostküste der USA ist in Vorbereitung.              Doktor, 90 Prozent davon in Deutschland.‹«

      Zum Jubiläum in Asien will die TUM der singapurischen Gesellschaft für                 FOCUS online, 6.11.2012
      ihre Gastfreundschaft danken und schon die Nachwuchstalente fördern. Sie
      finanziert deshalb das Projekt »Building The Future«, das weniger privile-
      gierte Kinder für Technik und Naturwissenschaften begeistern soll. Die TUM
      lädt jedes Jahr zwei Schüler aus Singapur nach Deutschland ein. Sie wer-
      den Labors der TUM besichtigen und die Nobelpreisträgertagung in Lindau
      besuchen. Am Schülerforschungszentrum Berchtesgadener Land gewinnen
      sie erste Erfahrungen im wissenschaftlichen Arbeiten.
                                                                   Klaus Becker
                                                                                        © TUM (3)

                                                                                        TUM-Vizepräsidentin Prof. Liqiu Meng interessiert sich für die
      Das TUM CREATE-Elektrotaxi ist ein echter Hingucker.                              Posterausstellung auf dem CREATE-Campus.

                                                                                                                                TUMcampus 1/13         9
TUMcampus - Zehn Jahre GIST - TUM Asia Spezial
Forschen

                                            © Andreas Heddergott (2)

Vasilis Ntziachristos                      Optischer Pfad für die Beleuchtung einer In-vivo-Messung der fluoreszierenden Proteine eines genmodifi-
                                           zierten Zebrafischs mit sichtbarem Licht

Leibniz-Preis für                                                                     Diese Arbeiten legen auch den Grundstein für eine scho-
                                                                                      nendere Behandlung von Krebspatienten. Basis sind

Vasilis Ntziachristos                                                                 Ntziachristos’ Erfolge in der Fluoreszenz-Bildgebung, mit
                                                                                      der sich Verteilung und Wirkung von Medikamenten im
                                                                                      Gewebe verfolgen lassen. Auf diese Weise können in
Erneut hat ein TUM-Wissenschaftler den Gottfried Wilhelm Leibniz-                     Echtzeit auch molekulare Prozesse in Tumoren und dem
Preis an die TUM geholt: Die DFG zeichnete Prof. Vasilis Ntziachristos                umgebenden Gewebe beschrieben werden. Mit der Flu-
vom Lehrstuhl für Biologische Bildgebung mit dem höchst renommier-                    oreszenz-Bildgebung ist es möglich, die Grenzen zwi-
ten deutschen Forschungspreis aus. 2,5 Millionen Euro erhält der                      schen Tumor und gesundem Gewebe schon während ei-
Biomedizin-Ingenieur für seine Forschung.                                             nes chirurgischen Eingriffs detailliert darzustellen, was
                                                                                      die vollständige und exakte Entfernung bösartiger Ge-
                                                                                      schwulste erleichtert.

                        D    ie Auszeichnung würdigt Ntziachristos’ internatio-
                             nal stark beachtete Beiträge zur optischen Bild-
                        gebung. Die Verfahren, die der gebürtige Grieche entwi-
                                                                                      Vasilis Ntziachristos studierte in Thessaloniki und pro-
                                                                                      movierte an der University of Pennsylvania in Philadel-
                        ckelt hat, geben sowohl der Grundlagenforschung neue          phia, USA. Danach war er als Assistant Professor in
                        Impulse als auch der Behandlung von Patienten.                Harvard tätig. Seit 2007 hat er den TUM-Lehrstuhl inne
                                                                                      und ist gleichzeitig Direktor des Instituts für Biologische
                        In der Grundlagenforschung interessiert sich Ntziachris-      und Medizinische Bildgebung am Helmholtz Zentrum
                        tos besonders für die nicht-invasive Anwendung opti-          München. Für seine Arbeiten wurde er bereits mehrfach
                        scher Methoden wie der molekularen Fluoreszenz-To-            ausgezeichnet. So verlieh ihm die DFG unter anderem
                        mografie, um in größeren Strukturen oder im gesamten          ein Reinhart Koselleck-Projekt; diese Projekte stehen für
                        Körper von Säugetieren physiologische Vorgänge zu             mehr Freiraum für besonders innovative und im positi-
                        verfolgen. Ntziachristos hat die Verfahren zudem für die      ven Sinn risikobehaftete Forschung. Für das Verfahren
                        dreidimensionale Darstellung ganzer Körper weiterent-         der multispektralen opto-akustischen Tomografie erhielt
                        wickelt: Neue Arten der Tomografie und die Anwendung          er kürzlich einen ERC Proof of Concept Grant (s. S. 14).
                        von Wissen über die Ausbreitung von Licht in Gewebe
                        erlauben genauere und quantifizierbare Ergebnisse.            www.cbi.ei.tum.de                          Barbara Wankerl

10    TUMcampus 1/13
Forschen

Humboldt-Professur für
Nanosystemtechnologie
Erneut hat die TUM im Wettbewerb um die Alexander
von Humboldt-Professuren einen Erfolg erzielt:
Die international hoch angesehene Halbleiter-Physi-
kerin Dr. Heike Riel von IBM Research in Rüschlikon,
Schweiz, erhält eine Humboldt-Professur in München.
Mit jetzt fünf Humboldt-Professuren ist die TUM die
erfolgreichste Universität im Wettbewerb um den
höchstdotierten Forschungspreis Deutschlands.

Heike Riel soll die neu geschaffene Professur für Nanosys-
temtechnologie an der Fakultät für Elektrotechnik und In-
formationstechnik übernehmen. Die Nanosystemtechnolo-

                                                                                                                                                         © IBM Research
gie spielt eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung der
Nano- und Optoelektronik, die an der TUM und in der Wis-
senschaftsregion München stark vertreten ist. Neben dem
TUM-Lehrstuhl soll Riel künftig auch eine Forschungs-
gruppe am Institute for Advanced Study (TUM-IAS) leiten.        Die Zukunft fest im Blick: Halbleiter-Physikerin und Humboldt-Preisträgerin Heike Riel

Bereits zu Beginn ihrer Forscherkarriere legte Heike Riel
den Grundstein für die Entwicklung kontrastreicher AMO-         sität Bayreuth über organische Leuchtdioden. Seit 1998 ist
LED-Bildschirme (Active-Matrix Organic Light-Emitting           sie als Forscherin an dem Schweizer IBM-Forschungsla-
Display), die sich heute in vielen Smartphones und Tablet-      bor tätig, an dem sie auch ihre Doktorarbeit durchführte.
PCs finden. Bei IBM arbeitet sie an energieeffizienten          Seit 2008 leitet sie die Gruppe Nanoscale Electronics. Sie
Transistoren für künftige Computerprozessoren. Damit will       ist Co-Autorin zahlreicher Publikationen, betreute mehrere
sie die physikalischen Grenzen überwinden, die die fort-        Diplom- und Doktorarbeiten, hält 27 Patente und erwarb
schreitende Miniaturisierung der herkömmlichen Halblei-         einen Master of Business Administration. Ihre wissen-
tertechnik setzt. Aktuell beschäftigt sie sich mit neuartigen   schaftlichen Arbeiten wurden mit zahlreichen Preisen aus-
Nanodrähten, die eines Tages siliziumbasierte Chiptech-         gezeichnet, etwa dem Preis für Angewandte Physik der
nologien ablösen könnten.                                       Schweizerischen Physikalischen Gesellschaft und dem
                                                                Preis für Technische oder Wissenschaftliche Innovation
Riel hat sich zum Ziel gesetzt, einen völlig neuen Typ von      der Schweizerischen Vereinigung der Ingenieurinnen; 2003
Transistor zu entwickeln, der noch kleiner, noch schneller      wurde Riel in die Liste der TR100 Top Young Innovators
und auch energiesparender ist als die heutigen Technolo-        gewählt.
gien. Nanodrähte bieten mit ihrer zylindrischen Symmetrie
und ihrem nur nanometer-großen Durchmesser die beste            Mit ihren Preisen will die Alexander von Humboldt-Stiftung
Elektrostatik, um den Stromfluss im Transistor optimal zu       führende Wissenschaftler aus der ganzen Welt nach
regeln. Die Leckströme können so stark reduziert werden,        Deutschland holen. Die TUM konnte bereits 2008 den
dass der Stromverbrauch im Standby-Modus nahezu ge-             Bioinformatiker Prof. Burkhard Rost von der New Yorker
gen null sinkt. Nicht nur die Geometrie soll sich funda-        Columbia University als Humboldt-Professor gewinnen,
mental ändern, sondern auch der dem Transistor zugrun-          2010 den Nachrichtentechniker Prof. Gerhard Kramer von
de liegende physikalische Mechanismus. In Zukunft will          der University of Southern California. 2011 folgten der
Riel quantenmechanisches Tunneln in »Tunnel-Feldeffekt-         Wirtschaftsinformatiker Prof. Hans-Arno Jacobsen von der
Transistoren« ausnutzen, die höchstens ein Zehntel der          Universität Toronto und ein Experte für Stoffwechsel-
Energie der heutigen Transistoren verbrauchen.                  krankheiten, Prof. Matthias Tschöp von der University of
                                                                Cincinnati.
Heike Riel studierte Physik an der Friedrich-Alexander-
Universität Erlangen und promovierte 2001 an der Univer-                                                                     ■

                                                                                                                                 TUMcampus 1/13    11
Forschen

                                                                                                                      Die neue Hochdruck-
                                                                                                                      presse gewährt Ein-
                                                                                                                      blicke in die Struktur
                                                                                                                      des Erdinneren.
                      © Walte/BGI/FRM II

                      Der Druck steigt                                           winziger Teil des in der Erde vorhandenen Kohlenstoffs
                                                                                 liegt in der Atmosphäre als CO2 vor und beeinflusst das
                                                                                 Klima. Der größte Kohlenstoffspeicher ist der Erdmantel
                      Eine Weltneuheit hat der FRM II in Garching zu bie-        – und der langsame Austausch von Kohlenstoff zwi-
                      ten: eine Hochdruckpresse, die Geologen und Geo-           schen dem Erdinneren und der Atmosphäre, zum Bei-
                      physikern ganz neue Einblicke in die Struktur des          spiel bei Vulkanausbrüchen, hat über geologisch lange
                      tiefen Erdinneren erlaubt und die Entwicklung inno-        Zeiträume das Klima auf der Erde bestimmt. Viele De-
                      vativer Materialien ermöglicht. Eingerichtet wurde         tails dieses Kohlenstoff-Zyklus und der Speicherung
                      das vom BMBF finanzierte Instrument vom Bayeri-            von Kohlenstoff im Erdinneren sind bisher noch wenig
                      schen Geoinstitut der Universität Bayreuth.                verstanden.

                                                                                 Die Hochdruckpresse des Bayerischen Geoinstituts ist

                      W      issenschaftler können nun an der Forschungs-
                             Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz mit Neu-
                      tronen Feststoffe und Schmelzen unter den extremen
                                                                                 das erste von sechs neuen Instrumenten, die in der neu-
                                                                                 en Halle Ost des FRM II aufgestellt werden. Die lastwa-
                                                                                 gengroße und rund 50 Tonnen schwere Messapparatur
                      Druck- und Temperaturbedingungen erforschen, wie           lässt sich mit einer Genauigkeit von wenigen hundertstel
                      sie tief im Inneren der Erde herrschen. Vorteil der Neu-   Millimetern horizontal und vertikal im Neutronenstrahl
                      tronenstrahlen im Vergleich zur Röntgenstrahlung: Sie      ausrichten und zusätzlich um die Probe rotieren. Auf die
                      sind besonders empfindlich für leichte Elemente wie        wenige Millimeter großen Proben können mittels sechs
                      Wasserstoff, Bor und Kohlenstoff, die eine entschei-       Druckstempel Drücke bis hin zum 250 000-Fachen des
                      dende Rolle in der Dynamik der Erde, aber auch für die     Atmosphärendrucks ausgeübt werden, außerdem kön-
                      Entwicklung neuer superharter Materialien spielen.         nen die Proben auf mehr als 2 000 Grad Celsius erhitzt
                      Und: Mit der Hochdruckpresse kann man Probenmate-          werden. Starten werden die Messungen aber nicht vor
                      rialien während der Messungen deformieren und die          dem Jahr 2014. Erst dann ist die neue Halle Ost auch
                      auftretenden Spannungen registrieren.                      mit Neutronen versorgt.

                      Außerdem hoffen die Wissenschaftler, mit Hilfe der neu-                                              Nicolas Walte
                      en Apparatur grundlegende neue Erkenntnisse zum                                                       Petra Riedel
                      Kohlenstoff-Zyklus der Erde zu gewinnen. Denn nur ein

12   TUMcampus 1/13
Forschen

European Research Council zeichnet TUM-Wissenschaftler aus

Millionenförderung für
Forschungsprojekte
Spitzenforschung zahlt sich aus: Erneut hat der European Research Council (ERC) hoch dotierte Förder-
mittel an Wissenschaftler der TUM vergeben. Sechs Forscher wurden für zukunftsweisende Projekte in der
Medizin, Mathematik, Informatik und Physik ausgezeichnet. Seit dem Start dieser Förderung im Jahr 2007
hat die TUM 26 ERC-Grants erhalten und gehört damit zu den drei erfolgreichsten Universitäten
Deutschlands.

1  Prof. Jürgen Ruland vom Lehrstuhl für Klinische
   Chemie und Pathobiochemie erforscht Entzündun-
gen und ihre Signalwege im Immunsystem. Chronische
                                                                   Projekt »NanoREAL« untersucht er in Echtzeit die Dy-
                                                                   namik der Elektronenbewegung in optoelektronischen
                                                                   Bauteilen.
Entzündungen können das Risiko für Krebs und andere

                                                                                                                           © Nanosystems Initiative Munich (NIM)
Erkrankungen deutlich steigern. Mit seinem Advanced
Grant von 2,5 Millionen Euro wird der Wissenschaftler
diese Zusammenhänge weiter untersuchen.

                                                                   Im Projekt NanoREAL werden Nanomaterialien wie solche
                                                                   Kohlenstoff-Nanoröhrchen untersucht.
Mikroskopische Aufnahme von Immunzellen; links: unbehan-
delt; Mitte: mit Zymosan, einem Bestandteil der Pilzzellwand,
stimuliert; rechts: mit einem bakteriellen Lipopolysaccharid

                                                                   4
stimuliert. Die Stimulation führt über mehrere Schritte zu einer
                                                                      Prof. Massimo Fornasier vom Lehrstuhl für Ange-
Entzündungsreaktion. Blau: Zellkerne; Rot: ein pro-inflamma-
torischer Transkriptionsfaktor.                                       wandte Numerische Analysis beschäftigt sich mit der
                                                                   Frage, wie sich komplexe mathematische Berechnun-
                                                                   gen und Simulationen vereinfachen lassen. Mit einem

2   Prof. Arthur Konnerth vom Friedrich-Schiedel-
    Stiftungslehrstuhl für Neurowissenschaften unter-
sucht mittels eines neuen Verfahrens der Multiphoto-
                                                                   Starting-Grant von 1,1 Millionen Euro für sein Projekt
                                                                   »HDSPCONTR« wird er Werkzeuge entwickeln, mit de-
                                                                   nen Mathematiker die teilweise riesigen Datenmengen in
nen-Mikroskopie einzelne Synapsen im intakten Gehirn.              numerischen Systemen reduzieren können.
Dafür erhielt er 2,4 Millionen Euro. Die geplanten Unter-
suchungen konzentrieren sich auf Lernvorgänge im
Hörsystem, in dem akustische Informationen abgespei-
chert werden, zum Beispiel Melodien. Ein weiterer
                                                                   5   Ein weiterer Starting-Grant von 1,5 Millionen Euro
                                                                       geht an Prof. Andrey Rybalchenko vom Fach-
                                                                   gebiet Informatik mit Schwerpunkt Theoretische Infor-
Schwerpunkt ist die Analyse von Gedächtnis- und Lern-              matik. Er schreibt Programme, die andere Programme
störungen bei Alzheimer.                                           systematisch auf Fehler untersuchen. Denn selbst ein-
                                                                   fache Programme für Textverarbeitung sind inzwischen

3  Prof. Alexander Holleitner vom Zentrum für Na-
   notechnologie und Nanomaterialien erhielt einen
ERC-Starting-Grant in Höhe von 1,27 Millionen Euro.
                                                                   so umfangreich, dass Programmierer nicht alle Fehler-
                                                                   möglichkeiten testen können. In seinem Projekt »Veri-
                                                                   Synth« will der Forscher neue Verifikationswerkzeuge
Ihn interessieren nanoskalige Stromkreise: In seinem               für zukünftige Software entwickeln.                 ➔

                                                                                                                                                              TUMcampus 1/13   13
Forschen

                      6   Prof. Vasilis Ntziachristos vom Lehrstuhl für Biolo-
                          gische Bildgebung wird bereits zum zweiten Mal vom
                      ERC gefördert. Für ein medizinisches Bildgebungsver-
                      fahren erhält er einen »Proof of Concept Grant«: knapp
                      150 000 Euro. Die multispektrale opto-akustische Tomo-
                      grafie (MSOT) nutzt gepulste, unschädliche Laserstrah-
                      lung im Nah-Infrarotbereich. Das bestrahlte Gewebe
                      erwärmt sich, es kommt zu geringfügigen Vibrationen,
                      die sich über Ultraschalldetektoren erfassen lassen. Auf
                      diese Weise lassen sich Tumoren oder andere krank-
                      hafte Veränderungen auch in tieferen Gewebeschichten
                      kontrastreich und mit sehr hoher Auflösung darstellen.

                                                             Barbara Wankerl

                        Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert
                        seit seiner Gründung 2007 exzellente Grundlagen-         Heterarchie und Arbeitsteilung bei Blattschneiderameisen
                        forschung sowohl von vielversprechenden Nach-
                        wuchstalenten wie erfahrenen Spitzenforschern.
                        Seine beiden Förderformate haben in kurzer Zeit
                        hohes Ansehen erreicht. Die ERC-Grants gelten
                                                                                 Ameisenstaat als Vorbild
                        sogar als europäische Benchmark für Spitzenfor-
                        schung. Starting Grants unterstützen fünf Jahre
                                                                                 für die
                        lang herausragende Nachwuchswissenschaftler in
                        Aufbau bzw. Konsolidierung der eigenen For-
                                                                                 Produktionsorganisation?
                        schungsgruppe mit maximal 1,5 Millionen Euro.
                        Advanced Grants richten sich an herausragende            Die Bionik bildet eine Brücke zwischen Biologie
                        etablierte Forscher, die für denselben Zeitrahmen        und Technik. Dabei übertragen Forscher intelligen-
                        eine Förderung von bis zu 2,5 Millionen Euro erhal-      te Lösungen aus der Natur in die Technik. So wur-
                        ten. Jedes Jahr werden die themenoffenen Aus-            den etwa grundlegende Entwicklungen im U-Boot-
                        schreibungen veröffentlicht. Externe Bewerber mit        oder Flugzeugbau von Pinguinen abgeschaut, wie
                        ERC-Grants haben Vorteile bei der Bewerbung um           überhaupt ein Großteil der bekannten bionischen
                        eine TUM Tenure Track-Professur.                         Lösungskonzepte die Entwicklung technischer Pro-
                                                                                 dukte betrifft.
                        TUM-Wissenschaftler, die sich bewerben möchten,
                        werden intensiv vom EU-Büro in TUM ForTe bei             Vorbilder in der Natur gibt es aber auch für die Optimie-
                        allen Aspekten der Antragstellung unterstützt. Sie       rung der Betriebs- und Produktionsorganisation, bei-
                        können sich bei den Informationsveranstaltungen          spielsweise in einem Ameisenstaat. 2012 gründeten
                        des EU-Büros über die Ausschreibung sowie die            deshalb Wissenschaftler am Institut für Werkzeugma-
                        formalen Kriterien eines Antrags im Vorfeld infor-       schinen und Betriebswissenschaften (iwb) der TUM das
                        mieren. Dabei berichten Gutachter von ihrer Arbeit       Forschungsfeld »Bionik in der Produktionsorganisation«
                        und erfolgreiche Antragsteller von ihren Erfahrun-       mit dem Ziel, Methoden zur Übernahme von Lösungen
                        gen. Erfolgreiche ERC-Anträge werden künftig in          aus der Natur für die Produktionsorganisation zu entwi-
                        der leistungsbezogenen Mittelzuweisung an die            ckeln. Hierbei liegt der Fokus auf der Gestaltung und
                        Fakultäten berücksichtigt, ebenso wie Leibniz-Prei-      Weiterentwicklung der Organisation und der Prozesse.
                        se und Humboldt-Professuren.
                                                                                 Das TUM Leonardo da Vinci-Zentrum für Bionik fördert
                        www.tum.de/forte                                         von Januar 2013 an hierzu ein erstes Forschungsvorha-
                                                                                 ben am iwb. Dabei untersucht eine Vorstudie die Über-

14   TUMcampus 1/13
Forschen

                                                                        Forschungssplitter
                                                                        Diagnosemethode erweitert Behandlungsmöglich-
                                                                        keiten bei Brustkrebs: Mit einer Immuntherapie lässt
                                                                        sich Brustkrebs erfolgreich behandeln. Dafür verwendet
                                                                        man Antikörper, die sich an Oberflächenmoleküle des
                                                                        Tumors heften und das Tumorwachstum blockieren. Ei-
                                                                        nes dieser Immun-Medikamente richtet sich gegen das
                                                                        Protein HER2, das allerdings nicht bei allen Varianten
                                                                        des Tumors vorkommt. Unter Beteiligung der TUM ha-
                                                                        ben Wissenschaftler ein neues, sensibles Diagnosever-
                                                                        fahren entwickelt, mit dem mehr Patientinnen von der
                                                                        Therapie profitieren könnten: Der Test spürt auch
                                                    © eltfoto/fotolia

                                                                        Krebszellen auf, die nur scheinbar HER2-frei sind.
                                                                        www.tum.de/uploads/media/Brustkrebs-Test.pdf

                                                                        Bessere Diagnose von Erkrankungen des Energie-
                                                                        stoffwechsels: Defekte im Erbgut von Mitochondrien
                                                                        führen zu einer Reihe von Erkrankungen, weil die »Zell-
                                                                        kraftwerke« dann nicht mehr genug Energie bereitstellen
tragbarkeit bionischer Lösungen auf die Gestaltung von                  können. Davon betroffen sind häufig Muskeln und Ge-
Kooperationen in einem Produktionsnetzwerk. Produ-                      hirnzellen, die besonders viel Energie brauchen. Ein For-
zierende Unternehmen arbeiten zunehmend in komple-                      scher-Team des Deutschen Netzwerks für mitochondri-
xen Wertschöpfungsnetzen zusammen und erbringen                         ale Erkrankungen, an dem die TUM beteiligt ist, hat eine
nur noch einen Teil der Wertschöpfung selbst. Insbe-                    Genmutation entdeckt, die bei der Vervielfältigung des
sondere der Aspekt der Integrationstiefe zwischen den                   Mitochondrien-Erbguts eine Schlüsselrolle spielt. Damit
beteiligten Unternehmen ist eine Herausforderung bei                    sind Erkrankungen des Energiestoffwechsels künftig
der Gestaltung und Umsetzung von Kooperationen.                         besser zu diagnostizieren.
                                                                        www.tum.de/die-tum/aktuelles/
Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Unterneh-                      pressemitteilungen/kurz/article/30286
menskulturen und ein mangelnder Austausch notwendi-
ger Informationen aufgrund der Wettbewerbssituation                     Zuchtprogramm nach Genprofil: Brauner Rücken,
lässt Kooperationen scheitern. In der Natur dagegen                     weißer Kopf und weiße Schwanzspitze – das Fleckvieh
existieren zahlreiche Formen stabiler und erfolgreicher                 ist ein bayerisches Wahrzeichen. Die gescheckten Kühe
Kooperationen, etwa die Zusammenarbeit verschiede-                      werden für ihre Milchleistung und Fleischqualität auch in
ner Zellsysteme im menschlichen Körper bei der Im-                      Afrika und Südamerika geschätzt. Die starke Sonne in
munabwehr oder das symbiotische Zusammenleben                           diesen Breiten kann den Tieren allerdings gefährlich
von Ameisen und Pilzen. Ziel der Vorstudie ist es, die                  werden; denn ihr typisches weißes Kopffell bietet kaum
Übertragbarkeit dieser Potenziale zu ermitteln und ein                  Schutz vor UV-Strahlen. Bösartige Augentumoren sind
Verbundforschungsprojekt zu initiieren, das auf Basis                   beim Fleckvieh deshalb häufig: Bis zu 50 Prozent der
bionischer Lösungen eine optimale Struktur zur Koope-                   Tiere erkranken in sonnenreichen Ländern daran. Wis-
ration im Produktionsnetzwerk ableitet. Zoologen und                    senschaftler – darunter TUM-Forscher – können dieses
Biologen sollen die Naturbeobachtung und die Übertra-                   Krankheitsrisiko jetzt deutlich reduzieren – dazu setzen
gung der biologischen Konzepte unterstützen.                            sie auf DNA-Analysen im großen Stil.
                                                                        www.tum.de/die-tum/aktuelles/
  Jan-Fabian Meis, Kirsten Reisen, Sebastian Schindler                  pressemitteilungen/lang/article/30276

www.iwb.tum.de/bionik

                                                                                                                                    TUMcampus 1/13   15
Forschen

                                                                                      Wie ihre selbst gezüchteten Osteoklasten unter ver-
                                                                                      schiedenen Umwelteinflüssen am Knochen knabbern,
                                                                                      untersucht die Doktorandin an Dentinplättchen. Um die
                                                                                      resorptive Funktion zu quantifizieren, suchte sie nach ei-
                                                                                      nem Gerät, das die mikroskopisch kleinen Oberflächen-
                                                                                      strukturen (Lakunen) digital und dreidimensional erfas-
                                                                                      sen kann.

                                                                                      Ein Zufall führte sie an den Lehrstuhl für Maschinen-
                                                                                      elemente (auch Forschungsstelle für Zahnräder und
                                                                                      Getriebebau, FZG, genannt), wo Fabienne Kleinmichel
                                                                                      mit einem Infinite-Fokus-Gerät die Topografie von
                                                                                      Zahnradflanken und Maschinenelementen vermisst.
                                                                                      Gemeinsam entwickelten die FZG und die Plastische
                                                                                      Chirurgie ein interdisziplinäres Projekt, in dem sich das
                                                                                      Wissen über Infinite-Fokus-Mikroskopie mit medizin-
                                                                                      biologischer Expertise verbindet. Fabienne Kleinmichel
                                                                                      bearbeitete das Projekt als Bachelorarbeit, fachlich
                                                                                      unterstützt von Nadja Wojtas. So sollte es möglich
                                                                                      sein, die Spuren der Knochenresorption dreidimensio-
                                                                                      nal zu quantifizieren und gleichzeitig die Möglichkeiten
                                                                                      der Infinite-Fokus-Mikroskopie weiter zu erforschen.
                      Fabienne Kleinmichel (l.) und Nadja Wojtas im Zellkulturlabor
                                                                                      Mit dieser Art der Mikroskopie lassen sich Oberflächen
                                                                                      von Objekten wie Zahnrädern oder Kupplungsbelägen
                                                                                      dreidimensional darstellen. Sowohl Topografie als
                                                                                      auch Form und Rauheit der Proben werden berüh-

                      Zwischen Zahnrädern                                             rungslos und in hoher Auflösung bestimmt – mit bis zu
                                                                                      100 Millionen Punkten pro Messung.
                      und Zellen                                                      Dass sich das Verfahren nicht nur zur Vermessung von
                                                                                      Maschinenelementen eignet, zeigt das Projekt der bei-
                      Fächerübergreifend zu arbeiten, wird in der kom-                den jungen Wissenschaftlerinnen: Fabienne Kleinmichel
                      plexen Welt der Wissenschaft immer wichtiger.                   konnte mit dem Verfahren die Resorptionslakunen der
                      Ein Beispiel für eine gelungene Kooperation liefern             Osteoklasten, deren Volumina und Flächenanteile auf
                      zwei junge Frauen aus der TUM: Nadja Wojtas,                    den Dentinplättchen nachweisen. Im Rahmen der Mes-
                      Medizindoktorandin in der experimentellen plasti-               sungen führte sie Nadja Wojtas in das Gebiet der Ober-
                      schen Chirurgie, Klinik für Plastische Chirurgie und            flächen- und Werkstoffanalyse ein, im Gegenzug erlern-
                      Handchirurgie der TUM, und Fabienne Kleinmichel,                te sie selbst grundlegende Fähigkeiten auf dem Gebiet
                      Maschinenbaustudentin am Lehrstuhl für Maschi-                  der Zellkultur und sammelte wertvolle Erfahrungen mit
                      nenelemente. Gemeinsam machen sie Methoden                      zellbiologischen Methoden.
                      aus dem Maschinenwesen für die Anwendung in
                      der Medizin tauglich.                                           Das gemeinsame Herangehen, die gegenseitige Anlei-
                                                                                      tung und Hilfe waren ein großer fachlicher und auch
                      Nadja Wojtas erforscht die Entstehung von Osteoporo-            persönlicher Gewinn, darin sind sich die beiden Nach-
                      se. An dieser krankhaften Verschiebung im Knochen-              wuchswissenschaftlerinnen einig: »Es war spannend,
                      stoffwechsel leidet rund ein Viertel der deutschen Be-          das eigene Fachgebiet auch aus einer anderen Per-
                      völkerung über 50 Jahre. Bei Osteoporose ist das                spektive zu betrachten. Wir haben sehr viel dazuge-
                      Gleichgewicht zwischen den knochenabbauenden                    lernt.«
                      Osteoklasten und ihren Gegenspielern, den knochen-
                      aufbauenden Osteoblasten, gestört. Faktoren wie Hor-
                      mone oder auch Krankheiten und Medikamente können                                                        Alexander Weigl
                      Gründe dafür sein.

16   TUMcampus 1/13
Lernen und Lehren

Bewegung in den Bergen
– Berge in Bewegung
TUM-Masterstudenten der Geodäsie, des Umwelt-
ingenieurwesens und der Geologie setzten ihr
Wissen mit dem Modellprojekt »Prävention alpiner
Naturgefahren« in einem »Open Air Laboratory«
am Hornbergle in Reutte/Tirol in die Praxis um.

Der Alpenraum ist durch seine extreme Topografie ge-
prägt: In den Tälern bündeln sich Verkehrsachsen und
Infrastruktur neben begrenzten Siedlungsflächen, bis in
die Höhenlagen finden sich überlappende und kon-
kurrierende Nutzungen, ob nun Tourismus, Wasserge-
winnung, Elektrizitätserzeugung oder Landwirtschaft.
Gleichzeitig wachsen die Gefahren durch Naturereig-
nisse, die Schäden werden größer. Hochgebirgsregio-
nen sind somit geradezu prädestiniert für interdiszipli-
näre Ansätze in Forschung und Lehre.

Im Jahr 2012 erforschten Studenten die Wechselwir-
                                                           Ski- und Wandergebiet am Hornbergle (1755 m), Gemeinde Höfen, Tirol
kungen zwischen Naturgefahren und Tourismus. Der
Hausberg der Gemeinde Höfen, das Hornbergle, ist
intensiv genutztes Ski- und Wandergebiet und latenter
Gefahrenherd für Mensch und Siedlung zugleich.

  Das Projekt »Prävention alpiner Naturgefahren«
  wurde von den drei TUM-Lehrstühlen für Geodä-
  sie, für Geoinformatik und für Bodenordnung und
  Landentwicklung zusammen mit vielen universitä-
  ren Partnern wie der FAU Erlangen, der UniBW
  München und der TU Graz getragen. Die Wild-
  bach- und Lawinenverbauung Österreich, das
  Land Tirol, die Gemeinde Höfen und andere unter-
  stützten die Veranstaltung.

Wegen seines besonderen geologischen Aufbaus »lei-
det« der Berg unter »Zerreißungen«, die es wahrschein-
lich machen, dass Felstürme oder Bergflanken auf ab-
sehbare Zeit abbrechen. Bergstürze und Murenabgänge
können die Menschen im Siedlungsgebiet, aber auch
Wanderer und Skifahrer gefährden.                                                       TU München Modellprojektgruppe Hornbergl 2012, Land Tirol - tirisMaps 2012

                                                           3D-Visualisierung des Hornbergle mit Sichtbarkeitsanalyse für einen Themenwanderweg
Unter Anleitung des TUM-Lehrstuhls für Geodäsie be-
obachten Studierende seit vielen Jahren in Messkam-

                                                                                                                                TUMcampus 1/13          17
Lernen und Lehren

                      pagnen die kontinuierlichen Felsbewegungen. Die aus         So detektierten die Studenten verschiedene Risiko- und
                      tachymetrischen und satellitengestützten Messungen          Sensibilitätsgebiete wie Hangrutschungsbereiche oder
                      gewonnenen Ergebnisse werden mittels hybrider Netz-         Lawinenanrisszonen und zogen aus Simulationsbe-
                      ausgleichungen kombiniert, analysiert und nach einer        trachtungen Rückschlüsse auf zukünftige Entwicklun-
                      Deformationsanalyse in Zeitreihen dargestellt. Im aktuel-   gen. Für viele Beteiligte zunächst überraschend war die
                      len Projekt wurden die gewonnenen Daten um die Geo-         Schlussfolgerung der Studenten in ihrer Abschlussprä-
                      metriedaten von allgemeiner Topografie, Nutzungs-           sentation: Naturgefahren und Tourismus schließen sich
                      strukturen und Infrastruktur ergänzt. Der Lehrstuhl für     gegenseitig nicht aus. Dazu konzipierten die Studieren-
                      Geoinformatik der TUM bereitete die aufgenommenen           den während der Projektwoche einen Themenwander-
                      Daten auf, verknüpfte sie mit Sachdaten und analysierte     weg – auf sicherem Gelände –, der die Naturgefahren
                      sie mittels geografischer Informationssysteme. Aufbau-      »erlebbar« und die Verantwortlichkeit des Menschen im
                      end auf diesen Erkenntnissen entwickelte der Lehrstuhl      Umgang mit der Natur begreifbar macht.
                      für Bodenordnung und Landentwicklung der TUM das
                      Landmanagementkonzept für die Tourismusnutzung.                         Christoph Reith, Holm Seifert, Klaus Spreng

                      Modernste Hardwareausstattung durch großzügige Spende

                      Für schnelle Spiele am Computer
                      Computerspiele brauchen häufig viel Rechenleis-             nahtlos fortsetzen können, ist derzeit ein Masterpro-
                      tung. Deshalb muss bei ihrer Entwicklung auch die           gramm in Planung. Der zum Wintersemester 2011/2012
                      Hardware effizient genutzt werden. Studierende des          erstmals angebotene Bachelorstudiengang startete
                      jungen Bachelorstudiengangs »Informatik: Games              gleich mit großem Erfolg. Der Vorteil für die mittlerweile
                      Engineering« der TUM sollen diese Techniken früh-           296 Games-Studiererenden: Sie müssen sich nicht
                      zeitig lernen. Dafür wurde mit großzügiger Unterstüt-       innerhalb eines Informatikstudiengangs auf Spiele-The-
                      zung durch die Firmen ARM, Texas Instruments und            men spezialisieren. Vielmehr konzentrieren sie sich
                      STMicroelectronics im November 2012 ein Prakti-             gleich von Anfang an auf die Grundlagen der Spieleent-
                      kumslabor mit modernster Hardware ausgestattet.             wicklung wie 3D-Simulation, Interaktion sowie Social
                                                                                  Games und bekommen gleichzeitig fundierte Informa-
                      Dank der gespendeten Entwicklungsplatinen von Texas         tikkenntnisse vermittelt.
                      Instruments und STMicroelectronics, basierend auf der
                      ARM-Prozessor-Architektur, sowie der entsprechenden         Auch die Spieleindustrie bestätigt die Attraktivität des
                      ARM-Entwicklungswerkzeuge können die Studierenden           Konzepts. So haben die Absolventen beste Berufs-
                      an der weltweit am häufigsten verwendeten Prozessor-        chancen. Neben dem prosperierenden Spielemarkt
                      Architektur üben. Da die hohe Rechenleistung der Com-       wächst die Nachfrage auch in anderen Geschäfts-
                      puterspiele bei mobilen Endgeräten den Akku stark be-       feldern – auch Serious Games genannt. Dabei setzen
                      lastet, muss man den Prozessor effizient nutzen, um         Experten Spielekonzepte in Planspielen oder Trainings-
                      dennoch schnelle Spielanwendungen zu gewährleisten.         systemen um. Mediziner üben beispielsweise an virtu-
                      Die Studenten erarbeiten in Praktika nicht nur den allge-   ellen Operationen, Piloten trainieren an Flugsimulatoren,
                      meinen Aufbau und die Funktionsweise von Rechnern           und Manager nutzen Spieltheorien, um Großaufträge zu
                      und Prozessoren, sie trainieren auch, wie sie die Hard-     gewinnen.
                      ware so programmieren, dass sie die größtmögliche
                      Leistung herausholen.                                                                            Andreas Battenberg

                      Damit die ersten Absolventen des Bachelorstudien-
                      gangs »Informatik: Games Engineering« ihr Studium           www.in.tum.de/Informatik_Games_Engineering

18   TUMcampus 1/13
Lernen und Lehren

                                                                           Das GRK 1482 ist das einzige koordinierte
                                                                           Programm zum Thema Ernährungswissen-
                                                                           schaften in Deutschland. Sein Forschungs-
                                                                           konzept basiert auf einer breiten interdiszipli-
                                                                           nären Expertise, die in dieser Form an kei-
                                                                           nem anderen universitären Standort in
                                                                           Deutschland vorhanden ist. Die Sprecher-
                                                                           funktion hatte in der ersten Förderperiode
© Uli Benz

                                                                           Prof. Hannelore Daniel vom Lehrstuhl für Er-
                                                                           nährungsphysiologie inne; für die zweite Pe-
Mit diesem Messgerät, einem Bombenkalorimeter, kann man den Energie-       riode übernahm dieses Amt Prof. Dirk Haller
gehalt einer Substanz bestimmen. Hier führt die Doktorandin Sarah-Made-    vom Lehrstuhl für Biofunktionalität der Le-
leine Gabler den Bombentiegel mit einem Pellet aus Mäusekot in das Gerät   bensmittel.
ein, um festzustellen, wieviel Energie mit dem Kot ausgeschieden wird.

Zweite Förderperiode für Graduiertenkolleg am WZW               GRK. Dank der positiven Begutachtung konnte die Arbeit
                                                                aber nahtlos weitergeführt werden: Die DFG fördert mit

Details aus dem Darm
                                                                2,7 Millionen Euro eine zweite Förderperiode von vierein-
                                                                halb Jahren. Auch in dieser Zeit wird der Gastro-Intesti-
                                                                nal-Trakt mit seinen Eigenschaften als Kommunikations-
Belastete Lebensmittel, Fast Food und eine unge-                organ zwischen Darmlumen und Signalen aus der Umge-
sunde Lebensweise bedeuten Stress für unseren                   bung im Zentrum stehen.
Darm. Immer mehr Menschen leiden unter Darm-
entzündungen. Mit der Funktion des Verdauungs-                  Im Wesentlichen beschäftigen sich die Themen des Kol-
organs befasst sich ein Graduiertenkolleg an der                legs mit drei Wissenschaftsfeldern rund um den Darm:
Fakultät Wissenschaftszentrum Weihenstephan.                    mit luminalen Faktoren, mit Phänomenen auf der epithe-
Im Oktober 2012 begann die zweite Förderphase.                  lialen Ebene und mit subepithelialen/peripheren Signalen.
                                                                Bei den luminalen Faktoren geht es vor allem um kom-
Eines der größten Organe des menschlichen Körpers ist           mensale Mikroorganismen und ihre Interaktion mit der
der Darm; unzählige Darmzotten vergrößern seine innere          epithelialen Grenzfläche. Außerdem soll weiter spezifiziert
Oberfläche auf bis zu 500 Quadratmeter. Kein anderes            werden, welche Bedeutung das in der Nahrung enthalte-
Organ hat mehr Grenzfläche mit der Außenwelt. An die-           ne Eisen für die Enstehung von CED hat. Auf der Ebene
ser interaktiven Schnittstelle laufen vielfältige, fein regu-   des Epithels – diese Zellschicht kleidet das Darmlumen
lierte Prozesse ab, in die einerseits Faktoren des Lumens       aus – wird die Bedeutung der Eisenspeicherung für Ent-
– Nährstoffe und Mikroorganismen – eingreifen, anderer-         zündungsprozesse und die Rolle epithelialer Entzün-
seits immunologische, metabolische, hormonelle und              dungsfaktoren bei der peripheren Fettspeicherung unter-
neuronale Signale aus dem Organismus. Zudem beein-              sucht. Fragen zum Thema subepitheliale/periphere Sig-
flussen Umwelt und Lebensstil das Geschehen. Kommt              nale betreffen beispielsweise Gallensäuren und die Bil-
zu negativen Einflüssen auch noch eine genetische Anfäl-        dung brauner Fettzellen oder den Einfluss körpereigener
ligkeit für Entzündungsprozesse und metabolische Fehl-          Signalstoffe auf die Hormonsekretion des Darms.
funktionen, können typische Zivilisationskrankheiten wie
chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) und               Wie jedes Graduiertenkolleg hat auch das GRK 1482
Adipositas-assoziierte Stoffwechselstörungen entstehen.         nicht nur eine wissenschaftliche Seite. Neben fachspe-
                                                                zifischen Seminaren, einem neuen Projekt-orientierten
Vor diesem Hintergrund richtete die Fakultät Wissen-            Methodenworkshop und Klausurtagungen mit internatio-
schaftszentrum Weihenstephan 2008 das Graduierten-              nalen Experten gehören auch Veranstaltungen dazu, die
kolleg (GRK) 1482 ein: »Mittlerfunktion des Darms zwi-          die soziale Kompetenz der Nachwuchswissenschaftler
schen luminalen Faktoren und Signalen des Wirtes«. 15           fördern und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihrer
Doktorandinnen und Doktoranden nehmen heute daran               Karriere stärken sollen. Diese Seite deckt die TUM Gra-
teil. Sie promovieren an acht Lehrstühlen des WZW und           duate School ab.
einem Lehrstuhl des TUM-Klinikums rechts der Isar. Im                                                                   ■
September 2012 endete die erste Förderperiode des               www.grk1482.de

                                                                                                                              TUMcampus 1/13   19
Lernen und Lehren

Auszubildende
präsentieren ihre
Abschluss- und
Prüfungsarbeiten:
Prof. Klaus Bengler,
Dekan der Fakultät
für Maschinen-
wesen, Christian
Gastinger, Auszu-
bildender, Uli
Ebner, Ausbilder,
Lorena Kihnert-
Hilz, Florian Huber
und Peter Pichler,
Auszubildende,
und Prof. Manfred
Prenzel, Dekan der
TUM School of
Education (v.l.).

                                                                                                                                     © Uli Benz
                       Zehn Jahre Ausbildungszentrum für die nichtakademische Berufsausbildung

                       Maßanfertigung statt Massenware
                       Das Ausbildungszentrum für die nichtakademische             unterstützt und gefördert werden«, sagt Manfred Pren-
                       Berufsausbildung (AuTUM) ist an der TUM die                 zel, Dekan der TUM School of Education. »Wir von der
                       Drehscheibe für alle Belange der beruflichen Aus-           TUM-Fakultät für Lehrerbildung sind dankbar für das
                       bildung. Als das Zentrum vor zehn Jahren gegrün-            Engagement für berufliche Bildung, studiert doch bei
                       det wurde, war es das erste seiner Art in Bayern.           uns ein Großteil das berufliche Lehramt.«
                       Seither hat es 650 junge Leute ausgebildet.
                                                                                   Monika Partsch, die Leiterin des AuTUM, lobt den Vor-
                       Bekannt ist sie vor allem für exzellente Forschung und      teil einer Ausbildung an diesem universitären Zentrum:
                       Lehre im akademischen Bereich, doch bietet die TUM          »Routiniert hohe Stückzahlen abzuarbeiten, kann
                       auch eine Vielzahl nichtakademischer Ausbildungen an.       schnell langweilig werden. Unsere Auszubildenden ar-
                       Im Jahr 2002 richtete sie eine zentrale Anlaufstelle für    beiten im Auftrag der Forschung oft an anspruchsvollen
                       alle Belange der beruflichen Bildung ein, um auch in die-   Sonderanfertigungen und haben ständig neue Probleme
                       sem Bereich eine gute Betreuung und ein hohes Ausbil-       zu lösen.« Sechs Innungssieger und 25 Förderpreise für
                       dungsniveau sicherzustellen.                                besonders gute IHK-Abschlüsse bestätigen das hohe
                                                                                   Niveau der Ausbildung an der TUM.
                       Mittlerweile hat das AuTUM rund 650 Auszubildende
                       bis zum Abschluss geführt. Derzeit betreut es 150 Aus-                                        Andreas Battenberg
                       zubildende in 16 Berufen. »Das AuTUM ist für die Aus-
                       zubildenden eine wichtige Heimat geworden, wo sie           www.tum.de/autum

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