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vm Ve r b a nd s M a g a z i n Themen, Trends und Fakten der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – VdW Rheinland Westfalen #6 2019 16 REGIONALEN AUSGLEICH STÄRKEN: WOHNUNGSWIRTSCHAFT MACHT QUARTIERE IN STADT UND LAND ZUKUNFTSFÄHIG 24 QUARTIERSBEREISUNG MIT DER FDP-LANDTAGSFRAKTION 4 SCHWERPUNKT – DAS LÖSUNGSORIENTIERTE NRW-MODELL Wie die Enteignungsdebatte im Faktencheck zerrinnt
IMPRESSUM Herausgeber: Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e. V. Goltsteinstr. 29, 40211 Düsseldorf, Tel.: +49 (211) 16998-0, Fax: +49 (211) 16998-50 E-Mail: info@vdw-rw.de, http://www.vdw-rw.de Verantwortlich für den Inhalt: Alexander Rychter Redaktion: Katrin Stamm (KS, Leitung) Jürgen Gnewuch (JG), Christina Göbel (CG), Dr. Svenja Haferkamp (SH), Nadine Ibing (NI), Robin Mertens (RM), Cindy Merz (CM), Alexander Meyer (AM), Marcel Middeke (MM), Oliver Niermann (ON), Christian Obert (CO), Hans-Joachim Palm (HP), Dr. Daniel Ranker (DR), Frederik R. Ruhrort (FRR), Roswitha Sinz (RS), Eva Stelzner (ES), Sebastian Tackenberg (ST), Lisa Wilczek (LW) Layout & Gestaltung: Statement GmbH – Agentur für Marketing- und Designlösungen, Saarbrücken, Köln, Berlin http://www.agentur-statement.de Druck: Krüger Druck und Verlag Erscheinungsweise: 10 x jährlich Auflage: ca. 1.500 – 2.000 Exemplare Anzeigen: Statement GmbH – Agentur für Marketing- und Designlösungen, Saarbrücken, Julia Kaiser, Tel.: +49 (681) 99281-37 Der Bezugspreis ist für die Mitglieder der Verbände im Mitgliedsbeitrag enthalten.
EDITORIAL 1 Bezahlbare Wohnungen statt teure Enteignungen S teigende Mietpreise dürfen nicht zu mehr bauen würden, wenn ihnen das Land neuen Stadtmauern werden, Men- Berlin endlich das notwendige Bauland ver- schen sollten nicht aus ihren Wohn- kaufen würde, ein konsequenter Ausbau der und Stadtquartieren verdrängt werden, ohnehin erst wieder seit wenigen Jahren be- weil sie sich die Miete nicht mehr leisten stehenden Berliner Wohnungsbauförderung können. Kurzum: Wohnen ist die soziale auf ein den Herausforderungen angemesse- Frage unserer Zeit, um hier Horst Seehofer nes Förderniveau sowie endlich eine sozial- zu zitieren, auch für den Wohnungsbau verträgliche Bebauung an den Rändern des zuständiger Bundesminister. Tempelhofer Feldes. Bezahlbares Bauland ist einer der Schlüssel für mehr bezahlbaren Diese Entwicklung macht den Menschen Wohnungsbau. Die kaum nachvollziehbare vor allem in den Wachstumsmetropolen Entscheidung, auf sozialen Wohnungsbau zu- und Schwarmstadtregionen – auch in Ber- gunsten von Freizeitnutzungen auf dem ehe- lin – Sorgen. In Nordrhein-Westfalen und maligen Flugplatzgelände zu verzichten, gerät Rheinland-Pfalz begegnet man diesen angesichts der aktuellen wohnungspolitischen Ängsten mit mietpreisbegrenzenden Instru- Diskussionen schlichtweg zur Groteske. menten wie der Kappungsgrenzenverord- nung, der Schaffung von mehr bezahlbarem Wie es ein Stadtstaat besser machen kann, Wohnungsbauland unter anderem entlang zeigt das Beispiel Hamburg. In der Hansestadt „Steigende Mietpreise der Schienenwege, einer konsequenten verfolgt man seit Jahren eine konsequente dürfen nicht zu neuen Vereinfachung des Bauordnungsrechts als Beitrag zur Baukostensenkung sowie insbe- Wohnungsbauförderpolitik, deren Ergebnisse sich im Vergleich zur Bundeshauptstadt sehen Stadtmauern werden“ sondere seit Jahren durch eine verlässliche lassen können. So entstanden dort von 2006 Wohnungsbauförderpolitik. In diesem Jahr bis 2017 rund 25.000 geförderte Mietwohnun- stellt Nordrhein-Westfalen beispielsweise gen, im Land Berlin im gleichen Zeitraum nur 1,3 Milliarden Euro für den geförderten 7.500. Durch Landesmietendeckel oder Verge- Wohnungsbau bereit und damit mehr als sellschaftung ganzer Wohnungsunternehmen, alle Bundesländer zusammen. die in Teilen von den gleichen politischen Verantwortlichen noch vor wenigen Jahren Alle diese Handlungsansätze wurden im veräußert worden sind, entsteht kein einziger Land Berlin in den vergangenen Jahren Quadratmeter neuer Wohnraum. mehr als vernachlässigt, stattdessen setzt man nun auf radikale Lösungsansätze wie Die verfassungsrechtlich notwendigen Ent- das fünfjährige Einfrieren der derzeitigen schädigungszahlungen, die ein Vielfaches Mieten durch einen eigenen Landesmieten- der einstigen Verkaufserlöse betragen wür- deckel, für den inzwischen ein Eckpunkte- den, sind schlichtweg verschwendetes Geld, entwurf vorliegt, oder aber die Enteignung das wesentlich sinnvoller in den Bau neuer beziehungsweise Vergesellschaftung von bezahlbarer Wohnungen investiert werden Wohnungsunternehmen. Damit ist der müsste. „Wut baut keine Wohnungen und Populismus auch in der Wohnungspolitik Enteignung auch nicht", so der ehemalige angekommen. nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek. Dem ist nichts hinzuzufügen. Auf einer Senatsliste der potenziell verge- Ihr sellschaftungs- und kollektivierungsfähigen Wohnungsunternehmen findet sich nun neben großen börsennotierten Wohnungs- gesellschaften mit der Evangelischen Hilfs- werksiedlung GmbH auch ein kirchliches Wohnungsunternehmen. Alternativvor- Alexander Rychter schläge der Berliner Wohnungswirtschaft gibt es zur Genüge, so eine Stärkung von Verbandsdirektor/Vorsitzender des Wohnungsgenossenschaften, die gerne VdW Rheinland Westfalen 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
2 INHALT 4 18 24 Wie die Enteignungsdebatte Konferenz zur Schönheit und Quartiersbereisung mit der im Faktencheck zerrinnt Lebensfähigkeit der Stadt No. 10 FDP-Landtagsfraktion – Wohnen an Rhein und Ruhr SCHWERPUNKT AKTUELLES NRW 4 Wie die Enteignungsdebatte 14 „Enteignung ist die Kapitulation vor 24 Wohnen an Rhein und Ruhr im Faktencheck zerrinnt der Bekämpfung der Ursachen“ Quartiersbereisung mit der Auf Sand gebaut Interview mit Ina Scharrenbach, FDP-Landtagsfraktion Ministerin für Heimat, Kommunales, 7 SPD und CDU in Rheinland-Pfalz Bau und Gleichstellung des Landes 26 Widersprüche zur Wohnraum- gegen Enteignungen förderung verringern sich Nordrhein-Westfalen Stimmen aus Rheinland-Pfalz Neue Kappungsgrenzenverordnung für NRW 8 „Mit Erstaunen und Unverständnis haben wir den Beschlusstext zur 27 Anhaltende Spannung Kenntnis genommen“ AKTUELLES Wohnungsmarktbericht NRW 2018 Interview mit Jörn von der Lieth, Geschäftsführer der Berliner Hilfs- 28 Landtag diskutiert in aktueller werk-Siedlung GmbH 16 Regionalen Ausgleich stärken: Stunde über Enteignung Wohnungswirtschaft macht Quar- Mangelware Wohnraum tiere in Stadt und Land zukunftsfähig 9 „Insgesamt wünsche ich mir Werkstattgespräch mit Abgeordneten Der Markt regelt nicht alles – mehr partnerschaftliche mehr Gemeinwohl wagen! Zusammenarbeit“ des Deutschen Bundestages am Diskussionsrunde im Landtag Interview mit Thomas Hegel, 8. Mai 2019 in Berlin LEG Immobilien AG 18 „Nichts ist erledigt!“ 29 Endspurt zur Europawahl 42. Landesparteitag der CDU NRW Konferenz zur Schönheit und 10 Wie steht’s in Berlin um … Lebensfähigkeit der Stadt No. 10 AKTUELLES RLP 11 Wie steht’s in NRW um … 20 Infrastruktur und Elemente öffentlicher Räume Baukultur Werkstatt in Köln 30 Ergebnisse und Empfehlungen der 12 „Die Forderung drückt vor Evaluation allem den Wunsch aus, in einem 21 Neue Förderbedingungen Wohn-Pflege-Gemeinschaften im möglichst großen Segment der bei der KfW Wohnpunkt RLP Bestandswohnungen öffentliche Einbruchschutz Verantwortung und nichtgewinn- Fallstricke der genossenschafts- 31 Landesregierung billigt Gesetz- entwurf über das Verbot der orientierte Vermieterstrukturen rechtlichen Praxis vermeiden Zweckentfremdung von Wohnraum zurückzugewinnen“ „Aktuelles Genossenschaftsrecht“ Beteiligungsverfahren eingeleitet Interview mit Dr. Andrej Holm, in Essen Stadtsoziologe Verbesserte Förderkonditionen 22 Schneller aufs Fahrrad für mehr bezahlbaren Wohnraum 13 Wut baut keine Wohnungen und als zum Auto? ab 1. Mai 2019 Enteignung auch nicht Stellplatzsatzung und Anpassung an Marktbedingungen Beitrag von Michael Groschek Stellplatzschlüssel 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
INHALT 3 30 36 44 Wohn-Pflege-Gemeinschaften Spar- und Bauverein eG zeigt breites Altersgerechtes Wohnen mithilfe im Wohnpunkt RLP genossenschaftliches Spektrum von digitalen Assistenzsystemen ohne Umbau VdW-ARBEITSKREISE STEUERN TECHNIK UND MULTIMEDIA 32 Gemeinsame Studienfahrt nach 38 Pkw-Überlassung an Arbeit- 44 Altersgerechtes Wohnen mithilfe Aachen, Maastricht und Eupen nehmer – Unterschiedliche von digitalen Assistenzsystemen Arbeitskreis für Energie, Umwelt Bemessung bei der Lohnsteuer ohne Umbau und Technik und der Umsatzsteuer Ambient Assisted Living „BIM“ – Wie kann diese Planungs- Umsatzsteuer methode das Bauträgergeschäft 45 Was muss Software bieten, um verändern? 39 Adresse für den Vorsteuerabzug energiewirtschaftliche Prozesse Umsatzsteuer im Wohnungsunternehmen zu Sitzung des Arbeitskreises integrieren? „Bauträgerwesen“ Überlassung von (Elektro-)Fahr- Mieterstrom – Die lokale Energie- rädern an Arbeitnehmer wende wirtschaftlich nutzen 33 „Cradle-to-Cradle“ im Bauwesen Einkommensteuer 57. Europäischer Tisch Untergang von Verlustvorträgen FÜR SIE GELESEN bei Übertragung von gezeichnetem TERMINE 2019 Kapital 40 Steuerliche Förderung der 47 Luxusgut Wohnen 33 Termine 2019 Elektromobilität und Änderung Warum unsere Städte immer teurer werden und was jetzt zu tun ist der Grunderwerbsteuer ARBEITSGEMEINSCHAFTEN Referentenentwurf des BMF Die Enteignung Historische, vergleichende, dogmati- sche und politische Perspektiven auf 34 Treffpunkt Regionale Arbeits- RECHT ein Rechtsinstitut gemeinschaften in Bochum 40. Jubiläumssitzung 41 Relevanz der korrekten SEMINARE Wohnflächenberechnung AUS DEN UNTERNEHMEN für das Mietverhältnis Mietrecht 48 Seminare im Juni und Juli 2019 35 100 Jahre Allbau – 42 Kurzzeitige Vermietung im eine Essener Erfolgsgeschichte Wohnungseigentum verbieten? Festakt in der Philharmonie Essen am BGH, Urteil vom 12. April 2019, 13. Mai 2019 AZ.: V ZR 112/18 36 Spar- und Bauverein eG zeigt breites 43 Angaben auf Geschäftsbriefen genossenschaftliches Spektrum Genossenschaftsrecht in der Praxis Quartierstour durch Dortmund 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
4 SCHWERPUNKT Wie die Enteignungsdebatte im Faktencheck zerrinnt Fotos: VdW RW AUF SAND GEBAUT >> In der Bundeshauptstadt werden derzeit die Forderungen nach der Enteignung von großen Wohnungsunternehmen am lautesten vorgetragen – auf der Straße, in den Medien und den sozialen Netzwerken. Bezahlbar soll das Wohnen bleiben, so der durchaus nachvollziehbare Wunsch der Aktivisten. Doch die Zusammenhänge sind komplexer, als es sich griffig auf Transparenten und in Twitter-Zeichen fassen lässt. Also müssen kompakte Botschaften her: Mietenwahnsinn stoppen, Miethaien die Zähne ziehen, Spekulation bekämpfen. Die Vision: staatliche Wohnungen, bezahlbar, zukunftsfähig und generationengerecht. Doch bringen Enteignungen oder Vergesellschaftungen tat- sächlich den gewünschten Erfolg? Berlin – ein besonderer Fall verfahren vergeben, sondern sie hat auch ab politischen und gesellschaftlichen Klima Zunächst zu den Ursachen der heutigen 1997 trotz Ausgleichszahlungen des Bundes beigetragen. Berlin wächst, möchte es aber Entwicklung: Jahrzehntelange wohnungs- die Neubauförderung eingestellt und ab 2003 eigentlich nicht: Der Anteil derer, die den politische Versäumnisse haben zur heutigen eine Politik des Rückzugs aus den Sozialbin- Zuzug aus anderen Bundesländern nach Situation auf den Wohnungs- und Immo- dungen betrieben. Berlin als „bereichernd“ ansehen, hat sich bilienmärkten geführt. Berlin stellt dabei laut einer Civey-Umfrage für den Tagesspie- immer ein besonderes politisches Feld dar, Die Mittel der sozialen Wohnraumförde- gel seit März 2017 von knapp 50 Prozent auf die Stadt leidet an und unter den eigenen rung wurden zur Finanzierung von Altlasten 30,7 Prozent (Stand Ende 2018) verringert. politischen Versäumnissen. Nicht nur hat eingesetzt und in den 90er-Jahren wurden Diejenigen, die darin einen Schaden sehen, sie jahrelang zu wenig Wohnungen gebaut gerade die städtischen Unternehmen fi- haben sich im selben Zeitraum von etwa 10 und Grundstücke nach dem Höchstpreis- nanziell gefordert. All das hat zum heutigen auf fast 17,9 Prozent erhöht. 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
DAS LÖSUNGSORIENTIERTE NRW-MODELL 5 Es waren zudem der zweite und dritte Senat unter dem damaligen Regierenden Bürger- Anteile der Mietwohnungen nach Vermietertypen meister Eberhard Diepgen in einer Koalition Mittel der Jahre 2016 – 2017; Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern aus SPD und CDU sowie der rot-rote Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus 50 Wowereit, die Ende der 90er-/Anfang der Private(r) Eigentümer Genossenschaften private Wohnungsunternehmen kommunale Wohnungsgesellschaften gemeinnützige Organisationen 2000er-Jahre städtische Wohnungsunter- nehmen privatisiert haben. Fast 200.000 40 gemeinnützige Or Wohnungen der städtischen Gesellschaften verkaufte der Senat seit der Wende bis in die Mitte der Nuller-Jahre. Im November kommunale Wohn 1998 beschloss der Senat den Verkauf der 30 Quelle: SOEP v34; Institut der deutschen Wirtschaft GEHAG. Der Verkaufserlös belief sich auf 950 Millionen DM. Die größte Veräußerung war private Wohnungs 2004 der Verkauf der Gemeinnützigen Sied- lungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) 20 mit 65.000 Wohnungen. Die Vorlage dafür Genossenschaften erstellte Finanzsenator Thilo Sarrazin für die damalige Koalition aus SPD/Die Linke, der auch der heutige Regierende Bürgermeister, 10 Private Eigentüme Michael Müller, als damaliger Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus 48 % 24 % 17 % 9% 3% Berlin angehörte. Der Kaufpreis betrug 400 Millionen Euro. 0 Es wirkt fast ironisch, wenn die damals wie heute an der Regierungskoalition beteiligten Parteien heute für viele Milliarden Euro ein Dass mit der Hilfswerk-Siedlung mittlerweile Entschädigungen in Loch in den Haushalt der Hauptstadt reißen auch ein kirchliches Wohnungsunterneh- zweistelliger Milliardenhöhe wollen, um Unternehmen zu enteignen, die men von den Enteignungsfantasien betroffen Sollten sich die betroffenen Unternehmen von ihnen vor Jahren selbst verkauft wurden. ist, war der Initiative zunächst scheinbar dem Vorschlag Taheris nicht anschließen, Die Politik versucht durch eine fehlgeleitete nicht aufgefallen: „Wir wussten nicht, dass stünden nach Kostenschätzung des Berliner Wohnungspolitik von ihren eigenen Unzu- die Hilfswerk-Siedlung die Vergesellschaf- Senats Entschädigungszahlungen in Höhe länglichkeiten abzulenken. tungskriterien erfüllt und damit eines von von 28,8 Milliarden bis 36 Milliarden Euro den betroffenen Unternehmen ist“, so Rouz- an die von der Vergesellschaftung betroffe- Enteignung bei mehr als beh Taheri, Kopf der Initiative „Deutsche nen Wohnungsunternehmen an. Die Ent- 3.000 Wohnungen im Bestand Wohnen & Co. enteignen“ in der Berliner eignung Berliner Wohnungsunternehmen Auf diesem Nährboden säte die Initiative Morgenpost. „Ich kenne die Gesellschaft gar hätte eine verheerende wirtschaftspolitische „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ die nicht, weder im Guten noch im Schlechten.“ Signalwirkung und weitere negative Fol- Idee eines Volksbegehrens aus. Hat es Er- gen für einen ohnehin schon angespannten folg, sollen alle Berliner Wohnungsunter- Allerdings, so Taheri, sei die Zahl von 3.000 Wohnungsmarkt in Berlin. Neben einer nehmen mit einem Bestand von über 3.000 Wohnungen eine Soll-Bestimmung und Rekordverschuldung des Berliner Haus- Wohneinheiten enteignet werden. Zu den man werde sehen, wie der Senat das Gesetz halts durch Entschädigungszahlungen und insgesamt zehn betroffenen Wohnungsun- beschließe. „Am besten wäre es aber, wenn Folgekosten der Vergesellschaftung würden ternehmen zählen auch vier Unternehmen, das Unternehmen seine Wohnungen an die auch künftige Investoren abgeschreckt, eine die dem BBU Verband Berlin-Brandenbur- Mieter verschenkt und die GmbH in eine große Gefahr für den Wirtschaftsstandort gischer Wohnungsunternehmen und damit Genossenschaft umgewandelt wird, dann Berlin. Die Folge wäre eine massiv geringere auch im Bundesverband GdW organisierten entgeht sie ganz sicher der Enteignung“, Investitionskraft der Hauptstadt und damit Wohnungswirtschaft angehören. so Taheris Gegenvorschlag in der Berliner auch weniger Geld für dringend benötigte Morgenpost vom 14. März 2019. Investitionen in die Infrastruktur, Schulen, Kitas und nicht zuletzt Wohnraum. Unternehmen Wohneinheiten Berlin Durchschnittsmieten Die Chimäre der Enteignung Deutsche Wohnen SE 114.289 6,46 €/m² Zielführender ist es sicher, den Forderungen Vonovia SE 41.943 6,62 €/m² der Wohnungswirtschaft Gehör zu schenken, und die strukturellen Voraussetzungen für Covivio SE über 14.500 – das dringend benötigte Mehr an bezahlba- Hilfswerk-Siedlung GmbH 4.607 (+ 2.598 WE 6,45 €/m² ren Wohnungen zu schaffen. Denn helfen in Fremdverwaltung) können nur mehr neue Wohnungen. Durch >> 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
6 SCHWERPUNKT Enteignung entstehen aber keine Wohnun- erst mit Verzögerung und in geringerem gen, das Problem des Mangels bleibt wei- Umfang von den Sozialverbänden und den Was mit 1 Euro WoWi-Miete ter bestehen. Auch hätte eine Enteignung Mietervereinen nach NRW getragen worden. wirklich passiert voraussichtlich gar keinen Einfluss auf die Die Diskussion verläuft auch weitestgehend 0,05 € Mieten, denn die öffentliche Hand muss als weniger hitzig, in puncto Wohnraumförde- 0,0 Eigentümerin, um sich nicht weiter zu ver- rung ist der Landesregierung wenig vorzu- 6€ Ergebnis 0, 04 So schulden, kostendeckende Mieten erheben. werfen. Das Wohnraumförderprogramm ist € ns St 0€ 0,3 ung tig 0,07 eu mit Abstand das größte und erfolgreichste in se er alt e € Betr n d h iebli n Bei zu geringen Mieten sind außerdem not- der ganzen Bundesrepublik. Aufw che ta endu Ins ngen wendige Investitionen in Instandhaltung, in das Erreichen der Klimaschutzziele oder in Auch den Akteuren in den Sozialverbänden 0,12 ltungs- € a Verw n den altersgerechten Umbau gefährdet. Auch und den Mietervereinen müsste im Wesent- kost e Schuldenrückzahlungen würden erschwert. lichen klar sein, dass nur eine Angebotsaus- Ab Sa n sc chl se Schon jetzt ist das Land Berlin kaum in der weitung durch Neubau die Nachfrage in den hr ag Zin 0,2 ung eib e 1€ Lage, seine öffentlichen Gebäude instand zu angespannten Städten befriedigen kann. € 5 0,1 n halten. Allein der Sanierungsstau der Berli- Und dass es weniger am fehlenden Willen, ner Immobilienmanagement GmbH, einer als an fehlenden Baugrundstücken und -ka- hundertprozentigen Tochtergesellschaft des pazitäten sowie einer dynamischen Baukos- Landes Berlin, beträgt rund 2,8 Milliarden tenentwicklung liegt, dass dieser Wohnraum Euro, so „Der Tagesspiegel“ in seiner Online- nicht im gewünschten Maße entsteht. Schwerpunkt auf dem preisgebundenen Ausgabe vom 15. Mai 2018. Mietwohnungsbau, einer energetischen, Deshalb sind auch in NRW Enteignungsfor- generationengerechten, mietpreisgebun- So bleibt festzustellen: Statt den Versuch zu derungen wenig zielführend. denen Modernisierung von Wohnungs- unternehmen, die Fehler der Vergangenheit beständen und studentischem Wohnen. teuer zu bereinigen, ohne dem aktuellen Stattdessen unterstützt der VdW Rheinland Nordrhein-Westfalen stellt in 2019 rd. 1,3 Nachfrageschock zu begegnen, wäre es sinn- Westfalen das NRW-Modell für bezahlbares Milliarden Euro für diese Ziele zur Ver- voller, die Debatte zu versachlichen und ge- Wohnen, welches das Ministerium für Hei- fügung und damit mehr als alle Bundes- meinsam Lösungen für die hohe Nachfrage mat, Kommunales, Bau und Gleichstellung länder zusammen. An die Städte Köln, nach bezahlbarem Wohnraum zu finden. gemeinsam mit Kooperationspartnern ent- Düsseldorf, Münster und Dortmund wickelt hat und das im Wesentlichen auf vier vergab das Ministerium außerdem Glo- NRW macht vor, wie es geht Säulen ruht: balbudgets zur gesicherten Umsetzung Aufgrund der differenzierten Wohnungs- • Kontinuierliche Förderung von öffent- ihrer wohnungspolitischen Handlungs- marktsituation ist die Enteignungsdebatte lich gefördertem Wohnen mit klarem konzepte. Weitere Städte sollen folgen. 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
DAS LÖSUNGSORIENTIERTE NRW-MODELL 7 • Konsequente Maßnahmen und Instru- mente zur Mobilisierung von Bauland: Nordrhein-Westfalen macht sich mit einer Vielzahl von Initiativen, Pro- grammen und Instrumenten für die Reaktivierung von Brachflächen und die Entwicklung neuer Flächen stark. Die Angebote richten sich an Städte und Gemeinden, aber auch an Wohnungs- unternehmen und -genossenschaften – denn auf teurem Grund und Boden kann am Ende kein preiswerter Wohnungsbau entstehen. • Senkung der Baukosten durch die NRW-Baukostensenkungskommission: Die Baukosten sind in den vergange- nen Jahren massiv gestiegen. Mit der NRW-Baukostensenkungskommission unternimmt das Land deutliche Anstren- gungen, um Gesetze und Verordnungen auf ihre baukostensteigernden Effekte zu überprüfen. Resümierend lässt sich feststellen, dass so- für notwendigen Haushaltsmittel wären bes- • Baugenehmigungsverfahren beschleu- wohl der Wohnungswirtschaft als auch der ser in die Entwicklung von Bauland und die nigen. Die Erlaubnis, Grundstücke zu Landesregierung die Herausforderungen der Versorgung mit Infrastrukturen investiert. bebauen, zu verändern oder anderwei- Wohnraumversorgung auf angespannten tig zu nutzen, dauert vielfach zu lange. lokalen Märkten bewusst sind. Enteignung baut keine Wohnungen, Woh- Nordrhein-Westfalen will durch eine nungsunternehmen und -genossenschaften konsequente Digitalisierung von Bauge- Die Enteignung von Unternehmen und die bauen Wohnungen. Dem Bund, dem Land nehmigungsbehörden schnelleres Bauen Rückführung in die „öffentliche Hand“, von und den Kommunen obliegt es, das Thema ermöglichen. Mit den Kreisen Gütersloh der sie ursprünglich verkauft wurden, kann Wohnungsbau in der Fläche zu priorisieren und Warendorf sowie den Städten Dort- diese Probleme nicht lösen. Zumal die be- und die dazu notwendigen Rahmenbedin- mund, Ennepetal, Köln und Xanten ist troffenen Bestände sich nicht immer nur in gungen weiter zu verbessern. GdW, KS, ON dafür in 2018 der Startschuss gefallen. den nachgefragten Städten befinden. Die da- STIMMEN AUS RHEINLAND-PFALZ SPD und CDU in Rheinland-Pfalz gegen Enteignungen I n einem Medienbeitrag des SWR für eine Sozialwohnungsquote. Sie ver- Foto: Dominik Butzmann Aktuell (Stand 8. April 2019) über weist auf die besondere finanzielle Un- die aktuelle Debatte um Enteignun- terstützung des Landes für Kommunen, gen bzw. Vergesellschaftung von großen wenn diese entsprechende Kooperatio- Wohnungsunternehmen sprechen sich nen mit dem Land eingehen. in Rheinland-Pfalz Finanz- und Baumi- nisterin Doris Ahnen (SPD) und Land- Schreiner, erteilt dem Vorschlag eben- tagsabgeordneter Gerd Schreiner (CDU), falls eine klare Absage. „Mit Enteignung haushalts- und finanzpolitischer Spre- ist noch keine einzige Wohnung gebaut, cher der rheinland-pfälzischen CDU- ist noch keine Wohnung billiger“, sagte er Landtagsfraktion, entschieden gegen Ent- dem SWR. Vielmehr müssten Kommunen eignungen aus. Sie sind im Kampf gegen billigen Wohnraum zur Verfügung stellen die Wohnungsnot keine Lösung. und das Land könne Ausbaustandards, Doris Ahnen, SPD insbesondere bei Renovierungen, sen- Um mehr bezahlbaren Wohnraum zu Stellvertrende Landesvorsitzende, Finanz- ken. RS schaffen, plädiert Ahnen unter anderem und Bauministerin in Rheinland-Pfalz 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
8 SCHWERPUNKT INTERVIEW MIT >> Jörn von der Lieth, Geschäftsführer der Berliner Hilfswerk-Siedlung GmbH „Mit Erstaunen und Unverständnis haben wir den Beschlusstext zur Kenntnis genommen“ Im Falle eines erfolgreichen Volksentscheids sollen nach dem Willen der Enteignungsbefür- worter alle Berliner Wohnungsunternehmen mit einem Bestand von über 3.000 Wohneinheiten enteignet werden. Zu den betroffenen Wohnungsunternehmen zählt auch die Hilfswerk-Siedlung GmbH, ein Immobilienunternehmen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, mit Sitz in Berlin. Jörn von der Lieth ist seit dem 1. März 2002 Geschäftsführer des rund 10.000 Wohneinheiten starken Unternehmens. Im Interview berichtet der praxiserfahrene Wohnungswirtschaftler, der auch Immobilienmanagement an der Hochschule Mainz lehrt, über seine Wahrnehmung der Enteignungsdebatte. VM: Ginge es nach den Enteignungs- werden bzw. auf eine Wohnung eine große Foto: HWS befürwortern in Berlin, sollte auch die Anzahl an Bewerbern kommen. Gefragt sind Hilfswerk-Siedlung GmbH enteignet in erster Linie bezahlbare Wohnräume mit werden, da auch sie die „Vergesell- innovativen und kleinen Grundrissen. schaftungskriterien“ erfüllt. Welche Gefühle löst das bei Ihnen aus? VM: Welche Konzepte setzen Sie als kirchliches Wohnungsunternehmen dem Jörn von der Lieth: Mit Erstaunen und entgegen? Unverständnis haben wir den Beschluss- text der Enteignungsinitiative zur Kennt- Jörn von der Lieth: Als Unternehmen im nis genommen, deren Bestreben wir Raum der Kirche schaffen wir Ermessungs- nicht für verfassungskonform halten. Die spielräume zugunsten sozial Schwächerer, Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS) ist kein wo immer dies möglich und vertretbar ist. großer Wohnungskonzern. In unseren Neubauprojekten setzen wir Wohnkonzepte um, die an eine Vielzahl Unser vorrangiges Ziel ist es, eine sozial neuer Lebensformen angepasst und für verantwortbare Wohnungsversorgung breite Bevölkerungsschichten finanzierbar sicherzustellen und mit unserer Arbeit an sind (Berliner Mischung). der Erfüllung des kirchlichen Auftrages teilzunehmen. Enteignung ist sowohl ver- Jedes Jahr baut die HWS den gesellschaftli- fassungsrechtlich als auch wirtschaftlich chen, demographischen und klimatischen Die weiteren 65 Prozent der Wohnungen nicht der richtige Weg, um die Versorgung Notwendigkeiten angepasste Wohnungen. sind frei finanzierte Wohnungen bzw. mit bezahlbaren Wohnungen dauerhaft Dies bedeutet, barrierearme, optimierte und ehemalige öffentlich geförderte Woh- sicherzustellen. damit bezahlbare Grundrisse. So entstehen nungen mit einer Durchschnittsmiete 1 2/2-Zimmer-Wohnungen mit 42 m² für Al- von rund 6,46 Euro/m² und liegen damit VM: Welche Erfahrungen machen Sie leinerziehende und 5-Zimmer-Wohnungen unterhalb der Miete für Sozialwohnun- auf dem Berliner Wohnungsmarkt? Wer mit 77 m² für Familien. gen (6,50 – 8,00 Euro/m²). Zu unseren ist von der Wohnungsnot besonders Mietern gehören auch Kindergärten, eine betroffen? Die HWS hat bis heute mehr als 4.600 Woh- Demenz-WG, diakonische Einrichtungen, nungen – überwiegend im öffentlich geför- eine Begegnungsstätte, Künstler und ein Jörn von der Lieth: Der Wohnungsmarkt derten sozialen Mietwohnungsbau – in Ber- Studentenwohnheim. befindet sich in starker Veränderung, lin gebaut. Des Weiteren engagiert sich die weil sich die Nachfrage stark verändert HWS auch bei der Wohnraumbeschaffung hat. Besonders betroffen sind Personen, für Obdachlose und Geflüchtete. 35 Prozent die eine neue Wohnung suchen, da auf der Wohnungen sind noch heute Sozialwoh- dem Markt kaum Wohnungen angeboten nungen (berlinweit 6 Prozent). 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
DAS LÖSUNGSORIENTIERTE NRW-MODELL 9 INTERVIEW MIT >> Thomas Hegel, LEG Immobilien AG „Insgesamt wünsche ich mir mehr Foto: LEG partnerschaftliche Zusammenarbeit“ Seit 2013 sitzt Thomas Hegel als Chief Executive Officer (CEO) dem Vorstand der LEG Immobilien AG vor. Das heute börsen- notierte Immobilienunternehmen war bis 2008 im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen und bewirtschaftet aktuell rund 134.000 Wohnungen. Am 29. Mai 2019 wird Hegel mit Ende der LEG-Hauptversammlung seinen Vorstandsvorsitz offiziell nie- derlegen und als Senior Advisor für die LEG tätig sein. Ab 1. Juni übernimmt Lars von Lackum seine Nachfolge. VM: Der Handlungsrahmen für die BImA-Liegenschaften oder die Kommission VM: Sie haben den Verkauf der LEG Wohnungswirtschaft ergibt sich im „Gleichwertige Lebensverhältnisse“. Aber im Jahr 2008 maßgeblich mitgestaltet Wesentlichen aus bundes- und landes- es passiert zu wenig. Nicht zuletzt in NRW und begleitet. Was ist Ihr persönli- politischen Regelungen. Sind diese aus sehe ich positive Ansätze: Die Förderkulisse ches Fazit nach mehr als zehn Jahren Ihrer Sicht bedarfsgerecht? ist zielführend. Mietregularien gelten befris- Privatisierung? tet. Es gibt Bestrebungen, Bauverfahren zu Thomas Hegel: Zunächst finde ich es rich- vereinfachen; dies braucht aber zu lang. Ins- Thomas Hegel: Wir haben aus der un- tig, wenn die Mietgesetzgebung nachhal- gesamt wünsche ich mir mehr partnerschaft- terkapitalisierten und schrumpfenden tige Spielregeln für den Wohnungsmarkt liche Zusammenarbeit. Die Wohnungswirt- Landesentwicklungsgesellschaft ein zu- vorgibt - und zwar im Rahmen und als schaft verfügt über die Expertise, finanzielle kunftsfestes Unternehmen geformt. Die Ausprägung der sozialen Marktwirtschaft. Möglichkeiten und den Willen, die Probleme Privatisierung 2008 war der erste Schritt. Wohnraum ist ein sensibles Gut. gemeinsam mit Bund, Land und Kommunen Am 1. Februar 2013 folgte der erfolgreiche zu lösen. Börsengang. Seither ist es gelungen, die Wer Mieter vertreibt oder Bestände ver- LEG durch unternehmerisches Handeln kommen lässt, sollte auch die rechtlichen VM: Auf der einen Seite sieht sich die und effizientes Wirtschaften im Sinne Folgen spüren. Solche Vermieter sind für LEG als Anbieter von bezahlbaren der Mieter, Mitarbeiter und Aktionäre unsere Branche schwarze Schafe. Das hat Wohnungen, auf der anderen Seite gilt weiterzuentwickeln und kontinuierlich aber nichts mit der Regulierungswelle der es, den Vorstellungen der Aktionäre zu wertvoller zu machen. letzten Zeit zu tun. Mein Petitum lautet: entsprechen. Wie geht die LEG mit dieser So viel Regulierung wie nötig, so viel un- Herausforderung um? Die LEG steht für eine nachhaltige Stra- ternehmerische Freiheit wie möglich. Den tegie mit bezahlbarem Wohnraum und Wohnungsmangel in Ballungsgebieten be- Thomas Hegel: Bei unserer Aktionärsstruk- für gemeinsame wohnungswirtschaftli- heben wir weder mit der Mietpreisbremse tur ist der Spagat zwischen Kunden- und che Werte. Im Geschäftsjahr 2018 lag die noch mit dem Mietrechtsanpassungs- Investoreninteresse nicht so groß. Unsere Durchschnittsmiete bei 5,67 pro m². Im gesetz oder politisch motivierten Miet- Aktionäre denken meist langfristig. Darunter Vergleich zu 2008 konnten wir die An- spiegeln. Diese Instrumente sind nicht sind viele Versicherungen und Pensions- zahl unserer Wohnungen von 92.000 auf bedarfsgerecht, ebenso wenig wie über- fonds. Sie sichern die Altersversorgung vie- 135.000 steigern. Wir beschäftigen jetzt zogene Bauvorschriften oder Klimaschutz- ler Menschen, darunter häufig Angehörige über 1.300 Mitarbeiter statt 850. Wir haben Vorgaben, bei denen Aufwand und CO2- sozialer Berufe. Sie achten auf ein nachhal- unsere Eigenkapitalbasis gestärkt und Ersparnis nicht zueinander passen. So tiges Geschäftsmodell und dauerhaft stabile unsere Verschuldung abgebaut – ohne all nehmen wir keinerlei „Druck vom Kessel“. Einnahmen. Das erreichen wir am ehesten, dies würde es die LEG heute nicht mehr Im Gegenteil: Neubauinvestoren werden wenn wir preiswürdiges Wohnen ohne Kon- geben. Dazu muss ein ganzes Unterneh- verschreckt und Mieter verunsichert. flikte mit den Mietern bieten. men die Bereitschaft zur Anpassung an aktuelle Anforderungen, vor allem von Stattdessen sollten wir daran arbeiten, Ein weiterer wesentlicher Bestandteil unse- Kundenund Mitarbeiterseite, haben. Hie- das Angebot zügig zu vergrößern und den rer Geschäftspolitik ist es, unsere Wohnge- ran haben Aufsichtsrat, Vorstand und ländlichen Raum attraktiver zu machen. bäude im Sinne von Mietern und Aktionären Mitarbeiter ihren Anteil. Alles in allem Auf Bundesebene gibt es sinnvolle Ini- in einem guten, zeitgemäßen und wertstei- war der Weg der LEG richtig. Er hat den tiativen, etwa die verbilligte Abgabe von gernden Zustand zu halten. Grundstein für nachhaltigen Erfolg gelegt. 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
10 SCHWERPUNKT Wie steht’s in Berlin um … … die Wohnraumförderung? Elisabeth-Aue oder die Ränder des Tempel- Zum anderen wirken die immer anspruchs- 2014 hat das Land Berlin nach einigen Jahren hofer Feldes kein Tabu mehr sein, wenn man volleren Bauvorschriften extrem kostentrei- Pause wieder ein Wohnungsbauförderpro- die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum bend. Heute denken wir viele Aspekte wie gramm aufgelegt und damit auf den stark in Berlin langfristig sicherstellen will. Umweltverträglichkeit, Sozialverträglichkeit steigenden Bedarf an sozialem Wohnraum in oder Nachhaltigkeit mit, was gut ist. Es führt der wachsenden Stadt reagiert. Das war ein aber auch dazu, dass häufiger Gutachten notwendiger Schritt. Aber es gibt Optimie- und Maßnahmenpakete beauftragt werden rungsbedarf: Die Förderbedingungen müs- müssen, sei es im Bereich Umweltschutz, sen den Veränderungen am Markt angepasst … die Zusammenarbeit mit Verkehr oder Lärmschutz. Hinzu kommen werden, um langfristig die Wirtschaftlichkeit Behörden? berlinspezifische Bauvorschriften, z. B. zu sicherzustellen – vor allem mit Blick auf die In Berlin haben wir eine Zweiteilung der städtebaulichen Qualitätsstandards. in Berlin stark steigenden Neubaukosten. Verwaltung in Senats- und Bezirksebene. Bei den Bezirken machen sich nach wie vor Darüber hinaus werden die sechs landeseige- erhebliche Engpässe bei der Personalaus- nen Wohnungsbauunternehmen vom Land in stattung projektverzögernd bemerkbar. Dies … die Baufertigstellungen? Form von Sachwerteinlagen in ihren Neubau- führt regelmäßig zu einer Verlangsamung Im Jahr 2018 hat die GESOBAU 486 Wohnun- anstrengungen unterstützt, indem landesei- der aufwendigen Genehmigungsprozesse gen fertiggestellt. In den kommenden Jahren gene Flächen für den Neubau eingebracht und somit auch zu, teilweise erheblichen, wird die Anzahl deutlich steigen, da wir werden. Das wurde 2017 in der zwischen Verzögerungen bei den Fertigstellungs- aufgrund der langen Projektplanungszeiten Senat und Unternehmen geschlossenen Ko- zahlen. Beim Senat wurde letztes Jahr eine viele Neubauvorhaben parallel bearbeiten, operationsvereinbarung „Leistbare Mieten, Clearingstelle für die Klärung strittiger Bau- um die ehrgeizigen Neubauziele umzuset- Wohnungsneubau und soziale Wohnraum- vorhaben geschaffen, die seither schon gute zen. Ziel ist es, den kommunalen Wohnungs- versorgung“ vereinbart. Allerdings gestalten Ergebnisse gezeitigt hat. bestand in Berlin bis 2026 durch Neubau und sich die konkrete Übertragung und vor allem Ankauf von aktuell rd. 310.000 auf 400.000 auch die zügige Beplanung dieser Grundstü- Wohnungen zu erhöhen. Wir sind überzeugt cke oft als sehr schwierig. davon, dass nur Neubau bei der Entspan- nung des Marktes hilft. Enteignungen sind … die Entwicklung der kein geeignetes Mittel, da hierbei keine ein- Baukosten? zige neue Wohnung entsteht. … den Umgang mit Flächen? Auch in Berlin steigen die Baukosten derzeit Bauland in Berlin ist begrenzt. Die GESOBAU deutlich. Zum einen wegen der Preissteige- prüft daher sämtliche Flächen auf Entwick- rungen seitens der Baufirmen. Die Nachfrage lungspotenziale: für Neubau im Bestand, für nach gutem Handwerk ist groß, die Kapazitä- IM GESPRÄCH Nachverdichtung auf eigenen Grundstücken ten sind begrenzt, das macht sich bemerkbar. oder die Entwicklung ganz neuer Quartiere. Auch unsere Rolle als kommunaler Auftrag- Es bleibt aber dabei, dass wir noch mehr geber ist hier oftmals eine Hürde aufgrund Bauland brauchen. Deshalb dürfen auch der sehr hohen formellen Anforderungen bei bisher ungenutzte Flächenpotenziale wie die öffentlichen Ausschreibungen. Berlin (2018) • Durchschnittsmiete: 6,72 E (2019) • Baugenehmigungen: 24.218 Jörg Franzen bekleidet seit mehr als • Baufertigstellungen: 16.706 20 Jahren Leitungsfunktionen in der Woh- • Anteil gefördertes Wohnen: nungswirtschaft. 2006 wurde er in den 6,3 % (Mietwohnungsbau) Vorstand der kommunalen GESOBAU AG in • Mittlerer Angebotspreis Bauland: 695 E/m² Berlin berufen, seit 2013 ist er Vorsitzender • Anteil Personen SGB II: 6,4 % (2017) Foto: Michael Gernhuber des Vorstands. Außerdem ist Franzen Spre- • Bevölkerungszahl: 3,6 Millionen cher der sechs landeseigenen Berliner Woh- • Wohnraumfördervolumen: 3.500 WE (max. 91.000 E/WE) nungsbaugesellschaften. Die GESOBAU AG bewirtschaftet aktuell rund 42.000 Woh- nungen, vornehmlich im Berliner Norden. 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
DAS LÖSUNGSORIENTIERTE NRW-MODELL 11 Wie steht’s in NRW um … … die Wohnraumförderung? Auch wenn wir uns permanent mit den Förderbedingungen auseinandersetzen und Nordrhein-Westfalen (2018) durchaus mit dem zuständigen Ministerium • Durchschnittsmiete: 7,28 E/m² über Einzelthemen reiben, ist unsere Wohn- • Baugenehmigungen: 55.453 raumförderung im bundesweiten Vergleich • Baufertigstellungen: 46.638 seit Jahren auf einem sehr guten Weg. Mit • Anteil gefördertes Wohnen: 9,4 % (Mietwohnungsbau) der Einführung der Tilgungsnachlässe kam • Mittlerer Angebotspreis Bauland: 182 E/m² (2017) der Durchbruch. • Anteil Personen SGB II: 9,4 % (2017) • Bevölkerungszahl: 17,9 Millionen (2017) Öffentlich geförderter Wohnungsbau ab dem • Wohnraumfördervolumen: 1,1 Mrd. E Mietenniveau 3 ist konkurrenzfähig und wird deshalb auch abgerufen. Seit diesem Jahr haben sich die Bedingungen der unteren Mietenniveaus 1+2 verbessert – die Novellie- rung wird jedoch nicht zu den gewünschten Abrufen führen, weil sie Investitionen nicht verantwortbar macht. Gleichwertige Le- bensbedingungen zu schaffen heißt für mich auch, Standorte mit lediglich qualifizierter Nachfrage zu stärken. Hier muss öffentliche Förderung in NRW noch besser werden. … den Umgang mit Flächen? … die Entwicklung der auch mit einem geringeren Einkommen im Die Grundstücksbeschaffung ist das „Na- Rentenalter. Wir müssen uns daher genau delöhr“. Wir brauchen mehr Flächen. Wir Baukosten? fragen, was wir bauen. brauchen aber auch Kommunen, die sich Die Kosten rennen uns weg. In den letzten aktiv mit den Potenzialflächen in der Stadt drei bis vier Jahren haben wir Mehrkosten beschäftigen, um Innenentwicklungen vo- in Höhe von rd. 500 Euro auf den Quadrat- IM GESPRÄCH ranzutreiben. meter Wohnfläche zu verzeichnen. Es ist an der Zeit, an Kostensenkungen zu arbeiten – beispielsweise an der Herabsenkung der Grunderwerbsteuer – oder auf die Anre- … die Zusammenarbeit mit gungen der von der Bundesregierung ein- gesetzten Baukostensenkungskommission Behörden? zu hören. Es ist vielleicht zu einem Reflex oder Sport geworden, grundsätzlich unseren Behörden ein schlechtes Zeugnis auszustellen. Das liegt mir fern. Ich habe Planungsämter in … die Baufertigstellungen? Mittelstädten erlebt, die engagiert, zielori- Auch wenn wir noch nicht die propagierten Uwe Schramm (53) ist seit 1997 Vorstand entiert und kompetent mit uns Bauleitver- Sollzahlen erreicht haben, gehe ich beim der WohnBau Westmünsterland eG. In die- fahren zügig vorangetrieben haben. Ich habe Auslastungsgrad des Handwerks und bei den sem Jahr schickt die Genossenschaft rd. 400 aber auch Planungsprozesse erlebt, in denen zur Verfügung stehenden Flächen nicht von Neubauwohnungen in den Baustart und ist Foto: Lokomativ/Thomas Willemsen es nach entsprechender Partizipation der einer weiteren Steigerung aus. Entscheidend im Münsterland wesentlicher Impulsgeber Bürger an handfester Entscheidungsfähig- ist auch, was gebaut wird. Für das Münster- rund um das Thema bezahlbares Wohnen. keit von Verwaltung und Politik mangelte. land haben wir mit dem Pestel-Institut eine Die WohnBau bewirtschaftet derzeit rd. Das Gleiche trifft auf Baugenehmigungsver- umfassende Wohnungsmarktanalyse initi- 5.400 Wohnungen. Auf Ebene des VdW fahren zu. Grundsätzlich ist festzustellen, iert. Gebraucht werden nach der Studie mit Rheinland Westfalen engagiert sich Uwe dass viele Kommunen mit unbesetzten Stel- Vorrang kleine, barrierefreie und bezahlbare Schramm im Verbandsrat, sitzt dem Fi- len zu kämpfen haben und dieses Dilemma Wohnungen. Das Delta in diesem Segment nanzausschuss vor und ist Vorsitzender des sich zwangsläufig auf Bearbeitungszeiten wird aber immer größer. Das hängt mit der Arbeitskreises Wohnraumförderpolitik. auswirkt. Haushaltsentwicklung zusammen, aber 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
12 SCHWERPUNKT INTERVIEW MIT DR. ANDREJ HOLM, STADTSOZIOLOGE „Die Forderung drückt vor allem den Wunsch aus, in einem möglichst großen Segment der Bestandswohnungen öffentliche Verantwortung und nichtgewinnorientierte Vermieterstrukturen zurückzugewinnen“ VM: Derzeit gibt es eine große VM: Die Kosten einer Enteignung werden wohnungspolitische Debatte in Deutsch- von den verschiedenen Parteien als sehr DR. ANDREJ HOLM land. Aktivisten in Berlin fordern derzeit unterschiedlich dargestellt, wären aber sogar die Enteignung der Deutschen in jedem Fall sehr hoch. Wäre das Geld Wohnen, einer der größten börsen- nicht besser in den Wohnungsneubau notierten Wohnungsgesellschaften in investiert? Deutschland. Können Sie die Beweg- gründe dieser Forderung nachvollziehen? Dr. Andrej Holm: Die juristischen Gutach- ten und Stellungnahmen kommen überwie- Dr. Andrej Holm: Ja absolut. Viele Mieter gend zu der Erkenntnis, dass eine Entschä- haben mit Mieterhöhungen zu kämpfen, die digung „deutlich unter Marktpreisen“ zu ihre Einkommensentwicklung übersteigt, erfolgen hat. Es wäre ja auch absurd für eine Foto: Matthias Heyde, Humboldt-Universität zu Berlin und Angst, ihre Wohnung zu verlieren. Vor Sozialisierung zur Sicherung der sozialen allem in den privatisierten Beständen der Wohnversorgung, abstrakte Buchwerte oder ehemals öffentlichen und gemeinnützigen Ertragserwartungen an künftige Gewinne zu Dr. Andrej Holm ist promovierter Sozialwis- Wohnungsbaugesellschaften ist der Druck erstatten. senschaftler und arbeitet an der Humboldt- besonders hoch, weil dort immer noch viele Universität zu Berlin. Seine Forschungs- Menschen mit geringen Einkommen leben. Eine angemessene Entschädigung muss die schwerpunkte sind Stadtentwicklung und Die Forderung nach einer „Enteignung zum tatsächlichen Kosten und Ausgaben decken Wohnungspolitik. Er unterstützt seit vielen Zwecke der Sozialisierung“ – so steht es im – aber keinesfalls die potenziellen Gewinne, Jahren Mieterinitiativen in der Stadt und Artikel 15 des Grundgesetzes – drückt vor die mit der Verdrängung der Mieterschaft berät die Berliner Politik. 2016/17 war er allem den Wunsch aus, in einem möglichst realisiert werden könnten. Wie alle anderen kurzzeitig Staatssekretär für Wohnen in der großen Segment der Bestandswohnungen Immobiliengeschäfte auch würde die Ent- Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwick- öffentliche Verantwortung und nichtgewin- schädigungssumme nur zum Teil aus dem lung und Wohnen. norientierte Vermieterstrukturen zurück- Landeshaushalt finanziert werden müssen, zugewinnen. da bei einer langfristigen Bewirtschaftung die Refinanzierung aus den Mieteinnahmen Dr. Andrej Holm: In angespannten Woh- erfolgen kann. nungsmärkten fehlen vor allem bezahlbare Wohnungen für die Geringverdiener. Bun- Es geht also nicht um 30 Milliarden Euro, desweit haben wir allein in den Großstädten sondern eher um einen Betrag von zwei bis eine Versorgungslücke von knapp zwei Mil- drei Milliarden Euro, die das Land mobili- lionen Wohnungen zu Mietpreisen zwischen sieren müsste. Da auch ein öffentlicher und vier und sechs Euro/m² (nettokalt) festge- geförderter Neubau für Berlin gewünscht stellt. Diese Lücke kann nicht nur durch und geplant ist, müsste sichergestellt wer- geförderten Neubau geschlossen werden, den, dass die Entschädigungssummen nicht sondern setzt die Sicherung und Absenkung zulasten des Neubaubudgets gehen. Real von Mieten im Bestand voraus. besteht die Gefahr nicht, da die Fördergel- der für die Wohnraumförderung langfristig Da solch restriktive Eingriffe privaten Woh- in den Haushalten gesichert sind und eine nungsunternehmen kaum zumutbar sind, Foto: Sulamith Sallmann – stock.adobe.com verlässliche Investitionsbasis bieten. Schon geht es eigentlich nur über die Ausweitung jetzt übrigens ist die lokale Bauwirtschaft an der öffentlichen und gemeinwirtschaftli- ihre Kapazitätsgrenze gelangt, sodass einem chen Bestände. Mein Vorschlag für den schnellen Aufstocken von Bauaktivitäten Instrumentenmix: Mietendeckel als Akut- auch faktische Grenzen gesetzt sind. maßnahme zur Verhinderung weiterer Miet- steigerungen, Ausweitung der Förderpro- VM: Auf einigen Wohnungsmärkten ist gramme für einen sozialen Wohnbau mit in der Tat eine hohe Anspannung fest- Dauerbindungen und konsequente Auswei- zustellen. Was wären aus Ihrer Sicht tung der gemeinnützigen und gemeinwirt- geeignete Maßnahmen, um die Situation schaftlichen Bestände durch Rückkauf, Vor- zu entspannen? kauf und auch Enteignungen. 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
DAS LÖSUNGSORIENTIERTE NRW-MODELL 13 BEITRAG VON MICHAEL GROSCHEK Wut baut keine Wohnungen und Enteignung auch nicht I n Berlin erleben wir, was passiert, wenn Enteignung wäre pure Geldverschwendung. Foto: NRW SPD Aktivisten und Bürgerinitiativen die Po- Alleine in Berlin würde die Entschädigung litik mit den verständlichen Ängsten der für die Verstaatlichung aller Unternehmen Menschen vor Mieterhöhung und Verdrän- mit mehr als 3.000 Wohnungen rd. 40 Mil- gung zu irrationalen und nicht erfüllbaren liarden Euro kosten. Das sind keine bloßen Maßnahmen treiben. Aus den wachsenden Schätzungen, sondern Berechnungen, die Protesten gegen die Modernisierungs- und auf Rechtsgutachten beruhen, unter welchen Mietenpolitik einzelner Vermieter hat sich Umständen eine Enteignung vor Gericht die Stimmung mittlerweile so hochgeschau- überhaupt durchsetzbar wäre. Dieses Geld kelt, dass Teile der Politik mit dem geplan- könnte an anderen Stellen viel dringlicher ten Volksentscheid zur Verstaatlichung der eingesetzt werden: für sozialen Wohnungs- Immobilienbestände der Deutsche Wohnen neubau, Modernisierung und die Bereitstel- und weiterer Immobilienkonzerne sympa- lung von kostengünstigem Baugrund sowie thisieren, obwohl dies weder rechtlich noch mehr Personal für die zügige Erteilung von finanziell möglich sein dürfte und den Woh- Baugenehmigungen. nungsmarkt nicht entspannt. Bund, Länder und Kommunen müssen jetzt Michael Groschek, Staatsminister Für eine vernünftige und lösungsorientier- halten, was sie uns auf dem Wohnungsgipfel a. D., Präsident Deutscher Verband für te Wohnungspolitik sind die wachsenden versprochen haben: Bauen schneller und Wohnungswesen, Städtebau und Raum- Sympathien für die Enteignungsbefürworter günstiger zu machen. Beispielsweise sollte ordnung e. V. brandgefährlich. Denn aus der berechtigten der Bund endlich die Expertenkommission Wut über Einzelfälle stilisieren sie unver- zu sozialverträglichen, energetischen Ge- kostengünstig geht, muss die Expertenkom- nünftige Scheinlösungen zu realen Prob- bäudesanierungen einsetzen, damit Politik mission endlich klären. lemlösungen hoch. Solche Schnapsideen und Experten gemeinsam überlegen, wie die produzieren nur dicke Schlagzeilen und Energiewende für alle bezahlbar bleibt. Wer Die Länder dürfen nicht weiter an der Wolkenkuckucksheime, in denen niemand von Klimaschutz nicht nur reden, sondern Steuerschraube drehen und müssen ihre wohnen kann. ihn auch im Wohnungsbereich umsetzen Landesbauordnungen zur Kostenbremse will, muss eine Sanierungsoffensive bei den machen. Damit Gebäudesanierungen größt- vorhandenen Wohnungen starten. Das kos- möglichen Erfolg erzielen, brauchen wir eine tet Milliarden, die durch die Energieeinspa- Verbindung von Wohnraumförderung und rung überhaupt gar nicht gegenfinanziert Städtebauförderung. Beides gehört zusam- werden können. Deshalb brauchen wir die men, um Heimat vor der Haustür zu stärken. Bestandssanierung im gesamten Quartier und nicht nur im einzelnen Haus. Wie das Die Kommunen müssen Grundstücke auch gegen den Widerstand von Bürgerinitiativen durch schnelle Baugenehmigungen zur Ver- fügung stellen. Hier muss gelten: „Gemein- wohl statt Mein-Wohl.“ Wer Baugrundstücke brach liegen lässt, muss zur Kasse gebeten werden und Kommunen müssen beim Auf- bau von Bodenfonds unterstützt werden. Jede Kommune sollte mit den verantwor- tungsvollen Wohnungsbauunternehmen und -verbänden ein Bündnis für gutes Woh- nen schmieden. Praktische Arbeit nach dem Foto: Baugewerbe – stock.adobe.com Steigermotto „Schüpp, schüpp und quatsch nicht“ muss geleistet werden. Wir brauchen endlich wieder mehr Stimmen der Vernunft. Denn Wut und Populismus bauen keine ein- zige Wohnung. Nur Neubau und kostengünstige Moderni- sierungsstrategien fördern soziales Woh- nen. 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
14 SCHWERPUNKT INTERVIEW MIT >> Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen „Enteignung ist die Kapitulation vor der Bekämpfung der Ursachen“ VM: In Berlin fordern Aktivisten derzeit immer wieder hin: Berlin ist nicht die Bun- Foto: MHKBG 2017 / F. Berger die Enteignung von großen Wohnungs- desrepublik Deutschland. Wir haben ganz unternehmen – in der Hoffnung auf viele unterschiedliche wohnungswirtschaft- bezahlbare Mieten. Wie erleben Sie liche Märkte in unserer Republik. Es lohnen aktuell die Stimmungslage in NRW? die Blicke außerhalb Berlins: Die CDU/ FDP-geführte Landesregierung geht einen Ina Scharrenbach: Alle die, die sich genau entgegensetzten Weg. Wir brauchen ernsthaft mit Wohnungswirtschaft in mehr Wohnraum in allen Segmenten. Das Nordrhein-Westfalen befassen, sind froh, ist unser Credo – und daran richten wir dass sie in Nordrhein-Westfalen sind. Die Gesetze und die öffentliche Wohnraumför- CDU/FDP-geführte Landesregierung hat derung aus. zahlreiche Initiativen ergriffen, um das Vertrauen der Wohnungswirtschaft in das VM: Auf welche kurz-, mittel- und langfris- staatliche Handeln zu stärken. Wir freuen tigen Instrumente setzen Sie hier in NRW, uns über hohe Investitionen sowohl in wenn es um bezahlbare Mieten geht? den Neubau wie auch bei der Anpassung von Wohnraum an heutige Wohnstan- Ina Scharrenbach: Die CDU/FDP-geführte dards. Die Stichworte sind hier: Barriere- Landesregierung hat nicht einzelne Werk- baut wird. Niemand anderes entscheidet freiheit und Maßnahmen zur Einsparung zeuge zur Verfügung gestellt, sondern eine diese Frage. von Kohlenstoffdioxid (CO2). ganze Werkstatt. Der erste Flaschenhals ist die Verfügbarkeit von Grundstücken: Im Auf der Bundesebene setzen wir uns im Mit 5,5 Milliarden Euro öffentlicher Oktober 2018 haben wir eine neue Landes- Rahmen der Bundesbaulandkommission Wohnraumförderung alleine für das Land initiative „Bauen an der Schiene“ gestartet. für Gesetzesänderungen ein, um zukünf- Nordrhein-Westfalen steht hier mehr Wir wollen eine integrierte Siedlungsent- tig den Grundsatz „Innen- vor Außen- Geld zur Verfügung als in allen anderen wicklung, die die Mobilität von morgen mit- verdichtung“ besser umsetzen und zu Bundesländern. Wir haben einen verläss- denkt. Knapp 50 Gespräche mit Kommunen einer schnelleren Planung kommen zu lichen Finanzrahmen gespannt, Förder- sind geführt, gut 2.600 Hektar mögliches können. Ergebnisse sollen im Sommer richtlinien modernisiert und Gesetze ver- Wohnbauland identifiziert. In einem zwei- 2019 vorliegen. einfacht. Die, die in Nordrhein-Westfalen ten Schritt werden wir Kommunen bei der in vernünftigen und bezahlbaren Wohn- Umsetzung der erforderlichen Rahmenpla- Im Land haben wir das Bauordnungsrecht raum investieren wollen, sind uns herzlich nung unterstützen. stärker an die Musterbauordnung ange- willkommen! Auch aus Berlin. passt. Dies bedeutet: Weg von Zentimeter- Ein Austausch mit der Bundesanstalt für Angaben im Gesetz, hin zu Schutzzieldefi- VM: Sind für Sie die Forderungen der Immobilienaufgaben (BImA), die die Lie- nitionen. Das heißt: Mehr Freiheit auf der Aktivisten nach der Enteignung großer genschaften verwaltet, und den betroffe- einen Seite, die mit mehr Verantwortung Wohnungsunternehmen nachvollzieh- nen Kommunen in Nordrhein-Westfalen für alle Beteiligten auf der anderen Seite bar? hat Anfang April 2019 stattgefunden, um einhergeht. Hier haben wir bereits den gemeinsam Lösungen für mögliche Hemm- bundesweit geltenden Grundsatz der „In- Ina Scharrenbach: Nein. Enteignung ist nisse beim Erwerb und der Nachnutzung nen- vor Außenverdichtung“ in ein Gesetz die Kapitulation vor der Bekämpfung der von ehemals militärischen Liegenschaften gegossen. Die neue Bauordnung in Nord- Ursachen. Zum Zweiten: Die politischen zu finden. rhein-Westfalen wird dabei „eingeübt“ Kräfte, die diese Debatten führen, zer- werden müssen, darüber bin ich mir im stören das Vertrauen der Wohnungswirt- Darüber hinaus stehen der Flächenpool Klaren. Die Umsetzung in der Praxis läuft. schaft, bereiten ein investitionsfeindliches Nordrhein-Westfalen, der Grundstücks- Klima und – was hinzu kommt – vergif- fonds Nordrhein-Westfalen, der Standort- Mehr Wohnraum in allen Segmenten be- ten die gesellschaftliche Atmosphäre. Check Wohnen und viele andere Instrumen- deutet: Verbreitern wir das Angebot. Nur Erstaunlicherweise werden inzwischen te zur Verfügung, um Kommunen bei der hierdurch wird es zu nachhaltigen Ent- im Land Berlin auch kommunale Woh- Beantwortung der nachfolgenden Frage zu wicklungen im Interesse der Bürgerinnen nungsgesellschaften in die Debatten mit- unterstützen: Nur die Städte und Gemein- und Bürger und der Wohnungswirtschaft hineingezogen. Aber, und darauf weise ich den entscheiden darüber, wo und was ge- kommen. 06/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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