175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA

 
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175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband
175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
Seit 175 Jahren voraus.
En avance depuis 175 ans.
Da 175 anni in anticipo.
175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
Editorial

    Grünes Licht
    für grünes Kreuz !
    Ach du grüne Neune: Ganze 175 Jahre ist es her, seit sich ein Dutzend Apotheker
    zu einem Verband formiert haben, um sich zu vernetzen, ihr Wissen auszu-
    tauschen und ihre Schlagkraft zu erhöhen. Und sie sind dabei sehr wohl auf einen
    grünen Zweig gekommen: Was wir heute ernten dürfen, verdanken wir den
    Pionieren, die das Potenzial unseres Berufsstands früh erfasst haben und den
    Garten für unser jetziges Tätigkeitsfeld angelegt haben: Apothekerinnen
    und Apotheker sind im Jahr 2018 nicht nur die erwiesenen Medikamentenprofis,
    sondern auch erste und einfachste Anlaufstelle bei allen gesundheitlichen
    Fragen. Wir leisten einen essenziellen Beitrag in der medizinischen Grundver-
    sorgung, halten unser Wissen mit Weiter- und Fortbildungen stets à jour
    und tragen wesentlich dazu bei, die Patiensicherheit zu erhöhen und Kosten zu
    sparen. Zudem fördern die Apothekenteams die Gesundheit mit zahlreichen
    Präventionsdienstleistungen.

    In der vorliegenden Jubiläumspublikation würdigen wir den Einsatz all jener,
    die den Acker für unseren heutigen Verband gepflügt und besät haben. Wir richten
    auch einen Blick in die Zukunft. Wie wird sich die digitale Transformation
    auf unsere Tätigkeit auswirken? Wie begegnen wir der nächsten Generation an
    Kunden, die gut informiert die Apotheke betritt und einen gezielten Mehrwert
    zu den Online-Angeboten einfordert?

    Herausforderungen sind immer Chancen – davon bin ich überzeugt. Wenn wir
    uns zusammen den fachlichen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen
    stellen, geniessen wir weiterhin das Vertrauen und die Zufriedenheit der Be-
    völkerung. Die Anforderungen an unsere Services und Leistungen steigen weiter –
    und wir wollen uns auch in Zukunft aus Sicht der Öffentlichkeit im grünen
    Bereich wiederfinden. Herzlichen Dank für Ihr Engagement!

    Gute Lektüre wünscht

    Fabian Vaucher,
    Präsident Schweizerischer Apothekerverband pharmaSuisse

1
175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
Inhalt

         3    Die Gründung

         4    Fakten und Zahlen

         6    Die Symbolik des grünen Kreuzes

         8    Achtung Humor!
              Geschichten aus der Apotheke

         10   Vorausschauende Lösungen des Dachverbands

                                                            12
                                                             		Rückblick und Ausblick
                                                             		 39 Männer hatten bisher das Amt als Präsident inne.
                                                                Fünf erzählen uns aus dieser Zeit.
         18   Die LOA: ein Meilenstein

         22   Fragen Sie Ihre Apothekerin

         24   Trend zum Zusammenschluss

         26   Wander und Alcacyl:
              von der Pflanze zur Chemie

         28   Die wichtigsten Meilensteine im Überblick

                                                            30                      Apothekerinnen – von der
                                                                                    Kräuterfrau zur Pharmazeutin
                                                                                    Etwa 80 Prozent der eidgenössischen
         37   Entwicklung des Pharmaziestudiums                                     Diplome in Pharmazie werden an
                                                                                    Frauen erteilt.
         38   Neue Aufgaben und Dienstleistungen
              des Apothekers

         40   Die Armeeapotheke: Dienstleisterin für
              Armee und Zivilbevölkerung                    34                      Digitale Transformation
                                                                                    Die Digitalisierung und der Kontakt zu
         42   Auszeichnungen und Preise des Verbands
                                                                                    den Kunden – sie werden die Apotheke
         45   Berufsziel Industrie:                                                 in Zukunft verändern.
              Gute Vorbereitung ist essenziell

         48   Magistralrezepturen –
              eine Kernkomptenz der Apotheker

                                                            50    Ideenwettbewerb «Apotheke der Zukunft»
                                                                  Studierende – die kritischen Konsumenten
                                                                  von morgen – liefern Ideen, wie die Apotheke in
         52   Spitalpharmazie: Tagesablauf,                       der Zukunft für sie ausschauen soll.
              Sonderanfertigungen und Patientensicherheit

                                                                                Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   2
175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
Der erste nationale Branchenverband überhaupt

                                                      Gründung des
                                                      Apothekervereins
                                                      1843
                                                      Der Schweizerische Apothekerverein wurde
                                                      1843 in Zürich gegründet. Massgebend für diesen
                                                      Schritt waren wissenschaftliche und thera-
                                                      peu­tische Erneuerungen, aber auch politische
                                                      und soziale Veränderungen.
                                                      Autor: Prof. Dr. François Ledermann

Schon seit Mitte der Dreissigerjahre des      kerverein ins Leben zu rufen. Ein Jahr später
19. Jahrhunderts hatten einige forsche        – die erste Generalversammlung fand
Apotheker versucht, die Pharmazeuten auf      zusammen mit jener der Schweizerischen
Bundesebene zu vereinigen. Nach einem         Naturforschenden Gesellschaft in Chur
gescheiterten Versuch des Baslers Johann      statt – war die Mitgliederzahl bereits deut-
Jakob Bernoulli gelang dies Theodor           lich angewachsen.
­Hübschmann, einem Zürcher Apotheker
 deutscher Herkunft. Am 18. Oktober 1843      Ausbildungsthemen und Pharma-
 versammelten sich auf seine Initiative       kopöe im Fokus
 im damaligen Hotel Krone, dem heutigen       Zu den ersten Aufgaben des neuen Vereins
 La Terrasse am Bellevue in Zürich, drei-     gehörten die Erneuerung und Vereinheit­
 zehn Kollegen aus vier Kantonen. Unter dem   lichung der Ausbildung sowie die Herausgabe
 Vorsitz von Hübschmann fassten sie den       einer Landespharmakopöe. Dies wurde 1865
 Beschluss, einen Schweizerischen Apothe-     mit der ersten «Pharmacopoea Helvetica»
                                              realisiert. Ein weiteres wichtiges Thema war
                                              der Kampf gegen die Selbstdispen­sation der
                                                                                                     Theodor Hübschmann,
                                                                                                  ≤

                                              Ärzte. 1848, fünf Jahre nach der Gründung            einer der Gründer
                                              des Vereins, erschien zum ersten Mal
                                                                                                   ∫ Aus dem Original-Protokoll-
                                              die heute noch existierende Schweize­rische
                                                                                                   ­buch von 1843.
                                              Apotheker-Zeitung.                                    Pharmaziemuseum Basel

                                                                                                   ≤ Einladung zur 82. Jahres­
                                              Bei der Gründung des Verbandes waren
                                                                                                   versammlung in Basel
                                              neben Hübschmann einige weitere A   ­ potheker       Pharmaziemuseum Basel
                                              besonders aktiv. Neben dem bereits genann-
                                              ten Bernoulli waren dies Christian Müller
                                              aus Bern, Johannes Lavater aus Zürich und
                                              der Schaffhauser Carl Emil Ringk. Sie spiel-
                                              ten auch in den folgenden Jahren eine
                                              ­wichtige Rolle in der Schweizer Pharmazie. //

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175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
Fakten und Zahlen

                                                                       teuren
                                                                          An

                                                                      Medikamenten
                    98 %
                                                                                        verdient der Apotheker am wenigsten
                                                                      Der Verdienst des Apothekers aus dem Verkauf von
                                                                      Medikamenten setzt sich aus einem fixen Zuschlag
                                                                      je Packung und einem prozentualen preisbezo-
  der Apotheken die mit dem Qualitätsmanagement-                      genen Zuschlag zusammen. Dieser preisbezogene
  System ISO 9001 QMS Pharma arbeiten liefern                         Zuschlag sinkt ab einem Fabrikationspreis von 880
  ­Höchstqualität. So lautet das Resultat von perio-                  Franken und entfällt bei Medikamenten, die mehr
   dischen Testkäufen durch Mystery Shoppers.                         als 2570 Franken kosten komplett. Eine Anpassung
                                                                      dieses Modells ist überfällig.

                                                                                                   21 700
                                  82,3 %
                                  der öffentlichen Apotheken in der
                                                                                                   Beschäftigte verdienen in der Schweiz
                                                                                                   ihren Lohn in der Apotheke.

                                  Schweiz sind dem Verband
                                  pharmaSuisse angeschlossen.

                                                                                       Nicht nur billiger – aber auch

                                                                                       nachhaltiger
       Seit   175 Jahren
       voraus Am 18. Oktober 1843 wurde der Schweizerische
                                                                                       Die Jagd nach Rabatten wirkt nur kurzfristig
                                                                                       kostensenkend. Nachhaltige Instrumente für echte
                                                                                       Einsparungen sind höchste Qualität und Trans-
              Apothekerverein ins Leben gerufen mit dem Zweck,                         parenz, permanentes Optimieren des Kosten-Nutzen-
              das kollegiale Band und die Wissenschaftlichkeit                         Verhältnisses, konsequentes Vermeiden von
              zu fördern. Seither haben Apotheker mit viel Entde-                      Verschwendung, die interprofessionelle Betreuung
              ckergeist und offenem Herzen clevere Lösungen für                        von Chronischkranken sowie eine Verstärkung
              anstehende Herausforderungen im Gesundheits-                             der Patientenautonomie durch den Einsatz eines
              wesen gefunden.                                                          elektronischen Patientendossiers (EPD).

                   weiss
                Die Apothekerin                          bei Medikamenten

                am besten Bescheid
                        Apothekerinnen verfügen über ein umfassendes
                        pharmazeutisches Fachwissen. Dieses erlangen sie
                        durch das Studium, einer seit 2018 obligatorischen
                        Weiterbildung zum Fachapotheker und die obligato­
                        rischen Fortbildungen.

                                                                               340 181
                                                                               Patientenkontakte finden jährlich in
                                                                               Schweizer Apotheken statt.

                                                                                                      Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   4
175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
International                    anerkannt und vernetzt
                                                                             19 Kantone
                                                                             bieten heute Impfungen in der Apotheke durch den
                                                                             Apotheker ohne Arztrezept an. Auf impfapotheke.ch sind
Es erstaunt nicht, dass zum dritten Mal in Folge ein                         über 600 Apotheken registriert, die diese Dienstleistung
Schweizer Apotheker die weltweite Apothekerorganisation                      anbieten.
Fédération Internationale de Pharmacie FIP präsidiert.
Denn die Schweizer Apothekerinnen und Apotheker gehen
in vielen Bereichen voran: bei der Einführung von inter-
professionelle Qualitätszirkeln, mit der Entwicklung eines
möglichst preisunabhängigen, leistungsorientierten

                                                                                          1800
Abgeltungsmodells (LOA), mit Ausbildungen für Impfen oder
die Diagnose und Behandlung häufiger Gesundheitsstö-
rungen und Krankheiten.

                                                                                          öffentliche Apotheken gibt es
                                                                                          in der Schweiz

     Dem Verband sind rund 6300
     Einzelmitglieder angeschlossen.

6300                                                    51,2 %
                                                        aller Medikamente in der Schweiz werden von Ärzten
                                                        und Spitälern, über den Versandhandel und in Drogerien
                                                        verkauft. Trotzdem bleibt die öffentliche Apotheke
                                                        die wichtigste Säule der Medikamentenversorgung.

Gesundheits-
kosten                       senken

             Ziel des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) ist die
             bestmögliche Versorgung zu den tiefst möglichen
             Kosten – und nicht die billigste Möglichkeit. Nur mit
             den richtigen Anreizen können Gesundheitskosten
             gesenkt werden. Zum Beispiel mit Abgeltungsformen,
                                                                         Quantensprung
                                                                                                    in der medizinischen Grundversorgung
             die weder Mengenausweitungen noch Rationierun-
             gen finanziell interessant werden lassen. Dafür setzt               Einfache Krankheiten gehören in die Apotheke und
             sich pharmaSuisse ein.                                              nicht in den Spitalnotfall! Ärzte und Apotheker beraten
                                                                                 seit dem Jahr 2016 im Rahmen einer Expertenkom-
                                                                                 mission des Bundesamts für Gesundheit zusammen über
                                                                                 eine vernünftige und patientensichere Aufgabenteilung
                                                                                 in der akuten Medikation.

    Apotheker
    sind vernetzte Grundversorger, Garanten für die Sicherheit
    der Patientinnen und Patienten, Gesundheitsförderer
    und auch Unternehmer, die Ausbildungs- und Arbeitsplätze
    garantieren.

5
175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
Symbolik

            Das grüne Kreuz
            Seit dem Jahr 2007 enthält das Leuchtbild der
            Schweizer Apotheken drei Sinnbilder: das Kreuz, die
            Farbe Grün und eine stark stilisierte Schlange.
            Diese dreifache Symbolik beruht auf sehr alten
            Überlieferungen.
            Autor: Prof. Dr. François Ledermann

  Bereits in der Frühzeit war das Kreuz in vie-   die Genfer Konvention von 1864, in An-         Die Schlange ist ein gleichzeitig wohltuendes
  len Zivilisationen ein Sinnbild und ein         deutung an die Schweizer Fahne, das            und unheilvolles Symbol. Zum einen wird
  ­Kultgegenstand. Später wandelte es sich        rote Kreuz wählte. In der Schweiz              sie als Verkörperung des Übels an sich
   durch die Auferstehung Jesus Christi als       wurde das Wahrzeichen der Apotheker            angesehen: Man denke an Eva, die von ihr
   lateinisches oder Passionskreuz zu einem       im Jahre 1963 auf Initiative des damaligen     verlockt wurde, damit sie die Erbsünde
   christlichen Symbol für Frieden und E­ r-      Präsidenten des SAV, André Bédat, auf          begeht. Zum anderen ist die Schlange aber
   lösung, ewiges Leben und Gesundheit. So        ­Bundesebene eingeführt und ersetzte in        auch ein Bild der Gesundheit und der
   lassen es die Soutanen der Brüder des in        der Mehrheit der Apotheken Firmenzeichen,     ­Fruchtbarkeit, mit manchmal ebenfalls einer
   Rom im 16. Jahrhundert gegründeten Ordens       die oft von der Industrie her kamen.           phallischen Andeutung, und wird von vielen
   des Heiligen Camillus de Lellis erkennen.       Mehr als vierzig Jahren später wählte phar-    Zivilisationen verehrt. Die Symbolik der
                                                   maSuisse das neue Leuchtbild.                  Schlange ist seit Jahrtausenden als Begleiter
  In der Folge wurde das Kreuz schon früh                                                         der Gesundheit und der pharmazeutischen
  auch für die Kennzeichnung von Apotheken                                                        Kunst präsent, allein oder mit anderen
  verwendet. Zuerst in der Farbe Rot,                                                             sinnbildlichen Zeichen wie dem Äskulapstab
  später allmählich in der Farbe Grün, da                                                         und der Schale von Hygiea. //

                                                                                                   Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   6
175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
Wussten Sie, dass
                                                                                     unser Sortiment mit

                                                                                     über   100 000
                                                                                     Artikeln Ihnen ­alles
                                                                                     bietet, was Sie für Ihre
                                                                                     Apotheke benötigen?

                                                    «Der Berufsstand Apotheker ist Galexis seit jeher wichtig.
                                                    Was seit 90 Jahren gilt, gilt auch in Zukunft: Wir setzen uns für Sie
                                                    ein – genau wie pharmaSuisse. Herzliche Gratulation!»
    Galexis AG
    Industriestrasse 2, Postfach, 4704 Niederbipp   Christoph Amstutz, Leiter Galexis AG
    galexis.com

                                                                                 Wussten Sie, dass sich
                                                                                 PharmaFocus seit
                                                                                17,5 Jahren für die
                                                                                 unabhängige Apotheke
                                                                                 einsetzt?

                                                                  «Wir gratulieren der zehnmal älteren
                                                                  pharmaSuisse zum Jubiläum und freuen uns auf die
                                                                  nächsten 175 Jahre gemeinsamen Engagements.»
    PharmaFocus AG
    Barcelonastrasse 14, 4142 Münchenstein                        Marco Lardi und Andreas Tschan,
    pharmafocus.ch                                                Geschäftsführer und Apotheker

7
175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
Achtung: Humor!

       Ich liebe
       meinen Beruf.
       Sooo viel
                                                             Soll ich sie Kunden oder Patienten nennen?
                                                             Die Apotheke hat einen grossen Wandel voll-
                                                             zogen von einer Institution, die einzig

       Abwechslung !
                                                             ­Anweisungen von Ärzten ausführt, zu einem
                                                              immer umfassenderen Dienstleistungs­
                                                              betrieb im Gesundheitswesen. Ein Kunde
                                                              ist laut Duden jemand, der eine Ware kauft
                                                              oder eine Dienstleistung in Anspruch
                                                              nimmt. Ein Patient ist eine Person, die ärzt-
                                                              lich behandelt wird. In der heutigen Apo-
       Unsere Rolle als bestzugängliche                       theke stimmt häufig beides. Und das hat
                                                              Konfliktpotenzial, wie diese Beispiele zeigen.
       Medi­zinalpersonen bringt uns Apotheke-
       rinnen und Apotheker täglich in Kon-                  Der Spätkommer
                                                             Kommt fünf Minuten vor Ladenschluss und
       takt mit einer Vielzahl an Persönlichkei-             erwartet umfassende Beratung zu Kosmetik-
                                                             artikeln. Oder er hat lange Rezepte, die
       ten. Hier eine (unvollständige)                       gleich eingelöst werden müssen (ausgestellt
       Typo­logie, die alle, die in einer Apotheke           vorgestern). An schlechten Tagen kommt
                                                             er auch, wenn man schon geschlossen hat,
       arbeiten, sicher wiedererkennen.                      und klopft dann an die Türe. Wenn der Laden-
                                                             schluss nicht die Deadline ist, ist es der Bus
       Autorin: Pharmama – bloggt täglich aus der Apotheke   oder der Zug, der demnächst abfährt.

                                                             Der «Aber ich brauch das!»-Kunde
                                                             Dieser Kunde antwortet, sobald du ihn mit
                                                             der Tatsache konfrontierst, dass etwas nicht
                                                             an Lager / nicht lieferbar / nicht existent
                                                             ist, automatisch mit «aber ich brauch das!»
                                                             und erwartet dann, dass das Gewünschte
                                                             trotzdem auftaucht. Wenn nicht, wiederholt
                                                             er seine Forderung einfach ein paar Mal.
                                                             Vielleicht glaubt er, dass das gesuchte
                                                             Produkt auf magische Weise trotzdem er-
                                                             scheint, wenn er nur den richtigen Tonfall
                                                             trifft?

                                                             Der Nervösling
                                                             Ein Blick ins Patientendossier zeigt, dass er
                                                             bisher ausschliesslich Medikamente wie
                                                             Stilnox, Xanax, Temesta und Co. bezogen hat
                                                             – Beruhigungsmittel also mit Abhängig-

                                                               Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   8
Video-Sketch-Show «Anek­
                      doten aus der Apotheke»

                      Im Rahmen der Kampagne «Fragen
                      Sie Ihren Apotheker» zeigt
                      pharmaSuisse in etwas über-
                      spitzten Video-Sketches den Alltag
                      in Apotheken: Die rund ein-
                      minü­tigen Filme erzählen komödi­
                      antische Anekdoten aus einer
                      Apotheke – voller Vorurteile und
                      Stereotypen.

                      ihr-apotheker.ch/sketch-show

keitspotenzial. Er hüpft praktisch von           erwartet, dass du den Rest selbst heraus­         endet sie mit seiner gerade aktuellen Vision.
einem Fuss auf den anderen, während er ein       findest. Leider fehlte jedoch das Fach            Es empfiehlt sich, ihm von Beginn weg
weiteres «Notfallrezept» von einem wei-          Gedankenlesen in meiner Ausbildung …              nicht allzu sehr zu widersprechen, da an-
teren Arzt abliefert. Und vorher hat er natür-                                                     sonsten die Visionen immer abstruser
lich bereits versucht, das Gewünschte ohne       Der «Aber bei xy»-Kunde                           ­werden («Aber was, wenn ich mich auf die
Rezept bei uns zu erhalten.                      Er hat eine Frage, die aus medizinischen oder      Blisterpackung setze und ein paar Tablet-
                                                 gesetzlichen Gründen leider nur abschlägig         ten herausgedrückt werden und mein Hund
Der Bis-zum-letzten-Moment-                      beantwortet werden kann. Kaum hast du das          sie findet und isst … ?»).
Aufschieber                                      geäussert, wirft er dir «aber bei xy geht das /
Er gibt ein Rezept ab, das typisch ist für       bekomme ich das» an den Kopf.                     Der Info-Shopper
einen Besuch im Notfall des Spitals:                                                               Er kaut dir ein Ohr ab und will alles über ein
Schmerzmittel, Antibiotikum (es kann aber        Der selektiv Schwerhörige                         neues Produkt wissen. Mit diesen Informa­
auch ein Blutdruckmittel sein) – nur: Das        Er stellt Fragen – im Normalfall intelligente     tionen geht er anschliessend zum Discounter
Rezept ist schon etwa drei Wochen alt. Dann      und freundliche Fragen. Aber wenn du              und kauft es dort. Neu gibt es diesen Kunden
sagt er dir, dass er es gleich brauche und       ­antwortest, unterbricht er dich, nur um die-     auch in der Variante «Versand-Apotheke»,
dass du dich beeilen sollst – er muss nach-       selben Fragen ein paar Minuten darauf            der vor Bestellung noch bei dir vorbeikommt,
her zum Arzt. Wahrscheinlich zur Nach­            wieder zu stellen. Hat ihm die Antwort nicht     da «bei Ihnen die Beratung doch besser
kontrolle.                                        gefallen?                                        ist»... Danke!

Der Exhibitionist                                Der Idiot savant                                  Die Mama
Dieser Kundentyp ist oft älter, nutzt aber       Er weiss nichts über das Produkt, das er          «Ich hätte gern ein – nein, geh da weg! –
jede Gelegenheit, um Haut zu zeigen. Dabei       möchte – bis zu dem Moment, wo du                 ähm, ein Kleinkinder-Nasenspray – lass das
spielt es keine Rolle, ob andere Kunden          ihm etwas zeigst oder erklärst, dass es das       da stehen! – nein, nicht anfassen! – zum
mitbekommen, dass sie eine Pilzinfektion         ­Gewünschte so nicht gibt. Dann ist er auf        Donnerwetter, das nächste Mal bleibst du im
unter dem Busen hat («Schauen Sie sich            einmal Experte und sicher, dass das,             Auto – ja, und haben Sie etwas gegen Hus-
das an!» – T-Shirt hoch) oder er einen Pickel     was du ihm zeigst, nicht das ist, was er woll-   ten, das man auch Kleinkindern ... – ja, ich
auf dem Hintern («Na, da!» – Hose runter).        ­te, oder dass das gesuchte Produkt wirk-        hab gesehen, dass da ein Bonbon ist – also
Bevorzugt werden Opfer des jeweils anderen         lich existiert.                                 Kleinkindern geben kann? – warten Sie –
Geschlechts, zur Not nimmt der Exhibitio-                                                          nein, du darfst nicht mein Portemonnaie
nist aber alles, was grad da ist.                Der Telefon-Shopper                                – nein, heb das auf! – hier, bitte schön, ja, er
                                                 Er steht mit dem Telefon am Ohr an der Theke      darf ein Traubenzucker haben, aber erst zum
Die «Nur schnell eine Frage»-Person              und erhält Instruktionen, was er kaufen soll.     Nachtisch, bitte geben Sie es – nein, nicht
Sie unterbricht ungeniert ein Beratungs­         Meist ist er männlich – am Telefon die Frau/      jetzt, lass das los, ich nehme das – danke.»
gespräch, um eine Frage zu stellen. Und          Freundin. Einfacher wäre es, uns zu fragen
erzählt dann minutenlang irgendetwas, ohne       (denn selbst vom Zuhören wissen wir eigent-       Der Hypochonder
sich unterbrechen zu lassen. Der aktuelle        lich schon, was gewünscht ist), aber: Nein!       Er hat bei einem Mückenstich sofort eine
Kunde steht daneben und beginnt langsam                                                            tödliche Krankheit und kommt in die
zu kochen.                                       Der Spekulierer                                   ­Apotheke, um langsam zu sterben. Bei Kopf-
                                                 Er ist offenbar in der Lage, verschiedene          schmerzen hat er einen Schlaganfall,
Der Telepath                                     Zeitlinien in der Zukunft zu sehen – und will      bei Muskelkater im rechten Arm einen Herz-
Er liefert einen Bruchteil der benötigten        auf alle vorbereitet sein. Er startet viele        infarkt. //
Informationen zu dem, was er möchte, und         Sätze mit: «Aber was, wenn … ?» – und be-

9
Projekte für Mitglieder

  Vorausschauende Lösungen
  des Dachverbands
                          pharmaSuisse unterstützt seine Mitglieder
                          mit vielen Produkten und Dienstleistun-
                          gen ­sowie Weiter- und Fortbildungsangeboten:
                          ­damit sie ihre Kundschaft direkt und
                           kompetent zu Medikamenten sowie zu Gesund-
                           heits- und Präventionsfragen beraten können.
                          Autorin: Stephanie Balliana

                                                        Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   10
«Vor dem Hintergrund von Hausarztmangel        weise qualifizieren Apothekerinnen zur         zinische Erstberatung. Das weckt auch
und dem Kostenwachstum im Gesund­              Beratung von Ärzten in ihrer Verschreibungs-   das Interesse der Krankenversicherer. Im
heitswesen wird der einfache Zugang zur        praxis oder zur pharmazeutischen Betreu-       Jahr 2017 boten die ersten beiden Versi­
Gesundheitsberatung immer wichtiger»,          ung von Heimen und anderen Institutionen       cherungen Modelle an, bei denen die Erstab-
sagte Bundesrat Alain Berset an der pharma-    des Gesundheitswesens.                         klärung eines medizinischen Problems in
Suisse-Generalversammlung im Jahr 2015.                                                       der Apotheke erfolgen kann.
Die Gesetzesrevisionen des Medizinal­          Grundstein Fortbildung                         " Abgabe der «Pille danach» durch Apothe-
berufegesetzes 2015 und des Heilmittelge-      Apothekerinnen sind wie alle Medizinalper-     kerinnen: Die Kompetenzen der Apotheke­
setzes 2016 trugen dem Rechnung und            sonen gesetzlich zur lebenslangen Fort­        rinnen werden besser genutzt und gleichzei-
den Apothekerinnen eine weitaus wichtigere     bildung verpflichtet. pharmaSuisse ist mit     tig besser dokumentiert: Der Zugang
Rolle in der medizinischen Grundversor-        jährlich fast 200 Kursen eine wichtige         zur «Pille danach» wird erleichtert, von einer
gung der Bevölkerung zu. Dies war mitnich-     Stütze der pharmazeutischen Fortbildungs-      geschulten Medizinalperson begleitet und
ten Zufall oder glückliche Fügung –            landschaft. Sie bietet Fortbildungspro-        schriftlich protokolliert.
die Grundsteine für die neu zugesprochenen     gramme, Präsenz- und Online-Schulungen
Kompetenzen waren zum Zeitpunkt der            sowie wissenschaftliche und fach-              Grundsteine Fachwissen
parlamentarischen Debatten längst gelegt.      liche Grundlagen für das Selbststudium an.     Um die Kompetenz der Apothekerinnen
                                                                                              bei wissenschaftlichen Fragen erhalten und
Medizinalberufegesetz bringt                   Heilmittelgesetz bringt neue                   ausbauen zu können, unterstützt sie
Kompetenzerweiterung                           ­Handlungsfelder                               ­pharmaSuisse mit wissenschaftlichen
Das revidierte Medizinalberufegesetz           2016 wird die Revision des Heilmittelgeset-     Dienstleistungen, Werkzeugen und Produk-
(MedBG) wird 2015 vom Parlament angenom-       zes vom Parlament angenommen. In Zukunft        ten im Alltag, sodass das ganze Apotheken-
men. Es ist die Grundlage für die Kom­         können Patienten gewisse verschreibungs-        team täglich Höchstleistungen für die
petenzerweiterung der Apothekerinnen. So       pflichtige Medikamente, für die es keine        ­Patienten und Kunden erbringen kann. Bei-
braucht es für die eigenverantwortliche        ärztliche Diagnose braucht, ohne Rezept von      spiele sind:
Berufsausübung künftig ebenso wie bei den      der Apothekerin persönlich beziehen. Die         " evidisBasic: Das von pharmaSuisse entwi-
Ärzten einen Weiterbildungstitel. Aus­ser-     Patientensicherheit und die Behandlungs-         ckelte elektronische Arzneimittel-Warn-
dem sollen alle Apothekerinnen neu schon im    qualität geniessen dabei erste Priorität.        und Informationssystem zeigt beim Scannen
Grundstudium die Grundlagen für die            Apotheken dürfen auch in Zukunft Medika-         eines Medikaments die wichtigsten Hinweise
neuen Kompetenzen zum Impfen sowie für         mente herstellen, beispielsweise spezielle       an, auf die das Apothekenteam den Patien-
die Diagnose und Behandlung häufiger           Kinderdosierungen, bei Lieferunterbrüchen        ten aufmerksam machen muss – ergänzt
Gesundheitsstörungen und Krankheiten           und im Falle einer Pandemie. Für die Er­         durch evidenzbasierte Zusatzinformationen
erlangen.                                      teilung einer kantonalen Bewilligung wird        und Info-Flyer zum Mitgeben.
                                               neu ein Qualitätssicherungssystem voraus-        " pharmaDigest®: Die Online-Datenbank
Grundstein Ausbildung                          gesetzt.                                         pharmaDigest® bietet Zugang zu über 700 für
Dank der Unterstützung von pharmaSuisse                                                         die Apothekerin relevanten Fachbeiträgen –
werden an den Universitäten Genf und           Grundstein Qualitätsmanagementsystem             lesefreundlich, übersichtlich, kurzgefasst.
Basel Lehrstühle in klinischer und prakti-     Bereits 1999 bietet pharmaSuisse den             " Index Nominum: Die Online-Datenbank
scher Pharmazie eingerichtet – diese           Apotheken ein Qualitätsmanagementsystem          Index Nominum liefert Informationen
­vermitteln bereits heute die neuen Kompe-     an. Um den öffentlichen Qualitätsanfor­          zu Wirkstoffen und Medikamenten aus über
 tenzen. Die Universität Zürich folgt.         derungen gerecht zu werden, lanciert             175 Ländern.
                                               ­pharmaSuisse 2015 das ISO-zertifizierte
Grundsteine Weiterbildung                       «ISO 9001 QMS Pharma», im Jahr 2018           Grundstein Leistungsorientierte
" Eidgenössische Weiterbildung: Die             bereits mit über 500 Apotheken.               Abgeltung (LOA)
Schweiz ist das erste Land mit staatlich                                                      Seit der Einführung der LOA im Jahr 2001
anerkannten Weiterbildungsgängen in            Grundsteine Anamnese und Triage                wird die Apothekerin für ihre Leistung abge-
Spital- und Offizinpharmazie (2013). Diese     " netCare: Im Modell netCare, gestartet        golten, unabhängig davon, wie viel das
bereiten junge Apothekerinnen optimal          im Jahr 2012, über­nehmen speziell weiterge-   abgegebene Medikament kostet. Dieses
auf Herausforderungen wie beispielsweise       bildete Apothekerinnen die medizinische        System förderte neben der Beratungs-
die Leitung einer Apotheke vor.                Erstabklärung gemäss wissenschaftlich          qualität und Sicherheit des Patienten auch
" Fähigkeitsausweise: pharmaSuisse führt       fundierten Flussdiagrammen und ziehen bei      den Weg der Apothekerin zur Gesundheits-
Fähigkeitsausweise ein, mit denen sich         Bedarf mit dem Einverständnis des Kunden       dienstleisterin. //
aus­gebildete Apothekerinnen für neue An-      einen Mediziner bei. Keine Terminvereinba-
forderungen, wie das Impfen in der Apotheke,   rung, keine Wartezeiten, keine hohen Kosten
qualifizieren können. Andere Fähigkeitsaus-    – dafür eine schnelle und kompetente medi-

11
Die Präsidenten der vergangenen 36 Jahre im Interview

        Rückblick und Ausblick
                 Die Kräfte landesweit bündeln und den
                 Apotheker in die berufliche Selbst­
                 ständigkeit führen: So lautete das Ziel von
                 Ernst Theodor Hübschmann, als er              Sie alle haben dazu beigetragen, dass die
                                                               Dachorganisation für eine professionelle und
                 1843 zur Gründungssitzung des Schwei-         vernetzte Apothekerschaft in der Schweiz
                 zerischen Apothekervereins einlud.            heute das ist, was sie ist: Ein Verband mit
                                                               motivierten Mitgliedern, die einen Mehrwert
                 Seither h
                         ­ aben 39 Männer den Verband          für das Gesundheitswesen und somit für
                                                               die Bevölkerung und die Patienten schaffen.
                 präsidiert und sich den Herausforde­
                 rungen ihrer Zeit gestellt.                   Die Präsidenten der letzten vier Jahrzehnte
                                                               blicken zurück und erzählen uns von
                                                               den Herausforderungen, die sie während­
                                                               ­ihrer Präsidialzeit gemeistert haben,
                                                                und den M­ eilensteinen, die sie erreicht
                                                                haben. Fabian Vaucher, der derzeitige
                                                                Präsident, berichtet darüber, was den Ver-
                                                                band heute und morgen beschäftigt.

                                                                   Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre  12
Dr. Giorgio Antognini,
                                                                                    Präsident 1982–1984

Dr. Giorgio Antognini

Welche Themen haben Sie während Ihrer            Was hat sich während Ihrer Zeit als                Was hat sich im Umfeld verändert?
Präsidentschaft am meisten beschäf-              Präsident im fachlichen Bereich für Apothe-        Welche Herausforderungen hat dies an
tigt? Welches waren die Schwerpunkte Ihrer       kerinnen und Apotheker verändert?                  den Apotheker gestellt?
Tätigkeit?                                       Die Markteinführung von Generika wurde             In den Offizinen wurden die ersten, sehr
Eine Initiative der Pharmaindustrie, die den     weder von der Pharmaindustrie noch                 einfachen Computer eingeführt. Es war der
Arzneimittelhandel in einer für unseren          von den Apothekern begrüsst. Dennoch               Anfang einer neuen Ära, die auf die Tätig-
Beruf und unsere Grossisten sehr gefährli-       wurde vom Schweizerischen Apothekerver-            keit des Berufstandes sowohl in wirtschaft­
chen Weise ändern wollte, musste in enger        band (SAV) eine erste Generikaliste zu­            licher (Verwaltung) als auch in wissen­
Zusammenarbeit mit den damals vier apo-          sammengestellt und 1987 in der SAZ (heute          schaftlicher (Information) Hinsicht entschei-
thekereigenen Pharmagrossisten bekämpft          pharmaJournal) publiziert. Sie wurde danach        dende Auswirkungen hatte und bis
werden. Dazu waren lange, harte, für uns         zwei Mal jährlich (immer nach Erscheinen           heute hat.
aber letztlich erfolgreiche Verhandlungen        der neuen Ausgabe der amtlichen Spezialitä-
nötig (Gerzensee-Treffen). 1987 trat schliess-   tenliste SL) auf den neusten Stand ge-             Was war für Sie sonst noch wichtig?
lich eine neue Marktordnung (NMO) in             bracht und erst in den 90er-Jahren vom Bun-        Eine klare, wissenschaftlich fundierte A
                                                                                                                                           ­ b-
Kraft, welche die Vertriebsbedingungen und       desamt für Sozialversicherungen übernom-           grenzung der Abgabekompetenzen und
Handelsmargen in einer für die damalige          men, erweitert und mit der SL veröffentlicht.      Beratungsaufgaben im Arzneimittelbereich
Zeit befriedigenden Weise regelte. 1983 fand     Die Drogenszene gab zu zahlreichen Dis­            war und ist nach meinem Dafürhalten
der 43. FIP-Kongress in Montreux statt.          kussionen Anlass. Dabei ging es um die             allzu stark von politischen Einflüssen und
1984 wurde ein neuer Arzneilieferungsvertrag     Abgabe von Ersatzdrogen und Einmalsprit-           wirtschaftlichen Interessen beeinflusst
mit den Krankenkassen in Kraft gesetzt,          zen an Drogenabhängige.                            bzw. wird durch diese sogar verunmöglicht. //
der insbesondere die Wiederholung ärzt­
licher Rezepte durch den Apotheker regelte.
Erstmals äusserte sich das Bundesgericht
zum Thema der ärztlichen Selbstdispen­
sation (SD). Die von uns mit grösster Sorgfalt
erarbeitete Dokumentation führte 1985 zu
einem grundlegenden Urteil, wonach eine
Einschränkung der SD keinen Eingriff in die
Handels- und Gewerbefreiheit darstellt.

13
Dr. Hermann Ambühl

Welche Themen haben Sie während Ihrer               nen sowie die Rationalisierung im admi­
Präsidentschaft am meisten beschäf-                 nistrativen Bereich führten zum raschen
tigt? Welches waren die Schwerpunkte Ihrer          Ausbau der EDV mit apothekenspezifischen
Tätigkeit?                                          Programmen.
Hauptanliegen war ein zeitgemässes
­Berufsbild des Apothekers als Fachmann des         Was hat sich im Umfeld verändert?
 Arzneimittels, damit er Patient und Arzt           Welche Herausforderungen hat dies an
 kompetent informieren, beraten und seine           den Apotheker gestellt?
 Dienste der Öffentlichkeit für eine ver­           Die zunehmend kritische Einstellung vieler
 besserte Gesundheitsvorsorge und Selbst-           Kunden und Patientinnen gegenüber
 medikation zur Verfügung stellen kann.             «chemischen» Medikamenten begünstigte
 In den Jahren 1988–1991 reorganisierten wir        den Trend zu alternativen Heilmethoden.
 die Geschäftsstelle und bauten u. a.               Durch die Werbung der Hersteller für rezept-
die Abteilungen «Wissenschaft» und «Politik         freie Medikamente wurde das Medikament
und Wirtschaft» auf. 1989 zog die Geschäfts-        für viele Anwender immer mehr zum ge­
stelle nach Bern-Liebefeld um, was eine             wöhnlichen Konsumgut, was in der Selbst-
Konzentration der finanziellen, personellen         medikation ohne pharmazeutische Beratung
und materiellen Mittel ermöglichte.                 die Arzneimittelsicherheit gefährdet. Der
Wichtig waren auch die vermehrte Öffent­            zunehmende Kostendruck im Gesundheits-
lichkeitsarbeit (z. B. mit Medienkonferenzen        wesen erschwert den Dialog und konstruk-
 und Vorsorgeaktionen) und intensivere              tive Lösungen unter den Leistungserbringern
 Kontakte mit den Partnern und Konkurrenten         (Arzt, Apotheker) und mit den Krankenver­
 im Bereich der Arzneimittelabgabe sowie            sicherungen.
 mit der Industrie und den Grossisten. Dabei
 galt für mich immer das Motto: Hart­               Was war für Sie sonst noch wichtig?
 näckigkeit im Grundsätzlichen, Flexibilität im     Das Gerangel um die Schliessung des
 Detail.                                            Pharmazeutischen Instituts Bern;
 Nicht zu vergessen ist die enge Zusammen-          die ­fehlende Zeit für vermehrte Kontakte
 arbeit in der Arbeitsgemeinschaft für              mit den eidgenössischen Parlamenta-
 ­Pharmazeutische Information (API) mit             riern; der Aufwand, die Geduld und die Zeit,
  Deutschland und Österreich. Daraus                welche eine Studienreform erfordert;
  ­resultierten verschiedene Publikationen wie      schliesslich zahlreiche Fragen im Zusam-
   die Arzneistoffprofile oder ein Interaktionen-   menhang mit den Auswirkungen des
   Kompendium.                                      ­europäischen Binnenmarkts, insbesondere
   Zu erwähnen sind schliesslich auch grosse         durch die Freizügigkeit des Personen-
   externe und interne Kämpfe für die                und Warenverkehrs. //
   Durchsetzung der neuen Marktordnung
   und die Revision des Heilmittelkonkordates
   mit Bereinigung der IKS-Listen C und D.

Was hat sich während Ihrer Zeit als
Präsident im fachlichen Bereich für Apothe-
kerinnen und Apotheker verändert?
Das immer stärkere Informationsbedürfnis
der Apotheker über die zahlreichen
neuen Arzneistoffe und neuen Indikatio-

                                                                                                                                   Dr. Hermann Ambühl,
                                                                                                                                   Präsident 1985–1991

                                                                                                   Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   14
Dr. Max D. Brentano,
                                                               Präsident 1992–2002

Dr. Max D. Brentano

Welche Themen haben Sie während Ihrer
Präsidentschaft am meisten beschäf-
tigt? Welches waren die Schwerpunkte Ihrer
Tätigkeit?
Meine Vision war eine klare Neuorientie-
rung unseres Berufes als wesentlicher
Leistungserbringer als Medizinalperson im
schweizerischen Gesundheitswesen.
Ich konkretisierte die angestrebten Ziele in
«25 Thesen zum Apothekerberuf». Diese
blieben bis zum Ende meines Mandates und
darüber hinaus Leitlinien für die Verbands­
tätigkeit. Neu zu gestalten waren die
Bereiche Bildung, Vernetzung im Gesund-
heitswesen, Leistungsabgeltung als Dienst-
leister und Abkehr vom System des
­Detailhandels (Handelsmarge), Einführung
 und Abgeltung weiterer erbrachter Dienst-
 leistungen durch Apothekerinnen sowie          erste Zusatzleistungen der Apotheken ein-
 Anpassung an die Forderungen zum freien        geführt werden. Notwendig und einge-
 Wettbewerb (Kartellrecht).                     führt wurden auch eine systematische Über-
 Durch meine Tätigkeit als aktiver Politiker    prüfung der Qualität (QMS).
 und Aargauer Grossrat hatte ich zu Kollegin-
 nen und Kollegen, die später in den            Was hat sich im Umfeld verändert?
 Nationalrat gewählt wurden, einen privile-     Welche Herausforderungen hat dies an
 gierten Zugang und konnte Anliegen             den Apotheker gestellt?
 direkt vorbringen. Dies war umso wichtiger,    Die Herausforderungen sind gewachsen.
 als während meiner Amtszeit das Kranken-       Daher wurde die Ausbildung angepasst, die
 versicherungsgesetz und das Heilmittel­        Weiter- und Fortbildung zwingend, die
 gesetz revidiert und das Medizinalberufe­      ­Qualitätssicherung standardisiert und die
 gesetz vorbereitet wurden.                      Apothekerleistungen mussten dem Publikum
                                                 transparent erklärt werden. Wenn ich
Was hat sich während Ihrer Zeit als              heute in die Landschaft schaue, darf ich
Präsident im fachlichen Bereich für Apothe-      feststellen, dass unsere damaligen Visionen
kerinnen und Apotheker verändert?                weitgehend realisiert und weiterentwickelt
Die umfassendste Veränderung für die Tätig-      werden.
keit des Apothekers war die Entwicklung
und die Einführung der Leistungsorientierten    Was war für Sie sonst noch wichtig?
Abgeltung (LOA). Der Druck auf die Margen       Es war nicht etwas Einzelnes wichtig, son-
war enorm und man wusste, dass das              dern das Ganze. Es waren das Team,
kommende Kartellgesetz die private Margen­      der Vorstand, Delegierte, Mitarbeiter und
ordnung verbieten wird. Zur sicheren            Befreundete, die zum Erfolg beigetragen
Prognose der Wirkung auf den Ertrag brauch-     haben. Ich danke allen nicht zuletzt für
ten wir konkrete Zahlen, die wir zusammen       die Freundschaft, die über meine Amtszeit
mit der OFAC auf der Rollenden Kostenstudie     hinaus geblieben ist! //
(ROKA SAV) immer präziser erfassten. Mit
dem neuen System einhergehend konnten

15
Dominique Jordan,
                Präsident 2003–2014

Dominique Jordan

Welche Themen haben Sie in der Zeit             allem, was dies an Investitionen und An­
Ihrer Präsidentschaft am meisten beschäf-       passungsfähigkeiten für den Beruf mit sich
tigt? Welches waren die Schwerpunkte            bringt.
Ihrer Tätigkeit, Ihre Herausforderungen und
Erfolge?                                        Was hat sich im gesellschaftlichen, poli­
Die Strategie fokussierte sich auf die Stär-    tischen, wirtschaftlichen Umfeld ver-
kung der Rolle des Apothekers als An­           ändert? Welche Herausforderungen hat dies
gehöriger eines medizinischen Berufs und        an den Apotheker gestellt?
Erbringer von Dienstleistungen, für die er      Die Kostensteigerungen im Gesundheits­
bezahlt wird. Wir stellten den Apothekern       wesen, die staatlichen Eingriffe in die
Schritt für Schritt die benötigten Werkzeuge    ­Gewinnspannen, das Aufstreben der Apothe-
zur Verfügung, damit sie zum wichtigen           kenketten und der auf Rabatte ausgerichtete
Akteur unseres Gesundheitssystems werden         Postversand, die alternde Bevölkerung
konnten. Die Weiterentwicklung der LOA, die      sowie die Erwartungen der Politik und der
Reform des Pharmaziestudiums (Bologna-           Bevölkerung haben die Apotheker ge­
Prozess) mit der Erweiterung des Studien-        zwungen, pragmatische Lösungen vorzu-
gangs um die klinische und praktische            schlagen. Innovativ sein, weiterkämpfen,
Pharmazie, die vom Bundesrat anerkannten         ohne den Mut zu verlieren, und an der
Fachapothekertitel, die Veränderung der          Umsetzung von Lösungen arbeiten, scheint
Bundesgesetze, die Entwicklung des Quali-        eine ständige Herausforderung für den
tätssystems mit unseren französischen            Beruf zu sein!
Kollegen, die Erstellung von wissenschaft­
lichen Datenbanken, die Gründung von            Was war für Sie sonst noch wichtig?
Axapharm, die Impfung, netCare und die          Die Bewahrung des Zusammenhalts inner-
verschiedenen Präventionskampagnen              halb des Berufstands, die mit der Entstehung
sind nur einige von vielen Errungenschaften:    unterschiedlicher Interessengruppen
Sie alle sind für die Schweizer Apotheker       schwieriger geworden ist, sowie das Unter-
zum Erfolg geworden.                            halten guter Beziehungen zu Politik, Be­
                                                hörden und anderen Akteuren des Gesund-
Was hat sich während Ihrer Zeit als             heitswesens waren der Schlüssel für die
Präsident im fachlichen Bereich für den         erzielten Erfolge. Ausserdem war es mir
Apotheker verändert?                            besonders wichtig, für ein gutes Arbeitsklima
Der durch die LOA eingeführte Paradigmen-       auf der Geschäftsstelle zu sorgen und die
wechsel sowie neue Präventionsdienst­           Arbeit und die Kompetenzen der Mitarbeiten-
leistungen für akute und chronisch kranke       den gebührend anzuerkennen. Ohne sie
Kunden veränderten den Beruf. Er ent­           hätte ich meine hochgesteckten Ziele nie
wickelte sich von einer produktzentrierten zu   erreicht. //
einer patientenzentrierten Tätigkeit – mit

                                                 Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   16
Fabian Vaucher

     Welche Themen beschäftigen Sie während          Was verändert sich im gesellschaftlichen,
     Ihrer Präsidentschaft am meisten?               politischen, wirtschaftlichen Umfeld?
     Welches sind aktuell die Schwerpunkte Ihrer     Was sind die aktuellen Herausforderungen?
     Tätigkeit?                                      ­Gesellschaftlich ist es unser Konsumver­
     Die Positionierung der Apotheke in der           halten. Wir wollen alles, Gesundheit
     Öffentlichkeit ist matchentscheidend: Bei        und Lifestyle per Knopfdruck – schnell,
     allen gesundheitlichen Fragen soll sie           günstig und am liebsten 175 Jahre lang.
     die erste Anlaufstelle sein. Dank Gesetzes­      Die Politik ist gefordert, die damit einherge-
     revisionen wird das Wissen und Können            hende Frage der Finanzierung in den
     von uns Apothekern nun endlich umfassen-         Griff zu bekommen. Die steigenden Kranken-
     der genutzt. Wir helfen, die medizinische        kassenprämien sind Thema Nummer eins
     Grundversorgung sicherzustellen, garantie-       aller Parteien. Senkung des Vertriebsanteils
     ren den Patienten eine optimale Medikation       und Billigstprinzip sind Schnellschüsse
     und bieten zielgerichtete Präventionsdienst-     aus der politischen Ecke, denen wir Paroli
     leistungen an. Der Kunde steht im Fokus –        bieten müssen. Denn die Apotheker sind
     nur was ihm nützt, bleibt gefragt. Das adap-     in der Kostenspirale die Good Guys: Wir
     tieren wir als Verband auch auf unsere           entlasten Notfallpforten und Hausärzte, wir
     Mitglieder: Wo bieten wir spürbaren Mehr-        fördern die Befähigung der Bevölkerung
     wert, Hand in Hand mit den Kantonalver­          bei der Selbstmedikation und wir unterstüt-
     bänden und den wachsenden Gruppierungen          zen die Gesundheit mit Präventionsdienst-
     und Ketten?                                      leistungen. Apotheken verursachen weni-
                                                      ger als 3,5 Prozent der Prämienkosten
     Was verändert sich aktuell im fachlichen         und haben seit 2001 gut eine Milliarde Fran-
     Bereich für Apothekerinnen und Apotheker?        ken zugunsten der Prämienzahler eingespart.
     Mit der Revision des MedBG trat das
     Weiterbildungsobligatorium Anfang 2018 in       Was ist für Sie sonst noch wichtig?
     Kraft, eine gute Sache – administrativ          Die digitale Transformation: Ich sehe die
     eine Riesenkiste. Fest steht: Die Aus-, Fort-   Entwicklung als Herausforderung – und vor
     und Weiterbildung ist für jeden Apotheker       allem als Chance. Die Apotheke der Zu-
     eine lebenslange Aufgabe. Nebst den fach­       kunft fungiert zunehmend als menschlicher
     lichen Skills muss der Apotheker heute          Connector sowie als Übersetzerin von
     auch in der Kundenkommunikation fit sein        ­medizinischen und digitalisierten Inhalten.
     und bei der Digitalisierung die Nase im Wind     Unser Wissen hilft den Menschen auch in
     haben.                                           Zukunft. Jeder will gesund bleiben, und
                                                      kranke Menschen möchten eine möglichst
                                                      hohe Lebensqualität. Gerade in der digita­
                                                      lisierten Welt ist die persönliche und kompe-
                                                      tente Betreuung und Begleitung nach wie
                                                      vor sehr gefragt. Sicherheit und Vertrauen,
                                                      das will der Kunde, und beides bieten wir
                                                      ihm – sei es digital oder stationär. //

                Fabian Vaucher, amtierender
                Präsident seit 2015

17
Vom Händler zum Dienstleister im Gesundheitswesen

  Die Leistungsorien-
  tierte Abgeltung (LOA):
  ein Meilenstein
                                              Dank der Leistungsorientierten Abgeltung (LOA)
                                              haben die Apotheken dem Gesundheitswesen seit 2001
                                              gut eine Milliarde Franken eingespart. Ihre Einfüh-
                                              rung war ein Meilenstein in der Geschichte des Berufs-
                                              stands. Wir blicken mit drei Beteiligten zurück.
                                              Interview: Richard Pfister

                                              Seit 2001 erhalten Apothekerinnen             Franken eingespart; weitere 80 Millionen
                                              und Apotheker ihre Leistungen bei der Ab-     Franken pro Jahr haben die Apotheken
                                              gabe eines rezept- und kassenpflichti-        im Zuge von gesetzlichen Preissenkungen zur
                                              gen ­Me­dikaments immer gleich abgegolten     Kostenstabilisierung beigetragen.
                                              – weitgehend unabhängig vom Preis             Die LOA hat in der Branche den grössten
                                              des Medikaments. Grundlage dafür bildet       Wandel der letzten 25 Jahre ausgelöst.
                                              die Leistungsorientierte Abgeltung (LOA),     Sie ist inzwischen eine Erfolgsgeschichte,
                                              die pharmaSuisse gemeinsam mit den            für die sich auch andere Länder interes­
                                              Ver­sicherern ausgehandelt hat. Dank diesem   sieren. Ihre Entwicklung und Einführung ist
                                              Abgeltungssystem haben die Prämienzah-        das Produkt einer engen Zusammenar-
                                              ler und damit das schweizerische Gesund-      beit von zahlreichen Personen. Ihnen allen
                                              heitswesen bis 2017 rund eine Milliarde       gebührt Dank für das Geleistete – nament-
                                                                                            lich den früheren pharmaSuisse-Präsidenten
                                                                                            Dr. Max D. Brentano und Dominique Jordan.
                                                                                            Mit drei der Beteiligten, die die Entwick-
                                                                                            lung massgeblich mitgestaltet haben, blicken
                                                                                            wir im Gespräch zurück.

                                                                                             Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   18
Lucie Trevisan, Apothekerin
Langjährige Präsidentin des
Basel­städtischen Apothekerverbandes
und Delegierte von pharmaSuisse;
Mitglied der Verhandlungsdelegation
von pharmaSuisse für Verträge
mit den Krankenversicherungen.

Wie wurden Apothekerleistungen abge-              einem proportionalen Verhältnis steht zum        gegenüber unseren Patienten und der Öffent-
golten, bevor es die LOA gab?                     Preis des Medikaments. Im Gegenteil:             lichkeit. Wir mussten erstens erklären, dass
Vor der LOA galt im Arzneimittelmarkt             Ein günstiges Medikament mit vielen Neben-       die LOA nur für rezeptpflichtige Medikamente
eine privatrechtliche Margenordnung, an die       und Wechselwirkungen – wie zum Beispiel          galt, die von der Grundversicherung über-
sich alle halten mussten. Die Apotheken           Aspirin – erfordert vertiefte Abklärungen und    nommen werden, und zweitens, dass in die-
erhielten eine fixe Marge in Form eines Pro-      intensivere Beratung als etwa ein teures         sem Bereich grosse Einsparungen für das
zentsatzes vom Verkaufspreis. Damit waren         Bluthochdruck-Medikament für eine gut            Gesundheitswesen erwartet wurden.
sämtliche Dienstleistungen abgegolten.            eingestellte Dauertherapie. Da entstand die      Zudem musste eine komplexe Software ent-
                                                  Idee: Wir sollten unsere Dienstleistung          wickelt werden, mit der die Apotheken
Weshalb hat man das damalige System               unabhängig vom Medikamentenpreis bezahlt         zugleich Patientendossiers führen, standar-
durch die LOA ersetzt?                            bekommen. Dieser Ansatz war auch für             disierte Kontrollen von Neben- und
Ein wichtiger Treiber war die fortschreitende     die Krankenversicherer interessant. Denn sie     ­Wechselwirkungen durchführen und die
Teuerung. Es kamen laufend neue und               sahen: Wenn unsere Abgeltung immer gleich         Medikamente nach LOA an die Kranken­
teurere Arzneimittel für neue Therapien auf       hoch ist, fällt der Anreiz weg, dem Patienten     versicherer verrechnen konnten. Das war die
den Markt, die ältere ersetzen sollten.           grosse und teure Packungen abzugeben.             zweite grosse Herausforderung.
Das führte zu Kostensteigerungen zulasten         Davon erhofften sie sich eine Kostensenkung,
der Krankenversicherungen, die ihrerseits         vor allem im oberen Preissegment. So kam         Was würden Sie rückblickend heute anders
unter Prämiendruck standen. Daraus er-            es schliesslich zur LOA.                         machen?
wuchs ein enormer Druck auf die Margen der                                                         Ich wünschte, wir hätten bei der Umstellung
Apotheken. Gemeinsam mit den Versiche-            Wie hat die Apothekerschaft auf diese            auf die LOA mehr Kräfte für die Kommu­
rern suchten wir einen Weg, um aus dieser         Verhandlungen reagiert?                          nikation eingesetzt. Viele Schwierigkeiten
Preisspirale herauszufinden. Aber weder die       Die Entwicklung der LOA war eine Pioniertat.     hätten so vermieden werden können. //
Öffentlichkeit noch unsere Partner im             Die Logik des Modells leuchtete ein. Aber alle
­Gesundheitswesen waren sich bewusst,             kannten bis dahin nur die Marge – und nie-
 welche pharmazeutischen Leistungen               mand konnte uns eine Garantie geben, dass
 bislang mit der Marge abgegolten wurden.         das neue Modell funktionieren würde. Es gab
 Es gab nirgends ein Dokument, in dem             denn auch durchaus Existenzängste. Der
 dies im Detail festgehalten war. Dann stellten   Systemwechsel erforderte ein grosses Ver-
 wir fest, dass unser Aufwand oft nicht in        trauen in unsere Leistungen und Mut zum
                                                  Aufbruch.

                                                  Gab es Schwierigkeiten bei der Einführung
                                                  der LOA?
                                                  Die grösste Herausforderung war die Kom-
                                                  munikation des Systemwechsels. Die
                                                  neue separate Abgeltung der Leistungen
                                                  verursachte grossen Erklärungsbedarf

19
Wie haben Sie die Einführung der LOA in         für 7.30 Franken mit dem Apotheker-Zu-
                                               der Apotheke erlebt?                            schlag von 4.30 Franken auf einen Schlag um
                                               Offen gesagt: als Hauruck-Aktion. Die LOA       mehr als 50 Prozent verteuerte. Denn
                                               ist eine ausgezeichnete Sache, aber bei der     das bezahlen viele Kunden direkt. So lag das
                                               Einführung fehlte die Zeit für eine gute        «schlechte Ende» immer bei uns, während
                                               Kundenkommunikation. Wir Apotheker haben        das «gute Ende» – unser Beitrag zur Kos­
                                               gesagt: Wir wollen nicht länger von den         tenstabilisierung – für den Kunden gar nicht
                                               Preiserhöhungen bei den Medikamenten            erlebbar war.
                                               profitieren, sondern für unsere Dienstleis-
                                               tungen mit einer Art «flat rate» entschädigt    Wie sind Sie der Kritik begegnet?
                                               werden. Vom Konzept her machte das Sinn.        Wichtig ist, dass man dazu steht: Ja, es ist
Balthasar Schmid, Apotheker                    Freilich wussten wir dabei im Hinterkopf        ein integraler Bestandteil des Medikamen-
Ehemaliger Delegierter pharmaSuisse und        auch, dass die Preise in Zukunft nicht mehr     tenpreises. Sehr hilfreich war eine Broschüre
ehemaliger Präsident Apothekerverein           steigen, sondern sinken würden. Das hat         des «Beobachter», in der die LOA mit
des Kantons Luzern, Mitglied der Verhand-      sich später auch bewahrheitet, und dank der     den beiden Pauschalen für den Medikamen-
lungsdelegation LOA.                           preisunabhängigen Abgeltung sind unsere         ten-Check und den Bezugs-Check auf
                                               Entschädigungen trotzdem auf einem              ­einfache Weise erklärt wird. Denn das war
                                               ­stabilen Niveau geblieben. Aber dass wir mit    eine unabhängige und deshalb glaubwür-
                                                dem Verzicht auf die Marge als erste            dige Quelle. Diese Broschüre haben wir sehr
                                                ­Gesundheitsdienstleister überhaupt einen       oft abgegeben. Zentral scheint mir, wie
                                                 beträchtlichen Beitrag zur Kostenstabili-      wir die Preise kommunizieren. Wir nennen
                                                 sierung geleistet haben: Das wurde damals      dem Barzahler stets den Preis inklu-
                                                 – und wird eigentlich bis heute – nicht        sive Check, geben den Kassabon mit und
                                                 ausreichend kommuniziert.                      erläutern bei Bedarf.

                                               Wie haben denn die Kunden damals reagiert?      Und heute: Verstehen die Kunden die LOA?
                                               Es war das erste Mal, dass ich unzufriedene     Finden sie sie gut?
                                               Kundinnen und Kunden erlebte. Das war alles     Sie akzeptieren sie. Gut findet sie eigentlich
                                               andere als angenehm. Dabei half uns             nur, wer empfänglich ist für den Solida­
                                               auch das Argument wenig, dass teure Medi-       ritätsgedanken, der den Pauschalen ja im
                                               kamente dank der LOA billiger würden.           Kern zugrunde liegt. Und wer erkennt,
                                               Obwohl dies ja tatsächlich der Fall war: Ein    dass die LOA nicht nur existenziell ist für die
                                               Medikament von 200 Franken kostete neu          Apotheken, sondern auch Nutzen schafft
                                               nur noch 100 oder 120 Franken plus eben die     für Kunden und Krankenkassen. //
                                               neue Apotheker-Pauschale. Das hat aber
                                               niemanden interessiert, denn die teuren
                                               Medikamente bezahlen ja die Krankenkas-
                                               sen. Hingegen konnten alle sehen, dass sich
                                               das vom Zahnarzt verschriebene Ponstan

Die Leistungsorientierte Abgeltung

Als «Leistungsorientierte Abgeltung» (LOA)     unabhängig von der Höhe des Medika­             " Beim Bezugs-Check stellt die Apothekerin
wird das Tarifsystem bezeichnet, mit dem       mentenpreises separat tarifiert. Die wich-      oder der Apotheker sicher, dass die ver-
Apothekerleistungen im Zusammenhang            tigsten Leistungen sind in zwei Paketen         schriebenen Medikamente zu den anderen
mit rezeptpflichtigen Medikamenten ab­         gebündelt: dem Medikamenten-Check und           vom Patienten eingenommenen Medika-
gegolten werden. Sie wird in einem Tarifver-   dem Bezugs-Check:                               menten passen. Dazu gehört das Führen
trag zwischen Krankenversicherern und          " Der Medikamenten-Check fasst Leistun-         eines Patientendossiers, in dem die Medika-
pharmaSuisse geregelt, der vom Bundesrat       gen zusammen, die sich auf ein einzel-          mente erfasst werden. Dafür wird ein Tarif
genehmigt wird. Ein ähnlicher Tarifvertrag     nes Medikament beziehen: Überprüfung des        von 3.25 Franken pro Arzt und pro Tag
besteht auch zwischen pharmaSuisse und         Rezepts, Abklärung allfälliger Risiken sowie    ver­rechnet, unabhängig von der Anzahl
den Versicherern in den Bereichen Unfall-,     Neben- und Wechselwirkungen, wirtschaft-        Packungen und Rezepten.
Militär- und Invalidenversicherung.            lich optimale Wahl der Packungsgrösse,
Die LOA wurde per 1. Juli 2001 eingeführt      Beratung zu Dosierung und Therapiedauer,        Seit ihrer Einführung hat die LOA mehrere
und löste im Bereich der rezeptpflichtigen     allenfalls Rücksprache mit dem Arzt usw.        Revisionen durchlaufen (LOA I, II, III und IV).
und von der Grundversicherung gedeckten        Es gilt ein pauschaler Tarif von 4.30 Franken   Gegenwärtig sind Verhandlungen über
Medikamente die bis dahin geltende             pro verordnetes Medikament, unabhängig          eine weitere Revision im Gang (LOA V). Sie
­privatrechtliche Margenordnung ab. Seither    von der Anzahl Packungen.                       sollen bis Ende 2019 (in Kraft voraussicht-
 werden die Fachleistungen des Apothekers                                                      lich 1.1.2021) abgeschlossen werden.

                                                                                                Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre   20
Warum war die Einführung der Leistungs­         dieser Kombination unsere Stärke liegt.
                               orientierten Abgeltung (LOA) seinerzeit so      Folgerichtig differenzierte sein Konzept nach
                               wichtig für den Apothekerberuf?                 Vertriebsleistungen und medizinischen
                               Dank der LOA gelang es, den Apothekerberuf      Leistungen. Erstere sollten durch Anteile am
                               neu als Leistungserbringer im Gesundheits-      Preis oder mengenbezogene Ansätze,
                               wesen zu positionieren und seine Zukunft zu     die Letzteren hingegen durch preis- und
                               sichern. Ohne LOA würde es den Apotheker        mengenunabhängige Leistungstarife
                               heute wohl nur noch im Museum geben. Denn       abgegolten werden.
                               vorher wurden Apotheker vor allem als           Politischer Schub entstand dann durch die
                               Händler von Arzneimitteln angesehen –           KVG-Revision, bei der dem Apotheker ein
                               und als solche gerieten sie von allen Seiten    Substitutionsrecht zugestanden wurde: Er
Marcel Mesnil, Apotheker       zunehmend unter Druck. Öffentlichkeit und       sollte anstelle des vom Arzt verschriebenen
Generalsekretär pharmaSuisse   Politik drängten auf eine Eindämmung            Medikaments ein Generikum abgeben dür-
                               des Kostenwachstums; da die Apotheken           fen. Damit wurde ihm erstmals eine Ent-
                               dank der prozentualen Handelsmarge              scheidungskompetenz zuerkannt. Das fand
                               ­automatisch von Preissteigerungen profitier-   sofort Unterstützung im Parlament, und
                                ten, wurden sie von Gesundheitspolitikern      plötzlich waren die Apotheken nicht mehr
                                sozusagen als «Feind» betrachtet. Waren sie    Feinde, sondern Verbündete im Kampf gegen
                                als Vertriebskanal denn etwa nicht ersetz-     das Kostenwachstum. Tatsächlich wurden
                                bar, zum Beispiel durch selbstdispensie-       mit der LOA bis heute Mehrkosten von über
                                rende Ärzte, Versandhändler, Grossverteiler?   1 Milliarde Franken vermieden.
                                Sie trafen ja keine Entscheidungen, son-
                                dern führten lediglich aus, was der Arzt       Wie hat sich der Apothekerberuf seither
                                verschrieb – «akademische Schubladenzie-       weiterentwickelt?
                                her» wurden sie auch genannt. Wozu             Die LOA hat einen tiefgreifenden Wandel
                                brauchte es ein akademisches Studium?          eingeleitet. Heute wird anerkannt, dass Apo-
                                Kurz: Als Folge der Margenordnung besassen     theken wesentlich zu einer besseren
                                die Apotheker keine Glaubwürdigkeit als        ­Behandlungsqualität beitragen können. Sie
                                Dienstleister und hatten politisch keine        erhalten auch neue Kompetenzen und
                                Verbündeten. Deshalb wuchs ihr Wille, sich      ­werden als Eckpfeiler der medizinischen
                                davon zu lösen. Dann kam 1996 – es war           Grundversorgung angesehen.
                                die grosse Zeit der Liberalisierungen – noch
                                das Kartellgesetz hinzu, das Margenord­        Gegenwärtig sind Verhandlungen für die
                                nungen wie diejenige im Arzneimittelmarkt      nächste Revisionsrunde im Gang (LOA V).
                                sogar verbot.                                  Worum geht es dabei?
                                                                               Hauptsächlich muss die Abhängigkeit von
                               Die LOA wurde dann aber erst 2001               Preisen und Mengen weiter reduziert werden.
                               ­eingeführt. Welche Schwierigkeiten mussten     Beispielsweise bilden die Vertriebsanteile
                                überwunden werden?                             noch immer die grösste Ertragsquelle
                                Tatsächlich haben die Apotheker bereits        der Apotheken, während Aufwand und Um-
                                1992 die ersten Weichen gestellt, als          fang von erbrachten Fachleistungen mit
                                die Generalversammlung von pharmaSuisse        grossem gesellschaftlichem Mehrwert
                                den Grundsatz beschloss, eine preis- und       steigen. Gelingt es, diese Fehlentwicklung
                                mengenunabhängige Vergütung der Dienst-        der Ertragsquellen zu korrigieren, steht dem
                                leistungen anzustreben. Aber um das zu         Apothekerberuf eine spannende Zukunft
                                erreichen, brauchte es Vieles: unter anderem   bevor. //
                                eine allgemein anerkannte Definition und
                                Quantifizierung unserer Leistungen, eine
                                Reform der Aus- und Weiterbildung, gesetz­
                                liche Grundlagen und Tarifverhandlungen.
                                Die Bildungsreform nahmen wir als Verband
                                selbst an die Hand. Mit der Entwicklung
                                eines leistungsbezogenen Abgeltungsmo-
                                dells haben wir Professor Bernd Schips von
                                der Konjunkturforschungsstelle der ETH
                                (KOF) beauftragt. Sein Bericht kam 1995 zu
                                dem Schluss, dass Apotheker weder aus-
                                schliesslich Produktvermittler noch aus-
                                schliesslich medizinische Leistungserbringer
                                sind, sondern beides – und dass gerade in

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