175 Jahre Schweizerischer Apothekerverband - GSIA
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Editorial Grünes Licht für grünes Kreuz ! Ach du grüne Neune: Ganze 175 Jahre ist es her, seit sich ein Dutzend Apotheker zu einem Verband formiert haben, um sich zu vernetzen, ihr Wissen auszu- tauschen und ihre Schlagkraft zu erhöhen. Und sie sind dabei sehr wohl auf einen grünen Zweig gekommen: Was wir heute ernten dürfen, verdanken wir den Pionieren, die das Potenzial unseres Berufsstands früh erfasst haben und den Garten für unser jetziges Tätigkeitsfeld angelegt haben: Apothekerinnen und Apotheker sind im Jahr 2018 nicht nur die erwiesenen Medikamentenprofis, sondern auch erste und einfachste Anlaufstelle bei allen gesundheitlichen Fragen. Wir leisten einen essenziellen Beitrag in der medizinischen Grundver- sorgung, halten unser Wissen mit Weiter- und Fortbildungen stets à jour und tragen wesentlich dazu bei, die Patiensicherheit zu erhöhen und Kosten zu sparen. Zudem fördern die Apothekenteams die Gesundheit mit zahlreichen Präventionsdienstleistungen. In der vorliegenden Jubiläumspublikation würdigen wir den Einsatz all jener, die den Acker für unseren heutigen Verband gepflügt und besät haben. Wir richten auch einen Blick in die Zukunft. Wie wird sich die digitale Transformation auf unsere Tätigkeit auswirken? Wie begegnen wir der nächsten Generation an Kunden, die gut informiert die Apotheke betritt und einen gezielten Mehrwert zu den Online-Angeboten einfordert? Herausforderungen sind immer Chancen – davon bin ich überzeugt. Wenn wir uns zusammen den fachlichen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen stellen, geniessen wir weiterhin das Vertrauen und die Zufriedenheit der Be- völkerung. Die Anforderungen an unsere Services und Leistungen steigen weiter – und wir wollen uns auch in Zukunft aus Sicht der Öffentlichkeit im grünen Bereich wiederfinden. Herzlichen Dank für Ihr Engagement! Gute Lektüre wünscht Fabian Vaucher, Präsident Schweizerischer Apothekerverband pharmaSuisse 1
Inhalt 3 Die Gründung 4 Fakten und Zahlen 6 Die Symbolik des grünen Kreuzes 8 Achtung Humor! Geschichten aus der Apotheke 10 Vorausschauende Lösungen des Dachverbands 12 Rückblick und Ausblick 39 Männer hatten bisher das Amt als Präsident inne. Fünf erzählen uns aus dieser Zeit. 18 Die LOA: ein Meilenstein 22 Fragen Sie Ihre Apothekerin 24 Trend zum Zusammenschluss 26 Wander und Alcacyl: von der Pflanze zur Chemie 28 Die wichtigsten Meilensteine im Überblick 30 Apothekerinnen – von der Kräuterfrau zur Pharmazeutin Etwa 80 Prozent der eidgenössischen 37 Entwicklung des Pharmaziestudiums Diplome in Pharmazie werden an Frauen erteilt. 38 Neue Aufgaben und Dienstleistungen des Apothekers 40 Die Armeeapotheke: Dienstleisterin für Armee und Zivilbevölkerung 34 Digitale Transformation Die Digitalisierung und der Kontakt zu 42 Auszeichnungen und Preise des Verbands den Kunden – sie werden die Apotheke 45 Berufsziel Industrie: in Zukunft verändern. Gute Vorbereitung ist essenziell 48 Magistralrezepturen – eine Kernkomptenz der Apotheker 50 Ideenwettbewerb «Apotheke der Zukunft» Studierende – die kritischen Konsumenten von morgen – liefern Ideen, wie die Apotheke in 52 Spitalpharmazie: Tagesablauf, der Zukunft für sie ausschauen soll. Sonderanfertigungen und Patientensicherheit Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 2
Der erste nationale Branchenverband überhaupt Gründung des Apothekervereins 1843 Der Schweizerische Apothekerverein wurde 1843 in Zürich gegründet. Massgebend für diesen Schritt waren wissenschaftliche und thera- peutische Erneuerungen, aber auch politische und soziale Veränderungen. Autor: Prof. Dr. François Ledermann Schon seit Mitte der Dreissigerjahre des kerverein ins Leben zu rufen. Ein Jahr später 19. Jahrhunderts hatten einige forsche – die erste Generalversammlung fand Apotheker versucht, die Pharmazeuten auf zusammen mit jener der Schweizerischen Bundesebene zu vereinigen. Nach einem Naturforschenden Gesellschaft in Chur gescheiterten Versuch des Baslers Johann statt – war die Mitgliederzahl bereits deut- Jakob Bernoulli gelang dies Theodor lich angewachsen. Hübschmann, einem Zürcher Apotheker deutscher Herkunft. Am 18. Oktober 1843 Ausbildungsthemen und Pharma- versammelten sich auf seine Initiative kopöe im Fokus im damaligen Hotel Krone, dem heutigen Zu den ersten Aufgaben des neuen Vereins La Terrasse am Bellevue in Zürich, drei- gehörten die Erneuerung und Vereinheit zehn Kollegen aus vier Kantonen. Unter dem lichung der Ausbildung sowie die Herausgabe Vorsitz von Hübschmann fassten sie den einer Landespharmakopöe. Dies wurde 1865 Beschluss, einen Schweizerischen Apothe- mit der ersten «Pharmacopoea Helvetica» realisiert. Ein weiteres wichtiges Thema war der Kampf gegen die Selbstdispensation der Theodor Hübschmann, ≤ Ärzte. 1848, fünf Jahre nach der Gründung einer der Gründer des Vereins, erschien zum ersten Mal ∫ Aus dem Original-Protokoll- die heute noch existierende Schweizerische buch von 1843. Apotheker-Zeitung. Pharmaziemuseum Basel ≤ Einladung zur 82. Jahres Bei der Gründung des Verbandes waren versammlung in Basel neben Hübschmann einige weitere A potheker Pharmaziemuseum Basel besonders aktiv. Neben dem bereits genann- ten Bernoulli waren dies Christian Müller aus Bern, Johannes Lavater aus Zürich und der Schaffhauser Carl Emil Ringk. Sie spiel- ten auch in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle in der Schweizer Pharmazie. // 3
Fakten und Zahlen teuren An Medikamenten 98 % verdient der Apotheker am wenigsten Der Verdienst des Apothekers aus dem Verkauf von Medikamenten setzt sich aus einem fixen Zuschlag je Packung und einem prozentualen preisbezo- der Apotheken die mit dem Qualitätsmanagement- genen Zuschlag zusammen. Dieser preisbezogene System ISO 9001 QMS Pharma arbeiten liefern Zuschlag sinkt ab einem Fabrikationspreis von 880 Höchstqualität. So lautet das Resultat von perio- Franken und entfällt bei Medikamenten, die mehr dischen Testkäufen durch Mystery Shoppers. als 2570 Franken kosten komplett. Eine Anpassung dieses Modells ist überfällig. 21 700 82,3 % der öffentlichen Apotheken in der Beschäftigte verdienen in der Schweiz ihren Lohn in der Apotheke. Schweiz sind dem Verband pharmaSuisse angeschlossen. Nicht nur billiger – aber auch nachhaltiger Seit 175 Jahren voraus Am 18. Oktober 1843 wurde der Schweizerische Die Jagd nach Rabatten wirkt nur kurzfristig kostensenkend. Nachhaltige Instrumente für echte Einsparungen sind höchste Qualität und Trans- Apothekerverein ins Leben gerufen mit dem Zweck, parenz, permanentes Optimieren des Kosten-Nutzen- das kollegiale Band und die Wissenschaftlichkeit Verhältnisses, konsequentes Vermeiden von zu fördern. Seither haben Apotheker mit viel Entde- Verschwendung, die interprofessionelle Betreuung ckergeist und offenem Herzen clevere Lösungen für von Chronischkranken sowie eine Verstärkung anstehende Herausforderungen im Gesundheits- der Patientenautonomie durch den Einsatz eines wesen gefunden. elektronischen Patientendossiers (EPD). weiss Die Apothekerin bei Medikamenten am besten Bescheid Apothekerinnen verfügen über ein umfassendes pharmazeutisches Fachwissen. Dieses erlangen sie durch das Studium, einer seit 2018 obligatorischen Weiterbildung zum Fachapotheker und die obligato rischen Fortbildungen. 340 181 Patientenkontakte finden jährlich in Schweizer Apotheken statt. Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 4
International anerkannt und vernetzt 19 Kantone bieten heute Impfungen in der Apotheke durch den Apotheker ohne Arztrezept an. Auf impfapotheke.ch sind Es erstaunt nicht, dass zum dritten Mal in Folge ein über 600 Apotheken registriert, die diese Dienstleistung Schweizer Apotheker die weltweite Apothekerorganisation anbieten. Fédération Internationale de Pharmacie FIP präsidiert. Denn die Schweizer Apothekerinnen und Apotheker gehen in vielen Bereichen voran: bei der Einführung von inter- professionelle Qualitätszirkeln, mit der Entwicklung eines möglichst preisunabhängigen, leistungsorientierten 1800 Abgeltungsmodells (LOA), mit Ausbildungen für Impfen oder die Diagnose und Behandlung häufiger Gesundheitsstö- rungen und Krankheiten. öffentliche Apotheken gibt es in der Schweiz Dem Verband sind rund 6300 Einzelmitglieder angeschlossen. 6300 51,2 % aller Medikamente in der Schweiz werden von Ärzten und Spitälern, über den Versandhandel und in Drogerien verkauft. Trotzdem bleibt die öffentliche Apotheke die wichtigste Säule der Medikamentenversorgung. Gesundheits- kosten senken Ziel des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) ist die bestmögliche Versorgung zu den tiefst möglichen Kosten – und nicht die billigste Möglichkeit. Nur mit den richtigen Anreizen können Gesundheitskosten gesenkt werden. Zum Beispiel mit Abgeltungsformen, Quantensprung in der medizinischen Grundversorgung die weder Mengenausweitungen noch Rationierun- gen finanziell interessant werden lassen. Dafür setzt Einfache Krankheiten gehören in die Apotheke und sich pharmaSuisse ein. nicht in den Spitalnotfall! Ärzte und Apotheker beraten seit dem Jahr 2016 im Rahmen einer Expertenkom- mission des Bundesamts für Gesundheit zusammen über eine vernünftige und patientensichere Aufgabenteilung in der akuten Medikation. Apotheker sind vernetzte Grundversorger, Garanten für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten, Gesundheitsförderer und auch Unternehmer, die Ausbildungs- und Arbeitsplätze garantieren. 5
Symbolik Das grüne Kreuz Seit dem Jahr 2007 enthält das Leuchtbild der Schweizer Apotheken drei Sinnbilder: das Kreuz, die Farbe Grün und eine stark stilisierte Schlange. Diese dreifache Symbolik beruht auf sehr alten Überlieferungen. Autor: Prof. Dr. François Ledermann Bereits in der Frühzeit war das Kreuz in vie- die Genfer Konvention von 1864, in An- Die Schlange ist ein gleichzeitig wohltuendes len Zivilisationen ein Sinnbild und ein deutung an die Schweizer Fahne, das und unheilvolles Symbol. Zum einen wird Kultgegenstand. Später wandelte es sich rote Kreuz wählte. In der Schweiz sie als Verkörperung des Übels an sich durch die Auferstehung Jesus Christi als wurde das Wahrzeichen der Apotheker angesehen: Man denke an Eva, die von ihr lateinisches oder Passionskreuz zu einem im Jahre 1963 auf Initiative des damaligen verlockt wurde, damit sie die Erbsünde christlichen Symbol für Frieden und E r- Präsidenten des SAV, André Bédat, auf begeht. Zum anderen ist die Schlange aber lösung, ewiges Leben und Gesundheit. So Bundesebene eingeführt und ersetzte in auch ein Bild der Gesundheit und der lassen es die Soutanen der Brüder des in der Mehrheit der Apotheken Firmenzeichen, Fruchtbarkeit, mit manchmal ebenfalls einer Rom im 16. Jahrhundert gegründeten Ordens die oft von der Industrie her kamen. phallischen Andeutung, und wird von vielen des Heiligen Camillus de Lellis erkennen. Mehr als vierzig Jahren später wählte phar- Zivilisationen verehrt. Die Symbolik der maSuisse das neue Leuchtbild. Schlange ist seit Jahrtausenden als Begleiter In der Folge wurde das Kreuz schon früh der Gesundheit und der pharmazeutischen auch für die Kennzeichnung von Apotheken Kunst präsent, allein oder mit anderen verwendet. Zuerst in der Farbe Rot, sinnbildlichen Zeichen wie dem Äskulapstab später allmählich in der Farbe Grün, da und der Schale von Hygiea. // Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 6
Wussten Sie, dass unser Sortiment mit über 100 000 Artikeln Ihnen alles bietet, was Sie für Ihre Apotheke benötigen? «Der Berufsstand Apotheker ist Galexis seit jeher wichtig. Was seit 90 Jahren gilt, gilt auch in Zukunft: Wir setzen uns für Sie ein – genau wie pharmaSuisse. Herzliche Gratulation!» Galexis AG Industriestrasse 2, Postfach, 4704 Niederbipp Christoph Amstutz, Leiter Galexis AG galexis.com Wussten Sie, dass sich PharmaFocus seit 17,5 Jahren für die unabhängige Apotheke einsetzt? «Wir gratulieren der zehnmal älteren pharmaSuisse zum Jubiläum und freuen uns auf die nächsten 175 Jahre gemeinsamen Engagements.» PharmaFocus AG Barcelonastrasse 14, 4142 Münchenstein Marco Lardi und Andreas Tschan, pharmafocus.ch Geschäftsführer und Apotheker 7
Achtung: Humor! Ich liebe meinen Beruf. Sooo viel Soll ich sie Kunden oder Patienten nennen? Die Apotheke hat einen grossen Wandel voll- zogen von einer Institution, die einzig Abwechslung ! Anweisungen von Ärzten ausführt, zu einem immer umfassenderen Dienstleistungs betrieb im Gesundheitswesen. Ein Kunde ist laut Duden jemand, der eine Ware kauft oder eine Dienstleistung in Anspruch nimmt. Ein Patient ist eine Person, die ärzt- lich behandelt wird. In der heutigen Apo- Unsere Rolle als bestzugängliche theke stimmt häufig beides. Und das hat Konfliktpotenzial, wie diese Beispiele zeigen. Medizinalpersonen bringt uns Apotheke- rinnen und Apotheker täglich in Kon- Der Spätkommer Kommt fünf Minuten vor Ladenschluss und takt mit einer Vielzahl an Persönlichkei- erwartet umfassende Beratung zu Kosmetik- artikeln. Oder er hat lange Rezepte, die ten. Hier eine (unvollständige) gleich eingelöst werden müssen (ausgestellt Typologie, die alle, die in einer Apotheke vorgestern). An schlechten Tagen kommt er auch, wenn man schon geschlossen hat, arbeiten, sicher wiedererkennen. und klopft dann an die Türe. Wenn der Laden- schluss nicht die Deadline ist, ist es der Bus Autorin: Pharmama – bloggt täglich aus der Apotheke oder der Zug, der demnächst abfährt. Der «Aber ich brauch das!»-Kunde Dieser Kunde antwortet, sobald du ihn mit der Tatsache konfrontierst, dass etwas nicht an Lager / nicht lieferbar / nicht existent ist, automatisch mit «aber ich brauch das!» und erwartet dann, dass das Gewünschte trotzdem auftaucht. Wenn nicht, wiederholt er seine Forderung einfach ein paar Mal. Vielleicht glaubt er, dass das gesuchte Produkt auf magische Weise trotzdem er- scheint, wenn er nur den richtigen Tonfall trifft? Der Nervösling Ein Blick ins Patientendossier zeigt, dass er bisher ausschliesslich Medikamente wie Stilnox, Xanax, Temesta und Co. bezogen hat – Beruhigungsmittel also mit Abhängig- Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 8
Video-Sketch-Show «Anek doten aus der Apotheke» Im Rahmen der Kampagne «Fragen Sie Ihren Apotheker» zeigt pharmaSuisse in etwas über- spitzten Video-Sketches den Alltag in Apotheken: Die rund ein- minütigen Filme erzählen komödi antische Anekdoten aus einer Apotheke – voller Vorurteile und Stereotypen. ihr-apotheker.ch/sketch-show keitspotenzial. Er hüpft praktisch von erwartet, dass du den Rest selbst heraus endet sie mit seiner gerade aktuellen Vision. einem Fuss auf den anderen, während er ein findest. Leider fehlte jedoch das Fach Es empfiehlt sich, ihm von Beginn weg weiteres «Notfallrezept» von einem wei- Gedankenlesen in meiner Ausbildung … nicht allzu sehr zu widersprechen, da an- teren Arzt abliefert. Und vorher hat er natür- sonsten die Visionen immer abstruser lich bereits versucht, das Gewünschte ohne Der «Aber bei xy»-Kunde werden («Aber was, wenn ich mich auf die Rezept bei uns zu erhalten. Er hat eine Frage, die aus medizinischen oder Blisterpackung setze und ein paar Tablet- gesetzlichen Gründen leider nur abschlägig ten herausgedrückt werden und mein Hund Der Bis-zum-letzten-Moment- beantwortet werden kann. Kaum hast du das sie findet und isst … ?»). Aufschieber geäussert, wirft er dir «aber bei xy geht das / Er gibt ein Rezept ab, das typisch ist für bekomme ich das» an den Kopf. Der Info-Shopper einen Besuch im Notfall des Spitals: Er kaut dir ein Ohr ab und will alles über ein Schmerzmittel, Antibiotikum (es kann aber Der selektiv Schwerhörige neues Produkt wissen. Mit diesen Informa auch ein Blutdruckmittel sein) – nur: Das Er stellt Fragen – im Normalfall intelligente tionen geht er anschliessend zum Discounter Rezept ist schon etwa drei Wochen alt. Dann und freundliche Fragen. Aber wenn du und kauft es dort. Neu gibt es diesen Kunden sagt er dir, dass er es gleich brauche und antwortest, unterbricht er dich, nur um die- auch in der Variante «Versand-Apotheke», dass du dich beeilen sollst – er muss nach- selben Fragen ein paar Minuten darauf der vor Bestellung noch bei dir vorbeikommt, her zum Arzt. Wahrscheinlich zur Nach wieder zu stellen. Hat ihm die Antwort nicht da «bei Ihnen die Beratung doch besser kontrolle. gefallen? ist»... Danke! Der Exhibitionist Der Idiot savant Die Mama Dieser Kundentyp ist oft älter, nutzt aber Er weiss nichts über das Produkt, das er «Ich hätte gern ein – nein, geh da weg! – jede Gelegenheit, um Haut zu zeigen. Dabei möchte – bis zu dem Moment, wo du ähm, ein Kleinkinder-Nasenspray – lass das spielt es keine Rolle, ob andere Kunden ihm etwas zeigst oder erklärst, dass es das da stehen! – nein, nicht anfassen! – zum mitbekommen, dass sie eine Pilzinfektion Gewünschte so nicht gibt. Dann ist er auf Donnerwetter, das nächste Mal bleibst du im unter dem Busen hat («Schauen Sie sich einmal Experte und sicher, dass das, Auto – ja, und haben Sie etwas gegen Hus- das an!» – T-Shirt hoch) oder er einen Pickel was du ihm zeigst, nicht das ist, was er woll- ten, das man auch Kleinkindern ... – ja, ich auf dem Hintern («Na, da!» – Hose runter). te, oder dass das gesuchte Produkt wirk- hab gesehen, dass da ein Bonbon ist – also Bevorzugt werden Opfer des jeweils anderen lich existiert. Kleinkindern geben kann? – warten Sie – Geschlechts, zur Not nimmt der Exhibitio- nein, du darfst nicht mein Portemonnaie nist aber alles, was grad da ist. Der Telefon-Shopper – nein, heb das auf! – hier, bitte schön, ja, er Er steht mit dem Telefon am Ohr an der Theke darf ein Traubenzucker haben, aber erst zum Die «Nur schnell eine Frage»-Person und erhält Instruktionen, was er kaufen soll. Nachtisch, bitte geben Sie es – nein, nicht Sie unterbricht ungeniert ein Beratungs Meist ist er männlich – am Telefon die Frau/ jetzt, lass das los, ich nehme das – danke.» gespräch, um eine Frage zu stellen. Und Freundin. Einfacher wäre es, uns zu fragen erzählt dann minutenlang irgendetwas, ohne (denn selbst vom Zuhören wissen wir eigent- Der Hypochonder sich unterbrechen zu lassen. Der aktuelle lich schon, was gewünscht ist), aber: Nein! Er hat bei einem Mückenstich sofort eine Kunde steht daneben und beginnt langsam tödliche Krankheit und kommt in die zu kochen. Der Spekulierer Apotheke, um langsam zu sterben. Bei Kopf- Er ist offenbar in der Lage, verschiedene schmerzen hat er einen Schlaganfall, Der Telepath Zeitlinien in der Zukunft zu sehen – und will bei Muskelkater im rechten Arm einen Herz- Er liefert einen Bruchteil der benötigten auf alle vorbereitet sein. Er startet viele infarkt. // Informationen zu dem, was er möchte, und Sätze mit: «Aber was, wenn … ?» – und be- 9
Projekte für Mitglieder Vorausschauende Lösungen des Dachverbands pharmaSuisse unterstützt seine Mitglieder mit vielen Produkten und Dienstleistun- gen sowie Weiter- und Fortbildungsangeboten: damit sie ihre Kundschaft direkt und kompetent zu Medikamenten sowie zu Gesund- heits- und Präventionsfragen beraten können. Autorin: Stephanie Balliana Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 10
«Vor dem Hintergrund von Hausarztmangel weise qualifizieren Apothekerinnen zur zinische Erstberatung. Das weckt auch und dem Kostenwachstum im Gesund Beratung von Ärzten in ihrer Verschreibungs- das Interesse der Krankenversicherer. Im heitswesen wird der einfache Zugang zur praxis oder zur pharmazeutischen Betreu- Jahr 2017 boten die ersten beiden Versi Gesundheitsberatung immer wichtiger», ung von Heimen und anderen Institutionen cherungen Modelle an, bei denen die Erstab- sagte Bundesrat Alain Berset an der pharma- des Gesundheitswesens. klärung eines medizinischen Problems in Suisse-Generalversammlung im Jahr 2015. der Apotheke erfolgen kann. Die Gesetzesrevisionen des Medizinal Grundstein Fortbildung " Abgabe der «Pille danach» durch Apothe- berufegesetzes 2015 und des Heilmittelge- Apothekerinnen sind wie alle Medizinalper- kerinnen: Die Kompetenzen der Apotheke setzes 2016 trugen dem Rechnung und sonen gesetzlich zur lebenslangen Fort rinnen werden besser genutzt und gleichzei- den Apothekerinnen eine weitaus wichtigere bildung verpflichtet. pharmaSuisse ist mit tig besser dokumentiert: Der Zugang Rolle in der medizinischen Grundversor- jährlich fast 200 Kursen eine wichtige zur «Pille danach» wird erleichtert, von einer gung der Bevölkerung zu. Dies war mitnich- Stütze der pharmazeutischen Fortbildungs- geschulten Medizinalperson begleitet und ten Zufall oder glückliche Fügung – landschaft. Sie bietet Fortbildungspro- schriftlich protokolliert. die Grundsteine für die neu zugesprochenen gramme, Präsenz- und Online-Schulungen Kompetenzen waren zum Zeitpunkt der sowie wissenschaftliche und fach- Grundsteine Fachwissen parlamentarischen Debatten längst gelegt. liche Grundlagen für das Selbststudium an. Um die Kompetenz der Apothekerinnen bei wissenschaftlichen Fragen erhalten und Medizinalberufegesetz bringt Heilmittelgesetz bringt neue ausbauen zu können, unterstützt sie Kompetenzerweiterung Handlungsfelder pharmaSuisse mit wissenschaftlichen Das revidierte Medizinalberufegesetz 2016 wird die Revision des Heilmittelgeset- Dienstleistungen, Werkzeugen und Produk- (MedBG) wird 2015 vom Parlament angenom- zes vom Parlament angenommen. In Zukunft ten im Alltag, sodass das ganze Apotheken- men. Es ist die Grundlage für die Kom können Patienten gewisse verschreibungs- team täglich Höchstleistungen für die petenzerweiterung der Apothekerinnen. So pflichtige Medikamente, für die es keine Patienten und Kunden erbringen kann. Bei- braucht es für die eigenverantwortliche ärztliche Diagnose braucht, ohne Rezept von spiele sind: Berufsausübung künftig ebenso wie bei den der Apothekerin persönlich beziehen. Die " evidisBasic: Das von pharmaSuisse entwi- Ärzten einen Weiterbildungstitel. Ausser- Patientensicherheit und die Behandlungs- ckelte elektronische Arzneimittel-Warn- dem sollen alle Apothekerinnen neu schon im qualität geniessen dabei erste Priorität. und Informationssystem zeigt beim Scannen Grundstudium die Grundlagen für die Apotheken dürfen auch in Zukunft Medika- eines Medikaments die wichtigsten Hinweise neuen Kompetenzen zum Impfen sowie für mente herstellen, beispielsweise spezielle an, auf die das Apothekenteam den Patien- die Diagnose und Behandlung häufiger Kinderdosierungen, bei Lieferunterbrüchen ten aufmerksam machen muss – ergänzt Gesundheitsstörungen und Krankheiten und im Falle einer Pandemie. Für die Er durch evidenzbasierte Zusatzinformationen erlangen. teilung einer kantonalen Bewilligung wird und Info-Flyer zum Mitgeben. neu ein Qualitätssicherungssystem voraus- " pharmaDigest®: Die Online-Datenbank Grundstein Ausbildung gesetzt. pharmaDigest® bietet Zugang zu über 700 für Dank der Unterstützung von pharmaSuisse die Apothekerin relevanten Fachbeiträgen – werden an den Universitäten Genf und Grundstein Qualitätsmanagementsystem lesefreundlich, übersichtlich, kurzgefasst. Basel Lehrstühle in klinischer und prakti- Bereits 1999 bietet pharmaSuisse den " Index Nominum: Die Online-Datenbank scher Pharmazie eingerichtet – diese Apotheken ein Qualitätsmanagementsystem Index Nominum liefert Informationen vermitteln bereits heute die neuen Kompe- an. Um den öffentlichen Qualitätsanfor zu Wirkstoffen und Medikamenten aus über tenzen. Die Universität Zürich folgt. derungen gerecht zu werden, lanciert 175 Ländern. pharmaSuisse 2015 das ISO-zertifizierte Grundsteine Weiterbildung «ISO 9001 QMS Pharma», im Jahr 2018 Grundstein Leistungsorientierte " Eidgenössische Weiterbildung: Die bereits mit über 500 Apotheken. Abgeltung (LOA) Schweiz ist das erste Land mit staatlich Seit der Einführung der LOA im Jahr 2001 anerkannten Weiterbildungsgängen in Grundsteine Anamnese und Triage wird die Apothekerin für ihre Leistung abge- Spital- und Offizinpharmazie (2013). Diese " netCare: Im Modell netCare, gestartet golten, unabhängig davon, wie viel das bereiten junge Apothekerinnen optimal im Jahr 2012, übernehmen speziell weiterge- abgegebene Medikament kostet. Dieses auf Herausforderungen wie beispielsweise bildete Apothekerinnen die medizinische System förderte neben der Beratungs- die Leitung einer Apotheke vor. Erstabklärung gemäss wissenschaftlich qualität und Sicherheit des Patienten auch " Fähigkeitsausweise: pharmaSuisse führt fundierten Flussdiagrammen und ziehen bei den Weg der Apothekerin zur Gesundheits- Fähigkeitsausweise ein, mit denen sich Bedarf mit dem Einverständnis des Kunden dienstleisterin. // ausgebildete Apothekerinnen für neue An- einen Mediziner bei. Keine Terminvereinba- forderungen, wie das Impfen in der Apotheke, rung, keine Wartezeiten, keine hohen Kosten qualifizieren können. Andere Fähigkeitsaus- – dafür eine schnelle und kompetente medi- 11
Die Präsidenten der vergangenen 36 Jahre im Interview Rückblick und Ausblick Die Kräfte landesweit bündeln und den Apotheker in die berufliche Selbst ständigkeit führen: So lautete das Ziel von Ernst Theodor Hübschmann, als er Sie alle haben dazu beigetragen, dass die Dachorganisation für eine professionelle und 1843 zur Gründungssitzung des Schwei- vernetzte Apothekerschaft in der Schweiz zerischen Apothekervereins einlud. heute das ist, was sie ist: Ein Verband mit motivierten Mitgliedern, die einen Mehrwert Seither h aben 39 Männer den Verband für das Gesundheitswesen und somit für die Bevölkerung und die Patienten schaffen. präsidiert und sich den Herausforde rungen ihrer Zeit gestellt. Die Präsidenten der letzten vier Jahrzehnte blicken zurück und erzählen uns von den Herausforderungen, die sie während ihrer Präsidialzeit gemeistert haben, und den M eilensteinen, die sie erreicht haben. Fabian Vaucher, der derzeitige Präsident, berichtet darüber, was den Ver- band heute und morgen beschäftigt. Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 12
Dr. Giorgio Antognini, Präsident 1982–1984 Dr. Giorgio Antognini Welche Themen haben Sie während Ihrer Was hat sich während Ihrer Zeit als Was hat sich im Umfeld verändert? Präsidentschaft am meisten beschäf- Präsident im fachlichen Bereich für Apothe- Welche Herausforderungen hat dies an tigt? Welches waren die Schwerpunkte Ihrer kerinnen und Apotheker verändert? den Apotheker gestellt? Tätigkeit? Die Markteinführung von Generika wurde In den Offizinen wurden die ersten, sehr Eine Initiative der Pharmaindustrie, die den weder von der Pharmaindustrie noch einfachen Computer eingeführt. Es war der Arzneimittelhandel in einer für unseren von den Apothekern begrüsst. Dennoch Anfang einer neuen Ära, die auf die Tätig- Beruf und unsere Grossisten sehr gefährli- wurde vom Schweizerischen Apothekerver- keit des Berufstandes sowohl in wirtschaft chen Weise ändern wollte, musste in enger band (SAV) eine erste Generikaliste zu licher (Verwaltung) als auch in wissen Zusammenarbeit mit den damals vier apo- sammengestellt und 1987 in der SAZ (heute schaftlicher (Information) Hinsicht entschei- thekereigenen Pharmagrossisten bekämpft pharmaJournal) publiziert. Sie wurde danach dende Auswirkungen hatte und bis werden. Dazu waren lange, harte, für uns zwei Mal jährlich (immer nach Erscheinen heute hat. aber letztlich erfolgreiche Verhandlungen der neuen Ausgabe der amtlichen Spezialitä- nötig (Gerzensee-Treffen). 1987 trat schliess- tenliste SL) auf den neusten Stand ge- Was war für Sie sonst noch wichtig? lich eine neue Marktordnung (NMO) in bracht und erst in den 90er-Jahren vom Bun- Eine klare, wissenschaftlich fundierte A b- Kraft, welche die Vertriebsbedingungen und desamt für Sozialversicherungen übernom- grenzung der Abgabekompetenzen und Handelsmargen in einer für die damalige men, erweitert und mit der SL veröffentlicht. Beratungsaufgaben im Arzneimittelbereich Zeit befriedigenden Weise regelte. 1983 fand Die Drogenszene gab zu zahlreichen Dis war und ist nach meinem Dafürhalten der 43. FIP-Kongress in Montreux statt. kussionen Anlass. Dabei ging es um die allzu stark von politischen Einflüssen und 1984 wurde ein neuer Arzneilieferungsvertrag Abgabe von Ersatzdrogen und Einmalsprit- wirtschaftlichen Interessen beeinflusst mit den Krankenkassen in Kraft gesetzt, zen an Drogenabhängige. bzw. wird durch diese sogar verunmöglicht. // der insbesondere die Wiederholung ärzt licher Rezepte durch den Apotheker regelte. Erstmals äusserte sich das Bundesgericht zum Thema der ärztlichen Selbstdispen sation (SD). Die von uns mit grösster Sorgfalt erarbeitete Dokumentation führte 1985 zu einem grundlegenden Urteil, wonach eine Einschränkung der SD keinen Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit darstellt. 13
Dr. Hermann Ambühl Welche Themen haben Sie während Ihrer nen sowie die Rationalisierung im admi Präsidentschaft am meisten beschäf- nistrativen Bereich führten zum raschen tigt? Welches waren die Schwerpunkte Ihrer Ausbau der EDV mit apothekenspezifischen Tätigkeit? Programmen. Hauptanliegen war ein zeitgemässes Berufsbild des Apothekers als Fachmann des Was hat sich im Umfeld verändert? Arzneimittels, damit er Patient und Arzt Welche Herausforderungen hat dies an kompetent informieren, beraten und seine den Apotheker gestellt? Dienste der Öffentlichkeit für eine ver Die zunehmend kritische Einstellung vieler besserte Gesundheitsvorsorge und Selbst- Kunden und Patientinnen gegenüber medikation zur Verfügung stellen kann. «chemischen» Medikamenten begünstigte In den Jahren 1988–1991 reorganisierten wir den Trend zu alternativen Heilmethoden. die Geschäftsstelle und bauten u. a. Durch die Werbung der Hersteller für rezept- die Abteilungen «Wissenschaft» und «Politik freie Medikamente wurde das Medikament und Wirtschaft» auf. 1989 zog die Geschäfts- für viele Anwender immer mehr zum ge stelle nach Bern-Liebefeld um, was eine wöhnlichen Konsumgut, was in der Selbst- Konzentration der finanziellen, personellen medikation ohne pharmazeutische Beratung und materiellen Mittel ermöglichte. die Arzneimittelsicherheit gefährdet. Der Wichtig waren auch die vermehrte Öffent zunehmende Kostendruck im Gesundheits- lichkeitsarbeit (z. B. mit Medienkonferenzen wesen erschwert den Dialog und konstruk- und Vorsorgeaktionen) und intensivere tive Lösungen unter den Leistungserbringern Kontakte mit den Partnern und Konkurrenten (Arzt, Apotheker) und mit den Krankenver im Bereich der Arzneimittelabgabe sowie sicherungen. mit der Industrie und den Grossisten. Dabei galt für mich immer das Motto: Hart Was war für Sie sonst noch wichtig? näckigkeit im Grundsätzlichen, Flexibilität im Das Gerangel um die Schliessung des Detail. Pharmazeutischen Instituts Bern; Nicht zu vergessen ist die enge Zusammen- die fehlende Zeit für vermehrte Kontakte arbeit in der Arbeitsgemeinschaft für mit den eidgenössischen Parlamenta- Pharmazeutische Information (API) mit riern; der Aufwand, die Geduld und die Zeit, Deutschland und Österreich. Daraus welche eine Studienreform erfordert; resultierten verschiedene Publikationen wie schliesslich zahlreiche Fragen im Zusam- die Arzneistoffprofile oder ein Interaktionen- menhang mit den Auswirkungen des Kompendium. europäischen Binnenmarkts, insbesondere Zu erwähnen sind schliesslich auch grosse durch die Freizügigkeit des Personen- externe und interne Kämpfe für die und Warenverkehrs. // Durchsetzung der neuen Marktordnung und die Revision des Heilmittelkonkordates mit Bereinigung der IKS-Listen C und D. Was hat sich während Ihrer Zeit als Präsident im fachlichen Bereich für Apothe- kerinnen und Apotheker verändert? Das immer stärkere Informationsbedürfnis der Apotheker über die zahlreichen neuen Arzneistoffe und neuen Indikatio- Dr. Hermann Ambühl, Präsident 1985–1991 Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 14
Dr. Max D. Brentano, Präsident 1992–2002 Dr. Max D. Brentano Welche Themen haben Sie während Ihrer Präsidentschaft am meisten beschäf- tigt? Welches waren die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit? Meine Vision war eine klare Neuorientie- rung unseres Berufes als wesentlicher Leistungserbringer als Medizinalperson im schweizerischen Gesundheitswesen. Ich konkretisierte die angestrebten Ziele in «25 Thesen zum Apothekerberuf». Diese blieben bis zum Ende meines Mandates und darüber hinaus Leitlinien für die Verbands tätigkeit. Neu zu gestalten waren die Bereiche Bildung, Vernetzung im Gesund- heitswesen, Leistungsabgeltung als Dienst- leister und Abkehr vom System des Detailhandels (Handelsmarge), Einführung und Abgeltung weiterer erbrachter Dienst- leistungen durch Apothekerinnen sowie erste Zusatzleistungen der Apotheken ein- Anpassung an die Forderungen zum freien geführt werden. Notwendig und einge- Wettbewerb (Kartellrecht). führt wurden auch eine systematische Über- Durch meine Tätigkeit als aktiver Politiker prüfung der Qualität (QMS). und Aargauer Grossrat hatte ich zu Kollegin- nen und Kollegen, die später in den Was hat sich im Umfeld verändert? Nationalrat gewählt wurden, einen privile- Welche Herausforderungen hat dies an gierten Zugang und konnte Anliegen den Apotheker gestellt? direkt vorbringen. Dies war umso wichtiger, Die Herausforderungen sind gewachsen. als während meiner Amtszeit das Kranken- Daher wurde die Ausbildung angepasst, die versicherungsgesetz und das Heilmittel Weiter- und Fortbildung zwingend, die gesetz revidiert und das Medizinalberufe Qualitätssicherung standardisiert und die gesetz vorbereitet wurden. Apothekerleistungen mussten dem Publikum transparent erklärt werden. Wenn ich Was hat sich während Ihrer Zeit als heute in die Landschaft schaue, darf ich Präsident im fachlichen Bereich für Apothe- feststellen, dass unsere damaligen Visionen kerinnen und Apotheker verändert? weitgehend realisiert und weiterentwickelt Die umfassendste Veränderung für die Tätig- werden. keit des Apothekers war die Entwicklung und die Einführung der Leistungsorientierten Was war für Sie sonst noch wichtig? Abgeltung (LOA). Der Druck auf die Margen Es war nicht etwas Einzelnes wichtig, son- war enorm und man wusste, dass das dern das Ganze. Es waren das Team, kommende Kartellgesetz die private Margen der Vorstand, Delegierte, Mitarbeiter und ordnung verbieten wird. Zur sicheren Befreundete, die zum Erfolg beigetragen Prognose der Wirkung auf den Ertrag brauch- haben. Ich danke allen nicht zuletzt für ten wir konkrete Zahlen, die wir zusammen die Freundschaft, die über meine Amtszeit mit der OFAC auf der Rollenden Kostenstudie hinaus geblieben ist! // (ROKA SAV) immer präziser erfassten. Mit dem neuen System einhergehend konnten 15
Dominique Jordan, Präsident 2003–2014 Dominique Jordan Welche Themen haben Sie in der Zeit allem, was dies an Investitionen und An Ihrer Präsidentschaft am meisten beschäf- passungsfähigkeiten für den Beruf mit sich tigt? Welches waren die Schwerpunkte bringt. Ihrer Tätigkeit, Ihre Herausforderungen und Erfolge? Was hat sich im gesellschaftlichen, poli Die Strategie fokussierte sich auf die Stär- tischen, wirtschaftlichen Umfeld ver- kung der Rolle des Apothekers als An ändert? Welche Herausforderungen hat dies gehöriger eines medizinischen Berufs und an den Apotheker gestellt? Erbringer von Dienstleistungen, für die er Die Kostensteigerungen im Gesundheits bezahlt wird. Wir stellten den Apothekern wesen, die staatlichen Eingriffe in die Schritt für Schritt die benötigten Werkzeuge Gewinnspannen, das Aufstreben der Apothe- zur Verfügung, damit sie zum wichtigen kenketten und der auf Rabatte ausgerichtete Akteur unseres Gesundheitssystems werden Postversand, die alternde Bevölkerung konnten. Die Weiterentwicklung der LOA, die sowie die Erwartungen der Politik und der Reform des Pharmaziestudiums (Bologna- Bevölkerung haben die Apotheker ge Prozess) mit der Erweiterung des Studien- zwungen, pragmatische Lösungen vorzu- gangs um die klinische und praktische schlagen. Innovativ sein, weiterkämpfen, Pharmazie, die vom Bundesrat anerkannten ohne den Mut zu verlieren, und an der Fachapothekertitel, die Veränderung der Umsetzung von Lösungen arbeiten, scheint Bundesgesetze, die Entwicklung des Quali- eine ständige Herausforderung für den tätssystems mit unseren französischen Beruf zu sein! Kollegen, die Erstellung von wissenschaft lichen Datenbanken, die Gründung von Was war für Sie sonst noch wichtig? Axapharm, die Impfung, netCare und die Die Bewahrung des Zusammenhalts inner- verschiedenen Präventionskampagnen halb des Berufstands, die mit der Entstehung sind nur einige von vielen Errungenschaften: unterschiedlicher Interessengruppen Sie alle sind für die Schweizer Apotheker schwieriger geworden ist, sowie das Unter- zum Erfolg geworden. halten guter Beziehungen zu Politik, Be hörden und anderen Akteuren des Gesund- Was hat sich während Ihrer Zeit als heitswesens waren der Schlüssel für die Präsident im fachlichen Bereich für den erzielten Erfolge. Ausserdem war es mir Apotheker verändert? besonders wichtig, für ein gutes Arbeitsklima Der durch die LOA eingeführte Paradigmen- auf der Geschäftsstelle zu sorgen und die wechsel sowie neue Präventionsdienst Arbeit und die Kompetenzen der Mitarbeiten- leistungen für akute und chronisch kranke den gebührend anzuerkennen. Ohne sie Kunden veränderten den Beruf. Er ent hätte ich meine hochgesteckten Ziele nie wickelte sich von einer produktzentrierten zu erreicht. // einer patientenzentrierten Tätigkeit – mit Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 16
Fabian Vaucher Welche Themen beschäftigen Sie während Was verändert sich im gesellschaftlichen, Ihrer Präsidentschaft am meisten? politischen, wirtschaftlichen Umfeld? Welches sind aktuell die Schwerpunkte Ihrer Was sind die aktuellen Herausforderungen? Tätigkeit? Gesellschaftlich ist es unser Konsumver Die Positionierung der Apotheke in der halten. Wir wollen alles, Gesundheit Öffentlichkeit ist matchentscheidend: Bei und Lifestyle per Knopfdruck – schnell, allen gesundheitlichen Fragen soll sie günstig und am liebsten 175 Jahre lang. die erste Anlaufstelle sein. Dank Gesetzes Die Politik ist gefordert, die damit einherge- revisionen wird das Wissen und Können hende Frage der Finanzierung in den von uns Apothekern nun endlich umfassen- Griff zu bekommen. Die steigenden Kranken- der genutzt. Wir helfen, die medizinische kassenprämien sind Thema Nummer eins Grundversorgung sicherzustellen, garantie- aller Parteien. Senkung des Vertriebsanteils ren den Patienten eine optimale Medikation und Billigstprinzip sind Schnellschüsse und bieten zielgerichtete Präventionsdienst- aus der politischen Ecke, denen wir Paroli leistungen an. Der Kunde steht im Fokus – bieten müssen. Denn die Apotheker sind nur was ihm nützt, bleibt gefragt. Das adap- in der Kostenspirale die Good Guys: Wir tieren wir als Verband auch auf unsere entlasten Notfallpforten und Hausärzte, wir Mitglieder: Wo bieten wir spürbaren Mehr- fördern die Befähigung der Bevölkerung wert, Hand in Hand mit den Kantonalver bei der Selbstmedikation und wir unterstüt- bänden und den wachsenden Gruppierungen zen die Gesundheit mit Präventionsdienst- und Ketten? leistungen. Apotheken verursachen weni- ger als 3,5 Prozent der Prämienkosten Was verändert sich aktuell im fachlichen und haben seit 2001 gut eine Milliarde Fran- Bereich für Apothekerinnen und Apotheker? ken zugunsten der Prämienzahler eingespart. Mit der Revision des MedBG trat das Weiterbildungsobligatorium Anfang 2018 in Was ist für Sie sonst noch wichtig? Kraft, eine gute Sache – administrativ Die digitale Transformation: Ich sehe die eine Riesenkiste. Fest steht: Die Aus-, Fort- Entwicklung als Herausforderung – und vor und Weiterbildung ist für jeden Apotheker allem als Chance. Die Apotheke der Zu- eine lebenslange Aufgabe. Nebst den fach kunft fungiert zunehmend als menschlicher lichen Skills muss der Apotheker heute Connector sowie als Übersetzerin von auch in der Kundenkommunikation fit sein medizinischen und digitalisierten Inhalten. und bei der Digitalisierung die Nase im Wind Unser Wissen hilft den Menschen auch in haben. Zukunft. Jeder will gesund bleiben, und kranke Menschen möchten eine möglichst hohe Lebensqualität. Gerade in der digita lisierten Welt ist die persönliche und kompe- tente Betreuung und Begleitung nach wie vor sehr gefragt. Sicherheit und Vertrauen, das will der Kunde, und beides bieten wir ihm – sei es digital oder stationär. // Fabian Vaucher, amtierender Präsident seit 2015 17
Vom Händler zum Dienstleister im Gesundheitswesen Die Leistungsorien- tierte Abgeltung (LOA): ein Meilenstein Dank der Leistungsorientierten Abgeltung (LOA) haben die Apotheken dem Gesundheitswesen seit 2001 gut eine Milliarde Franken eingespart. Ihre Einfüh- rung war ein Meilenstein in der Geschichte des Berufs- stands. Wir blicken mit drei Beteiligten zurück. Interview: Richard Pfister Seit 2001 erhalten Apothekerinnen Franken eingespart; weitere 80 Millionen und Apotheker ihre Leistungen bei der Ab- Franken pro Jahr haben die Apotheken gabe eines rezept- und kassenpflichti- im Zuge von gesetzlichen Preissenkungen zur gen Medikaments immer gleich abgegolten Kostenstabilisierung beigetragen. – weitgehend unabhängig vom Preis Die LOA hat in der Branche den grössten des Medikaments. Grundlage dafür bildet Wandel der letzten 25 Jahre ausgelöst. die Leistungsorientierte Abgeltung (LOA), Sie ist inzwischen eine Erfolgsgeschichte, die pharmaSuisse gemeinsam mit den für die sich auch andere Länder interes Versicherern ausgehandelt hat. Dank diesem sieren. Ihre Entwicklung und Einführung ist Abgeltungssystem haben die Prämienzah- das Produkt einer engen Zusammenar- ler und damit das schweizerische Gesund- beit von zahlreichen Personen. Ihnen allen heitswesen bis 2017 rund eine Milliarde gebührt Dank für das Geleistete – nament- lich den früheren pharmaSuisse-Präsidenten Dr. Max D. Brentano und Dominique Jordan. Mit drei der Beteiligten, die die Entwick- lung massgeblich mitgestaltet haben, blicken wir im Gespräch zurück. Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 18
Lucie Trevisan, Apothekerin Langjährige Präsidentin des Baselstädtischen Apothekerverbandes und Delegierte von pharmaSuisse; Mitglied der Verhandlungsdelegation von pharmaSuisse für Verträge mit den Krankenversicherungen. Wie wurden Apothekerleistungen abge- einem proportionalen Verhältnis steht zum gegenüber unseren Patienten und der Öffent- golten, bevor es die LOA gab? Preis des Medikaments. Im Gegenteil: lichkeit. Wir mussten erstens erklären, dass Vor der LOA galt im Arzneimittelmarkt Ein günstiges Medikament mit vielen Neben- die LOA nur für rezeptpflichtige Medikamente eine privatrechtliche Margenordnung, an die und Wechselwirkungen – wie zum Beispiel galt, die von der Grundversicherung über- sich alle halten mussten. Die Apotheken Aspirin – erfordert vertiefte Abklärungen und nommen werden, und zweitens, dass in die- erhielten eine fixe Marge in Form eines Pro- intensivere Beratung als etwa ein teures sem Bereich grosse Einsparungen für das zentsatzes vom Verkaufspreis. Damit waren Bluthochdruck-Medikament für eine gut Gesundheitswesen erwartet wurden. sämtliche Dienstleistungen abgegolten. eingestellte Dauertherapie. Da entstand die Zudem musste eine komplexe Software ent- Idee: Wir sollten unsere Dienstleistung wickelt werden, mit der die Apotheken Weshalb hat man das damalige System unabhängig vom Medikamentenpreis bezahlt zugleich Patientendossiers führen, standar- durch die LOA ersetzt? bekommen. Dieser Ansatz war auch für disierte Kontrollen von Neben- und Ein wichtiger Treiber war die fortschreitende die Krankenversicherer interessant. Denn sie Wechselwirkungen durchführen und die Teuerung. Es kamen laufend neue und sahen: Wenn unsere Abgeltung immer gleich Medikamente nach LOA an die Kranken teurere Arzneimittel für neue Therapien auf hoch ist, fällt der Anreiz weg, dem Patienten versicherer verrechnen konnten. Das war die den Markt, die ältere ersetzen sollten. grosse und teure Packungen abzugeben. zweite grosse Herausforderung. Das führte zu Kostensteigerungen zulasten Davon erhofften sie sich eine Kostensenkung, der Krankenversicherungen, die ihrerseits vor allem im oberen Preissegment. So kam Was würden Sie rückblickend heute anders unter Prämiendruck standen. Daraus er- es schliesslich zur LOA. machen? wuchs ein enormer Druck auf die Margen der Ich wünschte, wir hätten bei der Umstellung Apotheken. Gemeinsam mit den Versiche- Wie hat die Apothekerschaft auf diese auf die LOA mehr Kräfte für die Kommu rern suchten wir einen Weg, um aus dieser Verhandlungen reagiert? nikation eingesetzt. Viele Schwierigkeiten Preisspirale herauszufinden. Aber weder die Die Entwicklung der LOA war eine Pioniertat. hätten so vermieden werden können. // Öffentlichkeit noch unsere Partner im Die Logik des Modells leuchtete ein. Aber alle Gesundheitswesen waren sich bewusst, kannten bis dahin nur die Marge – und nie- welche pharmazeutischen Leistungen mand konnte uns eine Garantie geben, dass bislang mit der Marge abgegolten wurden. das neue Modell funktionieren würde. Es gab Es gab nirgends ein Dokument, in dem denn auch durchaus Existenzängste. Der dies im Detail festgehalten war. Dann stellten Systemwechsel erforderte ein grosses Ver- wir fest, dass unser Aufwand oft nicht in trauen in unsere Leistungen und Mut zum Aufbruch. Gab es Schwierigkeiten bei der Einführung der LOA? Die grösste Herausforderung war die Kom- munikation des Systemwechsels. Die neue separate Abgeltung der Leistungen verursachte grossen Erklärungsbedarf 19
Wie haben Sie die Einführung der LOA in für 7.30 Franken mit dem Apotheker-Zu- der Apotheke erlebt? schlag von 4.30 Franken auf einen Schlag um Offen gesagt: als Hauruck-Aktion. Die LOA mehr als 50 Prozent verteuerte. Denn ist eine ausgezeichnete Sache, aber bei der das bezahlen viele Kunden direkt. So lag das Einführung fehlte die Zeit für eine gute «schlechte Ende» immer bei uns, während Kundenkommunikation. Wir Apotheker haben das «gute Ende» – unser Beitrag zur Kos gesagt: Wir wollen nicht länger von den tenstabilisierung – für den Kunden gar nicht Preiserhöhungen bei den Medikamenten erlebbar war. profitieren, sondern für unsere Dienstleis- tungen mit einer Art «flat rate» entschädigt Wie sind Sie der Kritik begegnet? werden. Vom Konzept her machte das Sinn. Wichtig ist, dass man dazu steht: Ja, es ist Balthasar Schmid, Apotheker Freilich wussten wir dabei im Hinterkopf ein integraler Bestandteil des Medikamen- Ehemaliger Delegierter pharmaSuisse und auch, dass die Preise in Zukunft nicht mehr tenpreises. Sehr hilfreich war eine Broschüre ehemaliger Präsident Apothekerverein steigen, sondern sinken würden. Das hat des «Beobachter», in der die LOA mit des Kantons Luzern, Mitglied der Verhand- sich später auch bewahrheitet, und dank der den beiden Pauschalen für den Medikamen- lungsdelegation LOA. preisunabhängigen Abgeltung sind unsere ten-Check und den Bezugs-Check auf Entschädigungen trotzdem auf einem einfache Weise erklärt wird. Denn das war stabilen Niveau geblieben. Aber dass wir mit eine unabhängige und deshalb glaubwür- dem Verzicht auf die Marge als erste dige Quelle. Diese Broschüre haben wir sehr Gesundheitsdienstleister überhaupt einen oft abgegeben. Zentral scheint mir, wie beträchtlichen Beitrag zur Kostenstabili- wir die Preise kommunizieren. Wir nennen sierung geleistet haben: Das wurde damals dem Barzahler stets den Preis inklu- – und wird eigentlich bis heute – nicht sive Check, geben den Kassabon mit und ausreichend kommuniziert. erläutern bei Bedarf. Wie haben denn die Kunden damals reagiert? Und heute: Verstehen die Kunden die LOA? Es war das erste Mal, dass ich unzufriedene Finden sie sie gut? Kundinnen und Kunden erlebte. Das war alles Sie akzeptieren sie. Gut findet sie eigentlich andere als angenehm. Dabei half uns nur, wer empfänglich ist für den Solida auch das Argument wenig, dass teure Medi- ritätsgedanken, der den Pauschalen ja im kamente dank der LOA billiger würden. Kern zugrunde liegt. Und wer erkennt, Obwohl dies ja tatsächlich der Fall war: Ein dass die LOA nicht nur existenziell ist für die Medikament von 200 Franken kostete neu Apotheken, sondern auch Nutzen schafft nur noch 100 oder 120 Franken plus eben die für Kunden und Krankenkassen. // neue Apotheker-Pauschale. Das hat aber niemanden interessiert, denn die teuren Medikamente bezahlen ja die Krankenkas- sen. Hingegen konnten alle sehen, dass sich das vom Zahnarzt verschriebene Ponstan Die Leistungsorientierte Abgeltung Als «Leistungsorientierte Abgeltung» (LOA) unabhängig von der Höhe des Medika " Beim Bezugs-Check stellt die Apothekerin wird das Tarifsystem bezeichnet, mit dem mentenpreises separat tarifiert. Die wich- oder der Apotheker sicher, dass die ver- Apothekerleistungen im Zusammenhang tigsten Leistungen sind in zwei Paketen schriebenen Medikamente zu den anderen mit rezeptpflichtigen Medikamenten ab gebündelt: dem Medikamenten-Check und vom Patienten eingenommenen Medika- gegolten werden. Sie wird in einem Tarifver- dem Bezugs-Check: menten passen. Dazu gehört das Führen trag zwischen Krankenversicherern und " Der Medikamenten-Check fasst Leistun- eines Patientendossiers, in dem die Medika- pharmaSuisse geregelt, der vom Bundesrat gen zusammen, die sich auf ein einzel- mente erfasst werden. Dafür wird ein Tarif genehmigt wird. Ein ähnlicher Tarifvertrag nes Medikament beziehen: Überprüfung des von 3.25 Franken pro Arzt und pro Tag besteht auch zwischen pharmaSuisse und Rezepts, Abklärung allfälliger Risiken sowie verrechnet, unabhängig von der Anzahl den Versicherern in den Bereichen Unfall-, Neben- und Wechselwirkungen, wirtschaft- Packungen und Rezepten. Militär- und Invalidenversicherung. lich optimale Wahl der Packungsgrösse, Die LOA wurde per 1. Juli 2001 eingeführt Beratung zu Dosierung und Therapiedauer, Seit ihrer Einführung hat die LOA mehrere und löste im Bereich der rezeptpflichtigen allenfalls Rücksprache mit dem Arzt usw. Revisionen durchlaufen (LOA I, II, III und IV). und von der Grundversicherung gedeckten Es gilt ein pauschaler Tarif von 4.30 Franken Gegenwärtig sind Verhandlungen über Medikamente die bis dahin geltende pro verordnetes Medikament, unabhängig eine weitere Revision im Gang (LOA V). Sie privatrechtliche Margenordnung ab. Seither von der Anzahl Packungen. sollen bis Ende 2019 (in Kraft voraussicht- werden die Fachleistungen des Apothekers lich 1.1.2021) abgeschlossen werden. Schweizerischer Apothekerverband 175 Jahre 20
Warum war die Einführung der Leistungs dieser Kombination unsere Stärke liegt. orientierten Abgeltung (LOA) seinerzeit so Folgerichtig differenzierte sein Konzept nach wichtig für den Apothekerberuf? Vertriebsleistungen und medizinischen Dank der LOA gelang es, den Apothekerberuf Leistungen. Erstere sollten durch Anteile am neu als Leistungserbringer im Gesundheits- Preis oder mengenbezogene Ansätze, wesen zu positionieren und seine Zukunft zu die Letzteren hingegen durch preis- und sichern. Ohne LOA würde es den Apotheker mengenunabhängige Leistungstarife heute wohl nur noch im Museum geben. Denn abgegolten werden. vorher wurden Apotheker vor allem als Politischer Schub entstand dann durch die Händler von Arzneimitteln angesehen – KVG-Revision, bei der dem Apotheker ein und als solche gerieten sie von allen Seiten Substitutionsrecht zugestanden wurde: Er Marcel Mesnil, Apotheker zunehmend unter Druck. Öffentlichkeit und sollte anstelle des vom Arzt verschriebenen Generalsekretär pharmaSuisse Politik drängten auf eine Eindämmung Medikaments ein Generikum abgeben dür- des Kostenwachstums; da die Apotheken fen. Damit wurde ihm erstmals eine Ent- dank der prozentualen Handelsmarge scheidungskompetenz zuerkannt. Das fand automatisch von Preissteigerungen profitier- sofort Unterstützung im Parlament, und ten, wurden sie von Gesundheitspolitikern plötzlich waren die Apotheken nicht mehr sozusagen als «Feind» betrachtet. Waren sie Feinde, sondern Verbündete im Kampf gegen als Vertriebskanal denn etwa nicht ersetz- das Kostenwachstum. Tatsächlich wurden bar, zum Beispiel durch selbstdispensie- mit der LOA bis heute Mehrkosten von über rende Ärzte, Versandhändler, Grossverteiler? 1 Milliarde Franken vermieden. Sie trafen ja keine Entscheidungen, son- dern führten lediglich aus, was der Arzt Wie hat sich der Apothekerberuf seither verschrieb – «akademische Schubladenzie- weiterentwickelt? her» wurden sie auch genannt. Wozu Die LOA hat einen tiefgreifenden Wandel brauchte es ein akademisches Studium? eingeleitet. Heute wird anerkannt, dass Apo- Kurz: Als Folge der Margenordnung besassen theken wesentlich zu einer besseren die Apotheker keine Glaubwürdigkeit als Behandlungsqualität beitragen können. Sie Dienstleister und hatten politisch keine erhalten auch neue Kompetenzen und Verbündeten. Deshalb wuchs ihr Wille, sich werden als Eckpfeiler der medizinischen davon zu lösen. Dann kam 1996 – es war Grundversorgung angesehen. die grosse Zeit der Liberalisierungen – noch das Kartellgesetz hinzu, das Margenord Gegenwärtig sind Verhandlungen für die nungen wie diejenige im Arzneimittelmarkt nächste Revisionsrunde im Gang (LOA V). sogar verbot. Worum geht es dabei? Hauptsächlich muss die Abhängigkeit von Die LOA wurde dann aber erst 2001 Preisen und Mengen weiter reduziert werden. eingeführt. Welche Schwierigkeiten mussten Beispielsweise bilden die Vertriebsanteile überwunden werden? noch immer die grösste Ertragsquelle Tatsächlich haben die Apotheker bereits der Apotheken, während Aufwand und Um- 1992 die ersten Weichen gestellt, als fang von erbrachten Fachleistungen mit die Generalversammlung von pharmaSuisse grossem gesellschaftlichem Mehrwert den Grundsatz beschloss, eine preis- und steigen. Gelingt es, diese Fehlentwicklung mengenunabhängige Vergütung der Dienst- der Ertragsquellen zu korrigieren, steht dem leistungen anzustreben. Aber um das zu Apothekerberuf eine spannende Zukunft erreichen, brauchte es Vieles: unter anderem bevor. // eine allgemein anerkannte Definition und Quantifizierung unserer Leistungen, eine Reform der Aus- und Weiterbildung, gesetz liche Grundlagen und Tarifverhandlungen. Die Bildungsreform nahmen wir als Verband selbst an die Hand. Mit der Entwicklung eines leistungsbezogenen Abgeltungsmo- dells haben wir Professor Bernd Schips von der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) beauftragt. Sein Bericht kam 1995 zu dem Schluss, dass Apotheker weder aus- schliesslich Produktvermittler noch aus- schliesslich medizinische Leistungserbringer sind, sondern beides – und dass gerade in 21
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