Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019

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Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
2. Quartal 2019; ISSN 1435-4098; Einzelpreis: € 5,–

aktuell                                                2|2019
                                                         Ausgabe 121

Wald heilt. Natürlich!

Das Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
im Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan
Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Inhalt

              		 Wald und Gesundheit                                                                   		 Wald & Mehr
                6 Wälder in der Therapie                                                               37 Schwammspinner-Massenvermehrung
              		 Lena Friedmann, Anika Gaggermeier und Michael Suda
                                                                                                       		 in Franken
                                                                                                       		 Hannes Lemme, Gabriela Lobinger und Stefan Müller-Kroehling
                11 Gesundheitswälder – Thema für Bayern?
              		 Anne Stöger und Roland Schreiber
                                                                                                       44 Testbetriebsnetz Forst:
               15 Green Care WALD Österreich                                                           		 Mitmachen und (alle) gewinnen
              		 Franziska Krainer                                                                     		 Friedrich Wühr

               21 »Wald und Gesundheit« –                                                              48 Privatwaldbewirtschaftung
                                                                                                       		 Holger Hastreiter
              		 ein Thema für die Waldpädagogik
              		 Sabine Frommknecht und Dirk Schmechel
                                                                                                       50 BaSIS-Wasserhaushalt wird bodensensitiver
                                                                                                       		 Tobias Mette, Jürgen Kolb, Oliver Schuster, Wolfgang Falk
               23 Junge Menschen und der Stadtwald Berlin                                              		 und Hans-Joachim Klemmt
              		 Julia Möbius

                                                                                                        53 Der Wald blüht auf
               27 2. Kongress »Gesundheitspotenzial Wald«                                              		 Fritz Maier und Markus Weihrich
              		 Roland Schreiber und Anne Stöger

                                                                                                       54 100 Jahre »Fichtenhaus«
                                                                                                       		 Bernd Stimm

                                                                                                       56 »Allerweltsart« in der Bredouille
                                                                                                       		 Patrick Bilan

                                                                                                       58 Waldstrukturen im Höhengradienten
                                                                                                       		 Angela Siemonsmeier, Markus Blaschke und Bernhard Förster

15                                                                                     37
Green Care WALD Österreich: Wald ist nicht nur Lebensraum für Tiere                    Schwammspinner-Massenvermehrung in Franken: Wenn Schwamm-
und Pflanzen oder Produktionsstätte für Holz. Wald ist auch bestens                    spinner sich in einer Massenvermehrung befinden, dann sind die
geeignet, soziales, körperliches und psychisches Wohlbefinden zu fördern.              für ihre Artenvielfalt bekannten Eichen- und Eichenmischwälder
Wie das gehen kann, darauf sucht das Projekt »Green Care WALD« nach                    besonders gefährdet. Vor einer Bekämpfung sind jedoch Prognose
Antworten. Foto: Silke Bernhardt, www.silberfoto.at                                    und naturschutzfachliche Aspekte umfassend zu würdigen.
                                                                                       Foto: H. Lemme, LWF

          Titelseite: Wald heilt – auf natürliche Weise: Waldluft ist reich
          an Terpenen, die die Körperabwehr steigern. Ein Bett aus Moos
          lädt ein zu einer erholsamen Pause in einem Wohlfühlraum
          der besonderen Art. Vogelgesang und andere wald­typische
          Sinneseindrücke erfreuen Herz und Gemüt der Waldbesucher.
          Fotos: yul38885, wakila, DutchScenery, istockphoto.com; L. Steinacker, LWF

2    LWF aktuell 2 |2019
Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Editorial

		Rubriken
                                          Kalender Seite 31
 4 Meldungen                             Forstliche Veranstaltungen
                                          auf einen Blick
29 Zentrum Wald-Forst-Holz

33 Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht

63		 Waldklimastationen

69 Medien

70 Holzwerkstatt

72 Impressum
                                                                       Liebe Leserinnen und Leser,

                                                                       Wald heilt! Fast schon einem Tsunami gleich (ich übertreibe
                                                                       etwas) schwappt die Welle »Shinrin Yoku« aus dem fernen Japan
                                                                       und dem Fernen Osten Asiens an die »Strände« respektive in die
                                                                       Wälder Europas. »Shinrin Yoku« kann man frei übersetzt als das
                                                                       »Waldbaden« verstehen. Auch eine immmer mehr ansteigende
                                                                       Flut an Artikeln, Büchern, Rundfunk- und Fernsehbeiträgen zum
                                                                       Thema »Wald und Gesundheit« ist festzustellen. Und das hat
                                                                       durchaus seinen berechtigten Grund. Weil Wald tatsächlich gut
                                                                       tut. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen die
                                                                       Gesundheitswirkung des Waldes – physiologische wie psycho-
                                                                       logische. Daher ist es eine logische Folgerung, dass Gesund-
                                                                       heitsexperten immer mehr den Wald als Raum für therapeutische
                                                                       Übungen und Anwendungen nutzen möchten und auch schon
                                                                       nutzen. So ist im Osteseebad Heringsdorf auf der Insel Rügen im
                                                                       Jahr 2018 der erste Kur- und Heilwald Europas eröffnet worden.
                                                                       Was bedeutet dieser neue Nutzungsansatz für die Forstwirt-
                                                                       schaft? Was kommt in Zukunft auf die Forstverwaltungen und die
                                                                       Waldbesitzer bezüglich dieses Themas zu? Welche Chancen und
                                                                       Risiken tun sich damit auf?

                                                                       Aktuell beginnt in Bayern die Ausbildung von Waldgesundheits-
                                                                       trainern durch den Kneippärztebund in Bad Wörishofen, die
                                                                       bayerische Tourismusbranche startete die Kampagne »Urlaub
                                                                       im Wald« und der Bayerische Heilbäderverband eine Initiative für
                                                                       Heil- und Kurwälder. Erst kürzlich, im Februar, beschäftigte sich

50
                                                                       auch die Evangelische Akademie Tutzing im Rahmen der jähr-
                                                                       lichen Forsttagung mit der Thematik »Wald und Gesundheit«.
                                                                       Gerade bei diesem Thema darf die Forstverwaltung als wichtiger
                                                                       Kooperationspartner nicht fehlen.

BaSIS-Wasserhaushalt wird bodensensitiver: Das Bayerische
Standortinformationssystem BaSIS ist ein zuverlässiges Bera-
                                                                       Ihr
tungsinstrument unserer Förster. Nach der letzten Überarbei-
tung ist es noch besser. Foto: F. Stahl, LWF

                                                                       Olaf Schmidt

                                                                                                                 2|2019 LWF aktuell        3
Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Meldungen

Waldumbau und Artenvielfalt
                                                   diese Forschungslücke zu schließen, hat
                                                   die Bayerische Landesanstalt für Wald und
                                                   Forstwirtschaft ein neues Forschungsvor-
                                                   haben (L 59) initiiert. In dem durch die Bay-
                                                   erische Forstverwaltung geförderten Pro-
                                                   jekt werden in Nadelholzreinbeständen aus
                                                   Fichte sowie in Waldumbaubeständen ver-
                                                   schiedenen Alters während der nächsten                      Auwald-Flatterulme mit Brettwurzel
                                                                                                               Foto: G. Janssen
                                                   drei Jahre Daten zur Waldstruktur, zum
                                                   Bodenzustand sowie zu zahlreichen wald-
                                                   und ökosystemrelevanten Artengruppen                        Flatterulme
                                                   erhoben. Basierend auf diesen Erhebungen
                                                   können sodann für die verschiedenen Be-                     macht das Rennen
                                                   wirtschaftungssysteme Aussagen zur Bio-
                                                   diversität sowie zur Struktur- und Nischen­                 Flatterulme, Kornelkirsche und Dou-
Foto: O. Ruppert, LWF
                                                   vielfalt getroffen werden. Dadurch erhof-                   glasie – diese drei Baumarten stan-
Der Umbau von Nadelholz-Reinbeständen              fen sich die Wissenschaftler wertvolle Er-                  den zur Auswahl. Letztendlich wurde
wird seit vielen Jahrzehnten mit großem            kenntnisse darüber, inwieweit die Arten-                    aber am 9. November 2018 die Flatter­
Engagement betrieben und gern auch als             vielfalt in unseren Wäldern durch forstliche                ulme (Ulmus laevis) zum Baum des
das größte Naturschutzvorhaben in unse-            Bewirtschaftungsmaßnahmen gezielt ge-                       Jahres 2019 ausgerufen. Diese Ul-
ren Wäldern dargestellt. Bislang gibt es           steuert und entwickelt werden kann.                         menart unterscheidet sich botanisch
aber nur wenige Studien, die die Wirkungen                                      Dr. Thomas Kudernatsch, LWF   deutlich von Berg- und Feldulme und
von Waldumbaumaßnahmen auf die Biodi-              www.lwf.bayern.de/biodiversitaet/057845/index.php           erwies sich gegen das Ulmensterben
versität eingehend untersucht haben. Um                                                                        als deutlich widerstandsfähiger als
                                                                                                               ihre beiden Schwestern. Wohl fühlt
                                                                                                               sich die wasserbegleitende Flatterulme
                                                                                                               in Feuchtwäldern, Bach- und Fluss-
                                                                                                               auen. Dort prägt sie zusammen mit
    Spurensuche Gartenschläfer                                                                                 Stieleiche und Esche die Hartholz-
                                                                                                               Auwälder, hält sie doch dauerhaft
    Der Gartenschläfer verschwindet aus            Der BUND Naturschutz bittet darum, bei                      feuchte Böden und längere Überflu-
    Europa. Auch in vielen Wäldern Bayerns,        der Spurensuche nach dem scheuen                            tungsperioden problemlos aus. Die
    in denen der Verwandte von Sieben-             Bilch mit der »Zorromaske« zu helfen.                       Flatterulme bildet als einzige heimi-
    schläfer und Haselmaus früher heimisch         Hinweise auf das Vorkommen des                              sche Baumart Brettwurzeln aus, die
    war, ist er lange nicht mehr beobachtet        nachtaktiven Bilchs können beispiels-                       einer höheren Stabilität dienen. Ihr
    worden. Aktuelle Zahlen gibt es mo-            weise Nester oder Haare in Vogelbrut-                       Holz ist schön gemustert und zäh,
    mentan nur aus dem Naturpark Fichtel-          kästen liefern. Eine gezielte Suche kann                    lässt sich aber schwer bearbeiten. red
    gebirge, wo seit 2013 Daten zu dem Bilch       mit auf Futterköder ausgerichteten                          www.baum-des-jahres.de
    gesammelt werden. Um den bundes-               Wildtierkameras oder mit Spurtunneln
    weiten Bestandsrückgang noch aufzu-            erfolgen, in denen die Tierchen ihre
    halten, werden in dem in sechs Bundes-         Fußabdrücke hinter­lassen.
    ländern unlängst gestarteten Projekt                               Uwe Friedel, BUND Naturschutz
    »Spurensuche Gartenschläfer« nun Da-           Beobachtungen (auch Altdaten) –
    ten über die aktuelle Verbreitung ge-          am besten mitsamt Foto – schicken an:
    sammelt. Zur Auftaktveranstaltung des          gartenschlaefer@bund-naturschutz.de
    Projekts am 8. April in Weißenstadt hielt
    Olaf Schmidt, Präsident der LWF, ein
    Grußwort aus forstlicher Sicht an die
    Teilnehmer.
    Zentrales Ziel des vom Bundesumwelt-
    ministerium im Bundesprogramm Biolo-
    gische Vielfalt und vom Bayerischen Na-
    turschutzfonds geförderten Projekts ist
    es, die Ursachen des Rückgangs zu ana-
    lysieren und daraus geeignete Arten-
    hilfsmaßnahmen zu entwickeln.

                                    Foto:
                                    Sven Büchner

4      LWF aktuell 2 |2019
Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Meldungen

Flatterulmen-Pflanzungen
gesucht!
Haben Sie schon mal Flatterulmen gepflanzt? Dann
melden Sie sie uns! Anlässlich ihrer Ernennung zum
Baum des Jahres 2019 führt die Bayerische Landes-
anstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) ver-
schiedene kleinere Forschungen wie die Erstellung
einer aktuellen Klimahülle durch. Unter anderem
sollen Flatterulmen-Pflanzungen evaluiert werden,
um daraus Schlussfolgerungen für zukünftige Emp-
fehlungen ableiten zu können, was Standorte, Sor-
                                                                                                                                                    Foto: © INTEND
timent, Pflanzverfahren und weitere Aspekte an-
geht. Mit der Umfrage kann wohl keine Vollständig-
keit erreicht werden, wohl aber ein möglichst                                INKA gegen Strukturnachteile
re­präsentativer Querschnitt. Auch über Meldungen
natürlicher Vorkommen freuen wir uns. Sofern Un-                             Der deutsche Privatwald – teilweise auch der Kommunalwald – ist
sicherheiten bestehen sollten, ob es sich um Flatter­                        verhältnismäßig klein parzelliert. 80 % bewirtschaften Teilflächen, die
ulmen handelt, unterstützen wir Sie gerne bei der                            kleiner als 500 ha sind. Eigenes Personal oder eine IT-Infrastruktur
Bestimmung.                                                                  sind hier zu kostspielig; beides ist aber nötig für eine nachhaltige und
Da die Flatterulme auch als Stadtbaum sehr geeignet                          erfolgreiche Bewirtschaftung der Flächen. Zudem sind Betriebe in
ist, ist sie in zahlreichen bayerischen Städten präsent,                     dieser Größe teilweise zu Betriebsinventuren verpflichtet. Das drei-
genießt aber keine entsprechende Wertschätzung.                              jährige, vom Bund geförderte Forschungsprojekt »Integriertes forst­
Auch Meldungen zu bemerkenswerten Vorkommen                                  liches Informationssystem für den kleinparzellierten Nicht-Staats-
in Stadtgebieten nehmen wir daher gerne auf.                                 wald« – kurz INKA – soll Abhilfe schaffen. Ziele des Projekts sind die
Über lange Zeit wurde die Flatterulme recht stief-                           Konzeption eines modernen Informations- und Produktionsplanungs­
mütterlich behandelt. Erst Arbeiten in den frühen                            systems (IPPS), die Integration vorhandener Methoden zur Wachs-
2000er Jahren weisen auf die Vorzüge dieser ver-                             tums- und Bewirtschaftungs-Simulation, die Optimierung forstli­cher
kannten Baumart hin. Durch die Einschleppung von                             Geschäftsprozesse, die Integration moderner Mobil- und Portal-
Schwarzerlen-Phytophthora und mit dem Eschen-                                Technologie sowie die Verwendung innovativer Verfahren zur Primär-
triebsterben hat die Flatterulme noch einmal an Be-                          datenerfassung (z. B. Laserscanner oder Drohne). Potenzielle Nutzer
deutung gewonnen. Ihre weitgehende Unempfind-                                sind private Waldbesitzer, waldbesitzende Kommunen, forstliche Be-
lichkeit gegenüber Schädlingen und ihre Toleranz                             triebsgemeinschaften und Zusammenschlüsse, Landesforstverwal-
gegenüber schwierigen Standorten haben zwi-                                  tungen und andere forstliche Betreuungseinrichtungen, die Holzin-
schenzeitlich dazu geführt, dass sie auf vielen                              dustrie und die Forsteinrichtung. Für sie alle soll ein hochmodernes,
Stand­orten gepflanzt worden ist.                                           leicht bedienbares und kostengünstiges Betriebsprogramm für ver-
                                   Dr. Stefan Müller-Kroehling, LWF         schiedene Anwendungsfälle entstehen.                       Carina Schwab, LWF

Ihre Meldungen schicken Sie bitte an: flatterulme@lwf.bayern.de              https://forst.fnr.de/service/presse/pressemitteilungen/
Nähere Infos zur Bestimmung und weitere Aspekten unter:
www.lwf.bayern.de/waldbau-bergwald/waldbau/109895/in-                        www.forstpraxis.de/forschungsprojekt-soll-kleinprivatwaldbesitzer-bei-
dex.php                                                                      waldinventur-unterstuetzen/

       Waldgebiet des Jahres: Urbane Wälder Rhein/Ruhr
       Nirgendwo sonst wurde der Wald durch                     Zum ersten Mal fällt diese Wahl nicht auf
       die Einwirkungen des Menschen so stark                   einen eng umgrenzten und historisch
       beeinflusst und verändert wie in einem                   einheitlich gewachsenen Wald, sondern
       Ballungsraum. Ganz besonders gilt das                    auf alle Wälder einer großzügig abge-
       für den Wald im Ballungsraum an Rhein                    grenzten Region. Nirgendwo sonst ist
       und Ruhr. Und dennoch ist gerade im                      der Wald so bunt, vielfältig und aufre-
       Ballungsraum auch der durch menschli-                    gend wie hier. Hier, das sind urbanen
       chen Einfluss veränderte Wald noch die                   Wälder in der Metropolregion Rhein/
       natürlichste Lebensgrundlage. Und ge-                    Ruhr zwischen Bonn, Mönchen-Glad-
       nau dieser Wald wird in 2019 mit der Er-                 bach und Hamm.               Jens Düring, BdF
       nennung zum »Waldgebiet des Jahres«                      www.waldgebiet-des-jahres.de
       besonders geehrt. Denn in keinem an-
       deren Wald sind Försterinnen und Förs-                                                                      Birkenwald auf Industriebrache   Foto: B. van Gember

       ter so gefordert wie hier!

                                                                                                                                         2|2019 LWF aktuell               5
Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Wald und Gesundheit

Wälder in der Therapie                                                                     schaft in Bayern untersucht. Liegt Wald
                                                                                           in erreichbarer Nähe der Kliniken? Nut-
                                                                                           zen sie den umgebende Naturraum viel-
Wie die Heilkraft der Wälder künftig an Kliniken                                           leicht schon in der Therapie? Gibt es Kli-
zum Einsatz kommen könnte                                                                  niken, die den Wald-Gesundheitstrend
                                                                                           bereits bewusst aufgreifen? Um diese
                                                     1   Wald tut gut.   Foto: WALDNESS®   Fragen zu beantworten, wurden drei
                                                                                           Fallbeispiele in Süddeutschland identifi-
                                                                                           ziert und die Projekte vor Ort analysiert.
                                                                                           Dabei stellte sich heraus, dass neben
                                                                                           Reha­ kliniken und Vorsorgeeinrichtun-
                                                                                           gen auch Akutkliniken und Kurorte den
                                                                                           Wald therapeutisch nutzen.

                                                                                           Analyse der Lage aller Reha- und Vorsor-
                                                                                           geeinrichtungen in Bayern
                                                                                           In Bayern sind 337 Reha- und Vorsorge-
                                                                                           einrichtungen gelistet. Rehabilitations-
                                                                                           einrichtungen (Rehakliniken) sorgen
                                                                                           für die Wiederherstellung der Alltags-
                                                                                           tauglichkeit von Menschen nach einer
                                                                                           Erkrankung oder Verletzung. Vorsor-
                                                                                           geeinrichtungen haben zum Ziel, Ver-
                                                                                           schlechterungen des Gesundheitszu-
                                                                                           stands vorzubeugen. Im Rahmen des
                                                                                           Forschungsprojekts wurde mit Hilfe von
                                                                                           Geoinformationssystemen die Lage der

                                                                                            2 Luftbildaufnahme einer Rehaeinrichtung als
                                            Die Heilkraft des Waldes fand in den
                                                                                           Beispiel; die kürzeste Wegstrecke ist hier orange
Lena Friedmann, Anika Gaggermeier           letzten Jahren in den Medien starke Be-        markiert.
und Michael Suda                            achtung und setzte in vielen gesellschaft-
Inwieweit nutzen Rehabilitationskliniken    lichen Bereichen neue Impulse. Es ent-         Kliniken im Verhältnis zum Wald analy-
und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern den     standen zahlreiche Angebote in der Tou-        siert (Abbildung 2).
Wald bereits in der Therapie und wie wird   rismus- und Gesundheitsbranche, die            Dabei zeigte sich, dass etwa die Hälfte al-
sich die therapeutischen Nutzung des        die positiven Effekte des Waldes auf die       ler Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in
Waldes durch Kliniken in Zukunft entwi-     menschliche Gesundheit in Therapie und         Bayern, also rund 170, weniger als 500 m
ckeln? Der Lehrstuhl für Wald- und Um-      für das Marketing nutzen. Zu Beginn            Wegstrecke vom nächstgelegenen Wald
weltpolitik der Technischen Universität     des Projekts stand die Annahme, dass           entfernt liegt. Drei Viertel der Einrichtun-
München ist nun in einem Forschungs-        Re­hakliniken und Vorsorgeeinrichtungen        gen verfügen über mehr als neun Hekt­
projekt diesen Fragen nachgegangen.         auf­­grund langer Aufenthaltsdauern viel­      ar Wald in einem Umkreis von einem
                                            fältige Möglichkeiten haben, den Natur-        Kilometer Luftlinie, die Hälfte über mehr
                                            raum zu nutzen. Deshalb wurden diese           als 38 Hektar und ein Viertel sogar über
                                            zunächst beispielhaft für die Klinikland-      77 Hektar. Das bedeutet, dass die räum-

6   LWF aktuell 2 |2019
Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Wald und Gesundheit

Kategorie                    Beispiele                                               Anzahl der Nennungen    3 Gliederung der bereits draußen
                                                                                                            stattfindenden Therapiemaßnahmen
Kernzone (geringer Bewe-     Psychotherapeutische Maßnahmen (wie z.B. Einzel-        33 (20 %)              nach ihrem Flächenbedarf und Bewe-
gungsradius und Durchfüh-    gespräche); Qi Gong; Yoga; Thai Chi; Kreativtherapie;                          gungsradius
rung im Wald möglich)        Wahrnehmungsübungen; Atemtherapie; Gymnastik;
                             Meditation; Barfußpfad; Achtsamkeitsübungen

Angrenzende Flächen (grö-    Nordic Walking/Walking; Wandern und Bergsteigen;        68 (41 %)              Innovator 1: Die Psychiatrie im Wald
ßerer Bewegungsradius und    Joggen; Laufen; Spazieren gehen; Geh- und Lauf-                                Die Initiative für die therapeutische Nut-
auf Wegen im Wald möglich)   training; Langlaufen; Radfahren; Reiten
                                                                                                            zung des die Klinik umgebenden Waldes
Bewegungsradius nicht ein-   Pädagogische Angebote; Ergotherapie; ungenaue           38 (23 %)              ging von einem der befragten Klinikmitar-
deutig, aber Durchführung    Angaben im Bereich Bewegung; Physiotherapie und
im Wald möglich              Sport                                                                          beiter aus. Die Idee für eine Einbeziehung
                                                                                                            des Waldes wurde von außen an diese be-
Nicht im Wald möglich        Wassersport; spielerische Sportarten; Klettern;         26 (16 %)
                             Bogenschießen
                                                                                                            fragte Person herangetragen. Ein Studie-
                                                                                                            render im Bereich Forst stellte die An-
lichen Grundvoraussetzungen für eine                  Der Wald wird bereits als Therapieort                 frage, ob es möglich sei, eine Abschluss-
Nutzung des Waldes bei einem Großteil                 genutzt, jedoch spielt er in den überwie-             arbeit über den Stellenwert des Themas
der Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in                genden Fällen im Vergleich zu anderen                 »Wald und Gesundheit« in der therapeu-
Bayern gegeben sind.                                  Naturräumen keine besondere Rolle; in                 tischen Arbeit der Klinik zu schreiben.
                                                      einzelnen Fällen wird Wald in den Thera-              Die Arbeit kam zwar nicht zustande, aber
Telefoninterviews mit Reha- und Vor­                  pieprogrammen bereits gezielt eingesetzt.             auf den Impuls des Studierenden hin re-
sorgeeinrichtungen in Bayern                          Es existieren bei den befragten Einrich-              cherchierte der Befragte intensiv im In-
Um einen Einblick zu gewinnen, inwie-                 tungen kaum Kooperationen zwischen                    ternet über das Thema Waldtherapie. Er
weit diese Einrichtungen nahegelegene                 den Waldeigentümern und Kliniken. Ein                 vernetzte sich mit einem Verein, der sich
Wälder bereits nutzen, führten wir Te-                Großteil der befragten Kliniken stellt                mit dem Thema »Wald und Gesundheit«
lefonbefragungen mit 29 zufällig ausge-               sich allerdings vor, künftig weitere Teile            beschäftigt und Ausbildungsprogramme
wählten Reha- und Vorsorgeeinrichtun-                 des Therapieangebots im Freien durchzu-               zur Waldtherapie anbietet, und beging
gen durch, die weniger als 500 m Weg-                 führen.                                               mit einem Vertreter des Vereins die um-
strecke von einem Wald entfernt liegen                                                                      liegenden Waldflächen. Der Wald wurde
und psychisch bedingte Krankheitsbilder               Interviews mit Vorreitern im Bereich                  bei der Begehung als geeignet für Thera-
behandeln.                                            der therapeutischen Nutzung von Wald                  piezwecke befunden. Durch den Kontakt
Die Auswertung der Befragungsergebnis-                Wie könnte die gezielte Nutzung des                   zu dem Verein erfuhr die befragte Per-
se ergab, dass die umgebende Natur be-                Naturraums durch Kliniken, aber auch                  son auch von dem ersten internationalen
reits von den Kliniken zu Therapiezwe-                durch andere Akteure der Gesundheits-                 Kongress »Gesundheitspotenzial Wald«
cken genutzt wird. Viele Kliniken gaben               branchen aussehen? Welche Chancen                     2017 im Seebad Heringsdorf. Die Teilnah­
auch an, Teile des Therapieangebots im                und Herausforderungen verbinden die                   me bestärkte sie dabei, den umliegenden
nahegelegenen Wald durchzuführen.                     beteiligten Akteure mit dem Thema                     Staatswald künftig therapeutisch zu nut-
Die Aktivitäten im Freien reichen von                 »Wald und Gesundheit«?                                zen. Der nächste Schritt war die Kontakt-
Achtsamkeitsübungen über Bewegungs-                   Zur Beantwortung dieser Fragen wur-                   aufnahme zu Revierförstern sowie die
therapien bis hin zu unterschiedlichen                den Anfang 2018 in Süddeutschland drei                Begehung der Waldflächen gemeinsam
Sportarten. Abbildung 3 gliedert diese                Vorreiter (Innovatoren) identifiziert, die            mit diesen. Eine forstwirtschaftliche Nut-
Aktivitäten nach dem erforderlichen Flä-              sich intensiv mit der Nutzung von Wald                zung des Waldes wurde von Seite der Kli-
chenbedarf.                                           zu Gesundheitszwecken auseinanderset-                 nik als Grundvoraussetzung für die Ko-
Der größte Anteil der durchgeführten                  zen. Es handelt sich dabei um einen Kur-              operation wahrgenommen. Die Holznut-
Aktivitäten im Freien sind sportliche                 ort und zwei Kliniken im Bereich psychi-              zung gehört zum Waldbild vor Ort dazu
Maßnahmen mit einem größeren Be-                      scher Erkrankungen. Inzwischen greifen                und es herrscht Vertrauen in den Forst-
wegungsradius. Man kann annehmen,                     weitere Einrichtungen das Thema »Wald                 betrieb, dass die Bewirtschaftung auch
dass diese Aktivitäten überwiegend auf                und Gesundheit« auf. Sie werden sich                  weiterhin mit einer guten Waldpflege ein-
vorhandenen Wegen stattfinden. Einen                  sehr wahrscheinlich an der Vorgehens-                 hergeht. Darüber hinaus entspricht die
nicht unwesentlichen Anteil (21 %) bil-               weise der schon vorhandenen Vorreiter                 Holznutzung der gesellschaftlichen Rea-
den psychotherapeutische Maßnahmen                    orientieren. Die Betrachtung dieser drei              lität und soll vor den Patienten nicht ver-
und Übungen im Bereich Körperwahr-                    Vorreiter ermöglicht also einen Blick in              borgen werden.
nehmung und Achtsamkeit. Diese Thera-                 die potenzielle Zukunft weiterer Standor-             Zum Zeitpunkt des Interviews wartete
pieformen gehen mit keiner oder langsa-               te. Die identifizierten »Innovatoren« wur-            die Klinik auf eine schriftliche Genehmi-
mer Fortbewegung einher und benötigen                 den persönlich besucht und alle Projekt-              gung von Seiten des Staatswaldes für die
ruhige Rückzugsorte für Einzelgespräche               beteiligten mit Hilfe von Leitfadeninter-             Gestaltung eines Waldstückes zur thera-
oder kleine freie Flächen für Gruppen-                views befragt.                                        peutischen Nutzung. Es wurde ein neuer
übungen.                                                                                                    Mitarbeiter eingestellt, der für die The-
                                                                                                            rapien im Wald zuständig ist. Zu Beginn
                                                                                                            der Kooperation zwischen Staatswald
                                                                                                            und Klinik soll die therapeutische Nut-

                                                                                                                                 2 |2019 LWF aktuell   7
Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Wald und Gesundheit

zung des Waldes auf einer Fläche von vier       heitsbildern reduzieren könnten. Darü-       waltung aus. Anders als beim Innovator
Hektar getestet werden. Auch ein schrift-       ber hinaus müssen aus Sicht der Befrag-      1: Psychiatrie im Wald, wurde keine be-
licher Vertrag ist geplant. Der Forstbe-        ten neben den Krankenkassen auch die         stimmte Person von den Befragten als
trieb profitiert von dem Projekt durch          verschiedenen Akteure innerhalb der Kli-     Initiator genannt. Außerdem ist auch
einen Imagegewinn. Der Wald wird wei-           nik, wie die ärztliche Direktion, die Ge-    keine Klinik in die Umsetzung des Vor-
terhin forstwirtschaftlich genutzt wer-         schäftsleitung und das Controlling, für      habens involviert. Die Idee, die positiven
den und es soll dem Forstbetrieb kein           das Projekt gewonnen werden. Alle Pfle-      gesundheitlichen Wirkungen des Waldes
Mehraufwand entstehen. Schon früher             ger und Therapeuten sollten hinter dem       auf den Menschen zu nutzen, liegt in der
halfen die Patienten in der Garten- und         Projekt stehen, damit der Therapiewald       Geschichte des Kurorts begründet. Ne-
Arbeitstherapie bei der Pflege von Wan-         letztendlich auch genutzt wird. Eine Mo-     ben therapeutischen Wasseranwendun-
derwegen und Hütten im Wald. Die Ar-            tivation zur Projektumsetzung ist für die    gen spielt auch die Bewegung in der Na-
beitskraft der Patienten, die oftmals jung      Befragten der potenzielle Gewinn für die     tur eine wichtige Rolle im Kurkonzept
und fit sind, kommt auch künftig im ge-         Patienten, die mit dem Wald nicht nur        der Stadt. Schon vor langer Zeit wurde
planten Therapiewald zum Einsatz: Zum           eine bessere Therapie genießen, sondern      ein Kurpark entworfen und für Bewe-
einen als Unterstützung der Mitarbeiter         ihre Therapie später auch zu Hause im        gungstherapien genutzt. Zusätzlich bezog
des Forstbetriebs, zum Beispiel bei der         nahegelegenen Wald fortführen können.        die Stadt den umgebenden Staatswald in
Verkehrssicherung, zum anderen bei der          Dieser Transfereffekt ermöglicht vor allem   den Gesundheitstourismus mit ein. Es
Gestaltung des Therapiewaldes. Im Wald          in waldreichen Teilen Deutschlands eine      wurden Barfußpfade, Trimm-dich-Pfade
sind drei Rundwege geplant, einer davon         nachhaltigere Wirkung der Therapie. Die      und Gesundheitsthemen-Wege in Koope-
soll für gerontopsychiatrische Patienten        Befragten erwarten, dass sich die Nut-       ration mit dem Forstbetrieb angelegt. In
barrierefrei sein. Auch ein Barfußpfad          zung von Wald an den Kliniken weiter         den 1990er Jahren besuchte ein Wissen-
und ein Sitzkreis für Gruppengesprä-            verbreiten wird, da die Entfremdung von      schaftler aus Japan, der sich intensiv mit
che wird integriert werden. Sowohl die          der natürlichen Umwelt krank macht und       dem Konzept des Wald-Badens (Shin-
Physiotherapie als auch Psychotherapie          ein bewusster Kontakt mit der Natur im-      rin Yoku) beschäftigte, den Kurort. Er
könnte künftig draußen stattfinden. Das         mer wichtiger wird.                          erforschte die Gesundheitswirkung der
befragte psychologische Personal erwar-         Das langfristige Ziel des Projekts ist die   Wälder und brachte die Idee des Wald-
tet für die Patienten der forensischen Ab-      Erweiterung der therapeutisch genutzten      Badens in den Kurort. Durch den Kon-
teilung durch die Mitarbeit bei der Ge-         Waldfläche und die Gestaltung als At-        gress »Gesundheitspotenzial Wald« 2017
staltung des Waldes eine gesundheitliche        traktion für die Öffentlichkeit. Die frei-   im Seebad Heringsdorf, an dem auch ein
Verbesserung. Aus ihrer Sicht bietet der        zeitliche Nutzung des Waldstückes durch      Vertreter der Kurverwaltung teilnahm,
Wald seinen Besuchern im Vergleich zu           Besucher und andere Personen außer-          festigte sich der Entschluss, sich die be-
offenen Landschaften das Gefühl von Si-         halb der Klinik soll zur Vernetzung der      reits langjährige Nutzung der umgeben-
cherheit, das vor allem in einem hallen-        Klinik mit umliegenden Kurorten und          den Natur und des Waldes für Therapien
artigen Wald entsteht. Ein Mischwald            zur Aufhebung der Stigmatisierung der        und Kur-Anwendungen durch die Aus-
wird von den Befragten als besonders äs-        Psychiatrie beitragen.                       weisung eines »Kurwaldes« zertifizieren
thetisch bewertet. Die Patienten suchen                                                      zu lassen. Die Begriffe »Kurwald« und
schon jetzt von sich aus alte Bäume im          Innovator 2: Der naturverbundene Kurort      »Heilwald« stammen aus Mecklenburg-
Umkreis der Klinik auf, die sie beson-          Die Initiative für die therapeutische Nut-   Vorpommern und sind durch verschiede-
ders schön finden. Außerdem könnte das          zung des Waldes ging laut den Befragten      ne Kriterien definiert. Ein Kurwald dient
Spiel aus Licht und Schatten in einem           von der Kommune bzw. von der Kurver-         der Prävention, während der Heilwald
sonnendurchschienenen Wald laut den
be­fragten Psychologen eine Augenbewe­
gung hervorrufen, die auch in der Trauma­
therapie eingesetzt wird.
Bisher kann die Klinik die Therapie im
Wald nur über die Bewegungstherapie
bei den Krankenkassen abrechnen. Die
Befragten sehen besonders in der Phar-
maindustrie einen Gegner im Kampf
um die Kassenanerkennung von »Wald-
therapien«. Sie vermuten, dass die Phar-
makonzerne Therapieangebote im Wald
ablehnen, da diese den Verbrauch von
Medikamenten bei bestimmten Krank-

                       4 Der Wald ist bestens
                      geeignet für Übungen
                      im Bereich Körperwahr-
                      nehmung und Achtsam-
                      keit. Foto: WALDNESS®

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Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Wald und Gesundheit

auch für akut Kranke in der Therapie ge-
nutzt wird. Gesundheitsangebote in Ver-
                                                     Verbesserung der                                           Keine wirtschaftlichen
bindung mit Natur und Wald werden aus                    Therapie                                                     Nachteile
Sicht der Befragten immer mehr nachge-                                          Klinik
                                                                                                               Erfüllung des Allgemein-
fragt, vor allem auch im Zuge des zuneh-               Positionierung
                                                                                                                     wohlauftrags
                                                       als innovativer                    Verantwort-
menden negativen Images von Medika-
                                                    Gesundheitsstandort                     liche für
menten. Im eigenen Kurwald sollen künf-                                                    den Wald
tig neben Wahrnehmungsübungen wie
das Hören, Sehen, Riechen und Ertasten            Wirtschaftliche Stärkung     Kommune
                                                         der Region
der Natur auch Atemtherapie stattfinden,                                                       5 Kliniken und Kommunen treten mit ähnli-
bei der die gesundheitsfördernden Terpe-                                                      chen Interessen als Initiatoren und Träger von
                                                                                              Projekten zur therapeutischen Nutzung von
ne über die Atmung in den Körper aufge-                                                       Wald auf. Daneben werden die Verantwortli-
nommen werden. Die Kommune könnte                                                             chen für den Wald als Hauptakteure wahrge-
sich vorstellen, die Wegeinstandhaltung                                                       nommen. Eine enge Zusammenarbeit ist wich-
                                                                                              tig für die erfolgreiche Projektumsetzung.
im Kurwald in die Hände des städtischen
Bauhofs zu legen, um dem Forstbetrieb
den Mehraufwand zu ersparen.                  Altersstadien handeln, der bewirtschaftet   die wissenschaftliche Literatur zum The-
Zum Zeitpunkt des Interviews stand die        wird, in dem jedoch keine Rückegassen       ma und befand die heilsamen Effekte des
Wahl einer geeigneten Waldfläche bevor.       sichtbar sind. Spuren der Holzernte sol-    Waldes als glaubwürdig und den Wald als
Um die Auswahl zu erleichtern, werden         len vermieden werden. Daher erwartet er     therapiestützende Umgebung passend für
von den Befragten offizielle Kriterien für    einen größeren Aufwand bei der Holzern-     die eigene Klinik. Ergotherapie, Arbeiten
»Kur- und Heilwälder« gewünscht. Zur          te bei gleichbleibenden Holzertrag.         mit Naturmaterialien, Achtsamkeits- und
Etablierung solcher Kriterien bestand         Das Projekt sieht der Revierleiter als      Entspannungsübungen,       Spaziergänge,
Kontakt zu verschiedenen Verbänden.           Möglichkeit zur forstlichen Öffentlich-     rezeptive Musiktherapie mit den Klän-
Durch eine geschickte Wahl der Wald-          keitsarbeit: Am Beispiel des Kurwaldes      gen des Waldes könnten im zukünftigen
fläche könnten mögliche Konflikte mit         kann gezeigt werden, wie Waldnutzung,       Heilwald stattfinden und die Genesung
anderen Aktivitäten im Wald vermie-           Naturschutz und Ästhetik durch die Förs-    psychosomatischer Krankheitsbilder för-
den werden. Der Wald sollte aus Sicht         ter in Einklang gebracht werden kann.       dern. Patienten der Psychotherapie könn-
der Befragten naturnah sein und wenig         Darüber hinaus dient die Kooperation im     ten von dem geschützten Gefühl im Wald
Wirtschaftswaldcharakter haben. In die-       Projekt der Erfüllung des Allgemeinwohl-    profitieren. Wie schon bei Innovator 1:
sem Kontext wird oft erwähnt, dass as-        auftrags.                                   Psychiatrie im Wald erwähnt wurde,
tige und urige Bäume sowie Totholz das                                                    wird auch hier ein Transfereffekt erwar-
Waldbild bereichern. Was unter den Be-        Innovator 3:                                tet. Was die Patienten in der Therapie
griffen »naturnah« oder »Wirtschafts-         Das Team aus Klinik und Gemeinde            lernen, können sie später in einem Wald
wald« verstanden wird, ist sehr subjek-       Laut den Befragten kam der Kliniklei-       in der Nähe ihres Wohnortes fortführen,
tiv und wird von Interviewpartner zu          tung der dritten Fallstudie die Idee zur    um gesund zu bleiben. Teil der Therapie
Interviewpartner sehr unterschiedlich         Ausweisung eines »Heilwaldes« durch         soll künftig auch die Schulung der Sin-
definiert. Einigen Befragten ist bewusst,     den Kontakt mit einer Klinik in Meck-       nesorgane sein, die die Verbindung des
dass ihr Wunsch nach einem möglichst          lenburg-Vorpommern, die zusammen mit        Ichs mit der schönen Waldumgebung er-
natürlichen und nicht bewirtschafteten        der Universität Rostock die Ausweisung      möglicht. Die Verbindung zur Natur ging
Wald mit der Verkehrssicherheit in Kon-       eines »Kur- und Heilwaldes« an ihrem        den Patienten der Klinik im Verlauf ihres
flikt steht und sie diskutierten zum Zeit-    Standort untersucht. Die Klinikleitung      Lebens oftmals verloren und muss in der
punkt des Interviews über Lösungswege.        befasste sich mit dem Thema und ver-        Therapie wiederhergestellt werden.
Oftmals ist nicht bekannt, dass die Ver-      glich die Kriterien mit den Gegebenhei-     Auf dem ersten internationalen Kongress
kehrssicherung eine gesetzliche Pflicht ist   ten am eigenen Standort. Die Erkennt-       zum »Gesundheitspotenzial Wald« 2017
und welche Folgen die Verletzung für die      nis, dass die Heilwald-Kriterien im Wald    im Seebad Heringsdorf baute der Bürger-
Waldbesitzer haben kann.                      vor Ort sehr gut erfüllt sind beziehungs-   meister ein Netzwerk auf und sammelte
Ein wichtiger Prozessschritt für das Pro-     weise erfüllt werden können und ein Be-     weitere Erkenntnisse. Er einigte sich mit
jekt war ein Treffen zwischen Revierlei-      schluss der Gemeinde, sich wirtschaft-      der Klinikleitung auf eine Waldfläche ge-
ter und der Kurverwaltung, die bereits        lich stärker als Gesundheitsstandort zu     genüber der Klinik. Diese Waldfläche lag
durch andere gemeinsam durchgeführte          positionieren, mündeten in dem Impuls,      im Besitz des Landes. Um den Prozess zu
Projekte (z. B. Gesundheitsthemen-We-         selbst ein Projekt anzustoßen. Die Kli-     vereinfachen, wurde ein Flächentausch
ge) ein gutes Verhältnis pflegten. Für die    nikleitung kontaktierte mit dieser Idee     zwischen der Gemeinde und dem staat-
forstlichen Akteure ist es wichtig zu klä-    den Bürgermeister der Gemeinde, der         lichen Forstbetrieb vereinbart, sodass
ren, wer den anfallenden Mehraufwand          über einen forstlichen Hintergrund ver-     der künftige »Heilwald« in den Besitz
und die Kosten für einen Kurwald trägt.       fügt. Beide informierten sich im Internet   der Kommune überging. Dieser Flächen-
Aus Sicht des Revierleiters sollte es sich    über das Thema und tauschten sich über      tausch ermöglicht kurze Entscheidungs-
idealerweise um einen strukturreichen         Konzepte und Möglichkeiten zur Umset-       wege zwischen der Gemeinde und der
Mischbaumbestand mit verschiedenen            zung aus. Chefärztliches Personal prüfte    Klinik. Zur Konzeption des »Heilwald«-

                                                                                                               2 |2019 LWF aktuell         9
Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
Wald und Gesundheit

Projekts wurde ein Landschaftsplanungs-                                  soll lediglich zur Verkehrssicherung             bezogen werden, um zu vermeiden, dass
büro hinzugezogen, das einen Entwurf                                     eingegriffen werden. Die Kooperati-              deren Privatsphäre beeinträchtigt wird.
für die Gestaltung des etwa sechs Hekt-                                  on des staatlichen Forstbetriebs war             Zur Finanzierung wurde ein Antrag im
ar großen Waldstückes anhand von Heil-                                   essenziell, da dieser ursprünglich im            Rahmen der Förderung des Gesund-
waldkriterien aus Usedom erstellt. Die                                   Besitz des Waldstückes war und so-               heitstourismus beim Land gestellt. Ei-
Klinikleitung strebt einen sehr sparsa-                                  mit neben Klinik und Kommune ein                 nen Teil der Kosten wird die Klinik tra-
men Einsatz von Gerätschaften an, um                                     Hauptakteur im Projekt ist.                      gen. Die Einweihung ist für das Frühjahr
den Naturraumcharakter des Waldes                                        Zum Zeitpunkt des Interviews arbei-              2019 geplant. Das »Heilwald«-Projekt soll
nicht zu stören.                                                         tete man laut den Befragten an der               zusätzlich als Pilotprojekt für die Region
Es ist geplant, den Wald nicht weiter                                    Beteiligung aller Akteure und der                dienen. In der Gemeinde liegt eine zwei-
zu bewirtschaften. Der Heilwald dient                                    Beschaffung geeigneter Fördergel-                te Klinik an einem Waldrand, für die das
der wirtschaftlichen Stärkung der sonst                                  der für die Umsetzung des Projekts.              Konzept möglicherweise auch interes-
strukturschwachen Region und der Po-                                     Dazu müssen zum Beispiel auch An-                sant ist.
sitionierung als Gesundheitsstandort. Es                                 lieger in die Planung des Waldes ein-

Zusammenfassung
Erste Akteure des Gesundheitswesens greifen das Wissen über
die gesundheitsfördernden Effekte des Waldes auf und planen
die öffentlichkeitswirksame, therapeutische Nutzung nahege-
                                                                                      Wald wirkt gesundheitsfördernd
legener Waldflächen. Die Initiative ging dabei von der Klinik oder
der Kommune aus. Die forstlichen Akteure des Staatswaldes                             Der Ansatz des sogenannten Exposoms stellt die Wirkung von Natur auf die menschliche
fühlen sich durch den Allgemeinwohlauftrag zur Kooperation                            Gesundheit in einen größeren Kontext. Das Exposom ist definiert als die Gesamtheit aller
verpflichtet. Kommunale Waldbesitzer handeln im Interesse der                         Einflüsse, der die menschliche Gesundheit über den Zeitraum der Empfängnis bis zum
Kommune und teilen das Interesse der Initiatoren.                                     Tod ausgesetzt ist (Wild 2005). Der Gesundheitszustand des Menschen hängt von einer
Den ersten Vorreitern könnten viele weitere folgen. Allein von                        Vielzahl von Faktoren ab. Neben genetischen Veranlagungen, die etwa 10 % (Rappaport
den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern befindet sich                           2010) des Gesundheitsrisikos ausmachen, werden diese Einflüsse nach Wild (2005) in drei
die Hälfte (also rund 170) weniger als etwa 500 m Wegstrecke                          unterschiedliche Bereiche kategorisiert. Die interne Umgebung beschreibt körpereigene
vom nächstgelegenen Wald entfernt. In Waldnähe gelegene                               Faktoren wie bereits bestehende Krankheiten, die vorhandenen Darmbakterien oder den
Reha- und Vorsorgeeinrichtungen führen bereits jetzt Teile des                        Zustand des Stoffwechsels. Die externe Umgebung wird in zwei Bereiche gegliedert. Die
Therapieangebots im Freien durch, wenn die Patienten durch                            spezifische externe Umgebung umfasst Faktoren wie Ernährung, Bewegung und den
ihre Krankheit nicht in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Der                       Genuss von Konsumgüter, wie zum Beispiel Tabak oder Alkohol. Die allgemeine externe
Wald spielt bei den meisten Befragten im Vergleich zu anderen                         Umgebung bezieht sich auf das, was wir im allgemeinen Sprachgebrauch unter Umgebung
Naturräumen keine besondere Rolle, sondern wird als Teil der                          verstehen wie beispielsweise das Klima, das urbane und soziale Umfeld oder auch der
natürlichen Umgebung mitgenutzt. Schon jetzt können sich die                          Straßenverkehr oder zur Verfügung stehende Grünräume. Aufenthalte in oder Kontakt mit
Vertreter eines Großteils der Kliniken vorstellen, künftig noch                       Natur wirken sich überwiegend vorteilhaft auf den Gesundheitszustand von Menschen
mehr Therapien im Freien durchzuführen. Sollte sich heraus-                           aus. Ob der Wald dabei eine besondere Rolle im Vergleich zu anderen grünen Umgebungen
stellen, dass der Wald im Vergleich zu anderen Grünräumen eine                        einnimmt, ist bisher nicht erforscht.
besondere gesundheitsfördernde Wirkung hat, wird der Anteil
der Kliniken wachsen, die den Wald gezielt in der Therapie ein-                                                             Das Exposom angelehnt an Wild (2005 und 2012),
                                                                                                                            Vrijheid (2014) und Rappaport (2010): Wald als Green
setzen.
                                                                                                                            Space ist Teil der ‚allgemeinen externen Umgebung‘
                                                                                                                            des Menschen und wirkt sich ebenso wie andere
Literatur                                                                                                                   Umwelteinflüsse auf die Gesundheit aus.
Rappaport, S.M. (2010): Implications of the exposome for exposure
science. Journal of exposure science & Environmental Epidemiology                                Spezifisches
(21), S. 5–9
                                                                                               externes Umfeld
Vrijheid, M. (2014): The exposome: a new paradigm to study the impact
of environment on health. Thorax, 69 (9), S. 876–878
                                                                                           Stress         Rauchen
Wild, C.P. (2005): Complementing the genome with an »exposome«:
the outstanding challenge of environmental exposure measurement in                                 Bewegung
molecular epidemiology. Cancer epidemiology, biomarkers & preventi-                      Medizinische                           Entzündungen
on, 14 (8), S. 1847–1850                                                                                 Ernährung
                                                                                         Intervention                                   Oxidativer
Wild, C.P. (2012): The exposome: from concept to utility.International                                   Konsum-
Journal of Epidemiology, 41 (1), S. 24–32                                                   Übergewicht                                  Stress
                                                                                                           güter            Stoffwechsel
                                                                                                                                                             Gesundheitsrisiko
Projekt                                                                                                                        Internes Umfeld                     und
Das Projekt »Der therapeutische Beitrag von Wäldern zu Rehakliniken                            Klima
                                                                                                              Natur                                         Folgenabschätzung
in Bayern« (ST 332) wurde in enger Kooperation mit den Abteilungen
»Waldbesitz, Beratung, Forstpolitik« und »Wissenstransfer, Öffent-                                  Wohnort                 Schadestoffe
lichkeitsarbeit, Waldpädagogik« der Landesanstalt für Wald und Forst-                                                                  Darmflora
                                                                                          Soziales       Schadstoffe             Bestehende
wirtschaft am Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik der Technischen
Universität Münschen durchgeführt und vom Bayerischen Staatsminis-
                                                                                          Umfeld                                 Krankheiten
terium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert.                                            Erreger
                                                                                           Verkehr            Strahlung
Autoren
Lena Friedmann (M.Sc.) bearbeitete am Lehrstuhl für Wald- und Um-
                                                                                                 Allgemeines
weltpolitik der Technischen Universität München den Bereich Wald und
Gesundheit.
                                                                                               externes Umfeld
Dr. Anika Gaggermeier ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wald- und
Umweltpolitik und verantwortlich für Lehre und unter anderem die Un-                                                            Lebenslauf
terstützung des Bereichs Wald und Gesundheit.
Prof. Dr. Michael Suda ist Inhaber des Lehrstuhls für Wald- und Um-
weltpolitik.
Kontakt: anika.gaggermeier@tum.de

10      LWF aktuell 2 |2019
Wald und Gesundheit

                                                                                                                        1 Im Ostseebad He-
                                                                                                                       ringsdorf auf der Insel
                                                                                                                       Usedom hat der Bäder-
                                                                                                                       verband Mecklenburg-
                                                                                                                       Vorpommern e.V. den
                                                                                                                       ersten Kur- und Heil-
                                                                                                                       wald Deutschlands
                                                                                                                       und Europas eröffnet.
                                                                                                                       Foto: Bäderverband Mecklen-
                                                                                                                       burg-Vorpommern e.V.

Gesundheitswälder – Thema für Bayern?
Ein Überblick der aktuellen Entwicklungen rund um das Thema »Wald und Gesundheit«

Anne Stöger und Roland Schreiber              schaft beziehungsweise die Fähigkeit, den        ten werden, dass ein Gesundheitswald
Gesundheitswälder stammen aus Ostasi-         Zustand vollständigen Wohlbefindens              Teil eines Erholungswaldes ist (Abbil-
en, genauer gesagt aus Japan und Süd-         herzustellen oder zu erhalten. An der            dung 2). Vereinfacht formuliert bedeutet
korea. Nun hat sie auch das Bundesland        zugrunde gelegten Definition der WHO             das: Jeder Gesundheitswald ist auch ein
Mecklenburg-Vorpommern aus der Taufe          wird durchaus deutlich, dass es verschie-        Erholungswald, aber nicht jeder Erho-
gehoben, sprich – in Gesetze und Ver-         dene Arten von Gesundheitswäldern ge-            lungswald ist ein Gesundheitswald.
ordnungen gegossen. Die Rede ist von          ben kann. Gesundheitswälder mit dem              Derzeit haben wir in Deutschland zwei
Kur- und Heilwäldern. Was steckt hinter       Fokus auf physische Erkrankungen, wie            verschiedene Arten von Gesundheits-
diesen Begriffen, was bedeuten sie –          zum Beispiel des Bewegungsapparates              wäldern: den Kurwald und den Heil-
und: Was bedeutet das Thema »Wald und         oder Herz-Kreislauf- Erkrankungen, soll-         wald. Beides wurde bereits im Bundes-
Gesundheit« in Bayern?                        ten anders aufgebaut und dem Gesund-             land Mecklenburg-Vorpommern definiert
                                              heitsziel angepasste Infrastruktur haben         und gesetzlich festgeschrieben (Bäderver-
                                              als Gesundheitswälder mit der Ausrich-           band Mecklenburg-Vorpommern 2015).
In den letzten Jahren hat sich das The-       tung auf psychische Erkrankungen.                Auf dem 2. Internationalen Kongress für
ma »Wald und Gesundheit« in Deutsch-          Nun stellt sich die Frage, inwiefern sich        Wald und Gesundheit 2018 in Krems
land immer weiter etabliert. Seinen Ur-       ein Gesundheitswald von einem bereits            wurden diese Definitionen, vom Bäder-
sprung haben die Gesundheitswälder in         in Bayern etablierten und gesetzlich fi-         verband Mecklenburg-Vorpommern ge-
Asien, vor allem in Südkorea und Japan.       xierten Erholungswald unterscheidet.             prägt (Bäderverband Mecklenburg-Vor-
Die Nachfrage in der Gesellschaft zu ge-      Erholung nach der Definition des Deut-           pommern 2015), von der Wissenschaft
sundheitlichen Angeboten in den Wäl-          schen Dudens ist das Zurückgewinnen              offiziell anerkannt.
dern steigt. Auch in Bayern gibt es täglich   von Gesundheit und Leistungsfähigkeit.           Beim Vergleich der drei Kategorien fällt
mehr Angebote zum Thema »Wald und             Auf Grundlage dieser Definition ist die          auf, dass der Grad der Vorsorge, also der
Gesundheit« und Gemeinden und Reha­           Erholung als Überbegriff zu verstehen            Prävention steigt (Abbildung 3). Dem-
kliniken sehen ein großes Potenzial in        und vereint unter sich die Gesundheit            entsprechend verändern sich auch die
»Gesundheitswäldern«.                         mit seinen drei charakteristischen Zu-           Ansprüche an den jeweiligen Wald. Ein
                                              ständen des Wohlbefindens. Bezogen auf           Heilwald hat im Vergleich zu einem Er-
Was ist ein »Gesundheitswald«?                den Wald kann schlussfolgernd festgehal-         holungswald für die Gesamtbevölkerung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
definiert den Begriff der Gesundheit als                                                                                2 Systematisierung

einen Zustand vollständigen physischen,                                   Erholungswald                                von Erholungswäldern
                                                                   für die Gesamtbevölkerung
geistigen und sozialen Wohlbefindens,
                                               Erholungswald                                            Kurwald
der sich nicht nur durch die Abwesenheit
von Krankheit oder Gebrechen auszeich-                                 Gesundheitswald
net. Bei Zugrundelegung dieser Definiti-                                                                Heilwald
on hat ein Gesundheitswald die Eigen-

                                                                                                                   2 |2019 LWF aktuell           11
Wald und Gesundheit

andere Kriterien zu erfüllen und muss                                                                                                    3 Die Gesundheits­

mit speziellen infrastrukturellen Einrich-                                                                                              wälder unterscheiden
                                                                                                                                        sich im Grad der Prä-
tungen versehen werden (Bäderverband                                                                                                    vention
                                                                 Gesundheitswald
Mecklenburg-Vorpommern 2015).                                        für die                Kurwald                   Heilwald
                                                                Gesamtbevölkerung      (Sekundärprävention)       (Tertiärprävention)
Beispielobjekt Mecklenburg-                                       (Primärprävention)

Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es seit
dem Jahr 2017 den ersten gesetzlichen
Kur- und Heilwald (Menning 2016). Die-
ser befindet sich im Ostseebad Herings-                    waldgesetzes im Jahr 2011 besteht in               eine solche Verpflichtung nach Art. 18
dorf auf der Insel Usedom. Der Kur- und                    Mecklenburg-Vorpommern die Möglich-                Abs. 1 bzw. Art. 19 Abs. 1 BayWaldG.
Heilwald soll bei Erkrankungen der Atem-                   keit, neben dem klassischen Erholungs-             Neben dem Art. 1 BayWaldG lässt sich
wege, der Haut und des Bewegungsap-                        wald auch den Kurwald und Heilwald                 im Waldgesetz für Bayern noch eine
parates, bei psychosomatischen Erkran-                     rechtskräftig auszuweisen (§ 22 Landes-            zweite, wahrscheinlich auch bekannte-
kungen wie Burnout, bei Schlaflosigkeit                    waldgesetz Mecklenburg-Vorpommern).                re Rechtsquelle finden. Der Art. 12 Bay-
oder Depressionen, bei Erschöpfungszu-                     Die Ausweisung von Kurwald oder Heil-              WaldG beschreibt in Bayern den gesetz-
ständen helfen und unterstützt die Stär-                   wald erfolgt über ein Rechtssetzungsver-           lichen Erholungswald: »Wald, dem eine
kung des Herz-Kreislaufsystems (Bä-                        fahren durch die oberste Forstbehörde,             außergewöhnliche Bedeutung für die Er-
derverband Mecklenburg-Vorpommern                          das Ministerium für Landwirtschaft, Um-            holung der Bevölkerung zukommt, kann
2019). Ein gekennzeichnetes Wegenetz                       welt und Verbraucherschutz Mecklen-                durch Rechtsverordnung zum Erholungs-
mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden                     burg-Vorpommern (Menning 2016).                    wald erklärt werden.«
dient der Bewegungsmotivation. An ver-                                                                        Das Gesetzesziel aus Art. 1 BayWaldG
schiedenen Waldplätzen können speziel-                     Was sagt das bayerische Waldgesetz zum             ist in dem Art. 12 BayWaldG in Verbin-
le körperliche oder meditative Übungen                     Thema Gesundheitswälder?                           dung mit den Art. 14, Art. 18 und 19 Bay-
gemacht werden, die das ganzheitliche                      Für Bayern stellt sich die Frage, ob und           WaldG konkret ausgestaltet worden. Die
Wohlbefinden fördern (Bäderverband                         wo sich in den vorhandenen Rechtsquel-             Konkretisierung und rechtliche Festset-
Mecklenburg-Vorpommern 2019).                              len Grundlagen für einen Gesundheits-              zung nach Art. 12 BayWaldG wird sich
Das Bundesland hat schon vor vielen                        wald in Bayern befinden. Im Waldgesetz             auf einzelne Waldgebiete in Bayern be-
Jahren das Potenzial und die Notwen-                       für Bayern finden wir gleich im zweiten            schränken, wobei im Gegensatz dazu der
digkeit von Gesundheitswäldern er-                         Satz in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG              Art. 1 BayWaldG für die gesamte Wald-
kannt. Mit der Novellierung des Landes-                    einen Hinweis auf die Gesundheit: »Der             fläche in Bayern seine Gültigkeit hat. Die
                                                           Wald hat besondere Bedeutung für den               im Art. 12 BayWaldG genannte außerge-
                                                           Schutz von Klima, Wasser, Luft und Bo-             wöhnliche Bedeutung eines Waldes für
                                                           den, Tieren und Pflanzen, für die Land-            die Erholung der Bevölkerung bestimmt
                                                           schaft und den Naturhaushalt. Er ist               sich nach der tatsächlichen Inanspruch-
                                                           wesentlicher Teil der natürlichen Le-              nahme eines Waldes für die Erholung. In
                                                           bensgrundlage und hat landeskulturelle,            der Regel wird diese außergewöhnliche
                                                           wirtschaftliche, soziale sowie gesundheit-         Bedeutung nur Wäldern in der Umge-
                                                           liche Aufgaben zu erfüllen.«                       bung von Städten, Fremdenverkehrs- und
                                                           Der Wald in Bayern hat nach dem Gesetz             Kurorten sowie anderen Schwerpunkten
                                                           gesundheitliche Aufgaben zu erfüllen,              des Erholungsverkehrs zukommen (Zerle
                                                           das heißt die Eigenschaft beziehungswei-           et al. 2018). Maßgebliche Hinweise hier-
                                                           se die Fähigkeit, den Zustand vollstän-            für liefern die Erkenntnisse aus der Wald-
                                                           digen physischen, geistigen und sozialen           funktionsplanung. Die Zuständigkeit zur
                                                           Wohlbefindens herzustellen oder zu er-             Erklärung in Form der Rechtsverordnung
                                                           halten. Im weiteren Verlauf des Artikel 1          liegt bei der Kreisverwaltungsbehörde
                                                           BayWaldG wird erweitert dargestellt,               (vgl. Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 BayWaldG) im
                                                           dass die Erholung der Bevölkerung im               Benehmen mit der örtlich zuständigen
                                                           Wald zu ermöglichen und die Erholungs-             unteren Forstbehörde (Art. 37 Abs. 2
                                                           möglichkeiten zu verbessern sind (Art. 1           BayWaldG). Da es sich beim Art. 12 Bay-
                                                           Abs. 2 Nr. 5 BayWaldG). Für den Privat-            WaldG um eine Kann-Vorschrift handelt,
                                                           waldbesitz kann eine Pflicht zur Verbes-           haben die Kreisverwaltungsbehörden ei-
                                                           serung nicht abgeleitet werden, hier gilt          nen weiten Ermessensspielraum bei der
                                                           grundsätzlich, den Wald sachgemäß zu               Ausweisung (Zerle et al. 2018).
 4 »100 Fußstapfen« ist eine der zahlreichen
                                                           bewirtschaften (Art. 14 BayWaldG) und              Die Ausweisung von Erholungswald soll
Stationen an den Wegen des Kur- und Heilwaldes
in Heringsdorf, die Patienten und Besucher zu spe­         die sozialen Funktionen zu gewährleisten           überwiegend in den Gebietskörperschaf-
ziellen körperlichen oder meditativen Übungen              (Art. 4 Nr. 1 BayWaldG). Für den Staats-           ten erfolgen, d. h. im Wald des Freistaa-
einladen. Foto: Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.   und Körperschaftswald aber ergibt sich             tes Bayern, der Bezirke, Kreise sowie der

12     LWF aktuell 2 |2019
Wald und Gesundheit

 5 Voraussetzungen                                                                      angeboten steigt. Vor allem wollen im-
für die Um­setzung                                Natürliche
                                               Voraussetzungen                          mer mehr Menschen in der hektischen
eines Gesundheits­
waldes (Klinkmann                                                                       und reizüberfluteten Welt und im Zeit-
2018)                                                                                   alter der digitalen Medien zurück zur
                         Aktionsbündnis                                Standort
                                                                                        Ursprünglichkeit, Entspannung und
                                                                                        Achtsamkeit. Das Thema »Wald und Ge-
                                                                                        sundheit« ist für die bayerische Forstwirt-
                             Forst                                      Nutzer
                                                                                        schaft eine Möglichkeit, das Ökosystem
                                                                                        Wald der Bevölkerung näher zu bringen.
                                                                                        Für Waldbesitzer: Die Anerkennung für
                            Medizin                                    Tourismus
                                                                                        den eigenen Wald steigt und durch Part-
                                                                                        nerschaften kann u. U. zusätzliches Ein-
                                                   Politik
                                                                                        kommen generiert werden. Die multi-
                                                                                        funktionale Forstwirtschaft mit all ihren
                                                                                        Waldfunktionen wird dadurch nicht ein-
                                                                                        geschränkt. Waldbesitzer können für ih-
                                                   Projekt                              ren Wald eine den jeweiligen Bedingun-
                          Finanzierung                                  Träger
                                               Gesundheitswald                          gen angepasste Besucherlenkung erhal-
                                                                                        ten (Abbildung 7).
                                                                                        Für die Regionen: Für Gemeinden besteht
Gemeinden (Zerle et al. 2018). Privat-       sätze, waldbasierte Grundlagen, Touris-    die Möglichkeit, sich Projekte finanziell
wald soll zum Erholungswald nur erklärt      mus, Vermarktungsstrategien, medizi-       fördern zu lassen – zum Beispiel über das
werden, wenn hierfür ein besonderes Be-      nische Grundlagen und die praktische       Förderprogramm LEADER. In den Regi-
dürfnis vorliegt und ein geeigneter Wald     Umsetzung von Gesundheitswäldern.          onen kann eine breitere Angebotspalette
im Eigentum von Gebietskörperschaften        Damit das Projekt »Gesundheitswald«        für Touristen und Tagesgäste angeboten
nicht zur Verfügung steht oder wenn es       erfolgreich umgesetzt werden kann, ist     werden. Dadurch wächst die Wirtschafts-
die Gemengelage mit solchem Wald erfor-      ein Bündnis verschiedenster Akteure aus    kraft, Arbeitsplätze können erhalten oder
dert (Art. 12 Abs. 2 Satz 1,2 BayWaldG).     Forst, Medizin, Politik und Tourismus      sogar ausgebaut und die Region gestärkt
Zusammenfassend kann festgehalten            notwendig. Zudem müssen die örtlichen      werden (Abbildung 7).
werden, dass in Bayern der Wald seine        Gegebenheiten analysiert und bewertet      Für die Forstverwaltung: Es bietet sich die
gesundheitlichen Aufgaben nach Art. 1        werden (Abbildung 5).                      Chance für die Forstverwaltung, bei der
BayWaldG vor allem in Erholungswäl-          Für das Projekt »Gesundheitswald« in       Realisierung von regionalen Projekten
dern gem. Art. 12 BayWaldG bzw. in den       Bad Birnbach sind soweit die wichtigs-     aktiv mitzugestalten. Die Forstverwal-
Erholungswäldern der Stufen I und II der     ten Akteure beteiligt und erste Wald­      tung ist erster Ansprechpartner bei fach-
Waldfunktionsplanung (Art. 6 BayWaldG)       standorte wurden bereits besichtigt. An    lichen und hoheitlichen Fragestellungen
erfüllt.                                     dem Projekt Mitwirkende sind neben         rund um den Wald und sollte auf diesen
                                             der Bayerischen Landesanstalt für Wald     Gebieten die Deutungshoheit nicht an
Was tut sich bereits in Bayern?              und Forstwirtschaft das zuständige Amt     fachfremde Anbieter abtreten. Das The-
Der Bayerische Heilbäder-Verband hat         für Ernährung, Landwirtschaft und Fors-    ma »Wald und Gesundheit« ermöglicht
für Bayerns Kurorte Anfang Januar ein        ten Pfarrkirchen, die FH Deggendorf mit    zudem die forstliche Öffentlichkeitsar-
Projekt »Wald und Gesundheit« gestar-        der Professur für Economy in Tourism       beit, den Wissenstransfer und die Netz-
tet, um ein neues Alleinstellungsmerk-       Management, die LMU München mit            werkarbeit mit Bildung neuer Partner-
mal für Gesundheit, Wohlfühlen und für       der Professur Public Health und Versor-    schaften und Allianzen zu fördern (Ab-
Lebensqualität zu entwickeln. Ziel dabei     gungsforschung sowie die örtliche Kur-     bildung 7).
soll es sein, den Patienten auf Führungen    verwaltung Bad Birnbach.
und auf Lehrpfaden die Pflanzen- und         Ein weiteres bereits begonnenes Projekt
Tierwelt greifbar zu machen und somit        ist ein Gesundheitsparcours im Amtsbe-
auch waldpädagogische Angebote in die        reich des AELF Bamberg. Hier ist das
Produktentwicklung mit aufzunehmen.          Ziel, einen Parcours mit verschiedenen
Im vergangenen Herbst ist in der Gemein-     Themenbereichen (Ruhe, Fitness, Moto-
de Bad Birnbach im Landkreis Rottal-Inn      rik) in Kooperation mit einer ansässigen
ein Projekt zur Etablierung eines Gesund-    Klinik zu gestalten.
heitswaldes angelaufen. Ziel dieses Pilot-
projektes in Bayern ist es, ein umfassen-    Herausforderungen und Chancen durch
des Konzept mit allen betroffenen und        »Wald und Gesundheit«
                                                                                        6 Wald bewegt. Wald tut gut. Wald heilt. Kein
notwendigen Partnern zu entwickeln,          Für die Gesellschaft: Die Interessen der
                                                                                        Wunder, wenn auch im Waldland Bayern »Wald und
um einen Leitfaden für Gesundheitswäl-       Gesellschaft haben sich in den letzten     Gesundheit« ein wichtiges Thema wird. Foto: T. Immler,
der zu erstellen. Inhaltlich abgehandelt     Jahren deutlich verändert und die Nach-    AELF Ebersberg

werden unter anderen rechtliche Grund-       frage nach Erholungs- und Gesundheits-

                                                                                                               2 |2019 LWF aktuell         13
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