Aktuell Wald heilt. Natürlich! - 2|2019
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2. Quartal 2019; ISSN 1435-4098; Einzelpreis: € 5,– aktuell 2|2019 Ausgabe 121 Wald heilt. Natürlich! Das Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan
Inhalt Wald und Gesundheit Wald & Mehr 6 Wälder in der Therapie 37 Schwammspinner-Massenvermehrung Lena Friedmann, Anika Gaggermeier und Michael Suda in Franken Hannes Lemme, Gabriela Lobinger und Stefan Müller-Kroehling 11 Gesundheitswälder – Thema für Bayern? Anne Stöger und Roland Schreiber 44 Testbetriebsnetz Forst: 15 Green Care WALD Österreich Mitmachen und (alle) gewinnen Franziska Krainer Friedrich Wühr 21 »Wald und Gesundheit« – 48 Privatwaldbewirtschaftung Holger Hastreiter ein Thema für die Waldpädagogik Sabine Frommknecht und Dirk Schmechel 50 BaSIS-Wasserhaushalt wird bodensensitiver Tobias Mette, Jürgen Kolb, Oliver Schuster, Wolfgang Falk 23 Junge Menschen und der Stadtwald Berlin und Hans-Joachim Klemmt Julia Möbius 53 Der Wald blüht auf 27 2. Kongress »Gesundheitspotenzial Wald« Fritz Maier und Markus Weihrich Roland Schreiber und Anne Stöger 54 100 Jahre »Fichtenhaus« Bernd Stimm 56 »Allerweltsart« in der Bredouille Patrick Bilan 58 Waldstrukturen im Höhengradienten Angela Siemonsmeier, Markus Blaschke und Bernhard Förster 15 37 Green Care WALD Österreich: Wald ist nicht nur Lebensraum für Tiere Schwammspinner-Massenvermehrung in Franken: Wenn Schwamm- und Pflanzen oder Produktionsstätte für Holz. Wald ist auch bestens spinner sich in einer Massenvermehrung befinden, dann sind die geeignet, soziales, körperliches und psychisches Wohlbefinden zu fördern. für ihre Artenvielfalt bekannten Eichen- und Eichenmischwälder Wie das gehen kann, darauf sucht das Projekt »Green Care WALD« nach besonders gefährdet. Vor einer Bekämpfung sind jedoch Prognose Antworten. Foto: Silke Bernhardt, www.silberfoto.at und naturschutzfachliche Aspekte umfassend zu würdigen. Foto: H. Lemme, LWF Titelseite: Wald heilt – auf natürliche Weise: Waldluft ist reich an Terpenen, die die Körperabwehr steigern. Ein Bett aus Moos lädt ein zu einer erholsamen Pause in einem Wohlfühlraum der besonderen Art. Vogelgesang und andere waldtypische Sinneseindrücke erfreuen Herz und Gemüt der Waldbesucher. Fotos: yul38885, wakila, DutchScenery, istockphoto.com; L. Steinacker, LWF 2 LWF aktuell 2 |2019
Editorial Rubriken Kalender Seite 31 4 Meldungen Forstliche Veranstaltungen auf einen Blick 29 Zentrum Wald-Forst-Holz 33 Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht 63 Waldklimastationen 69 Medien 70 Holzwerkstatt 72 Impressum Liebe Leserinnen und Leser, Wald heilt! Fast schon einem Tsunami gleich (ich übertreibe etwas) schwappt die Welle »Shinrin Yoku« aus dem fernen Japan und dem Fernen Osten Asiens an die »Strände« respektive in die Wälder Europas. »Shinrin Yoku« kann man frei übersetzt als das »Waldbaden« verstehen. Auch eine immmer mehr ansteigende Flut an Artikeln, Büchern, Rundfunk- und Fernsehbeiträgen zum Thema »Wald und Gesundheit« ist festzustellen. Und das hat durchaus seinen berechtigten Grund. Weil Wald tatsächlich gut tut. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Gesundheitswirkung des Waldes – physiologische wie psycho- logische. Daher ist es eine logische Folgerung, dass Gesund- heitsexperten immer mehr den Wald als Raum für therapeutische Übungen und Anwendungen nutzen möchten und auch schon nutzen. So ist im Osteseebad Heringsdorf auf der Insel Rügen im Jahr 2018 der erste Kur- und Heilwald Europas eröffnet worden. Was bedeutet dieser neue Nutzungsansatz für die Forstwirt- schaft? Was kommt in Zukunft auf die Forstverwaltungen und die Waldbesitzer bezüglich dieses Themas zu? Welche Chancen und Risiken tun sich damit auf? Aktuell beginnt in Bayern die Ausbildung von Waldgesundheits- trainern durch den Kneippärztebund in Bad Wörishofen, die bayerische Tourismusbranche startete die Kampagne »Urlaub im Wald« und der Bayerische Heilbäderverband eine Initiative für Heil- und Kurwälder. Erst kürzlich, im Februar, beschäftigte sich 50 auch die Evangelische Akademie Tutzing im Rahmen der jähr- lichen Forsttagung mit der Thematik »Wald und Gesundheit«. Gerade bei diesem Thema darf die Forstverwaltung als wichtiger Kooperationspartner nicht fehlen. BaSIS-Wasserhaushalt wird bodensensitiver: Das Bayerische Standortinformationssystem BaSIS ist ein zuverlässiges Bera- Ihr tungsinstrument unserer Förster. Nach der letzten Überarbei- tung ist es noch besser. Foto: F. Stahl, LWF Olaf Schmidt 2|2019 LWF aktuell 3
Meldungen Waldumbau und Artenvielfalt diese Forschungslücke zu schließen, hat die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft ein neues Forschungsvor- haben (L 59) initiiert. In dem durch die Bay- erische Forstverwaltung geförderten Pro- jekt werden in Nadelholzreinbeständen aus Fichte sowie in Waldumbaubeständen ver- schiedenen Alters während der nächsten Auwald-Flatterulme mit Brettwurzel Foto: G. Janssen drei Jahre Daten zur Waldstruktur, zum Bodenzustand sowie zu zahlreichen wald- und ökosystemrelevanten Artengruppen Flatterulme erhoben. Basierend auf diesen Erhebungen können sodann für die verschiedenen Be- macht das Rennen wirtschaftungssysteme Aussagen zur Bio- diversität sowie zur Struktur- und Nischen Flatterulme, Kornelkirsche und Dou- Foto: O. Ruppert, LWF vielfalt getroffen werden. Dadurch erhof- glasie – diese drei Baumarten stan- Der Umbau von Nadelholz-Reinbeständen fen sich die Wissenschaftler wertvolle Er- den zur Auswahl. Letztendlich wurde wird seit vielen Jahrzehnten mit großem kenntnisse darüber, inwieweit die Arten- aber am 9. November 2018 die Flatter Engagement betrieben und gern auch als vielfalt in unseren Wäldern durch forstliche ulme (Ulmus laevis) zum Baum des das größte Naturschutzvorhaben in unse- Bewirtschaftungsmaßnahmen gezielt ge- Jahres 2019 ausgerufen. Diese Ul- ren Wäldern dargestellt. Bislang gibt es steuert und entwickelt werden kann. menart unterscheidet sich botanisch aber nur wenige Studien, die die Wirkungen Dr. Thomas Kudernatsch, LWF deutlich von Berg- und Feldulme und von Waldumbaumaßnahmen auf die Biodi- www.lwf.bayern.de/biodiversitaet/057845/index.php erwies sich gegen das Ulmensterben versität eingehend untersucht haben. Um als deutlich widerstandsfähiger als ihre beiden Schwestern. Wohl fühlt sich die wasserbegleitende Flatterulme in Feuchtwäldern, Bach- und Fluss- auen. Dort prägt sie zusammen mit Spurensuche Gartenschläfer Stieleiche und Esche die Hartholz- Auwälder, hält sie doch dauerhaft Der Gartenschläfer verschwindet aus Der BUND Naturschutz bittet darum, bei feuchte Böden und längere Überflu- Europa. Auch in vielen Wäldern Bayerns, der Spurensuche nach dem scheuen tungsperioden problemlos aus. Die in denen der Verwandte von Sieben- Bilch mit der »Zorromaske« zu helfen. Flatterulme bildet als einzige heimi- schläfer und Haselmaus früher heimisch Hinweise auf das Vorkommen des sche Baumart Brettwurzeln aus, die war, ist er lange nicht mehr beobachtet nachtaktiven Bilchs können beispiels- einer höheren Stabilität dienen. Ihr worden. Aktuelle Zahlen gibt es mo- weise Nester oder Haare in Vogelbrut- Holz ist schön gemustert und zäh, mentan nur aus dem Naturpark Fichtel- kästen liefern. Eine gezielte Suche kann lässt sich aber schwer bearbeiten. red gebirge, wo seit 2013 Daten zu dem Bilch mit auf Futterköder ausgerichteten www.baum-des-jahres.de gesammelt werden. Um den bundes- Wildtierkameras oder mit Spurtunneln weiten Bestandsrückgang noch aufzu- erfolgen, in denen die Tierchen ihre halten, werden in dem in sechs Bundes- Fußabdrücke hinterlassen. ländern unlängst gestarteten Projekt Uwe Friedel, BUND Naturschutz »Spurensuche Gartenschläfer« nun Da- Beobachtungen (auch Altdaten) – ten über die aktuelle Verbreitung ge- am besten mitsamt Foto – schicken an: sammelt. Zur Auftaktveranstaltung des gartenschlaefer@bund-naturschutz.de Projekts am 8. April in Weißenstadt hielt Olaf Schmidt, Präsident der LWF, ein Grußwort aus forstlicher Sicht an die Teilnehmer. Zentrales Ziel des vom Bundesumwelt- ministerium im Bundesprogramm Biolo- gische Vielfalt und vom Bayerischen Na- turschutzfonds geförderten Projekts ist es, die Ursachen des Rückgangs zu ana- lysieren und daraus geeignete Arten- hilfsmaßnahmen zu entwickeln. Foto: Sven Büchner 4 LWF aktuell 2 |2019
Meldungen Flatterulmen-Pflanzungen gesucht! Haben Sie schon mal Flatterulmen gepflanzt? Dann melden Sie sie uns! Anlässlich ihrer Ernennung zum Baum des Jahres 2019 führt die Bayerische Landes- anstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) ver- schiedene kleinere Forschungen wie die Erstellung einer aktuellen Klimahülle durch. Unter anderem sollen Flatterulmen-Pflanzungen evaluiert werden, um daraus Schlussfolgerungen für zukünftige Emp- fehlungen ableiten zu können, was Standorte, Sor- Foto: © INTEND timent, Pflanzverfahren und weitere Aspekte an- geht. Mit der Umfrage kann wohl keine Vollständig- keit erreicht werden, wohl aber ein möglichst INKA gegen Strukturnachteile repräsentativer Querschnitt. Auch über Meldungen natürlicher Vorkommen freuen wir uns. Sofern Un- Der deutsche Privatwald – teilweise auch der Kommunalwald – ist sicherheiten bestehen sollten, ob es sich um Flatter verhältnismäßig klein parzelliert. 80 % bewirtschaften Teilflächen, die ulmen handelt, unterstützen wir Sie gerne bei der kleiner als 500 ha sind. Eigenes Personal oder eine IT-Infrastruktur Bestimmung. sind hier zu kostspielig; beides ist aber nötig für eine nachhaltige und Da die Flatterulme auch als Stadtbaum sehr geeignet erfolgreiche Bewirtschaftung der Flächen. Zudem sind Betriebe in ist, ist sie in zahlreichen bayerischen Städten präsent, dieser Größe teilweise zu Betriebsinventuren verpflichtet. Das drei- genießt aber keine entsprechende Wertschätzung. jährige, vom Bund geförderte Forschungsprojekt »Integriertes forst Auch Meldungen zu bemerkenswerten Vorkommen liches Informationssystem für den kleinparzellierten Nicht-Staats- in Stadtgebieten nehmen wir daher gerne auf. wald« – kurz INKA – soll Abhilfe schaffen. Ziele des Projekts sind die Über lange Zeit wurde die Flatterulme recht stief- Konzeption eines modernen Informations- und Produktionsplanungs mütterlich behandelt. Erst Arbeiten in den frühen systems (IPPS), die Integration vorhandener Methoden zur Wachs- 2000er Jahren weisen auf die Vorzüge dieser ver- tums- und Bewirtschaftungs-Simulation, die Optimierung forstlicher kannten Baumart hin. Durch die Einschleppung von Geschäftsprozesse, die Integration moderner Mobil- und Portal- Schwarzerlen-Phytophthora und mit dem Eschen- Technologie sowie die Verwendung innovativer Verfahren zur Primär- triebsterben hat die Flatterulme noch einmal an Be- datenerfassung (z. B. Laserscanner oder Drohne). Potenzielle Nutzer deutung gewonnen. Ihre weitgehende Unempfind- sind private Waldbesitzer, waldbesitzende Kommunen, forstliche Be- lichkeit gegenüber Schädlingen und ihre Toleranz triebsgemeinschaften und Zusammenschlüsse, Landesforstverwal- gegenüber schwierigen Standorten haben zwi- tungen und andere forstliche Betreuungseinrichtungen, die Holzin- schenzeitlich dazu geführt, dass sie auf vielen dustrie und die Forsteinrichtung. Für sie alle soll ein hochmodernes, Standorten gepflanzt worden ist. leicht bedienbares und kostengünstiges Betriebsprogramm für ver- Dr. Stefan Müller-Kroehling, LWF schiedene Anwendungsfälle entstehen. Carina Schwab, LWF Ihre Meldungen schicken Sie bitte an: flatterulme@lwf.bayern.de https://forst.fnr.de/service/presse/pressemitteilungen/ Nähere Infos zur Bestimmung und weitere Aspekten unter: www.lwf.bayern.de/waldbau-bergwald/waldbau/109895/in- www.forstpraxis.de/forschungsprojekt-soll-kleinprivatwaldbesitzer-bei- dex.php waldinventur-unterstuetzen/ Waldgebiet des Jahres: Urbane Wälder Rhein/Ruhr Nirgendwo sonst wurde der Wald durch Zum ersten Mal fällt diese Wahl nicht auf die Einwirkungen des Menschen so stark einen eng umgrenzten und historisch beeinflusst und verändert wie in einem einheitlich gewachsenen Wald, sondern Ballungsraum. Ganz besonders gilt das auf alle Wälder einer großzügig abge- für den Wald im Ballungsraum an Rhein grenzten Region. Nirgendwo sonst ist und Ruhr. Und dennoch ist gerade im der Wald so bunt, vielfältig und aufre- Ballungsraum auch der durch menschli- gend wie hier. Hier, das sind urbanen chen Einfluss veränderte Wald noch die Wälder in der Metropolregion Rhein/ natürlichste Lebensgrundlage. Und ge- Ruhr zwischen Bonn, Mönchen-Glad- nau dieser Wald wird in 2019 mit der Er- bach und Hamm. Jens Düring, BdF nennung zum »Waldgebiet des Jahres« www.waldgebiet-des-jahres.de besonders geehrt. Denn in keinem an- deren Wald sind Försterinnen und Förs- Birkenwald auf Industriebrache Foto: B. van Gember ter so gefordert wie hier! 2|2019 LWF aktuell 5
Wald und Gesundheit Wälder in der Therapie schaft in Bayern untersucht. Liegt Wald in erreichbarer Nähe der Kliniken? Nut- zen sie den umgebende Naturraum viel- Wie die Heilkraft der Wälder künftig an Kliniken leicht schon in der Therapie? Gibt es Kli- zum Einsatz kommen könnte niken, die den Wald-Gesundheitstrend bereits bewusst aufgreifen? Um diese 1 Wald tut gut. Foto: WALDNESS® Fragen zu beantworten, wurden drei Fallbeispiele in Süddeutschland identifi- ziert und die Projekte vor Ort analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass neben Reha kliniken und Vorsorgeeinrichtun- gen auch Akutkliniken und Kurorte den Wald therapeutisch nutzen. Analyse der Lage aller Reha- und Vorsor- geeinrichtungen in Bayern In Bayern sind 337 Reha- und Vorsorge- einrichtungen gelistet. Rehabilitations- einrichtungen (Rehakliniken) sorgen für die Wiederherstellung der Alltags- tauglichkeit von Menschen nach einer Erkrankung oder Verletzung. Vorsor- geeinrichtungen haben zum Ziel, Ver- schlechterungen des Gesundheitszu- stands vorzubeugen. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde mit Hilfe von Geoinformationssystemen die Lage der 2 Luftbildaufnahme einer Rehaeinrichtung als Die Heilkraft des Waldes fand in den Beispiel; die kürzeste Wegstrecke ist hier orange Lena Friedmann, Anika Gaggermeier letzten Jahren in den Medien starke Be- markiert. und Michael Suda achtung und setzte in vielen gesellschaft- Inwieweit nutzen Rehabilitationskliniken lichen Bereichen neue Impulse. Es ent- Kliniken im Verhältnis zum Wald analy- und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern den standen zahlreiche Angebote in der Tou- siert (Abbildung 2). Wald bereits in der Therapie und wie wird rismus- und Gesundheitsbranche, die Dabei zeigte sich, dass etwa die Hälfte al- sich die therapeutischen Nutzung des die positiven Effekte des Waldes auf die ler Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in Waldes durch Kliniken in Zukunft entwi- menschliche Gesundheit in Therapie und Bayern, also rund 170, weniger als 500 m ckeln? Der Lehrstuhl für Wald- und Um- für das Marketing nutzen. Zu Beginn Wegstrecke vom nächstgelegenen Wald weltpolitik der Technischen Universität des Projekts stand die Annahme, dass entfernt liegt. Drei Viertel der Einrichtun- München ist nun in einem Forschungs- Rehakliniken und Vorsorgeeinrichtungen gen verfügen über mehr als neun Hekt projekt diesen Fragen nachgegangen. aufgrund langer Aufenthaltsdauern viel ar Wald in einem Umkreis von einem fältige Möglichkeiten haben, den Natur- Kilometer Luftlinie, die Hälfte über mehr raum zu nutzen. Deshalb wurden diese als 38 Hektar und ein Viertel sogar über zunächst beispielhaft für die Klinikland- 77 Hektar. Das bedeutet, dass die räum- 6 LWF aktuell 2 |2019
Wald und Gesundheit Kategorie Beispiele Anzahl der Nennungen 3 Gliederung der bereits draußen stattfindenden Therapiemaßnahmen Kernzone (geringer Bewe- Psychotherapeutische Maßnahmen (wie z.B. Einzel- 33 (20 %) nach ihrem Flächenbedarf und Bewe- gungsradius und Durchfüh- gespräche); Qi Gong; Yoga; Thai Chi; Kreativtherapie; gungsradius rung im Wald möglich) Wahrnehmungsübungen; Atemtherapie; Gymnastik; Meditation; Barfußpfad; Achtsamkeitsübungen Angrenzende Flächen (grö- Nordic Walking/Walking; Wandern und Bergsteigen; 68 (41 %) Innovator 1: Die Psychiatrie im Wald ßerer Bewegungsradius und Joggen; Laufen; Spazieren gehen; Geh- und Lauf- Die Initiative für die therapeutische Nut- auf Wegen im Wald möglich) training; Langlaufen; Radfahren; Reiten zung des die Klinik umgebenden Waldes Bewegungsradius nicht ein- Pädagogische Angebote; Ergotherapie; ungenaue 38 (23 %) ging von einem der befragten Klinikmitar- deutig, aber Durchführung Angaben im Bereich Bewegung; Physiotherapie und im Wald möglich Sport beiter aus. Die Idee für eine Einbeziehung des Waldes wurde von außen an diese be- Nicht im Wald möglich Wassersport; spielerische Sportarten; Klettern; 26 (16 %) Bogenschießen fragte Person herangetragen. Ein Studie- render im Bereich Forst stellte die An- lichen Grundvoraussetzungen für eine Der Wald wird bereits als Therapieort frage, ob es möglich sei, eine Abschluss- Nutzung des Waldes bei einem Großteil genutzt, jedoch spielt er in den überwie- arbeit über den Stellenwert des Themas der Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in genden Fällen im Vergleich zu anderen »Wald und Gesundheit« in der therapeu- Bayern gegeben sind. Naturräumen keine besondere Rolle; in tischen Arbeit der Klinik zu schreiben. einzelnen Fällen wird Wald in den Thera- Die Arbeit kam zwar nicht zustande, aber Telefoninterviews mit Reha- und Vor pieprogrammen bereits gezielt eingesetzt. auf den Impuls des Studierenden hin re- sorgeeinrichtungen in Bayern Es existieren bei den befragten Einrich- cherchierte der Befragte intensiv im In- Um einen Einblick zu gewinnen, inwie- tungen kaum Kooperationen zwischen ternet über das Thema Waldtherapie. Er weit diese Einrichtungen nahegelegene den Waldeigentümern und Kliniken. Ein vernetzte sich mit einem Verein, der sich Wälder bereits nutzen, führten wir Te- Großteil der befragten Kliniken stellt mit dem Thema »Wald und Gesundheit« lefonbefragungen mit 29 zufällig ausge- sich allerdings vor, künftig weitere Teile beschäftigt und Ausbildungsprogramme wählten Reha- und Vorsorgeeinrichtun- des Therapieangebots im Freien durchzu- zur Waldtherapie anbietet, und beging gen durch, die weniger als 500 m Weg- führen. mit einem Vertreter des Vereins die um- strecke von einem Wald entfernt liegen liegenden Waldflächen. Der Wald wurde und psychisch bedingte Krankheitsbilder Interviews mit Vorreitern im Bereich bei der Begehung als geeignet für Thera- behandeln. der therapeutischen Nutzung von Wald piezwecke befunden. Durch den Kontakt Die Auswertung der Befragungsergebnis- Wie könnte die gezielte Nutzung des zu dem Verein erfuhr die befragte Per- se ergab, dass die umgebende Natur be- Naturraums durch Kliniken, aber auch son auch von dem ersten internationalen reits von den Kliniken zu Therapiezwe- durch andere Akteure der Gesundheits- Kongress »Gesundheitspotenzial Wald« cken genutzt wird. Viele Kliniken gaben branchen aussehen? Welche Chancen 2017 im Seebad Heringsdorf. Die Teilnah auch an, Teile des Therapieangebots im und Herausforderungen verbinden die me bestärkte sie dabei, den umliegenden nahegelegenen Wald durchzuführen. beteiligten Akteure mit dem Thema Staatswald künftig therapeutisch zu nut- Die Aktivitäten im Freien reichen von »Wald und Gesundheit«? zen. Der nächste Schritt war die Kontakt- Achtsamkeitsübungen über Bewegungs- Zur Beantwortung dieser Fragen wur- aufnahme zu Revierförstern sowie die therapien bis hin zu unterschiedlichen den Anfang 2018 in Süddeutschland drei Begehung der Waldflächen gemeinsam Sportarten. Abbildung 3 gliedert diese Vorreiter (Innovatoren) identifiziert, die mit diesen. Eine forstwirtschaftliche Nut- Aktivitäten nach dem erforderlichen Flä- sich intensiv mit der Nutzung von Wald zung des Waldes wurde von Seite der Kli- chenbedarf. zu Gesundheitszwecken auseinanderset- nik als Grundvoraussetzung für die Ko- Der größte Anteil der durchgeführten zen. Es handelt sich dabei um einen Kur- operation wahrgenommen. Die Holznut- Aktivitäten im Freien sind sportliche ort und zwei Kliniken im Bereich psychi- zung gehört zum Waldbild vor Ort dazu Maßnahmen mit einem größeren Be- scher Erkrankungen. Inzwischen greifen und es herrscht Vertrauen in den Forst- wegungsradius. Man kann annehmen, weitere Einrichtungen das Thema »Wald betrieb, dass die Bewirtschaftung auch dass diese Aktivitäten überwiegend auf und Gesundheit« auf. Sie werden sich weiterhin mit einer guten Waldpflege ein- vorhandenen Wegen stattfinden. Einen sehr wahrscheinlich an der Vorgehens- hergeht. Darüber hinaus entspricht die nicht unwesentlichen Anteil (21 %) bil- weise der schon vorhandenen Vorreiter Holznutzung der gesellschaftlichen Rea- den psychotherapeutische Maßnahmen orientieren. Die Betrachtung dieser drei lität und soll vor den Patienten nicht ver- und Übungen im Bereich Körperwahr- Vorreiter ermöglicht also einen Blick in borgen werden. nehmung und Achtsamkeit. Diese Thera- die potenzielle Zukunft weiterer Standor- Zum Zeitpunkt des Interviews wartete pieformen gehen mit keiner oder langsa- te. Die identifizierten »Innovatoren« wur- die Klinik auf eine schriftliche Genehmi- mer Fortbewegung einher und benötigen den persönlich besucht und alle Projekt- gung von Seiten des Staatswaldes für die ruhige Rückzugsorte für Einzelgespräche beteiligten mit Hilfe von Leitfadeninter- Gestaltung eines Waldstückes zur thera- oder kleine freie Flächen für Gruppen- views befragt. peutischen Nutzung. Es wurde ein neuer übungen. Mitarbeiter eingestellt, der für die The- rapien im Wald zuständig ist. Zu Beginn der Kooperation zwischen Staatswald und Klinik soll die therapeutische Nut- 2 |2019 LWF aktuell 7
Wald und Gesundheit zung des Waldes auf einer Fläche von vier heitsbildern reduzieren könnten. Darü- waltung aus. Anders als beim Innovator Hektar getestet werden. Auch ein schrift- ber hinaus müssen aus Sicht der Befrag- 1: Psychiatrie im Wald, wurde keine be- licher Vertrag ist geplant. Der Forstbe- ten neben den Krankenkassen auch die stimmte Person von den Befragten als trieb profitiert von dem Projekt durch verschiedenen Akteure innerhalb der Kli- Initiator genannt. Außerdem ist auch einen Imagegewinn. Der Wald wird wei- nik, wie die ärztliche Direktion, die Ge- keine Klinik in die Umsetzung des Vor- terhin forstwirtschaftlich genutzt wer- schäftsleitung und das Controlling, für habens involviert. Die Idee, die positiven den und es soll dem Forstbetrieb kein das Projekt gewonnen werden. Alle Pfle- gesundheitlichen Wirkungen des Waldes Mehraufwand entstehen. Schon früher ger und Therapeuten sollten hinter dem auf den Menschen zu nutzen, liegt in der halfen die Patienten in der Garten- und Projekt stehen, damit der Therapiewald Geschichte des Kurorts begründet. Ne- Arbeitstherapie bei der Pflege von Wan- letztendlich auch genutzt wird. Eine Mo- ben therapeutischen Wasseranwendun- derwegen und Hütten im Wald. Die Ar- tivation zur Projektumsetzung ist für die gen spielt auch die Bewegung in der Na- beitskraft der Patienten, die oftmals jung Befragten der potenzielle Gewinn für die tur eine wichtige Rolle im Kurkonzept und fit sind, kommt auch künftig im ge- Patienten, die mit dem Wald nicht nur der Stadt. Schon vor langer Zeit wurde planten Therapiewald zum Einsatz: Zum eine bessere Therapie genießen, sondern ein Kurpark entworfen und für Bewe- einen als Unterstützung der Mitarbeiter ihre Therapie später auch zu Hause im gungstherapien genutzt. Zusätzlich bezog des Forstbetriebs, zum Beispiel bei der nahegelegenen Wald fortführen können. die Stadt den umgebenden Staatswald in Verkehrssicherung, zum anderen bei der Dieser Transfereffekt ermöglicht vor allem den Gesundheitstourismus mit ein. Es Gestaltung des Therapiewaldes. Im Wald in waldreichen Teilen Deutschlands eine wurden Barfußpfade, Trimm-dich-Pfade sind drei Rundwege geplant, einer davon nachhaltigere Wirkung der Therapie. Die und Gesundheitsthemen-Wege in Koope- soll für gerontopsychiatrische Patienten Befragten erwarten, dass sich die Nut- ration mit dem Forstbetrieb angelegt. In barrierefrei sein. Auch ein Barfußpfad zung von Wald an den Kliniken weiter den 1990er Jahren besuchte ein Wissen- und ein Sitzkreis für Gruppengesprä- verbreiten wird, da die Entfremdung von schaftler aus Japan, der sich intensiv mit che wird integriert werden. Sowohl die der natürlichen Umwelt krank macht und dem Konzept des Wald-Badens (Shin- Physiotherapie als auch Psychotherapie ein bewusster Kontakt mit der Natur im- rin Yoku) beschäftigte, den Kurort. Er könnte künftig draußen stattfinden. Das mer wichtiger wird. erforschte die Gesundheitswirkung der befragte psychologische Personal erwar- Das langfristige Ziel des Projekts ist die Wälder und brachte die Idee des Wald- tet für die Patienten der forensischen Ab- Erweiterung der therapeutisch genutzten Badens in den Kurort. Durch den Kon- teilung durch die Mitarbeit bei der Ge- Waldfläche und die Gestaltung als At- gress »Gesundheitspotenzial Wald« 2017 staltung des Waldes eine gesundheitliche traktion für die Öffentlichkeit. Die frei- im Seebad Heringsdorf, an dem auch ein Verbesserung. Aus ihrer Sicht bietet der zeitliche Nutzung des Waldstückes durch Vertreter der Kurverwaltung teilnahm, Wald seinen Besuchern im Vergleich zu Besucher und andere Personen außer- festigte sich der Entschluss, sich die be- offenen Landschaften das Gefühl von Si- halb der Klinik soll zur Vernetzung der reits langjährige Nutzung der umgeben- cherheit, das vor allem in einem hallen- Klinik mit umliegenden Kurorten und den Natur und des Waldes für Therapien artigen Wald entsteht. Ein Mischwald zur Aufhebung der Stigmatisierung der und Kur-Anwendungen durch die Aus- wird von den Befragten als besonders äs- Psychiatrie beitragen. weisung eines »Kurwaldes« zertifizieren thetisch bewertet. Die Patienten suchen zu lassen. Die Begriffe »Kurwald« und schon jetzt von sich aus alte Bäume im Innovator 2: Der naturverbundene Kurort »Heilwald« stammen aus Mecklenburg- Umkreis der Klinik auf, die sie beson- Die Initiative für die therapeutische Nut- Vorpommern und sind durch verschiede- ders schön finden. Außerdem könnte das zung des Waldes ging laut den Befragten ne Kriterien definiert. Ein Kurwald dient Spiel aus Licht und Schatten in einem von der Kommune bzw. von der Kurver- der Prävention, während der Heilwald sonnendurchschienenen Wald laut den befragten Psychologen eine Augenbewe gung hervorrufen, die auch in der Trauma therapie eingesetzt wird. Bisher kann die Klinik die Therapie im Wald nur über die Bewegungstherapie bei den Krankenkassen abrechnen. Die Befragten sehen besonders in der Phar- maindustrie einen Gegner im Kampf um die Kassenanerkennung von »Wald- therapien«. Sie vermuten, dass die Phar- makonzerne Therapieangebote im Wald ablehnen, da diese den Verbrauch von Medikamenten bei bestimmten Krank- 4 Der Wald ist bestens geeignet für Übungen im Bereich Körperwahr- nehmung und Achtsam- keit. Foto: WALDNESS® 8 LWF aktuell 2 |2019
Wald und Gesundheit auch für akut Kranke in der Therapie ge- nutzt wird. Gesundheitsangebote in Ver- Verbesserung der Keine wirtschaftlichen bindung mit Natur und Wald werden aus Therapie Nachteile Sicht der Befragten immer mehr nachge- Klinik Erfüllung des Allgemein- fragt, vor allem auch im Zuge des zuneh- Positionierung wohlauftrags als innovativer Verantwort- menden negativen Images von Medika- Gesundheitsstandort liche für menten. Im eigenen Kurwald sollen künf- den Wald tig neben Wahrnehmungsübungen wie das Hören, Sehen, Riechen und Ertasten Wirtschaftliche Stärkung Kommune der Region der Natur auch Atemtherapie stattfinden, 5 Kliniken und Kommunen treten mit ähnli- bei der die gesundheitsfördernden Terpe- chen Interessen als Initiatoren und Träger von Projekten zur therapeutischen Nutzung von ne über die Atmung in den Körper aufge- Wald auf. Daneben werden die Verantwortli- nommen werden. Die Kommune könnte chen für den Wald als Hauptakteure wahrge- sich vorstellen, die Wegeinstandhaltung nommen. Eine enge Zusammenarbeit ist wich- tig für die erfolgreiche Projektumsetzung. im Kurwald in die Hände des städtischen Bauhofs zu legen, um dem Forstbetrieb den Mehraufwand zu ersparen. Altersstadien handeln, der bewirtschaftet die wissenschaftliche Literatur zum The- Zum Zeitpunkt des Interviews stand die wird, in dem jedoch keine Rückegassen ma und befand die heilsamen Effekte des Wahl einer geeigneten Waldfläche bevor. sichtbar sind. Spuren der Holzernte sol- Waldes als glaubwürdig und den Wald als Um die Auswahl zu erleichtern, werden len vermieden werden. Daher erwartet er therapiestützende Umgebung passend für von den Befragten offizielle Kriterien für einen größeren Aufwand bei der Holzern- die eigene Klinik. Ergotherapie, Arbeiten »Kur- und Heilwälder« gewünscht. Zur te bei gleichbleibenden Holzertrag. mit Naturmaterialien, Achtsamkeits- und Etablierung solcher Kriterien bestand Das Projekt sieht der Revierleiter als Entspannungsübungen, Spaziergänge, Kontakt zu verschiedenen Verbänden. Möglichkeit zur forstlichen Öffentlich- rezeptive Musiktherapie mit den Klän- Durch eine geschickte Wahl der Wald- keitsarbeit: Am Beispiel des Kurwaldes gen des Waldes könnten im zukünftigen fläche könnten mögliche Konflikte mit kann gezeigt werden, wie Waldnutzung, Heilwald stattfinden und die Genesung anderen Aktivitäten im Wald vermie- Naturschutz und Ästhetik durch die Förs- psychosomatischer Krankheitsbilder för- den werden. Der Wald sollte aus Sicht ter in Einklang gebracht werden kann. dern. Patienten der Psychotherapie könn- der Befragten naturnah sein und wenig Darüber hinaus dient die Kooperation im ten von dem geschützten Gefühl im Wald Wirtschaftswaldcharakter haben. In die- Projekt der Erfüllung des Allgemeinwohl- profitieren. Wie schon bei Innovator 1: sem Kontext wird oft erwähnt, dass as- auftrags. Psychiatrie im Wald erwähnt wurde, tige und urige Bäume sowie Totholz das wird auch hier ein Transfereffekt erwar- Waldbild bereichern. Was unter den Be- Innovator 3: tet. Was die Patienten in der Therapie griffen »naturnah« oder »Wirtschafts- Das Team aus Klinik und Gemeinde lernen, können sie später in einem Wald wald« verstanden wird, ist sehr subjek- Laut den Befragten kam der Kliniklei- in der Nähe ihres Wohnortes fortführen, tiv und wird von Interviewpartner zu tung der dritten Fallstudie die Idee zur um gesund zu bleiben. Teil der Therapie Interviewpartner sehr unterschiedlich Ausweisung eines »Heilwaldes« durch soll künftig auch die Schulung der Sin- definiert. Einigen Befragten ist bewusst, den Kontakt mit einer Klinik in Meck- nesorgane sein, die die Verbindung des dass ihr Wunsch nach einem möglichst lenburg-Vorpommern, die zusammen mit Ichs mit der schönen Waldumgebung er- natürlichen und nicht bewirtschafteten der Universität Rostock die Ausweisung möglicht. Die Verbindung zur Natur ging Wald mit der Verkehrssicherheit in Kon- eines »Kur- und Heilwaldes« an ihrem den Patienten der Klinik im Verlauf ihres flikt steht und sie diskutierten zum Zeit- Standort untersucht. Die Klinikleitung Lebens oftmals verloren und muss in der punkt des Interviews über Lösungswege. befasste sich mit dem Thema und ver- Therapie wiederhergestellt werden. Oftmals ist nicht bekannt, dass die Ver- glich die Kriterien mit den Gegebenhei- Auf dem ersten internationalen Kongress kehrssicherung eine gesetzliche Pflicht ist ten am eigenen Standort. Die Erkennt- zum »Gesundheitspotenzial Wald« 2017 und welche Folgen die Verletzung für die nis, dass die Heilwald-Kriterien im Wald im Seebad Heringsdorf baute der Bürger- Waldbesitzer haben kann. vor Ort sehr gut erfüllt sind beziehungs- meister ein Netzwerk auf und sammelte Ein wichtiger Prozessschritt für das Pro- weise erfüllt werden können und ein Be- weitere Erkenntnisse. Er einigte sich mit jekt war ein Treffen zwischen Revierlei- schluss der Gemeinde, sich wirtschaft- der Klinikleitung auf eine Waldfläche ge- ter und der Kurverwaltung, die bereits lich stärker als Gesundheitsstandort zu genüber der Klinik. Diese Waldfläche lag durch andere gemeinsam durchgeführte positionieren, mündeten in dem Impuls, im Besitz des Landes. Um den Prozess zu Projekte (z. B. Gesundheitsthemen-We- selbst ein Projekt anzustoßen. Die Kli- vereinfachen, wurde ein Flächentausch ge) ein gutes Verhältnis pflegten. Für die nikleitung kontaktierte mit dieser Idee zwischen der Gemeinde und dem staat- forstlichen Akteure ist es wichtig zu klä- den Bürgermeister der Gemeinde, der lichen Forstbetrieb vereinbart, sodass ren, wer den anfallenden Mehraufwand über einen forstlichen Hintergrund ver- der künftige »Heilwald« in den Besitz und die Kosten für einen Kurwald trägt. fügt. Beide informierten sich im Internet der Kommune überging. Dieser Flächen- Aus Sicht des Revierleiters sollte es sich über das Thema und tauschten sich über tausch ermöglicht kurze Entscheidungs- idealerweise um einen strukturreichen Konzepte und Möglichkeiten zur Umset- wege zwischen der Gemeinde und der Mischbaumbestand mit verschiedenen zung aus. Chefärztliches Personal prüfte Klinik. Zur Konzeption des »Heilwald«- 2 |2019 LWF aktuell 9
Wald und Gesundheit Projekts wurde ein Landschaftsplanungs- soll lediglich zur Verkehrssicherung bezogen werden, um zu vermeiden, dass büro hinzugezogen, das einen Entwurf eingegriffen werden. Die Kooperati- deren Privatsphäre beeinträchtigt wird. für die Gestaltung des etwa sechs Hekt- on des staatlichen Forstbetriebs war Zur Finanzierung wurde ein Antrag im ar großen Waldstückes anhand von Heil- essenziell, da dieser ursprünglich im Rahmen der Förderung des Gesund- waldkriterien aus Usedom erstellt. Die Besitz des Waldstückes war und so- heitstourismus beim Land gestellt. Ei- Klinikleitung strebt einen sehr sparsa- mit neben Klinik und Kommune ein nen Teil der Kosten wird die Klinik tra- men Einsatz von Gerätschaften an, um Hauptakteur im Projekt ist. gen. Die Einweihung ist für das Frühjahr den Naturraumcharakter des Waldes Zum Zeitpunkt des Interviews arbei- 2019 geplant. Das »Heilwald«-Projekt soll nicht zu stören. tete man laut den Befragten an der zusätzlich als Pilotprojekt für die Region Es ist geplant, den Wald nicht weiter Beteiligung aller Akteure und der dienen. In der Gemeinde liegt eine zwei- zu bewirtschaften. Der Heilwald dient Beschaffung geeigneter Fördergel- te Klinik an einem Waldrand, für die das der wirtschaftlichen Stärkung der sonst der für die Umsetzung des Projekts. Konzept möglicherweise auch interes- strukturschwachen Region und der Po- Dazu müssen zum Beispiel auch An- sant ist. sitionierung als Gesundheitsstandort. Es lieger in die Planung des Waldes ein- Zusammenfassung Erste Akteure des Gesundheitswesens greifen das Wissen über die gesundheitsfördernden Effekte des Waldes auf und planen die öffentlichkeitswirksame, therapeutische Nutzung nahege- Wald wirkt gesundheitsfördernd legener Waldflächen. Die Initiative ging dabei von der Klinik oder der Kommune aus. Die forstlichen Akteure des Staatswaldes Der Ansatz des sogenannten Exposoms stellt die Wirkung von Natur auf die menschliche fühlen sich durch den Allgemeinwohlauftrag zur Kooperation Gesundheit in einen größeren Kontext. Das Exposom ist definiert als die Gesamtheit aller verpflichtet. Kommunale Waldbesitzer handeln im Interesse der Einflüsse, der die menschliche Gesundheit über den Zeitraum der Empfängnis bis zum Kommune und teilen das Interesse der Initiatoren. Tod ausgesetzt ist (Wild 2005). Der Gesundheitszustand des Menschen hängt von einer Den ersten Vorreitern könnten viele weitere folgen. Allein von Vielzahl von Faktoren ab. Neben genetischen Veranlagungen, die etwa 10 % (Rappaport den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in Bayern befindet sich 2010) des Gesundheitsrisikos ausmachen, werden diese Einflüsse nach Wild (2005) in drei die Hälfte (also rund 170) weniger als etwa 500 m Wegstrecke unterschiedliche Bereiche kategorisiert. Die interne Umgebung beschreibt körpereigene vom nächstgelegenen Wald entfernt. In Waldnähe gelegene Faktoren wie bereits bestehende Krankheiten, die vorhandenen Darmbakterien oder den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen führen bereits jetzt Teile des Zustand des Stoffwechsels. Die externe Umgebung wird in zwei Bereiche gegliedert. Die Therapieangebots im Freien durch, wenn die Patienten durch spezifische externe Umgebung umfasst Faktoren wie Ernährung, Bewegung und den ihre Krankheit nicht in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Der Genuss von Konsumgüter, wie zum Beispiel Tabak oder Alkohol. Die allgemeine externe Wald spielt bei den meisten Befragten im Vergleich zu anderen Umgebung bezieht sich auf das, was wir im allgemeinen Sprachgebrauch unter Umgebung Naturräumen keine besondere Rolle, sondern wird als Teil der verstehen wie beispielsweise das Klima, das urbane und soziale Umfeld oder auch der natürlichen Umgebung mitgenutzt. Schon jetzt können sich die Straßenverkehr oder zur Verfügung stehende Grünräume. Aufenthalte in oder Kontakt mit Vertreter eines Großteils der Kliniken vorstellen, künftig noch Natur wirken sich überwiegend vorteilhaft auf den Gesundheitszustand von Menschen mehr Therapien im Freien durchzuführen. Sollte sich heraus- aus. Ob der Wald dabei eine besondere Rolle im Vergleich zu anderen grünen Umgebungen stellen, dass der Wald im Vergleich zu anderen Grünräumen eine einnimmt, ist bisher nicht erforscht. besondere gesundheitsfördernde Wirkung hat, wird der Anteil der Kliniken wachsen, die den Wald gezielt in der Therapie ein- Das Exposom angelehnt an Wild (2005 und 2012), Vrijheid (2014) und Rappaport (2010): Wald als Green setzen. Space ist Teil der ‚allgemeinen externen Umgebung‘ des Menschen und wirkt sich ebenso wie andere Literatur Umwelteinflüsse auf die Gesundheit aus. Rappaport, S.M. (2010): Implications of the exposome for exposure science. Journal of exposure science & Environmental Epidemiology Spezifisches (21), S. 5–9 externes Umfeld Vrijheid, M. (2014): The exposome: a new paradigm to study the impact of environment on health. Thorax, 69 (9), S. 876–878 Stress Rauchen Wild, C.P. (2005): Complementing the genome with an »exposome«: the outstanding challenge of environmental exposure measurement in Bewegung molecular epidemiology. Cancer epidemiology, biomarkers & preventi- Medizinische Entzündungen on, 14 (8), S. 1847–1850 Ernährung Intervention Oxidativer Wild, C.P. (2012): The exposome: from concept to utility.International Konsum- Journal of Epidemiology, 41 (1), S. 24–32 Übergewicht Stress güter Stoffwechsel Gesundheitsrisiko Projekt Internes Umfeld und Das Projekt »Der therapeutische Beitrag von Wäldern zu Rehakliniken Klima Natur Folgenabschätzung in Bayern« (ST 332) wurde in enger Kooperation mit den Abteilungen »Waldbesitz, Beratung, Forstpolitik« und »Wissenstransfer, Öffent- Wohnort Schadestoffe lichkeitsarbeit, Waldpädagogik« der Landesanstalt für Wald und Forst- Darmflora Soziales Schadstoffe Bestehende wirtschaft am Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik der Technischen Universität Münschen durchgeführt und vom Bayerischen Staatsminis- Umfeld Krankheiten terium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert. Erreger Verkehr Strahlung Autoren Lena Friedmann (M.Sc.) bearbeitete am Lehrstuhl für Wald- und Um- Allgemeines weltpolitik der Technischen Universität München den Bereich Wald und Gesundheit. externes Umfeld Dr. Anika Gaggermeier ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wald- und Umweltpolitik und verantwortlich für Lehre und unter anderem die Un- Lebenslauf terstützung des Bereichs Wald und Gesundheit. Prof. Dr. Michael Suda ist Inhaber des Lehrstuhls für Wald- und Um- weltpolitik. Kontakt: anika.gaggermeier@tum.de 10 LWF aktuell 2 |2019
Wald und Gesundheit 1 Im Ostseebad He- ringsdorf auf der Insel Usedom hat der Bäder- verband Mecklenburg- Vorpommern e.V. den ersten Kur- und Heil- wald Deutschlands und Europas eröffnet. Foto: Bäderverband Mecklen- burg-Vorpommern e.V. Gesundheitswälder – Thema für Bayern? Ein Überblick der aktuellen Entwicklungen rund um das Thema »Wald und Gesundheit« Anne Stöger und Roland Schreiber schaft beziehungsweise die Fähigkeit, den ten werden, dass ein Gesundheitswald Gesundheitswälder stammen aus Ostasi- Zustand vollständigen Wohlbefindens Teil eines Erholungswaldes ist (Abbil- en, genauer gesagt aus Japan und Süd- herzustellen oder zu erhalten. An der dung 2). Vereinfacht formuliert bedeutet korea. Nun hat sie auch das Bundesland zugrunde gelegten Definition der WHO das: Jeder Gesundheitswald ist auch ein Mecklenburg-Vorpommern aus der Taufe wird durchaus deutlich, dass es verschie- Erholungswald, aber nicht jeder Erho- gehoben, sprich – in Gesetze und Ver- dene Arten von Gesundheitswäldern ge- lungswald ist ein Gesundheitswald. ordnungen gegossen. Die Rede ist von ben kann. Gesundheitswälder mit dem Derzeit haben wir in Deutschland zwei Kur- und Heilwäldern. Was steckt hinter Fokus auf physische Erkrankungen, wie verschiedene Arten von Gesundheits- diesen Begriffen, was bedeuten sie – zum Beispiel des Bewegungsapparates wäldern: den Kurwald und den Heil- und: Was bedeutet das Thema »Wald und oder Herz-Kreislauf- Erkrankungen, soll- wald. Beides wurde bereits im Bundes- Gesundheit« in Bayern? ten anders aufgebaut und dem Gesund- land Mecklenburg-Vorpommern definiert heitsziel angepasste Infrastruktur haben und gesetzlich festgeschrieben (Bäderver- als Gesundheitswälder mit der Ausrich- band Mecklenburg-Vorpommern 2015). In den letzten Jahren hat sich das The- tung auf psychische Erkrankungen. Auf dem 2. Internationalen Kongress für ma »Wald und Gesundheit« in Deutsch- Nun stellt sich die Frage, inwiefern sich Wald und Gesundheit 2018 in Krems land immer weiter etabliert. Seinen Ur- ein Gesundheitswald von einem bereits wurden diese Definitionen, vom Bäder- sprung haben die Gesundheitswälder in in Bayern etablierten und gesetzlich fi- verband Mecklenburg-Vorpommern ge- Asien, vor allem in Südkorea und Japan. xierten Erholungswald unterscheidet. prägt (Bäderverband Mecklenburg-Vor- Die Nachfrage in der Gesellschaft zu ge- Erholung nach der Definition des Deut- pommern 2015), von der Wissenschaft sundheitlichen Angeboten in den Wäl- schen Dudens ist das Zurückgewinnen offiziell anerkannt. dern steigt. Auch in Bayern gibt es täglich von Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Beim Vergleich der drei Kategorien fällt mehr Angebote zum Thema »Wald und Auf Grundlage dieser Definition ist die auf, dass der Grad der Vorsorge, also der Gesundheit« und Gemeinden und Reha Erholung als Überbegriff zu verstehen Prävention steigt (Abbildung 3). Dem- kliniken sehen ein großes Potenzial in und vereint unter sich die Gesundheit entsprechend verändern sich auch die »Gesundheitswäldern«. mit seinen drei charakteristischen Zu- Ansprüche an den jeweiligen Wald. Ein ständen des Wohlbefindens. Bezogen auf Heilwald hat im Vergleich zu einem Er- Was ist ein »Gesundheitswald«? den Wald kann schlussfolgernd festgehal- holungswald für die Gesamtbevölkerung Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert den Begriff der Gesundheit als 2 Systematisierung einen Zustand vollständigen physischen, Erholungswald von Erholungswäldern für die Gesamtbevölkerung geistigen und sozialen Wohlbefindens, Erholungswald Kurwald der sich nicht nur durch die Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen auszeich- Gesundheitswald net. Bei Zugrundelegung dieser Definiti- Heilwald on hat ein Gesundheitswald die Eigen- 2 |2019 LWF aktuell 11
Wald und Gesundheit andere Kriterien zu erfüllen und muss 3 Die Gesundheits mit speziellen infrastrukturellen Einrich- wälder unterscheiden sich im Grad der Prä- tungen versehen werden (Bäderverband vention Gesundheitswald Mecklenburg-Vorpommern 2015). für die Kurwald Heilwald Gesamtbevölkerung (Sekundärprävention) (Tertiärprävention) Beispielobjekt Mecklenburg- (Primärprävention) Vorpommern In Mecklenburg-Vorpommern gibt es seit dem Jahr 2017 den ersten gesetzlichen Kur- und Heilwald (Menning 2016). Die- ser befindet sich im Ostseebad Herings- waldgesetzes im Jahr 2011 besteht in eine solche Verpflichtung nach Art. 18 dorf auf der Insel Usedom. Der Kur- und Mecklenburg-Vorpommern die Möglich- Abs. 1 bzw. Art. 19 Abs. 1 BayWaldG. Heilwald soll bei Erkrankungen der Atem- keit, neben dem klassischen Erholungs- Neben dem Art. 1 BayWaldG lässt sich wege, der Haut und des Bewegungsap- wald auch den Kurwald und Heilwald im Waldgesetz für Bayern noch eine parates, bei psychosomatischen Erkran- rechtskräftig auszuweisen (§ 22 Landes- zweite, wahrscheinlich auch bekannte- kungen wie Burnout, bei Schlaflosigkeit waldgesetz Mecklenburg-Vorpommern). re Rechtsquelle finden. Der Art. 12 Bay- oder Depressionen, bei Erschöpfungszu- Die Ausweisung von Kurwald oder Heil- WaldG beschreibt in Bayern den gesetz- ständen helfen und unterstützt die Stär- wald erfolgt über ein Rechtssetzungsver- lichen Erholungswald: »Wald, dem eine kung des Herz-Kreislaufsystems (Bä- fahren durch die oberste Forstbehörde, außergewöhnliche Bedeutung für die Er- derverband Mecklenburg-Vorpommern das Ministerium für Landwirtschaft, Um- holung der Bevölkerung zukommt, kann 2019). Ein gekennzeichnetes Wegenetz welt und Verbraucherschutz Mecklen- durch Rechtsverordnung zum Erholungs- mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden burg-Vorpommern (Menning 2016). wald erklärt werden.« dient der Bewegungsmotivation. An ver- Das Gesetzesziel aus Art. 1 BayWaldG schiedenen Waldplätzen können speziel- Was sagt das bayerische Waldgesetz zum ist in dem Art. 12 BayWaldG in Verbin- le körperliche oder meditative Übungen Thema Gesundheitswälder? dung mit den Art. 14, Art. 18 und 19 Bay- gemacht werden, die das ganzheitliche Für Bayern stellt sich die Frage, ob und WaldG konkret ausgestaltet worden. Die Wohlbefinden fördern (Bäderverband wo sich in den vorhandenen Rechtsquel- Konkretisierung und rechtliche Festset- Mecklenburg-Vorpommern 2019). len Grundlagen für einen Gesundheits- zung nach Art. 12 BayWaldG wird sich Das Bundesland hat schon vor vielen wald in Bayern befinden. Im Waldgesetz auf einzelne Waldgebiete in Bayern be- Jahren das Potenzial und die Notwen- für Bayern finden wir gleich im zweiten schränken, wobei im Gegensatz dazu der digkeit von Gesundheitswäldern er- Satz in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG Art. 1 BayWaldG für die gesamte Wald- kannt. Mit der Novellierung des Landes- einen Hinweis auf die Gesundheit: »Der fläche in Bayern seine Gültigkeit hat. Die Wald hat besondere Bedeutung für den im Art. 12 BayWaldG genannte außerge- Schutz von Klima, Wasser, Luft und Bo- wöhnliche Bedeutung eines Waldes für den, Tieren und Pflanzen, für die Land- die Erholung der Bevölkerung bestimmt schaft und den Naturhaushalt. Er ist sich nach der tatsächlichen Inanspruch- wesentlicher Teil der natürlichen Le- nahme eines Waldes für die Erholung. In bensgrundlage und hat landeskulturelle, der Regel wird diese außergewöhnliche wirtschaftliche, soziale sowie gesundheit- Bedeutung nur Wäldern in der Umge- liche Aufgaben zu erfüllen.« bung von Städten, Fremdenverkehrs- und Der Wald in Bayern hat nach dem Gesetz Kurorten sowie anderen Schwerpunkten gesundheitliche Aufgaben zu erfüllen, des Erholungsverkehrs zukommen (Zerle das heißt die Eigenschaft beziehungswei- et al. 2018). Maßgebliche Hinweise hier- se die Fähigkeit, den Zustand vollstän- für liefern die Erkenntnisse aus der Wald- digen physischen, geistigen und sozialen funktionsplanung. Die Zuständigkeit zur Wohlbefindens herzustellen oder zu er- Erklärung in Form der Rechtsverordnung halten. Im weiteren Verlauf des Artikel 1 liegt bei der Kreisverwaltungsbehörde BayWaldG wird erweitert dargestellt, (vgl. Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 BayWaldG) im dass die Erholung der Bevölkerung im Benehmen mit der örtlich zuständigen Wald zu ermöglichen und die Erholungs- unteren Forstbehörde (Art. 37 Abs. 2 möglichkeiten zu verbessern sind (Art. 1 BayWaldG). Da es sich beim Art. 12 Bay- Abs. 2 Nr. 5 BayWaldG). Für den Privat- WaldG um eine Kann-Vorschrift handelt, waldbesitz kann eine Pflicht zur Verbes- haben die Kreisverwaltungsbehörden ei- serung nicht abgeleitet werden, hier gilt nen weiten Ermessensspielraum bei der grundsätzlich, den Wald sachgemäß zu Ausweisung (Zerle et al. 2018). 4 »100 Fußstapfen« ist eine der zahlreichen bewirtschaften (Art. 14 BayWaldG) und Die Ausweisung von Erholungswald soll Stationen an den Wegen des Kur- und Heilwaldes in Heringsdorf, die Patienten und Besucher zu spe die sozialen Funktionen zu gewährleisten überwiegend in den Gebietskörperschaf- ziellen körperlichen oder meditativen Übungen (Art. 4 Nr. 1 BayWaldG). Für den Staats- ten erfolgen, d. h. im Wald des Freistaa- einladen. Foto: Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. und Körperschaftswald aber ergibt sich tes Bayern, der Bezirke, Kreise sowie der 12 LWF aktuell 2 |2019
Wald und Gesundheit 5 Voraussetzungen angeboten steigt. Vor allem wollen im- für die Umsetzung Natürliche Voraussetzungen mer mehr Menschen in der hektischen eines Gesundheits waldes (Klinkmann und reizüberfluteten Welt und im Zeit- 2018) alter der digitalen Medien zurück zur Aktionsbündnis Standort Ursprünglichkeit, Entspannung und Achtsamkeit. Das Thema »Wald und Ge- sundheit« ist für die bayerische Forstwirt- Forst Nutzer schaft eine Möglichkeit, das Ökosystem Wald der Bevölkerung näher zu bringen. Für Waldbesitzer: Die Anerkennung für Medizin Tourismus den eigenen Wald steigt und durch Part- nerschaften kann u. U. zusätzliches Ein- Politik kommen generiert werden. Die multi- funktionale Forstwirtschaft mit all ihren Waldfunktionen wird dadurch nicht ein- geschränkt. Waldbesitzer können für ih- Projekt ren Wald eine den jeweiligen Bedingun- Finanzierung Träger Gesundheitswald gen angepasste Besucherlenkung erhal- ten (Abbildung 7). Für die Regionen: Für Gemeinden besteht Gemeinden (Zerle et al. 2018). Privat- sätze, waldbasierte Grundlagen, Touris- die Möglichkeit, sich Projekte finanziell wald soll zum Erholungswald nur erklärt mus, Vermarktungsstrategien, medizi- fördern zu lassen – zum Beispiel über das werden, wenn hierfür ein besonderes Be- nische Grundlagen und die praktische Förderprogramm LEADER. In den Regi- dürfnis vorliegt und ein geeigneter Wald Umsetzung von Gesundheitswäldern. onen kann eine breitere Angebotspalette im Eigentum von Gebietskörperschaften Damit das Projekt »Gesundheitswald« für Touristen und Tagesgäste angeboten nicht zur Verfügung steht oder wenn es erfolgreich umgesetzt werden kann, ist werden. Dadurch wächst die Wirtschafts- die Gemengelage mit solchem Wald erfor- ein Bündnis verschiedenster Akteure aus kraft, Arbeitsplätze können erhalten oder dert (Art. 12 Abs. 2 Satz 1,2 BayWaldG). Forst, Medizin, Politik und Tourismus sogar ausgebaut und die Region gestärkt Zusammenfassend kann festgehalten notwendig. Zudem müssen die örtlichen werden (Abbildung 7). werden, dass in Bayern der Wald seine Gegebenheiten analysiert und bewertet Für die Forstverwaltung: Es bietet sich die gesundheitlichen Aufgaben nach Art. 1 werden (Abbildung 5). Chance für die Forstverwaltung, bei der BayWaldG vor allem in Erholungswäl- Für das Projekt »Gesundheitswald« in Realisierung von regionalen Projekten dern gem. Art. 12 BayWaldG bzw. in den Bad Birnbach sind soweit die wichtigs- aktiv mitzugestalten. Die Forstverwal- Erholungswäldern der Stufen I und II der ten Akteure beteiligt und erste Wald tung ist erster Ansprechpartner bei fach- Waldfunktionsplanung (Art. 6 BayWaldG) standorte wurden bereits besichtigt. An lichen und hoheitlichen Fragestellungen erfüllt. dem Projekt Mitwirkende sind neben rund um den Wald und sollte auf diesen der Bayerischen Landesanstalt für Wald Gebieten die Deutungshoheit nicht an Was tut sich bereits in Bayern? und Forstwirtschaft das zuständige Amt fachfremde Anbieter abtreten. Das The- Der Bayerische Heilbäder-Verband hat für Ernährung, Landwirtschaft und Fors- ma »Wald und Gesundheit« ermöglicht für Bayerns Kurorte Anfang Januar ein ten Pfarrkirchen, die FH Deggendorf mit zudem die forstliche Öffentlichkeitsar- Projekt »Wald und Gesundheit« gestar- der Professur für Economy in Tourism beit, den Wissenstransfer und die Netz- tet, um ein neues Alleinstellungsmerk- Management, die LMU München mit werkarbeit mit Bildung neuer Partner- mal für Gesundheit, Wohlfühlen und für der Professur Public Health und Versor- schaften und Allianzen zu fördern (Ab- Lebensqualität zu entwickeln. Ziel dabei gungsforschung sowie die örtliche Kur- bildung 7). soll es sein, den Patienten auf Führungen verwaltung Bad Birnbach. und auf Lehrpfaden die Pflanzen- und Ein weiteres bereits begonnenes Projekt Tierwelt greifbar zu machen und somit ist ein Gesundheitsparcours im Amtsbe- auch waldpädagogische Angebote in die reich des AELF Bamberg. Hier ist das Produktentwicklung mit aufzunehmen. Ziel, einen Parcours mit verschiedenen Im vergangenen Herbst ist in der Gemein- Themenbereichen (Ruhe, Fitness, Moto- de Bad Birnbach im Landkreis Rottal-Inn rik) in Kooperation mit einer ansässigen ein Projekt zur Etablierung eines Gesund- Klinik zu gestalten. heitswaldes angelaufen. Ziel dieses Pilot- projektes in Bayern ist es, ein umfassen- Herausforderungen und Chancen durch des Konzept mit allen betroffenen und »Wald und Gesundheit« 6 Wald bewegt. Wald tut gut. Wald heilt. Kein notwendigen Partnern zu entwickeln, Für die Gesellschaft: Die Interessen der Wunder, wenn auch im Waldland Bayern »Wald und um einen Leitfaden für Gesundheitswäl- Gesellschaft haben sich in den letzten Gesundheit« ein wichtiges Thema wird. Foto: T. Immler, der zu erstellen. Inhaltlich abgehandelt Jahren deutlich verändert und die Nach- AELF Ebersberg werden unter anderen rechtliche Grund- frage nach Erholungs- und Gesundheits- 2 |2019 LWF aktuell 13
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