Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

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Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
2. Quartal 2020; ISSN 1435-4098; Einzelpreis: € 5,–

aktuell                                               2|2020
                                                        Ausgabe 125

Wald unter Druck

Das Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
im Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Inhalt

                 		Klimawandel                                                               Wald & Mehr
               6 Der bayerische Weg                                                     41 Holzlogistik: Chancen und Risiken
                 zu zukunftsfähigen Wäldern                                             		 bayerischer Rundholzfrächter
                    Hans-Joachim Klemmt, Wolfgang Falk, Ottmar Ruppert,                      Sebastian Gößwein und Herbert Borchert
                    Wolfram Rothkegel, Alwin Janßen und Stefan Tretter
                                                                                        44 Debarking Heads
              10 Extremjahre im Laubwald                                                     Caroline Bennemann, Joachim B. Heppelmann, Stefan Wittkopf,
                    Stephan Thierfelder                                                      Andrea Hauck, Jochen Grünberger, Bernd Heinrich und Ute Seeling

              14 Die Zukunft der Kiefer in Franken                                      47 Die Vögel in meinem Garten
                    Tobias Mette und Christian Kölling                                       Peter Hagemann

              18 Risiken mindern durch Mischung                                         50 Vier Jahrzehnte forstliche Ressortforschung
                    Stefan Friedrich und Thomas Knoke                                        Sabine Hahn und Franz Binder

              22 Das Risiko ist entscheidend: Baumarten                                 52 Natura 2000 in die Fläche bringen
                 betriebswirtschaftlich kalkuliert                                           Kathrin Böhling, Helena Eisele und Alexander Rumpel

                    Günter Biermayer
                                                                                        56 Der Steigerwald auf dem Weg zum
              26 Klimawandel aus Nord(west)en!                                             Europäischen Kulturerbe-Siegel
                    Alexandra Wauer und Hans-Joachim Klemmt                                  Luitpold Titzler, Thomas Büttner und Birgit Kastner

              30 Satelliten erfassen Waldschäden                                        58 Waldbewirtschaftung im Kleinprivatwald
                    Christoph Straub und Rudolf Seitz                                        Holger Hastreiter

                                                                                        60 Angespannte Ertragslage für Waldbesitzer
                                                                                             Friedrich Wühr

10                                                                        18
Extremjahre im Laubwald: Die Jahre 2015, 2018 und 2019 waren zu           Risiken mindern durch Mischung: Jeder kennt dieses Weisheiten: »Wer
trocken und zu heiß. Besonders litten die unter- und mittelfränki-        streut, rutscht nicht« oder »Nicht alles auf eine Karte setzen«. Und auch
schen Laubwaldbestände. Der Umgang mit den geschädigten                   in der Finanzwirtschaft ist Diversifikation ein gängiges Prinzip. »Die Mi-
Wäldern ist eine große Herausforderung für Waldbesitzer und               schung macht’s« gilt auch in der Forstwirtschaft – ökologisch wie auch
­Forstleute. Foto: S. Thierfelder, AELF Schweinfurt                       ökonomisch. Foto: G. Brehm, AELF Fürstenfeldbruck

             Titelseite: Heiße und trockene Sommer prägten die
             letzten Jahre - ebenso schwere Stürme und Orkane.
             Schwer lasten die Folgen des Klimawandels auf
             Wald und Forstwirtschaft. Fotos: grafxart8888, Herzstaub,
             Viktor Cap, Ivanco Vlad, Fotomontage: C. Hopf, LWF

2    LWF aktuell 2 |2020
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Editorial

		Rubriken
                                           Kalender Seite 35
  4 Meldungen                             Forstliche Veranstaltungen
                                           auf einen Blick
33 Zentrum Wald-Forst-Holz

37 Amt für Waldgenetik

63 Waldklimastationen

69 Medien

70 Holzwerkstatt

72 Impressum
                                                                        Liebe Leserinnen und Leser,

                                                                        Die trockenen Sommer der letzten Jahre haben in unseren Wäldern
                                                                        zu besorgniserregenden Schäden geführt. Nördlich der Donau
                                                                        waren die Bäume sogar doppelt so vielen Trockenstresstagen
                                                                        ausgesetzt als südlich der Donau. Neben der trockenheitsemp-
                                                                        findlichen Fichte vertrockneten auch ältere Buchen und Hainbu-
                                                                        chen, in Teilen Frankens starben auch Kiefern in großer Zahl ab.
                                                                        Auch der Schwächeparasit Diplodia pinea, der Erreger des Kiefern-
                                                                        triebsterbens, tritt zusehends häufiger auf – auch an der klima-
                                                                        toleranten Schwarzkiefer. In vielen Fichtenwäldern explodierten
                                                                        die Populationen der Fichtenborkenkäfer. An unseren Ahornarten
                                                                        trat in den letzten Jahren die Ahorn-Rußrindenkrankheit auf, die
                                                                        auch gesundheitliche Probleme für den Menschen mit sich bringt.
                                                                        Schwammspinner und Eichenprozessionsspinner fraßen in Franken
                                                                        Eichen und Buchen kahl. Forstkulturen vertrockneten, die hoff-
                                                                        nungsvoll gepflanzten Bäumchen fielen aus.

                                                                        Viele Waldbesitzer resignieren angesichts dieser Situation und
                                                                        stellen immer wieder die Frage, »Was sollen wir pflanzen? Wie
                                                                        soll es weitergehen?« Diese Befürchtungen sind verständlich,
                                                                        dennoch würde ich nicht von »Waldsterben 2.0« sprechen. Wald-
                                                                        bestände, insbesondere Fichtenbestände, sterben tatsächlich ab,
                                                                        aber wir können trotzdem wieder Wald begründen. Allerdings wird
                                                                        der neue Wald ein anderer Wald sein. Die Baumartenmischung wird
                                                                        größer, Pionierbaumarten nehmen an Bedeutung zu, zuwachsstar-
                                                                        ke Nadelbäume gehen landesweit zurück. Der Wald wird dadurch

47
                                                                        vielerorts vielfältiger und risikoärmer, aber auch ertragsschwächer.

                                                                        Aber Forstleute und Waldbesitzer können für den neuen Wald die
                                                                        Weichen stellen. So gestalten sie auch die Zukunft für unsere Ge-
                                                                        sellschaft mit und erhoffen sich durch Förderung auch Unterstüt-
                                                                        zung für diese riesige Aufgabe des Waldumbaus. Daher möchte ich
Die Vögel in meinem Garten: Ein Vierteljahrhundert lang hat Peter       mich hier dem zuversichtlichen Wort Martin Luthers anschließen:
Hagemann akribisch Buch geführt über die zahlreichen Vogel­
arten, die seinen Garten zum Verweilen, zur Nahrungs­suche
                                                                        »Und wenn morgen die Welt unterginge, will ich heute noch mein
und zur Fortpflanzung aufsuchten. Sein Engagement für seinen            Apfelbäumchen pflanzen!« In diesem Sinne pflanzen auch wir
Garten haben die Gartenvögel durchaus honoriert.                        unsere neuen Bäumchen und gestalten aktiv den Wald der Zukunft
Foto: Anne-Nikolin Hagemann                                             für unsere Enkel und Urenkel!

                                                                        Ihr

                                                                        Olaf Schmidt

                                                                                                                  2 |2020 LWF aktuell     3
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Meldungen

        Bioplastik aus Holz
        Herkömmliche Kunststoffe belasten die Umwelt gleich in zweifacher
        Weise: Zum einen wird für deren Herstellung Erdöl benötigt, darüber
        hinaus belasten nach ihrem Gebrauch achtlos weggeworfene Kunst-
        stoffverpackungen Meere und Landschaft. Problematisch dabei ist
        der Umstand, dass Kunststoffe in der Natur erst nach einigen Jahr-
        zehnten, im Extremfall Jahrhunderten vollständig abgebaut sind. Ab-
        hilfe will jetzt das Forschungsprojekt »SusPackaging« der Universität
        Stuttgart schaffen. Im Interesse der Forschenden stehen dabei biolo-
        gisch abbaubare und damit bioverträgliche Verpackungen aus nach-                    Kindergarten St. Laurentius
                                                                                            Archtiektur: goldbrunner + hrycyk; Foto: Stefan Müller Naumann
        haltig produzierbaren Ausgangsstoffen wie Fette oder Kohlehydrate.
        Forschungsziel sind Biokunststoffe aus Polyhydroxyfettsäuren, wel-
        che in Mikroorganismen beispielsweise aus Holzabfällen aufgebaut                    CO2-Senke Holzbau
        werden, und darüber hinaus bio­logisch sehr gut abbaubar sind. Ziel
        des Forschungsprojekts ist eine Kreislaufwirtschaft: Bäume fixieren                 Der Bau von immer mehr neuen Gebäuden führt
        Kohlendioxyd und Wasser, aus Holzabfällen werden über Mikroorga-                    nicht nur zu einer vermehrten Flächenversiege-
        nismen biopolymere produziert, welche am Ende ihres Lebenszyklus                    lung, sondern auch zu einem gestiegenen Bedarf
        wieder zu Wasser und Kohlendioxyd mineralisiert werden.                             an den Baustoffen Stahl und Zement. Deren Pro-
        Das Forschungsprojekt wird vom Institut der Mikrobiologie der Uni-                  duktion gilt als der größte Verursacher von Treib-
        versität Stuttgart in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für                   hausgasen. In einer Studie der Yale University
        Grenzflächen und Bioverfahrenstechniken, anderen Instituten, und                    schlägt das Team um die Wissenschaftlerin Galina
        den ökologisch orientierten Kosmetikkonzernen Wala und Weleda                       Churkina vor, vermehrt auf den Baustoff Holz zu
        getragen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)                    setzen.
        fördert das Projekt mit über zwei Millionen Euro.          M. Hanöffner            Eine vermehrte Verwendung von Holz beim Ge-
        https://www.uni-stuttgart.de/universitaet/aktuelles/presseinfo/document/            bäudebau würde sich aus zwei verschiedenen
        004_20_bioplastik.pdf                                                               Gründen positiv auf das Weltklima auswirken:
                                                                                            Zum einen würde ein zunehmender Ersatz von
                                                                                            Beton durch Holz eine geringere Emission von
                                                                                            Treibhausgasen bei der Stahl- und Zementin-
                                                                                            dustrie bedeuten. Abhängig davon, welcher An-
                                                                                            teil der Neubauten zukünftig aus dem nachhalti-
                                                                                            gen Rohstoff Holz bestehen, ließen sich bei der
                                                                                            Zementindustrie jährlich zwischen zehn und 700
Asiatische Hornisse in Deutschland                                                          Millionen Tonnen Kohlenstoff-Emission einspa-
                                                                                            ren. Der zweite klima­   freundliche Aspekt von
Die als invasive Art geltende Asiati-           ruhe. LWF aktuell berichtete darüber        Holzbau beruht auf der Tatsache, dass bestehen-
sche Hornisse (Vespa velutina nigri-            in der Ausgabe 103. Nun ist in Ham-         de Holzhäuser als CO2-Senke fungieren. Ein
thorax) wurde 2004 aus China nach               burg wieder ein Nachweis gelungen.          fünf­stöckiges Wohngebäude aus Brettschicht-
Frankreich eingeschleppt und hat                Noch ist unklar, ob sich dort bereits       holz kann beispielsweise bis zu 180 kg Kohlen-
sich dort erfolgreich etabliert. In             eine Population der Asiatischen Hor-        stoff pro Quadratmeter speichern. Derartige CO2-
Deutschland erstmals nachgewiesen               nisse angesiedelt hat. Derzeit sind         Senken sind wichtig, um bis Mitte des Jahrhun-
wurde sie 2014 in der Nähe von Karls-           vor allem Imker alarmiert. Obwohl           derts den Ausstoß von Treibhausgasen auf netto
                                                sich diese Art gegenüber Menschen           Null zu senken, was für die Einhaltung des Zwei-
                                                vergleichbar harmlos wie die heimi-         Grad-Ziels notwendig ist.
                                                sche Hornisse (Vespa crapro) verhält,       Hierzu passt es, dass Bayerns Forstministerin Mi-
                                                wird die Asiatische Hornisse wegen          chael Kaniber im Februar dieses Jahres einen
                                                ihres aggressiven Verhaltens gegen-         Runden Tisch für eine Bayerische Holzbau-Initia-
                                                über Honigbienen als ernsthafte Be-         tive mit Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft
                                                drohung wahrgenommen. Markantes             und Verbänden einberufen hat – mit dem Ziel,
                                                Merk­­mal der Asiatischen Hornisse ist      dass Bayern künftig beim Holzbau eine Spitzen-
                                                ihr schwarzer Brustpanzer, worauf           stellung einnehmen soll. Laut Kaniber soll das
                                                auch ihr wissenschaftlicher Name            Bauen mit Holz künftig zur Selbstverständlich-
                                                hinweist. Ansonsten gleicht die Art,        keit werden. Nicht nur Wohnhäuser und Büroge-
                                                abgesehen von ihrer etwas geringe-          bäude, auch Kitas und Vereinsheime sollen in Zu-
                                                ren Größe, den bei uns heimischen           kunft vermehrt aus Holz gebaut werden. Von den
                                                Hornissen. Informationen hält auch          Teilnehmern wünscht sich die Staatsministerin
                                                das Institut für Bienenkunde und Im-        einen intensiven Dialog und den Mut, über neue
                                                kerei der Bayerischen Landesanstalt         Weichenstellungen nachzudenken.          M. Hanöffner
                                                für Weinbau und Gartenbau (LWG)             www.nature.com/articles/s41893-019-0462-4
                                                bereit.                     M. Hanöffner   www.stmelf.bayern.de/service/presse/pm/2020/240015/
    Foto: UHH/CeNak, Dalsgaard

4     LWF aktuell 2 |2020
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Meldungen

Klimawirkungskarten
Bayern veröffentlicht
Das Landesamt für Umwelt (LfU) hat im
Rahmen einer Pilotstudie Klimawirkungs-
karten für Bayern veröffentlicht. Diese me-
                                                          Wölfe in Bayern
thodisch sehr komplexen Karten mit hohen                  Seit 2006 konnten in Bayern wiederholt
Anforderungen an die Datengrundlagen                      Wölfe nachgewiesen werden. Dabei han­
sollen dem Anwender einen schnellen                       delt es sich immer um Einzelgänger – also
                                                                                                      Foto: R. Vornehm
Überblick über die klimarelevanten Fakto-                 einzelne durchwandernde Tiere, die ihre
ren der jeweiligen Region verschaffen. Ziel               Elternrudel verlassen haben. Die baye­      Wolfssichtungen und sonstige Hinweise
der Studie ist die Erprobung der Klimawir-                rischen Wölfen entstammen zwei ver-         auf die scheuen Wildtiere werden nach
kungskarten in den einzelnen Handlungs-                   schiedenen Populationen: entweder der       den sogenannten SCALP-Kriterien be-
feldern wie beispielsweise Boden- und                     zentraleuropäischen Tieflandpopulation,     wertet. Hierbei handelt es sich um eine
Naturschutz. Die Ergebnisse dienen als Ar-                also aus Polen bzw. Nord-Ost-Deutsch-       europaweit angewandte Methodik für
gumentationshilfe, um die Belange der Kli-                land, oder aber der Alpenpopulaton. Ne-     das Monitoring von Großbeutegreifern.
maanpassung bei der Raumplanung zu                        ben den herumstreifenden Tieren gibt        Die Meldungen werden nach deren
stärken. Lokale Experten können auf die                   es in vier bayerischen Regio­nen auch       Überprüfbarkeit eingeteilt und nach drei
jetzt vorliegenden Ergebnisse zurückgrei-                 standorttreue Wölfe. Für das Kri­terium     Gruppen unterschieden:
fen. Damit können diese die Bedeutung des                 »standorttreu« müssen sich die Tiere        ƒƒC1: Fakten, Nachweise: harte Fakten
Klimawandels für den jeweiligen Raum ein-                 zum einen wenigstens sechs Monate am          wie beispielsweise Bildaufnahmen
schätzen und darüber hinaus konkrete                      selben Ort aufhalten, darüber hinaus          oder ein Totfund sind hierfür notwen-
Anpassungsmaß­nah­men vor Ort ermittelt                   muss eine eindeutige genetische Indivi-       dig.
und umsetzen. Durch eine gemeinschaftli-                  dualisierung des Wolfes möglich sein.       ƒƒC2: Bestätigte Hinweise: Riss oder Spur
che Betrachtung der verschiedenen Klima-                  Der Nachweis standorttreuer Tiere             müssen durch eine erfahrene Person
wirkungen können jetzt die Handlungsfel-                  konnte bisher im Nationalpark Bayeri-         bestätigt werden.
der einer Region erkannt werden, welche                   scher Wald, am Truppenübungsplatz           ƒƒC3: Nicht bestätigte Hinweise: nicht zu
möglicherweise von einer Klimaänderung                    Grafenwöhr, im Veldensteiner Forst und        bestätigende Ereignisse wie Beobach-
am stärksten betroffen sein werden. M. Han-              in der Rhön erbracht werden.                  tungen oder Lautwahrnehmungen. 
öffner                                                                                                                                M. Hanöffner

www.bestellen.bayern.de/shoplink/lfu_klima_00168.
htm

                                                                                    Olaf Schmidt
    Spatz nutzt »Stunde der Wintervögel«                                            20 Jahre Leiter der LWF                                    Foto: J. Böhm
    Das zweite Jahr in Folge erobert der Haussperling in Bayern                     Am 1. März 2000 über-
    Platz 1 bei der »Stunde der Wintervögel« (10. bis 12. Januar 2020).             nahm Olaf Schmidt
    Zum 15. Mal bereits organisierten der Landesbund für Vogel-                     als Nachfolger von Dr.
    schutz in Bayern e.V. (LBV) und der Naturschutzbund Deutsch-                    Gün­ter Braun die Lei-
    land (NABU) die Volkszählung der Vögel. Über 110 Vogelarten                     tung der Bayerischen
    und insgesamt mehr als 685.500 Vögel haben die rund 27.000                      Landesanstalt für Wald
    bayerischen Teilnehmer dem LBV gemeldet. Und so lautet die                      und Forstwirtschaft.
    Reihenfolge der häufigsten Wintervögel in Bayerns Gärten:                       Bei seiner Antrittsrede
    Haussperling vor Kohlmeise, Feldsperling, Blaumeise und Am-                     hob er die überragende
    sel. Pro Garten ergibt sich ein Schnitt von etwa 35 Vögeln und                  Bedeutung der Nach-
    damit zwei Vögel weniger als 2019. Ursache: Bei den milden                      haltigkeit hervor und
    Temperaturen ohne Schnee am Zählwochenende haben viele                          erinnerte daran, dass
    Vögel vermutlich noch genug Nahrung gefunden und deshalb                        die Wurzeln dieses Begriffs in der Forstwirtschaft lie-
    weniger die bayerischen Gärten besucht.                M. Mößnang, LWF         gen. Eine Hauptaufgabe der LWF war für Schmidt die
    www.lbv.de                                                                      Nachhaltigkeit in Wald und Forstwirtschaft. Dafür leg-
    www.nabu.de                                                                     te er neben der Fortführung und Weiterentwicklung
                                                                                    der forstlichen Forschung sehr großes Augenmerk auf
                                                                                    den Wissenstransfer und die Fortbildung von Waldbe-
                                                                                    sitzern und Forstleuten. Zweifelsohne prägte Schmidt
                                                                                    während seiner 20-jährigen Amtszeit die LWF auch in
                                                                                    besonders nachhaltiger Weise, zumal seine drei Vor-
    Der Haussperling                                                                gänger, Dr. Hanskarl Goettling, Dr. Robert Holzapfl und
    ist auf Platz 1
    der bayerischen                                                                 Dr. Günter Braun, insgesamt auf eine 18-jährige Dienst-
    Volkszählung                                                                    zeit zurückblicken können.                 M. Mößnang, LWF
    Foto: Zdenek Tunka

                                                                                                                         2 |2020 LWF aktuell      5
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Klimawandel

        Der bayerische Weg zu
        zukunftsfähigen Wäldern
        Baumartenwahl und Waldbaukonzepte im Klimawandel

        Hans-Joachim Klemmt, Wolfgang Falk, Ottmar Ruppert,                                        sowie erwartetes), Boden und Baumart
        Wolfram Rothkegel, Alwin Janßen und Stefan Tretter                                         müssen möglichst optimal aufeinander
        Der Klimawandel ist vollumfänglich auch in Bayern angekommen. Mit einer                    abgestimmt sein. Hierfür erstellt die LWF
        Durchschnittstemperatur von 9,5 °C war 2019 das zweitwärmste Jahr seit                     entsprechende Beratungswerkzeuge und
        1881. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung und der damit verbundenen                        Praxishilfen.
        Witterungsextreme: Vitalitätseinbußen, Zuwachsrückgänge und eine ge­
        steigerte Mortalität vieler Baumarten. Die derzeit noch als außergewöhn-                   Vier Bausteine zur richtigen Baum­
        lich angesehenen Beobachtungen werden zukünftig eher der Normalität                        artenwahl
        entsprechen. Daher sind deutliche waldbauliche Anpassungsmaßnahmen                         Die Empfehlungen der LWF zur Baumar­
        notwendig – mit dem Fokus auf an Wärme und Trockenheit angepasster                         tenwahl der Zukunft basieren hierbei auf
        Baumarten und Herkünfte. Die LWF erarbeitet Grundlagen und Hilfsmittel,                    vier grundlegenden, aufeinander abge­
        um standörtlich geeignete Baumarten bestmöglich zu empfehlen. Außerdem                     stimmten Bausteinen – Artverbreitungs­
        gibt es kurze und konkrete waldbauliche Behandlungsrezepte, um unsere                      modelle, Analogklimate, Anbauversuche
        Bestände zukunftsfähig zu behandeln.                                                       und Herkunftsversuche (Abbildung 1).

                                                                                                   Artverbreitungsmodelle
Forschung zur Baumarteneignung einer­       In der fernen Zukunft reicht die Spann­                Zu Beginn der Überlegungen zur An­
seits sowie zu den Folgen einer Klimaer­    breite von +3% bis zu einer Abnahme von                baufähigkeit und Anbauwürdigkeit von
wärmung auf den Wald andererseits stel­     –17% (LfU 2016). Dazu kommen Extrem­                   Baum­arten wird die Technik der Artver­
len schon seit langem Arbeitsschwerpunk­    ereignisse, wie sie in den Jahren 2018                 breitungsmodellierung (synonym: Spe­
te an der Bayerischen Landesanstalt für     und 2019 in Teilen Bayerns zu beobach­                 cies distribution modelling bzw. SDM)
Wald und Forstwirtschaft (LWF) dar (vgl.    ten waren.                                             angewendet. Hierbei werden für gesamt­
z. B. LWF aktuell 20 aus dem Jahr 1999      Diese Veränderungen bedingen bisher                    europäisch aufbereitete Forstinventur­
mit dem Titel »Fremdländische Baum­         gänzlich unbekannte Wachstumsbedin­                    daten, die mit hochaufgelösten Klimada­
arten: (Un)beliebte Dauergäste?« oder       gungen für unsere Wälder, auf die es                   ten und bestmöglich verfügbaren Boden­
LWF aktuell 37 aus dem Jahr 2003 mit        durch geeignete Anpassungsmaßnahmen                    daten verknüpft sind, die Artvorkommen
dem Titel »Klimawandel und Nachhal­         zu reagieren gilt. Insbesondere auf die                bzw. deren Nichtvorhandensein in ihren
tigkeit aus forstlicher Sicht«). Während    zukünftig voraussichtlich vermehrt auf­                derzeitigen Verbreitungsgebieten analy­
in der Anfangszeit Forschungsaktivitä­      tretenden Engpässe in der Wasserversor­                siert. Mit Hilfe geeigneter Modellierungs­
ten noch mit vielen grundsätzlichen Fra­    gung der Bäume in den Sommermonaten                    techniken werden diese Erkenntnisse auf
gen zum Klimawandel behaftet waren, ist     sollte diese Anpassung ausgerichtet sein.              regionalisierte Klimaprojektionen auf zu­
mittlerweile die Grundausrichtung unbe­     Der Boden mit seiner Funktion als Was­                 künftige bayerische Wachstumsverhält­
stritten: Wir müssen für Bayern mit einer   serspeicher rückt vermehrt in den Fokus.               nisse übertragen und Vorkommenswahr­
generellen, deutlichen Erwärmung in der     Die geeignete Baumartenwahl zur Anrei­                 scheinlichkeiten ermittelt bzw. Anbau­
Zukunft rechnen. Nach den Ergebnis­         cherung oder zum Um- oder Wiederauf­                   risikoeinschätzungen vorgenommen. Das
sen des Projektes Klimazukunft Bayern       bau unserer Waldbestände ist hierbei das               Artverbreitungsmodell setzt den Rahmen,
(BayKLIZ) wird für Bayern mit einem         wichtigste Instrument. Klima (aktuelles                innerhalb dessen mit einer Art gearbeitet
Temperaturanstieg in naher Zukunft zwi­                                                            werden kann. Außerhalb der als typisch
schen +0,9 °C und 1,7 °C und +2,3 °C und               Artverbreitungs-             Unsicherheit   angesehenen Gebiete und Klimate ist
                                                           modelle                  der Aussagen
+3,6 °C zum Ende des 21. Jahrhunderts                                                              der Erfolg der Baumart fraglich. Inner­
gerechnet. Derzeit beobachten wir eine                                                             halb der als geeignet angesehenen Ge­
Erwärmung von 0,4 °C pro Dekade. Die                                                               biete sind weitere Aspekte wie zum Bei­
                                                                Analogklimate
Niederschlagsentwicklung zeigt keine                                                               spiel die Wuchsleistung oder besondere
einheitliche Tendenz. Zur Mitte des Jahr­                                                          Ansprüche an den Boden (Thurm & Falk
hunderts wird eine Änderung im Winter­                                                             2019) zu bewerten.
halbjahr von –1% bis +11% und in der                                Anbauversuche
fernen Zukunft von –2 bis +21% model­                                                               1 Schematische Darstellung der »Bau-

liert. Im Sommerhalbjahr werden in der                                                             steine« zur Herleitung von Baumar-
                                                                                                   tenempfehlungen in Bayern unter sich
nahen Zukunft Abnahmen als auch Zu­          Antwortzeit
                                             für Praxisfragen        Herkunftsversuche             wandelnden klimatischen Wachstumsver-
nahmen zwischen –2 und +5% erwartet.                                                               hältnissen (verändert nach Thurm et al. 2017)

6   LWF aktuell 2 |2020
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Klimawandel

Analogklimate                                                                                                     2 Schwarzkiefern-

Weiterhin wenden wir bereits jetzt den                                                                           Herkunftsversuch
                                                                                                                 Geibenstätten bei
Blick in Gebiete mit sogenannten Analog­                                                                         Siegenburg
klimaten. Wir schauen also in Wuchsräu­                                                                          Foto: S. Krause, AWG
me, in denen bereits heute klimatische
Verhältnisse herrschen, die wir zukünftig
in Bayern erwarten. Aus diesen Gebieten
können wir viel über Baumartenzusam­
mensetzung, Bewirtschaftung, aber auch
zu Herkünften lernen. Hierzu läuft der­
zeit an der LWF in Kooperation mit dem
Amt für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten Roth und den dortigen Waldbe­
sitzervereinigungen ein vom Waldklima­       orten möglichst genaue Erkenntnisse          praktischen Fragestellungen. Die Reali­
fonds finanziertes Projekt, in welchem       über Verwendung, Chancen und Risiken         sierung beider Bausteine ist zeitnah mög­
versucht wird, die forstlichen Erkennt­      der nichtheimischen Baum­arten liefern       lich und liefert bereits jetzt für Bayern
nisse aus Analoggebieten zeitnah den         (Springer et al. 2019). Gleichzeitig wer­    regionalisierte Aussagen, ob der Anbau
Waldbesitzern zur Verfügung zu stellen.      den vom AWG Versuchsanbauten heimi­          einer Art unter zukünftigen Wachstums­
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus          scher Baumarten, jedoch mit Herkünften       bedingungen aussichtsreich erscheint.
beiden Bausteinen wurden und werden          aus anderen Klimaregionen, durchge­          Detailliertere Erkenntnisse liefern hinge­
Anbauversuche konzipiert und angelegt.       führt.                                       gen Anbauversuche und darauf aufbauen­
                                                                                          de Herkunftsversuche, da sie letztendlich
Anbauversuche und Rückschlüsse               Herkunftsversuche                            den Beweis erbringen, ob eine Baumart
für die waldbauliche Praxis                  Da für den zukunftsfähigen Anbau von         sich auch unter zukünftigen Wachstums­
Versuchsanbauten zu verschiedenen Baum­      nichtheimischen Baumarten bzw. ande­         bedingungen entsprechend entwickelt.
arten gab und gibt es schon seit langer      rer Herkünfte heimischer Baumarten           Die ersten beiden Bausteine liefern da­
Zeit. In der Vergangenheit lag der Fokus     gesicherte Erkenntnisse notwendig sind       her rasch grundlegende Erkenntnisse, die
meist auf Ertragsoptimierung. Auswer­        und diese in vielen Fällen erst gesammelt    letzteren dienen mittel- bis langfristig der
tungen und Ableitungen auf die heute         werden müssen, ist es wichtig, dass sol­     Validierung und Konkretisierung der ers­
drängende Thematik Klimatauglichkeit         che Versuche durch das AWG fachlich          ten beiden Bausteine. Aufgrund des rasch
und -angepasstheit sind bei diesen An­       begleitet und wissenschaftlich ausgewer­     fortschreitenden Klimawandels erscheint
bauversuchen schwierig bis unmöglich,        tet werden. Eine Steuerung der Anbau­        uns diese aufeinander aufbauende Abfol­
da die verwendeten Herkünfte des seiner­     ten ist außerdem wichtig, da geeignetes      ge von Arbeitsschritten zur Generierung
zeitigen Anbaus oft nicht gesichert bzw.     Saat- und Pflanzgut meist nur sehr einge­    von Wissen zur künftigen Baumarteneig­
klärbar sind. Außerdem sind diese Bäu­       schränkt vorhanden ist.                      nung als zukunfts- und sicherheitsorien­
me bzw. Bestände im bisherigen Klima                                                      tiert.
erwachsen und können deshalb nur ein­        Zusammenspiel der Ansätze
geschränkt Aussagen zur Eignung unter        Die jeweiligen Ansätze haben Stärken         BaSIS – Bayerns Standortinformations-
künftigen Bedingungen liefern.               und Schwächen. In ihrem Zusammen­            system
Im Jahr 2012 hat die LWF zusammen mit        spiel können sie sich aber sinnvoll ergän­   Die Erkenntnisse aus den eben beschrie­
dem Bayerischen Amt für Waldgenetik          zen. Die Anwendung der Technik der Art-      benen Bausteinen münden in Bayern in
(AWG) erstmals in Bayern Anbauversu­         verbreitungsmodelle ermöglicht rasche        der Weiterentwicklung des Bayerischen
che mit speziellem Blick auf die Klima­      Erkenntnisse und Aussagen darüber, ob        Standortinformationssystems BaSIS als
zukunft unserer Wälder angelegt, das         Baumarten bisher bereits unter bestimm­      Bestandteil des Bayerischen Waldinfor­
Projekt KLIP 18. Dabei sind Saatgut und      ten klimatischen und standörtlichen Ver­     mationssystems BayWIS. Aufbauend
Herkunft bekannt und klar definiert. Zu      hältnissen in Europa vorkommen bzw.          auf den Forschungsprojekten »Maps for
sechs ausgewählten Baumarten wurden          angebaut wurden. Aufgrund der einzigar­      the Future« und »Trees for the Future«
zwei jeweils etwa 2 ha große Versuchsflä­    tigen Datenbasis, die im Projekt B76 zur     hat die Bayerische Forstverwaltung seit
chen in Nordbayern angelegt. Zusätzlich      Untersuchung des Anbaurisikos seltener       2013 dieses digitale, bayernweit einheit­
sind weitere Versuchsstandorte in Thü­       heimischer und nichtheimischer Baum­         liche Standortinformationssystem für die
ringen, der Schweiz und Österreich Teil      arten in Bayern aufgebaut wurde, kön­        forstliche Beratung im Einsatz. Mit hoher
des Projekts. Diese Anbauten stecken na­     nen hiermit deutlich bessere Aussagen        räumlicher Auflösung können die Forst­
turgemäß noch in den »Kinderschuhen«.        für einzelne Baumarten als in der Ver­       behörden die Waldbesitzer über standört­
Deshalb liegen Auswertungen, Ergebnis­       gangenheit getroffen werden. Der Blick       liche Begebenheiten und das Anbaurisi­
se und Erfahrungen bisher nur zur Eta­       in Analogregionen, also in Regionen, in      ko von 32 Baumarten auch mit Blick auf
blierungsphase vor. Weitere Praxisver­       denen bereits heute klimatische Bedin­       den Klimawandel informieren. Das Sys­
suche mit wissenschaftlicher Begleitung      gungen herrschen, die zukünftig bei uns      tem wird im Rahmen von internen und
sollen folgen. Sie sollen in verschiedenen   erwartet werden, vertieft diese Erkennt­     externen Forschungsprojekten und im
Regionen und auf verschiedenen Stand­        nisse und beantwortet gleichzeitig forst­    Dialog mit der Praxis ständig weiterent­

                                                                                                            2 |2020 LWF aktuell         7
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Klimawandel

wickelt und erweitert (z.B. Wasserspei­                           3 Der erste Band der Prasishilfe
cherfähigkeit der Böden). Zuletzt wurden                         »Klima-Boden-Baumartenwahl«
                                                                 umfasst 16 wichtige Baum­arten.
2019 weitere elf seltene heimische oder                          Im Sommer 2020 wird der zweite
nichtheimische Baumarten (u. a. Edelkas­                         Band mit weiteren 16 Baumarten
tanie, Wildbirne, Vogelkirsche, Küsten­                          erscheinen.
tanne, Roteiche, Robinie, Schwarzkiefer)
in BaSIS aufgenommen.
Aktuell sind die Standort- und Bodenin­
formationen in BaSIS weitgehend an die
Auflösung der Übersichtsbodenkarte des        Band mit den seltenen heimischen und
Landesamts für Umwelt gebunden. In zu­        nichtheimischen Baumarten, ergänzt um
künftigen Weiterentwicklungen sollen Da­      einen genetischen Teil, vorliegen.
ten der forstlichen Standortkartierungen
in Bayern für BaSIS kompatibel aufberei­      Waldbauliche Anpassungsmöglichkeiten
tet werden. Fernziel wäre die Realisierung    zur Schaffung zukunftsfähiger Bestände
der Möglichkeit, Anbaurisikoeinschätzun­      Die Schaffung zukunftsfähiger und kli­            Auf Flächen, in denen das Potenzial
gen für Flächeneinheiten der Standortkar­     matoleranter Wälder war von Anfang an             der Naturverjüngung artenarm ist oder
tierung vornehmen zu können.                  das Leitmotiv der Waldbautrainings der            durch zusätzlich gewünschte Baumarten
Weiterhin zielt die Weiterentwicklung         Bayerischen Forstverwaltung. Für das              ergänzt werden soll, sollten zunächst ge­
von BaSIS darauf ab, Anbaurisikoein­          waldbauliche Vorgehen zur Schaffung               eignete heimische klimatolerante Baum­
schätzungen für erwartete klimatische         klimaangepasster Bestände gelten ein              arten im Vordergrund stehen. Hierbei ist
Entwicklungen vorzunehmen, die auf­           paar einfache grundsätzliche Leitsätze,           das Angebot an standörtlich geeigneten
grund der realen Entwicklungen der letz­      die das Risiko in jeder Beziehung mini­           und klimatoleranten Baumarten in den
ten Jahrzehnte als wahrscheinlicher ein­      mieren sollen:                                    meisten Fällen groß, nicht zu vergessen
tretend eingestuft werden.                    ƒƒWer streut, rutscht nicht: die Bestände         sind seltene heimische Baumarten wie
Ein weiterer inhaltlicher Entwicklungs­         sollen gemischt und strukturreich sein.         Feldahorn, Sorbusarten, Wildobst und
schritt zielt auf eine Erweiterung der        ƒƒDie Förderung der Stabilität führen­            Eibe. Bei Nutzung vorhandener Natur­
reinen Anbaurisikobetrachtung, die ei­          der Einzelbäume fördert auch die Be­            verjüngung und Sukzession reicht für
ner Anbaufähigkeitseinschätzung gleich          standsstabilität.                               die Einbringung weiterer Baumarten,
kommt, auf eine Anbauwürdigkeitsein­          ƒƒFrühe und konsequente Sicherung und             wenn diese in Trupps, Klumpen oder
schätzung, die Aspekte wie zum Beispiel         Förderung der Vitalität gewünschter             Nelderrädern an freien Stellen einge­
die Wuchsleitung berücksichtigt. Erste          Einzelbäume führt schneller und si­             bracht werden. Damit können Ressour­
Entwicklungsschritte hierzu wurden be­          cher zum Produktionsziel.                       cen, Aufwand und Kosten bei der Kultur­
reits erfolgreich für die Baumart Edel­       ƒƒNatürliche Prozesse, vor allem Natur­           begründung gespart, bei Pflege sinnvoll
kastanie unternommen und vorgestellt            verjüngung, sollen ermöglicht und ge­           investiert und dabei mit gleicher Pflan­
(Thurm & Heitz 2018).                           nutzt werden.                                   zenzahl eine größere Flächenwirkung er­
Vorangestellt werden soll den benannten                                                         reicht werden.
inhaltlichen Weiterentwicklungen die          Bestandsbegründung – die Basis                    Im gleichen System können gewünschte
Umsetzung eines soliden technischen Un­       für Vielfalt                                      oder notwendige alternative Baumarten
terbaus mit einheitlichen Datenquellen        Vielfalt schützt vor Risiken. Bei der Be­         aus anderen Ländern begründet werden.
bzw. einer flexiblen Datenanbindungs­         standsbegründung sollte deshalb mög­              Das Grundgerüst bilden Naturverjün­
möglichkeit.                                  lichst die ganze Palette der naturgegebe­         gung und heimische Baumarten. Kleine
                                              nen Möglichkeiten an Naturverjüngung              Inseln mit den alternativen Baumarten
Praxishilfe »Klima–Boden–Baumarten-           und Sukzession ausgeschöpft werden.               fördern Vielfalt und senken das Risiko.
wahl«                                         Ungestörtes Wurzelwachstum und An­                Genauso wie bei den heimischen Baum­
Ergänzend zu BaSIS hat die Bayerische         passung an den Kleinstandort sind dabei           arten sind zwingende Voraussetzung die
Landesanstalt für Wald und Forstwirt­         die großen Vorteile. Auch bisher weniger          Kenntnisse über die klimatische und
schaft 2019 eine Praxishilfe »Klima–          beachtete Baumarten wie Birke, Vogel­             standörtliche Eignung und die genetische
Boden–Baumartenwahl« herausgebracht,          beere, Aspe und Weiden tragen zu Viel­            Herkunft der Pflanzen.
in der der aktuelle Wissenstand zu 16         falt und Risikostreuung bei und können            Für jede künstliche Einbringung von
Baum­arten, die in BaSIS enthalten sind,      bei richtiger Behandlung und Förderung            Baumarten durch Pflanzung ist in Zeiten
in Form von vierseitigen Steckbriefen         Nutzholz produzieren. Auch für die Zu­            trockener und heißer Vegetationsperio­
dargestellt ist (Forster et al. 2020). Die­   kunft weniger gewünschte Baum- und                den die Beachtung besonderer Sorgfalt
ses Produkt, in das alle Abteilungen der      Straucharten dienen in Bei- oder Zeitmi­          bei der Pflanzung unbedingt notwendig.
LWF gleichsam ihr Wissen eingebracht          schung der Bodendeckung und können                Insbesondere sind die Wahl vitaler Pflan­
haben, erfreut sich derzeit großer Beliebt­   wertvollen Lebensraum und Nahrung                 zen mit harmonischem Wurzel-Spross-
heit, wie die intensive Nachfrage aus Bay­    für Tiere bieten. Voraussetzung für best­         Verhältnis, der ständige Erhalt der Pflan­
ern sowie aus dem gesamten Bundege­           mögliche Vielfalt in der Naturverjüngung          zenfrische und eine wurzelgerechte Ein­
biet zeigt. Für Mitte 2020 soll ein zweiter   sind angepasste Wildbestände.                     bringung in den Boden zu beachten.

8   LWF aktuell 2 |2020
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Klimawandel

Bestandspflege – die Grundlagen sichern        bilität durch frühzeitige Standraumer­                   die gewünschte grünastfreie Schaftlänge
Unter den Vorzeichen des Klimawan­             weiterung deutlich verbessert und gesi­                  erreicht haben, beginnt deren Dimensio­
dels steigt auch die Bedeutung der Be­         chert werden, auch die Wasserkonkur­                     nierung. Dabei wird zum Erhalt und zur
standspflege. Bei aller Sorge um die Wie­      renz wird für die verbleibenden Bäume                    Verbesserung von Vitalität und Stabilität
derbestockung von Verjüngungs- und             entlastet.                                               die Phase des höchsten Höhen- und Vo­
Schadflächen darf man die Pflege der           Strukturreiche gemischte Bestände ent­                   lumenzuwachses genutzt. Die Zielbäu­
vorhande­ nen Bestände, die flächenmä­         wickeln sich ungleich. Manche gewünsch­                  me sind damit festgelegt und werden so
ßig überwiegen dürften, nicht vergessen.       te Baumart braucht länger und einzelne                   umlichtet, dass sich die Krone ungestört
Denn nur durch rechtzeitige und konse­         vitale Baumarten und Individuen wach­                    entwickeln kann. Ziel ist dabei neben ei­
quente Pflege können Mischung und Vi­          sen vor und erreichen schneller die nächs­               ner Erhöhung der Vitalität des Einzel­
talität der Einzelbäume so gesteuert wer­      te Phase der Behandlung. Auch deshalb                    baumes in möglichst kurzer Zeit – und
den, dass möglichst klimatolerante Be­         ist ein einzelbaumbezogener Ansatz bei                   damit risikoärmer – Qualitätsholz gut
stände entstehen. Deshalb muss mit der         der Bestandspflege effizient und von der                 vermarktbarer Dimensionen zu schaffen.
Bestandespflege sofort nach der Etablie­       Wuchsdynamik her sinnvoll.                               Die Abstände von Zielbaum zu Zielbaum
rung begonnen werden. Mit Blick auf die                                                                 ergeben sich aus den erwarteten Kronen­
Faktoren Vitalität, Stabilität, Vielfalt und   Dimensionierung – jetzt Schub geben                      durchmessern der beteiligten Baumarten.
Struktur muss jeder Bestand regelmäßig         Unter den Vorzeichen des Klimawandels                    Die Zwischenräume zwischen den Ziel­
beurteilt werden (vgl. LWF-Merkblatt           steigt die Unsicherheit und damit auch                   bäumen bleiben unbehandelt. In der Fol­
Nr. 29/2013 Jungbestandspflege). Darauf­       die Unsicherheit, mit welchen Produkti­                  ge werden die Zielbäume in regelmäßigen
hin sind gegebenenfalls angepasste und         onszeiträumen bei den einzelnen Baum­                    Abständen kontrolliert und von Bedrän­
zielführende Maßnahmen durchzufüh­             arten gearbeitet werden kann. Aus die­                   gern stets so freigestellt, dass es zu keiner
ren. Erleichtert wird die Pflege durch         sem Grund muss es waldbauliches Ziel                     Berührung mit Nachbarbäumen kommt.
die punktuelle Beurteilung im Abstand          sein, durch frühe und konsequente För­                   Durch die rein punktuelle Betrachtung
der gewünschten Zielbaumabstände. Der          derung die Zielbäume möglichst früh                      und individuelle Pflege der Zielbäume ist
Aufwand wird begrenzt und auf die Ziele        in erntefähige Dimensionen zu bringen.                   es gut möglich, im gleichen Bestand lang­
fokussiert, die Zwischenbereiche können        Dies bedeutet auch einen gegenüber klas­                 sam- und schnellwüchsige, Pionier-, Licht-
sich natürlich entwickeln und ggf. Ersatz      sischen waldbaulichen Modellen deutlich                  und Schattbaumarten zu beteiligen. Hier­
bei Ausfall von Zielbäumen bieten.             früheren Einstieg in die gezielte positive               durch ergeben sich schon Vielfalt und
In der Phase der Etablierung und Quali­        Förderung.                                               Struktur, zum anderen entstehen diese
fizierung steht das besondere Augenmerk        Sobald gewünschte Zielbäume den Brust­                   aber auch in den immer kleiner werden­
auf der Sicherung der Baumartenmi­             höhendurchmesser von etwa 14 cm und                      den Zwischenräumen.
schung. Das gilt sowohl für die natürlich
verjüngten, als auch für die gepflanzten       Zusammenfassung                                                            Literatur
                                                                                                                          Forster, M.; Hopf, C.; Falk, W.; Reger, B.;
Bäumchen. Erleichtert wird die Betrach­        Mit fortschreitendem Klimawandel wird die Forstwirtschaft mit
                                                                                                                          Klemmt, H-J.; Nißl, A. (2020): LWF-Praxishilfe
tung der Bestände durch das Augenmerk          immer neuen, größer werdenden Herausforderungen konfron-                   für Baumartenwahl im Klimawandel. LWF aktuell
                                               tiert. Mit dem Bayerischen Standortinformationssystem BaSIS                124, S. 60–61
auf Optionen gewünschter Baumarten                                                                                        LfU – Landesamt für Umwelt (2016): Bayerische
                                               und der Praxishilfe stehen zwei Werkzeuge zur Verfügung,
im Abstand von 8 bis 10 m zum einen,           mit denen die Forstpraxis die Anbaueignung der wichtigsten
                                                                                                                          Klimaanpassungsstrategie. Ausgabe 2016 (i.d.F.
                                                                                                                          der 1. Aktualisierung vom März 2017). Bayerisches
zum anderen auf die durch Markierungs­         Baumarten im Klimawandel umfassend beurteilen kann. Aus                    Staatsministerium für Umwelt und Verbraucher-
                                                                                                                          schutz, 222 S.
stäbe gut auffindbaren Trupps gepflanz­        waldbaulicher Sicht erleichtert – mit dem ständigen Fokus
                                                                                                                          Thurm, E.A.; Mette, T.; Huber, G.; Uhl, E.; Falk,
ter Anreicherungen. In Regionen, in de­        auf Vielfalt, Vitalität und natürliche Prozesse – die punktu­              W. (2017): Anbauempfehlungen – von der For-
                                               elle Behandlung der gewünschten Bäume von klein auf eine                   schung in die Fläche. AFZ/DerWald 22, S. 19–21
nen noch nennenswerte Fichtenanteile                                                                                      Thurm, E.A.; Heitz, R. (2018): Anbaueignung
                                               zukunftsfähige und risikoarme Bewirtschaftung. Dabei sollten
aus dichten Fichtennaturverjüngungen           auch künftig geeignete, also möglichst klimatolerante, heimi-
                                                                                                                          der Edelkastanie in Deutschland. LWF Wissen
                                                                                                                          81, S. 31–39
am Bestand beteiligt sind oder beteiligt       sche Baumarten unser waldbauliches Rückgrat bilden. Die oben               Thurm, E.A.; Falk, W. (2019): Standortansprüche
                                                                                                                          seltener Baumarten. AFZ/DerWald 15, S. 32–35
werden sollen, können Vitalität und Sta­       geschilderten waldbaulichen Konzepte erlauben jedoch auch die
                                                                                                                          Springer, S.; Frischbier, N.; Binder, F. (2019):
                                               Beteiligung geeigneter nichtheimischer Baumarten. Seltene hei-             Heute schon für morgen testen. LWFaktuell 123,
                                               mische und nichtheimische Baumarten werden das Waldbild der                S. 14–18
                                               Zukunft stärker als bisher mitprägen. Bei der Auswahl sollte das
                                               Vorsichtsprinzip überwiegen: Je weniger praktische Erfahrungen
                                               mit einer Baumart vorhanden sind, desto zurückhaltender soll-
                                               ten diese eingebracht werden. Die auf wissenschaftlichen Er-
                                               kenntnissen und Methoden beruhenden Empfehlungen der Bay-
                                               erischen Forstverwaltung sollten dabei als Richtschnur dienen.

                                                4 In Zukunft muss der Wald-            Autoren
                                               bauer seinen Blick noch mehr auf        Dr. Hans-Joachim Klemmt leitet die Abteilung »Boden und Klima« der Bayerischen
                                               den Einzelbaum richten. Wegen           Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Wolfgang Falk ist wissenschaftlicher
                                               der Unsicherheiten im Zuge des          Mitarbeiter in dieser Abteilung und befasst sich intensiv mit Fragen zur Baumarten-
                                                                                       wahl in Abhängigkeit von Standort- und Klimabedingungen. Ottmar Ruppert und
                                               Klimawandels sollten die Ziel-          Wolfram Rothkegel sind die beiden in der Forstverwaltung verantwortlichen Wald-
                                               bäume möglichst rasch durch             bautrainer. Sie sind Mitarbeiter in der Abteilung »Waldbau und Bergwald« der LWF.
                                               frühe und konsequente Förde-            Stefan Tretter leitet die Abteilung »Waldbau und Bergwald«. Dr. Alwin Janßen leitet
                                               rung erntefähige Dimensionen            das Bayerische Amt für Waldgenetik (AWG) in Teisendorf.
                                               erreichen. Foto: O. Ruppert, LWF        Kontakt: Hans-Joachim.Klemmt@lwf.bayern.de; Stefan.Tretter@lwf.bayern.de

                                                                                                                                     2 |2020 LWF aktuell                 9
Aktuell Wald unter Druck - 2|2020 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
Klimawandel

                                                                                         1 Mischbestand im Steigerwald,
                                                                                        Oktober 2018: vorzeitiger Blattfall
                                                                                        an Buche, voll belaubte Eiche
                                                                                        Foto: S. Thierfelder, AELF Schweinfurt

                                                                                          die Schäden schwer zu erkennen, ins­
                                                                                          besondere bei dichtem Nebenbestand.
                                                                                          So wurden die ersten Beobachtungen
                                                                                          bevorzugt an gut einsehbaren Waldrän­
                                                                                          dern bzw. beim Blick auf Gegenhänge
                                                                                          gemacht.
                                                                                        ƒƒEs handelte sich um in der Vegetati­
                                                                                          onsperiode fortschreitende Prozesse.
                                                                                          Das Absterben setzte sich von der Kro­
                                                                                          nenspitze nach unten fort. Besonders
                                                                                          augenscheinlich war dies in der star­
                                                                                          ken Hitzewelle im letzten Julidrittel
                                                                                          zu beobachten. Vorher noch vital grün
                                                                                          belaubte Äste wurden fahlgrün und
                                                                                          starben ab.
                                                                                        Im Amtsbereich, den Landkreisen Schwein­
                                                                                        furt und Haßberge, traten die Schäden
                                                                                        zunächst schwerpunktmäßig an Süd- und
                                                                                        Westhängen des Steigerwald- und Haß­
                                                                                        berganstiegs, süd- und westexponierten

Extremjahre im Laubwald                                                                 Waldrändern und Kuppenlagen mit ein­
                                                                                        geschränktem Wasserhaushalt (Muschel­
                                                                                        kalkstandorte) auf. Aber auch auf tief­
Entwicklungen und Maßnahmen in den Trockenjahren                                        gründigen Lößstandorten starben Bu­
2018/19 in Unterfranken                                                                 chen ab. Im Laufe des Sommers kamen
                                                                                        Meldungen, dass die Schäden sich auf
                                                                                        Schatthänge und regional anfangs wenig
                                                                                        betroffene Bereiche ausweiten. Im übri­
       Stephan Thierfelder                                                              gen Unterfranken lagen besondere Scha­
       2018 war in Unterfranken außergewöhnlich heiß und trocken. Das                   densschwerpunkte im westlichen Land­
       letzte Extremjahr 2015 lag erst kurz zurück. 2019 brachte keine                  kreis Würzburg (Muschelkalkkuppen)
       Entspannung, sondern ebenfalls Phasen großer Hitze und Tro-                      und dem sehr warmen Untermaingebiet
       ckenheit. Lagen die Beobachtungen zu den Reaktionen der Laub-                    bei Aschaffenburg.
       bäume 2018 noch weitgehend im Bereich des bisher Bekannten,                      Schäden zeigten sich sowohl an Bäumen
       veränderte sich die Situation mit dem Laubaustrieb 2019. Örtlich                 in aufgelockerten Bestandessituationen,
       wurden insbesondere an Buche zum Teil deutliche Schäden sicht-                   zum Beispiel wegen laufender Waldver­
       bar. Über Beobachtungen, Entwicklungen und Maßnahmen in den                      jüngung, als auch in weitgehend geschlos­
       Laubwäldern Unterfrankens insbesondere im Amtsbereich des                        senen Waldstrukturen. Klare Gesetzmä­
       AELF Schweinfurt berichtet nachfolgender Artikel.                                ßigkeiten waren häufig nicht zu erken­
                                                                                        nen.
                                                                                        Das Schadensausmaß war häufig einzeln
Hitzewellen und Trockenperioden in ei­     Rotbuche                                     bis truppweise, örtlich aber auch flächig,
ner Häufigkeit und Dauer, wie sie die      2018 zeigten Altbuchen häufig frühzeiti­     insbesondere im westlichen Landkreis
Wälder in Unterfranken bislang noch        ge Blattverfärbung, teilweise vorzeitigen    Würzburg.
nicht kannten, hinterließen bei den        Blattfall. Diese Reaktionen auf das Ex­      Überproportional betroffen waren Alt­
durchaus an Trockenheit erprobten un­      tremwetter gingen nicht über unsere Be­      buchen. Örtlich wurden aber auch
terfränkischen Waldbäumen sichtlich        obachtungen in 2015 hinaus. Die Schä­        massive Schäden im Buchenunter- und
Spuren ernster Schädigungen. Schäden       den an den Altbuchen wurden erst 2019        zwischenstand erkennbar, insbesondere
in einem solchen Umfang überstiegen        Zug um Zug sichtbar. Dies hatte im We­       unter Alteiche.
auch die Vorstellungskraft der Waldbe­     sentlichen zwei Gründe:                      Hinsichtlich der Waldverjüngung wur­
sitzer und Förster. Betroffen waren mehr   ƒƒNur teilweise starben Bäume komplett       den folgende Beobachtungen gemacht:
oder weniger alle Baumarten.                 ab. Überwiegend wurde die obere Kro­       ƒƒ2018 blühte die Buche auf großer Flä­
                                             ne dürr, die untere blieb belaubt. Stand     che sehr stark und es entwickelte sich
                                             man direkt unter den Bäumen, waren           entsprechender Fruchtanhang. Dies

10   LWF aktuell 2 |2020
Klimawandel

                                                                                              2 Buchenschäden im Mai 2019 am
                                                                                             Steigerwaldanstieg Foto: S. Thierfelder,
                                                                                             AELF Schweinfurt

                                                                                             Handlungsempfehlungen für Waldbesitzer
                                                                                             Anfang Juli entwarf das AELF ein Hand­
                                                                                             lungskonzept für das weitere Vorgehen
                                                                                             bei den geschädigten Buchen. Es wurde
                                                                                             bis in den Herbst immer wieder fortge­
                                                                                             schrieben, um über neue Erkenntnisse
                                                                                             und erledigte Arbeitsschritte zu infor­
                                                                                             mieren. Alle Mitarbeiter sollten eine ein­
                                                                                             heitliche aktuelle Ausgangsbasis für die
                                                                                             Beratung der Waldbesitzer haben. We­
  war sicherlich in dem Extremjahr eine      Im Februar 2019 hatte es bereits eine Be­       sentliche Fragen waren, wie mit geschä­
  Zusatzbelastung für die Buche. Örtlich     sprechung der Bayerischen Landesan­             digten Buchen verkehrssicherungsmäßig
  reiften die Bucheckern nicht aus, son­     stalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF)        und vermarktungsmäßig verfahren wer­
  dern wurden ab Ende Juli alle taub ab­     mit den unterfränkischen Ämtern zu den          den kann, welche Handlungsalternativen
  geworfen.                                  Schäden im Trockenjahr 2018 gegeben.            möglich sind und wie sich diese auf die
ƒƒIn der Buchennaturverjüngung fiel          Ende Juli folgte ein Waldtermin im Raum         weitere Bewirtschaftung auswirken könn­
  2018 auf manchen Standorten das            Oberschwarzach. Die LWF informierte             ten.
  Laub vorzeitig ab. Im eigenen Amtsbe­      sich über die Buchenschäden am Steiger­
  reich hielten sich 2019 die Absterbeer­    waldanstieg und diskutierte mit AELF            Verkehrssicherheit geschädigter Buchen
  scheinungen in der Buchennaturver­         Schweinfurt und Forstbetrieb Ebrach den         Ein »Einschlags-Muss« sind jene Bäume,
  jüngung örtlich in Grenzen, örtlich sah    Forschungsbedarf. Unmittelbar anschlie­         von denen eine Gefahr für die Verkehrs­
  es aber ähnlich aus wie im westlichen      ßend leitete die LWF das Forschungspro­         sicherheit ausgeht. Dazu startete die FBG
  Landkreis Würzburg. Hier waren An­         jekt BeechSAT in die Wege, das auch eine        Haßberge gemeinsam mit dem AELF
  fang August an manchen Stellen ge­         Untersuchungsfläche im Amtsbereich um­          eine Reihe von Informationsabenden für
  schätzt 30 bis 40% der jungen Bäum­        fasst (siehe Beitrag Straub & Seitz, S. 30 in   betroffene Waldbesitzer. Aufgrund der
  chen abgestorben oder sehr stark zu­       diesem Heft).                                   besonderen Gefahren beim Einschlag
  rückgetrocknet.                            Die Universität Würzburg startete ein           trockengeschädigter Buchen war dies
ƒƒMitte Juli war in etwa mannshoher vi­      Forschungsprojekt, bei dem sie die Jahr­        Schwerpunktthema der jährlichen UVV-
  taler Buchennaturverjüngung auf Süd­       ringentwicklung von 3.000 geschädigten          Belehrungen der Forstbetriebsgemein­
  hang zu beobachten, dass die Blätter       Buchen im westlichen Landkreis Würz­            schaften im Landkreis Schweinfurt ge­
  zusammengefaltet wurden.                   burg analysiert, um zu klären, ob und           meinsam mit der Sozialversicherung für
Die mit Laubaustrieb 2019 zu beobach­        wann bereits in der Vergangenheit An­           Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
tenden Schäden waren für Waldbesitzer        zeichen für eine Schwächung der Bäume           (SVLFG).
und Förster weitgehend neu, deckten          festzustellen sind.
sich nicht mit den bisherigen Erfahrun­
gen.                                                                                                                         3 Trockenschäden

Im ersten Schritt war es daher notwen­                                                                                       in Buchennaturver-
                                                                                                                            jüngung, Sommer 2019,
dig, sich zunächst einen Überblick über                                                                                     westlicher Landkreis
Art und Ausmaß der Schäden zu ver­                                                                                          Würzburg
                                                                                                                            Foto: S. Thierfelder, AELF
schaffen. Dies war ein fließender Prozess
                                                                                                                            Schweinfurt
(siehe oben).
Dann ging es darum, die Schäden fach­
lich einzuordnen und Handlungskonzep­
te zu entwickeln. Zunächst orientierten
wir uns sehr stark an den Fachveröffentli­
chungen angrenzender Bundesländer: Die
Schadsituation bei Buche in Thüringen
einschließlich Nationalpark Hainich wur­
de frühzeitig thematisiert. Die Nordwest­
deutsche Forstliche Versuchsanstalt ver­
öffentlichte Mitte Juni eine ausführliche
Waldschutzinfo zu den Buchenschäden.

                                                                                                                      2 |2020 LWF aktuell                11
Klimawandel

            4 Altbuche mit starkem Schleimfluss
           und ersten Rindenrissen: Im Regelfall
           kann dieses Schadensstadium nicht
           mehr als Stammholz verwertet wer-
           den. Eine Handlungsoption ist für den
           Waldbesitzer, solche Bäume für den
           Waldnaturschutz als Biotopbaum oder
           Totholz stehen zulassen – vorausge-
           setzt, es sind damit keine speziellen
           Gefahren für Waldbesucher bzw. die
           weitere Waldbewirtschaftung ver-
           bunden. Foto: S. Thierfelder, AELF Schweinfurt

Vermarktung geschädigter Buchen
Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die
Waldbesitzer ist, bis zu welchem Schä­
digungsgrad ein Verkauf als Stammholz
noch markttechnisch möglich und wirt­
schaftlich ist. Mit der Zeit zeigte sich für
die privaten und kommunalen Waldbesit­
                                                                                                          5 Vom Absterben sind auch Buchen mit Specht-
zer, dass es schwierig ist, eine allgemein
                                                                                                         höhlen betroffen. Foto: S. Thierfelder, AELF Schweinfurt
gültige Linie zu finden: Die Qualitäten
des eingeschlagenen Holzes differieren                      abgestorbener Krone als Biotopbaum-          künftigen klimastabileren Verjüngung
von Bestand zu Bestand und auch die                         Kronentotholz. Viele private und kom­        (z. B. Eichenverjüngung) in den kommen­
Ansprüche und Möglichkeiten der ein­                        munale Waldbesitzer im Amtsbereich           den Jahren intensive Betriebsarbeiten auf
zelnen Sägewerke sind unterschiedlich.                      sind traditionell sehr aufgeschlossen für    der Fläche erfordert (Pflanzungen, Pfle­
Für den Stammholzeinschlag kamen                            Waldnaturschutz und das Förderpro­           ge, Schutzmaßnahmen).
grundsätzlich nur solche Bäume äußer­                       gramm VNP-Wald. So fand seitens des          Bei zahlreichen Waldbegängen – auch
lich infrage, die im unteren Kronenbe­                      AELF mit beiden Unteren Naturschutz­         gemeinsam mit forstlichen Zusammen­
reich noch angemessene Anteile grüner                       behörden ein Waldbegang statt, um die        schlüssen und Verbänden – wurde die
Äste hatten und auf der Stammoberflä­                       fachlichen und abwicklungstechnischen        Schadenssituation in Unterfranken Wald­-
che keinen Pilz- oder Insektenbefall oder                   Details einer verstärkten VNP-Förderung      besitzern, Politikern sowie Bürgern und
Schleimfluss aufwiesen. Tage nach dem                       bei den trockengeschädigten Buchen ein­      Presse vorgezeigt und erläutert.
Einschlag konnten sich nachträgliche                        vernehmlich abzustimmen.
Verfärbungen an den Schnittflächen zei­                                                                  Schwammspinner und Buche
gen. Im Stamm gab es zonenweise Unter­                      Folgen für die weitere Waldbewirtschaf-      Neben den witterungsbedingten Schä­
schiede der Holzfeuchte. Auch stand die                     tung                                         den war die Buche örtlich auch von
Frage im Raum, wie rasch die Entwer­                        Eine zentrale Frage bei der Entscheidung     Schwammspinnerfraß betroffen. Inzwi­
tungsprozesse am stehenden Baum im                          »Einschlagen oder Stehenlassen« ist, wel­    schen ist zu beobachten, dass die Eiabla­
Laufe des Jahres 2019 vorangeschritten                      che Gefahrenpotenziale für die künftige      ge des Schwammspinners verstärkt auch
sind, so dass frühzeitiger Einschlag an­                    Waldbewirtschaftung entstehen. Damit         an Buche stattfindet:
dere Qualitäten erwarten ließ als ein spä­                  war die Frage zu klären, in welchem Zeit­    ƒƒInnerhalb des bisherigen, eichen­
terer Wintereinschlag. So waren manche                      raum wohl ein Großteil der abgestorbe­         dominierten Befallsareals tritt der
Angebote von Käufern zunächst nur bis                       nen Kronenäste abbrechen und zu Boden          Schwammspinner nun auch in Waldbe­
November befristet.                                         fallen wird. Mit allen Unwägbarkeiten          ständen mit höheren Buchenanteilen
                                                            aufgrund spezieller örtlicher Einflussfak­     (bis hin zu führenden Buchenbestän­
Handlungsalternative Waldnaturschutz                        toren steht als erste Orientierungsgröße       den) auf.
Angesichts der vorab schwer einschätzba­                    der Zeitraum von fünf Jahren im Raum.        ƒƒZugleich weitet der Schwammspin­
ren Vermarktungssituation beim Buchen­                      Zur Verprobung haben wir markante Alt­         ner sein Befallsareal in nördlichere,
stammholz aus Trockenschäden und der                        buchen, von denen wir Fotos aus dem            buchen­reichere Regionen aus.
Unfallgefahr für Forstwirte haben Wald­                     Absterbejahr hatten, 2019 nochmals fo­       Örtlich fallen ein witterungsbedingt re­
besitzer häufig geprüft, welche weiteren                    tografiert und den bisherigen Kronen­        duzierter Laubaustrieb und Schwamm­
Handlungsalternativen bestehen. Eine                        abbau in der Dienstbesprechung disku­        spinnerfraß am Restaustrieb zusammen.
ist, geschädigte Bäume für den Waldna­                      tiert. Zur Reduzierung der Unfallgefahr      Im westlichen Landkreis Würzburg kam
turschutz stehen zu lassen und in das                       bei der künftigen Bewirtschaftung wurde      es zu einer größeren Kahlfraßfläche in
Vertragsnaturschutzprogramm Wald ein­                       der Einschlag speziell in den Einzelfäl­     führender Buche.
zubringen: komplett abgestorbene Bäu­                       len empfohlen, wo bei höherer Schadens­
me als Totholz oder Bäume mit partiell                      quote im Altbestand die Sicherung einer

12   LWF aktuell 2 |2020
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