Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen

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Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen
Wirtschaftsreport
                Dezember 2019

            Titelthema:
            Die Zeit zurückgespult
Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen
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Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen
Wirtschaftsreport        Dez 19           1

                                                  Editorial
                                         Quantensprünge und kleine Schritte
Die heimische Wirtschaft ist besonders auf leistungsfähige Verkehrswege
angewiesen: Walzen, Rohre, Maschinen und Anlagen können den Kunden
nicht in einer Cloud zum Download angeboten werden. Diese Produkte
müssen tatsächlich ganz real bewegt werden auf der Straße und der
Schiene. Die Verkehrsträger sind wirtschaftliche Lebensadern, die zu ver-
kalken drohen. Ist es erst einmal so weit, werden viele Betriebe zu Patien-
ten und nehmen Schaden. Mit dem zweifelhaften Prädikat „Stauland
Nummer 1“ wird Nordrhein-Westfalen trotz aller Anstrengungen, hieran
etwas zu ändern, noch längere Zeit leben müssen. Seit zwei Jahren wird
allerdings wieder verstärkt in den Erhalt und den Ausbau der Verkehrs-
infrastruktur investiert. Das ist gut so. Die Mittel wandern in den ÖPNV
und in die vernetzte Mobilität, aber eben auch in den Ausbau und in den
Erhalt von Straßen. Zudem wird offensichtlich mehr Personal eingesetzt,
um etwa Planungen voranzutreiben.

Weniger die Summen als das eigentliche Umdenken bedeuten einen Quan-
tensprung in der Verkehrspolitik. Investitionen in den Straßenbau galten
lange Zeit fast schon als anrüchig. Die Folge waren politische Versäum-
nisse. Der Investitionsstau entwickelte sich dadurch zum ständigen Be-
gleiter des Staus auf der Straße. Will man Verkehrsbehinderungen durch
immer neue Baustellen mindern, ist eine baulastträgerübergreifende
Baustellenkoordination das Gebot der Stunde. Das hat Minister Wüst
erkannt. Die Zeiten, in denen Bund, Länder und Kommunen engagiert
aneinander vorbeiplanten, sollen vorbei sein. Inzwischen gibt es in dieser
Frage auch eine Kooperation mit der Deutschen Bahn. Um die geplanten
Baumaßnahmen auf kommunaler Ebene kennenzulernen, geht das Land               wird durch interessierte gesellschaftliche Gruppen nach wie vor zu viel
aktiv auf Landkreise, Städte und Gemeinden zu und bietet kostenfrei ein       behindert, wie die gerichtliche Auseinandersetzung um die Südumgehung
Programm zur digitalen Erfassung der Baustellen an. Das alles kann man        Kreuztal nachdrücklich belegt.
nur begrüßen.
                                                                              Gemessen an der Vergangenheit fällt die Bilanz dennoch positiv aus. Das
Den frischen Wind spüren wir auch hier vor Ort. Die Erneuerung der Sauer-     ist auch in anderer Hinsicht bedeutsam: Der Verkehrssektor ist in jüngster
landlinie liegt gut in der Zeit. Die abschnittweise Planung trägt Früchte.    Zeit unter dem Stichwort „Mobilität der Zukunft“ zu Recht als entschei-
Die L512 zwischen Olpe und Attendorn erhält einen dritten Fahrstreifen        dendes Handlungsfeld für den Klimaschutz diskutiert worden. Leider wer-
und im Siegerland werden die Planungen für zwei Ortsumgehungen wie-           den wie am Fließband stetig neue staatliche Eingriffe ersonnen. Dabei
der aufgegriffen, um das Weißtal verkehrlich zu entlasten. Zu den erfreu-     kommt es am Ende auf die Berücksichtigung von Klimafragen in den un-
lichen Entwicklungen gehört zweifellos auch das Südwestfalen Container-       ternehmerischen Entscheidungen an. Die Akzeptanz und Bereitschaft,
terminal in Kreuztal – ein wesentlicher Baustein, um Güterverkehre dort,      etwa alternative Antriebe im betriebseigenen Fuhrpark einzusetzen, dürf-
wo es geht, verstärkt über die Schiene abzuwickeln.                           te um ein Vielfaches höher sein, wenn logistische Abläufe gesichert sind
                                                                              und Existenzsorgen durch den Stillstand auf Deutschlands Straßen dem
Natürlich: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Rund 16.000 Anträge auf Ge-       nicht im Wege stehen.
nehmigung von Großraum- und Schwertransporten bearbeiten die beiden
Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe jährlich. Die rechtlichen Vorgaben        Auch vermeintlich kleine Schritte sind dabei hilfreich, wie in der Gemein-
aus Berlin sorgen vor Ort für zahlreiche neue Auflagen und lösen nach wie     de Wilnsdorf, wo jüngst ein Kreisverkehr endgültig ausgebaut wurde –
vor teils absurde bürokratische Aufwände aus. Zudem bleiben bei der Fi-       nachdem er 18 Jahre ein Dasein als ein Provisorium fristete. In chinesi-
nanzierung der Landesstraßen nach wie vor regionalspezifische Belastun-       scher Zeitrechnung sind das immerhin viereinhalb Großflughäfen! !
gen unberücksichtigt. Angesichts bewegter Topografie und besonderer
Witterungseinflüsse, aber auch weil der Güterverkehr vorwiegend über das
                                                                                          In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
nachgelagerte Straßennetz verläuft, sind die Kosten für die Straßenunter-
haltung bei uns deutlich höher als andernorts. Gleichwohl werden die                                      Walter Viegener
Landesgelder weiter nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Und schließlich                                 IHK-Vizepräsident
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                           Inhaltsverzeichnis
                                                                                                                                                     Titelthema

                                                                                                                                                            4
                                                                                                                                          Wirtschaftsgeschichte
                                                                                                                                            im 19. Jahrhundert:
                                                                                                                                          Die Zeit zurückgespult
                                                                                                                                Heute sind die Kommunen im heimischen
                                                                                                                                     Kammerbezirk wichtige Teile des
                                                                                                                                Top-Industriestandortes Südwestfalen und
                                                                                                                                     Sitz weltweit agierender Firmen.
                                                                                                                                   Das Titelthema beschäftigt sich mit
                                                                                                                                     der regionalen Entwicklung von
                                                                                                                                      Unternehmen und Wirtschaft.

                                                                                                                                                    Titelseite:
                                                                                                                                             Foto: Heiner Morgenthal

24          dy-Pack Verpackungen
            Erfolgreich                                          36          Diversifizierung
                                                                             Mit wachem Auge                                    44          „Weihnachten im Schuhkarton“
                                                                                                                                            Mehr als ein Päckchen
            und nachhaltig                                                   in die Zukunft                                                 mit Geschenken

Impressum
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist das offizielle Organ der IHK Siegen    Herausgeber                                                    Layout
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Quartal 3/2019                                                   In der Trift 11, 57462 Olpe, Telefon 02761 9 44 50,            Telefon 0271 5940-338
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des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der IHK Siegen       Patrick Kohlberger: 0271 3302-317,                             Zustellung
wieder. Nachdruck mit Genehmigung des Herausgebers und           Ann-Kristin Spies: 0271 3302-318                               Für Fragen, die die Zustellung betreffen, wenden Sie sich
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te Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.           Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist keine auf Erwerb ausgerichtete         Anke Bösenberg, Katja Sponholz, Jan Micha Solms,
Veröffentlichung.                                                Frank Steinseifer, Brigitte Wambsganß                          Zurzeit gültige Anzeigenpreisliste Nr. 58
Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen
Wirtschaftsreport       Dez 19       3

 IHK online
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         www.ihk-siegen.de. Dazu geben Sie bitte die dem Text beigefügte ID in das Suchfeld unserer Website ein. «

» 4 Titelthema                                10 | Nachrichten                                  » 62 Jubiläen/Bücher
24 | Berichte                                 » 10 Konjunktur in Südwestfalen                   62 | Börsen
» 24 Erfolgreich und nachhaltig               » 12 Mobilitätswende                              » 62 Recyclingbörse
» 28 Erfolg seit Generationen                 » 14 Südwestfalenaward                            » 63 Unternehmensnachfolgebörse
» 32 Ein unterschätzter                       » 17 Ausbildungsforum                             » 65 Handels- und
     Wettbewerbsvorteil                       » 55 Fachkräftereport                                  Genossenschaftsregister
» 36 Mit wachem Auge in die Zukunft           » 59 Handelsstreit                                » 72 Veranstaltungskalender
» 40 Weit mehr als
     ein „Rachenputzer“
» 44 „Weihnachten im Schuhkarton“
» 48 Drei Häuser, zwei Generationen,
     ein Hotel
Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen
4       Dez 19   Wirtschaftsreport

                           Wirtschaftsgeschichte im 19. Jahrhundert

         Die Zeit
      zurückgespult
  Heute sind die Kommunen im heimischen Kammerbezirk wichtige Teile des Top-Industriestandortes
Südwestfalen und Sitz weltweit agierender Firmen. In einer kleinen Serie wird sich der Wirtschaftsreport
 mit der regionalen Entwicklung von Unternehmen und Wirtschaft beschäftigen. Dabei wird auch der
 Kreis Olpe detailliert beleuchtet. Zum Auftakt steht nun Siegen-Wittgenstein im Fokus. Wegweisend
  für die dortige Erfolgsgeschichte waren die Ereignisse im 19. Jahrhundert. Damals – und bis 1975 –
      bildeten Siegerland und Wittgenstein zwei eigenständige Kreise mit völlig unterschiedlichen
   wirtschaftlichen Voraussetzungen. Und doch gab es Knotenpunkte, die sie miteinander verbanden.

                         Text: Brigitte Wambsganß   |   Fotos: Heiner Morgenthal (5), Carsten Schmale (1)
Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen
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    Für Historiker wie den Siegener Dieter Pfau hört das            und 1817 entstanden die Kreise Siegen
    19. Jahrhundert erst 1918 mit dem Ende des Ersten Welt-         und Wittgenstein: „Für Preußen war
    kriegs und des Kaiserreichs auf. Die Geschichte der beiden      der Anschluss des Kreises Siegen
    heimischen Kreise in diesem Zeitraum beschreiben die            äußerst lukrativ.“ Das Sieger-
    Historikerin Elisabeth Strautz und er im zweiten Band der       land war „eine große Me-
    optisch und inhaltlich aufwendigen Buchreihe „Zeitspuren        tallfabrik mit zahlreichen
    in Siegerland und Wittgenstein“ (siehe Kasten). Das Leben       Eisen-, Stahl-, Silber-,
    war Anfang des 19. Jahrhunderts für die meisten Menschen        Blei- und Kupferhütten“,
    hart: „Diese Zeit war gekennzeichnet von großer Armut“,         zitiert der Historiker ein
    verdeutlicht Dieter Pfau. Es gab ein großes soziales Gefälle.   offizielles Dokument.
    Ganz oben die Fürsten in Berleburg und Laasphe, gefolgt         Zudem entwickelte sich
    von der dünnen Oberschicht aus Beamten und Gewerbe-             das Textil-, Gerberei-
    treibenden in beiden Kreisen. Besonders schlecht ging es        und Ledergewerbe er-
    der Landbevölkerung. Katastrophale Ernten und Armut führ-       folgreich. Anders sah es
    ten besonders in Wittgenstein zu mehreren großen Aus-           in Wittgenstein aus. Hier
    wanderungswellen. Elisabeth Strautz, beim Archiv des Krei-      lebten die Menschen über-
    ses Siegen-Wittgenstein beschäftigt, blickt zurück: „Die        wiegend von Viehzucht und
    Bevölkerung war in Wittgenstein so sehr geschrumpft, dass       Holzwirtschaft. Die hier ansäs-                                                Für
    der Landrat 1818 von einer ,Auswanderungs-Seuche‘               sigen Köhler belieferten die Gru-                                         Dieter
    sprach.“                                                        ben und Hütten im Siegerland sowie                                    Pfau sind
                                                                    im Dillenburger Raum mit Holzkohle.                            die „Zeitspuren“
    Nach dem Wiener Kongress 1814/15 begann ein neuer Zeit-         Elisabeth Strautz ordnet ein: „Später, als Steinkohle die     eine echte Herzens-
    abschnitt. Dieter Pfau: „Es war im Nachhinein der Beginn        Holzkohle ersetzte, wurde das Holz der Wittgensteiner Wäl-    angelegenheit.
    des Übergangs in die Moderne.“ Die Fürstentümer Nas-            der in großen Mengen für den Grubenbau und um 1900 für
    sau-Oranien, Sayn-Wittgenstein-Berleburg und Sayn-Witt-         die deutschlandweite Aufstellung von Telegrafenmasten
    genstein-Hohenstein fielen an Preußen. In den Jahren 1816       geliefert, für die in Laasphe eigens eine Imprägnieranstalt
                                                                    entstand.“ Auch die Siegerländer Haubergswirtschaft habe
                                                                    durch die Verdrängung der Holzkohle ihre vormalige Be-
                                                                    deutung verloren: „Sie konnte aber bis in die 1890er-Jahre
                                                                    immerhin noch von der Leim- und Lederindustrie gewinn-
                                                                    bringend genutzt werden.“
                                                                                                                                  Als Archivarin des
                                                                    Für die Region sei die neue Regierung in Berlin im Gesamten   Kreises Siegen-
                                                                    betrachtet ein Glück gewesen, resümieren die beiden His-      Wittgenstein weiß
                                                                    toriker. Die Preußen ließen Straßen bauen und kümmerten       Elisabeth Strautz viel
                                                                    sich um Arbeit für die arme Bevölkerung in                    über die Entwicklung
                                                                    Wittgenstein. „Es gab eine Art Wirt-                                der letzten
                                                                    schaftsförderung, um neue Gewer-                                         Jahrhun-
                                                                    beansiedlungen zum Beispiel für                                             derte.
                                                                    Tuch- und Strumpfstrickerei-
                                                                    en, Pulverfabriken oder eine
                                                                    Merinoweberei nicht nur
                                                                    für Wittgensteiner, son-
                                                                    dern auch für auswärtige
                                                                    Unternehmer zu ermög-
                                                                    lichen“, erklärt Elisabeth
                                                                    Strautz. Die preußische
                                                                    Bürokratie funktionier-
                                                                    te. Ausführliche Berich-
                                                                    te über die wichtigsten
                                                                    Ereignisse in den Land-
                                                                    kreisen landeten bei der
                                                                    Bezirksregierung in Arns-
                                                                    berg und über diese in
                                                                    Berlin. Für die Autoren der
                                                                    „Zeitspuren“ bilden die entspre-
                                                                    chenden „Zeitungsberichte“ und
                                                                    die Vielzahl von Verwaltungsakten
Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen
6            Dez 19     Wirtschaftsreport

                        eine unerschöpfliche Quelle. „Wir haben viele schöne Ge-        Trotz der Erfolge hatte die Industrie immer wieder mit
                        schichten gefunden“, freut sich Strautz. Zum Beispiel die       Strukturproblemen zu kämpfen: „Es war ein ständiges Auf
                        vom „Indianer Jakob“, der von einer philippinischen Insel       und Ab“, unterstreicht Dieter Pfau. Das heimische Erz ge-
                        verschleppt worden war. Er wurde 1829 in Siegen von einem       noss zwar wegen seiner Qualität Weltruf, aber die deutsche
                        Schausteller in Ketten vorgeführt, was angesehene Bürge-        und die ausländische Konkurrenz produzierten günstiger. So
                        rinnen erboste. Er bekam seine Freiheit und wurde sicher        mussten die Siegerländer für ihre Produkte spürbar höhere
                        nach Rotterdam geleitet, um von dort in seine Heimat zu-        Transportkosten als die Unternehmen aus dem Ruhrgebiet
                        rückkehren zu können.                                           bezahlen. Ein Grund laut Dieter Pfau: „Die Aktionäre der
                                                                                        privaten Eisenbahngesellschaften waren meist Industrielle
                        Allmählich besserte sich die wirtschaftliche Lage. Bestehen-    aus dem Ruhrgebiet, die sich so selbst einen Wettbewerbs-
                        de Betriebe entwickelten sich weiter und neue entstanden.       vorteil verschafften.“ Die hohen Frachtkosten waren auch
                        Zehn Aussteller aus dem Kreis Siegen – alle aus dem Mon-        in den folgenden Jahrzehnten ein großes Manko: „Ohne be-
                        tanbereich – zeigten ihre Produkte 1844 auf der Berliner        sondere Tarifermäßigungen wie den 1886 von der preußi-
                        Gewerbeausstellung. 1852 war etwa die gleiche Zahl bei der      schen Regierung eingeführten ,Notstandstarif für das Sieg-
                        Provinzial-Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf dabei. Auf         Lahn-Dill-Gebiet‘ war die Siegerländer Montanindustrie
                        der „Allgemeinen Pariser Ausstellung“ im Jahr 1855 beka-        nicht wettbewerbsfähig.“ Daran hatte Heinrich von Achen-
                        men mehrere Betriebe des Montangewerbes sowie der Le-           bach, dessen Eltern aus Siegen stammten, einen gehörigen
                        der- und Leimindustrie des Siegerlandes Silbermedaillen         Anteil. Er vertrat den Wahlkreis Siegen-Wittgenstein von
                        oder „ehrenvolle Erwähnungen“. Die 1849 gegründete Han-         1866 bis 1898 im Preußischen Abgeordnetenhaus und war
                        delskammer für den Kreis Siegen vertrat nun die Interessen      von 1873 bis 1878 sogar preußischer Minister für Handel,
                        der hier ansässigen Unternehmen. Ingenieur Heinrich Mac-        Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Immer wieder setzte er
                        co, von 1879 bis 1906 Geschäftsführer der Siegener Han-         sich für die Region ein.
                        delskammer, repräsentierte ab 1899 den Wahlkreis Sie-
                        gen-Wittgenstein für die Nationalliberale Partei im             Die Wittgensteiner litten im 19. Jahrhundert lange unter
                        Preußischen Abgeordnetenhaus.                                   einer Doppelbesteuerung. Sie mussten nicht nur Steuern an
                                                                                        den preußischen Staat zahlen, sondern auch noch Abgaben
                        Mit der Eröffnung der Eisenbahn im Jahr 1861 begann             an ihre ehemaligen Landesherren leisten sowie Hand- und
                        schließlich die eigentliche Industrialisierung im Siegerland.   Spanndienste erbringen. Preußen habe diese Praxis schließ-
                        Koks kam nun in großen Mengen aus dem Ruhrgebiet ins            lich mit dem „Ablösungsgesetz“ vom Dezember 1839 be-
                        Siegerland. Große Hüttenwerke wie die 1864 in Betrieb ge-       endet, konstatiert Elisabeth Strautz: „Damit haben sich die
                        nommene Charlottenhütte boomten. Neu gegründete Ma-             rechtlichen und ökonomischen Verhältnisse völlig verän-
                        schinenfabriken versorgten die Bergbaugruben, die Eisen-        dert. Die Fürsten erhielten vom Preußischen Staat für die
                        und Stahlhütten- sowie die Walz- und Walzengusswerke            Abgaben und Dienste eine finanzielle Entschädigung, die die
                        vor Ort mit modernster Technik. Ihre Produkte verkauften        Einwohner im Laufe von Jahrzehnten in eine Tilgungskasse
                        sie auch in andere Regionen. Es ging aufwärts. Dieter Pfau:     zurückgezahlt haben.“ An der positiven Wirtschaftsent-
                        „Zwar war die Montanindustrie gegen Ende des Jahrhun-           wicklung des Siegerlandes hat Wittgenstein einerseits par-
                        derts immer noch bestimmend, doch ab 1890 entwickelte           tizipiert, andererseits waren die Menschen abhängig von
                        sich die Weiterverarbeitung immer besser. Man war unab-         der Konjunktur im Nachbarkreis. Wenn die Industrie im
                        hängiger, breiter aufgestellt und in der Lage, mit Krisen       Siegerland florierte, brauchte sie zusätzlich zur Stammbe-
                        besser umzugehen.“ Eine ganze Reihe von Siegener Unter-         legschaft Arbeitskräfte aus Wittgenstein und dem Wester-
                        nehmern sei deutschland- und teils weltweit so erfolgreich      wald. Sie mieteten sich als „Wasserköstler“ bei Privatleuten
                        gewesen, dass sie der Berliner Kunsthistoriker Albert Dresd-    ein. Arbeiter aus Wittgenstein zogen in den 1870er-Jahren
                        ner in seine veröffentlichten Industriellen-Porträts aufge-     sogar ins Ruhrgebiet. Dadurch waren ihre Familien zeitwei-
                        nommen habe: Gustav Gontermann, Robert Kölsch, Adolph           se besser versorgt. „Allerdings mussten die Wittgensteiner
                        Kreutz, Emil Peipers, H. D. F. Schneider, Willibald Schul-      in Krisenzeiten auch schnell wieder gehen“, stellt die His-
                        te und Friedrich Spiess.                                        torikerin klar.

                                                                                        Die Landwirtschaft profitierte von der Kunst des Siegerlän-
    Industriearchitektur im Blick                                                       der Wiesenbaus, der vor allem der Viehzucht zugutekam.
                                                                                        Um 1832 schlossen sich die Bauern in beiden Kreisen zu
    Fotograf Jürgen Armenat widmet sich der heimischen Wirtschaft in ganz eigener
                                                                                        „landwirtschaftlichen Gewerbevereinen“ zusammen. Im
    Weise. Seine Ausstellung „Point of View - Alles nur Fassade?“, die bis 27. Febru-
                                                                                        späten 19. Jahrhundert intensivierte der Landrat eine wei-
    ar 2020 in der Ausstellungsreihe IHKansichten zu sehen ist, zeigt Aufnahmen
                                                                                        tere Erwerbsmöglichkeit, indem er die Holzhausindustrie in
    von Gebäudefassaden hiesiger Unternehmen. Armenat sieht die Geometrie im
                                                                                        Wittgenstein förderte, berichtet Elisabeth Strautz: „Eine
    Detail, spürt die Brüche, grafischen Elemente und Spiegelungen auf, sucht die
                                                                                        Besonderheit stellte das Dorf Girkhausen dar. In fast jedem
    optimale Perspektive und macht so Fassaden zu unerwarteten und einmaligen
                                                                                        Haus stand dort eine Drehbank, die den Bewohnern im Win-
    Kunstwerken. Die Vernissage findet am 4. Dezember um 19 Uhr in der IHK Siegen
                                                                                        ter als Löffelschnitzer und Schüsseldreher ein Einkommen
    statt.
                                                                                        verschaffte.“ Die Zeiten seien auch in Wittgenstein wech-
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  Kuxen – die „Aktien“ der Gruben
  Zu seinem 18. Geburtstag erhielt Arnold                                                                    ein.“ Die Anteilseigner wählten in der
  Vetter von seinem Großvater Ernst Vetter                                                                   Gewerkenversammlung den Grubenvor-
  ein eher ideelles Geschenk: einen „Kux-                                                                    stand und den Repräsentanten. Jede
  schein“, also einen Anteilschein, und                                                                      Grube konnte entweder 100 oder 1000
  zwar an der Grube „Philippshoffnung“ in                                                                    Stück Anteile respektive Kuxen vergeben.
  Eiserfeld. „Damals konnte ich noch nichts
  damit anfangen“, erinnert sich der Sie-                                                                     Arnold Vetter blättert eine dicke Mappe
  gerländer Unternehmer. Später entdeck-                                                                      mit in Folien verpackten Kuxscheinen
  te er in einem Trödelladen ein ähnliches                                                                    durch. Manche sind einfach, einige
  Papier. Seine Neugier war geweckt.                                                                          prachtvoll gestaltet – zum Beispiel die
                                                                                                              der „Gewerkschaft Neue Hoffnung Lan-
  Heute besitzt der Geschäftsführer der                                                                       deskrone“. Aber alle seien nach demsel-
  VETTER Industrie GmbH aus Burbach eine                                                                      ben Prinzip aufgebaut, erklärt der Unter-
  große Sammlung dieser inzwischen ma-                                                                        nehmer. So ist jeder Kux persönlich auf
  teriell wertlosen Papiere. Für Arnold Vet-                                                                  den Eigentümer ausgestellt und jede
  ter sind sie mehr als Erinnerungsstücke:                                                                    Übertragung wird auf dem Kuxschein
  „Sie dokumentieren einen wesentlichen                                                                       sowie in einem Gewerkenbuch notiert.
  Teil der Siegerländer Wirtschaftsge-                                                                        Außerdem wurden alle Scheine vom Gru-
  schichte.“ Für den Erzbergbau hat er sich   Unternehmer Arnold Vetter kann vor allem über die sogenannten   benvorstand oder vom Repräsentanten
  schon aus familiären Gründen immer in-      „Kuxscheine“ jede Menge berichten.                              unterschrieben. Sie waren bald beliebte
  teressiert: „Mein Urgroßvater Arnold Vet-                                                                   Spekulationsobjekte – auch außerhalb
  ter war Grubenschmied – zunächst bei der Grube Eisenzecher Zug, im          des „Siegerländer Erzreviers“, das den Kreis Altenkirchen sowie Teile des
  Jahr 1889 machte er sich dann in Eiserfeld selbstständig. Schnell etab-     Westerwaldkreises einschloss. Auch wohlhabende Siegerländer Fami-
  lierte er sein Unternehmen als Hersteller von Bergbauausrüstungen.“         lien kauften Kuxen – genauso wie Bergmannsfamilien. Alle hofften auf
  Seine Schmiede, Urzelle der heutigen VETTER Industrie GmbH in Burbach       den großen Gewinn. Arnold Vetter: „Im Sprachgebrauch haben sich
  sowie der VETTER Krantechnik GmbH in Siegen und Haiger, stand in der        Begriffe wie ,Kuxefewer‘ für Spekulationsfieber, ,Kuxerich‘ für einen
  Nähe des Portals des Reinhold-Forster-Erbstollns in Eiserfeld.              Spekulanten und ,Kuxerei‘ für den leichtsinnigen Umgang mit Geld eta-
                                                                              bliert.“ Wer in eine erfolgreiche Grube investierte, konnte „Kohle ma-
  Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es noch etwa 300 Gruben. Nur             chen“: So kletterten Kuxen der Gewerkschaft „Pfannenberger Einigkeit“
  wenige Menschen waren dafür verantwortlich, diese zu betreiben. Ar-         von 300 Mark (1892) auf 15.000 Mark (1915) pro Schein. Wer Pech
  nold Vetter erinnert: „Familienangehörige und Nachbarn schlossen sich       hatte, „verkuxte sich“ und verlor viel Geld – die Kuxscheine der „Ge-
  zusammen. Das Erz haben sie vorwiegend über Tage abgebaut. Letztlich        werkschaft Königsstollen“ in Herdorf stürzten von 5000 Mark auf 45
  waren dies Vorläufer der Bergbaugesellschaften.“ Später, als der Tage-      Mark pro Stück ab. Und es konnte passieren, dass der Anteilseigner
  bau erschöpft war, brauchten die Grubenbetreiber Geld, um Maschinen         zubuttern musste („Zubußpflicht“), wenn eine Grube schlecht wirt-
  für den Tiefbau anschaffen zu können. Sie mussten investieren und           schaftete. Die Kuxscheine wurden übrigens an der Berliner Börse no-
  beschafften sich das Kapital durch die Herausgabe von Kuxen. Der äl-        tiert. Vor Ort handelte der Siegener Ernst Giebeler mit den Wertpapie-
  teste Kuxschein in Arnold Vetters Sammlung stammt von der „Grube            ren. Er gab sogar tägliche Kursberichte heraus.
  Heinrichsfund“ in Caan aus dem Jahr 1872. Das Preußische Berggesetz
  von 1865 ermöglichte die Gründung der „Bergrechtlichen Gewerk-              Das Ende der Kuxscheine folgte erst am 1. Januar 1984. Arnold Vetter:
  schaft“, die „die benötigten Kapitalsummen aufbringen konnte“, wie          „Mit dem Bundesbergbaugesetz wurden alle bergrechtlichen Gesell-
  Vetter zurückblickt. Mit den heutigen Gewerkschaften hatte der Begriff      schaften aufgelöst oder in eine andere Gesellschaftsform überführt.“
  nichts zu tun. Es handelte sich um einen Zusammenschluss mehrerer           Die „Kuxscheine“ sind nur noch in Alben verwahrte Sammelobjekte.
  Personen, die „zum Zwecke des Bergbaus zusammenwirkten“. Diese              Gehalten hat sich auch die amüsante Geschichte vom Siegerländer Ori-
  Bergwerksbetreiber hießen „Gewerken“: „Zwei oder mehrere Gewerken           ginal Wilhelm Holdinghausen, der Kölner Spekulanten Kuxen der fikti-
  bildeten dann die Gewerkschaft und brachten das notwendige Kapital          ven „Ongelsgrow“ andrehte, was schließlich vor dem Kadi endete.

selhaft gewesen. Bis 1890 habe teils große Not geherrscht,        schaftlichen Nebenerwerb und fürsorgliches Verhalten einer
bevor sich um 1900 eine spürbare Verbesserung eingestellt         größtenteils patriarchalisch gesinnten Unternehmerschaft
habe.                                                             abmildern. Soziale Konflikte spielten kaum eine Rolle.“ Doch
                                                                  die kurz vor 1900 gegründeten Christlichen Gewerkschaften
Mit der Industrialisierung stand auch im Siegerland und in        hätten auch im Siegener Raum neue Akzente gesetzt. „Die
Wittgenstein die „sociale Frage“ auf der Tagesordnung, wie        ‚Arbeiterschicht‘ wollte jetzt selbst mitreden“, bemerkt Die-
Dieter Pfau erklärt: „Die vor allem in Konjunkturkrisen dro-      ter Pfau. In beiden Kreisen nahm die Wohlstandsentwick-
hende Not der Arbeiter konnte man vielfach durch landwirt-        lung bis 1914 zu. Durch den Bau von Wasserleitungen und
Wirtschaftsreport Dezember 2019 - Titelthema: Die Zeit zurückgespult - IHK-Siegen
8             Dez 19      Wirtschaftsreport

                                                                                         Fischbach unterstreicht. Er hat den Film mithilfe seiner
                                                                                         Partnerfirma Omnimago aus Ingelheim aufwendig restau-
                                                                                         riert und digitalisiert. Unterstützung kam von der Stadt
                                                                                         Siegen und dem Kreisarchiv. Die DVD sowie viele weitere
                                                                                         Titel sind jetzt in ganz neuer, höherer Qualität im Buch-
                                                                                         handel und bei mundus.tv (www.mundus-tv.de) zu haben.

                                                                                         Die Wirtschaft der Region wurde erst 1952 Thema eines
                                                                                         Films. Titel: „Der Eisenwald“. Regie führte Herbert Laden-
                                                                                         dorff, der später als Produzent in Siegen lebte und arbeite-
                                                                                         te. Kameramann war Herbert Apelt. Alexander Fischbach
                                                                                         erhielt durch einen glücklichen Zufall aus dem Nachlass des
                                                                                         Kameramanns originales Bild- und Tonnegativ. Es gelang,
                                                                                         hiervon einen neuen Scan in 4K zu erstellen, der die Basis
                                                                                         für eine komplette Neurestaurierung bildete. Die Macher
                                                                                         des „Eisenwaldes“ hatten allerdings ihre Auftraggeber aus
Alexander Fischbach                                                                      der Wirtschaft gründlich missverstanden. Anstatt die mo-
         setzt sich auf   Kanalisation steigerte sich die Lebensqualität. Es gab eine    dernen Industrieanlagen zu zeigen, drehten sie einen ro-
filmischer Ebene mit      bessere Gesundheitsversorgung, weniger Krankheiten und         mantischen Heimatfilm. Was damals nicht gut ankam, ist
    der Geschichte der    einen höheren Lebensstandard. Dieter Pfau: „1914 ist es den    heute ein Segen. Denn die Szenen aus dem Hauberg, dem
    Wirtschaft im Sie-    Menschen so gut gegangen wie nie zuvor.“ Dann kam der          Eisenerzabbau in den Gruben und aus der Verhüttung lassen
gerland auseinander.      Erste Weltkrieg.                                               Rückschlüsse auf die Siegerländer Wirtschaft der 20er-Jah-
                                                                                         re zu. Die harte Arbeit der Köhler, die rauchenden Meiler,
                          Und was folgte nach dem Ende des Krieges und der Kaiser-       die Schufterei in den Gruben und bei großer Hitze in der
                          zeit? Die Siegener Film- und TV-Produktion mundus.tv ge-       Stahlproduktion – all das hätte genauso in den 20er-Jahren
                          neriert in erster Linie moderne Industrie- und Werbefilme.     gefilmt werden können, erklärt der mundus.tv-Inhaber. Der
                          Sie hat aber auch zahlreiche historische Filme gerettet, mit   Film zeigt zum Beispiel Männer, die nach der Schicht aus
                          der Technik von heute bearbeitet und neu herausgebracht.       dem Stahlwerk Boschgotthardshütte kamen und direkt da-
                          Inhaber Alexander Fischbach konnte bisher allerdings kein      nach mit dem Leiterwagen aufs Feld oder in den Hauberg
                          Filmmaterial aus der Zeit unmittelbar nach dem Ersten          fuhren. Alexander Fischbach: „Die Nebenerwerbs-Landwirt-
                          Weltkrieg finden, das einen Bezug zur Siegerländer und         schaft ist ebenso wie die Haubergswirtschaft nach dem
                          Wittgensteiner Wirtschaft hatte. Der älteste Film aus dem      Krieg wieder aufgeflammt.“ !
                          Jahr 1924 zeigt „Siegen in seiner ganzen Schönheit. Den
                          Bergbau oder die Industrie hat er nicht behandelt“, wie        Diesen Bericht finden Sie auch unter www.ihk-siegen.de, Seiten-ID 3175.

    „Zeitspuren“ in zwei Bänden
    Der erste Teil der „Zeitspuren“ hatte die                                                                 genstein, das Kreisarchiv sowie den Hei-
    Zeit des Früh- und Hochmittelalters                                                                       matbund Siegerland-Wittgenstein e.V.
    (750 – 1250) erhellt – von der fränki-                                                                    erhält“, wie die Autoren konstatieren.
    schen Herrschaft bis zu den Anfängen                                                                      Initiator und maßgeblicher Motor ist
    der Landesherrschaft in Siegerland und                                                                    IHK-Ehrenpräsident Klaus Th. Vetter. Ihm
    Wittgenstein. Hingegen widmet sich der                                                                    gelang es mithilfe der heimischen Wirt-
    zweite Teil bewusst erst wieder dem 19.                                                                   schaft, insgesamt 100.000 € für diesen
    Jahrhundert. Grund: das 2017 gefeierte                                                                    Zweck zu sammeln. Bis Ende 2020 sollen
    Jubiläum der Gründung des Kreises Sie-                                                                    die neuen „Zeitspuren“ vorliegen, und
    gen aus den Altkreisen Siegen und Witt-                                                                   zwar in zwei Teilbänden (1800-1860 und
    genstein. Vereinigt wurden die Kreise                                                                     1861-1918). Erste Schlaglichter auf
    1975. Den Namen Siegen-Wittgenstein                                                                       diesen neuen Blick in die Geschichte des
    erhielt der neue Kreis erst 1984 auf                                                                      19. Jahrhunderts in Siegerland und Witt-
    Druck der Wittgensteiner Bürger. Das                                                                      genstein bietet die Website www.zeit-
    Interesse an der Vorgeschichte der bei-                                                                   spuren-siwi.de.
    den Kreise war geweckt. Zahlreiche
    Spender sichern die Finanzierung des                                                                      IHK-Ehrenpräsident Klaus Th. Vetter hat sich
    Projektes, das eine „großzügige Unter-                                                                    als Initiator der „Zeitspuren“ verdient ge-
    stützung durch den Kreis Siegen-Witt-                                                                     macht.
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10          Dez 19    Wirtschaftsreport

Konjunktur in Südwestfalen
Handelskonflikte drücken Stimmung
Der Handelsstreit zwischen den USA und China                                                                              lage und 41 % geringere Exporte. Neben dem
sowie den USA und Europa, die schwierige poli-                                                                            Export sehen die IHKs im Strukturwandel in der
tische Lage im Nahen Osten, der Brexit – all das                                                                          Automobilindustrie hin zu elektrischen Antrieben
drückt die Stimmung in der südwestfälischen                                                                               einen weiteren Grund für die gedrückte Stim-
Industrie. Insbesondere die Zulieferer spüren die                                                                         mung unter den Zulieferern. „In Deutschland
Verwerfungen im internationalen Handel. Dies ist                                                                          fährt kaum ein Auto ohne Teile aus Südwestfalen.
das Ergebnis der ersten gemeinsamen Konjunk-                                                                              Das ist eine Erfolgsgeschichte, doch die Diskus-
tur-Auswertung der drei Industrie- und Handels-                                                                           sionen um die Zukunft des Autos gehen nicht an
kammern in Arnsberg, Hagen und Siegen.                                                                                    hiesigen Zulieferern vorbei“, sagt Ralf Stoffels.
Gemeinsam haben die drei IHKs 460 Industrie-                                                                              Deutlich besser als bei den Zulieferern ist die
betriebe befragt. Von diesen erwarten 44 % eine                                                                           Stimmung bei den Herstellern von Investitions-
Verschlechterung ihrer Geschäftslage in den                                                                               gütern sowie von Gebrauchs- und Verbrauchs-
kommenden Monaten. Nur 12 % prognostizieren                                                                               gütern. Im Maschinenbau, der Kernbranche der

                                                                                                        Carsten Schmale
eine Verbesserung. Zu Jahresbeginn hielten sich                                                                           Investitionsgüterindustrie, sind immer noch 50 %
Optimismus und Pessimismus noch fast die Waa-                                                                             der Unternehmen mit ihrer Lage sehr zufrieden.
ge. „Die südwestfälische Industrie durchläuft ein                                                                         Wenngleich die Zahl derer, die ihre Lage mit
von Unsicherheiten geprägtes Jahr. Die Handels-      Die erste gemeinsame Konjunktur-Auswertung der                       „schlecht“ beschreiben, um 18 % angestiegen ist.
hemmnisse haben eher zu- als abgenommen. Der         drei südwestfälischen IHKs verdeutlicht, dass die Stim-              Sowohl bei den allgemeinen Geschäfts- als auch
Brexit belastet den Handel in Europa. Die Auto-      mung unter den Industriebetrieben durch Verwerfun-                   bei den Exporterwartungen überwiegen noch die
mobilbranche befindet sich im Umbruch. Büro-         gen im internationalen Handel gedrückt ist.                          Optimisten. Mit 42 % erwarten doppelt so viele
kratie lähmt die internen Prozesse und Geneh-                                                                             Betriebe bessere als schlechtere Exporte. Felix G.
migungsverfahren. All dies drückt auf die            der Größe ihrer Belegschaft in den kommenden                         Hensel: „Es ist erfreulich, dass trotz der schwie-
Erwartungen an die nähere Zukunft“, erläutert        Monaten festhalten. Doch fast ein Drittel gibt an,                   rigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingun-
Andreas Rother, Präsident der IHK Arnsberg. Ins-     dass sich die Zahl der Beschäftigten verringern                      gen die Maschinenbauer noch überwiegend op-
besondere die Zulieferer sind pessimistisch ge-      könnte. Die Zulieferindustrie in Südwestfalen ist                    timistisch in die Zukunft blicken. Aber auch hier
stimmt. Dort erwarten fünf von zehn Unterneh-        geprägt von den Branchen Metall- und Elektro-                        hinterlassen die globalen Handelskonflikte ihre
men eine Verschlechterung der Geschäftslage,         sowie der Gummi- und Kunststoffindustrie. Be-                        Spuren. Es überrascht daher nicht, dass in dieser
jedoch nur eines von zehn eine Verbesserung.         sonders gedrückt ist die Stimmung bei den Unter-                     exportorientierten Schlüsselbranche drei von vier
Dem Export werden kaum positive Impulse zu-          nehmen aus der Metallerzeugung und -bearbei-                         Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rah-
getraut. 41 % der Unternehmen rechnen mit            tung. Die Bewertung der Lage hat sich dort im                        menbedingungen als größtes Konjunkturrisiko
geringeren, nur 12 % mit höheren Ausfuhren.          Vergleich zur letzten Umfrage umgekehrt. Zu                          sehen.“
„Der Export schwächelt in Deutschland insge-         Jahresbeginn bezeichneten noch 46 % ihre Ge-
samt. Davon sind direkt und indirekt viele Zulie-    schäftslage als gut und nur 10 % als schlecht.                       Die Produzenten von Gebrauchs- und Ver-
ferer betroffen. Sie liefern zwar häufig innerhalb   Nun sagen nur noch 11 %, die Lage sei gut. Der-                      brauchsgütern profitieren von der guten Binnen-
Deutschlands, doch das Endprodukt ist oft für        weil sehen 36 % pessimistisch auf die aktuelle                       konjunktur. „Die hohe Nachfrage der Konsumen-
den Weltmarkt bestimmt“, betont Ralf Stoffels,       Lage. Beim Blick auf die zukünftigen Geschäfte                       ten und die ausgelastete Baubranche sorgen
Präsident der SIHK zu Hagen.                         ist eine deutliche Mehrheit von 63 % pessimis-                       weiterhin für gute Absatzzahlen. Doch auch hier
                                                     tisch. Beim Export rechnet die eine Hälfte mit                       ist ein Einbrechen der Inlandsnachfrage das
Die Bedeutung des indirekten Exports zeigt sich      einer Verschlechterung, die andere mit gleich-                       größte Risiko aus Sicht der Unternehmen“, betont
auch beim Blick auf die wirtschaftlichen Risiken.    bleibenden Geschäften.                                               Andreas Rother. 83 % der Unternehmen bezeich-
61 % der Industriebetriebe bezeichnen inzwi-                                                                              nen ihre Lage mit „befriedigend“ oder „gut“. Zwei
schen die Inlandsnachfrage als Risiko. Das ist der   Ein ähnliches Bild der Wirtschaftslage zeigt                         Drittel erwarten gleichbleibende Geschäfte, 21 %
geteilte Spitzenplatz unter den Konjunkturgefah-     sich bei den Herstellern von Metallerzeugnis-                        bessere. 40 % erwarten höhere Exporte, nur etwa
ren. Gleichauf liegen die wirtschaftspolitischen     sen. Während zu Jahresbeginn noch 47 % ihre                          die Hälfte schlechtere. „Die Stimmung ist in wei-
Rahmenbedingungen mit ebenfalls 61 % und an          Lage mit „gut“ beschrieben, sind es jetzt nur noch                   ten Teilen der südwestfälischen Industrie sicht-
dritter Stelle folgt die Auslandsnachfrage mit       17 %. Negativ urteilen 28 %, verglichen mit 6 %                      lich gedrückt. Die Unternehmen stehen vor einer
54 %. Zu Jahresbeginn wurde noch der Fachkräf-       zum Jahresbeginn. Eine Verschlechterung ihrer                        Zukunft, die unsicher ist wie lange nicht. Doch
temangel am häufigsten genannt. „Unterneh-           Geschäftslage erwarten 47 %, schlechtere Ex-                         eine Vollbremsung sehen wir nicht. Viele Unter-
men, die für die Zukunft schlechtere Geschäfte       porte 46 %. Zumindest mit der aktuellen Lage                         nehmen waren in den letzten Jahren auf der ganz
erwarten, schaffen in der Regel kaum neue Stel-      zufrieden sind die Unternehmen der Gummi- und                        linken Überholspur unterwegs. Noch schneller
len. Sollten sich die Aussichten bewahrheiten,       Kunststoffindustrie. Immerhin zwei Drittel be-                       und noch eine Spur weiter nach links geht es
sind 2020 Stellenreduzierungen nicht auszu-          urteilen sie mit „befriedigend“, 23 % mit „gut“                      dann nicht mehr. Nun konzentriert es sich wieder
schließen“, stellt Felix G. Hensel, Präsident der    und nur 15 % mit „schlecht“. Bei den Erwartun-                       auf der mittleren Spur. Dort geht es zwar lang-
IHK Siegen, fest. Dies belegen auch die Zahlen.      gen ist jedoch ebenfalls der Optimismus verflo-                      samer, aber noch immer solide voran“, fassen die
Zwar wollen fast 60 % der Industriebetriebe an       gen. 44 % erwarten eine schlechtere Geschäfts-                       drei IHK-Präsidenten zusammen. !
Wirtschaftsreport   Dez 19   11

Berufsbildungszentrum
Veranstaltungsreihe
„Ausbildung digital“
Unter dem Titel „Ausbildung digital – Neue Me-
thoden und Inhalte der betrieblichen Ausbil-
dung“ veranstaltet das Berufsbildungszentrum
(bbz) der IHK Siegen in den kommenden vier
Jahren bis zu 200 Vorträge und Workshops, die
sich speziell an Ausbilder, Ausbildungsbeauf-
tragte, Personalverantwortliche und Betriebsräte
richten. In Kooperation mit der LEWA und dem
Bildungszentrum Wittgenstein soll so an den
Standorten Siegen, Attendorn und Bad Berleburg
eine Austausch- und Informationsplattform ent-
stehen. Die duale Berufsausbildung befindet sich
in einem grundlegenden Prozess der Weiterent-
wicklung. Mit der Integration neuer Lerninhalte
und digitaler Medien müssen die Methoden der
Wissensvermittlung angepasst werden. Das
zeigte sich auch im ersten Workshop der neuen
Veranstaltungsreihe im Rahmen des IHK-Aus-
bildungsforums: Nicht nur das Thema „Die Trans-
formation vom Ausbilder zum Lernbegleiter“
stieß bei den mehr als 50 Teilnehmern auf großes
Interesse, sondern auch die Frage, wie neue Me-
dien sinnvoll in die Ausbildung einzubinden sind.
Für bbz-Geschäftsführer Klaus Fenster war der
Workshop ein gelungener Auftakt: „Mit diesem
Thema treffen wir den Nerv der Zeit. Die Bereit-
schaft der Betriebe, die berufliche Ausbildung
zukunftsfähig zu gestalten, ist hoch. Und wir
haben uns zum Ziel gesetzt, sie dabei aktiv zu
unterstützen. Dank der finanziellen Förderung
durch regionale Gewerkschaften, Arbeitgeber-
verbände und die IHK Siegen können wir die Ver-
anstaltungen kostenlos anbieten und somit ei-
nen Beitrag zur Stärkung der dualen Ausbildung
und zur Fachkräftesicherung leisten.“

 Die Veranstaltungsreihe setzt vier themati-
 sche Schwerpunkte:
 1. Ausbildung digital - Alles wird anders,
    aber wie?
 2. Einsatzmöglichkeiten digitaler Lernmittel
    und -methoden in der betrieblichen Aus-
    bildung
 3. Teilqualifikationen als Chance zur Quali-
    fizierung un- und angelernter Mitarbeiter
 4. Angebote für leistungsstarke Jugendliche
    am Beispiel von Zusatzqualifikationen
 Aktuelle Themen und Termine der Veranstal-
 tungsreihe sind auf der Homepage des bbz
 zu finden: www.bbz-siegen.de. Für Fragen
 steht Judith Hamers, Leiterin der kaufmän-
 nischen Bildung im bbz, zur Verfügung: 0271
 89057-21 / hamers@bbz-siegen.de. !
12           Dez 19     Wirtschaftsreport

Mobilitätswende
Zukunft des Automobils im Fokus
                                                                                                                            Dauer private, individuelle Fahrten nicht weg-
                                                                                                                            zudenken seien, weil dies die effizienteste Me-
                                                                                                                            thode darstelle, Menschen über längere Stre-
                                                                                                                            cken zum gewünschten Zeitpunkt ans Ziel zu
                                                                                                                            bringen. Für die Innenstädte wiederum sei es
                                                                                                                            wichtiger, hier auf gemeinschaftlichen Verkehr
                                                                                                                            zu setzen, der aber bequem sein müsse, um ak-
                                                                                                                            zeptiert zu werden. Schuh setzt in seiner Vision
                                                                                                                            für die Mobilitätswende auf „Mover“. Das sind
                                                                                                                            batterieelektrisch angetriebene Kleinbusse mit
                                                                                                                            bis zu 15 Plätzen, die über ein Ridesharing-Sys-
                                                                                                                            tem die Fahrgäste möglichst schnell ans Ziel
                                                                                                                            bringen. „Privat-Pkws, Car-Sharing-Fahrzeuge
                                                                                                                            und ,Mover‘ treffen sich am Rande der Innen-
                                                                                                                            städte in sogenannten Hubs, die ein schnelles
                                                                                                                            und bequemes Umsteigen ermöglichen.“ Prof.

                                                                                                          Carsten Schmale
                                                                                                                            Schuh ist sich sicher, dass auf diese Weise Men-
                                                                                                                            schen bequemer und schneller ans Ziel kommen
                                                                                                                            und deshalb auch bereit sind, umzusteigen. Da-
Unternehmerschafts-Vorsitzender Jörg Dienenthal (links), Referent Prof. Dr. Günther Schuh (Mitte) und IHK-Prä-              durch wird der Verkehr in den Innenstädten ins-
sident Felix G. Hensel tauschten sich über die Mobilitätswende aus.                                                         gesamt reduziert, flüssiger und vor Ort emissi-
                                                                                                                            onsfrei. Linienbusse sind laut Schuh nur auf den
„Der Plug-In-Hybrid-Motor ist das Modell der Zu-          ließen die Zuhörer große Augen machen: So wür-                    Hauptstrecken sinnvoll einzusetzen. Teil des
kunft und das ist gut für uns!“ Prof. Dr. Günther         den städtische Verkehrsflächen laut seinen Be-                    gesamten Mobilitätskonzepts ist allerdings auch
Schuh machte in seinem Vortrag vor rund 140               rechnungen nur zu 3 % tatsächlich ausgelastet,                    das Elektrofahrzeug e.GO Life, das laut Schuh
Gästen von Unternehmerschaft Siegen-Wittgen-              Autos zu 4 % und Bussitze zu 7 %. Stau sei offen-                 für den innerstädtischen Kurzstreckenverkehr
stein (USW) und Industrie- und Handelskammer              bar das Ergebnis einer „mäßigen Intelligenz, ob                   konzipiert sei.
Siegen (IHK) aus seinem Herzen keine Mörder-              künstlich oder natürlich“, wie Schuh augenzwin-
grube. Der Inhaber des Lehrstuhls für Produk-             kernd mitteilte, die dazu führe, dass alle zur sel-               Hier kam an dem Abend zusätzlich eine südwest-
tionssystematik und Direktor des FIR e.V. an der          ben Minute dieselbe Strecke fahren wollten oder                   fälische Komponente ins Spiel: Ergänzend zum
RWTH Aachen sowie Gründer der Unternehmen                 müssten.                                                          Vortrag von Prof. Günther Schuh stellten Michael
StreetScooter und e.GO Mobile betonte, dass die                                                                             Vitt und Detlef Walter von der LEWA Attendorn
„Mobilitätswende“ in Zukunft das Bedürfnis nach           In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit, Ressourcen-                   GmbH eine dort konzipierte und umgesetzte Ro-
individueller Mobilität ebenso komfortabel und            schonung und Emissionsfreiheit höhere Bedeu-                      boter-Schweißanlage vor, die den Karosserierah-
individuell befriedigen muss wie das Auto dies            tung erlangten, sei dies so nicht mehr hinnehm-                   men des e.GO fertigt. Die Teilnehmer konnten
heute bereits tut. Seine Vision ging darüber hin-         bar. „Wenn Verkehr flexibel ist, müssen die                       diese in einer 3D-Simulation erleben und auch
aus: „Wir werden dieses Bedürfnis in Zukunft              Verkehrssysteme dies auch sein“, so Schuhs ve-                    die fertigen Teile des Vorder- und Hinterwagens
noch viel besser befriedigen können.“ Und die             hementes Plädoyer. Beispiel Messeverkehr: „Seit                   sehen. Dadurch wurden die Besonderheiten des
Begründung dafür: Die Industrialisierung habe in          mehr als 30 Jahren wird hier eine Steuerung an-                   Kleinwagens auch noch einmal deutlicher. Und
den vergangenen Jahrzehnten zu einer Überpro-             gewandt, die den Verkehr morgens mehrspurig                       den eingangs erwähnten Hybrid-Motor, d. h. der
duktion in vielen Bereichen geführt. Dadurch              Richtung Messe leitet und einspurig zurück, am                    Antrieb besteht aus einem batterieelektrischen
seien die Fertigungskosten insgesamt so gering            Ende des Messetags aber genau andersherum.                        Motor und einem Verbrenneraggregat oder einer
geworden, dass sich die Gesellschaft eine viel zu         Was spricht eigentlich dagegen, dies im norma-                    Brennstoffzelle, lobte Schuh als die Form für die
geringe Auslastung in zentralen Bereichen leis-           len Stadtverkehr genauso zu machen?“ Stattdes-                    Zukunft aus, weil dieser innerstädtisch emissi-
ten könne. Die von Schuh aufgeführten Werte               sen würden immer noch feste Spuren mit fixen                      onsfrei fahren könne und dennoch sowohl lange
                                                          Schildern markiert, die den Notwendigkeiten je-                   Strecken als auch schwere Lasten bewältige. Gut
                                                          doch allenfalls notdürftig Genüge täten.                          für den Industriestandort Deutschland sei dies
                     SAUBERE FENSTER                                                                                        deshalb, weil sich die deutschen Unternehmen
                        Unternehmen & Privat              Schuh stellte sein Mobilitätskonzept für die Zu-                  durch Know-how-intensive Produkte auszeich-
                                                          kunft vor. Die Besonderheit: Es wurde aus der                     neten, was auch hier notwendig sei. Der Vorsit-
                                                          Sichtweise eines Produktionssystematikers ent-                    zende der Unternehmerschaft Siegen-Wittgen-
                                                          wickelt. Unter diesem Blickwinkel achtet Schuh                    stein, Jörg Dienenthal, und IHK-Präsident Felix G.
                                                          insbesondere auf eine gute Auslastung und ho-                     Hensel waren sich mit dem Referenten einig, dass
                                                          he Produktivität, auch im Verkehr. So ist er der                  es sich dabei keineswegs um eine Übergangslö-
  0162 9525950              sauberfrau.biz
                                                          Auffassung, dass insbesondere auf dem Land auf                    sung handle. !
Wirtschaftsreport        Dez 19           13

Wirtschaftsjunioren                                                                                        Brennerei Vierhasen
Businessforum fand großen Anklang                                                                          Erneut prämiert
Auch das zweite überregionale Businessforum der       wichtige Informationen für das Unternehmen           Zum wiederholten Male freut sich Hans-Peter
Wirtschaftsjunioren Südwestfalen und Lüden-           liefern. Aber zielloses Jammern braucht Begren-      Hasenstab mit seiner „kleinen südwestfälischen
scheid stieß auf große Nachfrage. Dieses Mal ging     zung.“ Wichtigster Punkt im Umgang mit Jam-          Brennerei“ über eine renommierte Auszeichnung
es um das Thema „Mehr Produktivität und Erfolg        merern sei, diesen auf einer rein faktischen Ebene   der Landwirtschaftskammer und des Landwirt-
in Unternehmen: raus aus dem Jammern und Kla-         ohne Bewertungen oder Interpretationen zu be-        schaftsministeriums Rheinland-Pfalz. Der Hilchen-
gen“, mit dem sich rund zwei Dutzend junge            gegnen und das Ziel der maximalen Ermächtigung       bacher Edelbrandsommelier erhielt für seine aktu-
Unternehmer und Führungskräfte aus Lüden-             des Mitarbeiters zu verfolgen. Zuvor analysierte     elle Kollektion selbst hergestellter Geiste gleich
scheid sowie den Kreisen Siegen-Wittgenstein          Referent Robert Erlinghagen die psychologischen      elfmal Gold oder Silber. Zum vierten Mal in Folge
und Olpe in der IHK-Geschäftsstelle Olpe ausein-      Aspekte und Auswirkungen des Phänomens. Er           stellt er einen Siegerbrand, dieses Jahr mit dem
andersetzten. In jedem Unternehmen gibt es sie,       kann als Coach, Supervisor, Organisationsberater,    Erdbeergeist. Damit hat die Brennerei den Titel
die Jammerer. Doch wie geht man konstruktiv mit       Trainer und Inhaber der Betzdorfer Coaching-         „Haus der prämierten Edelbrände“ erfolgreich ver-
ihnen um? Soll sich der Mitarbeiter mit dem, was      agentur „mindshaker“ auf 20 Jahre Erfahrung          teidigt und sich zudem offiziell in den Top Ten der
ihm nicht gefällt, einfach abfinden? Ist in seinen    zurückgreifen. „Wer jammert, will – ob bewusst       Brennereien etabliert. „Wir stellen uns gerne den
Klagen nicht auch ein Körnchen Wahrheit ent-          oder unbewusst – Verantwortung abgeben“, be-         strengen Richtlinien dieser Prämierung. Die Teil-
halten? Wie reagiert man darauf, ohne der „Jam-       tonte er. „Und deswegen funktioniert in diesem       nahme ist wichtiger Teil der Qualitätssicherung
mer-Strategie“ Vorschub zu leisten? Antworten         Fall die Methode der Positiven Psychologie nicht.    und auch der Qualitätssteigerung“, betont Hasen-
lieferte Referentin Claudia Polzin von „Business-     Als Verband aus Unternehmern und Führungs-           stab. Die Auszeichnung sei ein großer Ansporn,
coaching Polzin“ aus Kreuztal den Teilnehmern         kräften war dies für die Wirtschaftsjunioren be-     weiter innovativ zu bleiben. Inzwischen hat der
aus den Bereichen Industrie, Einzelhandel und         sonders interessant. So diskutierten die Teilneh-    Siegerländer bereits eine neue Komposition auf
Onlineagenturen. Sie erarbeitete mit den Anwe-        mer anschließend ebenso lebhaft wie konstruktiv.     den Markt gebracht. Gemeinsam mit einem be-
senden eine Lösungsstrategie in vier Phasen für       Der große Erfolg der ersten beiden Businessforen     nachbarten Imker kreierte er die Rezeptur für eine
den konstruktiven und zielführenden Umgang mit        bestärkt das Organisationsteam in ihrem Konzept.     Honig-Spirituose aus dem Maulbeerfass. Mit Spe-
Jammern und Klagen. „Jammern hat echtes Inte-         Schon bald sollen die Planungen für die nächsten     zialitäten wie dieser möchte sich Hasenstab in
resse verdient“, erklärte sie. „Schließlich kann es   Veranstaltungen beginnen. !                          Zukunft weitere Prämierungen erarbeiten. !

                                                                                                                               Hochbau
                                                                                                                               Tiefbau
                                                                                                                               Leitungsbau
                                                                                                                               Schlüsselfertigbau
                                                                                                                               Projektentwicklung
                                                                                                                               Immobilien

 Wir stellen Weichen für gute Qualität.
                                                                                                    Berge-Bau GmbH & Co. KG
                                                         Leimstruther Weg 7 - 9 | 57339 Erndtebrück | Fon 0 27 53 - 59 49 - 0
                                                         Fax 0 27 53 - 59 49 39 | mail info@berge-bau.de | www.berge-bau.de
14           Dez 19     Wirtschaftsreport

Südwestfalenaward 2019
Gewinner für ihre Internetseiten ausgezeichnet
                                                                                                                             dia-Award an die Schmale Maschinenbau GmbH
                                                                                                                             (www.schmale-gmbh.de) aus Altena. Die Jury
                                                                                                                             zeigte sich insbesondere beeindruckt ob der
                                                                                                                             zahlreichen professionellen Videos auf YouTube.
                                                                                                                             Zudem sei Schmale Maschinenbau ein gutes
                                                                                                                             Beispiel dafür, dass soziale Medien nicht nur für
                                                                                                                             Firmen mit Endkundenkontakt sehr hilfreich
                                                                                                                             sein können. Doch das Internet ist nicht nur für
                                                                                                                             Unternehmen, sondern auch für Vereine, Kom-
                                                                                                                             munen, Organisationen oder Initiativen von gro-
                                                                                                                             ßer Bedeutung. Dies zeigt der Gewinner der
                                                                                                                             Kategorie „Non Profit“ sehr eindrucksvoll: Die
                                                                                                                             Jury gratulierte dem Verein „In Safe Hands“ für
                                                                                                                             seinen professionellen Internetauftritt (www.
                                                                                                                             insafehands.de), der ebenfalls von der Agentur

                                                                                                             SIHK zu Hagen
                                                                                                                             „Des Wahnsinns fette Beute“ stammt. Ganz be-
                                                                                                                             sonders wichtig sei der Jury gewesen, dass die
                                                                                                                             ansprechende Oberfläche die schöne Verpa-
IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener (2.v.r.) mit den Preisträgern aus der heimischen Wirtschaft: (v.l.) Simon            ckung für die adäquaten und kontinuierlich ge-
Florath und Michael Mücher von der Attendorner Agentur „Des Wahnsinns fette Beute“, die unter anderem den                    pflegten Inhalte darstellt.
Internetauftritt von „zon Eichen® – Handwerk und Interior“ aus Kreuztal-Eichen gestaltet hat, sowie Anne Knour
und Thorsten Gödele von der Tracto-Technik GmbH & Co. KG aus Lennestadt.                                                     Wer erreicht seine Zielgruppe am besten und
                                                                                                                             wer erzeugt Mehrwert auf seiner Internetseite?
Südwestfalen hat viel mehr zu bieten als grüne            seiten der Region von den drei südwestfälischen                    Kurzum: Wer ist im Internet für seine Kunden
Natur oder traditionelle mittelständische Indus-          Industrie- und Handelskammern Arnsberg, Ha-                        da? Am meisten überzeugte die Jury in der Kate-
trie. Dies zeigte sich erneut bei der Preisverlei-        gen und Siegen im Rahmen einer feierlichen                         gorie „Kunde“ die Webseite des Lennestädter
hung der Südwestfalenawards in den Räumen                 Gala ausgezeichnet.                                                Unternehmens Tracto-Technik GmbH & Co. KG
der Südwestfälischen Industrie- und Handels-                                                                                 (www.tracto-technik.de). Jury-Mitglied Prof. Dr.
kammer zu Hagen (SIHK). Geradezu ein Feuer-               „Bei mehr als 100 Bewerbungen hatte die Jury                       Uwe Klug wies in seiner Laudatio insbesondere
werk an gut gestalteten Webauftritten führte              keine leichte Aufgabe, die Preisträger in den vier                 auf die zahlreichen Animationen und Videos hin,
den zahlreichen Besuchern vor Augen, dass mo-             verschiedenen Kategorien zu ermitteln. Vom                         die selbst Laien dabei hälfen, die Funktionswei-
derne Zeiten längst Einzug gehalten haben. Be-            großen Industrieunternehmen über Vereine und                       se der angebotenen Maschinen zu verstehen.
reits zum 20. Mal wurden die besten Internet-             Verbände bis hin zu Einzelbewerbungen war al-                      Den Schlusspunkt bildete die Südwestfalen
                                                          les vertreten“, unterstrich SIHK-Hauptge-                          Agentur, die bereits seit 2009 einen eigenen
                                                          schäftsführer Dr. Ralf Geruschkat. Oft stehen                      Sonderpreis verleiht. Den Award überreichte
                                                          heimische Medienagenturen hinter der Gestal-                       Marie Ting, Leiterin des Regionalmarketings, an
                                                          tung der Seiten. Sie belegen damit, dass Know-                     Martin Schrodt aus Hemer für seine Webseite
                                                          how und gute gestalterische Qualität nicht nur                     www.icefactum.com. Mit dem Sonderpreis wer-
                                                          in Köln, Düsseldorf oder Berlin zu finden sind. Im                 den handwerklich gut gemachte Internetseiten
                                                          Bereich Design gewann „zon Eichen® – Hand-                         gewürdigt, die die Stärken Südwestfalens in
                                                          werk und Interior“ aus Kreuztal-Eichen für den                     außergewöhnlicher oder kreativer Weise veran-
                                                          Internetauftritt www.zon-eichen.de, den die                        schaulichen, indem sie die innovative Wirt-
                                                          Attendorner Agentur „Des Wahnsinns fette Beu-                      schaftsregion hervorheben und die Südwestfa-
                                                          te“ gestaltet hat. Klaus Gräbener, Hauptge-                        len-DNA – digital, nachhaltig, authentisch
                                                          schäftsführer der Industrie- und Handelskam-                       – beispielhaft verdeutlichen.
                                                          mer Siegen, übereichte die Trophäe und betonte
                                                          in seiner Laudatio: „Ihre Website ist eine Über-                   Dass indes unter den Preisträgern des Tages
                                                          raschung für den Auftritt eines Handwerksun-                       gleich drei Akteure aus Siegen-Wittgenstein
                                                          ternehmens und sollte anderen Unternehmen                          und Olpe waren, stimmte IHK-Hauptgeschäfts-
                                                          Mut machen, aus dem Brancheneinerlei auszu-                        führer Klaus Gräbener sehr zufrieden: „Das ist
                                                          brechen.“                                                          ein toller Erfolg für unsere Region. Die Verlei-
                                                                                                                             hung zeigt einmal mehr, dass zahlreiche Unter-
                                                          Der Hagener Künstler Hartmut Gloger, der auch                      nehmen in unserem Kammerbezirk sehr zielge-
                                                          in diesem Jahr wieder die Gewinnerstelen ge-                       richtet mit den Möglichkeiten des Internets
                                                          staltet hat, verlieh anschließend den Social-Me-                   umgehen und die Potenziale erkennen.“ !
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