Aquanauten, Tauchboote und Roboter - Mensch und Technik in den Tiefen der Ozeane - Die bedrohte ...

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1. Aquanauten, Tauchboote und Roboter
                        Mensch und Technik in den Tiefen der Ozeane

Tauchschulen im Korallenmeer

Der Drang immer wieder Neues zu entdecken, sei naturgegeben und liege dem Menschen im
Blute, behaupten zumindest einige Verhaltensforscher. Sie verweisen auf die Genvariante
DRD4-7R, die bei einem Viertel aller Menschen vorkomme und für deren ausgeprägte Neugier
und Risikobereitschaft verantwortlich sein solle. Wissenschaftliche Studien zur Ausbreitung der
Menschheit über den Erdball stützen die Annahme, dass Populationen mit nomadischem
Lebensstil häufiger als sesshafte das „Entdecker-Gen“ DRD4-7R in sich tragen. In 50.000 Jahren
hat der Homo sapiens die ganze Erde besiedelt. Er hat hinter alle Berge geschaut, ist über die
großen Ozeane gefahren, hat den Mond betreten und beginnt, ins Meer zu tauchen und die
Unterwasserwelt zu erkunden.

Tauchen im Meer, das ist heute beinahe jedem Menschen möglich – am einfachsten mit
Schnorchel und Tauchermaske, eindrucksvoller und angenehmer mit einem autonomen
Atemgerät. Der Schnorchel macht es möglich, beim Schwimmen an der Wasseroberfläche den
Kopf unter Wasser zu halten und dabei zu atmen. Länger als 40 Zentimeter darf ein Schnorchel
allerdings nicht sein. Bei einem längeren Schnorchel würde der zunehmende Druck des Wassers
auf den Brustkorb das Einatmen atmosphärischer Luft verhindern.

Mit angehaltenem Atem erreichen Freitaucher auch wesentlich größere Tiefen. Ein geübter
Freitaucher kann in einem einzigen Atemzug mehrere Minuten unter Wasser bleiben und
spielend in mehrere zehn Meter Tiefe vorstoßen. Als Apnoe bezeichnet man den Zeitraum des
Luftanhaltens. Die Schwammfischer der griechischen Antike dürften die ersten Apnoe-
Berufstaucher gewesen sein. In den letzten Jahren hat sich Apnoe-Tauchen zu einem riskanten
Freizeitsport entwickelt, der immer wieder neue Rekorde im Zeittauchen, im Streckentauchen
und im Tieftauchen hervorbrachte.

Der Wiener Herbert Nitsch ist der bis heute erfolgreichste Apnoetaucher der Welt. Er war der
erste Mensch, der in der Disziplin „Tieftauchen mit konstantem Gewicht“ ausschließlich aus
eigener Kraft die 100-Meter-Tiefenmarke durchbrach. Mit 214 Metern Tiefe wurde Nitsch 2007
Rekordhalter in der Disziplin „No Limits“. Hierbei wurde er von einem Schlitten mit frei
wählbarem Gewicht in die Tiefe gezogen und mit Hilfe eines Hebesacks zurück an die
Wasseroberfläche gebracht. Als er 2012 einen neuen Weltrekordversuch startete, erreichte der
Extremtaucher zwar die anvisierten 244 Meter Tiefe, wurde aber ohnmächtig und musste ohne
Druckausgleich schnell nach oben gezogen und in eine Klinik geflogen werden.

Weder das oberflächennahe Schnorcheln, noch das auf einen tiefen Atemzug begrenzte
Freitauchen haben für die praktischen Einsatzmöglichkeiten des Menschen im Meer größere
Bedeutung erlangt. Wenn es heute in aller Welt mehr als zehn Millionen Menschen gibt, die

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einen gültigen Tauchschein besitzen und die Unterwasserwelt direkt erleben können, so haben
sie das vor allem der Erfindung der Aqualunge zu verdanken. Bereits 1943 haben die
französischen Tauchpioniere      Jacques-Yves Cousteau und Emil Gagnan ihr Pressluft-
Schwimmtauchgerät mit Lungenautomat als Patent eintragen lassen. Das Grundprinzip der
Aqualunge wurde bei allen weiteren Entwicklungen beibehalten. Der Lungenautomat, ein
Atemregler, reduziert den Druck der Pressluft und führt dem Taucher die zum Atmen benötigte
Luftmenge unter dem Druck der umgebenden Wassersäule zu. So wird selbst stundenlanges
Tauchen möglich.

Der Tauchsport kann ein faszinierendes Hobby sein. Wer einmal mit dem Tauchen richtig
angefangen hat, den lässt es so schnell nicht wieder los. Taucher lieben die scheinbare
Schwerelosigkeit im weiten Blau des Meeres und begeistern sich an der einzigartigen Schönheit
der Riffe. Ein Hauch Abenteuer ist immer mit dabei, denn man weiß nie, was man zu sehen
bekommt.

Das Sporttauchen mit einem Pressluftgerät bewegt sich in überschaubaren Grenzen. Für
Hobbytaucher, die die Unterwasserlandschaft genießen wollen, sind 30 Meter Tauchtiefe ein
vernünftiges Maß. Die Aufenthaltsdauer unter Wasser hängt in erster Linie vom
mitgenommenen Luftvorrat ab. Auch machen klare Gewässer mit größeren Sichtweiten mehr
Spaß als trübe. In warmen Meeren wird ein wasserdichter Tauchanzug entbehrlich. Die besten
Tauchbedingungen bietet, wen wundert´s, das tropische Korallenmeer.

Die Mannigfaltigkeit der Korallenriffe ist den langzeitig konstanten günstigen
Umweltbedingungen mit warmem Wasser und ausreichendem Lichtangebot zu danken. Die
formenreichen Korallenriffe bilden mit ihren vielen Habitaten die artenreichsten Biotope der
Meere. Die Europa am nächsten gelegenen Riffe liegen im Roten Meer. Amerikas beliebteste
Tauchreviere befinden sich in der Karibik. Im Indischen Ozean gelten die Korallenatolle der
Malediven als das Tauchparadies schlechthin. Immer gut besucht wird auch das von Indonesien
und den Philippinen bis nach Papua-Neuguinea reichende Korallendreieck. Das Große Barriere-
Riff vor der Küste Australiens zählt zum Weltnaturerbe und ist mit gut 2300 Kilometern
Ausdehnung das größte von Lebewesen errichtete Bauwerk der Erde.

Mit seinen bizarren Formen gleicht ein lebendes Korallenriff einem Labyrinth aus Gängen,
Höhlen und Spalten. Die prächtigen, riffbewohnenden Korallenfische – Falterfische,
Doktorfische, Anemonenfische, Feuerfische, Kaiserfische, Lippfische, Riffbarsche – sie alle
zeigen auffällige Farben, so als wollten sie ihr Revier gegenüber aufdringlichen Tauchern
verteidigen, und locken sie damit nur umso mehr an. In prachtvollen Farben leuchten auch viele
Wirbellose, zum Beispiel Seeanemonen und Nacktschnecken. Hochspannung entsteht, wenn
Großfische wie Mantas oder Haie aus dem Nichts auftauchen und Tauchern einen Schauer über
den Rücken jagen.

Der Tauchsport liegt voll im Trend und nimmt mancherorts wie am Roten Meer schon Züge
eines Massentourismus an. An allen Meerestauchrevieren der Erde locken Tauchcenter und

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Tauchschulen zahlende Gäste in die magische Unterwasserwelt. Sie bieten Ausrüstung und
Ausbildung und fahren die Tauchfreaks in ihren Booten hinaus zum Riff. Wer das Tauchen
komfortabler haben möchte, kann gleich eine richtige Tauchsafari buchen. Die Gäste
übernachten während ihrer Kreuzfahrt in den Kabinen einer geräumigen Motorjacht, die auch
weniger besuchte Tauchplätze ansteuern kann und mehrere Tauchgänge am Tag möglich
macht.

Korallenriffe sind hochsensible Biotope, die leider auch durch unbedarfte Taucher negativ
beeinflusst werden können. Das fängt an beim versehentlichen Aufwirbeln des Sediments, das
die Tentakelkronen der Korallen bedeckt und so deren Nahrungsaufnahme behindert und
zugleich die Photosynthese der symbiotischen Algen im Korallengewebe beeinträchtigt. Einige
Korallenarten wie die Geweihkorallen sind sehr zerbrechliche Gebilde, die nicht berührt werden
dürfen. Auch beim Ankern zwischen den Korallenstöcken wird eine hohe mechanische
Belastung ausgeübt, die Korallen stark in Mitleidenschaft zieht.

Besonders übel ist das Anfüttern von Fischen im Riff. Raubfische wie Haie oder Zackenbarsche
ändern recht schnell ihr Jagdverhalten und stellen sich auf regelmäßiges Füttern ein. Die Fische
verkleinern ihre Territorien und die ökologische Balance gerät aus dem Gleichgewicht. Gängige
Tauchplätze, die zu oft betaucht werden, führen zum Rückzug oder völligen Verschwinden
bestimmter Tierarten und schließlich zum Veröden des Riffs. Die Belastungsgrenze für ein
Korallenriff liegt bei 4.000 bis 6.000 Tauchgängen pro Tauchplatz und Jahr und wird im Golf von
Aqaba (Rotes Meer) mit steigender Tendenz mehrfach überschritten.

Für geübte Taucher ist umweltverträgliches Verhalten eine Selbstverständlichkeit. Sie tauchen
gut austariert und umsichtig in sicherem Abstand zu den Korallenstöcken. Bei der
Unterwasserjagd verzichten sie auf Speer oder Harpune und fotografieren mit der Kamera die
besten Motive im Schwebezustand. Sie nehmen nicht mehr mit als neue Eindrücke und tauchen
wie ein Schatten, der keine Spuren hinterlässt.

Trotz mancher Auswüchse gehen die größten Gefahren für den Fortbestand der Korallenriffe
nicht von den Sporttauchern aus. In dem Maße aber wie sich der Tauchtourismus als
aufstrebender Wirtschaftzweig etabliert, läuft er Gefahr, sich den Ast abzusägen, auf dem er
sitzt. Das betrifft die verkehrstechnische Erschließung der Küsten, die Errichtung von immer
neuen Hotelanlagen am Strand, die damit verbundenen Müllhalden und vor allem die
Abwässer, die auch nach der Passage einer Kläranlage letztlich ins Meer gelangen und das Riff
trüben und düngen. Die empfindlichen Korallen sind auf nährstoffarmes und klares Wasser
angewiesen und werden ansonsten relativ schnell durch grüne Algen verdrängt.

Im Tauchparadies der Malediven musste beim Bau des Flughafens sogar ein vorgelagertes Riff
als Steinbruch herhalten. Auf den flachen Atollen der Malediven gibt es eben kein anderes
Baumaterial als Korallenkalk. Der in den luxuriösen Hotels anfallende Müll kann auf den Inseln
schon längst nicht mehr recycelt werden. Die Abfallmengen werden, verborgen vor den Augen
der Touristen, auf Müllriffen gelagert und mit Korallenschutt überdeckt. Der Norden des Roten

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Meeres und die Atolle der Malediven haben die Grenzen der touristischen Belastbarkeit
erreicht, wenn nicht schon überschritten.

Verursacht durch die Armut der Entwicklungsländer befinden sich viele Riffe vor allem in der
Karibik und im südostasiatischen Korallendreieck in einem äußerst kritischen Zustand. Die
schnell wachsende Bevölkerung ballt sich in den Küstenzonen und überstrapaziert deren
Ökosysteme. Wälder werden kahl geschlagen und heftiger Regen schwemmt den Boden ins
Küstenmeer. Die Sedimente begraben die Riffe unter sich. Ungeklärte Abwässer tun das Ihrige
dazu. Obwohl die Dynamitfischerei fast überall auf der Erde geächtet und verboten wurde, ist
das Fischen mit selbst gebastelten Bomben immer noch verbreitet. Die Druckwelle tötet nicht
nur Fische, die oft unerreichbar zu Boden sinken, sie zerstört auch die Riffstruktur mit den
Korallen.

Zu den Problemen Verschmutzung und Überfischung kommen die durch den globalen
Klimawandel. Die riffbildenden Steinkorallen leben nahe an ihrem oberen Temperaturlimit von
29 °C. Wenn die Meerestemperatur auch nur wenige Wochen um 1 oder 2 °C über diese
Grenze steigt, stoßen die Korallen die mit ihnen symbiotisch zusammenlebenden Algen ab. Die
Korallenstöcke bleichen aus und sterben langsam. Die Korallenbleiche, in den siebziger Jahren
nur ein zeitlich und regional begrenztes Phänomen, greift immer weiter um sich. Viele Riffe
rund um die Welt mussten seit 2014 mehrere Jahre in Folge ungewöhnlich hohe
Wassertemperaturen verkraften.

Das Große Barriere-Riff habe seit 1985 mehr als die Hälfte seiner Korallen verloren, behaupten
australische Forscher nach einer Bestandsaufnahme im größten Korallenriff der Welt. Massive
Schäden verursachten zahlreiche tropische Wirbelstürme. Auch fraßen Dornenkronen-
Seesterne riesige Flächen kahl. Vor allem aber wurde das Riff durch vom Klimawandel
ausgelöste Korallenbleichen dezimiert. Während sich die Geschwindigkeit erhöht, mit der die
Korallen verschwinden, verlangsamt sich die Rate, mit der Korallen neue Kalkskelette bilden.
Eine Horrorvision: Der Niedergang eines der vielfältigsten Ökosysteme dieser Erde ist kaum
noch aufzuhalten.

Ein schwacher Trost für alle Taucher und Nichttaucher kommt von Google. Wer sich für die
Unterwasserwelt der Meere begeistert, aber nicht nass werden will, der kann Korallen, Fische
und Meeresschildkröten mit Hilfe von Google Seaview beobachten. Vom heimischen Bildschirm
entführt Google Seaview die User in das Great Barrier Riff. Die beeindruckenden 3-D-
Panoramabilder, die Google für Seaview verwendet, wecken beim Beobachter das Gefühl,
selbst durch das Riff zu tauchen, wenn er sich durch die Rundumansicht von Google klickt.

Der Traum vom Homo aquaticus

Das Medium Wasser unterscheidet sich von dem Medium Luft doch recht wesentlich. Da wäre
zunächst die um 840mal größere Dichte des Wassers zu nennen, woraus auch der Druck einer

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auf einem Taucher lastenden Wassersäule resultiert, der den atmosphärischen um ein
Mehrfaches übersteigt. Alle 10 Meter Tiefe nimmt der Druck um 1 Bar (= 100 Kilopascal) zu.
Die luftgefüllten Hohlräume des menschlichen Körpers – in erster Linie die Lunge – werden
unter Wasser sehr stark zusammengepresst. Das Einatmen wird nur möglich, wenn das
Atemgas unter dem Druck des umgebenden Wassers steht. Die Lunge muss unter diesen
Umständen Schwerstarbeit leisten, ist das Atemgas doch schon in relativ geringer Tiefe von
einigen zehn Metern auch mehrfach schwerer als die „oberflächliche“ Luft.

Wasser hat in Bezug auf das Tauchen noch weitere unangenehme Eigenschaften. Selbst in den
Tropen reicht die warme Wasserschicht bestenfalls 100 Meter tief, in den gemäßigten Breiten
finden sich weniger zuträgliche Temperaturen selbst im Sommer schon in unmittelbarer
Oberflächennähe. Obendrein besitzt Wasser eine recht gute Wärmeleitfähigkeit, die binnen
kurzem zur Unterkühlung des Tauchers führen müsste, wenn ihn nicht ein gegebenenfalls
heizbarer Anzug schützen würde.

Die Lichtverhältnisse sind gleichfalls für das Tauchen alles andere als günstig. Die spektrale
Zusammensetzung ändert sich relativ rasch; zunächst werden die infraroten, roten und gelben
Strahlungsanteile verschluckt, dann auch die grünen und blauen. Schon in 30 Metern Tiefe
herrscht blaugraue Dämmerung, in 120 Metern Tiefe lassen sich nur noch Schatten erkennen,
unterhalb von 250 Metern wird alles schwarz. Sichtweiten von 30 bis 40 Metern findet man nur
in klaren tropischen Gewässern, in der Regel sind 6 bis 12 Meter Sicht schon als gut zu
bezeichnen. Viel besser als Licht breiten sich unter Wasser Schallwellen aus. Aber gerade die
akustischen Fähigkeiten des Menschen zum Hören und Sprechen sind unter Wasser recht
bescheiden.

Indes nicht genug damit: Die Bestandteile der Luft zeigen unter erhöhtem Druck mehr oder
weniger starke toxische Wirkungen. Der harmlose und reaktionsträge Stickstoff verursacht den
Tiefenrausch und wirkt unterhalb von etwa 40 Metern wie Alkohol, er beeinträchtigt das
Urteilsvermögen, verleitet zu Übermut und führt schließlich zur Betäubung. Man spricht von
Stickstoffnarkose. Aber auch der lebensspendende Sauerstoff wird bei erhöhter Konzentration
zu einem gefährlichen Gift. Die Sauerstoffvergiftung beginnt mit Hustenreiz und
Brustschmerzen und endet bei Atemnot, Krampfanfällen und Bewusstlosigkeit – für einen
Taucher gleichbedeutend mit sicherem Tod.

Atmosphärische Luft hat mit einem Anteil von 21 % Sauerstoff (Oxygen) und 79 % Stickstoff
(Nitrogen) wegen der Gefahren durch Sauerstoffvergiftung und Stickstoffnarkose für einen
Aufenthalt unter Wasser keine günstige Zusammensetzung. Mit einem aus verschiedenen
Komponenten in einem konstanten Mischungsverhältnis zusammengesetzten Atemgas kann
sich der Taucher stets nur in einem bestimmten Tiefenbereich aufhalten. Bei Abstiegen in
größere Tiefen muss deshalb die Atemgasmischung variiert werden.

Ernster ist allerdings die Tatsache, dass sich das menschliche Körpergewebe mit den unter
Druck geatmeten Gasen anreichert – die Löslichkeit der Atemgase ist dabei dem Druck

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proportional. Wenn ein Taucher nun zu schnell auftaucht, schäumt sein Blut wie Sekt. Die sich
bildenden Gasbläschen blockieren die Blutgefäße und hemmen die Sauerstoffzufuhr. Die
sogenannte Dekompressionskrankheit äußert sich zuerst durch Taubheitsgefühl und Juckreiz in
der Haut, begleitet von Gelenk- und Muskelschmerzen, und kann schwere Lähmungen und
Sprachverlust zur Folge haben. Aus diesem Grund müssen Taucher beim Wiederaufstieg vor
Erreichen der Meeresoberfläche mehrfach längere Wartezeiten einlegen. Während dieser
Deko-Stopps soll sich ihr Körper an die veränderten Druckverhältnisse anpassen.

Aus biologischer Sicht ist der Mensch an einen Aufenthalt in den Meerestiefen denkbar
schlecht angepasst. Hier kann eine technisch ausgereifte Tauchausrüstung ein gutes Stück
weiterhelfen. Die ABC-Ausrüstung allein - mit Tauchmaske, Schnorchel und Flossen - ist nur
zum Schnorcheln ausreichend. Sporttaucher nutzen normalerweise das auch SCUBA (engl. für
„Self Contained Underwater Breathing Apparatus“) genannte autonome Druckluft-Atemgerät
mit offenem Kreislauf. Zu diesem Gerät gehören eine oder mehrere Druckflaschen mit dem
komprimierten Atemgas, dazu ein Atemregler zur Reduzierung des Flaschendrucks auf den
Druck des umgebenden Wassers sowie eine aufblasbare Tarierweste mit Gewichten zur
Regulierung des Auftriebs. Ein guter Tauchanzug dient dem Kälteschutz. Der Tiefenmesser ist
meist in einen Tauchcomputer integriert, der den aktuellen Tauchgang, die Tauchzeit und den
Wiederaufstieg überwacht.

Die Grenzen zwischen dem Sporttauchen in überschaubaren Gewässern und dem Technischen
Tauchen, kurz Tech-Tauchen, das auch in einer weniger günstigen Umgebung das Ertauchen
größerer Tiefen ermöglicht, sind fließend. Für tiefe und länger dauernde Tauchgänge muss die
normale Tauchausrüstung noch einmal erweitert und verändert werden. Lebenswichtige
Ausrüstungsgegenstände sind doppelt vorhanden und geprüft. Eine Kopfhaube sollte in den
nun erforderlichen Trockenanzug integriert sein. Ein druckfester Kompass erleichtert die
Orientierung im trüben Wasser. Mit einer Taucherlampe kann ein Objekt mit dem vollständigen
Lichtspektrum beleuchtet und in aller Farbigkeit betrachtet werden.

Die Aqualunge SCUBA wird bei anspruchsvollen Tauchgängen durch Tauchapparaturen mit
geschlossenem Kreislauf ersetzt, sogenannte Rebreather, bei denen der verbrauchte Sauerstoff
regeneriert und nicht mehr ins Wasser ausgeatmet wird. Neben geschlossenen Kreislaufgeräten
mit manueller Steuerung werden zunehmend Geräte mit einer elektronischen Steuereinheit
verwendet. Ein Mikrocomputer regelt die Zusammensetzung des Atemgases und führt dem
Taucher automatisch die in den verschiedenen Tiefen benötigten Sauerstoffmengen zu.

Um in größere Tiefen vorstoßen zu können, müssen beim Tech-Tauchen spezielle Gasgemische
wie Nitrox, Trimix oder Heliox eingesetzt werden. Nitrox ist ein luftähnliches Sauerstoff-
Stickstoffgemisch mit erhöhtem Sauerstoffanteil und soll vor allem die Deko-Stopps verkürzen.
Trimix ist ein Gemisch aus Sauerstoff, Stickstoff und Helium und soll die Gefahren durch
Stickstoffnarkose und Sauerstoffvergiftung vermindern. Heliox ist ein Gemisch aus Helium und
Sauerstoff, auf Stickstoff wird nun völlig verzichtet.

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Mischgase mit Helium sind beim Tech-Tauchen heute weit verbreitet. Das Edelgas Helium ist
ein geruch- und geschmackloses, völlig ungiftiges Gas, es hat keine narkotische Wirkung und
bietet wenig Atemwiderstand. Wegen seiner hohen Wärmeleitfähigkeit muss Helium allerdings
vorgewärmt werden, da es sonst die Lunge des Tauchers auskühlen würde. Das unter der
Bezeichnung Heliumzittern bekannt gewordene Phänomen - nach Überschreiten der 200-
Meter-Tiefenmarke stellen sich Schwindelgefühle und Schläfrigkeit ein, die Hände der Taucher
beginnen zu zittern – erwies sich als eine durch die hohe mechanische Kompression bedingte
Nervenreizung. Das Hochdruck-Nerven-Syndrom, auch HPNS (engl. für High Pressure Nervous
Syndrome), hat mit Helium ursächlich nichts zu tun. HPNS stellt sich in der Tauchpraxis immer
mehr als das eigentliche Hindernis beim Tieftauchen heraus, weil es auch höhere Funktionen
des Zentralnervensystems beeinträchtigen kann.

Trimix wird zum routinemäßigen Erreichen von größeren Tiefen bis zu etwa 130 Metern
genutzt. Heliox kann noch in mehreren 100 Meter Tiefe eingesetzt werden. Der jüngste Tauch-
Weltrekord im Freiwasser wurde 2014 durch den ägyptischen Tech-Taucher Ahmed Gabr
aufgestellt. Er erreichte vor Aqaba im Roten Meer mit einem offenen Tauchgerät 332 Meter
Tiefe. Ein Jahr später wollte der Amerikaner Guy Garman den Rekord brechen und bis in 365
Meter Tiefe vordringen – er kehrte von seinem riskanten Tauchgang nicht zurück. Die Grenze
für das freie Tieftauchen dürfte erreicht sein.

Eine sichere und zeitlich vertretbare Kompression und Dekompression beim Abtauch- und
Auftauchmanöver ist in der Tauchforschung wie in der Tauchpraxis immer noch die kritischste
Phase eines Tauchgangs. Beim Kurzzeittauchen geht es darum, den Taucher möglichst schnell
„vor Ort“ zu bringen und die Sättigung des Körpergewebes mit den geatmeten Gasen gar nicht
erst abzuwarten. Ein Kurzzeittauchgang auf 90 Meter Tiefe beispielsweise erfordert bei einer
Aufenthaltszeit am Grund von 15 Minuten eine Dekompressionszeit von 105 Minuten, bei einer
Grundzeit von 30 Minuten aber bereits von 160 Minuten. In Tiefen unterhalb 100 Meter wird
das kurzzeitige Tauchen immer unwirtschaftlicher.

Beim Sättigungstauchen geht es hingegen darum, den Aufenthalt in der Tiefe zu verlängern,
wobei eben auch lange Ab- und Auftauchzeiten in Kauf genommen werden müssen. Nach einer
bestimmten Zeit unter hohem Wasserdruck kann das Körpergewebe kein weiteres Gas mehr
aufnehmen. Ein Sättigungstauchgang bis 200 Meter Tiefe setzt eine Abtauchzeit von 24 bis 36
Stunden voraus. Die Dekompressionszeit kann dann bis zu einer Woche dauern. Die Rolle der
Deko-Stopps unter Wasser übernimmt eine Überdruck-Taucherkammer, die einen allmählichen
Aufstieg von rund 30 Metern pro Tag simuliert.

Die Zeit in der Tiefe kann dafür beinahe beliebig ausgedehnt werden, während die notwendige
Dekompressionszeit konstant bleibt. In größeren Tiefen erweist sich die
Sättigungstauchkonzeption als eindeutig überlegen. Erst das Sättigungstauchen macht den
Menschen zu einem Aquanauten, der auch längere Zeit unter Wasser arbeiten kann.

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Bisher nur in Forschungsprojekten ausprobierte Tieftauchgasgemische sind Hydrox und
Hydreliox. Dabei wird Helium teilweise (bei Hydreliox) oder völlig (Hydrox) durch den noch
leichteren, aber narkotisch wirkenden Wasserstoff (Hydrogen) ersetzt. Das französische
Tiefseeunternehmen Comex aus Marseille hat die Verwendung variabler Gasgemische in seiner
Hydra-Tauchserie seit dem Aufkommen der Offshore-Ölindustrie untersucht. Die aufwändigen
Experimente mit den Testpersonen wurden zunächst unter dem Druck der Tiefe in einer
Taucherkammer durchgeführt und erst danach im Freiwasser fortgesetzt. 1988 wurde im
Mittelmeer mit Menschen eine Tauchtiefe von 534 Metern erreicht. 1992 schaffte der
griechische Taucher Theo Mavrostomos mit Hydreliox in einem Druckkammertauchgang eine
Rekordtiefe von 701 Metern.

Wie könnten Menschen noch tiefer tauchen? Die Cuvier-Schnabelwale gehören zu den an das
Leben in Hoch- und Tiefsee am besten angepassten Säugetieren. Auf der Jagd nach
Tintenfischen erreichen sie knapp drei Kilometer Tauchtiefe. Eine zusätzliche
Sauerstoffspeicherung im Blut und im Muskelgewebe erlaubt ihnen, ohne Atem zu holen,
Tauchzeiten von über zwei Stunden. Der aquatisch lebende Schlammteufel, ein
Riesensalamander, atmet gar durch die Haut. Feinste Kapillaren durchdringen seine Epidermis,
so dass die äußersten Gewebezellen in freiem Gasaustausch mit dem Wasser stehen.
Wenngleich Fische zwar kein Wasser atmen, sind sie doch mit ihren Kiemen imstande, den im
Wasser gelösten Sauerstoff aufzunehmen. Kann sich der Mensch an diesen biologischen
Vorbildern orientieren?

Der Holländer Johannes Kylstra erprobte bereits vor vierzig Jahren die Wasseratmung in
Tierversuchen. Er setzte Mäuse in ein Aquarium, das mit stark sauerstoffangereichertem
Wasser gefüllt war. Ein unter der Oberfläche angebrachtes Gitter hinderte die Mäuse,
aufzutauchen und Luft zu holen. Und siehe da – die Mäuse ertranken nicht. Sie bewegten sich
mehrere Stunden im freien Wasser, ehe sie dann offenbar an Kohlendioxidvergiftung starben.
Später setzte Kylstra die Versuche an Hunden fort, deren Lungen er mit einer Atemflüssigkeit
füllte. Schließlich folgte auch ein erfolgversprechendes Humanexperiment, bei dem der eine
Lungenflügel der Versuchsperson mit Luft, der andere mit einer isotonischen 0,89%igen
Kochsalzlösung beatmet wurde.

In jüngerer Zeit werden die Forschungen zur Flüssigkeitsatmung mit ganz anderer Zielstellung
in der Medizin fortgesetzt. Im Jahre 2000 wurde in der Berliner Charité erstmals einem
erwachsenen Patienten mehrere Tage lang eine Flüssigkeit in die funktionsuntüchtigen Lungen
gefüllt und damit sein Leben gerettet. Als Flüssigkeit wurde Perfluorkarbon verwendet, eine
Verbindung, die eine sehr niedrige Oberflächenspannung aufweist und sich deshalb sehr gut in
der Lunge verteilt. Die medizinische Forschung zielt vornehmlich auf die mitunter notwendige
künstliche Beatmung neu- und frühgeborener Kinder. Für das Tauchen haben die Ergebnisse
keine erkennbare Bedeutung, erfolgten doch alle Operationen im passiven Zustand, das heißt
unter Narkose.

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Ganz abgesehen davon, dass heute noch viele physiologische Aspekte der Flüssigkeitsatmung
ungeklärt sind, insbesondere die allmähliche Kohlendioxidanreicherung im Blut und die hohe
mechanische Belastung der Lunge, lassen sich gute Gründe anführen, die eine mögliche
amphibische Lebensweise des Menschen überhaupt in Zweifel ziehen. Lunge und Kieme wirken
grundsätzlich anders. Während das Wasser über die feinverzweigten Blutgefäße einer Kieme
hinweg strömt und so der Gasaustausch erfolgt, stellen Lungen von Blutgefäßen umsponnene
Säcke dar, in die das Atemmedium hinein und hinaus gepumpt werden muss – ein Unterschied,
der bei längeren Unterwasseraufenthalten fatale Risiken in sich birgt. Auch ist noch völlig
unklar, wie eine gefahrenfreie und biologisch verträgliche Umstellung von Flüssigkeitsatmung
auf Gasatmung und wieder zurück erfolgen könnte.

Es gab auch schon interessante Versuche, die direkte Atmung durch die Haut mittels
halbdurchlässiger Membranen nachzuahmen. So hat man ein Kaninchen in einen hermetisch
abgeschlossenen, allseits von Wasser umgebenen Käfig mit dünnen, durchsichtigen Wänden
aus Silikonkautschuk gesperrt. Auch nachdem das Tier den mitgegebenen Sauerstoffvorrat
verbraucht hatte, lebte es vergnügt weiter, da Sauerstoff durch die Wände hinein diffundierte
und Kohlendioxid auf dem gleichen Wege wieder ins Wasser abgeschieden wurde. Angewandt
auf einen Menschen müsste die Membran allerdings 20 Quadratmeter groß werden, eine in der
Praxis allein wegen der geforderten Dünne der Membran kaum realisierbare Aufgabe.

In ihren Jugendjahren haben Tauchpioniere des vorigen Jahrhunderts wie Jaques-Yves
Cousteau, der Erfinder der Aqualunge, oder Georg Bond, der Begründer des
Sättigungstauchens, recht kühne Visionen von einem Wassermenschen in die Welt gesetzt. Ihr
„Homo aquaticus“ sollte nach ihren Vorstellungen als Freitaucher noch in mehreren tausend
Metern Tiefe effektive Unterwasserarbeiten verrichten können. Mittels eines
Luftröhrenschnittes wollte man den Taucher mit einer inkompressiblen Flüssigkeit füllen, dann
den Atemreflex ausschalten und das Blut zum Sauerstoff-Kohlendioxid-Austausch durch eine
chemische Regenerationspatrone leiten. Ein solcher Homo aquaticus wäre schwerlich noch als
richtiger Mensch zu bezeichnen.

Aus alledem ist bis heute nichts geworden. Der Homo aquaticus gehört in den Bereich von
Science Fiction. Auch Comex hat seine Tieftauchexperimente längst eingestellt. Während im
küstennahen Offshore-Bereich das Tauchen zur Routine geworden ist, haben in größeren Tiefen
robuste Roboter die Arbeit der fragilen Taucher übernommen.

Von gesunkenen Schätzen und gehobenen Werten

Als griechische Schwammtaucher im Jahre 1900 am Meeresgrund vor der Insel Antikythera
plötzlich auf eine gespenstisch erstarrte Runde nackter Männer und Frauen stießen, hatten sie
nicht nur die Überreste eines antiken Schiffes aufgespürt, sondern zugleich einen 2000 Jahre
alten Kunstraub aufgedeckt. Die oval ausgelegten lebensgroßen Figuren zeichneten die Form

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des Schiffes nach, das um 70 v. Chr. mit einer Ladung griechischer Statuen auf dem Wege nach
Rom an den Klippen zerschellte und inzwischen bis zur Unkenntlichkeit verrottet war. Die
marmornen, von Muscheln schon arg zerstörten Figuren stellten sich als Nachbildungen für
einen damals schon blühenden Kunsthandel heraus. Die außerordentlich gut erhaltenen
Bronzefiguren hingegen erwiesen sich als echte Kunstwerke aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., die
bei der Plünderung eines griechischen Tempels von ihren Sockeln gerissen worden waren.

Bei der Bergung solch augenfälliger Statuen wie der Liebesgöttin Aphrodite und dem schönen
Paris wäre ein unscheinbarer Klumpen aus zusammenerodierten Bronzestücken beinahe
übersehen worden. Das später als Mechanismus von Antikythera bekannt gewordene und
heute gar als erster Computer der Weltgeschichte gefeierte Räderwerk wurde erst in jüngster
Zeit von den Experten verstanden und aufwändig nachgebaut. Die vier wichtigsten Funktionen
der Wundermaschine zeigen einen Sonnenkalender und einen Mondkalender, die Sonnen- und
Mondfinsternisse sowie die Olympiaden der Panhellenischen Spiele. Der Fund überraschte, weil
bislang niemand annahm, dass ein solch anspruchsvolles Instrument schon in der Antike
konstruiert werden konnte.

Die maritime Archäologie entstand im Laufe des vorigen Jahrhunderts gewissermaßen auf dem
Meeresgrund und agierte von Anfang an in einem Spannungsfeld von abenteuerlicher
Schatzsuche und akribischer Forschungsarbeit. Vor Antikythera interessierten sich auch die
Archäologen zuallererst für die wertvollen Kunstwerke und befassten sich erst weit später mit
den anderen, beiläufigen Fundstücken.

Der Amerikaner Georg Bass war der erste Archäologe, der selbst ins Wasser stieg und extra das
Tauchen erlernte. 1960 untersuchte Bass ein bronzezeitliches Wrack am Kap Gelidonya vor der
türkischen Küste nach dem Vorbild einer normalen Grabung am Lande. Er ließ die Ladung und
die Reste des Rumpfes vorab peinlich genau vermessen und fotografieren und erst dann
bergen. Das Schiff hatte offenbar einem reisenden Bronzeschmied gehört, wie die aus
zahlreichen Kupfer- und Bronzebarren sowie aus mehreren hundert Bronzewerkzeugen, Waffen
und Haushaltsgegenständen bestehende Ladung zu erkennen gab. Bass verwarf die reine
Schatzsuche und begründete damit die wissenschaftliche Unterwasserarchäologie.

Das Weltmeer ist ein großer Schiffsfriedhof. Historiker schätzen, dass am Meeresboden ein
Zehntel aller Schiffe liegt, die je gebaut worden sind. Am Grunde des Mittelmeeres, aber auch
auf anderen stark befahrenen Routen und in der Nachbarschaft bedeutender Häfen, so in den
nördlichen Gewässern Europas, vor Mittel- und Nordamerika, vor Südostasien und vor der
Südspitze Afrikas, hat man seitdem Hunderte kulturhistorisch wertvoller Wracks entdeckt. Viele
Funde wurden fachgerecht untersucht und sorgfältig geborgen, andere wieder wurden
rücksichtslos geplündert oder gar zerstört. Immer schwieriger wird es, die wachsende Zahl der
Fundstellen zu sichern und die lohnendsten Ziele für die weitere Forschungsarbeit
auszuwählen. Angesichts hoher Standards, begrenzter Kapazitäten und ständig steigender
Kosten wird das Finanzierungsproblem für die wissenschaftliche Meeresarchäologie zur
Existenzfrage.

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Die kommerziellen Schatztaucher machen es sich da einfacher. Sie interessieren sich weniger
für das Schiff, als vielmehr für dessen Ladung, besonders dann, wenn sie aus
Kunstgegenständen, Schmuckwaren, Silber und Gold besteht. Das Dorado der Schatzjäger ist
die Karibik. Spanische Silberflotten haben im 16., 17. und 18. Jahrhundert unermessliche
Schätze aus den amerikanischen Kolonien nach Europa befördert. Plötzlich hereinbrechende
Unwetter in dem von Korallenbänken durchsetzten Fahrwasser sind hierbei vielen
Schatzschiffen zum Verhängnis geworden, noch bevor sie den offenen Atlantik erreicht hatten.
Mitunter wurden die Schiffe auch von Piraten gekapert, die später selbst Opfer des Meeres
geworden sind. Die sogenannte Silberbank vor Haiti, die Gewässer um die Bahamas und vor der
Küste Floridas gelten als die ergiebigsten Reviere, in denen sich Scharen von Schatztauchern
tummeln.

Einer der berühmtesten und erfolgreichsten Schatzunternehmer Amerikas war Mel Fisher. 1963
beginnt Fisher zu suchen. Erst nach jahrelangem täglichen Tauchens und Suchens gelingt der
erste Fund – über tausend spanische Goldmünzen an einem Tag. Das Schatzfieber bricht aus,
die Jahre vergehen, das Geld zerrinnt. Die Gläubiger bedrängen ihn, Fisher taucht weiter. Er will
die „Nuestra Senora de Atocha“ finden, eine spanische Galeone, die schwerbeladen mit
Schätzen aus der Neuen Welt 1622 vor Florida sank. 1975 hebt er mehrere Kanonen aus
Bronze, die von der „Atocha“ stammen könnten. 1980 findet er ein Schwesterschiff der
„Atocha“, das allerdings wenig Wertvolles birgt. 1985 endlich wird das gesuchte Wrack
entdeckt. Die gefundenen Gold- und Silberbarren, die Münzen, Goldketten und Smaragde
waren alles in allem 450 Millionen Dollar wert. In Key West hat er ein altes Lagerhaus in ein
„Mel Fisher Maritime Museum“ umgewandelt. Hier werden Fundstücke restauriert und in
einem Schatzladen zum Kauf angeboten. Seit Mel Fishers Tod 1998 wird der Schatzbetrieb von
seinen Söhnen weitergeführt. Das Heck der „Atocha“ wurde bislang noch nicht lokalisiert.
Heute können Hobbytaucher im Rahmen des „Atocha Dive Adventure“ zu dem Wrack tauchen
und gegen einen kleinen Obulus von 2500 Dollar selbst nach Schätzen suchen.

Jede Schatzgrabung ist ein aufwändiges Wagnis. Wurde nach langem Suchen ein Wrack endlich
aufgespürt, müssen erst Sandwälle und häufig ganze Korallenstöcke abgetragen werden, ehe
man an das Schiff und seine Ladung herankommt. Noch schwieriger wird die Bergung eines
gesunkenen Schiffes, wenn es im Ganzen gehoben werden soll. Das ist nur dann möglich, wenn
sich der hölzerne Schiffsrumpf im Schlick des Meeresbodens gut erhalten hat. Aber auch ein
recht gut erhaltenes Schiff ist nach jahrhundertelangem Aufenthalt am Meeresboden
zerbrechlicher als eine Eierschale. Zunächst muss das Wrack umsichtig ausgegraben und von
Schlick und Sand freigespült werden. Beim Heben darf es keinerlei Belastungen ausgesetzt sein.
Während der mehrjährigen Konservierungsphase wird das Schiff in einen künstlichen Nebel
gehüllt, um ein Austrocknen des Holzes zu verhindern. Die prestigeträchtige Bergung des
Wracks der „Mary Rose“ war das bislang schwierigste Unterfangen dieser Art.

Die 1511 in Portsmouth gebaute „Mary Rose“ war das Flaggschiff Heinrichs VIII. und kenterte
1545 bei einem Seegefecht mit den Franzosen. Bei einem Wendemanöver drang Wasser durch

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die geöffneten Kanonenluken, das Schiff bekam Schlagseite und sank in kürzester Zeit, ohne
einen Schuss abgefeuert zu haben. Die „Mary Rose“, ein Viermaster mit vier Decks und hohen
Vorder- und Achterkastellen, war das erste kanonenbestückte englische Kriegsschiff überhaupt.
Bereits unmittelbar nach dem Untergang hatte man versucht das Schiff zu heben, konnte aber
nur etliche Bronzegeschütze bergen. Erst 1971 wurde die Wrackposition wiedergefunden.
Langwierige Bergungsarbeiten begannen. Über 500 Amateurtaucher aus aller Welt absolvierten
etwa 25.000 Einsätze und räumten rund 17.000 Gegenstände aus dem gesunkenen Schiff. Im
Jahre 1982 wurde der Schiffsrumpf gehoben und wieder nach Portsmouth gebracht, um dort
konserviert und rekonstruiert zu werden.

Mit dem neuen, 2013 fertig gestellten Mary Rose Museum ist in Portsmouth ein Exzellenz-
Zentrum für Meeresarchäologie entstanden, das das Wrack mit den gefundenen Artefakten
zusammenführt und das Leben an Bord eines Kriegsschiffes der Tudor-Zeit eindrucksvoll
veranschaulicht. Neben den seinerzeit modernen Kanonen und den Langbögen der
Bogenschützen werden Möbel, Geschirr und viele andere Dinge des täglichen Bedarfs
präsentiert. Von besonderem Interesse sind die Funde eines Schiffslazaretts, das den damaligen
Stand der Medizin, insbesondere der Chirurgie, aufzeigt. Der Aufbau des Museums wurde unter
anderem durch Millioneneinnahmen der staatlichen Lotterie finanziert und mit einer
spürbaren wirtschaftlichen Bedeutung des neuen Publikumsmagneten für die Region
begründet. Prinz Charles war der Schirmherr.

Eine der wichtigsten Organisationen, die sich für den Schutz und die Bewahrung des
submarinen Kulturerbes einsetzt, ist die UNESCO. Als die Organisation der Vereinten Nationen
für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Jahre 2001 eine Konvention zum Schutze des
Kulturerbes unter Wasser verabschiedete, ging es ihr darum, den Schutz des
Unterwasserkulturerbes an den Schutz des Kulturerbes an Land anzupassen. Alle Spuren
menschlicher Existenz, die mehr als hundert Jahre unter Wasser gelegen haben und von
kultureller oder historischer Bedeutung sind, werden in das Unterwasserkulturerbe einbezogen.
Die Konvention beinhaltet allerdings keinerlei Regelung über das Eigentum an gefundenem
Kulturgut.

Der Text der Konvention war von Anfang an heftig umstritten. Dabei debattierten nicht nur
Diplomaten, Juristen und Archäologen über den rechtlichen Schutz, vor allem Schatzjäger
engagierten sich für eine rasche Ausbeutung archäologischer Fundstätten zu Gunsten des
Kunstmarktes. Mit der Konvention wird der Kommerzialisierung des Kulturerbes ein Riegel
vorgeschoben. Submarine Fundstätten sollten möglichst konserviert werden und erhalten
bleiben. Bei der Bergung der Funde müssen archäologische Standards beachtet werden. Der
respektvolle Zugang durch die Öffentlichkeit wird durch die Konvention unterstützt. Nach der
Ratifizierung durch 20 Staaten trat die Konvention zum Schutze des Kulturerbes unter Wasser
2009 zwar in Kraft, solange aber nicht alle Küstenstaaten beigetreten sind und die notwendigen
Schutzmaßnahmen durchsetzen, werden kulturhistorisch wertvolle Fundorte immer wieder
ausgegraben und geplündert.

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Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Verschwinden der abgeschotteten Grenze
wurden besonders viele Wracks vor der deutschen Ostseeküste geortet und registriert, aber
noch nicht genauer untersucht. Da die Ostsee keine Korallengärten zu bieten hat, sind die
legendären Wracks zum Ziel unzähliger Hobbytaucher geworden. Nicht alle sind sich bewusst,
dass sie Denkmäler vor sich haben, die schützenswertes Allgemeingut sind. Souvenirjäger
plündern die Wracks und klauen zum großen Ärger der Archäologen alles, was nicht niet- und
nagelfest ist. Die Denkmalschützer wollen deshalb an den Wracks Hinweisschilder mit den
wichtigsten Funddaten verankern und zu einem denkmalgerechten Tauchgang auffordern.

Erfreulicherweise gibt es an der Ostsee – und nicht nur dort – auch Tauchbasen, die sich in
Zusammenarbeit mit den Unterwasserarchäologen an der Wrackforschung aktiv beteiligen. Für
viele Hobbytaucher sind die nicht ganz ungefährlichen Tauchgänge zu einem festen Bestandteil
ihres Sports geworden. Wracktauchen ist ein faszinierendes Abenteuer. Ein leidenschaftlicher
Wracktaucher durchlebt ein Wechselbad der Gefühle zwischen Aufregung und Beklommenheit,
wenn er sich in der Tiefe den Überresten eines jahrhundertealten Schiffes nähert. Gut
erhaltene Wracks sind zudem Lebensraum für viele marine Tiere, die sich besonders gern in
strukturreichen Habitaten ansiedeln.

Die umfassende Katalogisierung aller Wrackfundorte steht am Anfang der archäologischen
Arbeit. Dank moderner Technik ist man heute durchaus in der Lage, Wracks auch ohne den
Einsatz von Tauchern aufzuspüren. Beim Side Scan Sonar (Seitensichtsonar) wird der
Meeresboden mit fächerförmigen Schallimpulsen quer zur Fahrtrichtung des Schiffes
abgetastet. Wird Side Scan Sonar mit hochauflösender Digitalfotografie kombiniert, können
dreidimensionale Karten eines Wrackfundortes erstellt werden, die oft schon erste
Rückschlüsse auf Alter, Herkunft und Ladung eines Schiffes zulassen. Die Schallortung
ermöglicht die Wracksuche über die Küstengewässer hinaus bis weit in die Tiefsee. Der
Meeresboden birgt noch viele Geheimnisse, auch kulturelle. Noch Tausende Wracks dürften am
Meeresgrund lagern. Die Meeresarchäologen werden weiter suchen, orten und entdecken.

Aquanauten unter Wasser

Ein verbindliches Regelwerk für die Ausbildung und den Einsatz von Forschungstauchern
entstand Anfang der siebziger Jahre, nachdem zwei Taucher vor Helgoland tödlich
verunglückten und andere schwere Tauchunfälle im wissenschaftlichen Umfeld vorgekommen
waren. Seitdem dürfen wissenschaftlich motivierte Unterwasserarbeiten nur noch von
geprüften Forschungstauchern ausgeübt werden. Während Hobbytaucher in kleinen Gruppen
vor allem zum Sehen und Staunen ins Wasser steigen, verbleibt ein Forschungstaucher bei
einem Taucheinsatz meist allein über eine längere Zeit in einem vorgegebenen Tiefenbereich,
um dort eine bestimmte Aufgabe auszuführen.

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Meeresbiologische Forschungen zählen heute zu den klassischen und vielleicht auch
abwechslungsreichsten Aufgabengebieten für den tauchenden Menschen. Tauchende
Wissenschaftler und Fotografen haben die faszinierende Fauna der Korallenriffe erschlossen
und in der Fischereibiologie wertvolle Arbeit geleistet. Forschungstaucher werden für gezielte
Probennahmen, beim Ausbringen wissenschaftlicher Geräte oder zum Kartieren unter Wasser
eingesetzt. Ingenieurtechnik und Meeresgeologie bieten Tauchern ebenfalls ein weites
Betätigungsfeld. Akustische Unterwasserexperimente, Kontrolle und Reparatur von
Messgeräten oder die Erkundung des küstennahen Meeresbodens im Hinblick auf
Sedimentbewegungen seien als Beispiele aufgeführt. Die Unterwasserarchäologie ist erst dank
des Tauchens zu einer wissenschaftlichen Disziplin geworden.

Geradezu prosaisch nimmt sich demgegenüber der Einsatz von Berufstauchern für technisch
wirtschaftliche Zwecke aus. Beim Wasser- und Hafenbau erfolgt der Einsatz des tauchenden
Menschen, fast möchte man sagen seit eh und je, routinemäßig. Das Wasser ist eigentlich nur
noch ein Hindernis auf dem Weg zur Arbeit und die Sichtweite liegt oft genug nahe Null.
Berufstaucher müssen als gute Handwerker auch unter widrigen Bedingungen schweißen,
schneiden, betonieren, konservieren und montieren können.

Seitdem sich in den letzten Jahrzehnten die Interessen der Wirtschaft immer weiter ins Meer
hinaus erstrecken, sind die Offshore-Einsatzmöglichkeiten von Tauchern auf Öl- und
Gasplattformen und beim Bau von Windparks vielfältiger geworden. Immer noch werden
Taucher bei Bergungsarbeiten, seien sie nun gründlich vorbereitet oder dem aktuellen Notfall
geschuldet, gebraucht. In den Hightech-Tauchrobotern erwächst den Berufstauchern in
jüngster Zeit allerdings auch eine starke Konkurrenz.

Wissenschaftler im Tauchanzug bewegen sich in der Regel freischwimmend mit SCUBA-
Atemgeräten in Tiefen bis zu 30, höchstens 40 Metern. Berufstaucher hingegen arbeiten
sowohl nahe der Wasseroberfläche, beispielsweise beim Reinigen von Schiffspropellern, als
auch in Tiefen bis zu 180 Metern, etwa bei der Montage von Pipelines am Meeresboden. Sie
tauchen in Trockenanzügen mit Taucherhelmen aus faserverstärktem Kunststoff und werden
meist von der Oberfläche oder von einer Taucherglocke aus über eine „Nabelschnur“ mit einem
geeigneten Atemgas versorgt.

Unterwasserarbeiten in größeren Tiefen erfordern wegen der langen Dekompressionszeiten
beim nunmehr notwendigen Sättigungstauchen einen erheblichen zusätzlichen Aufwand. Zu
einer kompletten Tieftauchanlage an Bord eines Versorgungsschiffes gehören mehrere
Druckkammern. In einer Dekompressionskammer werden die Taucher zunächst auf den Druck
der Tiefe gebracht und später auch wieder dekomprimiert. Eine Taucherglocke dient als eine
Art Lift, mit dem die Taucher zu ihrem Arbeitsplatz am Meeresgrund befördert und auch wieder
an Deck gehievt werden. An Deck befinden sich mehrere Druckkabinen, in denen sich die
Taucher aufhalten und erholen können. Das Ganze muss einen reibungslosen und sicheren
Tauchbetrieb über Tage und Wochen hin ermöglichen und zugleich den ständig unter Druck
stehenden Tauchern einen angemessenen Komfort bieten.

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Ob die Entwicklung von Panzertauchanzügen zu einer echten Konkurrenz zum
Sättigungstauchen werden könnte, sei dahingestellt. Anders als der Sättigungstaucher atmet
der schlauchversorgte Panzertaucher unter Normaldruck. Sein Panzer ist druckfest ausgelegt.
Dank vieler Rotationsgelenke ist die Hightech-Version Exosuit recht beweglich, hat ein breites
Panoramabullauge und bietet gute Sicht. Zusätzlich montierbare Propeller verbessern das
Fortkommen. Exosuit kann stundenlang 300 Meter tief tauchen und wird unter anderem bei
der Untersuchung von tiefliegenden Wracks eingesetzt. Man könnte die Panzertaucher auch
den Kleinst-U-Booten zuordnen.

Das Unterwasserlaboratorium „Aquarius“ liegt einige Kilometer vor der Küste Floridas in fast 20
Metern Tiefe neben großen Korallenriffen. Es wäre sicher wie viele andere seiner Art schon
längst ausgemustert worden, wenn es nicht zum Training von künftigen Astronauten genutzt
würde, die sich in der Abgeschiedenheit unter Wasser auf einen Einsatz im Weltraum
vorbereiten. Bis 2025 will die NASA den ersten Landeanflug auf einen Asteroiden wagen, bis
2030 soll der Mars angeflogen werden. Die Astro-Aquanauten simulieren im Wasser
Fortbewegungsmöglichkeiten in der Schwerelosigkeit, schließlich fehlt die Gravitationskraft auf
einem Asteroiden fast völlig.

Die Blütezeit für bemannte Unterwasserstationen waren die sechziger und siebziger Jahre des
vorigen Jahrhunderts. Vor fünfzig Jahren ging es primär darum, den inneren Weltraum – das
Meer – im Hinblick auf einen längeren Aufenthalt des Menschen auszuloten. Damals entstand
als Pendant zum Astronauten, dem Erforscher des Weltraums, der Begriff Aquanaut für die
tauchenden Entdecker des Meeres. An unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Tiefen
wurden am Meeresgrund Labors aufgebaut und ausprobiert. Hier lebten Taucher wochenlang
unter dem Druck der Tiefe und erkundeten den Lebensraum Meer bei regelmäßigen Ausflügen
unter Wasser.

Zu den bekanntesten Unterwasserlabors gehören die unter Leitung von Jacques-Ives Cousteau
im Rahmen des französischen Précontinent-Programms eingesetzten Stationen. Im legendären
Seesternhaus arbeitete 1963 eine fünfköpfige Besatzung einen Monat lang, wobei die Taucher
von ihrer Basis in 10 Meter Tiefe mehrere Male in 50 bis 100 Meter Tiefe vorstießen. Die
Amerikaner benutzten bei ihren von der Navy getragenen Sealab-Experimenten 1964/65 einen
liegenden Zylinder. Der ehemalige Astronaut Scott Carpenter lebte dabei einen Monat lang in
60 Meter Tiefe. Mit Sealab III sollte 1968 in 180 Meter Tiefe ein neuer Rekord aufgestellt
werden. Nachdem dabei ein Taucher den Tod fand, wurde das unausgereifte Projekt
abgebrochen. Beim Tektite-Programm 1969 begnügten sich die Amerikaner mit einer
Einsatztiefe von 10 Metern, stellten dafür aber einen Dauerrekord auf: Vier Aquanauten
wohnten 60 Tage am Meeresgrund. Mit der Station „Aegir“ wurde 1971 schließlich auch ein
neuer Tiefenrekord erzielt: Sechs Taucher hielten sich 5 Tage in 177 Meter Tiefe auf.

Damit dürften die Grenzen für das mögliche Leben, Wohnen und Arbeiten des tauchenden
Menschen im Meer abgesteckt sein. Zwar werden immer wieder einmal neue, mehr oder
weniger phantasievolle Studien und Projekte bekannt, die nach einem finanzstarken Geldgeber

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suchen. Die in aller Regel recht begrenzten Forschungsmittel werden heute nach strengen
Aufwand-Nutzen-Kriterien verteilt, die für allzu kühne Visionen wenig Platz lassen. Die
hinsichtlich Aufbau und Unterhalt recht teure Unterwasserstation liegt fest am Meeresgrund
und kann nur mit großem Aufwand umgesetzt werden. Sie erfordert außerdem eine nahe
Landbasis oder eine Versorgungsboje und ist schon damit einer professionellen Tieftauchanlage
wirtschaftlich unterlegen. Ein von der Oberfläche unabhängiges und obendrein bewegliches
Labor wäre aber dann schon ein Tauchboot.

Auch Deutschland betrieb einmal eine Unterwasserstation. Die 1969 gebaute Station war für
kältere Gewässer konzipiert und wurde erstmals vor Helgoland getestet. Heute steht das
Unterwasserlabor „Helgoland“ auf dem Gelände des Nautineums in Stralsund und kann von
außen und innen besichtigt werden. Aber auch vor Helgoland befindet sich heute wieder ein
allerdings nasses Labor auf dem Meeresgrund. Wissenschaftler des Tauchzentrums der
Biologischen Anstalt Helgoland setzen auf dem als MarGate bezeichneten Unterwasser-
Experimentalfeld modernste Sensortechnologien ein, um meeresbiologische Daten in hoher
zeitlicher und räumlicher Auflösung zu erfassen. Die Wissenschaftler wollen klimabedingte
Veränderungen der Hydrographie und Ökologie der Nordsee untersuchen. Die Messwerte
stehen dann online zur Verfügung und können im Trocknen am Bürocomputer ausgewertet
werden.

Wer unbedingt einmal unter Wasser wohnen möchte, sollte besser Jules` Undersea Lodge in
Key Largo (Florida) mieten. Das einzigartige Unterwasserhotel bietet in 10 Meter Wassertiefe
einen Aufenthaltsraum mit Küche, zwei kleine Schlafzimmer und einen Nassraum. Bis zu sechs
Personen können dort übernachten und so viele Tauchgänge machen wie sie wollen. Vielleicht
ist das die Zukunft für Unterwasserstationen?

Tauchfahrzeuge bis zum Meeresgrund

Als der Hollywood-Regisseur James Cameron, Oscar-Preisträger und Hobby-Meeresforscher, im
März 2012 als erster Mensch allein in ein kleines Tauchboot gezwängt im Challengertief am
Grunde des Marianengrabens aufsetzte, hatte er zwar elf Kilometer unter der
Meeresoberfläche die tiefste Stelle des Weltmeeres erreicht, aber doch nur ein fünfzig Jahre
zurückliegendes Tauchexperiment wiederholt. Bereits 1960 tauchten der Schweizer Jacques
Piccard und der Amerikaner Don Walsh mit ihrem Bathyskaphen „Trieste“ zum Boden des
Marianengrabens. Ihr Tiefenschiff mit einer druckfesten Tauchkapsel wurde von einem mit
Benzin gefüllten Schwimmkörper getragen. Ähnlich wie der mit einem Gas leichter als Luft
gefüllte Ballon, vermag ihr mit einer Flüssigkeit leichter als Wasser gefülltes Tiefenschiff in
einem dichteren Medium zu schweben. Zum Abtauchen wird etwas Benzin abgelassen, wobei
sich der Auftrieb vermindert. Das Abwerfen von Eisenkugeln ermöglicht den Wiederaufstieg.
Die „Trieste“ war ein antriebsloses Fahrzeug, das lediglich ab- und aufsteigen konnte.

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Camerons Tauchboot „Deepsea Challenger“ weist eine ganze Reihe technischer Neuerungen
auf, verwendet aber ein ähnliches Auftriebskonzept wie die „Trieste“, diesmal einen
Schaumstoff leichter als Wasser. Das Absinken und Aufsteigen wird ebenfalls mit Hilfe von
Ballast geregelt. Das Tauchboot besitzt starke Batterien zum Betrieb der Antriebsdüsen, des
Scheinwerfers und eines Greifarms zur Entnahme von Bodenproben. Selbstverständlich war
Cameron auch filmisch bestens gerüstet. Leider hat er nur einen flachen Boden mit einem
gelatineartigen Klumpen und einer anderthalb Meter langen mysteriösen Rinne fotografieren
können und ein bisschen Schlamm mit nach oben gebracht. Ein Leck im Hydrauliksystem
erzwang nach zwei Stunden zum vorzeitigen Aufbruch.

Der unternehmenslustige britische Milliardär und Lenker der Virgin Group Sir Richard Branson
will ebenfalls die Tiefseegräben der Ozeane erforschen und hat dazu eigens die Virgin Oceanic
ins Leben gerufen und ein geeignetes Ein-Mann-Tauchboot der neuartigen Deepflight-Serie
finanziert. Deepflight-Tauchboote sind mit Tragflügeln ausgestattet und ähneln in ihrem
Verhalten einem kleinen Flugzeug. Die „Deepflight Challenger“ soll mehr als elf Kilometer tief
tauchen können und hat zumindest in der Tauchkammer den Drucktest bestanden. Dank seiner
batteriegetriebenen Propeller ist das Boot recht manövrierfähig und soll durch einen
Tiefseegraben auch längs gleiten können. Das empfindlichste Teil des Tieftauchbootes ist das
große Kabinenfenster, das in der Tiefe einem extremen, mehr als tausendmal höheren Druck
als an der Meeresoberfläche standhalten muss.

Vorgesehen sind Tauchfahrten zu den tiefsten Stellen aller fünf Ozeane. Auf der Fahrt zur
tiefsten Stelle des Atlantiks, in den über 9000 Meter tiefen Puerto-Rico-Graben, will Branson
selbst am Steuer sitzen. Branson geht es vor allem darum, als Erster an einem unerforschten
Ort zu sein und etwas zu erreichen, was noch keiner vor ihm geschafft hat. Er bindet aber
zugleich neugierige Wissenschaftler in die Vorbereitung seiner riskanten Expeditionen ein. So
will Virgin Oceanic außer dem bemannten Tauchboot auch ferngesteuerte Geräteträger zum
Meeresgrund schicken, die mit Probennehmern und Ködern, Scheinwerfern und Kameras
ausgestattet sind und auf Bewegungen in ihrer Umgebung reagieren können. Gewissermaßen
als Vorhut sollen diese kleinen Roboter einen Tag vor dem bemannten Tauchgang zu Wasser
gelassen werden. Das bemannte Tauchboot wird dann mittels Sonar Kontakt zu ihnen
aufnehmen, in ihre Nähe schwimmen und unbekannte Lebewesen beobachten, die – so hofft
man – durch die Köder angelockt worden sind. Die Roboter sollen dann noch Wasser- und
Bodenproben nehmen und nach Abwurf von Ballast wieder zur Oberfläche aufsteigen.

Es ist offensichtlich, dass die Finanzierung neuer bemannter Tauchboote allein aus Mitteln der
Forschungsetats oder der öffentlichen Hand immer schwieriger wird und kaum noch möglich
ist. Und private Geldgeber brauchen für ihre Boote eine zahlungsfähige Kundschaft.
Tauchboote für Touristen, die den besonderen Kick suchen, sind im Kommen. Das Angebot ist
reichhaltig und weitgespannt. Der kleine „Deepflight Merlin“ verzichtet auf eine Druckkammer,
die Passagiere sitzen in normaler Taucherausrüstung im Freien und beobachten die Fische im
Korallenriff. Der Deepflight Dragon wird als das U-Boot für jedermann angepriesen, weil es sich

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