BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...

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BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
Ausgabe 03/2020

     BvD-NEWS
ISSN: 2194-1025

                  Das Fachmagazin für den Datenschutz

                                                                                Berufsverband der
                                                                         D
                                                                         ­ atenschutzbeauftragten
                                                                           Deutschlands (BvD) e.V.

                  Daten sammeln
                  mobil - international - legal?
                   DATEN SAMMELN IN EINEM EUROPA DER PANDEMIE – S. 5
                   CLOUD UND DATENSCHUTZ – WIE KATZ‘ UND MAUS? – S. 19
                   DIVERSITY-UMFRAGEN IM UNTERNEHMEN – S. 28
                   HIGHLIGHTS IM DATENSCHUTZJAHR 2020 – S. 48
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                                                                                                                     www.bvdnet.de
                                                                                                                     www.bvdnet.de

          Der  BvD:
          Werden  Sie Wegbereiter
                      Teil unseres für
          die  digitale
          starken         Zukunft
                  Netzwerks!

                                                                                                      Berufsverband der
                                                                                                Datenschutzbeauftragten
          Gemeinsam für einen starken Datenschutz:                                               Deutschlands (BvD) e.V.
          • Seminare und Workshops für einen rechtssicheren Datenschutz
                                                                                                               Der BvD in Zahlen:
           Ihre     Vorteile:
             im Rahmen     der DS-GVO
          • Informationen und Begleitung zu Gesetzesvorhaben und Gerichtsentscheidungen                        • gegründet 1989
          •• Unterstützung
              Erfahrungsaustausch
                               in derin Umstellungsphase
                                        bundesweit 12 Regionalgruppen     Seit über 30 Jahren vernetzt der BvD• Politik,
                                                           der Datenschutz-Grundverordnung                       Mitglieder: 1.100
                                                                                                                         Wirtschaft,
          •• Austausch
              9 BvD-Arbeitskreise  zu Fachthemen und Fachforen
                         auf BvD-Verbandstagen                            Aufsichtsbehörden und Datenschutzbeauftragte – auf 330
                                                                                                               • Firmenmitglieder:
           • Kongresse und Workshops mit namhaften Referenten                                                  • bundesweit
                                                                          regionaler, nationaler und europäischer  Ebene. Wir10fördern
                                                                                                                                 Regionalgruppen
          • Vernetzung bundesweit in Regionalgruppen und Arbeitskreisen                                          und  9 Arbeitskreise zu Fachtheme
           • anerkannte Weiterbildungsmodule zum Nachweis                 die beruflichen Interessen unserer fast 2.000 Mitglieder und
          • Materialien
              der Fachkundefür die Datenschutzpraxis in Betrieben und Behörden
                                                                          setzen uns aktiv für die weitere Akzeptanz des Berufsbildes
          •• Rabatte   bei unseren    Verbandspartnern
              Listung im Verzeichnis der externen Datenschutz-            „Datenschutzbeauftragter“ ein – als (Stand:
                                                                                                                einzigerMärz
                                                                                                                         Verband
                                                                                                                             2018)in
             beauftragten                                                  Deutschland.
          Der Berufsverband
          • Arbeitshilfen        der Datenschutzbeauftragten
                          & Materialien für den Berufsalltag        Deutschlands (BvD) e.V.
          fördert  seit über
          • Fachmagazin        25 Jahren die beruflichen InteressenWir
                          BvD-News                                        derbieten
                                                                               Datenschutz-
                                                                                     Mitgliedschaften für interne und externe Daten-
          beauftragten    in  Behörden    und  Betrieben
          • Politischer Dialog in Gesetzgebungsverfahren     und setzt sich aktiv   für diesowie für Unternehmen an.
                                                                         schutzbeauftragte
          weitere
          • RabatteAkzeptanz      des Berufsbildes
                     & Vergünstigungen                „Datenschutzbeauftragter“
                                         bei zahlreichen
             Kooperationspartnern
          ein – als einziger Verband in Deutschland.                     Jetzt beitreten unter:
                                                                           www.bvdnet.de/mitgliedschaft
                                                                                                    DATENSCHUTZ GESTALTEN

          BERUFSVERBAND DER DATENSCHUTZBEAUFTRAGTEN DEUTSCHLANDS (BVD) E. V. | BUDAPESTER STRASSE 31, 10787 BERLIN
          TELEFON: (030) 26 36 77 60 | TELEFAX: (030) 26 36 77 63 | E-MAIL: BVD-GS@BVDNET.DE | INTERNET: WWW.BVDNET.DE
BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
Editorial

     EDITORIAL

     Liebe Leserinnen und Leser,
     internationaler Datentransfer in Drittländer ist auch fast ein hal-   BDSG wird. Schon im Vorfeld der 2021
     bes Jahr nach „Schrems II“ noch eines der brennenden Themen           anstehenden Evaluierung des BDSG
     für Datenschutzbeauftragte und deren Kunden. Das gilt umso            bringen sich die üblichen Lager
     mehr vor dem Hintergrund eines drohenden harten Brexits zum           in Position, um mit den altbe-
     Jahresende. Auch auf unserer Herbstkonferenz und dem an-              kannten Scheinargumenten
     schließenden Behördentag – die wir in diesem Jahr unter dem           die bewährte Benennpflicht
     Motto „Daten sammeln: mobil – international – legal?“ erst-           anzugreifen. Dabei gibt es
     mals komplett online abgehalten haben – wurde dieses Thema            viele sinnvolle Möglichkei-
     in verschiedenen Facetten lebhaft diskutiert. Einen Nachbericht       ten, Unternehmen zu entlas-
     finden Sie in diesem Heft ebenso, wie Artikel ausgewählter Re-        ten und für sie einen echten
     ferenten zu ihren Kongressbeiträgen.                                  Mehrwert zu schaffen – nicht
                                                                           durch die Abschaffung des DSB,
     Auch wenn mittlerweile die ersten Handreichungen seitens
                                                                           sondern durch seine stärkere Einbin-
     deutscher und europäischer Aufsichtsbehörden veröffentlicht
                                                                           dung. Der BvD hat hierzu konkrete Vorschläge
     sind, fühlten sich nach dem EuGH-Urteil viele Datenschutz-
                                                                           ausgearbeitet, die wir auch im Zuge der Evaluation des BDSG
     beauftragte zunächst verunsichert und alleingelassen. Was soll
                                                                           einbringen werden.
     man Unternehmen nach dem Urteil empfehlen? Drohen schon
     jetzt Bußgelder? Gibt es denn überhaupt Alternativen zu den           Ein weiteres altbekanntes Thema, das zur BDSG-Evaluierung
     weitverbreiteten Produkten US-amerikanischer Anbieter oder            wieder aus der Versenkung auftaucht, sind die Vorschläge, die
     kann man sie so nutzen, dass die Daten nicht in die Hände der         Verantwortlichkeit für die Aufsicht über die Unternehmen zu-
     US-Geheimdienste fallen?                                              künftig statt bei den Aufsichtsbehörden der Länder beim Bun-
                                                                           desbeauftragten oder einer neuen Behörde zu zentralisieren.
     Bei aller Verunsicherung bietet die Situation aus meiner Sicht
                                                                           Gemeinsam mit der Stiftung Datenschutz bot der BvD zu die-
     dennoch gleich zwei Chancen: Zum einen führt uns „Schrems
                                                                           sem Thema im September eine Plattform für Expertinnen und
     II“ die Notwendigkeit der digitalen Autonomie Europas vor Au-
                                                                           Experten aus Politik, Aufsichtsbehörden, Wirtschaft und Daten-
     gen. Das Urteil ist ein Weckruf, eine (vielleicht letzte) Gelegen-
                                                                           schutzpraxis, um ihre jeweiligen Positionen darzulegen, mögli-
     heit, die Vorherrschaft in diesem für die Prosperität, das Ge-
                                                                           che Folgen für die Praxis zu beleuchten, Chancen für Kompro-
     meinwohl und die Sicherheit Europas entscheidenden Bereich
                                                                           misse zu diskutieren und Lösungsansätze zu suchen. Dabei ist
     – der Digitalisierung – nicht den USA und Asien zu überlassen.
                                                                           es uns, so denke ich, gelungen, die Diskussion auf eine breitere
     Deutschland und Europa müssen hier entschieden handeln –
                                                                           Basis zu stellen. Eine Zusammenfassung der Standpunkte fin-
     und zwar jetzt. Zum anderen können sich Datenschutzbeauf-
                                                                           den Sie in unserem Nachbericht ab Seite 62, außerdem einen
     tragte in der jetzigen Situation einmal mehr als kompetente
                                                                           Videomitschnitt der Veranstaltung in der Berliner Kalkscheune
     Berater bewähren und die Unternehmen dabei begleiten, Digi-
                                                                           auf der BvD-Website.
     talisierung gewinnbringend und rechtskonform anzugehen be-
     ziehungsweise weiterzuentwickeln – auch mit einem gesunden
en   Blick für Risiken.
     Trotzdem gibt es nach wie vor Stimmen, die den Datenschutz-           Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
     beauftragten nicht als hilfreichen Lotsen in der Digitalisierung
     wahrnehmen, sondern ihn als Personifizierung der als bürokra-
     tisch wahrgenommenen Datenschutzpflichten sehen.
     Ein gefährlicher Fehlschluss, der dazu führt, dass er zur Ziel-       Ihr Thomas Spaeing
     scheibe beim geforderten Bürokratieabbau in DSGVO und                 BvD-Vorstandsvorsitzender

                                                                                                                        BvD-NEWS Ausgabe 3/2020       3
BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
Impressum | Inhaltsverzeichnis

                                                               EDITORIAL
                                                                Thomas Spaeing3

                                                               DATEN SAMMELN
                                                                Daten sammeln in einem Europa der Pandemie – Jürgen Hartz5
                                                                Datenzugang, Datenteilung, Datentreuhand – neue Instrumente der
                                                                Datenpolitik – Frederick Richter, LL.M.10
                                                                Das durchleuchtete Ich: automatisierte Entscheidungen in Personalauswahl und Personalführung –
                                                                Regina Bergdolt13
                                                                Cloud und Datenschutz – wie Katz‘ und Maus? – Tobias Birk, Gerald Boyne                        19

                                                               DSGVO
                                                                Das Privacy Shield ist gescheitert – und jetzt? Was Unternehmen, Vereine und sonstige
                                                                Verantwortliche nach Schrems II jetzt wissen müssen – Dr. Michael Littger, Dr. Andreas Splittgerber,
    IMPRESSUM:
                                                                Sven Schonhofen, LL.M. (New York)                                                                    24
    BvD-News                                                    Diversity-Umfragen im Unternehmen – Dr. Henrik Hanßen28
    Das Fachmagazin des Berufsverbandes
    der Datenschutzbeauftragten
    Deutschlands (BvD) e.V.
                                                               GESETZESÄNDERUNGEN UND RECHTSPRECHUNGEN	
                                                                Datenschutz im Strafrecht - Ausspähen von Daten – Tolga Hircin, LL.M.                               34
    Herausgeber:
    Berufsverband der Datenschutz­
    beauftragten Deutschlands (BvD) e.V.                       DATENSCHUTZPRAXIS	
    Budapester Straße 31                                        Nachhaltige Sicherheitskultur als Full Service – Ein Interview mit Alex Wyllie 40
    10787 Berlin                                                Digitale Angriffe auf kritische Infrastrukturen – Eberhard Oehler42
    Tel: 030 26 36 77 60
                                                                Von Vereinfachungen profitieren – Rebecca Wiemer46
    Fax: 030 26 36 77 63
    E-Mail: bvd-gs@bvdnet.de
    Internet: www.bvdnet.de                                    AUFSICHTSBEHÖRDEN	
    www.xing.com/companies/                                     Highlights im Datenschutzjahr 2020 – Dr. Stefan Brink48
    berufsverbandderdatenschutz
    beauftragtendeutschlands
    www.twitter.com/bvd_datenschutz                            GESELLSCHAFT	
    www.bvdnet.de/feed/                                         Zwischen Influencern, Videoüberwachung und Sensationsmedien – Dominik Höch52
    Redaktion:                                                  Dataismus versus Freiheit – Florian Mehnert56
    Christina Denz (chd)
    V.i.S.d.P.: Thomas Spaeing                                 AUS DEM VERBAND
    bvd-news@bvdnet.de
                                                                Vorschläge für die Zukunft der Datenschutzaufsicht – Christina Denz62
    Fotos:                                                      Regionalgruppe Ulm feiert 40. Treffen – Anton Weber 66
    www.123rf.com

    Lektorat:                                                  REZENSIONEN
    Frank Spaeing, Regina Mühlich                               Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning – Dr. Markus Kaulartz,
                                                                Tom Braegelmann LL.M. (Hrsg.)68
    Anzeigen:
    Christina Denz                                              Checklisten zur Datenschutz-Grundverordnung                                       70
    Kooperationen: Karsten Füllhaase                            Übersicht Rezensionen 2020                                                        72
    (bvd-gs@bvdnet.de)

    Satz, Layout & Produktion:                                 TERMINE UND KONTAKTE
    Trend Point Marketing GmbH,                                 Termine der Regionalgruppen und Arbeitskreise des BvD                                               74
    Breitenbachstraße 24-29, 13509 Berlin
                                                                Service                                                                                             75
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    ISSN: 2194-1025
    Erscheinungsweise: 3 x jährlich, Druckauflage 4.000
    Exemplare (Unsere Mediadaten erhalten Sie unter
    bvdnet.de/Publikationen oder von unserer Geschäftsstelle
    per E-Mail an bvd-gs@bvdnet.de) Die Redaktion behält
    sich vor, Beiträge redaktionell zu überarbeiten und zu
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4   BvD-NEWS Ausgabe 3/2020
BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
DATEN SAMMELN

DATEN SAMMELN IN EINEM
EUROPA DER PANDEMIE
Jürgen Hartz

Rund 200 Datenschutzbeauftragte disku-                Fahrwasser geraten, „das niemand haben will“
tierten auf der Herbsttagung „Wirtschaft              (lesen Sie dazu auch den Beitrag von Dr. Stefan
trifft Aufsicht“ und dem Behördentag über             Brink auf Seite 48).
die Chancen der Evaluierungen von DSGVO
und BDSG und einer datenschutzrechtli-                Selbstkritisch räumte Brink ein: In einer Situation,
chen Rückbesinnung auf Europa. Erstmals               in der von den Datenschutzbeauftragten der Bun-
fand die Tagung komplett online statt.                desländer Orientierung verlangt werde, gäben die
                                                      Aufsichtsbehörden „ein Bild ab, das im Moment
Das Schrems-II-Urteil des Europäischen Gerichts-      nicht vorbildlich ist“. Aber dieses Eingeständ-
hofs zum transnationalen Datentransfer beschäf-       nis gehöre auch zu Wahrheit und Transparenz.
tigt uns seit seinem Bekanntwerden im Juli. Auf der
Herbstkonferenz „Wirtschaft trifft Aufsicht“ am
                                                      So fallen die Einschätzungen und Ratschläge zum
14. und 15. Oktober 2020 und dem anschließen-
                                                      Umgang mit dem Datentransfer zu US-Diensten
den Behördentag am 16. Oktober 2020 spielte die
                                                      und Unternehmen von Aufsichtsbehörde zu Auf-
Entscheidung des obersten europäischen Gerichts
                                                      sichtsbehörde sehr unterschiedlich aus – ob dies
immer wieder eine Rolle. Vor allem die Rechtsun-
                                                      Microsoft Office, die Nutzung von US-amerika-
sicherheit, die die Entscheidung nach sich zog,
                                                      nischen Programmen wie Google Analytics oder
war allenthalben zu spüren – obwohl die gemein-
                                                      der direkte Kontakt zwischen Konzernen in Euro-
same Konferenz mit den Aufsichtsbehörden in
                                                      pa und den USA betrifft. Für den Datenschutz in
Baden-Württemberg und Bayern erstmals seit
                                                      Europa werde es damit schwieriger: Wie können
ihrem Start 2016 ausschließlich online stattfand.
                                                      wir das gemeinsame Datenschutzrecht in allen
                                                      EU-Ländern gleich vollziehen, fragte Brink. Der
                                                      EU-Datenschutzausschuss habe große Schwierig-
                                                      keiten, gute und sichtbare Schritte zu machen.
                                                      Aber auch die Corona-Pandemie erhöhe den
                                                      Druck auf den Datenschutz, führte Brink aus. Im-
                                                      mer wieder höre er den Satz, dass unter Coro-
                                                      na Datenschutz eigentlich nicht mehr gehe. „Das
                                                      erstaunt mich, vor allem, wenn diese Argumen-
                                                      tation von öffentlichen Stellen kommt, die dem
                                                      Gesetz verpflichtet sind“, sagte er. Was manche
                                                      Länder oder der Bund als Verordnungen „vom
Der EUgH als Treiber für Datenschutz
                                                      Stapel lassen“, greife in die Grundrechte ein.
Neben dem BvD-Vorstandsvorsitzenden Thomas
Spaeing sprach auch Dr. Stefan Brink, Beauf-          Aber auch bei Unternehmen sei der Druck auf
tragter für den Datenschutz und die Informati-        manche Datenschutzbeauftragte nicht geringer.
onsfreiheit Baden-Württemberg, gleich zu Be-          Manche Unternehmensleitungen wollten in der
ginn das Schrems-II-Urteil an. „Der EUgH macht        Corona-Krise möglichst frei agieren. „Wir müs-
uns ordentlich Dampf“, sagte Brink in seinem          sen lernen, diesem Druck standzuhalten“, sagte
Grußwort. Derzeit seien alles „noch Suchbewe-         Brink, „wir müssen unsere Fahne hochhalten und
gungen“, mit dem Urteil sei die DSGVO in ein          unsere Position besetzen“.

                                                                                      BvD-NEWS Ausgabe 3/2020   5
BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
DATEN SAMMELN

                              Datenschutzbeauftragte                               sich viele Behörden „mit Händen und Füßen“ und
                              werden immer wichtiger                               behaupteten, es würde zu viel Aufwand bedeuten
                                                                                   Daten offen zu legen. „Aber Open Data bedeute-
                              Dabei wird deutlich, dass die Rolle der Daten-
                                                                                   ten keinen Mehraufwand, sondern am Ende we-
                              schutzbeauftragten zu- statt abnimmt. Wir als
                                                                                   niger Aufwand“, sagte sie.
                              BvD arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, die
                              Zertifizierung für Datenschutzbeauftragte und
                                                                                   Für Esken geht es dabei um nichts weniger als
                              für Unternehmen, die sich datenschutzrechtlich
                                                                                   eine „demokratische Digitalisierung“ – dies sei die
                              vorbildlich verhalten, voranzutreiben.
                                                                                   große gesellschaftliche Debatte.
                                    Das sprach auch BvD-Vorstandsvorsitzender
                                    Thomas Spaeing zum Auftakt an. „Es wird
                                                                                   Demokratie neu erfinden
                                    einen weltweiten Gütesiegel-Wettbewerb
                                    geben, den Deutschland nicht verpassen         Einen Mitstreiter für ein neues Demokratie-Ver-
                                    darf! Offenbar hat der deutsche Gesetz-        ständnis vor dem Hintergrund der Digitalisierung
                                    geber das Potenzial noch nicht erkannt.        fand Esken in dem langjährigen China-Korrespon-
                                    Frankreich zum Beispiel ist hier schon         denten der „Süddeutschen Zeitung“, Kai Stritt-
                                    deutlich weiter.“                              macher. Er berichtete von der „totalen Überwa-
                                                                                   chung“ der chinesischen Bevölkerung durch die
                              Statt die Rolle der Datenschutzbeauftragten          Regierung – mit einem Netz aus Überwachungs-
                              über eine neuerliche Scheindebatte zur Benenn-       kameras und der damit möglichen sozialen Kon-
                              grenze zu schwächen, sollte die Bundesregierung      trolle und dessen Bewertung mit Punkten.
                              den Mut aufbringen, Datenschutzbeauftragte
                              stärker in Aufgaben wie Meldepflichten, Daten-       Dabei gehe es bei der Entwicklung nicht um Chi-
                              schutz-Folgenabschätzungen und Verarbeitungs-        na, „sondern letztlich um uns“, schloss Stritt-
                              verzeichnis einzubinden, um vor allem kleine         macher. „Wenn China die Diktatur neu erfindet,
                              und mittlere Unternehmen zu entlasten. Im Ziel       dann müssen wir die Demokratie neu erfinden“.
                              müsse es bei den Evaluierungen von DSGVO und         Als Vorbilder nannte er Taiwan und die skandina-
                              BDSG darum gehen, den Nutzen von DSB zu er-          vischen Demokratien, die versuchten, die Digita-
                              höhen und Bürokratie für die Unternehmen abzu-       lisierung und das Datensammeln durch den Staat
                              bauen, sagte Spaeing. Vor allem die Chancen aus      transparent zu gestalten.
                              der DSGVO für Zertifizierungen und genehmig-
                              te Verhaltensregeln müssen unverzüglich genutzt      Entscheidungen etwa zur Beteiligung von Huawei
                              werden können.                                       an der 5G-Ausschreibung müsse die Frage voran
                                                                                   gehen, ob die Bundesregierung der kommunisti-
                                                                                   schen Partei Chinas vertrauen könne? Wenn in
                                    Open Data von Staats wegen:                    Fragen der nationalen Sicherheit das Argument
                                    Die demokratische Digitalisierung              zähle, dass chinesische Anbieter billiger seien,
                                                                                   „dann läuft was gravierend falsch“, warnte Stritt-
                                    Auch Gastrednerin Saskia Esken, ge-
                                                                                   macher, der 2018 seine Recherchen in dem Buch
                                    lernte Informatikerin, warnte vor ei-
                                                                                   „Die Neuerfindung der Diktatur – Wie China den
                                    ner neuerlichen Anhebung der Benenn-
                                                                                   digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns
                                    grenze. Das sei wirtschaftlich nicht zu
                                                                                   damit herausfordert“ veröffentlichte.
                                    vertreten, da die Anforderungen aus
                                    DSGVO und BDSG erhalten blieben,
                                    argumentierte die SPD-Vorsitzende.
                                                                                   Mittelweg Datentreuhand?
                              Zugleich mahnte sie von Behörden und Staat           Der Frage, wie Unternehmen Daten nutzen könn-
                              mehr Transparenz an. „Ein Staat, der alle Infor-     ten ohne dabei personenbezogene Daten mit
                              mationen für sich behält, verkennt seine Rolle       Tricks oder gegen den Willen der Betroffenen
                              in der modernen Informationsgesellschaft“, sag-      zu ergattern, ging Frederick Richter, Vorstand
                              te sie. Dem Informationsfreiheitsgesetz seien alle   der Stiftung Datenschutz, nach und erläuterte
                              öffentlichen Stellen verpflichtet. Noch wehrten      Idee und Bedingungen einer möglichen Daten-

6   BvD-NEWS Ausgabe 3/2020
BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
DATEN SAMMELN

                                                        Eine Prüfung ihrer Behörde bei 150 Kommunen
                                                        ergab, dass die meisten zu spät mit den Vorbe-
                                                        reitungen auf diese DSGVO begonnen hatte. Zu-
                                                        dem gebe es große Defizite bei der Meldung von
                                                        Datenpannen sowie bei der Datenschutz-Folgen-
                                                        abschätzung.
treuhand (einen Beitrag von Frederick Richter zur
Datentreuhand finden Sie auf Seite 10).                 Grundsätzlich würden Unternehmen und Behör-
                                                        den identisch geprüft, gab Thiel an. In der Regel
Verbraucherinnen und Verbraucher könnten ihre           kündigten sie ihren Besuch an und gäben vorab
Daten über eine solche Treuhandstelle anonymi-          Bescheid, welche Unterlagen ihre Behörde einse-
sieren lassen. Die Treuhand stärke die individuelle     hen wolle und wie lange dies dauern werde.
Kontrolle über Datenflüsse und könne die Teilha-
be an wirtschaftlicher Datenverwertung fördern.         Vor allem bei großen Prüfungen vor Ort hätten
Im Gegenzug könnten Unternehmen einfacher als           die Unternehmen bereitwillig geantwortet, eini-
bislang mit den Daten arbeiten, erläuterte Rich-        ge seien sehr höflich und entgegenkommend ge-
ter. Allerdings müsse es dafür ein ausreichendes        wesen, unterstrich Thiel.
Maß an Sicherheit vor einer Re-Personalisierung
oder De-Anonymisierung geben. Wenn das si-              Dagegen seien angekündigten Prüfungen bei
chergestellt sei, könnte die Datenverarbeitung in       Kommunen eher auf Unverständnis gestoßen.
Behörden und Unternehmen das Datenschutz-               „Dabei muss der öffentliche Bereich mit Vorbild-
recht verlassen.                                        charakter vorangehen“, sagte Thiel. „Da hätte ich
                                                        mir ein wenig mehr Verständnis und Entgegen-
Ein Nebeneffekt: Große Plattformbetreiber hätten        kommen gewünscht.“
nicht mehr die Nase vorn bei der Auswertung
von personenbezogenen Daten und könnten so              Entsprechend ermutigte Gastgeber Dr. Stefan
ihre teils marktbeherrschende Stellung verlieren.       Brink auf dem Behördentag am Freitag die Da-
                                                        tenschutzbeauftragten in Verwaltung und Äm-
Derzeit allerdings anonymisiere „jeder wie er           tern, pragmatisch und hilfreich Datenschutz si-
kann“, sagte Richter. Was fehle seien „Best             cherzustellen. „Aber lassen Sie sich nicht in die
Practice“-Beispiele, die in nachvollziehbarer und       Ecke stellen und vom Entscheidertisch wegbugs-
wirtschaftlich umsetzbarer Weise zeigten, wie           ieren.“ Und auch für Behörden gelte, dass Da-
die Betroffenen ein ausreichendes Maß an Sicher-        tenströme in die USA nach dem EuGH-Urteil auf
heit bei der Anonymisierung zusichern könnten.          den Prüfstand gehörten. „Machen Sie sich auf
Ob die Bundesregierung in ihrer seit Längerem           den Weg“, rief er die behördlichen Datenschutz-
angekündigten Datenstrategie ein Treuhand-Mo-           beauftragten auf. Diese sollten internationale
dell berücksichtige, ist laut Richter bislang unklar.   Datenverkehre und transatlantische Dienstleister
                                                        identifizieren. „Das ist das, was wir sehen wollen
                                                        bei Kontrollen“, sagte Brink. „Wir erwarten nicht,
                                                        dass perfekte Lösungen da sind, aber dass man
                                                        sich Gedanken gemacht hat, wie man Probleme
                                                        lösen kann.“

                                                        Der Bayerische Beauftragte für den
                                                        Datenschutz, Dr. Thomas Petri, der
                                                        für den Datenschutz bei Behörden in
                                                        seinem Bundesland zuständig ist, be-
Von Behörden und Kommunen
                                                        tonte, dass es sein Haus sehr bewege,
Dass das Verständnis für Datenschutz mitunter           dass die Entscheidung des EuGH zu
gerade bei Behörden noch nicht sonderlich ausge-        Schrems II in die Zeit der Pandemie
prägt ist, davon berichteten Barbara Thiel, Landes-     fiel, in der die Gesellschaft auf die
beauftragte für den Datenschutz Niedersachsen.          Digitalisierung angewiesen sei.

                                                                                                             BvD-NEWS Ausgabe 3/2020   7
BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
DATEN SAMMELN

                                                   Dies berge Herausforderun-       Live-Stream und das kleinste
                                                   gen, wie sein Amtskollege        Kongress-Buffet der Welt
                                                   für den privaten Bereich,
                                                                                    Für uns als Vorstand ging damit eine brandneue
                                                   Michael Will, neuer Präsi-
                                                                                    Erfahrung zu Ende: Dass auch Live-Streams Dis-
                                                   dent des Bayerischen Lan-
                                                                                    kussionen, den Fachaustausch und das Netzwer-
                                                   desamts für Datenschut-
                                                                                    ken auf neue Art und Weise ermöglichen. Das war
                                                   zaufsicht, ausführte. Ob
                                                                                    aber nur durch den außerordentlichen und enga-
                                                   Corona-Warn-App, Gästelis-
                                                                                    gierten Einsatz unseres Veranstaltungsdienstleis-
                                                   ten in der Gastronomie und
                                                                                    ters und der BvD-Geschäftsstelle möglich. Denn
                              polizeiliche Aufgaben während der Pandemie –
                                                                                    unsere Online-Konferenz musste in wenigen Ta-
                              bei vielen Fragen müsse seine Behörde Auskunft
                                                                                    gen auf die Beine gestellt werden.
                              geben. Nicht immer fielen die Fragen ins Daten-
                              schutzrecht.
                                                                                    Eigentlich sollte die Herbsttagung in diesem Jahr
                                                                                    wieder in Stuttgart stattfinden, nachdem wir die
                                                    Christina Rölz, Leiterin des
                                                                                    dritte Ausgabe in Nürnberg mit überragendem
                                                    Sachgebiets Datenschutz
                                                                                    Erfolg abgehalten hatten. Vereinbart war für die
                                                    im Bayerischen Innenmi-
                                                                                    Gemeinschaftsveranstaltung von BvD mit den
                                                    nisterium, verwies auf dem
                                                                                    Aufsichtsbehörden in Bayern und Baden-Würt-
                                                    Behördentag auf ein weite-
                                                                                    temberg eine alternierende Örtlichkeit.
                                                    res Urteil des EuGH zur An-
                                                    wendbarkeit der DSGVO auf
                                                                                    Doch dann stiegen die Infektionszahlen erneut,
                                                    die Arbeit der Parlamente.
                                                                                    wir wichen auf Mannheim aus, und planten eine
                                                    Der Hessische Landtag hat-
                                                                                    Hybridveranstaltung aus „echten“ Vorträgen, die
                              te die DSGVO-Zuständigkeit für sich bislang ab-
                                                                                    wir ins Netzt streamen wollten. Bis die Beher-
                              gelehnt. Der EuGH habe diese Haltung verneint:
                                                                                    bergungsverbote kamen. Innerhalb weniger Tage
                              Artikel 23 sehe keine Ausnahmen vor.
                                                                                    musste wir nun den gesamten Kongress auf on-
                                                                                    line umstellen. Aber selbst ein Online-Catering für
                                                                                    die Teilnehmer gelang uns in den wenigen verblie-
                              Fragen an die Aufsichtsbehörden
                                                                                    benen Tagen noch zu organisieren.
                              Einer der inzwischen etablierten Höhepunkte so-
                              wohl auf der Herbstkonferenz als auch auf dem
                              Behördentag waren die „Fragen an die Aufsichts-
                              behörden“. Dabei spannten die Fragen einen wei-
                              ten Bogen: „Wohin fließen die Bußgelder?“ „Kann
                              ein Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern ver-
                              langen sich in der Cloud zu registrieren?“ oder:
                              „Kann ein Gemeinderat seine Sitzung streamen?“

                              Und auch am Ende der drei intensiven Tage tauch-
                              te wieder Schrems II auf: Das Urteil habe die Rolle
                              der betrieblichen Datenschutzbeauftragten noch
                              einmal in den Mittelpunkt gerückt, sagte Micha-
                              el Will. Die Risikobetrachtung, das Datenverar-
                              beitungsverzeichnis, die Art der Daten und die        Mit BvD-Rollups richteten wir in der Geschäfts-
                              Verarbeitungsverfahren – alles müsse nach dem         stelle und bei den BvD-Vorständen, die jeden
                              Urteil genauer betrachtet werden, entgegnete er       Fachvortrag moderierten, eine Studio-Atmo-
                              auf die Frage, ob ein Unternehmen mit Micro-          sphäre her. Referenten und Moderatoren, alle
                              soft 365 in die Cloud emigrieren könne. Am Ende       waren aus dem Home-Office oder aus ihren Bü-
                              habe die Entscheidung der Richter die Logik der       ros zugeschaltet. Den letzten Verbandstag ha-
                              DSGVO befördert und ihr „extrem genutzt“.             ben wir im BvD aufgrund von Corona, wenn

8   BvD-NEWS Ausgabe 3/2020
BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
DATEN SAMMELN

   auch eingeschränkt, noch mit eigenen Bordmit-        Auch wenn die Idee der Herbsttagung ursprüng-
   teln umgesetzt. Diese Veranstaltung fand mittels     lich aus dem Wunsch unserer Mitglieder nach ei-
   professioneller Begleitung durch einen Veranstal-    ner zentralen Veranstaltung im Süden entsprang:
   tungsdienstleister statt. So konnten wir alle Kom-   Mit dem Online-Format haben wir die regionalen
   ponenten des Herbstkongresses online abbilden.       Grenzen überschritten und den BvD-Mitgliedern
                                                        bundesweit eine Plattform geboten. Trotzdem
   Trotz der widrigen Umstände geriet die Konfe-        hoffen wir natürlich, dass wir im nächsten Jahr
   renz zu einem vollen Erfolg. Auch unsere Spon-       wieder alle Präsenz zeigen können – dann eigent-
   soren, die traditionell auf der Herbsttagung mit     lich wieder in Nürnberg.
   einem Stand vertreten sind, hatten das neue On-
   line-Format angenommen, mit eigenen Vorträ-
   gen und im Austausch mit den Teilnehmerinnen                       Die Vorträge zur Herbstkonferenz
   und Teilnehmern in der extra dafür eingerichte-                    finden BvD-Mitglieder auf BvDnet.de
   ten Event-Partner-Lounge. Die Workshops und                        im Mitgliederbereich unter der Rubrik
   Detailthemen liefen parallel in vier Studios, zwi-                 Arbeitshilfen.
   schen denen die Teilnehmenden wählen und mit-
   unter auch springen konnten.Zum Netzwerken
   hatten wir einen eigenen öffentlichen Chat-Kanal
                                                         Über den Autor
   angelegt. Dort konnten die Teilnehmerinnen und
   Teilnehmer weitere Fragen an die Referenten stel-     Jürgen Hartz
   len und sich untereinander austauschen.               Stellv. Vorstandsvorsitzender des BvD

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  Automatisierte Workflows
                                                                                                              Plattform von
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BVD-NEWS DAS FACHMAGAZIN FÜR DEN DATENSCHUTZ - BERUFSVERBAND DER ...
DATEN SAMMELN

                             DATENZUGANG, DATENTEILUNG,
                             DATENTREUHAND
                             Neue Instrumente der Datenpolitik
                             Frederick Richter, LL.M.

                             Bereits vor einem Jahr hatte die Bundesregierung skizziert, wie ihre für diesen Herbst angekündigte „Datenstrategie“
                             aussehen soll. Eines der stark betonten Ziele ist die Erleichterung des Zugangs zu Daten. Die EU-Kommission hat
                             in ihrer in diesem Jahr vorgelegten „Digitalstrategie“ ebenfalls die Bedeutung besserer Verfügbarkeit und intensive-
                             rer Nutzung von Daten hervorgehoben. In beiden Papieren werden Daten als Schlüsselressource gesellschaftlichen
                             Wohlstands gesehen und als Lösungshilfe für nahezu alle großen Aufgaben wie Umweltschutz, Klimaschutz, Inno-
                             vationen und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Daten werden offenbar als eine Art universelles Wundermittel
                             betrachtet, seit wir im Datenzeitalter leben.

                             „Teile und herrsche                                          Mit dem rechtspolitischen Konzept einer Daten-
                             (dann nicht mehr?)“                                          teilungspflicht unter dem griffigen und wohlklin-
                                                                                          genden Motto „Daten für alle“ entstand 2019
                             „Wissen ist Macht“ heißt es schon lange. Weil in
                                                                                          ein Lösungsvorschlag, der geeignet scheint Be-
                             der digitalen Welt vor allem Daten Wissen enthal-
                                                                                          wegung in die Debatte um neue Wege zur För-
                             ten und Macht generieren, heißt es inzwischen
                                                                                          derung der Datennutzung einerseits und zur
                             „Daten sind Macht“. Damit das allgemeine Wohl
                                                                                          Begrenzung von Datenmacht andererseits zu
                             und der Wettbewerb auf den Märkten nicht un-
                                                                                          bringen. Es geht dabei um Umsetzungsmöglich-
                             ter zu großer Machtfülle einzelner Akteure lei-
                                                                                          keiten und Erfolgschancen einer Regulierung von
                             den, müssen die richtigen Instrumente gefunden
                                                                                          nicht-personenbezogenen Daten zur Wettbe-
                             werden. Eine kartellrechtliche Zerschlagung von
                                                                                          werbsförderung. Eine solche Pflicht zum Teilen
                             Datenmonopolisten wird dabei als letztes Mit-
                                                                                          anonymer und anonymisierter Daten überträgt
                             tel angesehen. Die EU-Wettbewerbskommissa-
                                                                                          in gewisser Weise den im öffentlichen Bereich
                             rin und andere ziehen es vor, dass Daten „ge-
                                                                                          schon länger diskutierten Open-Data-Gedanken
                             teilt“ werden. Hinter dieser eher untechnischen
                                                                                          auf den privaten Sektor.
                             Begrifflichkeit verbirgt sich natürlich nicht etwa
                             eine Halbierung von Datenbeständen, sondern                  Was ist nun der Bezug zum Datenschutz – wo
                             eine Vervielfältigung. Im Anwendungsbereich                  dieser doch nun einmal die von einer etwaigen
                             der DSGVO würde eine Zugangsgewährung bzw.                   Datenteilungspflicht allein umfassten anony-
                             Weitergabe von Datenbeständen eine rechtfer-                 men Daten gar nicht erfasst? Einerseits ist die
                             tigungspflichtige Verarbeitung bedeuten. Ob                  Abgrenzung zwischen einem „Open Data im
                             der Anwendungsbereich des Datenschutzrechts                  nicht-öffentlichen Bereich“ und dem sachlichen
                             infolge von Personenbezug eröffnet ist, muss                 Anwendungsbereich des Datenschutzrechts von
                             daher vor allen weiteren Überlegungen zum                    entscheidender Bedeutung. Und andererseits
                             Datenteilen geklärt werden.                                  gibt es eine Parallele in der Zielstellung: Sowohl

10 BvD-NEWS Ausgabe 3/2020
DATEN SAMMELN

der Datenschutz als auch der Vorschlag zu einer Daten-         bestimmbare Person zurückgeführt werden können? Der
teilungspflicht bezwecken einen Ausgleich von Machtun-         Daten-für-alle-Vorschlag sieht diesbezüglich die Verant-
gleichgewichten. Zwar nennt das Datenschutzrecht selber        wortlichkeit beim Unternehmen, das die Daten abgibt.
ein solches Schutzziel nicht, doch begreifen nicht wenige      Das datengebende Unternehmen habe vor einer Weiter-
den Datenschutz auch als Machtausgleichsinstrument und         gabe nicht-personenbezogener oder vormals personenbe-
nicht „nur“ als Mittel zum Zweck des Privatsphärenschut-       zogener Daten sicherzustellen, dass auch zukünftig keine
zes. Auch durch das Datenteilen sollen Machtverzerrun-         Re-Identifizierung möglich ist – eine nicht zu unterschät-
gen ausgeglichen werden – allerdings nicht mit Blick auf       zende Aufgabe, selbst für die vom Vorschlag adressierten
das Individuum, sondern mit Blick auf den Wettbewerb.          marktbeherrschenden Unternehmen.
Einem eher humanistisch ausgerichteten Machtausgleichs-
instrument wie dem Datenschutz steht mit der Datentei-
                                                               Wer kann Anonymität garantieren?
lung somit ein eher ökonomisch motivierter Ansatz ge-
genüber.                                                       Die Verantwortungslast bezüglich einer nachhaltigen An-
                                                               onymisierung scheuen Unternehmen auch deshalb, weil
Eine weitere Parallele findet sich innerhalb des Daten-
                                                               Orientierungspunkte für die Anonymisierung fehlen. Noch
schutzrechts und zwar mit dem Recht auf Datenübertra-
                                                               gibt es keinerlei Normen oder Standards für den relevan-
gung aus Art. 20 DSGVO. Dieses junge Betroffenenrecht
                                                               ten Vorgang des Anonymisierens. Wie eine hinreichend
sucht sogar beide zuvor genannten Ansätze zu verbinden.
                                                               belastbare Anonymisierung erreicht werden kann, dazu
Es soll sowohl die persönliche Datenkontrolle der einzel-
                                                               gibt es bislang keine offiziellen Maßgaben, keine Kurz-
nen Person steigern als auch den Wettbewerb im Daten-
                                                               papiere, Entschließungen, Orientierungshilfen oder an-
markt fördern, indem Betroffene die sie betreffenden Da-
                                                               dere Anwendungshinweise – weder von der Konferenz
ten weg von Datenmonopolisten und hin zu (bestenfalls
                                                               der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden noch vom
datenschutzaffineren) anderen Anbietern transferieren
                                                               EU-Datenschutzausschuss. Dies bewirkt Unsicherheiten
können. Die Idee hinter dem Portabilitäts- und Portie-
                                                               sowohl in Bezug auf das beschriebene Konzept des Da-
rungsrecht der Verbraucher erscheint sehr lobenswert. In
                                                               tenteilens als auch allgemein in Bezug auf das Nutzen
der Praxis spielt der Artikel 20 gleichwohl noch keine Rolle
                                                               anonymer Daten. Denn wenn mangels Regelung die zu
– wegen Unkenntnis in der Nutzerschaft, vor allem aber
                                                               erfüllenden Voraussetzungen für eine belastbare und
wegen (datenschutzrechtlich zulässiger) Inkompatibilität
                                                               rechtssichere Anonymisierung unklar sind, kann dies im
der digitalen Angebote. Ohne eine Pflicht zur Interopera-
                                                               Effekt dazu führen, dass Daten nicht genutzt werden,
bilität könnte die Datenportabilität ein bloßes Recht auf
                                                               obwohl von ihnen mangels Personenbezug eigentlich gar
dem Papier bleiben.
                                                               kein Risiko für Rechte und Freiheiten natürlicher Personen
                                                               mehr ausgehen kann.
Wo beginnt der Datenschutz?
Was die Datenteilung betrifft, so erscheint die Abgren-        Daten zu treuen Händen?
zung zum Datenschutz zunächst trivial: Entweder sein
                                                               In der Datenstrategie der Bundesregierung spielt ein wei-
Anwendungsbereich ist durch einen Personenbezug der
                                                               teres neues Instrument eine Rolle: Das freiwillige Datentei-
zu teilenden Daten eröffnet, dann ist der Anwendungs-
                                                               len soll durch vertrauenswürdige Datentreuhänder geför-
bereich einer Datenteilungspflicht verschlossen. Oder die
                                                               dert werden. Die dazugehörigen Datentreuhandmodelle
Daten stehen mangels Personenbezug oder Personenbe-
                                                               werden im politischen Raum im Zusammenhang mit der
ziehbarkeit außerhalb des Datenschutzes und wären einer
                                                               Lösung unterschiedlicher Fragestellungen der Datenpolitik
Datenteilung bzw. Datenumverteilung zugänglich.
                                                               diskutiert. Ein Ergebnis wissenschaftlicher Auseinander-
Doch wie zukunftsfest ist diese eingängige Abgrenzung          setzung mit den verschiedenen Modellen, ihren Zwecken,
angesichts stetig steigenden Rechenleistungen und immer        Randbedingungen und Limitationen ist derzeit jedoch
besserer Auswertungsmöglichkeiten mit Big-Data-Metho-          noch nicht verfügbar. Auch praktische Vorbilder sind noch
den, die De-Anonymisierungen durch das Übereinander-           rar. In Großbritannien gibt es erste Erfahrungen mit dem
legen von Datenmustern und -rastern erleichtern? Und           Instrument eines „Data Trust“. Im Rahmen dieses Projekts
wie wäre mit dem Risiko umzugehen, dass anonyme oder           haben bei der UK Biobank eine halbe Million Personen frei-
anonymisierte Daten den Einflussbereich eines Verant-          willig ihre Gesundheitsdaten sozusagen „zu deren treuen
wortlichen zwar ohne Bedenken verlassen, im Einfluss-          Händen“ hinterlegt, damit die Einrichtung sie nach festge-
bereich eines anderen Verantwortlichen aber auf eine           legten Prinzipien zu Forschungszwecken freigibt.

                                                                                                                          BvD-NEWS Ausgabe 3/2020   11
DATEN SAMMELN

                           Ein ähnliches Konzept verfolgt aktuell das Robert-Koch-In-   dung von persönlichen Daten nach den Bedürfnissen und
                           stitut mit seiner (nicht mit der Corona-Warn-App zu ver-     persönlichen Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger.
                           wechselnden) Datenspende-App.                                Sie organisieren die Durchsetzung persönlicher Rechte,
                                                                                        gewährleisten eine datensparsame Autorisierung gegen-
                           Zu klären sein wird jedoch zunächst, welches Problem
                                                                                        über Dritten (etwa auf Grundlage eines Personal Identity
                           mit einer Datentreuhand vornehmlich gelöst werden soll.
                                                                                        Management Systems) und können auch die temporäre
                           Denn abhängig davon, ob es um eine industrie-, wett-
                                                                                        Überlassung von Daten an Dritte etwa zu Forschungszwe-
                           bewerbs- oder datenschutzpolitische Fokussierung geht
                                                                                        cken organisieren.“
                           und davon, welchen Nutzen man sich von Datentreuhän-
                           dern verspricht, fällt die Definition von Datentreuhändern
                           unterschiedlich aus. Der Begriff der „Datentreuhand“ ist     Klare Ausrichtung notwendig
                           nicht klar abgegrenzt und wird für ganz unterschiedli-
                                                                                        Datentreuhandmodelle sollen Chancen im Umgang mit
                           che Funktionen und Geschäftsmodelle verwendet. Eine
                                                                                        Daten eröffnen, indem sie das Teilen von Daten erleich-
                           Datentreuhand könnte verschiedene Formen haben und
                                                                                        tern, die Verfügung über Daten durch Datensubjekte ver-
                           sehr unterschiedliche Funktionen wahrnehmen:
                                                                                        einfachen und das Vertrauen in die Datenwirtschaft erhö-
                           • Stärkung individueller Kontrolle über Datenflüsse          hen. Wegen des denkbar weiten Anwendungsbereichs von
                                                                                        Datentreuhändern und der bislang arg begrenzten prakti-
                           • Förderung der Teilhabe der Datensubjekte an
                                                                                        schen Erfahrungen wird eine Umsetzung wohl nur schritt-
                             wirtschaftlicher Verwertung von Daten
                                                                                        weise erfolgen können. Zudem müssen die Wechselwir-
                           • Förderung von Datenteilung und Verfügbarmachung            kungen zwischen Markt, Technologie und Recht im Blick
                             von Daten zur Förderung von Innovation und                 behalten werden und natürlich stets Datenschutzkonfor-
                             Wettbewerb                                                 mität gewahrt sein. Ob, wann und wie eine Umsetzung
                                                                                        der verschiedenen datenpolitischen Ideen erfolgt, bleibt
                           • Bereitstellung qualitativ hochwertiger Daten
                                                                                        daher abzuwarten. Die Frage des Zugangs zu Daten wird
                             für Wissenschaft und Forschung
                                                                                        jedoch immer mehr in den Vordergrund rücken. Zukünf-
                           • Einschränkung der marktbeherrschenden Stellung             tig wird es weniger darum gehen, wem Daten „gehören“,
                             großer Plattformbetreiber                                  sondern vor allem, wer die Daten nutzen darf. Treuhand-
                                                                                        modelle scheinen durchaus geeignet, Anreize zu setzen,
                           • Förderung vertrauenswürdiger europäischer
                                                                                        um das freiwillige Teilen von Daten und die Nutzung durch
                             Plattformangebote
                                                                                        Dritte über eine neutrale Instanz zu erleichtern.
                           • Bildung eines Vertrauensankers und Vermittlers
                             zwischen Datengebern und Datennehmern

                           Die multifunktionale Treuhand
                           Welche diese Aufgaben eine kommende Datentreuhand
                           übernehmen soll, ist politisch noch nicht entschieden. Die
                           Koalitionspartner der Bundesregierung setzten in ihren
                           jeweiligen Positionspapieren vom Mai dieses Jahres dazu
                           unterschiedliche Schwerpunkte. Die Unionsfraktion sieht
                           in Datentreuhandmodellen vor allem eine “gute Möglich-
                           keit, Teilen von Daten und die Nutzung durch Dritte über
                           neutrale Instanz zu erleichtern und private wie unterneh-     Über den Autor
                           merische Ansprüche geltend zu machen.“ Die SPD be-            Frederick Richter, LL.M.
                           tont eher den verbraucherbezogenen Aspekt und zielt ab        ist Vorstand der Stiftung Datenschutz.
                           auf den „Aufbau einer Datentreuhänderstruktur für den
                           Schutz persönlicher und personenbezogener Daten und              https://stiftungdatenschutz.org/startseite/
                           eine parallele, sektorbezogene Struktur für den Austausch
                           und zum Teilen von nicht-personenbezogenen Datensets
                           zwischen unterschiedlichen Akteuren“. Die Praxis solle wie
                           folgt aussehen: „Datentreuhänder verwalten die Verwen-

12   BvD-NEWS Ausgabe 3/2020
DATEN SAMMELN

DAS DURCHLEUCHTETE ICH:
AUTOMATISIERTE ENTSCHEIDUNGEN
IN PERSONALAUSWAHL UND
PERSONALFÜHRUNG
Plädoyer für einen aufgeklärten
Umgang mit künstlicher Intelligenz
Regina Bergdolt

Worum geht es in diesem Artikel?                 Ihr Ich als durchleuchteter Bewerber
Künstliche Intelligenz hat weltweit Einzug ge-   Sie haben sich auf eine Fach- oder Führungs-
halten in Prozesse der Personalauswahl und       position beworben; das Unternehmen lädt
Personalführung. Systeme unterstützen Re-        Sie zu einem Videointerview ein – nicht un-
cruiter Bewerber anzusprechen, fördern die       gewöhnlich in digitalen Zeiten. Im Vorfeld re-
Laufbahnentwicklung von Talenten oder sol-       cherchieren Sie über das Unternehmen und
len das berufliche Lernen auf Lernbedürfnisse    finden kritische Kommentare auf einer be-
ausrichten.                                      kannten Arbeitgeberbewertungsplattform.
                                                 Angeblich nutzt das Unternehmen eine
Der technische Umbruch kommt häufig mit
                                                 „Analysesoftware“ auf Basis künstlicher In-
einem Versprechen: Endlich könne man nicht
                                                 telligenz, die Bewerberantworten einschätzt.
nur Prozesse wie die Personalauswahl auto-
                                                 Die künstliche Intelligenz werte Körperspra-
matisieren, sondern auch objektivieren. Im
                                                 che, Wörter, Sätze sowie Tonfall aus, lesen
Gegensatz zum Menschen, der eben immer
                                                 Sie auf der Plattform. So könne das System
subjektiv arbeite, sei Technik objektiv. Der
                                                 geeignete Bewerber auswählen.
Mensch als verstandesberaubtes Mängel-
wesen?
Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies          Die geleitete Führungskraft
ist kein Plädoyer gegen künstliche Intelligenz
                                                 Sie übernehmen eine Führungsposition; in
und digitale Technologien, im Gegenteil. Eu-
                                                 den ersten Tagen kommt der HR-Direktor auf
ropa braucht Hightech-Innovationen. Es ist
                                                 Sie zu. Er bittet Sie eindringlich, in Zukunft
ein Plädoyer für einen verantwortlichen und
                                                 den Empfehlungen einer „ganz neuen Tech-
aufgeklärten Umgang mit künstlicher Intelli-
                                                 nologie“ zu folgen. Diese analysiere die Be-
genz. Mensch und künstliche Intelligenz sind
                                                 ziehungen am Arbeitsplatz und werde helfen
keine Gegner, sondern Partner, und können
                                                 auch Ihre Arbeitsbeziehungen zu verbessern,
so einsichtige Entscheidungen treffen.
                                                 argumentiert der HR-Direktor. Die Automa-
                                                 tion gehöre jetzt zu Ihren Arbeitswerkzeu-
Künstliche Intelligenz in der Perso-             gen und Ihre Aktionen dort würden auch ge-
nalführung – so könnte es für Sie                trackt.
laufen
                                                 Die Beispiele sind in dieser Art fiktiv, doch
Künstliche Intelligenz in der Personalführung:   ähnliche Technologien mit künstlicher Intel-
Bitte stellen Sie sich folgende Szenarien vor.   ligenz sind im Einsatz. Das wirft Fragen auf.

                                                                                                  BvD-NEWS Ausgabe 3/2020   13
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                                                                                                          der Arbeit zu finden3. Weitere „Erschwernisse“ wie
                                                   Keine Zukunftsmusik, sondern
                                                                                                          Betreuungspflichten oder Migrationshintergrund
                                                   Alltagsrealität: Drei ganz reale Beispiele
                                                                                                          führten zu einem kumulativen Nachteil. Im Klar-
                                                   Der Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) ist Dienst-   text: Besonders Frauen über 50, die Angehörige
                                                   leister am Arbeitsmarkt in Österreich1. 2019 nahm      pflegen oder Kinder betreuen, brauchen in dieser
                                                   der AMS einen Algorithmus in den Testbetrieb, um       Logik kaum auf wertige Weiterbildung zu hoffen.
                                                   die Arbeitsmarktchancen von Jobsuchenden zu be-        Auch dann nicht, wenn sie motiviert und wahre
                                                   werten. Die Einführung war strittig, auch von wis-     Zeitmanagementkünstlerinnen sind.
                                                   senschaftlicher Seite. 2020 stoppte die österreichi-
                                                                                                          Auch in der Kreditvergabe, beispielsweise der Prü-
                                                   sche Datenschutzbehörde mit einem Bescheid das
                                                                                                          fung von Ausfallrisiken, arbeiten Anwendungen mit
                                                   System. Kritiker fürchteten, dass durch die Katego-
                                                                                                          künstlicher Intelligenz. Das betrifft Privatkunden
                                                   risierung von Arbeitslosen Menschen mit geringen
                                                                                                          wie Geschäftskunden. So geht es darum, Muster
                                                   Jobchancen benachteiligt würden. Der Algorithmus
                                                                                                          und Zusammenhänge zwischen bestimmten Daten
             1
               https://www.ams.at/                 sei kein objektives Programm, viele Werturteile
             organisation/ueber-ams/daten-                                                                und einer Pleitewahrscheinlichkeit zu entdecken,
                                                   und Bewertungen, über die gesellschaftlich disku-
             und-fakten                                                                                   schrieb das „Handelsblatt“4 . Unklar bleibt, welche
             2
               https://www.derstandard.at/         tiert werden müsste, seien eingeflossen, zitierte
             story/2000114974300/ams-                                                                     Faktoren der Algorithmus wie gewichtet: „Vielleicht
             algorithmus-forscher-warnen-vor-      „DerStandard“2.
             diskriminierung-und-bemaengeln-
                                                                                                          liegt Ihr Betrieb in einem Viertel, in dem es häu-
             fehlende-transparenz                                                                         fig zu Pleiten kommt, oder Sie haben einen merk-
             3
               https://netzpolitik.org/2019/
             streit-um-den-ams-algorithmus-
                                                   Entscheidungen haben eine Wirkung,                     würdig klingenden Nachnamen“, erläutert Hans-Pe-
             geht-in-die-naechste-runde/
             4
                                                   das zeigt sich an diesem Beispiel.                     ter Burghof vom Lehrstuhl für Bankwirtschaft und
               https://www.handelsblatt.com/
             unternehmen/leasing/rating-                                                                  Finanzdienstleistungen an der Universität Hohen-
                                                   Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiesen
             durch-digitale-kreditpruefer-wenn-                                                           heim.
             kuenstliche-intelligenz-ueber-eine-   darauf hin, dass der Algorithmus etwa Frauen of-
             finanzierung-entscheidet/22593710.
             html?ticket=ST-4486378-
                                                   fen benachteilige, da sie aufgrund ihres Geschlechts   Besonders vielversprechend für Anbieter von Ent-
             427iOJEsmUzpARNMh5Jp-ap1              niedrigere Chancen prognostiziert bekommen, wie-       scheidungsalgorithmen erweist sich der Bereich

14   BvD-NEWS Ausgabe 3/2020
DATEN SAMMELN

der Personalauswahl, wie der renommierte Wirt-
schaftspsychologe Professor Dr. Uwe Peter Kanning
berichtet5.
Computerprogramme suchen in sozialen Medien
selbstständig nach Bewerbern. In Interviews be-
antworten Bewerber eher belanglose Fragen, eine
Software analysiert, welche Worte beispielswei-
se wie häufig und in welcher Betonung gespro-
chen wurden – und erstellt daraus ein Persönlich-
keitsprofil. International ist die Szene mindestens
genauso bunt. Der US-amerikanische Autor Ben
Eubanks6 berichtet beispielsweise von Video-
tools für den Recruitingprozess. Ein System, so
der Autor, bewerte die Videoleistung des Kandi-
daten durch den Einsatz von maschinellem Ler-                                                                                                   Grafik: Regina Bergdolt
nen samt ‚Beobachten von abweichenden Ver-
                                                        nem Gewebe unterscheiden sollen, so sind von An-
haltensweisen‘ (Übersetzung durch Autorin).
                                                        fang an Fachärzte eingebunden. Sie liefern das not-
Ein virtueller Lügendetektor?
                                                        wendige Wissen, um das Modell zu entwickeln und
                                                        Ergebnisse zu prüfen.
Das große Versprechen –
                                                        Interessant ist bei einigen Anwendungen künstli-
Objektivität durch Technik
                                                        cher Intelligenz, dass sie Forschung und Praxis zu
Vorurteilsfreie Behandlung auf Basis messbarer Fak-     professioneller Personalauswahl unberücksichtigt
ten und automatisierter Analyse sind oft Verkaufs-      lassen. Und dennoch zu guten Entscheidungen
versprechen. Das klingt fortschrittlich, doch ist dem   kommen wollen. Das geht nicht zusammen.
auch so? Fest steht: Laut Voraussage wird der Um-
                                                        Im Bereich der Personalführung und vor allem der
satz mit Unternehmensanwendungen für künstli-
                                                        Personalauswahl gibt es umfassendes Forschungs-
che Intelligenz erheblich wachsen. Wird 2020 ein
                                                        und Fachwissen aus dem Bereich der Eignungsdia-
Umsatz von fast 5 Milliarden US-Dollar erwartet,
                                                        gnostik, die wiederum Teil der Wirtschaftspsycho-
so liegt die Erwartung für das Jahr 2025 bei über 31
                                                        logie ist. Zwei Qualitätskennzahlen sind entschei-
Milliarden US-Dollar – schwindelerregende Perspek-
                                                        dend; mit beiden hat jeder zu tun, der über Beset-
tiven, wie das Unternehmen Statista bereits 2016
                                                        zungen und Beförderungen entscheidet – ob er es
errechnete.
                                                        weiß oder nicht.
Es ist nicht nur legitim mit technisch innovativen
                                                        Zum einen soll Ihre Prognose treffsicher sein: Ist die
Produkten Umsatzmärkte zu erschließen, es ist so-
                                                        Person, die Sie wählen, geeignet, entspricht sie den
gar erfreulich. Verantwortlich eingesetzte künstli-
                                                        Anforderungen für die Position? Das ist die prognos-
che Intelligenz kann ein Wettbewerbsvorteil sein.
                                                        tische Validität. Genauso wichtig ist die soziale Va-
Doch halten die Systeme, was sie versprechen –
                                                        lidität: Die gesamte Auswahlsituation soll fair sein,
entscheiden sie „objektiv“?
                                                        für beide Seiten transparent. Der Bewerber erhält
                                                        alle Informationen, die er braucht, um zu entschei-
Die „objektive Entscheidung“ –                          den: Passt diese Stelle, dieses Unternehmen zu mir?
was macht sie aus? Das Beispiel                         Diesen Qualitätskriterien gerecht zu werden ist kein
Personalauswahl                                         Hexenwerk, sondern der Alltag gut ausgebildeter
                                                        Personalentscheider. Jeder professionelle Auswahl-
In der Entwicklung künstlicher Intelligenz gibt es
                                                        prozess beginnt mit einer Anforderungsanalyse, Fo-
eine Grundregel: Fachwissen ist der Ausgangspunkt.
                                                        kus: Was braucht ein Mensch, um diese Tätigkeit in
So etwa bei Anwendungen für die Medizin. Entwi-         dieser Organisation erfolgreich zu bewältigen? Dazu      5
                                                                                                                   https://www.trendreport.de/
                                                                                                                 kanning/#tab-id-2
ckelt man zum Beispiel für Bilderkennungslösungen,      gehört eine klare Beschreibung der persönlichen, so-     6
                                                                                                                   Ben Eubanks (2019). Artificial
die Tumore in der Bilddiagnostik von nicht befalle-     zialen und unternehmerischen Kompetenzen oder            Intelligence for HR. KoganPage.

                                                                                                                        BvD-NEWS Ausgabe 3/2020                           15
DATEN SAMMELN

                                                  Soft Skills. Denn die unterscheiden sich erheblich      tisch nach Hinweisen auf weibliche Bewerber, zum
                                                  von Position zu Position. Alle weiteren Auswahlver-     Beispiel nach einer Ausbildung an Frauencolleges.
                                                  fahren beziehen sich dann genau auf diese Anforde-      Dieses Machine-Learning-Modell hat seinen Auf-
                                                  rungen, Interviews sind entsprechend strukturiert.      traggebern in Sachen Besetzungspraxis den Spiegel
                                                                                                          vorgehalten.
                                                  Werden Anwendungen, die künstliche Intelligenz
                                                                                                          2. Throughput Bias
                                                  nutzen, den Qualitätsanforderungen gerecht, wenn
                                                  sie aus Gesten, Tonfall oder gar Gesichtsform An-       Diese Fehler entstehen in der Datenverarbeitung
                                                  forderungen bestimmen wollen? Urteilen Sie selbst.      durch das Modell. Die Fehlerquellen sind vielfältig:
                                                                                                          falsche Datensätze, Messfehler, falsche Auswertun-
                                                                                                          gen, statistische Fehler. So haben Bilderkennungs-
                                                  Fazit: Über die Qualität Ihrer Auswahlprozesse ent-
                                                                                                          programme Fehler produziert, weil sie Bilddetails
                                                  scheidet die Methode, nicht die Technik. Menschen
                                                                                                          fehlbewertet haben – so wurde der Hund zum Wolf.
                                                  machen Auswahlfehler, weil sie ihre Menschen-
                                                  kenntnis und gefühlte Entscheidungen zu hoch ge-
                                                                                                          Fehler gehören zur Entwicklung, doch man muss sie
                                                  wichten. Systeme mit künstlicher Intelligenz sind
                                                                                                          finden und vermeiden. Dazu braucht es Kontrollen
                                                  zweifelhaft, wenn sie sich nicht an Anforderungen
                                                                                                          auf zwei Ebenen. Die Ergebnisse der Anwendungen
                                                  orientieren und methodisch beliebig sind.
                                                                                                          müssen regelmäßig inhaltlich von Fachexperten und
                                                                                                          technisch von Data Scientists überprüft werden.
                                                  Künstliche Intelligenz „total objektiv“? –
                                                                                                          3. Output Bias
                                                  Das Bias-Problem
                                                                                                          Gemeint ist eine unkritische Nutzung der Ergebnis-
                                                  Systeme mit künstlicher Intelligenz sind gelegent-
                                                                                                          se, ohne Prüfung der Folgen für Betroffene. Das ist
                                                  lich so vorurteilsbehaftet wie ihre Schöpfer. Es han-
                                                                                                          übrigens eine valide Befürchtung der Kritiker des
                                                  delt sich um das Bias-Problem, das Problem von
                                                                                                          schon erwähnten Systems des Arbeitsmarktservice‘
                                                  Verzerrungen oder Vorurteilen.
                                                                                                          Österreich.
                                                  Wie kommen Vorurteile in die Technik7?
                                                  1. Input-Bias                                           Transparenz durch künstliche Intelligenz?
                                                                                                          Das Blackbox-Problem, ganz praktisch
                                                  Jede künstliche Intelligenz, jede Machine-Lear-
                                                  ning-Anwendung wird über Daten trainiert. Diese         Viele Entscheidungen, die künstliche Intelligenz
                                                  Trainingsdaten stehen am Anfang der Entwicklung.        (KI) trifft, wirken auf das Leben von Menschen; das
                                                  Sie sind entscheidend dafür, wie das Modell lernt       wirft Fragen der digitalen Ethik auf. Deshalb ist es
                                                  und zu Ergebnissen kommt. Sind die Datensätze           legitim nachzufragen, wie denn künstliche Intelli-
                                                  wenig repräsentativ oder fehlen Daten von Bevöl-        genz zu Prognosen und Ergebnissen kommt. Tref-
                                                  kerungsgruppen, entwickelt das Modell einen „Bias“      fen Menschen Entscheidung, so kann man schließ-
                                                  – eine Schieflage, die sich in den Ergebnissen nie-     lich auch nachfragen – und Widerspruch einlegen.
                                                  derschlägt. Salopper kennt man das Thema unter
                                                                                                          Künstliche Intelligenz trägt diesen Namen, da sie
                                                  „Rubbish in – Rubbish out“.
                                                                                                          intelligentes Verhalten quasi „nachahmt“ oder si-
                                                  Bekannt geworden ist das KI-System von Amazon,          muliert. Wird herkömmliche Software nach Regeln
                                                  mit dem das Unternehmen automatisierte Bewer-           programmiert, so wird KI-Technologie auf Basis von
                                                  berbeurteilungen erreichen wollte; dazu sollte das      Daten „trainiert“, nicht nach festen Regeln pro-
                                                  System aus Bewerberdaten automatisch geeignete          grammiert. Somit hat KI, symbolisch gesprochen,
                                                  Bewerber herausfiltern. Das System wurde auf Basis      einen gewissen Freiraum, Entscheidungen zu tref-
                                                  der Daten von Bewerbern trainiert, die Amazon an-       fen. Auch das macht die Technologie so spannend.
             7
               Begriffe nach Martin Eiermann,     genommen hatte. Da Amazon in der Vergangenheit
             UC Berkeley, Online-Seminar der                                                              Sogenannte „Nicht-erklärbare künstliche Intelli-
             Friedrich-Naumann-Stiftung am        vorwiegend Männer eingestellt hatte, entwickelte
             16. Juli 2020                                                                                genz“ (non-explainable artificial intelligence) be-
                                                  das System eine „Schieflage“:
             8
               https://www.heise.de/                                                                      zeichnet Anwendungen, bei denen nicht nachzu-
             newsticker/meldung/Amazon-
             KI-zur-Bewerbungspruefung-
                                                  Es sortierte Frauen akkurat als ungeeignete Bewer-      vollziehen ist, wie sie zu Ergebnissen kommen. Das
             benachteiligte-Frauen-4189356.html   ber aus8. Mehr noch, das System forschte systema-       ist ungefähr so, als wäre die Motorhaube Ihres Au-

16   BvD-NEWS Ausgabe 3/2020
DATEN SAMMELN

tos fest verschweißt – Sie können nur hoffen, dass
alles störungsfrei läuft. Diese Anwendungen sind
eine Blackbox, und deren Intransparenz ist ein Pro-
blem. In der Blackbox können technische wie lo-
gische Fehler stecken, die keiner überprüfen kann
- außer dem Hersteller.
Technisch gesehen: Transparenz ist möglich
Technisch gesehen ist Transparenz durchaus mög-
lich, wenn auch aufwändiger. Es gibt Machine-
Learning-Modelle, deren Entscheidungsgrundlagen
nachvollziehbar sind. Das gilt etwa für Anwendun-
gen wie die sogenannten Decision Trees oder sol-
che, die Regressionsmodelle nutzen. Komplizierter
wird es bei künstlichen neuronalen Netzen, eine
                                                         Grafik: Regina Bergdolt
Form der KI, die ähnlich arbeitet wie das menschli-
che Gehirn. Doch auch diese Systeme müssen kei-
ne Blackbox sein; es ist technisch möglich Teile da-
von nachvollziehbar zu gestalten oder zumindest
                                                         deren Quellen stammen, denn es ist aufwändig,
Einfluss auf Entscheidungen sichtbar zu machen.
                                                         Datenquellen zu erschließen. Im Bereich der Perso-
Dazu gibt es eine Reihe von Forschungsprojekten,
                                                         nalauswahl greifen Systeme oft auf Logiken zurück,
beispielhaft sei hier das Team „Erklärbare KI“ am
                                                         die aus ganz anderen Bereichen kommen - zum Bei-
Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS
                                                         spiel aus Stimm- und Stimmungsanalysen von Kon-
angeführt9.
                                                         sumenten.
Mitte Februar 2020 hat die Europäische Kommis-
                                                         Seien Sie kritisch gegenüber Forschungen, die der
sion in ihrem Weißbuch zur künstlichen Intelligenz
                                                         Anbieter selbst durchgeführt hat. Dass es irgend-
gefordert, dass selbstlernende Systeme vom Men-
                                                         welche Zusammenhänge gibt, heißt nicht, dass die
schen überprüfbar sein müssen10. Ein Weg kann
                                                         Lösung vertretbar ist. Fragen Sie im Zweifelsfall bei
sein, künstliche Intelligenz von Anfang an als erklär-
                                                         unabhängigen Forschern nach.
bare künstliche Intelligenz oder Explainable AI (XAI)
zu entwickeln – ein wesentlicher Schritt zur Trans-      Die Frage nach der Datengrundlage
parenz.
                                                         Ein Machine-Learning-Modell kann nicht besser
                                                         sein als die Daten, von denen es gelernt hat. Wel-
Sie und die KI - was machen Sie daraus?                  che Daten hat der Anbieter erhoben? Sind sie reprä-
                                                         sentativ oder ist ein Bias schon eingebaut? Mit wel-
Wer mit künstlicher Intelligenz zu tun hat, kann
                                                         chen Daten hat man das Modell getestet?
sich an Immanuel Kant halten: „Habe Mut, dich
deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Mut ist          Wer finanzierte die Entwicklung und wie
schon deshalb nützlich, weil es sich um eine kom-        sieht das Geschäftsmodell aus?
plexe Technologie handelt. Nun können Nicht-Ex-
                                                         Fragen Sie nach, wie der Anbieter sein Geld ver-
perten selten technische Analysen durchführen.
                                                         dient. Wer hat die Entwicklung der Lösung finan-
Doch sie können Fragen stellen, die Sinn machen.
                                                         ziert, und wie erzielt der Anbieter seinen Umsatz?
Die Gretchenfrage: Haben Sie es mit einer                Die Entwicklung künstlicher Intelligenz ist in der Re-
sinnvollen Anwendung zu tun?                             gel aufwändig und teuer; viele Unternehmen kön-
                                                         nen das nicht alleine stemmen. Wer finanziert, hat
Fragen Sie bei allen Anwendungen: macht das Prin-
                                                         auch Einfluss auf die Technologie.                       9
                                                                                                                     https://www.iis.fraunhofer.de/
zip Sinn? Gibt es belastbare Forschung in der jewei-                                                              de/ff/sse/imaging-and-analysis/
ligen Fachdomain? Sie würden ja auch keinem Arzt         Wer evaluiert die Ergebnisse der künstlichen             eki.html
                                                                                                                  10
                                                                                                                      https://ec.europa.eu/info/
vertrauen, der Ihr Herz im Knie vermutet.                Intelligenz?                                             sites/info/files/commission-
                                                                                                                  white-paper-artificial-intelligence-
Oft greifen Systeme auf Daten zurück, die aus an-        Auch eine solide entwickelte Anwendung braucht           feb2020_de.pdf

                                                                                                                         BvD-NEWS Ausgabe 3/2020         17
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