Der multifunktionale Wald - Konflikte und Lösungen - Eidgenössische Forschungsanstalt WSL CH-8903 Birmensdorf - DORA 4RI
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
ISSN 1021-2256 Der multifunktionale Wald – Konflikte und Lösungen Eidgenössische Forschungsanstalt WSL CH-8903 Birmensdorf
ISSN 1021-2256 Der multifunktionale Wald – Konflikte und Lösungen Eidgenössische Forschungsanstalt WSL CH-8903 Birmensdorf
2 Forum für Wissen 2011 Forum für Wissen ist eine Veranstaltung, die von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt wird. Aktuelle Themen aus den Arbeitsgebieten der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Ne- ben Referenten aus der WSL können auswärtige Fachleute beigezogen werden. Gleichzeitig zu jeder Veranstaltung «Forum für Wissen» erscheint eine auf das Thema bezogene Publikation. Verantwortlich für die Herausgabe Prof. Dr. James Kirchner, Direktor WSL Wir danken folgenden Personen, welche sich als Reviewer zur Verfügung stell- ten, für die kritische Durchsicht der Beiträge und die hilfreichen Kommentare: Peter Bebi, Urs-Beat Brändli, Barbara Degenhardt, Manuela Di Giulio, Rolf Hol deregger, Meinrad Küchler, Ruth Landolt, Renato Lemm, Martin Moritzi, Roland Olschewski, Andreas Rigling, Josef Senn, Oliver Thees, Otto Wildi und Tom Wohl- gemuth. Managing Editor Sandra Gurzeler Druck Sihldruck AG Zitierung Eidgenössische Forschungsanstalt WSL (Hrsg.) 2011: Der multifunktionale Wald – Konflikte und Lösungen. Forum für Wissen 2011: 58 S. ISSN 1021-2256 Bezugsadresse WSL Shop Zürcherstrasse 111 CH-8903 Birmensdorf http://www.wsl.ch/eshop/ © Eidgenössische Forschungsanstalt WSL Birmensdorf 2011
Forum für Wissen 2011 3 Vorwort Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL präsentiert und diskutiert am jährlich stattfindenden Forum für Wissen aktuelle Themen aus ihren Arbeitsgebieten. In diesem Jahr feiert das Forum für Wissen sein 20-jähriges Jubiläum. Zu den Aspekten, die in den zurückliegenden Jahren behandelt wurden, gehören die nachhaltige Waldwirtschaft, die Qualität der Landschaft, die Auswir- kungen des Klimawandels auf den Wald, der Erhalt der Biodiversität, der Schutz vor Naturgefahren sowie die effiziente Holzproduktion. Viele der Themen spie- geln sich im Begriff der Multifunktionalität des Waldes wider. Im Internationalen Jahr des Waldes 2011 greift das Forum für Wissen diesen Begriff daher bewusst auf und stellt verschiedene Aspekte zur Diskussion. Lange Zeit ging man davon aus, dass der Wald alle seine Funktionen im Kielwas- ser der Holzproduktion gratis und auf der ganzen Waldfläche erfüllen kann. Heute zeigt sich, dass dies oft nicht zutrifft. Die Bevölkerung hat vielfältige Ansprüche an den Wald, die sich zudem ändern, etwa durch die Siedlungsentwicklung oder die Verknappung natürlicher Ressourcen. Es stellt sich die Frage, wie die Waldbewirt- schaftung den unterschiedlichen Interessen gerecht werden und welchen Beitrag die Forschung zur Problemlösung leisten kann. Dieser Tagungsband richtet sich an Fachleute aus Praxis, Verwaltung und Wis- senschaft sowie an Studierende. Die einzelnen Beiträge thematisieren verschiede- ne Funktionen des Waldes anhand neuerer Forschungsresultate und Erfahrungen aus der Praxis. Neben einem grundlegenden Aufsatz zur Multifunktionalität des Waldes setzen sich die Autoren speziell mit den Themen Holzproduktion, Biodi- versität und Erholung sowie den Konflikten auseinander, die bei der Verfolgung dieser Ziele entstehen können. Dabei werden wissenschaftliche Erkenntnisse und Konzepte präsentiert und praktikable Umsetzungen aus Sicht der Praxis vorge- stellt. Der Tagungsband bietet die Möglichkeit, sich umfassend über den aktuellen Stand der Diskussion in Bezug auf Konflikte und Lösungen der multifunktionalen Waldbewirtschaftung zu orientieren. Folgenden Personen sei an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement bei der Ta- gungsvorbereitung und -durchführung gedankt: Leitungsteam: Peter Bebi, Kurt Bollmann, Urs-Beat-Brändli, Peter Brang, Michèle Kaennel Dobbertin, Oliver Thees. Organisation und Sekretariat: Sandra Gurzeler, Peter Longatti, Martin Moritzi, Susanne Raschle Birmensdorf, im Oktober 2011 James Kirchner, Direktor WSL Roland Olschewski, Tagungsleiter
Forum für Wissen 2011 5 Vorwort Inhalt Seite Vorwort 3 Multifunktionalität des Waldes 7 Marc Hanewinkel Holzproduktion im Schweizer Wald: Potenzial und Nutzungskonflikte 15 Anton Bürgi Umgang mit Konfliktpotential in stadtnahen Wäldern 23 Christoph Kuhn Naturnaher Walbau und Förderung der biologischen Vielfalt im Wald 27 Kurt Bollmann Erfahrungen mit dem Programm zur Förderung der Waldbiodiversität in Graubünden 37 Ueli Bühler Erholung im Wald: Erwartungen und Zufriedenheit, Verhalten und Konflikte 43 Marcel Hunziker, Benjamin Freuler und Eike von Lindern Nutzungsansprüche und Zielkonflikte im Wald der Stadt Zürich 53 Ernst Tschannen
Forum für Wissen 2011: 7–14 7 Multifunktionalität des Waldes Marc Hanewinkel WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf marc.hanewinkel@wsl.ch Multifunktionalität, verstanden als die gleichzeitige Bereitstellung verschiedener 2 Von der Multifunktionalität Leistungen auf der gleichen Fläche, ist in die Kritik geraten. Aus waldbaulicher zu Ecosystem Goods and Sicht wird über räumliche Skalen und Funktionentrennung diskutiert, erwerbs- Services wirtschaftlich orientierte Forstbetriebe erachten die Segregation als effizienter. Das Konzept der «ecosystem goods and services» ist ein Ansatz, die wenig ope- rationalen Funktionen durch Indikatoren zu quantifizieren und zu bewerten. Im 2.1 Kritik am Konzept der Schweizer Wald sind laut Landesforstinventar auf grosser Fläche Mehrfachfunkti- Multifunktionalität onen festzustellen. Potenzielle Konflikte ergeben sich dadurch vor allem zwischen Nutz- und Erholungsfunktion im Bereich der Ballungszentren, während bei Nutz- Bereits Ammer und Puettmann (2009) und Schutzfunktion die Vorrangbereiche mit Ausnahme der Voralpen räumlich verweisen darauf, dass der bisheri- nahezu getrennt sind. Die Quantifizierung und Bewertung der Waldfunktionen in ge Anspruch der mitteleuropäischen Form von «ecosystem goods and services» sowie die Untersuchung deren räumli- Forstwirtschaft auf Multifunktiona- cher und zeitlicher Dynamik sind vordringliche Forschungsthemen. lität nicht allgemein akzeptiert ist. So betrachten einige nordamerikanischen Wissenschaftler (u. a. Pearson 1944; 1 Einleitung Weetman 1996) die mitteleuropä ische Waldbewirtschaftung als weni- Der Begriff der Multifunktionali- oretisches Gebäude handelt, setzte ger multi funktional als das in Nord- tät geht in seiner heute verwendeten sich in den 1980er und 90er Jahren die amerika übliche grossflächig an einer Form auf die Waldfunktionenlehre von Erkenntnis durch, dass ein derartiger einzelnen Funktion orientierte Vorge- Viktor Dieterich zurück (Dieterich Vorrang der Nutzfunktion im Rah- hen. Sie attestieren diesem Vorgehen 1953). Die eigentliche Bedeutung die- men einer Waldbewirtschaftung, die – mit der Holzproduktion als primärem ses Begriffes, nämlich die gleichzeitige vielfältige Ansprüche der Gesellschaft Ziel – in der Gesamtschau eine höhere Bereitstellung verschiedener Produk- zu erfüllen hat, nicht mehr haltbar ist. Multifunktionalität. Borchers (2010) te und Leistungen auf derselben Flä- Waldenspuhl und Sturm postulierten gar erachtet die Multifunktionalität als che (McArdle 1953) taucht allerdings gar eine Umkehr der Kielwassertheo- generell nicht kompatibel mit erwerbs- bereits in dem von Pearson (1944) ver- rie (Waldenspuhl 1990). wirtschaftlich ausgerichteter Forstwirt- wendeten Begriff «multiple-use fore- Wagner (2004) spricht offen von der schaft und sieht in der Multifunktiona- stry» auf (vgl. Ammer and Puettmann Ungültigkeit der Kielwassertheorie auf lität einen Weg «in die Knechtschaft» 2009). Trotz der offensichtlich im Rah- Forstbetriebsebene und für den Wald- der zentralstaatlichen Verwaltungs- men der Waldfunktionenlehre entwi- bau und fordert einen funktionenori- wirtschaft (Borchers 2010). ckelten und erfassten unterschiedlichs- entierten Waldbau, d. h. eine Diversifi- Schliesslich sieht Suda (2005) in der ten Waldfunktionen war Multifunk- zierung der Waldbehandlungskonzep- Multifunktionalität eine «konsensstif- tionalität lange weder ein besonderes te statt einer Einheitsstrategie. Dabei tende Leerformel», die es als Zielset- Konflikt- noch ein sehr umstrittenes müssen im Rahmen der Nachhaltig- zung nur selten operationalisiert, dem Forschungsfeld, gab es doch mit der keit auch die Ansprüche zukünftiger handelnden Forstmann ermöglicht, Kielwassertheorie – im Kielwasser der Generationen and Waldfunktionen ohne gegen Gruppennormen zu ver Erfüllung der Nutzfunktion werden berücksichtigt werden (Wagner 2007). stossen, seinen subjektiven Wertmus- alle anderen Funktionen quasi auto- Ammer und Puettmann (2009) grei- tern entsprechend zu agieren. Sudas matisch miterfüllt – ein theoretisches fen diese Überlegungen auf. Sie stellen Kritik gipfelt in der Feststellung: «Vom Konstrukt, das scheinbar Harmonie allerdings nicht wie Wagner das Kon- Wald gehen keine Funktionen aus. Am zwischen den Waldfunktionen herstell- zept der Multifunktionalität grundsätz- Wald bestehen unterschiedliche Inter- te, indem es der Rohstofffunktion eine lich in Frage sondern sehen im Ziel der essen. Wald kann von diesen Interes- klare Priorität einräumte (Rupf 1961). Multifunktionalität auf Bestandesebe- sengruppen funktionalisiert werden. Neben grundsätzlichen Zweifeln, ne eine Entscheidung des Waldeigen- Der Versuch Forstwirtschaft dadurch ob es sich bei der Kielwassertheorie tümers. zu rechtfertigen, dass der Wald Funkti- überhaupt um ein konsistentes the- onen hat, führt nicht zu einer Artikulie- rung von Interessen, da der Wald keine Ohren hat.» (Suda 2005).
8 Forum für Wissen 2011 Auch wenn man dieser Kritik in der wendet) entwickelt. Unter «ecosystem sische monetäre Bewertungsverfahren überspitzt und ironisch formulierten goods and services» (häufig synonym gehen, sondern hier ist ein Vielzahl von Art nicht folgen muss, bleibt festzu- als «ecosystem services» bezeichnet) methodischen Ansätzen denkbar, von halten, dass eine grosse Schwäche des werden «direkte und indirekte Beiträ- den multikriteriellen Entscheidungs- Konzepts der Multifunktionalität darin ge von Ökosystemen zur menschlichen verfahren, (MCDMs – vgl. Pukkala besteht, dass die einzelnen Waldfunkti- Wohlfahrt» (Kumar 2010) verstanden. 2002) bis hin zu komplexen Methoden onen – mit Ausnahme der Nutzfunkti- Abbildung 1 zeigt einen Rahmen des operations research. In jedem Fall on – nur in seltenen Fällen quantifiziert für eine integrierte Erfassung und ist eine Einbeziehung von Interessen- und mit klaren räumlichen oder zeitli- Bewertung von Funktionen, Gütern gruppen (Stakeholder) und deren Prä- chen Zielvorgaben versehen und damit und Leistungen von Ökosystemen ferenzen und zwar bereits bei der Iden- operationalisiert werden. Schon bei (de Groot und v.d. Meer 2010). Aus tifikation der einzubeziehenen Goods der Betrachtungsebene differieren die der Abbildung wird deutlich, dass die and Services notwendig. Herangehensweisen: Während Bor- Funktionen eines Ökosystems ohne Um Leistungen von Wäldern bewer- chers (2010) bei seiner Gegenüberstel- eine «Übersetzung» mittels «ecosys- ten zu können, ist es erforderlich, diese lung von Multifunktionalität vs. Segre- tem goods and services» nicht direkt zu quantifizieren. Dies geschieht über gation auf der Ebene des Forstbetrie- bewertet werden können. Die in der Indikatoren, und zwar einerseits über bes argumentiert, ziehen Ammer und Abbildung genannten allgemeiner for- Zustandsindikatoren, die die vorhan- Puettmann (2009) die Ebene des Ein- mulierten Ökosystemfunktionen las- de Menge der Leistung ausdrücken zelbestandes als Einheit der waldbau- sen sich relativ einfach mit den wich- (z. B. Holzvorrat in m3/ha) und ande- lichen Behandlung heran. Ihr Verweis tigsten Waldfunktionen in Einklang rerseits über Leistungsindikatoren, die darauf, dass praktisch jedes Land auf bringen (Produktion = Nutzfunktion, ausdrücken, wieviel der Leistung nach- Landschaftsebene eine Form von «mul- Regulation/Habitat = Schutzfunktion, haltig bereitgestellt oder genutzt wer- tiple-use forestry» betreibt, d. h., nach Information = Erholungsfunktion). Bei den können (z. B. nutzbarer Zuwachs der Formel «Segregation auf Teilflä- der Bewertung ist erkennbar, dass es im m3/ha). chen ist gleich Multifunktionalität auf nicht nur um die Feststellung von öko- Das Konzept der «ecosystem goods der Gesamtfläche» vorgeht (Ammer nomischen Werten geht, die nach de and services» wird in grossem Umfang and Puettmann 2009), zeigt das Dilem- Groot und v.d. Meer (2010) auf der für forstliche Fragestellungen ange- ma auf, das sich bei der Anwendung Basis von Effizienz und Kosteneffek- wandt und hat auch in der Schweiz dieses Konzeptes ergibt: Letztlich ist es tivität erfolgt, sondern auch um öko- weite Verbreitung gefunden. Thees in das subjektive Ermessen des Einzel- logische Werte (Kriterium ist hier die und Olschewski (2010) berichten über nen gestellt, was unter Multifunktiona- ökologische Nachhaltigkeit) und um integrierte forstliche Produktion mit lität zu verstehen ist. Insbesondere die soziokulturelle Werte (basierend auf mehreren Beispielen aus der Schweiz Skalenebene der Betrachtung scheint Gerechtigkeit und kultureller Wahr- (Schmidt 2010; Schmidtke 2010; Staub hierbei eine entscheidende Rolle zu nehmung). Auch bei der integrierten und Ott 2010; Zimmermann 2010). spielen, ohne dass dies objektivierbar Kosten-Nutzenanalyse in Abbildung 1 Grêt-Regamey et al. (2008) beschäf- wäre. Eine umfassende Betrachtung kann es nicht ausschliesslich um klas- tigen sich mit der Bewertung von oder gar Bewertung dessen, was kom- plexe Ökosysteme wie Wälder für die Gesellschaft zu leisten in der Lage sind, lässt sich mit einem solchen Konzept jedenfalls nicht erreichen. Entschei- Planung und dungs- Management prozess 2.2 «Ecosystem goods Ökologische and services» Ökosystem Werte Struktur Die Umwelt- und Ressourcenöko- und Prozesse Integrierte nomie beschäftigt sich schon seit län- Sozio- Kosten gerem mit der Frage, wie Leistungen, Kulturelle Nutzen «ecosystem die von natürlichen, vom Menschen Werte Analyse goods beeinflussten oder unbeeinflussten Ökosystem and services» Systemen für die Gesellschaft bereit- Funktionen gestellt werden, erfasst, analysiert und Ökono- bewertet werden können. Sie hat hier- 1. Produktion mische 2. Regulation Stakeholder für das Konzept der «ecosystem goods Werte 3. Habitat Integration and services» (nur unzureichend mit 4. Information «Güter und Leistungen von Ökosys- De Groot und v.d.Meer 2010 temen» oder gar «Umweltleistungen» übersetzt, im Folgenden wird daher oft Abb. 1. Rahmen für eine integrierte Erfassung und Bewertung von Ökosystem Funktionen, der englische Fachbegriff weiter ver- Gütern und Leistungen (nach de Groot and v.d. Meer 2010)
Forum für Wissen 2011 9 «ecosystem goods and services» im nach wie vor die ökonomische Bewer- noch nicht bekannt oder ausreichend Alpenraum. In sehr umfassender Wei- tung im Vordergrund, natürlich mit der erforscht sind. Allerdings können opti- se behandeln Bauhus et al. (2010) in Grundidee, diese Werte irgendwann on values auch sämtliche andere Leis- der jüngeren Vergangenheit «ecosys- dem Waldeingentümer als Einkommen tungen von Ökosystemen umfassen, tem goods and services» von Planta- verfügbar zu machen. Aber auch die die derzeit noch nicht genutzt werden, genwäldern. De Groot und v.d. Meer Schutzwürdigkeit fragiler Ökosysteme in Zukunft aber eine Rolle spielen (2010) listen dort allein 17 Leistungen lässt sich wesentlich besser verdeutli- können. auf, die von diesen Wäldern erbracht chen, wenn es gelingt, deren Wert für Die nutzbaren Werte werden unter- werden, davon fünf im Bereich der die Gesellschaft monetär darzustellen. teilt in direkt und indirekt genutzte Bereitstellung, sechs bei der Regulie- Das berühmteste Beispiel hierfür ist Werte. Zu den direkt genutzten Werten rung (Schutz), fünf Kultur-/Erholungs- die Studie von Costanza et al. (1997), (direct use values) zählen klassisch alle leistungen sowie eine Habitatleistung. die den Wert der Ecosystem Services Güter und Leistungen, die über Markt- Dieses Beispiel zeigt im Ansatz, in wel- der Welt auf 33 Trillionen US$ schät- preise bewertet werden können, d. h. in chem Umfang naturnähere, d. h. Nicht- zen, ein mehrfaches des damaligen Wäldern Holz und Nebennutzungen, Plantagenwälder, die nicht Gegenstand Welt-Bruttosozialproduktes. Immerhin aber auch Erholungsleistungen und dieser Untersuchung waren, in der 12 Prozent davon, d. h. mehrere Billi- Naturschutzleistungen, sofern sie in Lage sind, Güter und Leistungen für onen US$, entfallen auf Wälder. Um Form zum Beispiel von Vertragsnatur- die Gesellschaft zu erbringen. Es zeigt solche Bewertungen von Ökosystem- schutz monetär wirksam werden. Die aber auch, dass allein die Feststellung Leistungen durchzuführen, bedarf es indirekt genutzten Werte (indirect-use von mehr oder weniger diffusen Wald- eines Bezugsrahmens. Hier hat sich, values) umfassen die Schutzwirkungen funktionen oder der Hinweis auf eine basierend auf Arbeiten von Pearce von Ökosystemen sowie bei Wäldern vorhandene oder angestrebte Multi- und Warford (1993) sowie Dixon und auch die Kohlenstoffspeicherung. Die funktionalität der Waldwirtschaft nicht Pagiola (1998) im Rahmen des Mil- nicht nutzbaren Werte werden unter- ausreicht, sondern dass man sich der lenium Ecosystem Assessment (MEA teilt in Werte, die allein dadurch beste- Mühe unterziehen muss, «goods and 2003) das Konzept des Total Economic hen, dass Sie das Existenzrecht von services» in Form von quantifizierba- Value durchgesetzt (Abb. 2). Arten in Ökosystemen sichern (exis- ren Indikatoren herzuleiten, was kei- Das Konzept des Total Economic tence value), häufig ausgedrückt in neswegs immer leicht ist. Value teilt den Wert eines Ökosys- Form der Biodiversität, und in Werte, tems in nutzbare Werte (use value) und die eine Hinterlassenschaft oder ein nicht nutzbare Werte (non-use value). Vermächtnis für zukünftige Generatio- 2.3 Bewertungsfragen Dazwischen gibt es einen Bereich, der nen (bequest value – Vermächtniswert) zukünftige Chancen für eine Nutzung darstellen. Dazu können wiederum im Neben der bereits erwähnten ökologi- umfasst (option value). Ein Beispiel Prinzip sämtliche «ecosystem goods schen und soziokulturellen Bewertung für einen solchen option value ist eine and services» zählen. von Ökosystemfunktionen in Form von zukünftige medizinische Nutzung von Bei der Entwicklung von Metho- «ecosystem goods and services», steht Pflanzen in Ökosystemen, die heute den zur monetären Bewertung von Total Economic Value of forests Option value Use value (Potential medicinal use Non-use value of forest plants) Direct-use value Indirect-use value Existence value (Cutting of timber for construction, (Forest carbon Bequest value (Forest biodiversity) collecting of forest fruits) sequestration) Abb. 2. Das Konzept des «Total Economic Value of forests» – nach dem Millenium Ecosystem Assessment (MEA 2003), vereinfachte Dar- stellung nach Kriström 2008.
10 Forum für Wissen 2011 «ecosystem goods and services» sind mit dem Kreisförster. Mehrfachnen- Bei den im Folgenden dargestell- in den letzten Jahrzehnten erhebli- nungen sind möglich (Keller 2005). ten Karten wurden die Waldfunktio- che Fortschritte, insbesondere bei der Neben der Holzproduktion werden nen (sowohl Vorrangfunktionen als Bewertung von nichtmarktfähigen vor allem unterschiedliche Schutzwald- auch spezielle Schutzfunktionen) mit- Gütern und Leistungen («non marke- kategorien (namentlich Wind-, Wasser-, tels eines «movings windows» (glei- table goods and services» oder bezo- Naturschutz sowie Schutz vor Naturge- tendes Mittel) mit einer Fläche von gen auf Wälder «non-timber forest fahren – Lawinen, Steinschlag, Rutsch, 7 × 7 km für die gesamte Landesfläche products» – NTFP) erzielt worden. Erosion, hierbei speziell abgetrennt der Schweiz ermittelt. Dabei wurde für Einen Überblick hierzu, Waldökosys- Schutzwald im BSF-Perimeter, d. h. jede Flächeneinheit der Mittelwert der teme betreffend, findet sich bei Sten- Wälder mit besonderer Schutzfunkti- Merkmalsausprägung aus den Stich- ger et al. (2009). Elsässer et al. (2009) on gemäss Ausscheidung der Kanto- proben des LFI errechnet. Es wurden stellen eine Bibliographie und eine ne), Wildzonen sowie Erholungsfunkti- nur Flächeneinheiten erfasst, auf die Datenbank vor, die Studien aus Öster- on und Militär erfasst. Zusätzlich wer- mindestens zwei Stichproben entfie- reich, Frankreich, Deutschland und der den noch spezielle Waldfunktionen als len und die einen Waldanteil von min- Schweiz zu dem Thema beinhalten. Vorrangfunktionen ausgeschieden, mit destens 10 Prozent aufweisen. In der Bei den Bewertungsmethoden für dem Ziel, die wichtigsten Waldfunk Umgebung der weissen Flächen auf NTFPs, auf die hier nur sehr kurz ein- tionen in Zustand und Entwicklung den folgenden Karten werden diese gangen wird, unterscheidet man zwi- darzustellen und zu stratifizieren. Mindestanforderungen nicht erfüllt. schen direkten und indirekten Metho- den. Direkte Methoden, wie die derzeit am häufigsten eingesetzte Contingent Valuation Method (CVM – kontin- Anzahl Waldfunktionen gente Bewertungsmethode), ermitteln 0–0,9 mit Hilfe von Befragungen individu- 1–1,9 2–2,9 elle Präferenzen in Form der maxima- 3–3,9 len Zahlungsbereitschaft für eine ent- 4–5 sprechende Leistung eines Ökosystems (Gonzalez-Caban et al. 2007). Bei den indirekten Methoden, wie der Reise- kostenmethode (Travel Cost Method – TCM), wird z. B. der Erholungswert eines Waldes durch die Zahlungsbereit- schaft der Erholungssuchenden für die Reise zum Ort der Erholung ermittelt. 60 km 3 Waldfunktionen in der Abb. 3. Anzahl der Waldfunktionen in der Gesamtschweiz nach dem Landesforstinventar 3 Schweiz (LFI 3). Im folgenden Kapitel werden auf der Basis des Landesforstinventars 3 (LFI 3) die wichtigsten Waldfunktionen Tatsächliche Holznutzung LFI2–LFI3 des Waldes in der Schweiz in Form m3/ha/y von Karten dargestellt und anschlies- –0,8–2,3 send auf mögliche Konflikte hin analy- 3,3–8,9 siert. Dazu wurden verschiedene Kar- 8,9–16,8 16,9–28,4 ten miteinander verschnitten und auf 28,5–68,3 Überlappungen wichtiger Waldfunk tionen hin räumlich analysiert. Die Waldfunktionen werden im Rah- men der Erfassungen des LFI bei den Förstern erhoben. Diese stützen sich auf die aktuellsten planerischen Grundlagen von Kanton, Region, Betrieb. Fehlen Pläne oder sind nicht alle Waldfunktionen enthal- ten, erfolgt eine gutachtliche (ergän- 60 km zende) Einschätzung durch den zustän- digen Förster, bei Bedarf in Absprache Abb. 4. Tatsächliche Intensität der Holznutzung in m3/ha/y LFI2–LFI3.
Forum für Wissen 2011 11 Die Abbildung 3 zeigt eine Übersicht Tatsächliche Intensität der Erholungsnutzung über die Zahl der Waldfunktionen in 1–1,8 der Schweiz. Der grösste Teil der Lan- 1,9–2,7 desfläche weist gemäss dieser Auswer- 2,8–3,6 3,7–4,4 tung zwischen einer und zwei Wald- 4,5–5,3 funktionen auf. Lediglich im Tessin und im Wallis gibt es grössere zusammen- hängende Flächen, die durchschnitt- lich weniger als eine Waldfunktion haben. Vor allem um die Ballungszent- ren Bern, Zürich sowie in den Randbe- reichen der grösseren Städte (Luzern, Neuchâtel) haben die Wälder in der Regel mehr als zwei Funk tionen, in manchen Bereichen der Süd-, und Südostschweiz, sowie eher punktuell 60 km in anderen Landesteilen sogar mehr als drei oder gar vier Waldfunktionen. Abb. 5. Tatsächliche Intensität der Erholungsnutzung – nach LFI 3. Nach dieser ersten Auswertung des LFI ist der Schweizer Wald auf grosser Fläche als multifunktional zu bezeich- Waldfunktionen: Holzproduktion nen. und Erholung Betrachtet man die tatsächliche 0–0,2 Intensität der Holznutzung (Abb. 4), 0,2–0,4 0,4–0,6 so stellt man fest, dass die höchsten 0,6–0,8 Intensitäten in der Holznutzung in den 0,8–1 nördlichen Landesteilen, insbesondere im Mittelland und den Voralpen zu fin- den sind. In weiten Teilen der Kantone Wallis, Tessin und Graubünden werden weniger als 3 m3/ha/y genutzt, während Nutzungsmengen von mehr als 10 oder gar 15 m3/ha/y ausschliesslich nördlich der Alpen vorkommen. Stellt man dieser Karte nun die geschätzte Erholungsnutzung gegen- über, wie sie an den LFI-Punkten 60 km erfasst wurde (Abb. 5), so erkennt man, Abb. 6. Konfliktpotenzial Holzproduktion vs. Erholung (dunkel eingefärbte Flächen) dass die höchsten Erholungsintensitä- nach LFI 3. ten wie zu erwarten um die Ballungs- zentren der grossen Städte Zürich, Bern und Basel zu finden sind. Man erkennt aber ebenfalls, dass die Erho- Vorrangfunktion Holzproduktion lungsintensität im Bereich des nördli- 0–0,2 chen Teils der Schweiz durchschnittlich 0,2–0,4 höher ist als im südlichen Teil des Lan- 0,4–0,6 des mit Ausnahmen von Touristenzent- 0,6–0,8 0,8–1 ren z. B. im Oberengadin, Flims und in den Walliser Alpen. Verschneidet man nun die Karte der Holznutzungs- mit der der Erholungs- intensität (Abb. 6), so erkennt man, dass potenzielle Konfliktbereiche, die sich aus der Überschneidung von Flä- chen mit intensiver Holzunutzung bei gleichzeitig grossem Erholungsdruck ergeben, vor allem in den Grossräu- men Zürich, Bern, Basel, Winterthur 60 km sowie um Luzern, Biel, Solothurn und entlang des Nordufers des Neuenbur- Abb. 7. Flächen mit Vorrangfunktion Holzproduktion (dunkel eingefärbt) nach LFI 3.
12 Forum für Wissen 2011 Vorrangfunktion Schutzwald Total ger Sees zu finden sind. Diese Gebie- 0–0,2 te stimmen im Wesentlichen mit den 0,2–0,4 Gebieten grosser Erholungsintensi- 0,4–0,6 tät überein, sind allerdings im Enga- 0,6–0,8 din und in der gesamten Südhälfte der 0,8–1 Schweiz wesentlich schwächer ausge- prägt. Aufschlussreich ist es ebenfalls, die Karte der Vorrangfunktion Holzpro- duktion (Abb. 7) der Karte mit Vor- rangfunktion Schutzwald (Abb. 8) gegenüberzustellen. Man erkennt, dass Holzproduktion als Vorrangfunk- tion nahezu auf den nördlichen Teil der Schweiz, d. h. Mittelland und Jura 60 km beschränkt ist, während die Schutz- waldvorrangflächen vor allem in den Abb. 8. Flächen mit Vorrangfunktion Schutzwald (dunkel eingefärbt) nach LFI 3. Alpen konzentriert sind. Aus der Zusammenschau dieser bei- den Karten ergibt sich für diese Wald- funktionen auf grossen Flächen ein Waldfunktion: Schutzwald eher geringes Konfliktpotenzial. Die- und Holzproduktion ses liegt am ehesten im Bereich der 0–0,2 Voralpen, wo es auf grösseren Flä- 0,2–0,4 chen zu einer Überlappung der Schutz- 0,4–0,6 wald- mit der Holznutzungsfunkti- 0,6–0,8 on kommt (Abb. 9). Allerdings muss 0,8–1 dabei berücksichtigt werden, dass vie- le Schutzwaldflächen ihre Schutzfunk- tion besser erhalten können, wenn sie bewirtschaftet bzw. einer Schutzwald- pflege unterzogen werden. In Abbildung 10 ist die Waldfunktion Naturschutz dargestellt. Die Funktion ist relativ gleichmässig über die Schweiz verteilt, allerdings auch mit Schwer- 60 km punkten im Mittelland, vor allem in der nordöstlichen Zentralschweiz und Abb. 9. Konfliktpotenzial Holzproduktion vs. Schutzwald (dunkel eingefärbte Flächen) nach dem Waadtland. Auf der Karte ste- LFI 3. chen vor allem die Grosschutzgebie- te wie der Nationalpark, der Sihlwald oder der Aletschwald hervor. Poten- zielle Konflikte mit der Naturschutz- Waldfunktion Naturschutz 0–0,2 funktion ergeben sich in Bezug auf die 0,2–0,4 Holznutzung (s. Abb. 4 und 7) allen- 0,4–0,6 falls punktuell in Gebieten, in denen 0,6–0,8 gleichzeitig eine Vorrangfunktion für 0,8–1 die Holznutzung ausgewiesen ist (z. B. im südwestlichen Jura). Noch geringer sind die Überschneidungen zwischen Naturschutz- und Schutzwaldfunktion, was auf ein sehr geringes Konfliktpo- tenzial schliessen lässt. 60 km Abb. 10. Flächen mit der Waldfunktion Naturschutz (dunkel eingefärbt) nach LFI 3.
Forum für Wissen 2011 13 4 Schlussfolgerungen – Naturschutz- und Nutzfunktion und Bauhus, J.; v.d. Meer, P.; Kanninen, M. (eds) Ausblick auf grösseren Flächen im Bereich der 2010: Ecosystem goods and services from Ballungszentren zwischen Erholungs- plantation forests. London, Washington Aus der Einleitung geht hervor, dass und Nutzfunktion. Zwischen Nutz- D.C., Earthscan. 254 S. der vielfach gebrauchte Begriff der funktion und Schutzfunktion sind die Borchers, J., 2010: Segregation versus Mul- Multifunktionalität wenig operational Vorrangbereiche in der Schweiz relativ tifunktionalität in der Forstwirtschaft. und kaum geeignet ist, die vielfältigen klar getrennt, mit einer flächigen Kon- Forst Holz 65: 44–49. Leistungen der Wälder für die Gesell- zentration der Vorrangfunktion Holz- Costanza, R.; d’Arge, R.; de Groot, R.; schaft zu quantifizieren, zu bewerten nutzung in den nördlichen Landestei- Farber, S.; Grasso, M.; Hannon, B.; Lim- und womöglich für den Waldeigentü- len (Mittelland und Jura) und einer burg, K.; Naeem, S.; O’Neill, R.; Paru- mer monetär nutzbar zu machen. Ins- überwiegenden Schutzfunktion in den elo, J.; Raskin, R.; Sutton, P.; van den besondere die Frage der räumlichen Alpen. Überlappungen gibt es hier in Belt, M., 1997: The value of the world’s Bezugsebene scheint hierbei eine wei- den Voralpengebieten. Wenig Über- ecosystem services and natural capital. terhin offene und kaum lösbare Frage. schneidungen gibt es zwischen Natur- Nature 357: 253–260. Die in der näheren Vergangenheit vor schutz- und Nutzfunktion sowie zwi- de Groot, R.; v.d. Meer, P., 2010: Quantify- allem bei Fachleuten aus dem Bereich schen Naturschutz- und Schutzfunkti- ing and valuating goods and services pro- Waldbau (Wagner 2004; Ammer und on. Hierbei ist zu festzustellen, dass sich vided by plantation forests. In: Bauhus, J.; Puettmann 2009) aufgekommene Dis- die Aussagen des Landesforstinventars v.d. Meer, P.; Kanninen, M. (eds) Ecosys- kussion um Funktionentrennung vs. natürlich nur grossräumig interpretie- tem goods and services from plantation Multifunktionalität zeigt dies deutlich. ren lassen. Mögliche Konflikte auf Ein- forests. London, Washington, Earthscan. Bei der erwerbswirtschaftlich ausge- zelbestandesebene oder in sehr kleinen 16–42. richteten Forstwirtschaft, zum Bei- Schutzgebieten lassen sich damit nur Dieterich, V., 1953: Forstwirtschaftspolitik. spiel im Grossprivatwald in Deutsch- schwer darstellen. Eine Einführung. Hamburg, Berlin, Paul land, gibt es Tendenzen, sich von der Aus dieser ersten Analyse der Wald- Parey. 398 S. Multifunktionalität zu verabschie- funktionen in der Schweiz ergeben sich Dixon, J.; Pagiola, S., 1998: Economic Ana- den und der Segregation zuzuwen- einige interessante Forschungsfragen. lysis and Environmental Assessment. den (Borchers 2010). Es bleibt abzu- So wäre es wichtig zu wissen, ob sich Environmental Assessment Sourcebook warten, inwieweit solche Tendenzen die derzeit von Förstern eher subjek- Update, no 23, The World Bank. auch bei den in grosser Zahl neu ent- tiv eingeschätzten Waldfunktionen mit Elsässer, P.; Meyerhoff, J.; Montagné, C.; standenen ökonomisch ausgerichte- Hilfe zusätzlich erhobener Merkmale Stenger, A., 2009: A bibliography and ten Landesbetrieben im öffentlichen an den Inventurplots objektivieren und database on forest benefit valuation stu- Wald in Deutschland erkennbar wer- modellieren lassen. Des weiteren wäre dies from Austria, France, Germany, and den. Bei den Naturschutzverbänden es wichtig zu wissen, ob es eine zeitli- Switzerland – A possible base for a con- scheint es jedenfalls in dieser Hinsicht che oder räumliche Dynamik bei den certed European approach. J. For. Econ. bereits Befürchtungen zu geben. Um Waldfunktionen gibt und ob sich die- 15: 93–107. die Leistungen von Wäldern, die ver- se modellhaft darstellen lässt. Hierzu Gonzalez-Caban, A.; Loomies, J.B.; Rod- schiedenste Funktionen erfüllen, sicht- können neben dem LFI3 die Aufnah- riguez, A.; Hesseln, H., 2007: A Compa- bar zu machen, bedarf es eines Kon- meergebnisse des ersten und zweiten rison of CVM Survey Response Rates, zeptes, das eine umfassende Bewertung Landesforstinventars (LFI1 und LFI2) Protests and Willingness-to-Pay of Native dieser Leistungen ermöglicht. Dieses herangezogen werden. Schliesslich ist Americans and General Population for Konzept existiert in der Umweltöko- es im Sinne der Eingangs dargestellten Fuels Reduction Policies. J. For. Econ. 13: nomie mit dem Ansatz der «ecosystem Kritik am Konzept der Multifunktio- 49–71. goods and services». Mithilfe des theo nalität wichtig, die Erkenntnisse über Grêt-Regamey, A.; Walz, A.; Bebi, P., 2008: retischen Bezugsrahmens des Total Waldfunktionen im Schweizer Wald in Valuing Ecosystem Services for Sustaina- Economic Value der die gesamten Form von «ecosystem goods and ser- ble Landscape Planning in Alpine Regi- Werte von Waldökosystemen berück- vices», die von den Waldökosystemen ons. Mt. Res. Dev. 28: 156–165. sichtigt, inklusive derzeit genutzter erbracht werden mit Hilfe von Indika- Keller, M. (ed) 2005: Schweizerisches Lan- und nicht genutzter, sowie in Zukunft toren in quantitative messbare Grös- desforstinventar – Anleitung für die Feld- erst nutzbarer Werte, müssen Leistun- sen umzusetzen und mit Methoden der aufnahmen der Erhebung 2004–2007. gen von Wäldern in Form von Indika- Umweltökonomie zu bewerten. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt toren quantifiziert und mit geeigneten WSL. 393 S. Methoden bewertet werden. Kriström, B., 2008: The Social Value of Eine erste Analyse des Schwei- Forests. Presentation at the EFI Annual zer Waldes mithilfe des dritten Lan- 5 Literatur Conference and Seminar, Sept. 19th, Orvi- desforstinventars (LFI 3) ergibt, dass eto. der Wald auf grosser Fläche mehrere Ammer, C.; Puettmann, K., 2009: Wald- Kumar, P. (ed) 2010: The Economics of Funktionen erfüllt, d.h. als multifunk- bau, quo vadis? – Waldbewirtschaf- Ecosystems and Biodiversity – Ecologi- tional zu bezeichnen ist. Potenzielle tung zwischen Funktionenorientierung cal and Economic Foundations. London, Konflikte bei diesen Mehrfachfunktio- und Multifunktionalität. Forstarchiv 80: Washington D.C., Earthscan. 410 S. nen bestehen eher punktuell zwischen 90–96.
14 Forum für Wissen 2011 McArdle, R.F., 1953: Multiple-use benefits. Schmidt, R., 2010: Vermarktung von Schutz- Thees, O.; Olschewski, R., 2010: Integrierte J. For. 51: 323–325. leistungen des Waldes – das Beispiel des forstliche Produktion. Schweiz. Z. Forst- MEA, 2003: Ecosystems and Human Kantons Bern. Schweiz. Z. Forstwes. 161: wes. 161: 333. Wellbeing: A Report of the Concep- 379–383. Wagner, S., 2004: Möglichkeiten und tual Framework Working Group of Schmidtke, H., 2010: CO2-Zertifikate – ein Beschränkungen eines funktionsorien- the Millenium Ecosystem Assessment. Produkt aus Schweizer Wäldern. Schweiz. tierten Waldbaus. Forst Holz 59: 105–111. World Resoures Institute. Island Press., Z. Forstwes. 161: 374–378. Wagner, S., 2007: Rationaler Waldumbau – Washington, DC. Staub, C.; Ott, W., 2010: Finale Ökosystem- Fragen und Anregungen. Forst Holz 62: Pearce, D.; Warford, J., 1993: World Wit- leistungen als Wohlfahrtsindikatoren. 12–17. hout End: Economics, Environment Schweiz. Z. Forstwes. 161: 341–345. Waldenspuhl, T., 1990: Naturschutz durch and Sustainable Development. Oxford, Stenger, A.; Harou, P.; Navrud, S., 2009: naturnahe Waldwirtschaft? Forst Holz 45: Oxford University Press. 440 S. Valuing environmental goods and servi- 372. Pearson, G.A., 1944: Multiple use forestry. ces derived from the forests. J. For. Econ. Weetman, G. F., 1996: Are European sil- J. For. 42: 243–249. 15: 1–14. vicultural systems and precedents use- Pukkala, T., 2002: Introduction to mul- Suda, M., 2005: Multifunktionalität oder ful for British Columbia silviculture ti-objective forest planning. In: Mana- Interessenvielfalt. Anmerkungen zum prescriptions? FRDA report No. 239, ging Forest Ecosystems Volume 6. Mul- Selbst- und Fremdbild der Forstwirt- Canadian Forest Service and B.C. Minis- ti-objective forest planning. Dordrecht, schaft. «Multifunktionale Forstwirt- try of Forests. . Netherlands, Kluwer Academic Publis- schaft -Herausforderung für Forstleu- Zimmermann, W., 2010: Rechtliche Aspek- hers. 1–19. te und Gesellschaft» im Rahmen des 16. te bei der Vermarktung von Nichtholz- Rupf, H., 1961 Wald und Mensch im Kongresses der Union der europäischen Waldleistungen. Schweiz. Z. Forstwes. Geschehen der Gegenwart. Allgemeine Forstleute, am 15.6.2005 in Freising. 161: 362–367. Forstzeitschrift – Der Wald 16: 545–546. Abstract Multifunctionality of forests Multifunctionality, defined as the simultanous provision of multiple goods and services on the same forest area has been critized. Silviculturists discuss about separating forest functions and spatial scales of multifunctionality while economi- cally oriented forest enterprises prefer a segregation for reasons of efficiency. The concept of ecosystem goods and services is an approach to quantify and valuate often poorly defined forest functions by means of indicators. Based on the third Swiss national forest inventory one can indentify large forest areas in Switzer- land with multiple functions. Potential conflicts arise between the production and recreation function around areas of high population density. Looking at the pro- duction and protection function there are spatial preferences with a concentration of the production in the northern half and larges areas of forest with protective functions in the Alpine areas of Switzerland in the South. The quantification and valuation of forest functions using the goods and services approach and the investigation of their dynamics in space and time is a research field of high priority. Keywords: multiple use forestry, forest functions, ecosystem goods and services, valuation of non-timber forest products, total economic value of forests
Forum für Wissen 2011: 15–21 15 Holzproduktion im Schweizer Wald: Potenzial und Nutzungskonflikte Anton Bürgi WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf anton.buergi@wsl.ch Nutzungskonflikte entstehen dort, wo verschiedene Nutzer-Interessen an einer Rund drei Viertel des Schweizer Wal- Sache aufeinander stossen. Das trifft in besonderem Masse auch auf den Schwei- des gehört öffentlich rechtlichen Kör- zer Wald zu, an den grosse Ansprüche von Seiten verschiedener Öffentlichkeiten perschaften, 29 % sind Privatwald. Von gestellt werden, mit denen der Waldbesitzer, oft auch wieder die Öffentlichkeit, den öffentlich rechtlichen Körper- umgehen muss. Einige Nutzungskonflikte schränken eine Holznutzung ein oder schaften sind rund die Hälfte Bürger-, verunmöglichen diese. Um die Konflikte zu verdeutlichen, müssen sowohl das Ortsbürger, Burgergemeinden und Holznutzungspotenzial als auch die Eigentumsverhältnisse am Wald dargestellt Korporationen, die keine Steuerhoheit werden, daneben die hauptsächlichen Nichtholznutzungen am Wald, insbesondere haben. Der Anteil der Nutzungen aus Naturschutz, Schutz vor Naturgefahren, Schutz des Trinkwassers und der Böden, dem Privatwald an der gesamten Holz- Erholung und die Jagd. Im Folgenden sollen also die Konflikte kurz skizziert und nutzung stieg in letzter Zeit deutlich charakterisiert, sowie Lösungsansätze, wenn es sie überhaupt gibt, angesprochen an: er betrug 1995 lediglich 27 %, 2005 werden. 37 % und 2009 34 %. Vor dem Orkan Lothar lag die Nutzung im Privatwald fast immer unter dem schweizerischen Durchschnitt, seither liefert der Pri- 1 Holznutzungspotenzial Szenarien waren «business as usual», vatwald einen überdurchschnittlichen in der Schweiz «Zuwachsmaximierung», «moderate Anteil an die schweizerische Gesamt- Vorratsäufnung zur CO2-Bindung» und nutzung. Aufgrund der Daten der drei vorlie- «moderate Vorratssenkung zur Befrie- Regional bestehen sehr starke Dis- genden Landesforstinventare (Bränd- digung einer erhöhten Nachfrage mit paritäten bei der Intensität der Holz- li 2010) ist es möglich, mit Szenariomo- späterer Wiederanhebung des Vor- nutzung, vor allem bedingt durch die dellen das Holznutzungspotenzial zu rates». Über einen Zeitraum von 100 Zugänglichkeit, die sich unmittel- schätzen (Kaufmann 2011). Es beträgt Jahren betrachtet variiert das Potenzi- bar auf die Höhe der Holzerntekos- 7,1 bis 7,3 Mio. m³/Jahr (Derbholz ohne al nach den verschiedenen Szenarien ten auswirkt. Im Mittelland werden Rinde) für ein Basisszenario «business erstaunlich wenig, es bewegt sich zwi- auf 18 % der schweizerischen Wald- as usual». Werden 10 % der Waldflä- schen 7,2 und 8,2 Mio. m³/Jahr für die fläche 38 % der gesamten schweizeri- che nicht mehr bewirtschaftet (Wald- ganze Schweiz. schen Holznutzung geerntet, während reservate) sinkt das Potenzial auf 6,1 Mio. m³/Jahr, bei Stilllegung von 40 % (wegen zu hoher Erntekosten) könn- ten noch 3,8 Mio. m³/Jahr geerntet wer- 2 Eigentumsstruktur 1% 4% den (Kaufmann 2011). und regionale Verteilung Werden Rinde und Reisig in einem des Waldes 29% der Erntetechnik angepassten Rahmen mitberücksichtigt, beläuft sich die nutz- bare Erntemenge auf rund 8,23 Mio. Nicht alle Waldeigentümer haben das- m³/Jahr (Hofer und Altwegg 2008). selbe Interesse an der Holznutzung. Die vermarktbare Holzmenge sinkt Während die öffentlichen Waldeigen- durch Zumasse und Abrundungen tümer zur Deckung der Fixkosten ihrer gemäss geltender Handelsgebräuche Forstbetriebe auch bei tieferen Holz- auf 7,83 Mio. m³. preisen Holz auf den Markt bringen, Sollen mögliche Entwicklungen werden private Waldbesitzer kaum antizipiert und das Potenzial auch Holz nutzen, wenn die Kosten für die 66% unter veränderten Randbedingungen Ernte nicht durch den Ertrag gedeckt Bundeswald geschätzt werden, kann mit Szenarien werden können (ausser es besteht ein Kantonswald versucht werden, die Holzerntemenge Eigenbedarf an Holz). Möglicherweise Gemeinden, öffentliche Körperschaften zu schätzen, wie das bei einer weiteren verhalten sich öffentliche Waldeigentü- Privatwald Studie im Auftrag des BAFU gemacht mer, die über keine Steuerhoheit ver- Abb. 1. Aufteilung des Waldeigentums in wurde (Hässig und Hofer 2010). Die fügen, ähnlich. der Schweiz (BAFU 2009).
16 Forum für Wissen 2011 auf der Alpensüdseite, deren Waldan- 2% teil immerhin 14 % beträgt, lediglich 14% 18% 14% 22% 2 % der gesamten Holzernte anfällt (BAFU 2010). In den stark besiedel- ten Regionen mit hohem Erholungs- druck und hohen Ansprüchen an den Naturschutz als Ausgleich für die star- ke Beanspruchung der Nicht-Waldflä- chen, wird gleichzeitig auch am meis- ten Holz genutzt. 31% 18% 24% 3 Nutzungskonflikte 19% 38% Jura Jura Mittelland Mittelland Nutzungskonflikte um natürliche Res- Voralpen Voralpen sourcen wie Weiden, Wälder, Feucht- Alpen Alpen gebiete, Alpen oder Gewässer, die Alpensüdseite Alpensüdseite nicht in dauerhaftem Individualbe- Abb. 2. Regionale Waldverteilung in der Abb. 3. Aufteilung der Nutzung nach Regio- sitz, sondern im Gemeinschaftsbesitz Schweiz (BAFU 2009). nen in der Schweiz, am Beispiel der Zahlen eines oder mehrerer Siedlungsverbän- 2008 (BAFU 2009). de waren oder eine Art Niemands- land darstellten, sind seit langer Zeit gut dokumentiert (Historisches Lexi- kon der Schweiz 1998–2011). Sie spiel- ten sich entweder zwischen Unterta- nen und Herrschaft, zwischen benach- Allgemeinheit an einer Sache von ten die erneuerbaren Rohstoffe und barten Siedlungsverbänden, zwischen Gesetzes wegen eingeräumt werden. Energieträger wieder verstärkt in den unterschiedlichen Gruppen eines Sied- Als Beispiel mag der Artikel 699 des Vordergrund (vgl. dazu auch Hänggi lungsverbandes oder zwischen exter- ZGB dienen, der jedermann das freie 2011). Gleichzeitig ist auch die Einsicht nen Nutzern und den Bewohnern eines Betreten des Waldes und das Sam- gewachsen, dass wir nicht alles, was wir Siedlungsverbandes ab. Gegenstand meln von Beeren und Pilzen im orts- zum Leben brauchen, im Ausland zu waren meist Weiderechte, Wasserrech- üblichen Umfang gestattet. Dass die billigsten Bedingungen produzieren te und in vielen Fällen Holznutzungs- Öffentlichkeit am Geschehen im Wald lassen können, ohne uns mit den damit rechte. Sie traten in Perioden langfris- auch schon deshalb auf eine andere Art verbundenen Konsequenzen auseinan- tigen Bevölkerungswachstums gehäuft Anteil nehmen will als an den Vorgän- derzusetzen. Beispiele dafür sind unter auf, als Folge von Verteilungskämpfen gen in einem privaten Garten, liegt auf vielen anderen der Tierfutterimport um sich verknappende Ressourcen, der Hand. (Bosshard 2011) oder der Import von aber auch als Folge ökonomischer Ver- Holz aus illegalen Holzschlägen (WWF änderungsprozesse. Schweiz 2011). An diesem Muster hat sich grund- Für die Schweizerische Wald- und sätzlich bis heute nicht viel geändert. 4 Ansprüche an die Holz Holzwirtschaft bedeutet dies, einen Geändert hat sich aber die räumliche produktion möglichst grossen Teil des Bedarfs an Ausdehnung der Konflikte; sie sind Holz und Holzprodukten aus eige- von regionalen zu globalen Konflikten Nachdem Holz während Jahrhunder- ner Produktion zu decken. Ein Blick geworden, oft eine Auseinanderset- ten eine sehr wichtige natürliche Res- auf die Holzbilanz 2008 (BAFU 2010) zung zwischen so genannt entwickelten source darstellte, nahm seine Bedeu- zeigt, dass der Inlandverbrauch von und in Entwicklung begriffenen Regio- tung bei uns im 20. Jahrhundert stark Holz und Holzprodukten bei rund 10 nen (Nord-Süd-Konflikt). Zunehmend ab, Holz wurde durch andere Rohstoffe Mio. m³ (Rundholzäquivalente) lag geht es in den entwickelten Ländern substituiert. In den letzten fünf Jahren und damit das oben erwähnte Poten- nicht mehr um Nutzung, sondern um haben sich bezüglich der Ansprüche zial um rund 2 bis 3 Mio. m³ über- Nichtnutzung von Wald und Kultur- an die Holzproduktion aber Änderun- steigt. Vergleicht man diese Zahlen mit land zu Gunsten des Natur- und Land- gen ergeben, die in dieser Geschwin- der tatsächlichen Holznutzung in der schaftsschutzes. Wir betreiben unse- digkeit wohl von den wenigsten, auch Schweiz von rund 5 bis 6 Mio. m³ (mit ren Natur-, Landschafts- und Umwelt- nicht von Fachleuten, erwartet worden Rinde) (BAFU 2010), stellt man eine schutz zunehmend auf Kosten von wären. Die zunehmende Weltbevölke- bereits erhebliche Abhängigkeit von Schwellen- und Entwicklungsländern rung mit stetig steigenden Ansprüchen Importen fest. Allerdings finden diese (vgl. Bosshard 2011). an den Lebensstandard und das gleich- Importe nur zu einem sehr geringen Die Nutzungskonflikte sind umso zeitig wachsende Bewusstsein um die Teil als Waldholz statt, überwiegend ausgeprägter, je mehr Rechte einer Endlichkeit der Ressourcen rück- werden Halbfertig- und Fertigfabrika-
Forum für Wissen 2011 17 te (Möbel, Konstruktionsholz, Papier, ist die Opposition gegenüber solchen gassen, Seilkranschneisen, usw.. Durch Karton und Zellstoff) importiert. Forderungen, insbesondere von Seiten die wirtschaftlich angespannte Situa- Es ist zu erwarten, dass mit stei- der Holzindustrie, stärker geworden tion bedingte Rationalisierungen füh- genden Energiepreisen die Nachfra- (vgl. z. B. Holz-Zentralblatt 2011). ren zum Einsatz immer grösserer und ge nach Energieholz weiter zunimmt. Zu dieser Auseinandersetzung sind schwererer Maschinen, die nachteilige Auch beim Konstruktionsholz ist mit einige Bemerkungen anzubringen, die Folgen für das Ökosystem Wald und einer Zunahme zu rechnen, schon sich hier vor allem auf die Schweiz seine Produktivität haben können. Der allein dadurch, dass beim Bauen nach beziehen: Bodenschutz geriet deswegen in letzter Minergie-Standard wegen seiner dafür Wald, auch bewirtschafteter Wald, Zeit in den Fokus von Forschung und günstigen Eigenschaften mehr Holz ist das am grossflächigsten erhalte- Weiterbildung, um unverhältnismäs- verbaut wird, als bei konventionellen ne naturnahe Gebiet in Mitteleuro- sige Schäden für künftige Wälder zu Bauwerken. Oft wird vergessen, dass pa. Selbst nach forstlichen Massstä- verhindern (Lüscher et al. 2010). Auch sich Holz auch als Chemie-Rohstoff ben intensiv bewirtschafteter Wald das Zerschneiden zusammenhängen- eignet, der in der chemischen Indus- ist gegenüber anderen Landnutzun- de Lebensräume durch Waldstrassen trie (Petrochemie, Kunststoffchemie) gen (Weiden, Äcker, Verkehrswege, kann eine Beeinträchtigung bedeuten an Stelle von Öl eingesetzt werden Siedlungsflächen) sehr naturnah. Das (Ewald und Klaus 2009), wobei anzu- kann. Eine Studie der EU (Mantau macht ihn für den Naturschutz interes- merken ist, dass das Waldstrassennetz und Saal 2011) zeigt, dass aufgrund sant. Selbst seit Jahrtausenden bewirt- nicht nur das Rückgrat der Holznut- dieser Entwicklungen bereits ab 2020 schafteter Wald ist für den Naturschutz zung, sondern auch die Voraussetzung in Europa mit einem Defizit von 100 noch wertvoll, ein vom ökologischen für die heute übliche Erholungsnut- Mio. m³ Holz zu rechnen ist bei einem Aspekt her betrachtet grosses Kompli- zung des Waldes ist. geschätzten Potenzial von gegenwärtig ment an die Waldbesitzer und Förster. Alte und tote Bäume, welche aus 1000 Mio. m3. Wald ist oft in öffentlichem Besitz. Gründen des Natur- und Biotopschut- Es ist also davon auszugehen, dass Es ist politisch einfacher, Forderun- zes im Wald stehen bleiben, können die Phase, während der unsere Wäl- gen, die das Verfügungsrecht betref- ein erhebliches Risiko bei Waldarbei- der unter keinem oder nur geringem fen, gegenüber öffentlichem Eigentum ten darstellen, mit dem sehr bewusst Nutzungsdruck standen, nur eine kur- durchzusetzen, als gegenüber privatem. umgegangen werden muss (Dietz et ze, durch weltweite Übernutzung ande- Gemessen an der gesamtwirtschaftli- al. 2010). Verhängnisvoll wäre, die von rer (oder anderer Leute) Ressourcen, chen Wertschöpfung ist die Bedeutung solchen Bäumen ausgehende Gefähr- insbesondere Öl aber auch Holz, ent- der schweizerischen Forstwirtschaft dung zu verharmlosen, haben sich doch standene Episode in der zweiten Hälfte marginal (< 0,1 % an der gesamten in der Schweiz schon mehrere tödliche des 20. Jahrhundert war. Damit dürf- Bruttowertschöpfung [BAFU 2010]), Unfälle mit Totholz ereignet (Wett- ten sich die bereits bestehenden Nut- ihre Produkte wurden und werden mann und Hartmann 2009). In solchen zungskonflikte verschärfen und neue durch importierte Substitute, wie Heiz- Situationen ist es besonders wichtig, Konflikte, zum Beispiel bei der Vertei- öl und Kunststoffe ersetzt. Holz ist aus die Lage genau zu analysieren und kei- lung der Landressourcen bei uns, auf- wirtschaftlich weniger potenten Regi- ne Risiken einzugehen. Dass dies Zeit tauchen. onen billiger zu beziehen als aus Mit- braucht und das Arbeiten erschwert, ist teleuropa. Eine Stilllegung auch grös- vom Forstbetrieb und dessen Mitarbei- serer Flächen spielt in der Schweiz tern in Kauf zu nehmen, eine Entschä- wirtschaftlich nur lokal, nicht aber digung für erschwerte Bedingungen bei 5 Holzproduktion – Natur gesamtwirtschaftlich eine Rolle. der Holzerei gewährt bisher niemand. schutz Dies sind einige der Gründe, weshalb sich Ansprüche des Naturschutzes an Der offensichtlichste Nutzungskonflikt den Wald politisch einfacher formu- ergibt sich selbstredend bei marktfähi- lieren und wohl auch durchsetzen las- 6 Holzproduktion – gem Holz, das nicht genutzt und ver- sen, als Forderungen gegenüber anders Schutzwirkungen kauft wird. Am häufigsten dürfte wohl genutzten Flächen. Es ist allerdings das Stehenlassen marktfähiger Bäume fraglich, ob unsere Umwelt und die Die Wirkung des Schutzwaldes hat in aus Gründen des Natur- und Biotop- heutzutage so wichtige «Biodiversität» einem gebirgigen Land wie der Schweiz schutzes sein. Dabei kann die Nicht- durch Schutzmassnahmen in öffent- naturgemäss eine besondere Bedeu- nutzung einzelne Bäume (z. B. soge- lichen Wäldern und an Gewässern tung. Einschränkungen der Waldnut- nannte Biotopbäume [Kaufmann et al. erhalten werden kann. Müssten nicht zung mit dem Ziel, die Schutzwirkung 2010]), Baumgruppen, Bestände oder auch andere Gebiete einen verhältnis- des Waldes zu erhalten und zu verbes- grossflächige Reservate und National- mässigen Anteil an den berechtigten sern, haben deshalb eine lange Traditi- parks betreffen. In letzter Zeit sind Schutzanliegen mittragen? on. Bemühungen zur Verbesserung der zwei gegenläufige Bewegungen zu Massgeblich zu den Nutzungskon- Schutzwirkung des Waldes (z. B. durch beobachten: einerseits betreffen die flikten bezüglich der Holzproduktion Bannbriefe bereits im Mittelalter) stan- Forderungen aus Naturschutz-Kreisen, tragen auch die für die Holznutzung den am Anfang einer geregelten Forst- Wälder aus der Nutzung zu entlassen, unerlässlichen infrastrukturellen Ein- wirtschaft in der Schweiz (vgl. EAFV immer grössere Flächen, andererseits richtungen bei: Waldstrassen, Rücke- 1977). Heute wird für den Schutzwald
Sie können auch lesen