DISPUT - Partei DIE LINKE
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ISSN 0948-2407 | 67 485 | 2,00 Euro DISPUT November 2007 Gibt es einen Linksruck? Alle einbeziehen. Eine solidarische Erwerbstätigenversicherung »… dreifach könnt ich den Tag füllen«. Die neue Liebknecht-Biografie Vom Aufbau der »Neuen« – Berichte aus NRW, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen … Wir sind alle die EL: Vor dem zweiten Kongress der Europäischen Linken Arbeit im 21. Jahrhundert. Was ist ein »guter« Arbeitsplatz? Was tut DIE LINKE für soziale Arbeitsmarktpolitik? – Seite 10 © Erich Wehnert
Betroffene zu Beteiligten machen 4 Vom Aufbau der neuen Partei: Düsseldorf, wir kommen! 26 Rezensiert 8 Mustergültig im Musterländle 28 Demokratie auf Bayerisch 29 Alte Idee mit neuen Aufgaben: Die Basis im Kaisersaal. Erfurt 30 ZITAT Genossenschaften. Gastkommentar 9 Aktiv in der Szene. DIE LINKE.queer 32 Willkommen auch mit zwölf 33 »Ich habe Die Arbeitswelt muss gerechter aufgegeben werden 10 Anfänge im Stadtrat 34 und wähle nicht mehr. Falls ich Alle einbeziehen. Eine solidarische Nachbelichtet 35 nun die Linke Erwerbstätigenversicherung 14 wähle, können Anpfiff für SV Rote Socken 36 Sie mir garantie- Energisch 15 ren, dass ich Pressedienst 37 Ihnen bei nicht Martinstag 16 gehaltenen Wir sind alle die EL. Vor dem Wahlverspre- Was die IG Metall will 17 Kongress der Europäischen Linken 38 chen die Ohren abreißen darf?«, Nicht nur satt, sauber, trocken. Solidarität 39 fragt eine Frau Das Pflegekonzept der LINKEN 18 Gregor Gysi. Sozialismus chinesischer Prägung 40 Flensburger Vor Ort 19 Tageblatt, Mindestens die Hälfte mit dem 2. November »dreifach könnt ich den Tag füllen«. Herzen: Andrej Hermlin 42 Die neue Liebknecht-Biografie. Gespräch mit Annelies Laschitza 20 Briefe 45 Biedermann und Selbstentlarvung. Bücher 46 Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten in Brandenburg 24 Novemberkolumne 47 Traditionen 25 Seite achtundvierzig 48 © Robert Bluhm ZAHL DES MONATS 83 Deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt es bei der Le- benserwartung. Am höchsten ist sie bei Neugeborenen in Baden-Württem- berg: voraussichtlich 78 Jahre bei Jun- »You« nennt sich gen, 83 Jahre bei Mädchen (Berichts- Europas größte zeitraum 2004/2006). Die niedrigste Jugendmesse in Lebenserwartung haben voraussicht- Berlin. Zu ihr lich die Jungen in Mecklenburg-Vor- kamen Ende pommern und Sachsen-Anhalt (74,5 Oktober 150.000 Jahre) und die Mädchen im Saarland Jugendliche. (80,8 Jahre). Viele informierten sich am Stand von Linksjugend [‘solid] und der LINKEN. IMPRESSUM DISPUT ist die Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE, herausgegeben vom Parteivorstand, und erscheint einmal monatlich über Neue Zeitungsverwaltung GmbH, Weydingerstraße 14 – 16, 10178 Berlin REDAKTION Stefan Richter, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin, Telefon: (030) 24 00 95 10, Fax: (030) 24 00 93 99, E-Mail: disput@die-linke.de GRAFIK UND LAYOUT Thomas Herbell DRUCK MediaService GmbH BärenDruck und Werbung, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin ABOSERVICE Neues Deutschland, Druckerei und Verlag GmbH, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Telefon: (030) 29 78 18 00 ISSN 0948-2407 REDAKTIONSSCHLUSS 12. November 2007 INHALT DISPUT November 2007 0 2
HERBERT WILZEK 53 Jahre, verheiratet, drei Töchter. Seit 1983 Wahl-Oberschwabe. Diplom-Psycho- loge und Betriebswirt. Aktives ver.di-Mitglied. Seit 16 Jahren Personalratsvorsit- zender am Zentrum für Psychiatrie Bad Schussenried. Vorsitzender der LINKEN im Landkreis Biberach (Baden-Württemberg). Hobbys: Politik, Tanzen, Fußball. © privat Was hat Dich in letzter Zeit am meisten überrascht? Dass unser Gründungsparteitag so einvernehmlich und so erfolgreich verlaufen ist. Was ist für Dich links? Die Werte Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit mit Leben zu füllen. Was war Dein erster Berufswunsch? Förster Wenn Du Parteivorsitzender wärst ... ... würde ich großen Wert auf die Entwicklung der Organisationsstrukturen unserer Partei legen, damit unser hoher Anspruch, eine Partei neuen Typs zu schaffen, sich darin verwirklicht. Was regt Dich auf? Das leichtfertige Nichteinhalten von Absprachen. Wann und wie hast Du unlängst Solidarität gespürt? Erst vorgestern, als meine liebe Frau meine ganze Wäsche gebügelt hat. Wovon träumst Du? Von schönen Frauen (wir haben drei Töchter), von Abenteuern (ich bin Per- sonalratsvorsitzender an einem Krankenhaus und Kreisvorsitzender unserer Partei) und von fernen Ländern (wir reisen gerne). Wofür gibst Du gerne Geld aus? Für schöne Frauen, für Abenteuer und ferne Länder. Möchtest Du (manchmal) anders sein, als Du bist? Nein, ich bin mit mir und meinem Leben äußerst zufrieden. Müssen Helden und Vorbilder sein? Vorbilder müssen sein, ja. Für mich sind das Menschen, die etwas Wichtiges besser können als ich. Wo möchtest Du am liebsten leben? Ich lebe sehr gerne in Oberschwaben, denn hier gibt es wirklich sehr liebe Menschen. Ich wünsche mir hier allerdings deutlich andere politische Mehrheiten – daran arbeite ich. Worüber lachst Du besonders gern? Gemeinsam mit meiner Frau bei Veranstaltungen des Kabarettisten Volker Pispers. Was bringt Dich zum Weinen? Die jahrzehntelange Umverteilung von Einkommen von unten nach oben. Wovor hast Du Angst? Dass ich es nicht mehr erlebe, dass DIE LINKE in Oberschwaben Volkspartei ist. Welche Eigenschaften schätzt Du an Menschen besonders? Wenn sie in der Lage sind, gute Laune zu verbreiten und dabei differenziert und nicht oberflächlich sind, wie Beate, Anne, Ina, Stella, Stefan, Fabian, Siggi, Moni, Martin, Sonja, Uwe, Michael und Monika. Wie lautet Dein Lebensmotto? Fröhlich sein, Gutes tun und die Schwarzen pfeifen lassen. 3 0 DISPUT November 2007 FRAGEZEICHEN
Betroffene zu Beteiligten machen Mitglieder des Parteivorstandes stellen sich vor Brigitte Ostmeyer xus leisten, selbst zu bestimmen, was Beispiel eine Carsharing-Zweigstel- ich machen will. le gegründet – leider eine totaler Flop Das hätte ich mir vor drei Jahren nicht Während des späten Studiums der in der Autoregion von Daimler und Por- träumen lassen: Ich stelle mich als Mit- Politikwissenschaft, Soziologie und sche. Meine Vision ist nach wie vor ein glied des Parteivorstandes der LINKEN Rechtswissenschaft an der Fernuniver- intelligentes Mobilitätskonzept – war- im »DISPUT« vor! Damals, 2004, konnte sität Hagen (M.A. 2003) setzte ich mich um nicht kostenloser ÖPNV, aus Steu- ich all die Argumente der Regierenden unter anderem intensiv mit der »Sinn- ermitteln finanziert? Mein Ziel ist es, Al- zur anscheinend alternativlosen Politik frage« auseinander, die mich mein ternativen zum Ressourcen fressenden nicht mehr hören. Den Kurs der Umver- ganzes Arbeitsleben beschäftigt hat; Lebensstil zu entwickeln und damit ak- teilung von unten nach oben mit Sach- deshalb war ich auch Mitglied im FIfF tive Friedenspolitik zu machen. zwängen zu begründen, das war aus (Forum Informatiker/innen für Frieden Mein Parteieintritt bei den Grünen meiner Sicht ein Abdanken der Politik, und gesellschaftliche Verantwortung): 1997 war ein Versuch, innerhalb der die Aufgabe jeglichen politischen Ge- Partei die von mir vertretenen ökolo- staltungswillens und nicht zuletzt ein gischen, wachstums- und kapitalis- Versuch, »das Volk« zu verblöden. Toll, muskritischen sowie radikalpazifisti- dass sich dagegen die WASG gründete. schen Positionen zu stärken –, und das Am 8. März (!) 2005 wurde unser Kreis- ist auch mein Ziel innerhalb der LINKEN. verband in Böblingen gegründet, da- Kurz gesagt war die Zeit bei den Grü- nach war ich beim Bundesparteitag in nen eine große Enttäuschung. Als De- Dortmund dabei, wurde vom Landes- legierte bei den Bundesparteitagen er- parteitag in den Länderrat gewählt und lebte ich, wie linke und pazifistische vom Länderrat dann in die Steuerungs- Positionen zu einer exotischen Minder- gruppe auf Bundesebene. heit wurden. Als Sprecherin des Orts- Natürlich ging das mit dem Zusam- verbandes Böblingen organisierte ich mengehen von WASG und Linkspar- vor meinem Austritt im Oktober 2001 tei.PDS ein bisschen sehr schnell, wir noch eine Veranstaltung für attac (»Ei- waren leider zu Getriebenen des po- ne andere Welt ist möglich«), und mein litischen Kalenders geworden. Und Ortsverband verabschiedete einen Be- nicht selten argumentierten in diesem schluss, keine Mitgliedsbeiträge mehr © Martin Storz Prozess nun unsere Vorstandsmitglie- an die Bundespartei abzuführen, so- der mit den alternativlosen Sachzwän- lange sie bei ihrer Afghanistanposition gen – nicht eben zur Freude der Ba- bleibt – große Aufregung! sis. Meine Grundüberzeugung war und Der logische Schritt danach war der ist aber, dass wir nur gemeinsam eine Eintritt bei attac. Allein durch außer- Chance haben, die Politik nach links zu Nur gemeinsam parlamentarische Bewegungen Druck rücken! zu erzeugen, scheint mir (ohne Gene- Ein Rückblick auf mein Leben vor der eine Chance ralstreik) nicht sehr aussichtsreich, lei- LINKEN: Nach einer technischen Lehre der waren auch die Montagsdemos re- absolvierte ich über den zweiten Bil- ■ ■ lativ erfolglos. dungsweg ein Informatikstudium, ar- Erst durch DIE LINKE im Parlament beitete am Uni-Rechenzentrum in Stutt- bewegt sich etwas, wie der Sonder- gart und seit 1981 im Forschungslabor die Verstrickung der Computerindus- parteitag der Grünen und der (schein- der IBM in Böblingen. Drei dieser Be- trie in die Rüstung, die Verantwortung bare?) Kurswechsel der SPD zeigen, rufsjahre (1987/1990) verbrachte ich von InformatikerInnen für Wegrationali- beide Parteien scheinen endlich die in Kalifornien – zu deutschen Arbeits- sierung von Arbeitsplätzen, die gesell- Meinungsmehrheit »draußen auf der bedingungen, die übrigens von den schaftlichen Auswirkungen der von uns Straße« zur Kenntnis zu nehmen. Zu amerikanischen KollegInnen als pa- entwickelten Informations- und Kom- befürchten ist allerdings, dass diese radiesisch empfunden wurden im Ge- munikationstechnologien usw. Warum Wirkung in den Medien genutzt wird, gensatz zu ihrem von Unsicherheit ge- führt der technisch ermöglichte Pro- DIE LINKE für überflüssig zu erklären – prägten Arbeitsleben. Genau diese Un- duktivitätszuwachs nicht zu drastischer dagegen müssen wir im Parteivorstand sicherheit kennzeichnete allerdings ein Arbeitszeitverkürzung, sondern zu Ar- und an der Basis Strategien entwickeln, paar Jahre später auch die deutsche Ar- beitsverdichtung und Arbeitslosigkeit? um glaubwürdig als ökologischste, so- beitswelt, weshalb ich mich als IG Me- Das muss doch politisch zu gestalten zialste und »friedlichste« Partei in der tall-Mitglied seit 1993 im Betriebsrat sein – wenn es gewollt ist! Öffentlichkeit (Rolle der Medien!) an- engagierte (meist freigestellt für die Und damit bin ich in der Politik an- zukommen. Betriebsratsarbeit). Ende 2005 been- gekommen. Seit den 70er Jahren habe Es wäre begrüßenswert, wenn wir dete ich 53jährig das Arbeitsverhältnis ich mich in örtlichen Friedens- und öko- uns für eine intensive Diskussion darü- bei IBM und kann mir seither den Lu- logischen Initiativen getummelt, zum ber im Parteivorstand die Zeit nehmen ANSICHTEN DISPUT November 2007 0 4
würden – am Besten im Rahmen einer Überall im Land wurde plötzlich über werden muss, werden wir nur errei- Klausurtagung. So hätten wir zusätzlich die Gründung einer neuen Partei dis- chen, wenn unsere Ideen in der Gesell- die Möglichkeit, uns in diesem 44-köp- kutiert. In jeder größeren Stadt fanden schaft hegemonial werden. Das heißt, figen »Riesenvorstand« etwas besser erste Treffen statt. Im Sommer 2004 wir müssen Bündnisse schmieden, Wi- kennenzulernen und zu verstehen und gründeten wir dann den Verein »Wahl- derstand an konkreten Punkten organi- Ost-West-Biografien auszutauschen. alternative Arbeit und soziale Gerech- sieren und natürlich auch in Parlamen- PS: Unbedingt muss ich noch eine tigkeit«. Wir hatten uns für dieses Mo- ten und Talkshows für unsere Konzepte Antwort an den geschätzten Vorstands- dell entschieden, weil wir wollten, dass werben. Wir dürfen aber niemals die Il- Kollegen (oder heißt es »Genossen«?) sich die vielen Menschen, die wir bis lusion haben, dass Parlamente etwas Jürgen Klute loswerden: Im Gegensatz dahin als Mitstreiter/innen gewinnen Grundlegendes verändern können. zu ihm halte ich Sport nicht für eine konnten, aktiv an der Gründung einer Die Aufgabe der LINKEN sehe ich Form der Energieverschwendung (Sep- Partei beteiligen. Die Partei, die wir darin, die versteinerten Verhältnisse tember-DISPUT), sondern hole mir jede wollten, sollte nicht von ein paar we- zum Tanzen zu bringen. Dazu versuche Menge Energie beim Joggen, Schwim- nigen aus dem Boden gestampft wer- ich im Parteivorstand meinen Beitrag men und Rad fahren. den. Stattdessen sollte es einen demo- zu leisten. Als Vorstand können wir PPS: Auch wenn der Platz längst kratischen bundesweiten Prozess ge- aber nur so viel bewegen, wie die Par- verbraucht ist und wenn der Redakteur ben, an dessen Ende alle Beteiligten tei trägt. Wir entwickeln zum Beispiel mich noch lässt: Eine Werbung der Bun- über die Parteigründung entscheiden. Ideen für Kampagnen bzw. setzen Par- desregierung für die Rente mit 67 im Nach der entsprechenden Urabstim- teitagsbeschlüsse um, wie bei der Ki- DISPUT 9 könnte ja ein guter Gag sein, mung wurde im Januar 2005 die Partei ta-Kampagne. Ob daraus am Ende wirk- wenn auf der gegenüberliegenden Sei- WASG gegründet. lich ein bundesweit sichtbares öffent- te die Fakten auseinandergenommen liches Signal wird, ob wir tatsächlich würden. Aber so? Null Verständnis! den Druck entfalten können, den wir bei der Mindestlohn-Kampagne ge- schafft haben, hängt von der Partei als Marc Mulia Ganzes ab. Aus diesem Grund sehe ich den regelmäßigen Austausch zwischen Einer meiner Lieblingssätze aus dem der kommunalen, der Landes- und der Aufruf zur Gründung einer Wahlalter- Bundesebene als unbedingt nötig an. native lautet: »Es kommt nicht einfach Soweit es meine Zeit erlaubt, nehme so oder so, sondern es kommt darauf ich an den Sitzungen des Landesvor- an, was wir daraus machen.« Als ich standes Nordrhein-Westfalen und an das Anfang 2004 gelesen hatte, wollte den Sitzungen meines Kreisverbandes ich mich an der Diskussion beteiligen, in Duisburg teil und diskutiere viel mit ob es Sinn macht angesichts der Ent- Genossinnen und Genossen aus ande- wicklung von Rot-Grün, eine neue Par- ren Kreis- und Landesverbänden. tei zu gründen. Ich war in den 90er Jah- Und natürlich diskutiere ich auch ren Mitglied der Grünen und bin nach mit meinen Eltern, mit Nachbarn und dem Bielefelder Parteitag 1999 ausge- FreundInnen, mit SchülerInnen und treten, auf dem die Partei ihre Zustim- KollegInnen. Ich arbeite als Lehrer (So- © Aris mung zum Jugoslawien-Krieg beschlos- zialwissenschaften, Philosophie und sen hat. In meinen Augen hatten die Physik) an einem Gymnasium in Duis- Grünen eine ihrer wichtigsten Grund- burg. Dadurch wird mir täglich vor Au- positionen verraten. Das Schlimms- Es kommt nicht gen geführt, wie stark sich neoliberale te war die ideologische Verklärung der Denkmuster bei Jugendlichen festset- Bundeswehrkampfeinsätze als huma- einfach so oder so zen. Dazu gehört vor allem eine Ideo- nitäre Notwendigkeit. Ich habe damals logie des Wettbewerbs und der Leis- sehr aktiv in Antikriegsbündnissen mit- ■ ■ tungsorientierung, die den meisten gearbeitet und finde es übrigens auch als naturgegeben und alternativlos er- für DIE LINKE extrem wichtig, dass wir scheinen. uns klar gegen Auslandseinsätze der Im Rahmen der WASG-Gründung Um solches Denken zu durchbre- Bundeswehr positionieren. Ich kann und später im Parteineubildungspro- chen, müssen wir Aufklärungsarbeit mir gut vorstellen, dass wir die Bundes- zess habe ich mich sehr für die Ver- leisten, aber auch gesellschaftliche Al- wehr abschaffen und das Geld für sinn- ankerung einiger demokratischer Ele- ternativen aufzeigen, für die sich Men- volle Dinge ausgeben. mente in der Satzung eingesetzt. Da- schen begeistern können. Über unsere Die Kritik an der Agenda 2010, aber zu gehörte etwa die klare Trennung von Alternativen werden wir mit Sicherheit auch an der Kriegspolitik von Rot-Grün Amt und Mandat, die es in der WASG- noch streiten. Das macht eine leben- hat im Frühjahr 2004 Menschen mit Satzung gab und die sich in der neuen dige Partei aus. DIE LINKE wird erfolg- unterschiedlichen politischen Ge- Partei nicht durchsetzen ließ. Meines reich sein, wenn es ihr gelingt, Be- schichten zusammengeführt. Inner- Erachtens ist eine Trennung der Auf- troffene zu Beteiligten zu machen, zu halb weniger Wochen haben sich tau- gaben von Partei und Fraktion wich- Beteiligten an Debatten über gesell- sende bei www.wahlalternative.de in tig, weil ansonsten die Gefahr besteht, schaftliche Alternativen, aber vor allem den Newsletter eingetragen. Als Mit- dass die außerparlamentarische Arbeit zu Beteiligten an den konkreten Kämp- glied des Arbeitsausschusses war ich vernachlässigt wird. Gesellschaftliche fen auf der Straße und in den Betrieben, an der Koordination erster Aktivitäten Veränderungen, insbesondere eine de- gegen Privatisierungswahn und Sozial- beteiligt. Die Resonanz war für uns al- mokratisch-sozialistische Gesellschaft, abbau und für Umfairteilung von Reich- le erstaunlich und sehr ermutigend. für die der Kapitalismus überwunden tum und Arbeit. 5 0 DISPUT November 2007
Gibt es einen Linksruck? Ein Zwischenruf Von Harald Pätzolt Diese nun lebten wie Götter, Nicht die FDP, aber die CDU versozial- Bürger/innen zuständig. Dabei unter- von Sorgen befreit das Gemüte, demokratisiert schon eine gute Weile. scheiden die Menschen zwischen dem Fern von Mühen und fern von Trübsal; Und gelegentlich der Programmdebat- so verstandenen Staat auf der einen lastendes Alter te in der SPD überschrieb Franz Walter Seite und den Politikern und Parteien Traf sie nimmer; an Händen und Füßen seinen Artikel am 21. September 2007 auf der andern. Wenn der Staat nicht die nämlichen immer, in Spiegel online: »Ruck nach links«. bringt, was er soll, dann werden in al- Freuten sie sich bei Gelagen, Soweit steht der »Linksruck« also fest. ler Regel dafür die Politiker/innen ver- entrückt stets jeglichem Übel. Schwerer tut man sich mit der Ur- antwortlich gemacht. So auch im Falle Wie vom Schlummer bezwungen sachenforschung. Wer ist schuld? Die des hier betrachteten »Linksrucks«. verschieden sie; keines der Güter bürgerlichen Parteien, weil sie nicht 2. Wozu aber führt das? Missten sie; Frucht gab ihnen das ordentlich gegenhalten? Die Agenda Es führt zunächst einmal zu keinen nahrungsspendende Saatland 2010? DIE LINKE? Rückt die SPD nach Verhaltensänderungen der Bürger/in- Gern von selbst und in Hülle und Fülle; links, weil DIE LINKE nach links rückt? nen. Nichts zu sehen von Massenstreiks und ganz nach Belieben Und rückt nun DIE LINKE noch weiter und Demonstrationen, sonstige mas- Schafften sie ruhig das Werk im nach links? Wie hängen all diese Links- senhafte Aktionen gibt es keine, sogar Besitze der reichlichsten Gaben rucke miteinander zusammen? die Beitritte zur linken Partei schlecht- Aus: Hesiod, Werke und Tage Und DIE LINKE? Sie freut‘s freilich. hin halten sich in bescheidenen Gren- Ist das nicht eine wunderbare Bestä- zen. Und, was noch merkwürdiger ist: Gibt es einen Linksruck in Deutsch- tigung der eigenen Position? Der Lohn Die für den Schlamassel verantwortlich land? Was für eine Frage. Es steht doch der politischen Arbeit? Gar mancher re- gemachten Parteien bekommen in den seit diesem Sommer in der Zeitung. det und schreibt bereits wieder über wöchentlichen Umfragen bei der Sonn- »Deutschland rückt nach links« titelte linke Mehrheiten und sinniert über die tagsfrage regelmäßig ihre 85 Prozent DIE ZEIT am 9. August 2007 und über- richtige Strategie für die Bundestags- Zustimmung. raschte die Leser mit einem Umfrage- wahlen 2009: Eine Einheit von Partei Aber es ändert sich die Politik. Zu- ergebnis, wonach jeweils große Mehr- und Volk. Endlich! nächst allerdings nur die Parteipolitik. heiten den politischen Forderungen 1. Was ist, bei Lichte betrachtet, die- Noch nicht ändert sich das Verhalten DER LINKEN zustimmten. Kurz vorher, ser »Linksruck«? des Staates, der Regierung. Erst sind am 18. Juli, berichtete die FAZ, dass Meine These ist: Die Unzufrieden- es die von den BürgerInnen verantwort- das renommierte Institut für Demosko- heit mit der Entwicklung der Gesell- lich gemachten Parteien, die reagieren. pie Allensbach den »Zauberklang des schaft in den letzten Jahren wird öf- In unserm Falle ist es vor allen die SPD, Sozialismus« vernommen habe: Im- fentlich. die sich bewegt. Aber ein Parteitagsbe- mer mehr Menschen hielten den Sozi- Das ist keineswegs trivial. Der Vor- schluss ist noch kein Gesetz. alismus für eine gute Idee, die schlecht gang setzt eine funktionierende Öffent- 3. Und DIE LINKE? ausgeführt wurde. Natürlich lauschte lichkeit voraus. Wir haben es mit poli- DIE LINKE als Partei war und ist in auch Emnid Volkes Stimme, so konn- tischer Meinungsbildung zu tun, einem diesem Prozess der politischen Mei- te Klaus-Peter Schöppner am 3. Au- urdemokratischen Prozess. Einem Vor- nungsbildung in der Rolle des Kataly- gust in der LVZ vom »Linksruck« be- gang, den man nicht verwechseln soll- sators. Katalysator des Öffentlichwer- richten, und damit es auch im Norden te mit dem gewöhnlichen Rauschen im dens der allgemeinen Unzufriedenheit. ankommt, schrieb derselbe Autor am Blätterwald. Und ebenfalls auch nicht Sie konnte und kann diese Rolle spie- 1. Oktober im Hamburger Abendblatt: mit der publizistischen Begleitmu- len, weil sie die einzige Partei ist, die »Deutschland ruckt! ... Deutschland sik des alltäglichen Aushandelns von für die Zustände heute nicht haftbar ruckt nach links!« Kompromissen vielfältigster Interes- gemacht wird. Das ist der eine Punkt. Seitdem der »Linksruck« feststeht, sengruppen. Hier wird eine Wahrheit Ist das schon alles? Ja, das ist der wird er nun von rechts, von links und öffentlich und damit allgemein: Es ist andere Punkt: Das ist die Rolle, die uns auch aus der Mitte kommentiert. Am etwas faul in Deutschland. Das also ist von den Menschen zugewiesen worden 19. September erhob der Ex-BDI-Chef der erste Punkt: Die Unzufriedenheit ist. Zu sagen: »Der Kaiser ist nackt!« Hans-Olaf Henkel in der SVZ mahnend wird öffentlich. Wie konnte DIE LINKE diese Rolle seine demokratisch-marktwirtschaft- Der zweite Punkt ist der, dass für so gut spielen? Zum einen bedurfte es liche Stimme: »Wir sind auf dem Weg diesen Zustand der Unordnung, mit der Persönlichkeiten, die eine derar- in den Neosozialismus«! Und BILD dem die Menschen so unzufrieden tige Rolle in den Massenmedien auch kommentiert seitdem, als sei das Va- sind, die Politik verantwortlich gemacht auszufüllen vermögen wie Gregor Gysi terland bereits an die Russen – par- wird. Nicht das Wetter, nicht fremde oder Oskar Lafontaine. Aber auch die don! an die Roten verloren: »Wenn auf Mächte, nicht das Schicksal und auch Nebenrollen mussten gut besetzt sein. einem Schiff die Ladung auf eine Seite nicht die Wirtschaft. In säkularen Ge- Zum andern aber bedurfte es unbe- verrutscht, gerät es im Sturm in höchs- sellschaften ist das allgemeine Gegen- dingt des politischen Aktivismus’ vie- te Gefahr.« (4. Oktober) über der Menschen: Der Staat. Der ist ler Genossinnen und Genossen vor Ort, Aber nicht nur das Volk, auch die für die Ordnung, für Stabilität, Wohl- an der Basis. Nur weil beides zusam- Parteien, hört man, rucken nach links. stand und auch für die Sicherheit der menkam, gibt es den »Linksruck«. DEBATTE DISPUT November 2007 0 6
DIE LINKE und persönlich Oskar La- in denen Utopien wieder an Kraft ge- fontaine sind derzeit die politischen winnen. Es gibt ihn seit Jahrtausen- Ich abonniere Meinungsbildner in Deutschland. In- den, den Traum vom Leben ohne die sofern lag die Financial Times Deutsch- Last und die Angst des Daseins. Man DISPUT land nicht falsch, als sie am 8. Okto- darf diese Vorstellung, wann immer sie ber 2007 titelte: »Die Lafontaine-Repu- mächtig wird, sei es Ende des 8. Jahr- blik«. hunderts vor Christus in Hesiod »Werke Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, und Tage« oder eben heute, nicht wört- diese uns als Partei zugewiesene Rol- lich nehmen. Man wird sie sonst nicht le gut zu verstehen und gut zu spielen. verstehen. Ein Leben ohne Arbeit, Hun- So, wie es heute aussieht, erwarten die ger, Krankheit, ohne Alter und Tod – das Name, Vorname Leute nun eine Reaktion von den ande- übersetzt sich so: Die Annäherung, der ren Parteien und dann natürlich end- Versuch zählt. Wenn die Arbeitszeit ver- lich von der Regierung. Nicht von uns. ringert (= keine Arbeit), ein Existenzmi- Straße, Hausnummer Wir haben für sie das Beste schon ge- nimum (= kein Hunger), medizinische tan. Aber zunächst damit eben auch Versorgung (= keine Krankheit) für alle unsre Schuldigkeit. Nun erwartet man und das menschliche Leben verlängert PLZ, Ort was von den andern. Dass sie dafür (= kein Tod) wird, dann ist die Welt in sorgen, dass der Staat wieder in seine Ordnung. Wir sehen: Dies alles ist ge- Rolle eintritt. Ob als vor- oder als nach- genwärtig in Frage gestellt. Von daher Ich bestelle ab sofort Exemplar(e) sorgender, als schlanker oder pumme- rührt die große Unzufriedenheit.1 der Zeitschrift DISPUT im liger – das ist den Leuten schnuppe. Wir dürfen das nicht verwechseln, 4. Über soziale Gerechtigkeit und es ist nicht der konkrete, der praktische Halbjahresabonnement zum Preis von über den Sozialismus Ruf nach einer anderen Gesellschaft. Es 12,00 Euro inkl. Versandkosten Der »Linksruck«, das ist auch der öf- soll nur besser, nicht unbedingt anders fentlich festgestellte Mangel an sozi- werden. Darum wird diese Unordnung Jahresabonnement zum Preis von aler Gerechtigkeit. Verfällt man nicht eher vergehen, eher zu beseitigen sein 21,60 Euro inkl. Versandkosten umgehend ins Aufzählen singulärer als die Ungleichheit.2 Sachverhalte, so skandiert man im All- 5. Was tun? und nutze den vorteilhaften Bankeinzug gemeinen den Einbruch der Ungleich- Darauf habe ich drei Antworten. Ers- heit ins Leben der Menschen. tens: Die uns zugewiesene Aufgabe bei Wiederum mag man das nicht ver- der öffentlichen Artikulation/des Laut- wechseln mit den Ungleichheiten, die sprechers der allgemeinen Unzufrie- Geldinstitut es immer und überall gab und gibt. Hier denheit erfüllen und damit an der Än- geht es um eine doppelte und – für derung der Politik, an der Beseitigung mehrere Generationen – neue Erfah- der Unzufriedenheit mitwirken. Zwei- Bankleitzahl rung. Einmal weiß man mittlerweile um tens: dabei nicht vergessen, dass das eine neue Qualität des Ausschlusses länger bestehen bleibende Problem der sogenannter Unterschichten (»Hartz- Ungleichheit noch zu lösen ist, wenn IV-Empfänger« heißen Mitglieder ei- die große Zahl der Menschen wieder Kontonummer ner neuen Spezies Mensch). Das sind zufrieden sein wird. Das bedarf grund- nicht mehr die bislang immer schon legender Veränderungen in Politik und oder zwar häufig vorkommenden, generell Gesellschaft. Drittens: den modernen aber jeweils wieder zu integrierenden Traum vom heutigen und künftigen Le- bitte um Rechnungslegung (gegen Individuen. Hier werden heute dauer- ben erzählen. Reich, sinnlich und kühn Gebühr) an meine Adresse. haft Menschengruppen aus der Gesell- dieses Leben und die Erzählung auch. schaft ausgestoßen. Gleichheit und gutes Leben. Und dass Dann aber sind es auch Teile der es erstickt, wenn die Freiheit gering ge- Oberschichten, die sich dem Ver- schätzt oder aufgegeben wird. Das Abonnement verlängert sich automatisch um den kehr, der Vergleichbarkeit, der Rezip- angegebenen Zeitraum zum gültigen Bezugszeitraum, falls ich nicht 15 Tage (Poststempel) vor dessen Ablauf rozität entziehen. Ein Ackermann, ein Dr. Harald Pätzolt ist Mitarbeiter der schriftlich kündige. Schrempp treten aus der Gesellschaft Bundesgeschäftsstelle. aus. Und viele kleinere Oberschichtler harald.paetzolt@die-linke.de tun es, indem sie sich zum einen den größten Teil des gesellschaftlichen Datum, 1. Unterschrift Reichtums aneignen, zum andern aus 1 Die Kenntnis dieser Lesart von Hesi- den sozialen Sicherungssystemen und od verdanke ich Eric Voegelin. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich die Bestellung damit aus der Solidargemeinschaft ver- 2 Ganz nebenbei sei daran erinnert, innerhalb von 10 Tagen widerrufen kann. abschiedet haben. dass immer dann, wenn allgemeiner Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Es ist ein zutiefst beunruhigender, Wohlstand herrschte, die Unzufrieden- Widerrufs. beängstigender Zustand, wo der Mas- heit von einem Unglücklichsein abge- se der Menschen die Bindungen nach löst wurde. Erich Honecker wunderte oben und nach unten fehlen. Ich sich bis an sein Ende, warum »unsere Datum, 2. Unterschrift fürchte, dass dieser Zustand für länge- Menschen« nicht zufrieden und glück- Coupon bitte senden an: Parteivorstand DIE LINKE, re Zeit bleiben wird. lich waren, nachdem sie doch Arbeit Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin Geschichtsmomente der Unzufrie- und Wohnung, Gesundheit und ein ru- Bestellungen auch möglich unter: www.die-linke.de denheit sind auch solche Momente, higes Alter sicher hatten. 7 0 DISPUT November 2007
BUCHTIPP »DIE LINKE. Wohin verän- dass sie ihren Aufschwung der Empö- wie Angehörige mittlerer und höherer rung in der Wählerschaft über sozial- Bildungsabschlüsse heraus. dert sie die Republik?« demokratische Verbiegungen und ih- Der Beitrag von Wolfgang Dreibus, rer Kaninchenstarre vor der wachsen- Matthias Hinze und Axel Troost verweist Alle Parteien bereiten den Wahlkampf den Macht der privaten Profitinteres- auf neue konzeptionell-gewerkschaft- 2009 vor und entwickeln Strategien sen verdankt. liche Kompetenzen der Partei vor dem darüber hinaus. Die SPD löst sich vor- Meinhard Meuche-Mäker zeich- Hintergrund, dass der SPD »das Senso- sichtig von der Agenda 2010 und net auf der Basis von leitfadenge- rium für Veränderung von Lebenswirk- spricht wieder vom demokratischen stützten Experteninterviews ein un- lichkeiten und Interessenlagen abhän- Sozialismus. Nicht mehr die »Neue Mit- geschminktes Bild von den Denkwei- gig Beschäftigter« verlorenging. Die te«, sondern eine »solidarische Mehr- sen und Haltungen von führenden Signale der gewerkschaftlichen Basis heit« ist die Zielgruppe, so ihr Vorsit- Akteuren der beiden fusionierten Par- wurden »nicht verarbeitet«. Nun habe zender Kurt Beck. Diese Mehrheit gibt teien. Gefragt wurde nach den Schwie- DIE LINKE eine Situation geschaffen, in es rein rechnerisch, jedoch ohne ge- rigkeiten und Konflikten im Zusammen- der die Forderung nach Mindestlohn in meinsames Projekt. gehen, dem Selbstverständnis, den den Gewerkschaften Allgemeingut und Michael Brie beschreibt in dem eben strategischen Ansätzen, nach der Un- dann von der SPD aufgegriffen wurde. erschienenen Buch »DIE LINKE. Wohin terschiedlichkeit der Akteure und ihrer Das verändere auch die strategische verändert sie die Republik?« zwei mög- politischen Kultur, der Ost-West-Diffe- Grundsituation in Deutschland. Katja liche gesellschaftliche Mehrheiten: ei- renz, dem Wirken der Bundestagsfrak- Kipping beschreibt die »Gipfelprotes- ne solidarische und eine marktliberal- tion und ihren Repräsentanten. Bemer- te 2007 als einen gelungenen Start für autoritäre. Daher müsse das zentrale kenswert sind die unterschiedlichen, DIE LINKE«, in denen das zu Recht ein- strategische Ziel der Partei DIE LINKE teilweise gegensätzlichen Grundorien- geforderte Bündnis zwischen Parteien die Schaffung von Mehrheiten für ei- tierungen, Erfahrungen und Handlungs- und sozialen Bewegungen erfolgreich nen Richtungswechsel sein. Die Ana- optionen der beteiligten Akteure. funktioniert hat. Dies sei ein Schritt lyse politischer Milieus, die er aus ei- Ein zentraler Konflikt bleibt die Re- voran und zeigte DIE LINKE als »Bewe- ner Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gierungsbeteiligung, die Cornelia Hil- gungspartei«. übernimmt und hinsichtlich ihrer sozi- debrandt am Beispiel Berlin darstellt. »Was in Bremen geschieht, kommt alen und politischen Bündnisfähigkeit Kann man in Regierung zugleich gesell- früher oder später auch anderswo«, er- weiterdenkt, führt er zu folgenden The- schaftskritische Opposition sein? Geht klärt Christoph Spehr in seinem Beitrag. sen. Erstens: Die oberen gesellschaft- linkes Regieren? Was ist mit den Privati- Bremen zeigte, dass sich jene Strate- lichen Gruppen sind in eine marktlibe- sierungen? Dieter Klein beschäftigt die- gien bewähren, die den politischen rale und eine soziale Richtung gespal- se Frage grundsätzlicher: Kann es Grün- Raum besetzen, Vorurteile zerstreuen, ten, die unteren Gruppen vereint – sie de für den Verkauf von Einrichtungen öf- die Vielzahl von Zielgruppen berück- sind deutlich sozial und in bestimmtem fentlicher Daseinsvorsorge geben, und sichtigen und bedenken, dass Gegen- Maße autoritär orientiert. Zweitens: Die welchen Kriterien sollten den Auseinan- macht-Strategien der Unterdrückten Parteien, die die unteren Gruppen ge- dersetzungen um unterschiedliche Ei- komplexer sind, als Parteiführungen winnen, ohne ihre Basis in den obe- gentumsformen zugrunde liegen? es wahrhaben wollen. Und: »Wer das ren Gruppen zu verlieren, können über Ein anderes Problem der Berliner Volk mobilisieren will, muss mit dem stabile Mehrheiten verfügen. Drittens: war die wachsende Entfremdung zwi- Volk reden, ernsthaft und auf Augenhö- Auf der Basis ein und derselben gesell- schen Partei und Landespolitik. Rainer he«. So wird man in Bremen zwar nicht schaftlichen Einstellungen können ge- Ferchland beschreibt das an Hand der Volkspartei, »aber Partei des Volkes«. gensätzliche Mehrheiten geschaffen Mitgliederbefragung der Berliner LIN- Ob DIE LINKE diesem Maßstab gerecht werden: Mehrheiten, die für marktli- KEN in Marzahn-Hellersdorf. Außerdem wird, muss sie noch beweisen. Erste berale und autoritäre Richtung stehen verweist er auf Probleme ostdeutscher Voraussetzungen hat sie geschaffen. oder eben für eine soziale und demo- Landesverbände. Wie bleibt eine al- kratische Richtung. ternde Partei in einer alternden Gesell- aus: RosaLux, Journal der Rosa- Die LINKE braucht als eine von meh- schaft handlungsfähig? Allgemeiner be- Luxemburg-Stiftung reren Kräften für einen politischen Rich- schreibt dies Dietmar Wittich mit Blick tungswechsel mehrheitsfähige Alterna- auf die Wählerschaft der neuen Partei. © Repro tiven. Die Chance hierfür – so Dietmar 14,2 Prozent ihrer Wählerschaft kom- DIE LINKE Bartsch in seinem Beitrag – sei eine zu- men aus der SPD, 11,7 Prozent aus dem Wohin verändert tiefst innersozialdemokratische: »Aus- Nichtwählerlager, und über 50 Prozent sie die Republik? grenzung und Ausschluss oder Koope- haben sie 2005 wiedergewählt. Aber 18 Texte 40 der Rosa- ration mit der LINKEN?« Ein Linksbünd- Prozent wollen sie nicht mehr wählen, Luxemburg-Stiftung nis wächst aus der Gesellschaft, nicht darunter viele Frauen. Bei den zuge- Karl Dietz Verlag aus machtpolitischen Spielereien, er- wanderten Gruppen ragen die Anteile Berlin 2007 klärt er. Das heißt sie wäre zum Unter- an Männern und Angestellten, älteren 317 Seiten, gang verurteilt, würde sie vergessen, Gruppen und Rentnern von der SPD so- 19,90 Euro DISPUT November 2007 0 8
Alte Idee mit neuen Aufgaben Zur Arbeit des Bundesvereins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens e. V. Ein Gastbeitrag von Jan Kuhnert Genossenschaften sind mehr als ei- rung preiswerten Wohnens ist eine Ge- Mit der aktuell geplanten Einfüh- ne Rechtsform für wirtschaftliche Be- nossenschaftslösung geeigneter als rung der Mini-GmbH wird die Genos- tätigung. Sie sind Bestandteil der poli- der Verkauf kommunaler Wohnungen senschaft für Neugründungen in Zu- tischen, wirtschaftlichen und sozialen an Finanzinvestoren. kunft noch unattraktiver, als sie es of- Demokratie. Der Bundesverein zur För- Projekte, die auf solidarischem Han- fenbar jetzt schon ist. Wir setzen uns derung des Genossenschaftsgedan- deln basieren und damit zum Erfolg daher dafür ein, dass es eine ver- kens e. V. hat sich 1986 gegründet, in gelangen, organisieren ihr Wirtschaf- gleichbare Regelung auch im Genos- einer Zeit, als der Ruf nach »mehr De- ten gemeinschaftlich nach den genos- senschaftsgesetz gibt. Dabei müss- mokratie wagen« auch in der wirt- senschaftlichen Grundprinzipien der te die Mini-Genossenschaft so ausge- schaftlichen und sozialen Sphäre an- Selbsthilfe, der Selbstverantwortung staltet werden, dass sie ohne bürokra- gekommen war. Steigende Arbeitslo- und Selbstverwaltung. Diese Unterneh- tische Hemmnisse gegründet werden sigkeit und der zunehmende Wunsch, men bereichern die Gesellschaft und kann (keine Gründungsprüfung, kei- zentrale Lebensbe- überwinden sozi- ne Pflichtmitgliedschaft in einem ge- reiche wie zum Bei- ale oder ökono- nossenschaftlichen Prüfungsverband spiel Wohnen und mische Benachtei- und keine Pflichtprüfung), dass ande- soziale Dienste un- ligungen und Un- rerseits aber sichergestellt wird, dass ter Einbeziehung der gerechtigkeiten. der Übergang in die eingetragene Ge- Betroffenen zu ge- Während diese nossenschaft reibungslos funktioniert stalten, haben aktu- Grundprinzipien in (Pflichtmitgliedschaft und Pflichtprü- ell auch den Genos- manchen Ländern fung bei Überschreiten bestimmter Um- © privat senschaftsgedanken hohe Achtung ge- satz- und Bilanzgrößen). neu belebt. nießen und nach Der Bundesverein zur Förderung des Nicht nur an die- Kräften gefördert Genossenschaftsgedankens hat sich se Entwicklungen knüpft der Verein an, werden, führen Genossenschaften in zum Ziel gesetzt, der Genossenschaft sondern ebenso an eine weit über hun- unserem Land in der öffentlichen Wahr- zu ihrer verdienten Beachtung zu ver- dert Jahre alte Tradition: dem Zusam- nehmung nach wie vor ein Schatten- helfen. Dazu stellt er Kontakte her zu menschluss von Gruppen in Notlagen dasein. Durch die Diskussionen im Zu- Entscheidungsträgern aus Politik und zur Verbesserung ihrer Lebenssituati- sammenhang mit der Reform des Ge- Verbänden und trägt seine Anliegen in onen. Bei der aktuellen Polarisierung nossenschaftsgesetzes zum 18. Au- die Öffentlichkeit. Darüber hinaus wirkt der Gesellschaft in immer reicher wer- gust 2006 haben Genossenschaften in er durch den regelmäßig ausgeschrie- dende und verarmende Bevölkerungs- erfreulicher Weise eine verstärkte Auf- benen Wettbewerb über erfolgreiches teile wird die Zunahme der Opfer die- merksamkeit erlangt. Dennoch ist die solidarisches Handeln in Genossen- ser Entwicklung viel zu wenig beachtet. Genossenschaft immer noch nicht ei- schaften, die Mitgliedschaft und Un- Die öffentliche Hand ist häufig nicht ne gleichberechtigte Rechtsform neben terstützung der Gründungsagentur in- mehr bereit oder in der Lage, den so- den Kapitalgesellschaften und den ide- nova eG und Fachveranstaltungen auf zialen Ausgleich zu gestalten und zu fi- ellen Vereinen. die Fachwelt und die genossenschaft- nanzieren, und zieht sich aus vielen Be- Auch wenn mit der Reform des Ge- lichen Verbände ein. Der Bundesverein reichen zurück. nossenschaftsgesetzes im Jahr 2006 zur Förderung des Genossenschaftsge- Neben den Genossenschaften auf einige wichtige Forderungen des Bun- dankens bietet damit Interessierten die den klassischen Geschäftsfeldern (zum desvereins erfüllt worden sind, so sind Möglichkeit, den Genossenschaftsge- Beispiel Wohnungs(bau)genossen- doch weitere Maßnahmen erforder- danken weiterzuentwickeln und zu ver- schaften, Banken oder als Unterneh- lich, damit die Genossenschaften in breiten. menskooperation) gibt es eine Reihe Deutschland wieder eine noch größere von Genossenschaften, die ihre Mit- Rolle spielen, als sie es derzeit schon Jan Kuhnert ist Vorstandsvorsitzender glieder mit sozialen Dienstleistungen tun. Dies sind insbesondere: des Bundesvereins zur Förderung des oder ökologischen Produkten versor- ■ ■ eine verstärkte Informations- und Genossenschaftsgedankens e. V. (BzFdG). gen. Hier zeigt sich deutlich, dass die Bildungsoffensive (zum Beispiel die Genossenschaft sehr gut dazu geeignet Aufnahme von solidarischen Wirtschaf- ist, wirtschaftliches Handeln einerseits ten in die Lehrpläne der Schulen), ■ ■ Der BzFdG veranstaltet und die Erreichung ideeller Ziele ande- ■ ■ die (Wieder-) Aufnahme der Ge- Seminare, Lehr- und Vortrags- rerseits zu kombinieren. nossenschaften als gleichberech- veranstaltungen, fördert gemein- Viele Projekte des Bürgerengage- tigte Unternehmensform in Förderpro- nützige Aufgaben und organisiert ments werden als Genossenschaft orga- gramme und Informationsveranstaltungen für nisiert, von der Trägerschaft von Schu- ■ ■ eine Klarstellung, dass und unter Neugründer sowie zum Ausbau len über Stadtteilgenossenschaften bis welchen Voraussetzungen Genossen- von Genossenschaften. hin zur Übernahme von Bädern, Thea- schaften als gemeinnützig im Sinne Tel. (0511) 228 959 40 tern etc., die von Schließung bedroht der Abgabenordnung anerkannt wer- Fax (0511) 228 959 68 sind. Auch als Instrument zur Siche- den können. www.genossenschaftsgedanke.de 9 0 DISPUT November 2007 VERBÄNDE
Die Arbeitswelt gerechter machen Das Manifest »Gute Arbeit – Gutes Leben« Von Werner Dreibus Mit der Schrift »Gute Arbeit – Gutes warten, so fällt die Antwort eindeutig ben und weniger verdienen als fest An- Leben. Manifest für eine gerechte Ar- aus: Die Arbeit muss sicher sein. Sie gestellte. beitswelt« legt die Bundestagsfraktion muss anständig bezahlt sein, meine ■ ■ Bei Neueinstellungen wurde die DIE LINKE ein umfassendes Programm Arbeit soll mich nicht krank machen, Dauer einer Befristung auf zwei Jahre vor, das den modernen Anforderungen und ich möchte so arbeiten, dass ich angehoben. Damit werden der Kündi- der Menschen an die Erwerbsarbeit tat- Beruf, Freunde und Familie gut verein- gungsschutz unterlaufen und die Pro- sächlich gerecht wird. baren kann. Gemessen an diesen Kriterien, bie- ten nur noch wenige Arbeitsplätze in Deutschland eine »Gute Arbeit«. Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Ge- werkschaftsbundes kommt zu dem Er- gebnis, dass mehr als ein Drittel aller Beschäftigten ihre Arbeit als schlecht bewerten, nur 12 Prozent sprechen von guter Arbeit. Besonders Beschäftigte in Leiharbeit, befristeten Beschäftigungs- verhältnissen und Minijobs bewerten ihre Arbeitsplätze negativ. Als Grün- de geben sie vor allem die unsicheren © Erich Wehnert (2) Beschäftigungsperspektiven und die niedrige Bezahlung an. Daran ändert auch der aktuelle Wirt- schaftsaufschwung nichts. Die gute Konjunktur führt zwar zu mehr Nach- frage nach Arbeit. Insgesamt bleibt Anders als die SPD, die die Ausbreitung der Zuwachs an Arbeitsplätzen aber »Wenn wir die schlechter Arbeit (unsicher, gering be- deutlich hinter dem Zuwachs im letz- Menschen fragen, zahlt, nicht mitbestimmt) nur beklagt, ten Aufschwung zurück, weil die Men- was sie von einem aber nicht zu einer Abkehr von der schen, die bereits eine Arbeit haben, guten Arbeitsplatz Agenda-Politik bereit ist, benennt das länger arbeiten müssen. Und: Ein Groß- erwarten, so fällt Manifest der LINKEN konkrete Schritte teil der neuen Arbeitsplätze entsteht in die Antwort ein- für eine Wende in der Arbeitsmarktpo- der Leiharbeit oder ist befristet. Das deutig aus: Die litik. sind Beschäftigungsverhältnisse mit Arbeit muss sicher Das Manifest »Gute Arbeit – Gutes wenig Perspektive. Auch die Situation sein. Sie muss an- Leben« ist eine Selbstverpflichtung der der Arbeitslosen ist schlechter, als es ständig bezahlt LINKEN und zugleich ein Angebot zur die Zahlen nahelegen: Obwohl die Ar- sein, meine Ar- Zusammenarbeit an Gewerkschaften, beitslosigkeit auf das Niveau von 1994 beit soll mich nicht Sozialverbände, Initiativen und an- gesunken ist, erhalten statt 1,7 Millio- krank machen, dere, die die Erwerbsarbeit im Inter- nen Menschen heute nur 930.000 Ar- und ich möchte so esse der Beschäftigten gestalten wol- beitslosengeld I. Alle anderen werden arbeiten, dass ich len. Diesen Anspruch haben alle ande- mit dem niedrigen Arbeitslosengeld II Beruf, Freunde und ren im Bundestag vertretenen Parteien abgespeist. Familie gut verein- aufgegeben. Für die Ausbreitung unsicherer und baren kann ...« In seiner Regierungserklärung im gering entlohnter Beschäftigungsver- März 2003 hat der damalige Kanz- hältnisse hat die Gesetzgebung im Rah- ler Schröder als ein Ziel der Agenda men der Agenda 2010 die wesentlichen 2010 die Modernisierung des Arbeits- Voraussetzungen geschaffen. Unter Bil- marktes ausgegeben, ohne dass dabei ligung von CDU und FDP hat die rot-grü- »das Soziale beiseite gedrängt würde« ne Koalition Schutzrechte für Beschäf- (Schröder). Heute müssen wir feststel- tigte abgebaut und Leistungen für Ar- len, dass die Politik der Agenda 2010 beitslose zusammengestrichen: genau zu dem geführt hat, was laut ■ ■ Die Begrenzung der Verleihdauer Schröder verhindert werden sollte. Sie von Leiharbeiterinnen und Leiharbei- hat das Soziale in der Arbeitswelt bei- tern wurde abgeschafft. Immer mehr seite geschoben. Unternehmen nutzen Leiharbeit statt Wenn wir die Menschen fragen, was reguläre Arbeit, weil Leiharbeiter/in- sie von einem guten Arbeitsplatz er- nen im Betrieb weniger zu sagen ha- SOZIAL
bezeit faktisch auf zwei Jahre verlän- öffentliche Einrichtungen die 1-Euro- zunehmen und so die »Schwachen« gert. Jobber/innen als billige Arbeitskräfte auszusortieren. ■ ■ Die Verdienstgrenze für Minijobs missbrauchen und gleichzeitig gute Ar- ■ ■ Die Bezugsdauer für das Arbeits- wurde auf 400 Euro angehoben. Damit beitsplätze abbauen. losengeld I wurde drastisch gekürzt. wurde der Umwandlung regulärer, fes- ■ ■ In Unternehmen mit weniger Jede Arbeit wurde als zumutbar erklärt, ter Stellen in Hilfsjobs der Weg geeb- als zehn Beschäftigten gibt es kei- auch wenn sie noch so schlecht ent- net. Die Unternehmer zahlen weniger nen Kündigungsschutz mehr. Betrof- lohnt ist und mit der Qualifikation des Sozialbeiträge und Lohn und behal- fen davon sind etwaacht Millionen Be- oder der Arbeitssuchenden gar nichts ten mehr für sich. Die Beschäftigten schäftigte. Die Menschen leben stän- zu tun hat. Zudem wurde mit dem Ar- mit Minijobs sind ohne ausreichendes dig in der Ungewissheit, ob sie auch beitslosgeld II eine soziale Sicherung Einkommen, ohne Schutz bei Arbeits- morgen noch Arbeit haben. Zusätz- eingeführt, die diesem Anspruch nicht losigkeit und erwerben zudem kaum lich wurde den Unternehmen gestat- gerecht wird. Von 347 Euro im Monat Rentenansprüche. tet, besonders leistungsfähige Be- kann niemand menschenwürdig leben. ■ ■ Die Einführung der 1-Euro-Jobs schäftigte von der Sozialauswahl bei Finanzielle Notlagen und beruflicher führte dazu, dass Unternehmen und betriebsbedingten Kündigungen aus- Abstieg sind die Folgen. So wurden die
»Wer »Gute Arbeit« tatsächlich will – und nicht nur auf Stimmen- fang bei Beschäf- tigten und Gewerk- schaften aus ist –, der muss die poli- tischen Ursachen ›Schlechter Arbeit‹ beseitigen, der muss der Agenda 2010 eine klare Absage erteilen.« DISPUT fotogra- fierte im Gasturbi- nenwerk Berlin, in der DeltaTech Controls GmbH und in der G-Elit Präzisionswerk- zeug GmbH. Arbeitslosen erpressbar gemacht und wicklung ist nicht absehbar. Für Millio- türlich. Aber sie werden nur zu mehr der Ausbreitung von Hungerlöhnen der nen Menschen ist die Agenda 2010 al- »Guter Arbeit« beitragen, wenn auch Weg geebnet. so nichts anderes als »Schlechte Arbeit die anderen Fehlentscheidungen der Die Kritik der LINKEN an diesen unso- per Gesetz«. Agenda 2010 rückgängig gemacht wer- zialen Entscheidungen kontern die poli- Und weil das so ist, begrüßt DIE LIN- den. Auf dem Weg zu »Guter Arbeit« tischen Fans der schlechten Arbeit ger- KE, dass jetzt bei den für diese Poli- kommen wir deshalb an der vollständi- ne mit der Frage, ob es den besser sei, tik Verantwortlichen eine Diskussion gen Korrektur der Agenda-Politik nicht wenn die Menschen statt eines Arbeits- in Gang kommt, ob diese Politik denn vorbei. platzes in der Leiharbeit oder eines Mi- richtig war und ist. Die bisherigen Bei- Unsere Bundestagsfraktion hat am nijobs arbeitslos bleiben würden. träge erwecken allerdings den Ein- 23. Oktober 2007 ein Manifest für »Gu- So kann nur argumentieren, wer die druck, dass die Beteiligten nicht bereit te Arbeit – Gutes Leben« vorgelegt und Wirklichkeit am Arbeitsmarkt ausblen- sind, konsequent zu handeln. Wer »Gu- zwei Tage später einen entsprechenden det. Etwa die Tatsache, dass die Einfüh- te Arbeit« tatsächlich will – und nicht Antrag in den Bundestag eingebracht. rung der Minijobs im Einzelhandel zur nur auf Stimmenfang bei Beschäftigten Im Kern geht es uns um eine grundsätz- Vernichtung zehntausender regulärer und Gewerkschaften aus ist –, der muss liche Neuausrichtung der Politik. Wir und sozial abgesicherter Arbeitsplätze die politischen Ursachen »Schlechter brauchen nicht Arbeit um jeden Preis. geführt hat. Oder nehmen wir die Leih- Arbeit« beseitigen, der muss der Agen- Das war die Botschaft der Agenda 2010. arbeit, sie hat längst die ihr einst zuge- da 2010 eine klare Absage erteilen. Ei- Wir brauchen stattdessen Arbeit nach dachte Funktion als Personalpuffer bei ne »Weiterentwicklung« falscher poli- den Bedürfnissen der Menschen. Auftragsschwankungen verloren. Heu- tischer Entscheidungen gibt es nicht. Der allzeit verfügbare und uneinge- te gilt sie in den Personalabteilungen Auch wenn Herr Beck das der Öffent- schränkt mobile Arbeitnehmer ohne als probates Mittel, um Tariflöhne zu lichkeit weiß machen möchte. Kinder oder pflegebedürftige Angehö- unterlaufen und den Kündigungsschutz Es reicht auch nicht aus, einzelne rige kann nicht länger das Leitbild der zu umgehen. Quer durch alle Branchen Entscheidungen wie die Kürzung des Arbeitsmarktpolitik sein. Denn so ist werden gute Arbeitsplätze durch Leih- Arbeitslosengeldes zu korrigieren. DIE kein »Gutes Leben« möglich. Für ein arbeit ersetzt. Und ein Ende dieser Ent- LINKE begrüßt solche Forderungen na- »Gutes Leben« brauchen die Menschen SOZIAL DISPUT November 2007 012
sichere Arbeitsplätze, vernünftige Ar- gewiesen: Aus Angst vor Leistungskür- beitszeiten und gute Löhne. Nur so zungen akzeptieren selbst hochqua- lässt sich die Arbeit mit Familie, Freun- lifizierte Arbeitslose immer häufiger den und Freizeitaktivitäten vereinen. Hungerlöhne und miese Arbeitsbedin- Eine unverzichtbare Grundlage für gungen. Das ist ein unwürdiger und un- mehr »Gute Arbeit« ist die Beseitigung haltbarer Zustand. der Massenarbeitslosigkeit. Mit einem 2. Die Beschäftigten müssen wirk- umfangreichen Investitionsprogramm, sam vor Lohndumping und einer Per- einem Programm für mehr öffentlich sonalpolitik des Heuerns und Feuerns geförderte Beschäftigung und einem geschützt werden. Deshalb sind Leih- Konzept für eine gerechte Steuer- und arbeiter und Leiharbeiterinnen so zu Finanzpolitik hat DIE LINKE dazu be- bezahlen wie ihre fest angestellten reits konkrete Vorschläge unterbreitet. Kollegen und Kolleginnen in den Ent- © Erich Wehnert (3) Unser Manifest enthält weitere leihbetrieben. Deshalb muss die Be- Schritte, um die Arbeitswelt gerechter fristung von Beschäftigungsverhältnis- zu machen. Diese Vorschläge können sen wieder vom Vorliegen triftiger be- und müssen kurzfristig umgesetzt wer- trieblicher Gründe abhängig gemacht den. Im Kern geht es darum, unsichere werden. Und schließlich wollen wir die Beschäftigung zurückzudrängen und staatliche Subventionierung von ge- reguläre – unbefristete, sozialversiche- ringfügiger Beschäftigung beenden. Je- 4. An der Einführung eines allge- rungspflichtige, mitbestimmte, gut ent- de Stunde Arbeit muss voll sozialversi- mein gültigen gesetzlichen Mindest- lohnte – Arbeitsverhältnisse zu fördern. cherungspflichtig werden. lohns führt kein Weg vorbei. Die Auf- Aus der Vielzahl der Forderungen hier 3. Die vorhandene Arbeit muss ge- nahme weiterer Branchen ins Entsen- sechs Beispiele: rechter verteilt werden. Es ist nicht hin- degesetz ist richtig, aber für einen um- 1. Neben einem längeren Bezug des nehmbar, dass weite Teile der Bevölke- fassenden Schutz vor Armutslöhnen Arbeitslosengeldes ist die Wiederein- rung von Arbeitslosigkeit, unfreiwilliger nicht ausreichend. führung von Zumutbarkeitskriterien Teilzeit oder Minijobs betroffen sind, 5. Wir brauchen auch einen wirksa- für Arbeitslose unverzichtbar. Kanz- während sich viele andere, die kürze- men Schutz gegen Lohnsenkungen. Da- ler Schröder hatte 2003 davon gespro- re Arbeitszeiten haben wollen, mit Ar- her werden wir in Kürze einen Gesetz- chen, dass diese anzupassen sein. Tat- beitszeitverlängerungen konfrontiert entwurf in den Bundestag einbringen, sächlich wurden sie ganz gestrichen. sehen. Deshalb wollen wir die zuläs- mit dem willkürliche Lohnsenkungen Das Institut für Arbeitsmarkt- und Be- sige Höchstarbeitszeit im Arbeitszeit- gleich welcher Art unterbunden wer- rufsforschung hat kürzlich auf die ver- gesetz in einem ersten Schritt auf 40 den. heerenden Folgen dieser Politik hin- Stunden pro Woche senken. 6. Auch zukünftig wird die Durch- setzung menschengerechter Arbeits- und Beschäftigungsformen wesentlich von der Stärke der Gewerkschaften ab- hängen. Deshalb wollen wir die Rech- te von Gewerkschaften und Betriebs- räten stärken. Dazu ist das Streikrecht auszuweiten, etwa auf die Übernah- me und Verlagerung von Unternehmen. Wir brauchen ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften zum Schutz gelten- der Tarifverträge sowie ein Vetorecht für Betriebsräte bei Einsatz von Leiharbeit und befristet Beschäftigten. Diese wenigen Hinweise sollen deutlich machen: Wer wirklich »Gu- te Arbeit« will, muss sich auf Alterna- tiven zur Agenda 2010 einlassen. Die Gewerkschaften haben dazu Vorschlä- ge unterbreitet. Und wir haben ein um- fassendes Programm vorgelegt. Nun erwarten wir von den anderen Parteien Beiträge, die unserer gemeinsamen Verantwortung für »Gute Arbeit« ge- recht werden. Werner Dreibus ist stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Zum Herunterladen gibt es das Manifest unter: www.werner-dreibus.de/ topic/17.wirtschaftspolitik.html 13 0 DISPUT November 2007
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