DISPUT - Partei DIE LINKE

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DISPUT - Partei DIE LINKE
ISSN 0948-2407   | 67 485 | 2,00 Euro

DISPUT
November 2007

Gibt es einen Linksruck?
Alle einbeziehen. Eine solidarische Erwerbstätigenversicherung
»… dreifach könnt ich den Tag füllen«. Die neue Liebknecht-Biografie
Vom Aufbau der »Neuen« – Berichte aus NRW, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen …
Wir sind alle die EL: Vor dem zweiten Kongress der Europäischen Linken

Arbeit im 21. Jahrhundert. Was ist ein »guter« Arbeitsplatz? Was tut DIE LINKE für soziale Arbeitsmarktpolitik? – Seite 10

                                                                                                                                  © Erich Wehnert
DISPUT - Partei DIE LINKE
Betroffene zu Beteiligten machen                  4                    Vom Aufbau der neuen Partei:
                                                                                           Düsseldorf, wir kommen!               26
                    Rezensiert                                        8                    Mustergültig im Musterländle          28
                                                                                           Demokratie auf Bayerisch              29
                    Alte Idee mit neuen Aufgaben:                                          Die Basis im Kaisersaal. Erfurt       30
ZITAT               Genossenschaften. Gastkommentar 9                                      Aktiv in der Szene. DIE LINKE.queer   32
                                                                                           Willkommen auch mit zwölf             33
»Ich habe           Die Arbeitswelt muss gerechter
aufgegeben          werden                                          10                     Anfänge im Stadtrat                   34
und wähle nicht
mehr. Falls ich     Alle einbeziehen. Eine solidarische                                    Nachbelichtet                         35
nun die Linke       Erwerbstätigenversicherung          14
wähle, können                                                                              Anpfiff für SV Rote Socken            36
Sie mir garantie-   Energisch                                       15
ren, dass ich                                                                              Pressedienst                          37
Ihnen bei nicht     Martinstag                                      16
gehaltenen                                                                                 Wir sind alle die EL. Vor dem
Wahlverspre-        Was die IG Metall will                          17                     Kongress der Europäischen Linken 38
chen die Ohren
abreißen darf?«,    Nicht nur satt, sauber, trocken.                                       Solidarität                           39
fragt eine Frau     Das Pflegekonzept der LINKEN                    18
Gregor Gysi.                                                                               Sozialismus chinesischer Prägung 40
Flensburger         Vor Ort                                         19
Tageblatt,                                                                                 Mindestens die Hälfte mit dem
2. November         »dreifach könnt ich den Tag füllen«.                                   Herzen: Andrej Hermlin                42
                    Die neue Liebknecht-Biografie.
                    Gespräch mit Annelies Laschitza 20                                     Briefe                                45

                    Biedermann und Selbstentlarvung.                                       Bücher                                46
                    Auseinandersetzung mit
                    Rechtsextremisten in Brandenburg 24                                    Novemberkolumne                       47

                    Traditionen                                     25                     Seite achtundvierzig                  48
                                                                          © Robert Bluhm

                                                                                                                  ZAHL DES MONATS
                                                                                                                  83
                                                                                                                  Deutliche Unterschiede zwischen den
                                                                                                                  Bundesländern gibt es bei der Le-
                                                                                                                  benserwartung. Am höchsten ist sie
                                                                                                                  bei Neugeborenen in Baden-Württem-
                                                                                                                  berg: voraussichtlich 78 Jahre bei Jun-
                                                                                           »You« nennt sich       gen, 83 Jahre bei Mädchen (Berichts-
                                                                                           Europas größte         zeitraum 2004/2006). Die niedrigste
                                                                                           Jugendmesse in         Lebenserwartung haben voraussicht-
                                                                                           Berlin. Zu ihr         lich die Jungen in Mecklenburg-Vor-
                                                                                           kamen Ende             pommern und Sachsen-Anhalt (74,5
                                                                                           Oktober 150.000        Jahre) und die Mädchen im Saarland
                                                                                           Jugendliche.           (80,8 Jahre).
                                                                                           Viele informierten
                                                                                           sich am Stand von
                                                                                           Linksjugend
                                                                                           [‘solid] und der
                                                                                           LINKEN.

                    IMPRESSUM DISPUT ist die Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE, herausgegeben vom Parteivorstand,
                    und erscheint einmal monatlich über Neue Zeitungsverwaltung GmbH, Weydingerstraße 14 – 16, 10178 Berlin
                    REDAKTION Stefan Richter, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin, Telefon: (030) 24 00 95 10,
                    Fax: (030) 24 00 93 99, E-Mail: disput@die-linke.de GRAFIK UND LAYOUT Thomas Herbell
                    DRUCK MediaService GmbH BärenDruck und Werbung, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin
                    ABOSERVICE Neues Deutschland, Druckerei und Verlag GmbH, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin,
                    Telefon: (030) 29 78 18 00 ISSN 0948-2407 REDAKTIONSSCHLUSS 12. November 2007

INHALT                                                                                                                           DISPUT November 2007   0   2
HERBERT WILZEK
                         53 Jahre, verheiratet, drei Töchter. Seit 1983 Wahl-Oberschwabe. Diplom-Psycho-
                         loge und Betriebswirt. Aktives ver.di-Mitglied. Seit 16 Jahren Personalratsvorsit-
                         zender am Zentrum für Psychiatrie Bad Schussenried. Vorsitzender der LINKEN
                         im Landkreis Biberach (Baden-Württemberg). Hobbys: Politik, Tanzen, Fußball.
                                                                                                              © privat

                         Was hat Dich in letzter Zeit am meisten überrascht?
                         Dass unser Gründungsparteitag so einvernehmlich und so erfolgreich
                         verlaufen ist.

                         Was ist für Dich links?
                         Die Werte Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit mit Leben zu füllen.

                         Was war Dein erster Berufswunsch?
                         Förster

                          Wenn Du Parteivorsitzender wärst ...
                         ... würde ich großen Wert auf die Entwicklung der Organisationsstrukturen
                          unserer Partei legen, damit unser hoher Anspruch, eine Partei neuen Typs zu
                          schaffen, sich darin verwirklicht.

                         Was regt Dich auf?
                         Das leichtfertige Nichteinhalten von Absprachen.

                         Wann und wie hast Du unlängst Solidarität gespürt?
                         Erst vorgestern, als meine liebe Frau meine ganze Wäsche gebügelt hat.

                         Wovon träumst Du?
                         Von schönen Frauen (wir haben drei Töchter), von Abenteuern (ich bin Per-
                         sonalratsvorsitzender an einem Krankenhaus und Kreisvorsitzender unserer
                         Partei) und von fernen Ländern (wir reisen gerne).

                         Wofür gibst Du gerne Geld aus?
                         Für schöne Frauen, für Abenteuer und ferne Länder.

                         Möchtest Du (manchmal) anders sein, als Du bist?
                         Nein, ich bin mit mir und meinem Leben äußerst zufrieden.

                         Müssen Helden und Vorbilder sein?
                         Vorbilder müssen sein, ja. Für mich sind das Menschen, die etwas Wichtiges
                         besser können als ich.

                         Wo möchtest Du am liebsten leben?
                         Ich lebe sehr gerne in Oberschwaben, denn hier gibt es wirklich sehr liebe
                         Menschen. Ich wünsche mir hier allerdings deutlich andere politische
                         Mehrheiten – daran arbeite ich.

                         Worüber lachst Du besonders gern?
                         Gemeinsam mit meiner Frau bei Veranstaltungen des Kabarettisten
                         Volker Pispers.

                         Was bringt Dich zum Weinen?
                         Die jahrzehntelange Umverteilung von Einkommen von unten nach oben.

                         Wovor hast Du Angst?
                         Dass ich es nicht mehr erlebe, dass DIE LINKE in Oberschwaben Volkspartei ist.

                         Welche Eigenschaften schätzt Du an Menschen besonders?
                         Wenn sie in der Lage sind, gute Laune zu verbreiten und dabei differenziert
                         und nicht oberflächlich sind, wie Beate, Anne, Ina, Stella, Stefan, Fabian,
                         Siggi, Moni, Martin, Sonja, Uwe, Michael und Monika.

                         Wie lautet Dein Lebensmotto?
                         Fröhlich sein, Gutes tun und die Schwarzen pfeifen lassen.

3   0   DISPUT November 2007                                                                         FRAGEZEICHEN
Betroffene zu Beteiligten machen
Mitglieder des Parteivorstandes stellen sich vor

Brigitte Ostmeyer                          xus leisten, selbst zu bestimmen, was                   Beispiel eine Carsharing-Zweigstel-
                                           ich machen will.                                        le gegründet – leider eine totaler Flop
Das hätte ich mir vor drei Jahren nicht       Während des späten Studiums der                      in der Autoregion von Daimler und Por-
träumen lassen: Ich stelle mich als Mit-   Politikwissenschaft, Soziologie und                     sche. Meine Vision ist nach wie vor ein
glied des Parteivorstandes der LINKEN      Rechtswissenschaft an der Fernuniver-                   intelligentes Mobilitätskonzept – war-
im »DISPUT« vor! Damals, 2004, konnte      sität Hagen (M.A. 2003) setzte ich mich                 um nicht kostenloser ÖPNV, aus Steu-
ich all die Argumente der Regierenden      unter anderem intensiv mit der »Sinn-                   ermitteln finanziert? Mein Ziel ist es, Al-
zur anscheinend alternativlosen Politik    frage« auseinander, die mich mein                       ternativen zum Ressourcen fressenden
nicht mehr hören. Den Kurs der Umver-      ganzes Arbeitsleben beschäftigt hat;                    Lebensstil zu entwickeln und damit ak-
teilung von unten nach oben mit Sach-      deshalb war ich auch Mitglied im FIfF                   tive Friedenspolitik zu machen.
zwängen zu begründen, das war aus          (Forum Informatiker/innen für Frieden                       Mein Parteieintritt bei den Grünen
meiner Sicht ein Abdanken der Politik,     und gesellschaftliche Verantwortung):                   1997 war ein Versuch, innerhalb der
die Aufgabe jeglichen politischen Ge-                                                              Partei die von mir vertretenen ökolo-
staltungswillens und nicht zuletzt ein                                                             gischen, wachstums- und kapitalis-
Versuch, »das Volk« zu verblöden. Toll,                                                            muskritischen sowie radikalpazifisti-
dass sich dagegen die WASG gründete.                                                               schen Positionen zu stärken –, und das
Am 8. März (!) 2005 wurde unser Kreis-                                                             ist auch mein Ziel innerhalb der LINKEN.
verband in Böblingen gegründet, da-                                                                Kurz gesagt war die Zeit bei den Grü-
nach war ich beim Bundesparteitag in                                                               nen eine große Enttäuschung. Als De-
Dortmund dabei, wurde vom Landes-                                                                  legierte bei den Bundesparteitagen er-
parteitag in den Länderrat gewählt und                                                             lebte ich, wie linke und pazifistische
vom Länderrat dann in die Steuerungs-                                                              Positionen zu einer exotischen Minder-
gruppe auf Bundesebene.                                                                            heit wurden. Als Sprecherin des Orts-
    Natürlich ging das mit dem Zusam-                                                              verbandes Böblingen organisierte ich
mengehen von WASG und Linkspar-                                                                    vor meinem Austritt im Oktober 2001
tei.PDS ein bisschen sehr schnell, wir                                                             noch eine Veranstaltung für attac (»Ei-
waren leider zu Getriebenen des po-                                                                ne andere Welt ist möglich«), und mein
litischen Kalenders geworden. Und                                                                  Ortsverband verabschiedete einen Be-
nicht selten argumentierten in diesem                                                              schluss, keine Mitgliedsbeiträge mehr
                                                                                  © Martin Storz

Prozess nun unsere Vorstandsmitglie-                                                               an die Bundespartei abzuführen, so-
der mit den alternativlosen Sachzwän-                                                              lange sie bei ihrer Afghanistanposition
gen – nicht eben zur Freude der Ba-                                                                bleibt – große Aufregung!
sis. Meine Grundüberzeugung war und                                                                    Der logische Schritt danach war der
ist aber, dass wir nur gemeinsam eine                                                              Eintritt bei attac. Allein durch außer-
Chance haben, die Politik nach links zu         Nur gemeinsam                                      parlamentarische Bewegungen Druck
rücken!                                                                                            zu erzeugen, scheint mir (ohne Gene-
    Ein Rückblick auf mein Leben vor der         eine Chance                                       ralstreik) nicht sehr aussichtsreich, lei-
LINKEN: Nach einer technischen Lehre                                                               der waren auch die Montagsdemos re-
absolvierte ich über den zweiten Bil-                       ■ ■                                    lativ erfolglos.
dungsweg ein Informatikstudium, ar-                                                                    Erst durch DIE LINKE im Parlament
beitete am Uni-Rechenzentrum in Stutt-                                                             bewegt sich etwas, wie der Sonder-
gart und seit 1981 im Forschungslabor      die Verstrickung der Computerindus-                     parteitag der Grünen und der (schein-
der IBM in Böblingen. Drei dieser Be-      trie in die Rüstung, die Verantwortung                  bare?) Kurswechsel der SPD zeigen,
rufsjahre (1987/1990) verbrachte ich       von InformatikerInnen für Wegrationali-                 beide Parteien scheinen endlich die
in Kalifornien – zu deutschen Arbeits-     sierung von Arbeitsplätzen, die gesell-                 Meinungsmehrheit »draußen auf der
bedingungen, die übrigens von den          schaftlichen Auswirkungen der von uns                   Straße« zur Kenntnis zu nehmen. Zu
amerikanischen KollegInnen als pa-         entwickelten Informations- und Kom-                     befürchten ist allerdings, dass diese
radiesisch empfunden wurden im Ge-         munikationstechnologien usw. Warum                      Wirkung in den Medien genutzt wird,
gensatz zu ihrem von Unsicherheit ge-      führt der technisch ermöglichte Pro-                    DIE LINKE für überflüssig zu erklären –
prägten Arbeitsleben. Genau diese Un-      duktivitätszuwachs nicht zu drastischer                 dagegen müssen wir im Parteivorstand
sicherheit kennzeichnete allerdings ein    Arbeitszeitverkürzung, sondern zu Ar-                   und an der Basis Strategien entwickeln,
paar Jahre später auch die deutsche Ar-    beitsverdichtung und Arbeitslosigkeit?                  um glaubwürdig als ökologischste, so-
beitswelt, weshalb ich mich als IG Me-     Das muss doch politisch zu gestalten                    zialste und »friedlichste« Partei in der
tall-Mitglied seit 1993 im Betriebsrat     sein – wenn es gewollt ist!                             Öffentlichkeit (Rolle der Medien!) an-
engagierte (meist freigestellt für die         Und damit bin ich in der Politik an-                zukommen.
Betriebsratsarbeit). Ende 2005 been-       gekommen. Seit den 70er Jahren habe                         Es wäre begrüßenswert, wenn wir
dete ich 53jährig das Arbeitsverhältnis    ich mich in örtlichen Friedens- und öko-                uns für eine intensive Diskussion darü-
bei IBM und kann mir seither den Lu-       logischen Initiativen getummelt, zum                    ber im Parteivorstand die Zeit nehmen

ANSICHTEN                                                                                                           DISPUT November 2007   0   4
würden – am Besten im Rahmen einer         Überall im Land wurde plötzlich über            werden muss, werden wir nur errei-
Klausurtagung. So hätten wir zusätzlich    die Gründung einer neuen Partei dis-            chen, wenn unsere Ideen in der Gesell-
die Möglichkeit, uns in diesem 44-köp-     kutiert. In jeder größeren Stadt fanden         schaft hegemonial werden. Das heißt,
figen »Riesenvorstand« etwas besser        erste Treffen statt. Im Sommer 2004             wir müssen Bündnisse schmieden, Wi-
kennenzulernen und zu verstehen und        gründeten wir dann den Verein »Wahl-            derstand an konkreten Punkten organi-
Ost-West-Biografien auszutauschen.         alternative Arbeit und soziale Gerech-          sieren und natürlich auch in Parlamen-
   PS: Unbedingt muss ich noch eine        tigkeit«. Wir hatten uns für dieses Mo-         ten und Talkshows für unsere Konzepte
Antwort an den geschätzten Vorstands-      dell entschieden, weil wir wollten, dass        werben. Wir dürfen aber niemals die Il-
Kollegen (oder heißt es »Genossen«?)       sich die vielen Menschen, die wir bis           lusion haben, dass Parlamente etwas
Jürgen Klute loswerden: Im Gegensatz       dahin als Mitstreiter/innen gewinnen            Grundlegendes verändern können.
zu ihm halte ich Sport nicht für eine      konnten, aktiv an der Gründung einer               Die Aufgabe der LINKEN sehe ich
Form der Energieverschwendung (Sep-        Partei beteiligen. Die Partei, die wir          darin, die versteinerten Verhältnisse
tember-DISPUT), sondern hole mir jede      wollten, sollte nicht von ein paar we-          zum Tanzen zu bringen. Dazu versuche
Menge Energie beim Joggen, Schwim-         nigen aus dem Boden gestampft wer-              ich im Parteivorstand meinen Beitrag
men und Rad fahren.                        den. Stattdessen sollte es einen demo-          zu leisten. Als Vorstand können wir
   PPS: Auch wenn der Platz längst         kratischen bundesweiten Prozess ge-             aber nur so viel bewegen, wie die Par-
verbraucht ist und wenn der Redakteur      ben, an dessen Ende alle Beteiligten            tei trägt. Wir entwickeln zum Beispiel
mich noch lässt: Eine Werbung der Bun-     über die Parteigründung entscheiden.            Ideen für Kampagnen bzw. setzen Par-
desregierung für die Rente mit 67 im       Nach der entsprechenden Urabstim-               teitagsbeschlüsse um, wie bei der Ki-
DISPUT 9 könnte ja ein guter Gag sein,     mung wurde im Januar 2005 die Partei            ta-Kampagne. Ob daraus am Ende wirk-
wenn auf der gegenüberliegenden Sei-       WASG gegründet.                                 lich ein bundesweit sichtbares öffent-
te die Fakten auseinandergenommen                                                          liches Signal wird, ob wir tatsächlich
würden. Aber so? Null Verständnis!                                                         den Druck entfalten können, den wir
                                                                                           bei der Mindestlohn-Kampagne ge-
                                                                                           schafft haben, hängt von der Partei als
Marc Mulia                                                                                 Ganzes ab. Aus diesem Grund sehe ich
                                                                                           den regelmäßigen Austausch zwischen
Einer meiner Lieblingssätze aus dem                                                        der kommunalen, der Landes- und der
Aufruf zur Gründung einer Wahlalter-                                                       Bundesebene als unbedingt nötig an.
native lautet: »Es kommt nicht einfach                                                     Soweit es meine Zeit erlaubt, nehme
so oder so, sondern es kommt darauf                                                        ich an den Sitzungen des Landesvor-
an, was wir daraus machen.« Als ich                                                        standes Nordrhein-Westfalen und an
das Anfang 2004 gelesen hatte, wollte                                                      den Sitzungen meines Kreisverbandes
ich mich an der Diskussion beteiligen,                                                     in Duisburg teil und diskutiere viel mit
ob es Sinn macht angesichts der Ent-                                                       Genossinnen und Genossen aus ande-
wicklung von Rot-Grün, eine neue Par-                                                      ren Kreis- und Landesverbänden.
tei zu gründen. Ich war in den 90er Jah-                                                      Und natürlich diskutiere ich auch
ren Mitglied der Grünen und bin nach                                                       mit meinen Eltern, mit Nachbarn und
dem Bielefelder Parteitag 1999 ausge-                                                      FreundInnen, mit SchülerInnen und
treten, auf dem die Partei ihre Zustim-                                                    KollegInnen. Ich arbeite als Lehrer (So-
                                                                                  © Aris

mung zum Jugoslawien-Krieg beschlos-                                                       zialwissenschaften, Philosophie und
sen hat. In meinen Augen hatten die                                                        Physik) an einem Gymnasium in Duis-
Grünen eine ihrer wichtigsten Grund-                                                       burg. Dadurch wird mir täglich vor Au-
positionen verraten. Das Schlimms-              Es kommt nicht                             gen geführt, wie stark sich neoliberale
te war die ideologische Verklärung der                                                     Denkmuster bei Jugendlichen festset-
Bundeswehrkampfeinsätze als huma-             einfach so oder so                           zen. Dazu gehört vor allem eine Ideo-
nitäre Notwendigkeit. Ich habe damals                                                      logie des Wettbewerbs und der Leis-
sehr aktiv in Antikriegsbündnissen mit-                     ■ ■                            tungsorientierung, die den meisten
gearbeitet und finde es übrigens auch                                                      als naturgegeben und alternativlos er-
für DIE LINKE extrem wichtig, dass wir                                                     scheinen.
uns klar gegen Auslandseinsätze der            Im Rahmen der WASG-Gründung                    Um solches Denken zu durchbre-
Bundeswehr positionieren. Ich kann         und später im Parteineubildungspro-             chen, müssen wir Aufklärungsarbeit
mir gut vorstellen, dass wir die Bundes-   zess habe ich mich sehr für die Ver-            leisten, aber auch gesellschaftliche Al-
wehr abschaffen und das Geld für sinn-     ankerung einiger demokratischer Ele-            ternativen aufzeigen, für die sich Men-
volle Dinge ausgeben.                      mente in der Satzung eingesetzt. Da-            schen begeistern können. Über unsere
    Die Kritik an der Agenda 2010, aber    zu gehörte etwa die klare Trennung von          Alternativen werden wir mit Sicherheit
auch an der Kriegspolitik von Rot-Grün     Amt und Mandat, die es in der WASG-             noch streiten. Das macht eine leben-
hat im Frühjahr 2004 Menschen mit          Satzung gab und die sich in der neuen           dige Partei aus. DIE LINKE wird erfolg-
unterschiedlichen politischen Ge-          Partei nicht durchsetzen ließ. Meines           reich sein, wenn es ihr gelingt, Be-
schichten zusammengeführt. Inner-          Erachtens ist eine Trennung der Auf-            troffene zu Beteiligten zu machen, zu
halb weniger Wochen haben sich tau-        gaben von Partei und Fraktion wich-             Beteiligten an Debatten über gesell-
sende bei www.wahlalternative.de in        tig, weil ansonsten die Gefahr besteht,         schaftliche Alternativen, aber vor allem
den Newsletter eingetragen. Als Mit-       dass die außerparlamentarische Arbeit           zu Beteiligten an den konkreten Kämp-
glied des Arbeitsausschusses war ich       vernachlässigt wird. Gesellschaftliche          fen auf der Straße und in den Betrieben,
an der Koordination erster Aktivitäten     Veränderungen, insbesondere eine de-            gegen Privatisierungswahn und Sozial-
beteiligt. Die Resonanz war für uns al-    mokratisch-sozialistische Gesellschaft,         abbau und für Umfairteilung von Reich-
le erstaunlich und sehr ermutigend.        für die der Kapitalismus überwunden             tum und Arbeit.

5   0   DISPUT November 2007
Gibt es einen Linksruck?
Ein Zwischenruf           Von Harald Pätzolt

Diese nun lebten wie Götter,               Nicht die FDP, aber die CDU versozial- Bürger/innen zuständig. Dabei unter-
von Sorgen befreit das Gemüte,             demokratisiert schon eine gute Weile. scheiden die Menschen zwischen dem
Fern von Mühen und fern von Trübsal;       Und gelegentlich der Programmdebat- so verstandenen Staat auf der einen
lastendes Alter                            te in der SPD überschrieb Franz Walter Seite und den Politikern und Parteien
Traf sie nimmer; an Händen und Füßen       seinen Artikel am 21. September 2007 auf der andern. Wenn der Staat nicht
die nämlichen immer,                       in Spiegel online: »Ruck nach links«. bringt, was er soll, dann werden in al-
Freuten sie sich bei Gelagen,              Soweit steht der »Linksruck« also fest. ler Regel dafür die Politiker/innen ver-
entrückt stets jeglichem Übel.                Schwerer tut man sich mit der Ur- antwortlich gemacht. So auch im Falle
Wie vom Schlummer bezwungen                sachenforschung. Wer ist schuld? Die des hier betrachteten »Linksrucks«.
 verschieden sie; keines der Güter         bürgerlichen Parteien, weil sie nicht         2. Wozu aber führt das?
Missten sie; Frucht gab ihnen das          ordentlich gegenhalten? Die Agenda            Es führt zunächst einmal zu keinen
nahrungsspendende Saatland                 2010? DIE LINKE? Rückt die SPD nach Verhaltensänderungen der Bürger/in-
Gern von selbst und in Hülle und Fülle;    links, weil DIE LINKE nach links rückt? nen. Nichts zu sehen von Massenstreiks
und ganz nach Belieben                     Und rückt nun DIE LINKE noch weiter und Demonstrationen, sonstige mas-
Schafften sie ruhig das Werk im            nach links? Wie hängen all diese Links- senhafte Aktionen gibt es keine, sogar
Besitze der reichlichsten Gaben            rucke miteinander zusammen?                die Beitritte zur linken Partei schlecht-
Aus: Hesiod, Werke und Tage                    Und DIE LINKE? Sie freut‘s freilich. hin halten sich in bescheidenen Gren-
                                           Ist das nicht eine wunderbare Bestä- zen. Und, was noch merkwürdiger ist:
Gibt es einen Linksruck in Deutsch-        tigung der eigenen Position? Der Lohn Die für den Schlamassel verantwortlich
land? Was für eine Frage. Es steht doch    der politischen Arbeit? Gar mancher re- gemachten Parteien bekommen in den
seit diesem Sommer in der Zeitung.         det und schreibt bereits wieder über wöchentlichen Umfragen bei der Sonn-
»Deutschland rückt nach links« titelte     linke Mehrheiten und sinniert über die tagsfrage regelmäßig ihre 85 Prozent
DIE ZEIT am 9. August 2007 und über-       richtige Strategie für die Bundestags- Zustimmung.
raschte die Leser mit einem Umfrage-       wahlen 2009: Eine Einheit von Partei          Aber es ändert sich die Politik. Zu-
ergebnis, wonach jeweils große Mehr-       und Volk. Endlich!                         nächst allerdings nur die Parteipolitik.
heiten den politischen Forderungen            1. Was ist, bei Lichte betrachtet, die- Noch nicht ändert sich das Verhalten
DER LINKEN zustimmten. Kurz vorher,        ser »Linksruck«?                           des Staates, der Regierung. Erst sind
am 18. Juli, berichtete die FAZ, dass          Meine These ist: Die Unzufrieden- es die von den BürgerInnen verantwort-
das renommierte Institut für Demosko-      heit mit der Entwicklung der Gesell- lich gemachten Parteien, die reagieren.
pie Allensbach den »Zauberklang des        schaft in den letzten Jahren wird öf- In unserm Falle ist es vor allen die SPD,
Sozialismus« vernommen habe: Im-           fentlich.                                  die sich bewegt. Aber ein Parteitagsbe-
mer mehr Menschen hielten den Sozi-            Das ist keineswegs trivial. Der Vor- schluss ist noch kein Gesetz.
alismus für eine gute Idee, die schlecht   gang setzt eine funktionierende Öffent-       3. Und DIE LINKE?
ausgeführt wurde. Natürlich lauschte       lichkeit voraus. Wir haben es mit poli-       DIE LINKE als Partei war und ist in
auch Emnid Volkes Stimme, so konn-         tischer Meinungsbildung zu tun, einem diesem Prozess der politischen Mei-
te Klaus-Peter Schöppner am 3. Au-         urdemokratischen Prozess. Einem Vor- nungsbildung in der Rolle des Kataly-
gust in der LVZ vom »Linksruck« be-        gang, den man nicht verwechseln soll- sators. Katalysator des Öffentlichwer-
richten, und damit es auch im Norden       te mit dem gewöhnlichen Rauschen im dens der allgemeinen Unzufriedenheit.
ankommt, schrieb derselbe Autor am         Blätterwald. Und ebenfalls auch nicht Sie konnte und kann diese Rolle spie-
1. Oktober im Hamburger Abendblatt:        mit der publizistischen Begleitmu- len, weil sie die einzige Partei ist, die
»Deutschland ruckt! ... Deutschland        sik des alltäglichen Aushandelns von für die Zustände heute nicht haftbar
ruckt nach links!«                         Kompromissen vielfältigster Interes- gemacht wird. Das ist der eine Punkt.
   Seitdem der »Linksruck« feststeht,      sengruppen. Hier wird eine Wahrheit           Ist das schon alles? Ja, das ist der
wird er nun von rechts, von links und      öffentlich und damit allgemein: Es ist andere Punkt: Das ist die Rolle, die uns
auch aus der Mitte kommentiert. Am         etwas faul in Deutschland. Das also ist von den Menschen zugewiesen worden
19. September erhob der Ex-BDI-Chef        der erste Punkt: Die Unzufriedenheit ist. Zu sagen: »Der Kaiser ist nackt!«
Hans-Olaf Henkel in der SVZ mahnend        wird öffentlich.                              Wie konnte DIE LINKE diese Rolle
seine demokratisch-marktwirtschaft-            Der zweite Punkt ist der, dass für so gut spielen? Zum einen bedurfte es
liche Stimme: »Wir sind auf dem Weg        diesen Zustand der Unordnung, mit der Persönlichkeiten, die eine derar-
in den Neosozialismus«! Und BILD           dem die Menschen so unzufrieden tige Rolle in den Massenmedien auch
kommentiert seitdem, als sei das Va-       sind, die Politik verantwortlich gemacht auszufüllen vermögen wie Gregor Gysi
terland bereits an die Russen – par-       wird. Nicht das Wetter, nicht fremde oder Oskar Lafontaine. Aber auch die
don! an die Roten verloren: »Wenn auf      Mächte, nicht das Schicksal und auch Nebenrollen mussten gut besetzt sein.
einem Schiff die Ladung auf eine Seite     nicht die Wirtschaft. In säkularen Ge- Zum andern aber bedurfte es unbe-
verrutscht, gerät es im Sturm in höchs-    sellschaften ist das allgemeine Gegen- dingt des politischen Aktivismus’ vie-
te Gefahr.« (4. Oktober)                   über der Menschen: Der Staat. Der ist ler Genossinnen und Genossen vor Ort,
   Aber nicht nur das Volk, auch die       für die Ordnung, für Stabilität, Wohl- an der Basis. Nur weil beides zusam-
Parteien, hört man, rucken nach links.     stand und auch für die Sicherheit der menkam, gibt es den »Linksruck«.

DEBATTE                                                                                               DISPUT November 2007   0   6
DIE LINKE und persönlich Oskar La- in denen Utopien wieder an Kraft ge-
fontaine sind derzeit die politischen winnen. Es gibt ihn seit Jahrtausen-           Ich abonniere
Meinungsbildner in Deutschland. In- den, den Traum vom Leben ohne die
sofern lag die Financial Times Deutsch- Last und die Angst des Daseins. Man          DISPUT
land nicht falsch, als sie am 8. Okto- darf diese Vorstellung, wann immer sie
ber 2007 titelte: »Die Lafontaine-Repu- mächtig wird, sei es Ende des 8. Jahr-
blik«.                                     hunderts vor Christus in Hesiod »Werke
   Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, und Tage« oder eben heute, nicht wört-
diese uns als Partei zugewiesene Rol- lich nehmen. Man wird sie sonst nicht
le gut zu verstehen und gut zu spielen. verstehen. Ein Leben ohne Arbeit, Hun-
So, wie es heute aussieht, erwarten die ger, Krankheit, ohne Alter und Tod – das     Name, Vorname
Leute nun eine Reaktion von den ande- übersetzt sich so: Die Annäherung, der
ren Parteien und dann natürlich end- Versuch zählt. Wenn die Arbeitszeit ver-
lich von der Regierung. Nicht von uns. ringert (= keine Arbeit), ein Existenzmi-     Straße, Hausnummer
Wir haben für sie das Beste schon ge- nimum (= kein Hunger), medizinische
tan. Aber zunächst damit eben auch Versorgung (= keine Krankheit) für alle
unsre Schuldigkeit. Nun erwartet man und das menschliche Leben verlängert            PLZ, Ort
was von den andern. Dass sie dafür (= kein Tod) wird, dann ist die Welt in
sorgen, dass der Staat wieder in seine Ordnung. Wir sehen: Dies alles ist ge-
Rolle eintritt. Ob als vor- oder als nach- genwärtig in Frage gestellt. Von daher    Ich bestelle ab sofort                     Exemplar(e)
sorgender, als schlanker oder pumme- rührt die große Unzufriedenheit.1               der Zeitschrift DISPUT im
liger – das ist den Leuten schnuppe.          Wir dürfen das nicht verwechseln,
   4. Über soziale Gerechtigkeit und es ist nicht der konkrete, der praktische           Halbjahresabonnement zum Preis von
über den Sozialismus                       Ruf nach einer anderen Gesellschaft. Es   12,00 Euro inkl. Versandkosten
   Der »Linksruck«, das ist auch der öf- soll nur besser, nicht unbedingt anders
fentlich festgestellte Mangel an sozi- werden. Darum wird diese Unordnung                Jahresabonnement zum Preis von
aler Gerechtigkeit. Verfällt man nicht eher vergehen, eher zu beseitigen sein        21,60 Euro inkl. Versandkosten
umgehend ins Aufzählen singulärer als die Ungleichheit.2
Sachverhalte, so skandiert man im All-        5. Was tun?                            und nutze den vorteilhaften Bankeinzug
gemeinen den Einbruch der Ungleich-           Darauf habe ich drei Antworten. Ers-
heit ins Leben der Menschen.               tens: Die uns zugewiesene Aufgabe bei
   Wiederum mag man das nicht ver- der öffentlichen Artikulation/des Laut-
wechseln mit den Ungleichheiten, die sprechers der allgemeinen Unzufrie-             Geldinstitut
es immer und überall gab und gibt. Hier denheit erfüllen und damit an der Än-
geht es um eine doppelte und – für derung der Politik, an der Beseitigung
mehrere Generationen – neue Erfah- der Unzufriedenheit mitwirken. Zwei-
                                                                                     Bankleitzahl
rung. Einmal weiß man mittlerweile um tens: dabei nicht vergessen, dass das
eine neue Qualität des Ausschlusses länger bestehen bleibende Problem der
sogenannter Unterschichten (»Hartz- Ungleichheit noch zu lösen ist, wenn
IV-Empfänger« heißen Mitglieder ei- die große Zahl der Menschen wieder               Kontonummer

ner neuen Spezies Mensch). Das sind zufrieden sein wird. Das bedarf grund-
nicht mehr die bislang immer schon legender Veränderungen in Politik und             oder
zwar häufig vorkommenden, generell Gesellschaft. Drittens: den modernen
aber jeweils wieder zu integrierenden Traum vom heutigen und künftigen Le-              bitte um Rechnungslegung (gegen
Individuen. Hier werden heute dauer- ben erzählen. Reich, sinnlich und kühn          Gebühr) an meine Adresse.
haft Menschengruppen aus der Gesell- dieses Leben und die Erzählung auch.
schaft ausgestoßen.                        Gleichheit und gutes Leben. Und dass
   Dann aber sind es auch Teile der es erstickt, wenn die Freiheit gering ge-
Oberschichten, die sich dem Ver- schätzt oder aufgegeben wird.                       Das Abonnement verlängert sich automatisch um den
kehr, der Vergleichbarkeit, der Rezip-                                               angegebenen Zeitraum zum gültigen Bezugszeitraum,
                                                                                     falls ich nicht 15 Tage (Poststempel) vor dessen Ablauf
rozität entziehen. Ein Ackermann, ein Dr. Harald Pätzolt ist Mitarbeiter der         schriftlich kündige.
Schrempp treten aus der Gesellschaft Bundesgeschäftsstelle.
aus. Und viele kleinere Oberschichtler harald.paetzolt@die-linke.de
tun es, indem sie sich zum einen den
größten Teil des gesellschaftlichen                                                  Datum, 1. Unterschrift
Reichtums aneignen, zum andern aus 1 Die Kenntnis dieser Lesart von Hesi-
den sozialen Sicherungssystemen und od verdanke ich Eric Voegelin.
                                                                                     Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich die Bestellung
damit aus der Solidargemeinschaft ver- 2 Ganz nebenbei sei daran erinnert,           innerhalb von 10 Tagen widerrufen kann.
abschiedet haben.                          dass immer dann, wenn allgemeiner         Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des
   Es ist ein zutiefst beunruhigender, Wohlstand herrschte, die Unzufrieden-         Widerrufs.

beängstigender Zustand, wo der Mas- heit von einem Unglücklichsein abge-
se der Menschen die Bindungen nach löst wurde. Erich Honecker wunderte
oben und nach unten fehlen. Ich sich bis an sein Ende, warum »unsere                 Datum, 2. Unterschrift
fürchte, dass dieser Zustand für länge- Menschen« nicht zufrieden und glück-
                                                                                     Coupon bitte senden an: Parteivorstand DIE LINKE,
re Zeit bleiben wird.                      lich waren, nachdem sie doch Arbeit       Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin
   Geschichtsmomente der Unzufrie- und Wohnung, Gesundheit und ein ru-               Bestellungen auch möglich unter: www.die-linke.de
denheit sind auch solche Momente, higes Alter sicher hatten.

7 0   DISPUT November 2007
BUCHTIPP

»DIE LINKE. Wohin verän-                    dass sie ihren Aufschwung der Empö-         wie Angehörige mittlerer und höherer
                                            rung in der Wählerschaft über sozial-       Bildungsabschlüsse heraus.
dert sie die Republik?«                     demokratische Verbiegungen und ih-              Der Beitrag von Wolfgang Dreibus,
                                            rer Kaninchenstarre vor der wachsen-        Matthias Hinze und Axel Troost verweist
Alle Parteien bereiten den Wahlkampf        den Macht der privaten Profitinteres-       auf neue konzeptionell-gewerkschaft-
2009 vor und entwickeln Strategien          sen verdankt.                               liche Kompetenzen der Partei vor dem
darüber hinaus. Die SPD löst sich vor-          Meinhard Meuche-Mäker zeich-            Hintergrund, dass der SPD »das Senso-
sichtig von der Agenda 2010 und             net auf der Basis von leitfadenge-          rium für Veränderung von Lebenswirk-
spricht wieder vom demokratischen           stützten Experteninterviews ein un-         lichkeiten und Interessenlagen abhän-
Sozialismus. Nicht mehr die »Neue Mit-      geschminktes Bild von den Denkwei-          gig Beschäftigter« verlorenging. Die
te«, sondern eine »solidarische Mehr-       sen und Haltungen von führenden             Signale der gewerkschaftlichen Basis
heit« ist die Zielgruppe, so ihr Vorsit-    Akteuren der beiden fusionierten Par-       wurden »nicht verarbeitet«. Nun habe
zender Kurt Beck. Diese Mehrheit gibt       teien. Gefragt wurde nach den Schwie-       DIE LINKE eine Situation geschaffen, in
es rein rechnerisch, jedoch ohne ge-        rigkeiten und Konflikten im Zusammen-       der die Forderung nach Mindestlohn in
meinsames Projekt.                          gehen, dem Selbstverständnis, den           den Gewerkschaften Allgemeingut und
   Michael Brie beschreibt in dem eben      strategischen Ansätzen, nach der Un-        dann von der SPD aufgegriffen wurde.
erschienenen Buch »DIE LINKE. Wohin         terschiedlichkeit der Akteure und ihrer     Das verändere auch die strategische
verändert sie die Republik?« zwei mög-      politischen Kultur, der Ost-West-Diffe-     Grundsituation in Deutschland. Katja
liche gesellschaftliche Mehrheiten: ei-     renz, dem Wirken der Bundestagsfrak-        Kipping beschreibt die »Gipfelprotes-
ne solidarische und eine marktliberal-      tion und ihren Repräsentanten. Bemer-       te 2007 als einen gelungenen Start für
autoritäre. Daher müsse das zentrale        kenswert sind die unterschiedlichen,        DIE LINKE«, in denen das zu Recht ein-
strategische Ziel der Partei DIE LINKE      teilweise gegensätzlichen Grundorien-       geforderte Bündnis zwischen Parteien
die Schaffung von Mehrheiten für ei-        tierungen, Erfahrungen und Handlungs-       und sozialen Bewegungen erfolgreich
nen Richtungswechsel sein. Die Ana-         optionen der beteiligten Akteure.           funktioniert hat. Dies sei ein Schritt
lyse politischer Milieus, die er aus ei-        Ein zentraler Konflikt bleibt die Re-   voran und zeigte DIE LINKE als »Bewe-
ner Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung     gierungsbeteiligung, die Cornelia Hil-      gungspartei«.
übernimmt und hinsichtlich ihrer sozi-      debrandt am Beispiel Berlin darstellt.         »Was in Bremen geschieht, kommt
alen und politischen Bündnisfähigkeit       Kann man in Regierung zugleich gesell-      früher oder später auch anderswo«, er-
weiterdenkt, führt er zu folgenden The-     schaftskritische Opposition sein? Geht      klärt Christoph Spehr in seinem Beitrag.
sen. Erstens: Die oberen gesellschaft-      linkes Regieren? Was ist mit den Privati-   Bremen zeigte, dass sich jene Strate-
lichen Gruppen sind in eine marktlibe-      sierungen? Dieter Klein beschäftigt die-    gien bewähren, die den politischen
rale und eine soziale Richtung gespal-      se Frage grundsätzlicher: Kann es Grün-     Raum besetzen, Vorurteile zerstreuen,
ten, die unteren Gruppen vereint – sie      de für den Verkauf von Einrichtungen öf-    die Vielzahl von Zielgruppen berück-
sind deutlich sozial und in bestimmtem      fentlicher Daseinsvorsorge geben, und       sichtigen und bedenken, dass Gegen-
Maße autoritär orientiert. Zweitens: Die    welchen Kriterien sollten den Auseinan-     macht-Strategien der Unterdrückten
Parteien, die die unteren Gruppen ge-       dersetzungen um unterschiedliche Ei-        komplexer sind, als Parteiführungen
winnen, ohne ihre Basis in den obe-         gentumsformen zugrunde liegen?              es wahrhaben wollen. Und: »Wer das
ren Gruppen zu verlieren, können über           Ein anderes Problem der Berliner        Volk mobilisieren will, muss mit dem
stabile Mehrheiten verfügen. Drittens:      war die wachsende Entfremdung zwi-          Volk reden, ernsthaft und auf Augenhö-
Auf der Basis ein und derselben gesell-     schen Partei und Landespolitik. Rainer      he«. So wird man in Bremen zwar nicht
schaftlichen Einstellungen können ge-       Ferchland beschreibt das an Hand der        Volkspartei, »aber Partei des Volkes«.
gensätzliche Mehrheiten geschaffen          Mitgliederbefragung der Berliner LIN-       Ob DIE LINKE diesem Maßstab gerecht
werden: Mehrheiten, die für marktli-        KEN in Marzahn-Hellersdorf. Außerdem        wird, muss sie noch beweisen. Erste
berale und autoritäre Richtung stehen       verweist er auf Probleme ostdeutscher       Voraussetzungen hat sie geschaffen.
oder eben für eine soziale und demo-        Landesverbände. Wie bleibt eine al-
kratische Richtung.                         ternde Partei in einer alternden Gesell-    aus: RosaLux, Journal der Rosa-
    Die LINKE braucht als eine von meh-     schaft handlungsfähig? Allgemeiner be-      Luxemburg-Stiftung
reren Kräften für einen politischen Rich-   schreibt dies Dietmar Wittich mit Blick
tungswechsel mehrheitsfähige Alterna-       auf die Wählerschaft der neuen Partei.
                                                                                                                                       © Repro

tiven. Die Chance hierfür – so Dietmar      14,2 Prozent ihrer Wählerschaft kom-        DIE LINKE
Bartsch in seinem Beitrag – sei eine zu-    men aus der SPD, 11,7 Prozent aus dem       Wohin verändert
tiefst innersozialdemokratische: »Aus-      Nichtwählerlager, und über 50 Prozent       sie die Republik?
grenzung und Ausschluss oder Koope-         haben sie 2005 wiedergewählt. Aber 18       Texte 40 der Rosa-
ration mit der LINKEN?« Ein Linksbünd-      Prozent wollen sie nicht mehr wählen,       Luxemburg-Stiftung
nis wächst aus der Gesellschaft, nicht      darunter viele Frauen. Bei den zuge-        Karl Dietz Verlag
aus machtpolitischen Spielereien, er-       wanderten Gruppen ragen die Anteile         Berlin 2007
klärt er. Das heißt sie wäre zum Unter-     an Männern und Angestellten, älteren        317 Seiten,
gang verurteilt, würde sie vergessen,       Gruppen und Rentnern von der SPD so-        19,90 Euro

                                                                                                        DISPUT November 2007   0   8
Alte Idee mit neuen Aufgaben
Zur Arbeit des Bundesvereins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens e. V.
Ein Gastbeitrag von Jan Kuhnert

Genossenschaften sind mehr als ei-         rung preiswerten Wohnens ist eine Ge-          Mit der aktuell geplanten Einfüh-
ne Rechtsform für wirtschaftliche Be-      nossenschaftslösung geeigneter als         rung der Mini-GmbH wird die Genos-
tätigung. Sie sind Bestandteil der poli-   der Verkauf kommunaler Wohnungen           senschaft für Neugründungen in Zu-
tischen, wirtschaftlichen und sozialen     an Finanzinvestoren.                       kunft noch unattraktiver, als sie es of-
Demokratie. Der Bundesverein zur För-         Projekte, die auf solidarischem Han-    fenbar jetzt schon ist. Wir setzen uns
derung des Genossenschaftsgedan-           deln basieren und damit zum Erfolg         daher dafür ein, dass es eine ver-
kens e. V. hat sich 1986 gegründet, in     gelangen, organisieren ihr Wirtschaf-      gleichbare Regelung auch im Genos-
einer Zeit, als der Ruf nach »mehr De-     ten gemeinschaftlich nach den genos-       senschaftsgesetz gibt. Dabei müss-
mokratie wagen« auch in der wirt-          senschaftlichen Grundprinzipien der        te die Mini-Genossenschaft so ausge-
schaftlichen und sozialen Sphäre an-       Selbsthilfe, der Selbstverantwortung       staltet werden, dass sie ohne bürokra-
gekommen war. Steigende Arbeitslo-         und Selbstverwaltung. Diese Unterneh-      tische Hemmnisse gegründet werden
sigkeit und der zunehmende Wunsch,         men bereichern die Gesellschaft und        kann (keine Gründungsprüfung, kei-
zentrale Lebensbe-                                               überwinden sozi-     ne Pflichtmitgliedschaft in einem ge-
reiche wie zum Bei-                                              ale oder ökono-      nossenschaftlichen Prüfungsverband
spiel Wohnen und                                                 mische Benachtei-    und keine Pflichtprüfung), dass ande-
soziale Dienste un-                                              ligungen und Un-     rerseits aber sichergestellt wird, dass
ter Einbeziehung der                                             gerechtigkeiten.     der Übergang in die eingetragene Ge-
Betroffenen zu ge-                                                  Während diese     nossenschaft reibungslos funktioniert
stalten, haben aktu-                                             Grundprinzipien in   (Pflichtmitgliedschaft und Pflichtprü-
ell auch den Genos-                                              manchen Ländern      fung bei Überschreiten bestimmter Um-
                        © privat

senschaftsgedanken                                               hohe Achtung ge-     satz- und Bilanzgrößen).
neu belebt.                                                      nießen und nach          Der Bundesverein zur Förderung des
    Nicht nur an die-                                            Kräften gefördert    Genossenschaftsgedankens hat sich
se Entwicklungen knüpft der Verein an,     werden, führen Genossenschaften in         zum Ziel gesetzt, der Genossenschaft
sondern ebenso an eine weit über hun-      unserem Land in der öffentlichen Wahr-     zu ihrer verdienten Beachtung zu ver-
dert Jahre alte Tradition: dem Zusam-      nehmung nach wie vor ein Schatten-         helfen. Dazu stellt er Kontakte her zu
menschluss von Gruppen in Notlagen         dasein. Durch die Diskussionen im Zu-      Entscheidungsträgern aus Politik und
zur Verbesserung ihrer Lebenssituati-      sammenhang mit der Reform des Ge-          Verbänden und trägt seine Anliegen in
onen. Bei der aktuellen Polarisierung      nossenschaftsgesetzes zum 18. Au-          die Öffentlichkeit. Darüber hinaus wirkt
der Gesellschaft in immer reicher wer-     gust 2006 haben Genossenschaften in        er durch den regelmäßig ausgeschrie-
dende und verarmende Bevölkerungs-         erfreulicher Weise eine verstärkte Auf-    benen Wettbewerb über erfolgreiches
teile wird die Zunahme der Opfer die-      merksamkeit erlangt. Dennoch ist die       solidarisches Handeln in Genossen-
ser Entwicklung viel zu wenig beachtet.    Genossenschaft immer noch nicht ei-        schaften, die Mitgliedschaft und Un-
Die öffentliche Hand ist häufig nicht      ne gleichberechtigte Rechtsform neben      terstützung der Gründungsagentur in-
mehr bereit oder in der Lage, den so-      den Kapitalgesellschaften und den ide-     nova eG und Fachveranstaltungen auf
zialen Ausgleich zu gestalten und zu fi-   ellen Vereinen.                            die Fachwelt und die genossenschaft-
nanzieren, und zieht sich aus vielen Be-      Auch wenn mit der Reform des Ge-        lichen Verbände ein. Der Bundesverein
reichen zurück.                            nossenschaftsgesetzes im Jahr 2006         zur Förderung des Genossenschaftsge-
    Neben den Genossenschaften auf         einige wichtige Forderungen des Bun-       dankens bietet damit Interessierten die
den klassischen Geschäftsfeldern (zum      desvereins erfüllt worden sind, so sind    Möglichkeit, den Genossenschaftsge-
Beispiel Wohnungs(bau)genossen-            doch weitere Maßnahmen erforder-           danken weiterzuentwickeln und zu ver-
schaften, Banken oder als Unterneh-        lich, damit die Genossenschaften in        breiten.
menskooperation) gibt es eine Reihe        Deutschland wieder eine noch größere
von Genossenschaften, die ihre Mit-        Rolle spielen, als sie es derzeit schon    Jan Kuhnert ist Vorstandsvorsitzender
glieder mit sozialen Dienstleistungen      tun. Dies sind insbesondere:               des Bundesvereins zur Förderung des
oder ökologischen Produkten versor-        ■ ■ eine verstärkte Informations- und      Genossenschaftsgedankens e. V. (BzFdG).
gen. Hier zeigt sich deutlich, dass die    Bildungsoffensive (zum Beispiel die
Genossenschaft sehr gut dazu geeignet      Aufnahme von solidarischen Wirtschaf-
ist, wirtschaftliches Handeln einerseits   ten in die Lehrpläne der Schulen),             ■ ■ Der BzFdG veranstaltet
und die Erreichung ideeller Ziele ande-    ■ ■ die (Wieder-) Aufnahme der Ge-             Seminare, Lehr- und Vortrags-
rerseits zu kombinieren.                   nossenschaften als gleichberech-               veranstaltungen, fördert gemein-
    Viele Projekte des Bürgerengage-       tigte Unternehmensform in Förderpro-           nützige Aufgaben und organisiert
ments werden als Genossenschaft orga-      gramme und                                     Informationsveranstaltungen für
nisiert, von der Trägerschaft von Schu-    ■ ■ eine Klarstellung, dass und unter          Neugründer sowie zum Ausbau
len über Stadtteilgenossenschaften bis     welchen Voraussetzungen Genossen-              von Genossenschaften.
hin zur Übernahme von Bädern, Thea-        schaften als gemeinnützig im Sinne             Tel. (0511) 228 959 40
tern etc., die von Schließung bedroht      der Abgabenordnung anerkannt wer-              Fax (0511) 228 959 68
sind. Auch als Instrument zur Siche-       den können.                                    www.genossenschaftsgedanke.de

9 0   DISPUT November 2007                                                                                VERBÄNDE
Die Arbeitswelt gerechter machen
Das Manifest »Gute Arbeit – Gutes Leben«                                         Von Werner Dreibus

Mit der Schrift »Gute Arbeit – Gutes                        warten, so fällt die Antwort eindeutig     ben und weniger verdienen als fest An-
Leben. Manifest für eine gerechte Ar-                       aus: Die Arbeit muss sicher sein. Sie      gestellte.
beitswelt« legt die Bundestagsfraktion                      muss anständig bezahlt sein, meine         ■ ■ Bei Neueinstellungen wurde die
DIE LINKE ein umfassendes Programm                          Arbeit soll mich nicht krank machen,       Dauer einer Befristung auf zwei Jahre
vor, das den modernen Anforderungen                         und ich möchte so arbeiten, dass ich       angehoben. Damit werden der Kündi-
der Menschen an die Erwerbsarbeit tat-                      Beruf, Freunde und Familie gut verein-     gungsschutz unterlaufen und die Pro-
sächlich gerecht wird.                                      baren kann.
                                                                Gemessen an diesen Kriterien, bie-
                                                            ten nur noch wenige Arbeitsplätze in
                                                            Deutschland eine »Gute Arbeit«. Eine
                                                            aktuelle Umfrage des Deutschen Ge-
                                                            werkschaftsbundes kommt zu dem Er-
                                                            gebnis, dass mehr als ein Drittel aller
                                                            Beschäftigten ihre Arbeit als schlecht
                                                            bewerten, nur 12 Prozent sprechen von
                                                            guter Arbeit. Besonders Beschäftigte in
                                                            Leiharbeit, befristeten Beschäftigungs-
                                                            verhältnissen und Minijobs bewerten
                                                            ihre Arbeitsplätze negativ. Als Grün-
                                                            de geben sie vor allem die unsicheren
                                      © Erich Wehnert (2)

                                                            Beschäftigungsperspektiven und die
                                                            niedrige Bezahlung an.
                                                                Daran ändert auch der aktuelle Wirt-
                                                            schaftsaufschwung nichts. Die gute
                                                            Konjunktur führt zwar zu mehr Nach-
                                                            frage nach Arbeit. Insgesamt bleibt
Anders als die SPD, die die Ausbreitung                     der Zuwachs an Arbeitsplätzen aber         »Wenn wir die
schlechter Arbeit (unsicher, gering be-                     deutlich hinter dem Zuwachs im letz-       Menschen fragen,
zahlt, nicht mitbestimmt) nur beklagt,                      ten Aufschwung zurück, weil die Men-       was sie von einem
aber nicht zu einer Abkehr von der                          schen, die bereits eine Arbeit haben,      guten Arbeitsplatz
Agenda-Politik bereit ist, benennt das                      länger arbeiten müssen. Und: Ein Groß-     erwarten, so fällt
Manifest der LINKEN konkrete Schritte                       teil der neuen Arbeitsplätze entsteht in   die Antwort ein-
für eine Wende in der Arbeitsmarktpo-                       der Leiharbeit oder ist befristet. Das     deutig aus: Die
litik.                                                      sind Beschäftigungsverhältnisse mit        Arbeit muss sicher
    Das Manifest »Gute Arbeit – Gutes                       wenig Perspektive. Auch die Situation      sein. Sie muss an-
Leben« ist eine Selbstverpflichtung der                     der Arbeitslosen ist schlechter, als es    ständig bezahlt
LINKEN und zugleich ein Angebot zur                         die Zahlen nahelegen: Obwohl die Ar-       sein, meine Ar-
Zusammenarbeit an Gewerkschaften,                           beitslosigkeit auf das Niveau von 1994     beit soll mich nicht
Sozialverbände, Initiativen und an-                         gesunken ist, erhalten statt 1,7 Millio-   krank machen,
dere, die die Erwerbsarbeit im Inter-                       nen Menschen heute nur 930.000 Ar-         und ich möchte so
esse der Beschäftigten gestalten wol-                       beitslosengeld I. Alle anderen werden      arbeiten, dass ich
len. Diesen Anspruch haben alle ande-                       mit dem niedrigen Arbeitslosengeld II      Beruf, Freunde und
ren im Bundestag vertretenen Parteien                       abgespeist.                                Familie gut verein-
aufgegeben.                                                     Für die Ausbreitung unsicherer und     baren kann ...«
    In seiner Regierungserklärung im                        gering entlohnter Beschäftigungsver-
März 2003 hat der damalige Kanz-                            hältnisse hat die Gesetzgebung im Rah-
ler Schröder als ein Ziel der Agenda                        men der Agenda 2010 die wesentlichen
2010 die Modernisierung des Arbeits-                        Voraussetzungen geschaffen. Unter Bil-
marktes ausgegeben, ohne dass dabei                         ligung von CDU und FDP hat die rot-grü-
»das Soziale beiseite gedrängt würde«                       ne Koalition Schutzrechte für Beschäf-
(Schröder). Heute müssen wir feststel-                      tigte abgebaut und Leistungen für Ar-
len, dass die Politik der Agenda 2010                       beitslose zusammengestrichen:
genau zu dem geführt hat, was laut                          ■ ■ Die Begrenzung der Verleihdauer
Schröder verhindert werden sollte. Sie                      von Leiharbeiterinnen und Leiharbei-
hat das Soziale in der Arbeitswelt bei-                     tern wurde abgeschafft. Immer mehr
seite geschoben.                                            Unternehmen nutzen Leiharbeit statt
    Wenn wir die Menschen fragen, was                       reguläre Arbeit, weil Leiharbeiter/in-
sie von einem guten Arbeitsplatz er-                        nen im Betrieb weniger zu sagen ha-

SOZIAL
bezeit faktisch auf zwei Jahre verlän-   öffentliche Einrichtungen die 1-Euro-    zunehmen und so die »Schwachen«
gert.                                    Jobber/innen als billige Arbeitskräfte   auszusortieren.
■ ■ Die Verdienstgrenze für Minijobs     missbrauchen und gleichzeitig gute Ar-   ■ ■ Die Bezugsdauer für das Arbeits-
wurde auf 400 Euro angehoben. Damit      beitsplätze abbauen.                     losengeld I wurde drastisch gekürzt.
wurde der Umwandlung regulärer, fes-     ■ ■ In Unternehmen mit weniger           Jede Arbeit wurde als zumutbar erklärt,
ter Stellen in Hilfsjobs der Weg geeb-   als zehn Beschäftigten gibt es kei-      auch wenn sie noch so schlecht ent-
net. Die Unternehmer zahlen weniger      nen Kündigungsschutz mehr. Betrof-       lohnt ist und mit der Qualifikation des
Sozialbeiträge und Lohn und behal-       fen davon sind etwaacht Millionen Be-    oder der Arbeitssuchenden gar nichts
ten mehr für sich. Die Beschäftigten     schäftigte. Die Menschen leben stän-     zu tun hat. Zudem wurde mit dem Ar-
mit Minijobs sind ohne ausreichendes     dig in der Ungewissheit, ob sie auch     beitslosgeld II eine soziale Sicherung
Einkommen, ohne Schutz bei Arbeits-      morgen noch Arbeit haben. Zusätz-        eingeführt, die diesem Anspruch nicht
losigkeit und erwerben zudem kaum        lich wurde den Unternehmen gestat-       gerecht wird. Von 347 Euro im Monat
Rentenansprüche.                         tet, besonders leistungsfähige Be-       kann niemand menschenwürdig leben.
■ ■ Die Einführung der 1-Euro-Jobs       schäftigte von der Sozialauswahl bei     Finanzielle Notlagen und beruflicher
führte dazu, dass Unternehmen und        betriebsbedingten Kündigungen aus-       Abstieg sind die Folgen. So wurden die
»Wer »Gute
                                                                                                              Arbeit« tatsächlich
                                                                                                              will – und nicht
                                                                                                              nur auf Stimmen-
                                                                                                              fang bei Beschäf-
                                                                                                              tigten und Gewerk-
                                                                                                              schaften aus ist –,
                                                                                                              der muss die poli-
                                                                                                              tischen Ursachen
                                                                                                              ›Schlechter Arbeit‹
                                                                                                              beseitigen, der
                                                                                                              muss der Agenda
                                                                                                              2010 eine klare
                                                                                                              Absage erteilen.«
                                                                                                              DISPUT fotogra-
                                                                                                              fierte im Gasturbi-
                                                                                                              nenwerk Berlin,
                                                                                                              in der DeltaTech
                                                                                                              Controls GmbH
                                                                                                              und in der G-Elit
                                                                                                              Präzisionswerk-
                                                                                                              zeug GmbH.

Arbeitslosen erpressbar gemacht und          wicklung ist nicht absehbar. Für Millio-    türlich. Aber sie werden nur zu mehr
der Ausbreitung von Hungerlöhnen der         nen Menschen ist die Agenda 2010 al-        »Guter Arbeit« beitragen, wenn auch
Weg geebnet.                                 so nichts anderes als »Schlechte Arbeit     die anderen Fehlentscheidungen der
   Die Kritik der LINKEN an diesen unso-     per Gesetz«.                                Agenda 2010 rückgängig gemacht wer-
zialen Entscheidungen kontern die poli-          Und weil das so ist, begrüßt DIE LIN-   den. Auf dem Weg zu »Guter Arbeit«
tischen Fans der schlechten Arbeit ger-      KE, dass jetzt bei den für diese Poli-      kommen wir deshalb an der vollständi-
ne mit der Frage, ob es den besser sei,      tik Verantwortlichen eine Diskussion        gen Korrektur der Agenda-Politik nicht
wenn die Menschen statt eines Arbeits-       in Gang kommt, ob diese Politik denn        vorbei.
platzes in der Leiharbeit oder eines Mi-     richtig war und ist. Die bisherigen Bei-       Unsere Bundestagsfraktion hat am
nijobs arbeitslos bleiben würden.            träge erwecken allerdings den Ein-          23. Oktober 2007 ein Manifest für »Gu-
   So kann nur argumentieren, wer die        druck, dass die Beteiligten nicht bereit    te Arbeit – Gutes Leben« vorgelegt und
Wirklichkeit am Arbeitsmarkt ausblen-        sind, konsequent zu handeln. Wer »Gu-       zwei Tage später einen entsprechenden
det. Etwa die Tatsache, dass die Einfüh-     te Arbeit« tatsächlich will – und nicht     Antrag in den Bundestag eingebracht.
rung der Minijobs im Einzelhandel zur        nur auf Stimmenfang bei Beschäftigten       Im Kern geht es uns um eine grundsätz-
Vernichtung zehntausender regulärer          und Gewerkschaften aus ist –, der muss      liche Neuausrichtung der Politik. Wir
und sozial abgesicherter Arbeitsplätze       die politischen Ursachen »Schlechter        brauchen nicht Arbeit um jeden Preis.
geführt hat. Oder nehmen wir die Leih-       Arbeit« beseitigen, der muss der Agen-      Das war die Botschaft der Agenda 2010.
arbeit, sie hat längst die ihr einst zuge-   da 2010 eine klare Absage erteilen. Ei-     Wir brauchen stattdessen Arbeit nach
dachte Funktion als Personalpuffer bei       ne »Weiterentwicklung« falscher poli-       den Bedürfnissen der Menschen.
Auftragsschwankungen verloren. Heu-          tischer Entscheidungen gibt es nicht.          Der allzeit verfügbare und uneinge-
te gilt sie in den Personalabteilungen       Auch wenn Herr Beck das der Öffent-         schränkt mobile Arbeitnehmer ohne
als probates Mittel, um Tariflöhne zu        lichkeit weiß machen möchte.                Kinder oder pflegebedürftige Angehö-
unterlaufen und den Kündigungsschutz             Es reicht auch nicht aus, einzelne      rige kann nicht länger das Leitbild der
zu umgehen. Quer durch alle Branchen         Entscheidungen wie die Kürzung des          Arbeitsmarktpolitik sein. Denn so ist
werden gute Arbeitsplätze durch Leih-        Arbeitslosengeldes zu korrigieren. DIE      kein »Gutes Leben« möglich. Für ein
arbeit ersetzt. Und ein Ende dieser Ent-     LINKE begrüßt solche Forderungen na-        »Gutes Leben« brauchen die Menschen

SOZIAL                                                                                                DISPUT November 2007   012
sichere Arbeitsplätze, vernünftige Ar- gewiesen: Aus Angst vor Leistungskür-
beitszeiten und gute Löhne. Nur so zungen akzeptieren selbst hochqua-
lässt sich die Arbeit mit Familie, Freun- lifizierte Arbeitslose immer häufiger
den und Freizeitaktivitäten vereinen.     Hungerlöhne und miese Arbeitsbedin-
    Eine unverzichtbare Grundlage für gungen. Das ist ein unwürdiger und un-
mehr »Gute Arbeit« ist die Beseitigung haltbarer Zustand.
der Massenarbeitslosigkeit. Mit einem         2. Die Beschäftigten müssen wirk-
umfangreichen Investitionsprogramm, sam vor Lohndumping und einer Per-
einem Programm für mehr öffentlich sonalpolitik des Heuerns und Feuerns
geförderte Beschäftigung und einem geschützt werden. Deshalb sind Leih-
Konzept für eine gerechte Steuer- und arbeiter und Leiharbeiterinnen so zu
Finanzpolitik hat DIE LINKE dazu be- bezahlen wie ihre fest angestellten
reits konkrete Vorschläge unterbreitet. Kollegen und Kolleginnen in den Ent-

                                                                                       © Erich Wehnert (3)
    Unser Manifest enthält weitere leihbetrieben. Deshalb muss die Be-
Schritte, um die Arbeitswelt gerechter fristung von Beschäftigungsverhältnis-
zu machen. Diese Vorschläge können sen wieder vom Vorliegen triftiger be-
und müssen kurzfristig umgesetzt wer- trieblicher Gründe abhängig gemacht
den. Im Kern geht es darum, unsichere werden. Und schließlich wollen wir die
Beschäftigung zurückzudrängen und staatliche Subventionierung von ge-
reguläre – unbefristete, sozialversiche- ringfügiger Beschäftigung beenden. Je-                                 4. An der Einführung eines allge-
rungspflichtige, mitbestimmte, gut ent- de Stunde Arbeit muss voll sozialversi-                              mein gültigen gesetzlichen Mindest-
lohnte – Arbeitsverhältnisse zu fördern. cherungspflichtig werden.                                           lohns führt kein Weg vorbei. Die Auf-
Aus der Vielzahl der Forderungen hier         3. Die vorhandene Arbeit muss ge-                              nahme weiterer Branchen ins Entsen-
sechs Beispiele:                          rechter verteilt werden. Es ist nicht hin-                         degesetz ist richtig, aber für einen um-
   1. Neben einem längeren Bezug des nehmbar, dass weite Teile der Bevölke-                                  fassenden Schutz vor Armutslöhnen
Arbeitslosengeldes ist die Wiederein- rung von Arbeitslosigkeit, unfreiwilliger                              nicht ausreichend.
führung von Zumutbarkeitskriterien Teilzeit oder Minijobs betroffen sind,                                       5. Wir brauchen auch einen wirksa-
für Arbeitslose unverzichtbar. Kanz- während sich viele andere, die kürze-                                   men Schutz gegen Lohnsenkungen. Da-
ler Schröder hatte 2003 davon gespro- re Arbeitszeiten haben wollen, mit Ar-                                 her werden wir in Kürze einen Gesetz-
chen, dass diese anzupassen sein. Tat- beitszeitverlängerungen konfrontiert                                  entwurf in den Bundestag einbringen,
sächlich wurden sie ganz gestrichen. sehen. Deshalb wollen wir die zuläs-                                    mit dem willkürliche Lohnsenkungen
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Be- sige Höchstarbeitszeit im Arbeitszeit-                                gleich welcher Art unterbunden wer-
rufsforschung hat kürzlich auf die ver- gesetz in einem ersten Schritt auf 40                                den.
heerenden Folgen dieser Politik hin- Stunden pro Woche senken.                                                  6. Auch zukünftig wird die Durch-
                                                                                                             setzung menschengerechter Arbeits-
                                                                                                             und Beschäftigungsformen wesentlich
                                                                                                             von der Stärke der Gewerkschaften ab-
                                                                                                             hängen. Deshalb wollen wir die Rech-
                                                                                                             te von Gewerkschaften und Betriebs-
                                                                                                             räten stärken. Dazu ist das Streikrecht
                                                                                                             auszuweiten, etwa auf die Übernah-
                                                                                                             me und Verlagerung von Unternehmen.
                                                                                                             Wir brauchen ein Verbandsklagerecht
                                                                                                             für Gewerkschaften zum Schutz gelten-
                                                                                                             der Tarifverträge sowie ein Vetorecht für
                                                                                                             Betriebsräte bei Einsatz von Leiharbeit
                                                                                                             und befristet Beschäftigten.
                                                                                                                Diese wenigen Hinweise sollen
                                                                                                             deutlich machen: Wer wirklich »Gu-
                                                                                                             te Arbeit« will, muss sich auf Alterna-
                                                                                                             tiven zur Agenda 2010 einlassen. Die
                                                                                                             Gewerkschaften haben dazu Vorschlä-
                                                                                                             ge unterbreitet. Und wir haben ein um-
                                                                                                             fassendes Programm vorgelegt. Nun
                                                                                                             erwarten wir von den anderen Parteien
                                                                                                             Beiträge, die unserer gemeinsamen
                                                                                                             Verantwortung für »Gute Arbeit« ge-
                                                                                                             recht werden.

                                                                                                             Werner Dreibus ist stellvertretender
                                                                                                             Vorsitzender der Bundestagsfraktion
                                                                                                             DIE LINKE.

                                                                                                             Zum Herunterladen gibt es das
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                                                                                                             topic/17.wirtschaftspolitik.html

13   0   DISPUT November 2007
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