Hochschulwesen Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik - Das Hochschulwesen
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60. Jahrgang ISSN 0018-2974 HSW Das Hochschulwesen Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik 60 Jahre HSW n Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung! Wie wird eine Fachzeitschrift in der heutigen Medienlandschaft so alt? n Von der Hochschulreform zur „unternehmerischen“ Universität: ein weiter Weg n Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen – Ein Ländervergleich n Studieren 2.0: Digital Natives in Zeiten von Bologna n So gelingt Studieren in Bachelor-Studiengängen: mit validen Befragungsdaten zu einer erfolgsversprechenden Studiengangsgestaltung UVW UniversitätsVerlagWebler 1 2012 www.hochschulwesen.info www.universitaetsverlagwebler.de
Herausgeber Christa Cremer-Renz, Prof. em. Dr. päd., Universität Lüne- Beate Meffert, Prof. Dr.-Ing., Humboldt-Universität zu burg Berlin Gustav-Wilhelm Bathke, Prof. Dr. sc.phil., Universität Halle- Klaus Palandt, Dr. jur., Min. Dirig. a.D., Landesbergen b. Wittenberg Hannover Ludwig Huber, Prof. em. Dr. phil., Dr. h.c., Universität Ulrich Teichler, Prof. em. Dr. phil., Universität Kassel Bielefeld Wolff-Dietrich Webler, Prof. Dr. rer. soc., Universität Bergen Clemens Klockner, Prof. Dr. h.c. mult., bis Dezember 2008 (Norwegen), Institut für Wissenschafts- und Bildungs- Präsident der Fachhochschule Wiesbaden forschung Bielefeld (geschäftsführend) Jürgen Lüthje, Dr. jur., Dr. h.c., Hamburg Andrä Wolter, Prof. Dr. phil., Humboldt-Universität zu Ber- lin, Institut f. Erziehungswissenschaften, Abt. Hochschul- forschung Herausgeber-Beirat Christian Bode, Dr., ehem. Gen. Sekr. DAAD, Bonn schule und Forschung im Hauptvorstand der GEW), Rüdiger vom Bruch, Prof. em. Dr., Berlin Frankfurt am Main Michael Deneke, Dr., Darmstadt Sigrid Metz-Göckel, Prof. em. Dr., Dortmund Karin Gavin-Kramer, M.A., Berlin Jürgen Mittelstraß, Prof. Dr., Konstanz Lydia Hartwig, Dr., stellv. Leiterin, Bayer. Staatsinstitut für Ronald Mönch, Prof. Dr. h.c., Emden Hochschulforschung und -planung Jan H. Olbertz, Prof. Dr. sc., Präsident der Humboldt-Univer- Sigurd Höllinger, Prof. Dr., ehem. Sektionschef im BM. Wiss. sität zu Berlin, ehem. Kultusminister des Landes Sachsen- u. Fo., Wien Anhalt Gerd Köhler, Mitglied des Stiftungsrats der Universität Jürgen Schlegel, Min.Dirig. a.D., ehem. Gen. Sekr. GWK, Frankfurt/M & des Hochschulrates der Universität Bonn Halle/Saale (ehem. Leiter des Vorstandsbereichs Hoch- Johannes Wildt, Prof. em. Dr. Dr. h.c., Dortmund Hinweise für die Autoren In dieser Zeitschrift werden i.d.R. nur Origialbeiträge publi- Wichtige Vorgaben zu Textformatierungen und beigefügten ziert. Sie werden doppelt begutachtet. Die Autor/innen Fotos, Zeichnungen sowie Abbildungen erhalten Sie in den versichern, den Beitrag nicht zu gleicher Zeit an anderer „Autorenhinweisen” auf unserer Verlags-Homepage: Stelle zur Publikation angeboten zu haben. Beiträge werden „www.universitaetsverlagwebler.de”. nur dann angenommen, wenn die Autor/innen den Gegen- Ausführliche Informationen zu den in diesem Heft aufge- stand nicht in vergleichbarer Weise in einem anderen Me- führten Verlagsprodukten erhalten Sie ebenfalls auf der dium behandeln. Senden Sie bitte das Manuskript als zuvor genannten Verlags-Homepage. Word-Datei und Abbildungen als JPG-Dateien per E-Mail an die Redaktion (Adresse siehe Impressum). Impressum Verlag und Abonnementverwaltung Erscheinungsweise: 6mal jährlich UVW UniversitätsVerlagWebler Redaktionsschluss: 02.04.2012 Der Fachverlag für Hochschulthemen Bünder Str. 1-3, 33613 Bielefeld Grafik: Tel.: (0521) 92 36 10-12, Fax: (0521) 92 36 10-22 Ute Weber Grafik Design, München E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de Gesetzt in der Linotype Syntax Regular Satz: UVW, E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de Copyright: UVW UniversitätsVerlagWebler Übersetzung editorial: J. Knieper & R. Robbel Die mit Verfassernamen gekennzeichneten Beiträge geben nicht in jedem Falle die Auffassung der Herausgeber bzw. Druck: Hans Gieselmann, Ackerstr. 54, 33649 Bielefeld Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskrip- te/Rezenzionsexemplare wird keine Verpflichtung zur Veröf- Anzeigen: fentlichung/Besprechung übernommen. Sie können nur Das HSW veröffentlicht Verlagsanzeigen, Ausschreibungen zurückgegeben werden, wenn dies ausdrücklich gewünscht und Stellenanzeigen. Aufträge sind an den Verlag zu rich- wird und ausreichendes Rückporto beigefügt ist. Die Urhe- ten. Die jeweils gültigen Anzeigenpreise sind folgender berrechte der hier veröffentlichten Artikel, Fotos und Anzei- Homepage zu entnehmen: „www.hochschulwesen.info”. gen bleiben bei der Redaktion. Der Nachdruck ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. Bezugspreis: Jahresabonnement: 92 €/Einzelpreis: 16 €. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhe- Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten. Das berrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages un- Jahresabonnement verlängert sich automatisch um 1 Jahr, zulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti- wenn es nicht bis 6 Wochen vor Jahresende schriftlich gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein- gekündigt wird. speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
60. Jahrgang Gegründet 1953 als „Das Hochschulwesen”, vereinigt mit „Hochschulausbildung. Zeitschrift für Hochschulfor- schung und Hochschuldidaktik”, gegründet 1982 von der Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik (AHD). HSW Das Hochschulwesen Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik Einführung des geschäftsführenden Herausgebers 1 Anregungen für die Praxis/ Erfahrungsberichte In eigener Sache Margret Bülow-Schramm & Hilke Rebenstorf Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung! So gelingt Studieren in Bachelor-Studiengängen: Wie wird eine Fachzeitschrift in der heutigen mit validen Befragungsdaten zu einer Medienlandschaft so alt? erfolgsversprechenden Studiengangsgestaltung 28 2 Hochschulentwicklung/-politik Rezension Katrin Späte (Hg.): Ewald Scherm Kompetenzorientiert Soziologie lehren. Von der Hochschulreform zur „unternehmerischen“ Dimensionen, Methoden, Perspektiven. Universität: ein weiter Weg 7 (Tanja Müller) 34 Hochschulforschung Seitenblick auf die Schwesterzeitschriften Thomas Günther, Ulrike Henke, Sebastian John & Bianca Schönherr Hauptbeiträge der aktuellen Hefte Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen – Fo, HM, ZBS, P-OE und QiW IV Ein Ländervergleich 13 Martin Ebner & Walther Nagler Studieren 2.0: Digital Natives in Zeiten von Bologna 20 1 2012
NEU im UniversitätsVerlagWebler erhältlich: Jenna Voss: Zielgerade Promotion. Auszüge aus dem Tagebuch einer Doktorandin Maja hat sich entschlossen, ihren beruflichen Traum wahr zu ma- chen: Sie will eine Doktorarbeit schreiben und Wissenschaftlerin wer- den. Zuversichtlich startet sie ihr Promotionsprojekt, doch der Weg Reihe Campus-Literatur zum Titel wird schon bald zu einem unberechenbaren Schlängel- pfad durch unübersichtliches Gelände. Ihr Projekt verwandelt sich in ein siebenköpfiges Ungeheuer, das sie zu verschlingen droht. Doch sie gibt nicht auf. Das Tagebuch beschreibt den Umgang mit Höhen und Tiefen beim Schreiben einer Doktorarbeit auf der Prozessebene. Die Ich-Erzählerin, Maja, schildert ihre Erfahrungen und zeigt Möglichkeiten und konkrete Bewältigungsstrategien auf, mit denen sie schwierige Phasen, Zweifel, Konflikte, Blockaden und sonstige Hürden in der Promotionsphase erfolgreich überwindet. Sie nutzt ihre Erkenntnisse für eine tiefgreifende Persönlichkeits- entwicklung. Ihre beharrliche Selbstreflexion führt sie durch alle 3-937026-75-4, Bielefeld 2012, Hindernisse hindurch bis zum Ziel. 24 S., 18.90 Euro Bestellung - E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de, Fax: 0521/ 923 610-22 Sandra Mittag, Rüdiger Mutz & Hans-Dieter Daniel: Institutionelle Qualitätssicherung der Lehre auf dem Prüfstand: Eine Fallstudie an der ETH Zürich Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde das Qualitäts- Reihe: Qualität - Evaluation - Akkreditierung siche-rungssystem der ETH Zürich im Bereich Lehre einer umfassenden Meta-Evaluation unterzogen. Das Qualitätssicherungssystem stützt sich auf die vier In- strumente Lehrveranstaltungsbeurteilung, Absolventen- befragung, Selbsteva-luation und Peer Review. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die ETH Zürich über etablierte Qualitätssicherungsinstrumente verfügt, die weitestgehend akzeptiert sind. Allerdings bestehen bei allen vier Instrumenten Optimie- rungspotentiale. ISBN 3-937026-74-6, Bielefeld 2012, 115 S. Bestellung - E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de, Fax: 0521/ 923 610-22 HSW 1/2012
Einführung des HSW geschäftsführenden Herausgebers Die Zeitschrift „Das Hochschulwesen” wird mit diesem Mit der Weiterentwicklung der digi- Jahrgang 2012 schon 60 Jahre alt. Aus diesem erfreuli- talen Medien stellt sich die Frage chen Anlass hat Wolff-Dietrich Webler, der die Zeit- nach einer Veränderung von Nut- schrift nun seit 21 Jahren als geschäftsführender Heraus- zungsgewohnheiten immer neu. Be- geber betreut, deren ungewöhnliche Geschichte und sonders diejenigen Stellen, die den Entwicklungsphasen zusammen gefasst. Sie hat in dieser Lehrenden wie Lernenden diese Zeit drei Verlage erlebt, die – bei aller Verschiedenheit – neuen Möglichkeiten als Dienstlei- die Kontiunität bewahrt haben. Für eine deutsche Fach- stung zur Verfügung stellen sollen, zeitschrift sind 60 Jahre Hochschulwesen schon etwas sind an neuen Erkenntnissen zu den Besonderes. Neigungen und zur Medienkompe- W.-D. Webler Seite 2 tenz interessiert. Dabei zeigt sich in Viele Entscheidungen in den gegenwärtigen Hochschu- solchen Untersuchungen regelmäßig eine erhebliche Dis- len sind längst so komplex (d.h. voraussetzungsvoll, in krepanz zwischen technischen Möglichkeiten und realem der Durchführung vieldimensional und anschließend fol- Einsatz. Martin Ebner & Walther Nagler (Graz) stellen in genreich) geworden, dass zu deren Planung, Vorberei- ihrem Artikel Studieren 2.0: Digital Natives in Zeiten von tung, Durchführung und Nachbereitung Fähigkeiten er- Bologna differenzierte Ergebnisse empirischer Studien an forderlich sind, die in der traditionellen akademischen der TU Graz vor. Bei der Bewertung der Ergebnisse stellt Karriere von Professoren kaum erworben werden. In den sich nicht nur die Frage der Verfügbarkeit, sondern auch traditionellen Strukturen akademischer Selbstverwal- eines sinnvollen Einsatzes. Sinnvoll ist der Einsatz techni- tung war oft eine ganze Amtszeit nötig, um sich (wenn scher Medien nur, wenn die Studienziele besser erreicht es überhaupt gelang) die nötigen Kenntnisse und Fähig- werden. Viele Ziele sind nur im interaktiven Miteinander keiten anzueignen. Eine oft (zu) teure Lehrzeit, wenn in von Studierenden untereinander oder mit Lehrenden zu Rektoraten oder Dekanaten die Interessen der jeweils erreichen. Insofern stößt etwa der Ersatz von Präsenzver- verantworteten Organisation durch individuelle Fehler anstaltungen durch digitale Medien an Grenzen. nicht gewahrt werden konnten. „Professionalisierung” Seite 20 folgte als Forderung – wobei die einen darunter haupt- amtliche Wissenschaftsmanager in einer Hochschule als Die Art der Verwandlung der alten Diplom- und Magis- Unternehmen meinten (etwa dem US-amerikanischen ter-Studiengänge in Bachelor-Studiengänge (jedenfalls Dean vergleichbar), während die anderen eine Wand- wie sie in Deutschland vielfach vorgenommen wurde) ist lung und Verbreiterung der Qualifizierung des akademi- oft kritisiert worden. Nur an wenigen Stellen wurde ein schen Nachwuchses forderten (als Teil einer moderni- völliger Neuanfang gewagt, und nur an wenigen Stellen sierten akademischen Selbstverwaltung). Der Aufsatz standen zunächst geeignete empirische Daten für die von Ewald Scherm: Von der Hochschulreform zur „un- Entwicklung zur Verfügung. Das hat sich mit dem Aufbau ternehmerischen” Universität: ein weiter Weg diskutiert von Qualitätsssicherungssystemen an den Hochschulen die Problematik. Der Begriff der „unternehmerischen teilweise verändert. Dort konnten Basisdaten gewonnen Universität” lässt noch offen, in welcher der beiden Al- werden, die es erlaubten, einer jahrzehntealten Forde- ternativen (oder einer noch zu entwickelnden dritten) rung der Hochschuldidaktik als Curriculumreform nach- die Lösung liegen könnte. Ein Projekt ist angelaufen, das zukommen: Hochschuldidaktik als empirisch fundierte sich unter der Leitung des Autors die Klärung dieser Fra- Studienreform zu betreiben. Wie wichtig diese Entwick- gen vorgenommen hat. Seite 7 lung genommen wird, ist daran absehbar, dass das BMBF die Förderlinie „Hochschulforschung als Beitrag zur Pro- Zielvereinbarungen zwischen Staat und Hochschulen fessionalisierung der Hochschullehre („Zukunftswerkstatt sind längst zu einem wichtigen Steuerungsinstrument Hochschullehre")” mit einem Volumen von 12 Mio. Euro der Hochschulpolitik geworden. Aber diese Steuerung aufgelegt hat, in deren Rahmen Projekte wie das hier kann sehr unterschiedlich und sehr verschieden zweck- präsentierte durchgeführt werden können. In dem hier mäßig ausgestaltet werden. In ihrem Beitrag Zielverein- von Margret Bülow- Schramm & Hilke Rebenstorf in barungen zwischen Land und Hochschulen – Ein Länder- ihrem Beitrag So gelingt Studieren in Bachelor-Stu- vergleich haben Thomas Günther, Ulrich Henke, Sebas- diengängen: mit validen Befragungsdaten zu einer er- tian John & Bianca Schönherr die Ergebnisse aus einem folgversprechenden Studiengangsgestaltung vorgestell- Forschungsprojekt zur Einführung des neuen Steue- ten Projekt wird ein Weg zu empirisch fundierter Stu- rungsmodells zusammengefasst. Dabei waren sie ur- dienreform erprobt. Das müsste viel öfter geschehen. sprünglich von der Schnittstelle zwischen Sächsischem Daher ist über dieses Modell hinausgehend unter re- Wissenschaftsministerium und den Landeshochschulen formstrategischer Perspektive ist zu fragen: Was wird ausgegangen. Die Autoren wollen den Lesern sowohl nach dem Ende derartiger Projekte und ihrer Ausnahme- wesentliche Vergleichskriterien an die Hand geben als situationen übrig bleiben? Der dort in diesen Projekten auch Stellschrauben für Zielvereinbarungen zwischen verfügbare Mittelaufwand steht nicht dauerhaft zur Ver- Land und Hochschule deutlich machen. Beides beab- fügung. Ein wichtiges Ergebnis solcher Projekte müsste sichtigt das HSW mit dieser Veröffentlichung auch. sein, Wege zu entwickeln, wie solche hohen Standards Seite 13 der Studiengangsentwicklung im Alltag der Hochschule bewahrt werden können. Seite 28 W.D.Webler HSW 1/2012 1
In eigener Sache HSW Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung! Wie wird eine Fachzeitschrift in der heutigen Medienlandschaft so alt? The journal "Das Hochschulwesen" is already turning 60 with 2012's volume. Due to this pleasant occasion, Wolff-Dietrich Webler, who has been supervising the journal as executive publisher for 21 years now, summa- rized its unusual history and stages of development. It has had three publishers during this period, who have kept the continuity in spite of all differences. 60 Years of Hochschulwesen are really something special for a German journal. Many decisions at the current institutions of higher education have become so complex by now (i.e. nee- ding prerequisites, being multi-dimensional in their realization, and leading to far-reaching consequences), that their planning, preparation, execution and evaluation require skills which are barely acquired in the traditional academic career of professors. 1. Gegenwart duellen Hochschullehrer/innen, Mittelbau-Angehörigen Die Zeitschrift Das Hochschulwesen (ein etwas alter- und Studierenden-Vertretungen sowie ausländischen tümlicher, aber längst zum Markenzeichen gewordener Kolleg/innen außerordentlich geschätzt, wie Umfragen Titel) erscheint nun im 60. Jahrgang seit 1953. Sie ist in der Leserschaft ergeben haben. Selbst vielbeschäftigte damit die älteste existierende deutschsprachige wissen- Rektoren bzw. Präsidenten geben an, in jedem Heft 2-4 schaftliche Fachzeitschrift über den Hochschulbereich. Aufsätze lesen zu wollen und 1-3 tatsächlich zu lesen. In Das Hochschulwesen (HSW) zählt zu den ganz wenigen Norwegen ist das HSW eine offiziell akkreditierte Zeit- Zeitschriften im deutschsprachigen Raum, die sich über- schrift, in der Autoren durch Beiträge “credits” für Ein- haupt als wissenschaftliche Fachzeitschrift kontinuierlich kommen und Karriere erwerben können. Insofern ist sie mit Hochschulen und deren Entwicklung befassen. In als Fachzeitschrift, die üblicherweise nur von einem sehr ihrer wechselvollen Geschichte hat die Zeitschrift bisher eingeschränkten Kreis von Fachleuten gelesen wird, in 4 existentielle Krisen überwunden, jeweils gefolgt von ihren Bezugsgruppen hervorragend platziert. einem erfolgreichen Neuanfang (s.u.). Anders als eher magazinartig aufgemachte Medien mit 2. Geschichte Kurzartikeln nimmt sie sich noch die Zeit, in 6 Heften pro Jahr jeweils fünf sorgfältig erarbeitete und begutach- 2.1 Wichtige 37 Jahre in der DDR tete Aufsätze von jeweils 6-9 Druckseiten zu publizieren Begonnen hat die Geschichte der Zeitschrift 1953 in der – ein Umfang, der einerseits auf der Seite der Autor/in- DDR. Das Hochschulwesen (HSW) war das offiziöse nen noch differenzierte Entfaltung eines Themas und Organ des DDR-Ministeriums für Hoch- und Fachschul- sorgfältige Information zulässt, andererseits auf der wesen (vor der Vereinigung dann: des Ministeriums für Seite der informationsüberfluteten und zeitknappen Bildung und Wissenschaft der Deutschen Demokrati- Leser/innen ein noch gut bewältigbares Volumen anbie- schen Republik) und erschien dort im Deutschen Verlag tet. Die Aufsätze kommen nicht aus zweiter oder dritter der Wissenschaften, (Ost-)Berlin, Friedrichstraße. Sie Hand – sie sind von den Fachautor/innen selbst ge- wurde durch ein verhältnismäßig unabhängig agierendes schrieben und gehen auf Forschung bzw. breite Praxiser- 9-köpfiges Redaktionskollegium des Verlags gestaltet fahrung zurück. Durch ein strenges System der Begut- (Stand 1990). Ihm gehörten zu jener Zeit an: Klaus Däu- achtung und weiteren Betreuung wird ein hohes Niveau michen, Max Heidler (Vorsitzender), Eberhard Hoyer, der Beiträge gewährleistet. Annelore Klose-Berger, Siegfried Kiel, Karl Knopke, Dieses Informationsangebot wird von unserer Leser- Franz Lichtenecker, Gerhard Roger, Hans-Jürgen Schulz. schaft – zahlreichen Hochschulleitungen, Wissenschafts- ministerien, Wissenschafts(förder)organisationen, Wis- Das Hochschulwesen informierte als Monatsschrift an- senschaftsausschüssen der Landtage, Hochschulbiblio- genehm sachbezogen über Entwicklungen im Bildungs- theken, in vielen Fachbereichen und von vielen indivi- wesen der DDR sowie – und das machte sie auch im 2 HSW 1/2012
HSW Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung! westlichen Ausland bekannt und besonders interessant und war Anfang 1991 mit der Klärung der Perspektiven – in vielen gut informierten Beiträgen über Hochschul- und eines Konzepts beschäftigt. Da wandte sich Wolff- entwicklungen in den sozialistischen Bruderstaaten der Dietrich Webler, als Hochschulforscher und Bundesvor- DDR. Das waren wertvolle Horizonterweiterungen für sitzender der Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik westliche Hochschulforscher und -planer. Der spätere e.V. (AHD), von Hochschulpädagogen der DDR aufmerk- geschäftsführende Herausgeber und heutige Verleger sam gemacht, an den Luchterhand Verlag und unterbrei- hatte mit dieser Zeitschrift im Rahmen von Forschung tete ein inhaltliches und organisatorisches Konzept und Planung schon seit 1972 an der Universität Heidel- sowie einen Vorschlag zur Kooperation mit der AHD. Sie berg gearbeitet. Besonders für westliche Hochschuldi- suchte für ihre Zeitschrift „Hochschulausbildung. Zeit- daktiker reizvoll war darüber hinaus eine regelmäßige schrift für Hochschulforschung und Hochschuldidaktik” Sparte bzw. Einlage in die Zeitschrift „Aus Theorie und einen neuen Verlag. Praxis der Hochschulpädagogik“ mit sehr qualifizierten Nach wenigen Verhandlungsrunden mit dem Verlagslei- Beiträgen. So etwas wäre zu jener Zeit in der alten Bun- ter Holger Knudsen war man sich einig. Nach dem den desrepublik mangels Identifikation mit dem Thema in AHD-Mitgliedern vorgelegten Konzept sollten Hoch- einer staatsnahen, auflagenstarken Zeitschrift mit hoher schulforschung und Hochschulpraxis verknüpft und Verbreitung in den Hochschulen noch undenkbar gewe- dabei hochschuldidaktische Themen in die übrigen The- sen. Hierunter fielen Beiträge zur Didaktik der Lehre men der Hochschulentwicklung eingebettet werden. ebenso wie zu curricularen Entwicklungen, aber auch Dadurch wurden sie zwar relativiert, aber ihnen sollte allgemeine bildungssoziologische und speziell die Stu- auf diese Weise auch der ihnen gebührende Platz im All- dierenden betreffende Forschungen. Nach 1989 spiegel- tag der Hochschulentwicklung zugewiesen werden. Die ten die Themen der Beiträge (wenig überraschend) ei- Hochschuldidaktik sollte aus ihrer Isolierung befreit – nerseits den informationellen Nachholbedarf der Leser- insbesondere Fragen der Lehre sollten gleichberechtigt schaft in der DDR und in den weiteren Staaten des behandelt werden. Ein Untertitel sollte das Konzept sig- Ostens über die Verhältnisse in den westlichen Hoch- nalisieren: „Forum für Hochschulforschung, -praxis und schulsystemen, vor allem der alten Bundesrepublik – -politik”. Die Zeitschrift wollte diesen Bogen von der Beiträge, die lange Zeit so umfassend informiert (insbe- wissenschaftlichen Erforschung über die „best practice“ sondere von westlichen Autoren geschrieben) nicht er- im Alltag bis zur Gestaltung dieses Feldes in ihren Beiträ- scheinen konnten, weiter über Entwicklungen, die in gen behandeln. Dabei wurde „Politik“ in ihrem ur- dieser Form an den DDR-Hochschulen unbekannt gewe- sprünglichen Sinne als Gestaltung in einem öffentlichen sen waren (z.B. studentische Tutoren) sowie typische Feld, hier der „Hochschulen“ verstanden, nicht be- Themen der Vereinigung z.T. sehr differenter Hochschul- schränkt auf Hochschulpolitik von Seiten des Staates. systeme. Beispiele: „Grundsätze zur Vergabe eines Soweit Ergebnisse der Hochschulforschung für die Praxis Hochschulgrades in der BRD und Berlin (West)” oder und die Hochschulpolitik zugänglich macht werden soll- „Zum Zusammenwachsen deutscher Hochschulen im ten, handelte es sich um keine Einbahnstraße. Auch um- Rahmen der deutschen Einigung”. Es war auch auffal- gekehrt sollten reflektierte Praxiserfahrungen sowie Er- lend, wie stark bereits direkt nach der Grenzöffnung fahrungen und Sichtweisen der Politik allen drei Bezugs- westliche Autoren zu Beiträgen eingeladen wurden und gruppen präsentiert werden, sollten die Hochschulfor- sich in dieser Zeitschrift zu engagieren begannen. schung „erden” und dort neue Forschungsfragen anre- Bis 1990 wurde Das Hochschulwesen mit etwa 1.000 gen. Das im Heft 4-1991 (S. 145) veröffentlichte und bis Exemplaren an den Hochschulen der DDR gelesen und heute gültige Konzept lautete: mit weiteren etwa 1.000 Exemplaren in die sozialisti- „... Es soll eine Zeitschrift für das neue vereinigte Hoch- schen Staaten exportiert. Mit dem Zusammenbruch der schulwesen in den Bundesländern entstehen und zu- traditionellen Verteilungsstrukturen in diesen Staaten gleich eine Zeitschrift, die die internationale Verflech- war diese Verbreitung abrupt beendet. Dort gab es für tung der Hochschulentwicklung beobachtet und kom- diese Zwecke nur eine einzige Kontaktstelle nach außen mentiert. – der Verlag hatte jedoch keine Kenntnis der jeweiligen Beide Seiten schlossen einen Kooperationsvertrag ab, ... weiteren inländischen Verteilung bzw. der Empfänger. um gemeinsam folgende Konzeption zu realisieren: Das Hochschulwesen publiziert Beiträge 2.2 Wendezeit und gesamtdeutsche Funktionen • zur deutschen und internationalen Entwicklung der 2.2.1 Wirtschaftliches Überleben und variiertes Konzept Hochschulen, Der zweite Neuanfang wurde nötig, als nach der deut- • zu Geschichte, Politik, Planung, Recht und Verwaltung schen Vereinigung mit der Bildung der fünf neuen Bun- ihrer institutionellen Organisation und ihrer Mitglieder desländer das zentrale Ministerium der DDR Ende 1990 • zu Lehre und Forschung, aufgelöst wurde und damit Anlass, Herausgeber und • zu den Beziehungen zwischen Hochschule und Gesell- Subvention der Zeitschrift entfielen. Die bisherige wirt- schaft, Staat, Schule und Beruf und schaftliche Basis der Zeitschrift war dahin. Der west- • zu sozialer Herkunft, Berufsverlauf und Sozialisation deutsche Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied er- der Hochschulmitglieder. warb die Rechte (zusammen mit einem Bündel anderer Zeitschriften in ähnlicher Lage), übernahm die von Max Die Zeitschrift veröffentlicht wissenschaftliche Aufsätze Heidler geleitete (nur wenig verkleinerte) Kernredaktion aus der Hochschulforschung (Forschung über Hochschu- (!) in (Ost-)Berlin, stellte auf 2-monatiges Erscheinen um len) im weiteren Sinne, größere Essays und Übersichts- HSW 1/2012 3
In eigener Sache HSW berichte ... Kommentare, ... Kontroversen, Interviews, dies auf Seiten des Luchterhand Verlages (nach dem al- Porträts, Rezensionen, Literaturhinweise. ... tersbedingten Ausscheiden von Max Heidler) durch des- Spezielle Aufmerksamkeit wird dem Zusammenwachsen sen Nachfolger in der verlagsseitigen Betreuung der des Hochschulwesens in den neuen und alten Bundes- Zeitschrift, Rolf Ederer. ländern gewidmet ... ohne den übrigen internationalen Die Absicht der AHD, hochschuldidaktische Themen in Zusammenhang zu vernachlässigen. die allgemeine Hochschulforschung und in den Alltag Die Zeitschrift ist ... als informatives, meinungsfreudiges, der Hochschulentwicklung einzubetten, gelang großen- unabhängiges, kritisch beobachtendes und analysieren- teils in den Folgejahren. Zielgruppen wurden erreicht, des Forum angelegt ... die vorher hochschuldidaktische Publikationen nicht zur ... drei Informationskomplexe (werden) für gleich dring- Kenntnis genommen hätten. Aber auch für die AHD- lich gehalten: Informationen zu Mitglieder wurde Das Hochschulwesen mit seiner The- • Lehre und Lernen, menspanne für mehr als 10 Jahre unentbehrlich. Die Zu- • Beruf, Arbeitsplatz, Dienstverhältnis und sammenarbeit wurde erst durch eine verlegerische Ent- • Wissenschaftsförderung (insbesondere Einwerbung scheidung der Konzernmutter des Verlages, Wolters & von Drittmitteln), Forschungsmanagement. Kluwer in Amsterdam, sich aus allen Hochschulthemen zurückzuziehen und Das Hochschulwesen einzustellen, Dem folgt das Interesse an Informationen nach 10 Jahren zum 31.12.2001 beendet. Der Beschluss, • über Rahmenbedingungen der Entwicklung in For- diese lebendige, einflussreiche und gut platzierte Zeit- schung, Lehre, Studium und Beruf und schrift einzustellen, erschreckte die Fachwelt. Der bishe- • zu Selbstverwaltung, Fakultätsmanagement und Perso- rige geschäftsführende Herausgeber suchte nach Alter- nalführung ...” nativen bzw. Chancen zur Weiterführung, erfuhr, dass die Rechte an der Zeitschrift für eine Fortsetzung erwor- Die Zeitschrift sollte – thematisch wie bisher der ganzen ben werden konnten und gründete eigens als Auffang- Hochschulentwicklung verpflichtet – öffentliche Zeit- gesellschaft mit 62 Jahren den „Universitätsverlag We- schrift mit freien Abonnenten sein, aber gleichzeitig bler (UVW)”. Das Konzept und die die Zeitschrift be- auch als Mitgliederzeitschrift der AHD fungieren. Sie treuenden Herausgeber blieben die alten, ohne damit sollte redaktionell unabhängig sein, aber das inhaltliche auf Weiterentwicklung zu verzichten. Die entscheidende Anliegen der gemeinnützigen AHD aufgreifen und die Frage war, wie sich die Abonnenten angesichts dieses Hochschuldidaktik in Theorie und Praxis fördern (d.h. Wechsels des „Trägers” entscheiden würden. Sie hielten die Beobachtung und positive Veränderung aller auf (mit geringen Ausnahmen) ihre Abonnements aufrecht. Lehre und Studium einwirkender Einflussfaktoren). Damit war die Zeitschrift (trotz der voraus gegangenen Diese Themenfelder sollten über Personalentscheidun- Entscheidung, sie einzustellen), nicht untergegangen, gen in dem neugeschaffenen Herausgeberkreis berück- sondern erlebte den dritten Neuanfang: Das Hochschul- sichtigt werden. wesen wurde als Zeitschrift mit großer Tradition, aber Der Luchterhand Verlag sowie die AHD-Mitgliederver- gerade der kritischen Beobachtung, Analyse und dem sammlung stimmten diesem Konzept und der Koopera- positiven Wandel verpflichtet, ausgerechnet im 50. Jahr- tion zu. In einer in den Herkunftsdisziplinen und fachli- gang 2002 weiter verlegt – vielleicht ein gutes Omen für chen Funktionen variierten Zusammensetzung des Her- die Kontinuität ebenso wie für einen neuen Start. ausgeberkreises übernahm Dr. soz. wiss. Wolff-Dietrich Dann allerdings entschied sich die AHD, auf eine eigene Webler, Universität Bielefeld (Bildungssoziologe, Hoch- Mitgliederzeitschrift zu verzichten, was den Verlust von schulforscher, Schwerpunkte Studium und Lehre, insbe- 50% der Abonnenten bedeutete – wieder ein wirtschaft- sondere Hochschuldidaktik) die Aufgaben eines ge- lich herber Rückschlag für das HSW. Zwar bezog eine schäftsführenden Herausgebers (Schriftleitung). Die wei- Gruppe AHD-Mitglieder das HSW als Privatbezieher teren Herausgeber bestanden aus: Dr. jur. Peter Dallin- weiter, aber auch in der AHD machte sich die allgemeine ger, MinDirektor a.D. (früher im BMBW), Bonn (staatli- Altersstruktur bemerkbar; mit ihrer Pensionierung ver- ches Hochschulrecht); Prof. Dr. phil. Ludwig Huber, wiss. zichteten viele Mitglieder auch auf das Abonnement. Leiter des Oberstufenkollegs, Universität Bielefeld; Prof. Trotzdem gelang es ein viertes Mal, neue Bezieher zu ge- Dr. sc. päd. Karlheinz Jackstel, Professor für Hochschul- winnen, die Zeitschrift in ihrem Bestand zu stabilisieren pädagogik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; und die herben Einbußen zu kompensieren. Dr. jur. Jürgen Lüthje, Präsident der Universität Hamburg und Prof. Dr. phil. Ulrich Teichler, (Bildungssoziologe, 2.2.2 Deutsche Vereinigung: Inhaltliche Brücke mit ge- Schwerpunkt Hochschule und Arbeitsmarkt), Gesamt- samtdeutscher Funktion hochschule Kassel-Universität. In diesen Jahren spiegeln die Aufsätze natürlich die neue Das Hochschulwesen wurde daraufhin im gleichen Jahr Situation. An ihnen lassen sich die Entwicklungsstadien 1991 durch Fusion mit der ihrerseits seit 1982 beste- der Vereinigung der Wissenschaftssysteme ablesen – henden AHD-Zeitschrift „Hochschulausbildung. Zeit- Prozesse, die sich vielfach überlagern: a) Kennenlernen schrift für Hochschulforschung und Hochschuldidaktik” neuer Rahmenbedingungen, b) Überprüfung der existie- gleichzeitig zur AHD-Mitgliederzeitschrift. In der Folge- renden Strukturen und des Bestandes mit den vier alter- zeit kam es zu einer sehr produktiven Zusammenarbeit nativen Konsequenzen: Bestätigung, Wandlung, Ab- zwischen dem Hermann Luchterhand Verlag, den Her- wickelung, Neuaufbau, c) Beschreibung und Einordnung ausgebern und der AHD. Besonders gefördert wurde der neuen Entwicklungsprozesse, d) Aufarbeitung der 4 HSW 1/2012
HSW Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung! Vergangenheit, e) kritische Analyse und Begleitung des Die Zeitschrift ist nicht Verlautbarungsorgan irgendeines Übergangsprozesses. Das Hochschulwesen widmete An- Verbandes, sie versteht sich im Gegenteil auch als Forum fang 1994 zwei seiner Ausgaben explizit der Frage „Ab- kontroversen Meinungsaustausches dort, wo Problem- brüche und Neuanfänge – Vertane Chancen für die Wis- sichten, Interpretationsmöglichkeiten oder Lösungen senschaft bei der deutschen Einigung?” noch offen sind. In ihrer Eigenschaft als Forum der Die Themen der einzelnen Aufsätze zeigen, was in jenen Hochschulforschung allerdings ist die Zeitschrift rückge- Jahren die Hochschulpolitik und Hochschulmitglieder bunden an den Stand dieser Forschung. Daraus resultie- umtreibt (s. Anlage). Das Hochschulwesen hat auf diese ren dann klare Positionen soweit Ergebnisse eindeutig Weise den deutschen Vereinigungsprozess mit zahlrei- sind. Dies kann zur Ablehnung von Beiträgen führen, die chen Artikeln aus West- und Ostsicht intensiv analysiert, diesen Stand nicht berücksichtigen. Ihre Aufsätze unter- kommentiert, kritisiert, dokumentiert. liegen im übrigen einem strengen Gutachterverfahren, das selbstverständlich ohne Abstriche auch im Heraus- geberkreis untereinander gepflegt wird, wenn Beiträge 3. Heutiges Konzept von dort kommen. Als generalistisch angelegte Zeitschrift beobachtet sie die Universitäten, Universitäten für angewandte Wissen- 4. Zukunft schaften (Fachhochschulen) und Spezialhochschulen sorgfältig und bildet deren Entwicklung in Beiträgen ab. Der Verlag beobachtet natürlich die technische Entwick- Sie bieten sowohl Hintergrundwissen aus der Hochschul- lung aufmerksam, hält aber vorläufig trotz eigener Mög- forschung als auch gründliche Orientierung in Tagesthe- lichkeiten zu online-Zeitschriften an der Print-Ausgabe men. Dort werden Überblicke und Analysen der Ent- mit der sinnlichen Ausstrahlung, dem Aufforderungscha- wicklung vorgelegt, internationale Vergleiche gezogen rakter und Handhabbarkeit eines Heftes fest. Überall in und Ihnen, den Abonnenten, damit viele Ideen, Konzep- den Hochschulen werden zur Zeit besondere Projekte te und Anregungen zugänglich gemacht. Rezensionen zur Studienreform und Qualitätssicherung begonnen. kommen hinzu. Theoriebezogene oder empirische wis- Dafür wird zusätzliches Personal gesucht. Aber es fehlt senschaftliche Aufsätze werden ebenso veröffentlicht an erfahrenen, einschlägig ausgebildeten Kräften. Der wie nachdenkliche, gut beobachtende, gut recherchierte Arbeitsmarkt ist leergefegt. Kompromisse sind unver- Beiträge zur gestalterischen, zukunftsbezogenen Pro- meidbar. Viele der gutwilligen, auch vielversprechenden grammatik von Praxisfeldern der Hochschulen oder Ausgewählten haben nicht nur Weiter-, sondern vielfach ebensolchen Erfahrungsberichten, die zur Weitergabe auch noch Ausbildungsbedarf, der sich oft erst im Verlauf mit einem gewissen Modellcharakter geeignet sind. eines Projekts in vollem Umfang heraus stellt oder sich Die Zeitschrift wird nur durch Originalbeiträge der je- den Verantwortlichen erst spät erschließt. Sie alle in weiligen Akteure, Expertinnen und Experten gestaltet. Weiterbildungen zu schicken wäre wünschenswert, Die Artikel bieten eine hohe Informations- und Erfah- übersteigt aber oft die finanziellen Möglichkeiten. Da rungsdichte, an deren Optimierung die Redaktion stän- empfehlen sich Lerngelegenheiten am eigenen Schreib- dig arbeitet – von der scharfsinnigen, empirisch bzw. tisch! Mit seinen Artikeln kommt das Hochschulwesen theoretisch unterlegten Analyse bis zum anregenden, unterschiedlichem Bedarf und unterschiedlichen Vor- handfesten, übertragbaren Praxisbericht. Das ist unser kenntnissen und Verwendungskontexten entgegen. Markenzeichen. Daher gehören diese Zeitschriften nicht nur in jede Die Zeitschrift hat ihr beim Neustart 1991 vereinbartes Hochschulbibliothek, sondern als Arbeitsmaterial auf Konzept beibehalten. Die Breite des Themenspektrums jeden Schreibtisch, von dem aus die Entwicklung der und die Originalbeiträge haben sich ebenso bewährt wie Hochschulen beeinflusst wird. Trotz Internet und online- die Spannweite zwischen Theorie und Praxis. Zeitschriften: Die einzelnen Hefte haben ein günstiges Das HSW publiziert in 6 Heften pro Jahr in der Regel 5 Format, sind jederzeit griffbereit, können am Arbeits- Aufsätze je Heft als Hauptbeiträge, die auf unterschiedli- platz gelesen, aber auch auf Reisen ohne Aufwand mit- chen Arbeits- und Erfahrungsfeldern angesiedelt sind. genommen werden. Das HSW ist auf die jetzt die Hoch- Äußeres Zeichen dieses Spektrums sind die ständigen schulen bewegenden Reformfragen spezialisiert. Sparten „Hochschulforschung“, „Hochschulentwicklung, Das Hochschulwesen erhält an diesem Jahresanfang -politik“, „Anregungen für die Praxis/Erfahrungsberich- 2012 mehr Aufsätze zur Publikation angeboten als je te“ (insbesondere in Lehre und Studium und hier insbe- zuvor. Die Aufmerksamkeit, mit der die Zeitschrift beob- sondere zur Didaktik und curricularen Entwicklung achtet wird, ist noch einmal deutlich gewachsen. Die sowie Studienberatung der Hochschulen). Die Zeitschrift Zeitschrift wird mit einer Erweiterung des Seitenum- publiziert neben den Aufsätzen auch Nachrichten, Es- fangs reagieren, um den Inhalten breiteren Raum zu bie- says, Dokumentationen, (Gast-)Kommentare, (Tagungs- ten. Das war in ihrer nun 60 jährigen Geschichte nicht )Berichte, Kontroversen, Interviews, Portraits, Rezensio- immer so, und es wäre für die Diskussion um Hochschul- nen und Literaturhinweise. Von Fall zu Fall kommen fragen in Deutschland sehr schade gewesen, wenn diese „Meinungsforum“ für Kontroversen und „Interview“ für Stimme verstummt wäre. die Rekonstruktion interessanter Handlungskonzepte im Um die Zukunft müssen wir uns also vorläufig keine Sor- Gespräch mit den jeweiligen Urheberinnen und Urhe- gen machen, wie gerade die jüngste Entwicklung zeigt. bern dazu. Dabei sollen die wissenschaftlichen Aufsätze Sie sind – als unsere Leser/in – herzlich in diese Zukunft das Erscheinungsbild der Zeitschrift prägen. eingeladen. Gestalten Sie die Zeitschrift durch Ihre HSW 1/2012 5
In eigener Sache HSW Beiträge mit – als Kommunikationsplattform zur Dar- gen Schlegel berichtet über „Nicht nur Notlösung für die stellung eigener Projekte, Forschungsergebnisse oder Chemie in Adlershof: Das Wissenschaftler-Integra- eigener Aktivitäten der Hochschulentwicklung und tionprogramm (WIP)” (6-93, S. 250ff.), Gustav-Wilhelm -profilierung! Bathke & Karl-Heinz Minks „Allgemeine und berufliche Werte von Hochschulabsolventen der ehemaligen DDR Verlag und Herausgeberkreis des HSW im Spannungsfeld des gesellschaftlichen Umbruchs” (6- 93, S. 281ff.), Johannes Wildts Rezension zu Hilde Schramm (Hg.): „Hochschule im Umbruch” (6-93, S. Anlage 297ff.), Hans-Joachim Bieber „Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates für die Hochschulen in den neuen Typische HSW-Themen der Wendezeit Ländern” (2-94, S. 62ff.), Hansgünter Meyer „Abbrüche – vertane Chancen?” (2-94, S. 72ff.), Erhard Geissler Die Themen der einzelnen Aufsätze zeigen, was in jenen „Anmerkungen zur Situation in der Molekularbiologie in Jahren – kurz nach der deutschen Vereinigung – die Berlin-Buch vor und nach der Wende” (2-94, S. 82ff.), Hochschulpolitik und Hochschulmitglieder umtreibt. Helga Schultz „Abbrüche in den ostdeutschen Geistes- Bernd Okun „Was bleibt? Die ideologische Erblast der wissenschaften – vertane Chancen?” (2-94, S. 89ff.), Jür- DDR-Sozialwissenschaft und ihre Perspektive” (1-92, S. gen Kocka „Reformen von oben und außen” (2-94, S. 18ff.), Rosemarie Will „Die Humboldt-Universität im 93ff.), Jürgen Kocka „Geisteswissenschaftliche Zentren: vereinigten Berlin” (1-92, S. 21ff.), Irmgard Mengel „Zu Die umstrittene Innovation” (3-94, S. 122ff.), Knut den Hoch- und Fachschulabschlüssen in der ehemaligen Ipsen „Die VIADRINA Wiedergründung einer alten DDR `Beschluss zur Feststellung der Gleichwertigkeit´” Hochschule als Europa-Universität in Frankfurt/Oder” (1-92, S. 37ff.), Michael Globig „Die Max-Planck-Gesell- (3-94, S. 125ff.), Marlis Dürkopp (Interview), „Das, was schaft in den neuen Bundesländern” (1-92, S. 40ff.), hier von vielen geleistet wurde, ist unglaublich” (5-94, Wolff-Dietrich Webler „Eine Schlacht für den Rechts- S. 202ff.), Winfried Benz „Hochschulerneuerung zwi- staat gewonnen? Personalkommissionen an ostdeut- schen Anpassung und Innovation aus Sicht des Wissen- schen Hochschulen” (2-92, S. 52 ff.), „Rücknahme von schaftsrates” (5-94, S. 211ff.), Anke Burkhardt/Doris Berufungen studentischer Mitglieder der Personalkom- Scherer „Hochschulpersonal-Ost im Wandel” (6-94, S. mission an der TU Chemnitz – Offener Brief der Konfe- 276ff.), Hartmut Griese „Und dann kam die Abwicklung renz der StudentInnenschaften an das Sächsische Staats- – es war wie ein kalter Schlag” (1-95, S. 40ff.), Dietrich ministerium für Wissenschaft und Kunst” (2-92, S. 58ff.), Goldschmidt, „Berufsschullehrer aus der DDR in gewan- Michael Bartoszek „Chemie in Berlin-Adlershof – Das delter Verantwortung” (1-95, S. 52ff.). Bruno Hartmann Wissenschaftler-Integrationsprogramm (WIP) – Chance gibt das WIP-Memorandum bekannt: „Verwirklichung für einen Neubeginn oder nur Notlösung?” (3-93, S. des Wissenschaftler-Integrationsprogramms” (2-95, S. 114ff.), „Brücke für den Ost-West-Dialog”. Interview mit 95ff.), Peer Pasternack schreibt über „Hochschule in die dem Jenaer Pathologen Ulrich Zwiener (3-93, S. 145ff.), Demokratie” (3-95, S. 152ff.), Siegfried Kiel beschreibt Siegfried Kiel „Die gespaltene Reform der deut- „Ostdeutsche Hochschulen in der Veränderung” (3-95, schenHochschulen – Wahrnehmungen aus einer spezifi- S. 168ff.), Das Hochschulwesen hat auf diese Weise den schen ostdeutschen Sicht” (4-93, S. 181ff.), Gudrun Au- deutschen Vereinigungsprozess mit zahlreichen Artikeln lerich/Karin Dobbeling, „Umstrukturierung im tertiären aus West- und Ostsicht intensiv analysiert, kommen- Bildungssektor der neuen Länder” (5-93, S. 217ff.), Jür- tiert, kritisiert, dokumentiert. im Verlagsprogramm erhältlich: Reihe Qualität - Evaluation - Verfahren und Methoden Praxishinweise zu Akkreditierung. Stefanie Schwarz, Don F. Westerheijden, Meike Rehburg (Hg.): Akkreditierung im Hochschulraum Europa Bielefeld 2005, ISBN 3-937026-36-3, 261 Seiten, 34.00 Euro Bestellung - E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de, Fax: 0521/923 610-22 6 HSW 1/2012
HSW Hochschulentwicklung/-politik Ewald Scherm Von der Hochschulreform zur „unternehmerischen“ Universität: ein weiter Weg Ewald Scherm In the traditional structures of academic self-administration a full term was often needed to acquire the necessary knowledge and skills (if it succeeded at all). An often (too) expensive training period, if, because of personal er- rors, presidency and deanery could not preserve the interests of each organisation for which they were responsi- ble. Demand for "professionalization" ensued – understood by some as full-time research managers at a universi- ty as business (comparable to deans in the U.S.), while others urged for a change in and a broadening of skills of young academics (as a part of a modernized academic self-administration). The essay by Ewald Sherm: From the Higher Education Reform to the "Entrepreneurial" University: a Long Way discusses these problems. The concept of "entrepreneurial university" still leaves open in which of the two alternatives (or a third yet to be developed al- ternative) the solution could lie. A project is underway which intends to clarify these questions under the direc- tion of the author. Target agreements between state and higher educational institutions have long since become an important governance tool for higher education policy. But this supervision can be very differently and very di- stinctly practically formulated. Nachdem die Hochschulreformen der 1960er und 1. Hochschulreform schafft Barrieren statt 1970er Jahre weit hinter den Erwartungen zurückgeblie- universitärem Wandel ben waren, hat die (Landes-)Politik die Beseitigung der Hochschulrahmengesetzgebung 1998 und den 1999 ge- Während in der vielfältigen Literatur zum Wandel z.B. starteten Bologna-Prozess als „Chance genutzt, (...) die von Unternehmen unter anderem diskutiert wird, ob größte Hochschulreform seit Jahrzehnten“ zu starten oder in welchem Maße Veränderungen in Organisatio- (BMBF 2010). Zielte die staatliche Steuerung in der Ver- nen gesteuert werden können, welchen Verlauf der gangenheit noch auf die Normierung eines Hochschul- Wandel – umbruchartig oder evolutionär – nehmen und modells mit vergleichbaren Voraussetzungen für For- wie mit Hemmnissen oder Widerständen umgegangen schung, Lehre, Weiterbildung und Wissenstransfer, wird werden soll, stellt sich die Situation an den Universitä- nunmehr auf Differenzierung und Wettbewerb zwischen ten demgegenüber recht klar und eindeutig dar. Der Ge- autonomen Hochschulen gesetzt (Lüthje 2010, S. 265). setzgeber hat die Universitäten stichtagsbezogen refor- Dabei orientiert man sich an dem New Public Manage- miert; Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten die- ment, um die Leistungsprozesse effektiver und effizien- ses revolutionären Vorgehens lassen sich ebenso wenig ter zu gestalten. erkennen, wie Zweifel an der weiteren Umsetzung bzw. Die umfassende Reform im deutschen Wissenschaftssys- der Überwindung auftretender Barrieren, obwohl in den tem führte nicht nur zu einer Veränderung der Leitidee Hochschulen weder die Notwendigkeit der Reform er- der Universität, ihrer Struktur und des gültigen Steue- kannt worden noch eine Mitwirkung an der konkreten rungsmusters, vielmehr wurden mit der Autonomie Ausgestaltung möglich war. auch die Umsetzung der Reform und die Verantwortung Betrachtet man die Reform als einen Veränderungs- dafür auf die Universitäten übertragen. Diese stellen bzw. Change-Management-Prozess, der sich unter- sich dieser Autonomie, und die Hochschulrektorenkon- schiedlich detailliert in Phasen gliedern lässt (vgl. z.B. ferenz sieht sie für die Profilbildung und das Bestehen Krüger 2009, S. 68-83), befinden sich die Universitäten im Wettbewerb als notwendig an (HRK 2011a, S. 8). bereits in der Phase der Umsetzung. Dieser Umsetzung Nicht alle Betroffenen finden die „neue Macht der Präsi- üblicherweise vorangehende Phasen, in denen es darum dien und Rektorate“ (Kühl 2011) jedoch uneinge- geht, z.B. die Träger des Wandels zu aktivieren, Ziele schränkt gut. festzulegen, Maßnahmen zu entwickeln und zu kommu- Da vor dem Hintergrund der Outputsteuerung und der nizieren, spielten hier keine nennenswerte Rolle, ob- wachsenden Bedeutung von Drittmitteln die erfolgrei- wohl sie sonst als kritisch für den Erfolg des Wandels an- che Umsetzung der Reform für die Universität als Orga- gesehen werden; die Hochschulen wurden gezwungen, nisation anders als früher große Bedeutung hat, spielt den staatlichen Änderungswünschen zu folgen. Vor dem ein universitätsgerechtes Management des sicherlich Hintergrund der bekannten Reformresistenz der Univer- noch Jahre dauernden Wandels eine zentrale Rolle. sitäten ist es daher nicht überraschend, dass die Umset- HSW 1/2012 7
Hochschulentwicklung/-politik HSW zung des Wandels in Universitäten auf Beharrungskräfte ebenso deutlich wie zahlreiche kritische Stimmen z.B. zu trifft und sich allerorts eine Trägheit bzw. ein Konserva- der aktuellen Forschungsförderung und der notwendi- tivismus (in) der Organisation feststellen lassen. Diese gen Akkreditierung der Studiengänge durch externe drohen selbst notwendige und gutgemeinte Verände- Agenturen. So sehen 60% der befragten Professoren rungen im Keim zu ersticken, obwohl niemand ernsthaft eine Gefährdung der Forschungsqualität durch deren behaupten kann, dass die Situation vor der Reform wis- Orientierung an der Nützlichkeit (vgl. Jacob/Teichler senschaftsadäquater war und geeigneter wäre, den aktu- 2011, S. 70), die Hochschulrektorenkonferenz betont ellen Herausforderungen zu begegnen (vgl. Heß 2005, S. vor dem Hintergrund zunehmender themenorientierter 153). (Programm-)Förderung die Bedeutung der umfassenden Dieser organisationale Konservatismus darf zwar nicht Förderung themenoffener (Grundlagen)Forschung (HRK pauschal als dysfunktional angesehen werden (vgl. Pe- 2011b) und Keupp beispielsweise sieht die „Qualität rich 1992, S. 459-461) da aus dem Zögern Spielräume eines Wissenschaftlers (...) auf der Waage seiner unter- für weiter gehende Analysen erwachsen können und nehmerischen Potenz abgewogen“ und im Bologna-Pro- sich die Gefahr reduziert, lediglich Modeströmungen zess „die endgültige Austreibung des Denkens“ (2007, S. nachzulaufen. Die Gefahr, durch das Aufschieben den 1193 und 1196). Man kann es auch mit folgender Aus- Handlungsspielraum zu verlieren und nur noch reagieren sage zusammenfassen: Der Wettbewerb um Forschungs- zu können, darf jedoch nicht übersehen werden (vgl. gelder, Wissenschaftler und Studierende „ist so ange- Scherm/Pietsch 2007, 241-242). Man muss deshalb die legt, dass es Sieger und Besiegte geben muss“, die un- Ursachen des Konservativismus genauer betrachten. ternehmerische Universität setzt der Kollegialität des- Diese werden üblicherweise auf der individuellen und halb ein Ende, führt zu „einer Senkung ihrer wissen- der organisatorischen Ebene gesehen. Daneben dürfen schaftlichen Qualität“ und dazu, dass die Forscher nur bei der Hochschulreform der Staat bzw. das Ministerium noch als „verwertbares Humankapital“ gesehen werden als weitere Ebene jedoch nicht ausgeblendet werden. (Münch 2009, S. 10, 13 und 16). Die individuelle Ebene, speziell die Gruppe der Profes- Die Selbstverwaltungstradition an den Universitäten si- soren, hat in Universitäten besondere Bedeutung, wobei cherte die Autonomie der Professoren; Entscheidungen neben den Wissenschaftlern zwei weitere Gruppen, Uni- wurden ab den 1970er Jahren zwar formell nach dem versitätsleitung und Verwaltungsmitarbeiter, zu betrach- Mehrheitsprinzip getroffen, aber ein starker Konsens- ten sind. Da der Organisationscharakter der Universitä- druck führte zu einem faktisch weitgehenden Vetorecht ten bisher nicht stark ausgeprägt war, Management- und des einzelnen Professors bei wesentlichen Entscheidun- Informationssysteme, die dem Status-Quo verhaftet sein gen, die ihn betrafen (vgl. Meier/Schimank 2010, S. könnten, eher nachrangige Bedeutung hatten und ein 110). Professoren hatten damit nicht nur individuell er- gemeinsames Werte- und Normensystem speziell bei hebliche Macht, sondern waren auch in der Lage, sich Professoren nicht existierte, hat diese Ebene eine gerin- untereinander abzustimmen und dadurch weitreichende gere Bedeutung als in Unternehmen oder anderen Orga- Entscheidungen zu treffen oder zu verschleppen bzw. zu nisationen. Jedoch heben verschiedene organisatorische blockieren. Die neue Leitungsorganisation stellt – formal Betrachtungsperspektiven Spezifika universitärer Orga- gesehen – eine recht gründliche Entmachtung dieser nisation hervor, die im Wandel zum Tragen kommen Gruppe dar. (vgl. Hüther 2010, S. 160-161). Die staatliche Ebene Damit korrespondieren die neuen Managementaufga- spielt weiterhin eine wichtige Rolle, da – bei aller Auto- ben der Leitungsorgane, d.h. der Rektoren, Prorektoren nomie der Universitäten – nicht nur Ziele vereinbart und und Dekane. Aus diesen leiten sich Anforderungen ab, Rechenschaftspflichten erfüllt werden müssen, sondern denen die Qualifikationsprofile der Professoren nur im die Ministerien auch über Umfang und Ausgestaltung Ausnahmefall und dann meist nur zum Teil entsprechen. der Finanzierung entscheiden. Zählten Prorektor und Dekan in der Vergangenheit schon nicht zu den begehrten Ämtern der Professoren, ist deren Attraktivität durch die umfassenderen Aufga- 2. Veränderungen und Barrieren ben bei der ohnehin bereits kritischen zeitlichen Bela- auf der individuellen Ebene stung nicht gestiegen (vgl. Meier/Schimank 2010, S. Hinter der Reform steht eine grundsätzlich neue Vor- 112-113). Hinzu kommt, dass die dafür verantwortliche stellung, was Universität zu sein und zu leisten hat. Die Machtverschiebung, wenn überhaupt, nur geringe Ak- Leistungsprozesse sollen wirtschaftlicher werden, und es zeptanz bei den Amtsträgern findet. rücken die Produktion von nützlichem Wissen und des- Stärker noch als bei diesen nebenamtlich wahrgenom- sen Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft in den Vor- menen Ämtern schlägt sich die Reform an der Univer- dergrund. Deshalb soll den Kunden größerer Einfluss auf sitätsspitze, d.h. bei Rektor bzw. Präsident, nieder (vgl. die Forschung und die Ausbildung gegeben werden. z.B. Kühl 2011). Mussten dort seit jeher divergierende Auch wenn das Modell Humboldt in der Vergangenheit Erwartungen und Aufgaben erfüllt werden, kommt jetzt eher als Idealtyp denn als Realtyp existierte, hat es die zu dem Ausbalancieren, Vermitteln, Kommunizieren Wissenschaftler unabhängig von den Reformen der und Zufriedenstellen vor allem das Entscheiden hinzu, 1960er und 70er Jahre über eine lange Zeit geprägt. das nicht nur häufiger notwendig ist, sondern auch weit- Dass die darauf zurückgeführte Freiheit in Forschung reichendere Bedeutung hat (vgl. Kleimann 2011, S. 222- und Lehre als erheblich gefährdet gesehen wird, steht 223). Dass dafür neben der entsprechenden Qualifika- außer Frage. Aktuelle Befragungsergebnisse machen das tion vor allem auch die Bereitschaft, Ziele zu formulieren 8 HSW 1/2012
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