Hochschulwesen Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik - Das Hochschulwesen

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60. Jahrgang

                                   ISSN 0018-2974
                                                        HSW
       Das
       Hochschulwesen
       Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik

                                           60 Jahre HSW
               n Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung!
                            Wie wird eine Fachzeitschrift in der heutigen
                                               Medienlandschaft so alt?

                   n Von der Hochschulreform zur „unternehmerischen“
                                           Universität: ein weiter Weg

                n Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen –
                                                  Ein Ländervergleich

                  n Studieren 2.0: Digital Natives in Zeiten von Bologna

                      n So gelingt Studieren in Bachelor-Studiengängen:
                                    mit validen Befragungsdaten zu einer
                         erfolgsversprechenden Studiengangsgestaltung

UVW UniversitätsVerlagWebler
                                                           1 2012 www.hochschulwesen.info
                                                             www.universitaetsverlagwebler.de
Herausgeber
Christa Cremer-Renz, Prof. em. Dr. päd., Universität Lüne-        Beate Meffert, Prof. Dr.-Ing., Humboldt-Universität zu
    burg                                                              Berlin
Gustav-Wilhelm Bathke, Prof. Dr. sc.phil., Universität Halle-     Klaus Palandt, Dr. jur., Min. Dirig. a.D., Landesbergen b.
    Wittenberg                                                        Hannover
Ludwig Huber, Prof. em. Dr. phil., Dr. h.c., Universität          Ulrich Teichler, Prof. em. Dr. phil., Universität Kassel
    Bielefeld                                                     Wolff-Dietrich Webler, Prof. Dr. rer. soc., Universität Bergen
Clemens Klockner, Prof. Dr. h.c. mult., bis Dezember 2008             (Norwegen), Institut für Wissenschafts- und Bildungs-
    Präsident der Fachhochschule Wiesbaden                            forschung Bielefeld (geschäftsführend)
Jürgen Lüthje, Dr. jur., Dr. h.c., Hamburg                        Andrä Wolter, Prof. Dr. phil., Humboldt-Universität zu Ber-
                                                                      lin, Institut f. Erziehungswissenschaften, Abt. Hochschul-
                                                                      forschung
                                                    Herausgeber-Beirat
Christian Bode, Dr., ehem. Gen. Sekr. DAAD, Bonn                      schule und Forschung im Hauptvorstand der GEW),
Rüdiger vom Bruch, Prof. em. Dr., Berlin                              Frankfurt am Main
Michael Deneke, Dr., Darmstadt                                    Sigrid Metz-Göckel, Prof. em. Dr., Dortmund
Karin Gavin-Kramer, M.A., Berlin                                  Jürgen Mittelstraß, Prof. Dr., Konstanz
Lydia Hartwig, Dr., stellv. Leiterin, Bayer. Staatsinstitut für   Ronald Mönch, Prof. Dr. h.c., Emden
    Hochschulforschung und -planung                               Jan H. Olbertz, Prof. Dr. sc., Präsident der Humboldt-Univer-
Sigurd Höllinger, Prof. Dr., ehem. Sektionschef im BM. Wiss.          sität zu Berlin, ehem. Kultusminister des Landes Sachsen-
    u. Fo., Wien                                                      Anhalt
Gerd Köhler, Mitglied des Stiftungsrats der Universität           Jürgen Schlegel, Min.Dirig. a.D., ehem. Gen. Sekr. GWK,
    Frankfurt/M & des Hochschulrates der Universität                  Bonn
    Halle/Saale (ehem. Leiter des Vorstandsbereichs Hoch-         Johannes Wildt, Prof. em. Dr. Dr. h.c., Dortmund
                                                Hinweise für die Autoren
In dieser Zeitschrift werden i.d.R. nur Origialbeiträge publi-    Wichtige Vorgaben zu Textformatierungen und beigefügten
ziert. Sie werden doppelt begutachtet. Die Autor/innen            Fotos, Zeichnungen sowie Abbildungen erhalten Sie in den
versichern, den Beitrag nicht zu gleicher Zeit an anderer         „Autorenhinweisen” auf unserer Verlags-Homepage:
Stelle zur Publikation angeboten zu haben. Beiträge werden        „www.universitaetsverlagwebler.de”.
nur dann angenommen, wenn die Autor/innen den Gegen-              Ausführliche Informationen zu den in diesem Heft aufge-
stand nicht in vergleichbarer Weise in einem anderen Me-          führten Verlagsprodukten erhalten Sie ebenfalls auf der
dium behandeln. Senden Sie bitte das Manuskript als               zuvor genannten Verlags-Homepage.
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an die Redaktion (Adresse siehe Impressum).
                                                          Impressum
Verlag und Abonnementverwaltung                                   Erscheinungsweise: 6mal jährlich
UVW UniversitätsVerlagWebler                                      Redaktionsschluss: 02.04.2012
Der Fachverlag für Hochschulthemen
Bünder Str. 1-3, 33613 Bielefeld                                  Grafik:
Tel.: (0521) 92 36 10-12, Fax: (0521) 92 36 10-22                 Ute Weber Grafik Design, München
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Satz: UVW, E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de              Copyright: UVW UniversitätsVerlagWebler
Übersetzung editorial: J. Knieper & R. Robbel                     Die mit Verfassernamen gekennzeichneten Beiträge geben
                                                                  nicht in jedem Falle die Auffassung der Herausgeber bzw.
Druck: Hans Gieselmann, Ackerstr. 54, 33649 Bielefeld             Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskrip-
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Anzeigen:                                                         fentlichung/Besprechung übernommen. Sie können nur
Das HSW veröffentlicht Verlagsanzeigen, Ausschreibungen           zurückgegeben werden, wenn dies ausdrücklich gewünscht
und Stellenanzeigen. Aufträge sind an den Verlag zu rich-         wird und ausreichendes Rückporto beigefügt ist. Die Urhe-
ten. Die jeweils gültigen Anzeigenpreise sind folgender           berrechte der hier veröffentlichten Artikel, Fotos und Anzei-
Homepage zu entnehmen: „www.hochschulwesen.info”.                 gen bleiben bei der Redaktion. Der Nachdruck ist nur mit
                                                                  schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet.
Bezugspreis: Jahresabonnement: 92 €/Einzelpreis: 16 €.            Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhe-
Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten. Das           berrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages un-
Jahresabonnement verlängert sich automatisch um 1 Jahr,           zulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti-
wenn es nicht bis 6 Wochen vor Jahresende schriftlich             gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein-
gekündigt wird.                                                   speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
60. Jahrgang

                                    Gegründet 1953 als „Das Hochschulwesen”, vereinigt
                                    mit „Hochschulausbildung. Zeitschrift für Hochschulfor-
                                    schung und Hochschuldidaktik”, gegründet 1982 von
                                    der Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik (AHD).
                                                                                                 HSW

                          Das
                          Hochschulwesen
                            Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik

Einführung des
geschäftsführenden Herausgebers
                                                              1
                                                                      Anregungen für die Praxis/
                                                                      Erfahrungsberichte
In eigener Sache
                                                                      Margret Bülow-Schramm & Hilke Rebenstorf
Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung!                So gelingt Studieren in Bachelor-Studiengängen:
Wie wird eine Fachzeitschrift in der heutigen                         mit validen Befragungsdaten zu einer
Medienlandschaft so alt?                                              erfolgsversprechenden Studiengangsgestaltung      28
                                                       2

Hochschulentwicklung/-politik                                         Rezension

                                                                      Katrin Späte (Hg.):
Ewald Scherm
                                                                      Kompetenzorientiert Soziologie lehren.
Von der Hochschulreform zur „unternehmerischen“
                                                                      Dimensionen, Methoden, Perspektiven.
Universität: ein weiter Weg                                   7       (Tanja Müller)                                    34

Hochschulforschung                                                    Seitenblick
                                                                      auf die Schwesterzeitschriften
Thomas Günther, Ulrike Henke, Sebastian John
& Bianca Schönherr
                                                                      Hauptbeiträge der aktuellen Hefte
Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen –
                                                                      Fo, HM, ZBS, P-OE und QiW                         IV
Ein Ländervergleich                                13

Martin Ebner & Walther Nagler
Studieren 2.0:
Digital Natives in Zeiten von Bologna                       20

                                                                                                  1 2012
NEU im UniversitätsVerlagWebler erhältlich:

                                                                                      Jenna Voss:
                                                           Zielgerade Promotion. Auszüge aus dem Tagebuch einer Doktorandin
                                                                                        Maja hat sich entschlossen, ihren beruflichen Traum wahr zu ma-
                                                                                        chen:

                                                                                        Sie will eine Doktorarbeit schreiben und Wissenschaftlerin wer-
                                                                                        den.

                                                                                        Zuversichtlich startet sie ihr Promotionsprojekt, doch der Weg

                                                                                                                                                              Reihe Campus-Literatur
                                                                                        zum Titel wird schon bald zu einem unberechenbaren Schlängel-
                                                                                        pfad durch unübersichtliches Gelände.

                                                                                        Ihr Projekt verwandelt sich in ein siebenköpfiges Ungeheuer, das
                                                                                        sie zu verschlingen droht.

                                                                                        Doch sie gibt nicht auf.

                                                                                        Das Tagebuch beschreibt den Umgang mit Höhen und Tiefen beim
                                                                                        Schreiben einer Doktorarbeit auf der Prozessebene.

                                                                                        Die Ich-Erzählerin, Maja, schildert ihre Erfahrungen und zeigt
                                                                                        Möglichkeiten und konkrete Bewältigungsstrategien auf, mit
                                                                                        denen sie schwierige Phasen, Zweifel, Konflikte, Blockaden und
                                                                                        sonstige Hürden in der Promotionsphase erfolgreich überwindet.

                                                                                        Sie nutzt ihre Erkenntnisse für eine tiefgreifende Persönlichkeits-
                                                                                        entwicklung. Ihre beharrliche Selbstreflexion führt sie durch alle
                                                 3-937026-75-4, Bielefeld 2012,         Hindernisse hindurch bis zum Ziel.
                                                       24 S., 18.90 Euro

                                                              Bestellung - E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de, Fax: 0521/ 923 610-22

                                                                     Sandra Mittag, Rüdiger Mutz & Hans-Dieter Daniel:
    Institutionelle Qualitätssicherung der Lehre auf dem Prüfstand: Eine Fallstudie an der ETH Zürich

                                                  Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde das Qualitäts-
 Reihe: Qualität - Evaluation - Akkreditierung

                                                  siche-rungssystem der ETH Zürich im Bereich Lehre einer
                                                  umfassenden Meta-Evaluation unterzogen.

                                                  Das Qualitätssicherungssystem stützt sich auf die vier In-
                                                  strumente Lehrveranstaltungsbeurteilung, Absolventen-
                                                  befragung, Selbsteva-luation und Peer Review.

                                                  Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die ETH
                                                  Zürich über etablierte Qualitätssicherungsinstrumente
                                                  verfügt, die weitestgehend akzeptiert sind.

                                                  Allerdings bestehen bei allen vier Instrumenten Optimie-
                                                  rungspotentiale.

                                                          ISBN 3-937026-74-6, Bielefeld 2012, 115 S.

                                                              Bestellung - E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de, Fax: 0521/ 923 610-22

                                                                                                                                                   HSW 1/2012
Einführung des

  HSW                                geschäftsführenden Herausgebers

Die Zeitschrift „Das Hochschulwesen” wird mit diesem          Mit der Weiterentwicklung der digi-
Jahrgang 2012 schon 60 Jahre alt. Aus diesem erfreuli-        talen Medien stellt sich die Frage
chen Anlass hat Wolff-Dietrich Webler, der die Zeit-          nach einer Veränderung von Nut-
schrift nun seit 21 Jahren als geschäftsführender Heraus-     zungsgewohnheiten immer neu. Be-
geber betreut, deren ungewöhnliche Geschichte und             sonders diejenigen Stellen, die den
Entwicklungsphasen zusammen gefasst. Sie hat in dieser        Lehrenden wie Lernenden diese
Zeit drei Verlage erlebt, die – bei aller Verschiedenheit –   neuen Möglichkeiten als Dienstlei-
die Kontiunität bewahrt haben. Für eine deutsche Fach-        stung zur Verfügung stellen sollen,
zeitschrift sind 60 Jahre Hochschulwesen schon etwas          sind an neuen Erkenntnissen zu den
Besonderes.                                                   Neigungen und zur Medienkompe-               W.-D. Webler
                                                 Seite 2
                                                              tenz interessiert. Dabei zeigt sich in
Viele Entscheidungen in den gegenwärtigen Hochschu-           solchen Untersuchungen regelmäßig eine erhebliche Dis-
len sind längst so komplex (d.h. voraussetzungsvoll, in       krepanz zwischen technischen Möglichkeiten und realem
der Durchführung vieldimensional und anschließend fol-        Einsatz. Martin Ebner & Walther Nagler (Graz) stellen in
genreich) geworden, dass zu deren Planung, Vorberei-          ihrem Artikel Studieren 2.0: Digital Natives in Zeiten von
tung, Durchführung und Nachbereitung Fähigkeiten er-          Bologna differenzierte Ergebnisse empirischer Studien an
forderlich sind, die in der traditionellen akademischen       der TU Graz vor. Bei der Bewertung der Ergebnisse stellt
Karriere von Professoren kaum erworben werden. In den         sich nicht nur die Frage der Verfügbarkeit, sondern auch
traditionellen Strukturen akademischer Selbstverwal-          eines sinnvollen Einsatzes. Sinnvoll ist der Einsatz techni-
tung war oft eine ganze Amtszeit nötig, um sich (wenn         scher Medien nur, wenn die Studienziele besser erreicht
es überhaupt gelang) die nötigen Kenntnisse und Fähig-        werden. Viele Ziele sind nur im interaktiven Miteinander
keiten anzueignen. Eine oft (zu) teure Lehrzeit, wenn in      von Studierenden untereinander oder mit Lehrenden zu
Rektoraten oder Dekanaten die Interessen der jeweils          erreichen. Insofern stößt etwa der Ersatz von Präsenzver-
verantworteten Organisation durch individuelle Fehler         anstaltungen durch digitale Medien an Grenzen.
nicht gewahrt werden konnten. „Professionalisierung”                                                          Seite 20
folgte als Forderung – wobei die einen darunter haupt-
amtliche Wissenschaftsmanager in einer Hochschule als         Die Art der Verwandlung der alten Diplom- und Magis-
Unternehmen meinten (etwa dem US-amerikanischen               ter-Studiengänge in Bachelor-Studiengänge (jedenfalls
Dean vergleichbar), während die anderen eine Wand-            wie sie in Deutschland vielfach vorgenommen wurde) ist
lung und Verbreiterung der Qualifizierung des akademi-        oft kritisiert worden. Nur an wenigen Stellen wurde ein
schen Nachwuchses forderten (als Teil einer moderni-          völliger Neuanfang gewagt, und nur an wenigen Stellen
sierten akademischen Selbstverwaltung). Der Aufsatz           standen zunächst geeignete empirische Daten für die
von Ewald Scherm: Von der Hochschulreform zur „un-            Entwicklung zur Verfügung. Das hat sich mit dem Aufbau
ternehmerischen” Universität: ein weiter Weg diskutiert       von Qualitätsssicherungssystemen an den Hochschulen
die Problematik. Der Begriff der „unternehmerischen           teilweise verändert. Dort konnten Basisdaten gewonnen
Universität” lässt noch offen, in welcher der beiden Al-      werden, die es erlaubten, einer jahrzehntealten Forde-
ternativen (oder einer noch zu entwickelnden dritten)         rung der Hochschuldidaktik als Curriculumreform nach-
die Lösung liegen könnte. Ein Projekt ist angelaufen, das     zukommen: Hochschuldidaktik als empirisch fundierte
sich unter der Leitung des Autors die Klärung dieser Fra-     Studienreform zu betreiben. Wie wichtig diese Entwick-
gen vorgenommen hat.                          Seite 7         lung genommen wird, ist daran absehbar, dass das BMBF
                                                              die Förderlinie „Hochschulforschung als Beitrag zur Pro-
Zielvereinbarungen zwischen Staat und Hochschulen             fessionalisierung der Hochschullehre („Zukunftswerkstatt
sind längst zu einem wichtigen Steuerungsinstrument           Hochschullehre")” mit einem Volumen von 12 Mio. Euro
der Hochschulpolitik geworden. Aber diese Steuerung           aufgelegt hat, in deren Rahmen Projekte wie das hier
kann sehr unterschiedlich und sehr verschieden zweck-         präsentierte durchgeführt werden können. In dem hier
mäßig ausgestaltet werden. In ihrem Beitrag Zielverein-       von Margret Bülow- Schramm & Hilke Rebenstorf in
barungen zwischen Land und Hochschulen – Ein Länder-          ihrem Beitrag So gelingt Studieren in Bachelor-Stu-
vergleich haben Thomas Günther, Ulrich Henke, Sebas-          diengängen: mit validen Befragungsdaten zu einer er-
tian John & Bianca Schönherr die Ergebnisse aus einem         folgversprechenden Studiengangsgestaltung vorgestell-
Forschungsprojekt zur Einführung des neuen Steue-             ten Projekt wird ein Weg zu empirisch fundierter Stu-
rungsmodells zusammengefasst. Dabei waren sie ur-             dienreform erprobt. Das müsste viel öfter geschehen.
sprünglich von der Schnittstelle zwischen Sächsischem         Daher ist über dieses Modell hinausgehend unter re-
Wissenschaftsministerium und den Landeshochschulen            formstrategischer Perspektive ist zu fragen: Was wird
ausgegangen. Die Autoren wollen den Lesern sowohl             nach dem Ende derartiger Projekte und ihrer Ausnahme-
wesentliche Vergleichskriterien an die Hand geben als         situationen übrig bleiben? Der dort in diesen Projekten
auch Stellschrauben für Zielvereinbarungen zwischen           verfügbare Mittelaufwand steht nicht dauerhaft zur Ver-
Land und Hochschule deutlich machen. Beides beab-             fügung. Ein wichtiges Ergebnis solcher Projekte müsste
sichtigt das HSW mit dieser Veröffentlichung auch.            sein, Wege zu entwickeln, wie solche hohen Standards
                                                Seite 13      der Studiengangsentwicklung im Alltag der Hochschule
                                                              bewahrt werden können.                       Seite 28
                                                                                                             W.D.Webler

 HSW 1/2012                                                                                                              1
In eigener Sache
                                                                                                HSW

Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung!
Wie wird eine Fachzeitschrift in der heutigen
Medienlandschaft so alt?

    The journal "Das Hochschulwesen" is already turning 60 with 2012's volume. Due to this pleasant occasion,
    Wolff-Dietrich Webler, who has been supervising the journal as executive publisher for 21 years now, summa-
    rized its unusual history and stages of development. It has had three publishers during this period, who have kept
    the continuity in spite of all differences. 60 Years of Hochschulwesen are really something special for a German
    journal. Many decisions at the current institutions of higher education have become so complex by now (i.e. nee-
    ding prerequisites, being multi-dimensional in their realization, and leading to far-reaching consequences), that
    their planning, preparation, execution and evaluation require skills which are barely acquired in the traditional
    academic career of professors.

1. Gegenwart                                                   duellen Hochschullehrer/innen, Mittelbau-Angehörigen
Die Zeitschrift Das Hochschulwesen (ein etwas alter-           und Studierenden-Vertretungen sowie ausländischen
tümlicher, aber längst zum Markenzeichen gewordener            Kolleg/innen außerordentlich geschätzt, wie Umfragen
Titel) erscheint nun im 60. Jahrgang seit 1953. Sie ist        in der Leserschaft ergeben haben. Selbst vielbeschäftigte
damit die älteste existierende deutschsprachige wissen-        Rektoren bzw. Präsidenten geben an, in jedem Heft 2-4
schaftliche Fachzeitschrift über den Hochschulbereich.         Aufsätze lesen zu wollen und 1-3 tatsächlich zu lesen. In
Das Hochschulwesen (HSW) zählt zu den ganz wenigen             Norwegen ist das HSW eine offiziell akkreditierte Zeit-
Zeitschriften im deutschsprachigen Raum, die sich über-        schrift, in der Autoren durch Beiträge “credits” für Ein-
haupt als wissenschaftliche Fachzeitschrift kontinuierlich     kommen und Karriere erwerben können. Insofern ist sie
mit Hochschulen und deren Entwicklung befassen. In             als Fachzeitschrift, die üblicherweise nur von einem sehr
ihrer wechselvollen Geschichte hat die Zeitschrift bisher      eingeschränkten Kreis von Fachleuten gelesen wird, in
4 existentielle Krisen überwunden, jeweils gefolgt von         ihren Bezugsgruppen hervorragend platziert.
einem erfolgreichen Neuanfang (s.u.).
Anders als eher magazinartig aufgemachte Medien mit
                                                               2. Geschichte
Kurzartikeln nimmt sie sich noch die Zeit, in 6 Heften
pro Jahr jeweils fünf sorgfältig erarbeitete und begutach-     2.1 Wichtige 37 Jahre in der DDR
tete Aufsätze von jeweils 6-9 Druckseiten zu publizieren       Begonnen hat die Geschichte der Zeitschrift 1953 in der
– ein Umfang, der einerseits auf der Seite der Autor/in-       DDR. Das Hochschulwesen (HSW) war das offiziöse
nen noch differenzierte Entfaltung eines Themas und            Organ des DDR-Ministeriums für Hoch- und Fachschul-
sorgfältige Information zulässt, andererseits auf der          wesen (vor der Vereinigung dann: des Ministeriums für
Seite der informationsüberfluteten und zeitknappen             Bildung und Wissenschaft der Deutschen Demokrati-
Leser/innen ein noch gut bewältigbares Volumen anbie-          schen Republik) und erschien dort im Deutschen Verlag
tet. Die Aufsätze kommen nicht aus zweiter oder dritter        der Wissenschaften, (Ost-)Berlin, Friedrichstraße. Sie
Hand – sie sind von den Fachautor/innen selbst ge-             wurde durch ein verhältnismäßig unabhängig agierendes
schrieben und gehen auf Forschung bzw. breite Praxiser-        9-köpfiges Redaktionskollegium des Verlags gestaltet
fahrung zurück. Durch ein strenges System der Begut-           (Stand 1990). Ihm gehörten zu jener Zeit an: Klaus Däu-
achtung und weiteren Betreuung wird ein hohes Niveau           michen, Max Heidler (Vorsitzender), Eberhard Hoyer,
der Beiträge gewährleistet.                                    Annelore Klose-Berger, Siegfried Kiel, Karl Knopke,
Dieses Informationsangebot wird von unserer Leser-             Franz Lichtenecker, Gerhard Roger, Hans-Jürgen Schulz.
schaft – zahlreichen Hochschulleitungen, Wissenschafts-
ministerien, Wissenschafts(förder)organisationen, Wis-         Das Hochschulwesen informierte als Monatsschrift an-
senschaftsausschüssen der Landtage, Hochschulbiblio-           genehm sachbezogen über Entwicklungen im Bildungs-
theken, in vielen Fachbereichen und von vielen indivi-         wesen der DDR sowie – und das machte sie auch im

2                                                                                                        HSW 1/2012
HSW                                                        Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung!

westlichen Ausland bekannt und besonders interessant           und war Anfang 1991 mit der Klärung der Perspektiven
– in vielen gut informierten Beiträgen über Hochschul-         und eines Konzepts beschäftigt. Da wandte sich Wolff-
entwicklungen in den sozialistischen Bruderstaaten der         Dietrich Webler, als Hochschulforscher und Bundesvor-
DDR. Das waren wertvolle Horizonterweiterungen für             sitzender der Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik
westliche Hochschulforscher und -planer. Der spätere           e.V. (AHD), von Hochschulpädagogen der DDR aufmerk-
geschäftsführende Herausgeber und heutige Verleger             sam gemacht, an den Luchterhand Verlag und unterbrei-
hatte mit dieser Zeitschrift im Rahmen von Forschung           tete ein inhaltliches und organisatorisches Konzept
und Planung schon seit 1972 an der Universität Heidel-         sowie einen Vorschlag zur Kooperation mit der AHD. Sie
berg gearbeitet. Besonders für westliche Hochschuldi-          suchte für ihre Zeitschrift „Hochschulausbildung. Zeit-
daktiker reizvoll war darüber hinaus eine regelmäßige          schrift für Hochschulforschung und Hochschuldidaktik”
Sparte bzw. Einlage in die Zeitschrift „Aus Theorie und        einen neuen Verlag.
Praxis der Hochschulpädagogik“ mit sehr qualifizierten         Nach wenigen Verhandlungsrunden mit dem Verlagslei-
Beiträgen. So etwas wäre zu jener Zeit in der alten Bun-       ter Holger Knudsen war man sich einig. Nach dem den
desrepublik mangels Identifikation mit dem Thema in            AHD-Mitgliedern vorgelegten Konzept sollten Hoch-
einer staatsnahen, auflagenstarken Zeitschrift mit hoher       schulforschung und Hochschulpraxis verknüpft und
Verbreitung in den Hochschulen noch undenkbar gewe-            dabei hochschuldidaktische Themen in die übrigen The-
sen. Hierunter fielen Beiträge zur Didaktik der Lehre          men der Hochschulentwicklung eingebettet werden.
ebenso wie zu curricularen Entwicklungen, aber auch            Dadurch wurden sie zwar relativiert, aber ihnen sollte
allgemeine bildungssoziologische und speziell die Stu-         auf diese Weise auch der ihnen gebührende Platz im All-
dierenden betreffende Forschungen. Nach 1989 spiegel-          tag der Hochschulentwicklung zugewiesen werden. Die
ten die Themen der Beiträge (wenig überraschend) ei-           Hochschuldidaktik sollte aus ihrer Isolierung befreit –
nerseits den informationellen Nachholbedarf der Leser-         insbesondere Fragen der Lehre sollten gleichberechtigt
schaft in der DDR und in den weiteren Staaten des              behandelt werden. Ein Untertitel sollte das Konzept sig-
Ostens über die Verhältnisse in den westlichen Hoch-           nalisieren: „Forum für Hochschulforschung, -praxis und
schulsystemen, vor allem der alten Bundesrepublik –            -politik”. Die Zeitschrift wollte diesen Bogen von der
Beiträge, die lange Zeit so umfassend informiert (insbe-       wissenschaftlichen Erforschung über die „best practice“
sondere von westlichen Autoren geschrieben) nicht er-          im Alltag bis zur Gestaltung dieses Feldes in ihren Beiträ-
scheinen konnten, weiter über Entwicklungen, die in            gen behandeln. Dabei wurde „Politik“ in ihrem ur-
dieser Form an den DDR-Hochschulen unbekannt gewe-             sprünglichen Sinne als Gestaltung in einem öffentlichen
sen waren (z.B. studentische Tutoren) sowie typische           Feld, hier der „Hochschulen“ verstanden, nicht be-
Themen der Vereinigung z.T. sehr differenter Hochschul-        schränkt auf Hochschulpolitik von Seiten des Staates.
systeme. Beispiele: „Grundsätze zur Vergabe eines              Soweit Ergebnisse der Hochschulforschung für die Praxis
Hochschulgrades in der BRD und Berlin (West)” oder             und die Hochschulpolitik zugänglich macht werden soll-
„Zum Zusammenwachsen deutscher Hochschulen im                  ten, handelte es sich um keine Einbahnstraße. Auch um-
Rahmen der deutschen Einigung”. Es war auch auffal-            gekehrt sollten reflektierte Praxiserfahrungen sowie Er-
lend, wie stark bereits direkt nach der Grenzöffnung           fahrungen und Sichtweisen der Politik allen drei Bezugs-
westliche Autoren zu Beiträgen eingeladen wurden und           gruppen präsentiert werden, sollten die Hochschulfor-
sich in dieser Zeitschrift zu engagieren begannen.             schung „erden” und dort neue Forschungsfragen anre-
Bis 1990 wurde Das Hochschulwesen mit etwa 1.000               gen. Das im Heft 4-1991 (S. 145) veröffentlichte und bis
Exemplaren an den Hochschulen der DDR gelesen und              heute gültige Konzept lautete:
mit weiteren etwa 1.000 Exemplaren in die sozialisti-          „... Es soll eine Zeitschrift für das neue vereinigte Hoch-
schen Staaten exportiert. Mit dem Zusammenbruch der            schulwesen in den Bundesländern entstehen und zu-
traditionellen Verteilungsstrukturen in diesen Staaten         gleich eine Zeitschrift, die die internationale Verflech-
war diese Verbreitung abrupt beendet. Dort gab es für          tung der Hochschulentwicklung beobachtet und kom-
diese Zwecke nur eine einzige Kontaktstelle nach außen         mentiert.
– der Verlag hatte jedoch keine Kenntnis der jeweiligen        Beide Seiten schlossen einen Kooperationsvertrag ab, ...
weiteren inländischen Verteilung bzw. der Empfänger.           um gemeinsam folgende Konzeption zu realisieren:
                                                               Das Hochschulwesen publiziert Beiträge
2.2 Wendezeit und gesamtdeutsche Funktionen                    • zur deutschen und internationalen Entwicklung der
2.2.1 Wirtschaftliches Überleben und variiertes Konzept          Hochschulen,
Der zweite Neuanfang wurde nötig, als nach der deut-           • zu Geschichte, Politik, Planung, Recht und Verwaltung
schen Vereinigung mit der Bildung der fünf neuen Bun-            ihrer institutionellen Organisation und ihrer Mitglieder
desländer das zentrale Ministerium der DDR Ende 1990           • zu Lehre und Forschung,
aufgelöst wurde und damit Anlass, Herausgeber und              • zu den Beziehungen zwischen Hochschule und Gesell-
Subvention der Zeitschrift entfielen. Die bisherige wirt-        schaft, Staat, Schule und Beruf und
schaftliche Basis der Zeitschrift war dahin. Der west-         • zu sozialer Herkunft, Berufsverlauf und Sozialisation
deutsche Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied er-                 der Hochschulmitglieder.
warb die Rechte (zusammen mit einem Bündel anderer
Zeitschriften in ähnlicher Lage), übernahm die von Max         Die Zeitschrift veröffentlicht wissenschaftliche Aufsätze
Heidler geleitete (nur wenig verkleinerte) Kernredaktion       aus der Hochschulforschung (Forschung über Hochschu-
(!) in (Ost-)Berlin, stellte auf 2-monatiges Erscheinen um     len) im weiteren Sinne, größere Essays und Übersichts-

 HSW 1/2012                                                                                                             3
In eigener Sache                                                                                      HSW
berichte ... Kommentare, ... Kontroversen, Interviews,         dies auf Seiten des Luchterhand Verlages (nach dem al-
Porträts, Rezensionen, Literaturhinweise. ...                  tersbedingten Ausscheiden von Max Heidler) durch des-
Spezielle Aufmerksamkeit wird dem Zusammenwachsen              sen Nachfolger in der verlagsseitigen Betreuung der
des Hochschulwesens in den neuen und alten Bundes-             Zeitschrift, Rolf Ederer.
ländern gewidmet ... ohne den übrigen internationalen          Die Absicht der AHD, hochschuldidaktische Themen in
Zusammenhang zu vernachlässigen.                               die allgemeine Hochschulforschung und in den Alltag
Die Zeitschrift ist ... als informatives, meinungsfreudiges,   der Hochschulentwicklung einzubetten, gelang großen-
unabhängiges, kritisch beobachtendes und analysieren-          teils in den Folgejahren. Zielgruppen wurden erreicht,
des Forum angelegt ...                                         die vorher hochschuldidaktische Publikationen nicht zur
... drei Informationskomplexe (werden) für gleich dring-       Kenntnis genommen hätten. Aber auch für die AHD-
lich gehalten: Informationen zu                                Mitglieder wurde Das Hochschulwesen mit seiner The-
• Lehre und Lernen,                                            menspanne für mehr als 10 Jahre unentbehrlich. Die Zu-
• Beruf, Arbeitsplatz, Dienstverhältnis und                    sammenarbeit wurde erst durch eine verlegerische Ent-
• Wissenschaftsförderung (insbesondere Einwerbung              scheidung der Konzernmutter des Verlages, Wolters &
   von Drittmitteln), Forschungsmanagement.                    Kluwer in Amsterdam, sich aus allen Hochschulthemen
                                                               zurückzuziehen und Das Hochschulwesen einzustellen,
Dem folgt das Interesse an Informationen                       nach 10 Jahren zum 31.12.2001 beendet. Der Beschluss,
• über Rahmenbedingungen der Entwicklung in For-               diese lebendige, einflussreiche und gut platzierte Zeit-
  schung, Lehre, Studium und Beruf und                         schrift einzustellen, erschreckte die Fachwelt. Der bishe-
• zu Selbstverwaltung, Fakultätsmanagement und Perso-          rige geschäftsführende Herausgeber suchte nach Alter-
  nalführung ...”                                              nativen bzw. Chancen zur Weiterführung, erfuhr, dass
                                                               die Rechte an der Zeitschrift für eine Fortsetzung erwor-
Die Zeitschrift sollte – thematisch wie bisher der ganzen      ben werden konnten und gründete eigens als Auffang-
Hochschulentwicklung verpflichtet – öffentliche Zeit-          gesellschaft mit 62 Jahren den „Universitätsverlag We-
schrift mit freien Abonnenten sein, aber gleichzeitig          bler (UVW)”. Das Konzept und die die Zeitschrift be-
auch als Mitgliederzeitschrift der AHD fungieren. Sie          treuenden Herausgeber blieben die alten, ohne damit
sollte redaktionell unabhängig sein, aber das inhaltliche      auf Weiterentwicklung zu verzichten. Die entscheidende
Anliegen der gemeinnützigen AHD aufgreifen und die             Frage war, wie sich die Abonnenten angesichts dieses
Hochschuldidaktik in Theorie und Praxis fördern (d.h.          Wechsels des „Trägers” entscheiden würden. Sie hielten
die Beobachtung und positive Veränderung aller auf             (mit geringen Ausnahmen) ihre Abonnements aufrecht.
Lehre und Studium einwirkender Einflussfaktoren).              Damit war die Zeitschrift (trotz der voraus gegangenen
Diese Themenfelder sollten über Personalentscheidun-           Entscheidung, sie einzustellen), nicht untergegangen,
gen in dem neugeschaffenen Herausgeberkreis berück-            sondern erlebte den dritten Neuanfang: Das Hochschul-
sichtigt werden.                                               wesen wurde als Zeitschrift mit großer Tradition, aber
Der Luchterhand Verlag sowie die AHD-Mitgliederver-            gerade der kritischen Beobachtung, Analyse und dem
sammlung stimmten diesem Konzept und der Koopera-              positiven Wandel verpflichtet, ausgerechnet im 50. Jahr-
tion zu. In einer in den Herkunftsdisziplinen und fachli-      gang 2002 weiter verlegt – vielleicht ein gutes Omen für
chen Funktionen variierten Zusammensetzung des Her-            die Kontinuität ebenso wie für einen neuen Start.
ausgeberkreises übernahm Dr. soz. wiss. Wolff-Dietrich         Dann allerdings entschied sich die AHD, auf eine eigene
Webler, Universität Bielefeld (Bildungssoziologe, Hoch-        Mitgliederzeitschrift zu verzichten, was den Verlust von
schulforscher, Schwerpunkte Studium und Lehre, insbe-          50% der Abonnenten bedeutete – wieder ein wirtschaft-
sondere Hochschuldidaktik) die Aufgaben eines ge-              lich herber Rückschlag für das HSW. Zwar bezog eine
schäftsführenden Herausgebers (Schriftleitung). Die wei-       Gruppe AHD-Mitglieder das HSW als Privatbezieher
teren Herausgeber bestanden aus: Dr. jur. Peter Dallin-        weiter, aber auch in der AHD machte sich die allgemeine
ger, MinDirektor a.D. (früher im BMBW), Bonn (staatli-         Altersstruktur bemerkbar; mit ihrer Pensionierung ver-
ches Hochschulrecht); Prof. Dr. phil. Ludwig Huber, wiss.      zichteten viele Mitglieder auch auf das Abonnement.
Leiter des Oberstufenkollegs, Universität Bielefeld; Prof.     Trotzdem gelang es ein viertes Mal, neue Bezieher zu ge-
Dr. sc. päd. Karlheinz Jackstel, Professor für Hochschul-      winnen, die Zeitschrift in ihrem Bestand zu stabilisieren
pädagogik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg;         und die herben Einbußen zu kompensieren.
Dr. jur. Jürgen Lüthje, Präsident der Universität Hamburg
und Prof. Dr. phil. Ulrich Teichler, (Bildungssoziologe,       2.2.2 Deutsche Vereinigung: Inhaltliche Brücke mit ge-
Schwerpunkt Hochschule und Arbeitsmarkt), Gesamt-              samtdeutscher Funktion
hochschule Kassel-Universität.                                 In diesen Jahren spiegeln die Aufsätze natürlich die neue
Das Hochschulwesen wurde daraufhin im gleichen Jahr            Situation. An ihnen lassen sich die Entwicklungsstadien
1991 durch Fusion mit der ihrerseits seit 1982 beste-          der Vereinigung der Wissenschaftssysteme ablesen –
henden AHD-Zeitschrift „Hochschulausbildung. Zeit-             Prozesse, die sich vielfach überlagern: a) Kennenlernen
schrift für Hochschulforschung und Hochschuldidaktik”          neuer Rahmenbedingungen, b) Überprüfung der existie-
gleichzeitig zur AHD-Mitgliederzeitschrift. In der Folge-      renden Strukturen und des Bestandes mit den vier alter-
zeit kam es zu einer sehr produktiven Zusammenarbeit           nativen Konsequenzen: Bestätigung, Wandlung, Ab-
zwischen dem Hermann Luchterhand Verlag, den Her-              wickelung, Neuaufbau, c) Beschreibung und Einordnung
ausgebern und der AHD. Besonders gefördert wurde               der neuen Entwicklungsprozesse, d) Aufarbeitung der

4                                                                                                        HSW 1/2012
HSW                                                        Die Zeitschrift Das Hochschulwesen wird 60 Jahre jung!

Vergangenheit, e) kritische Analyse und Begleitung des         Die Zeitschrift ist nicht Verlautbarungsorgan irgendeines
Übergangsprozesses. Das Hochschulwesen widmete An-             Verbandes, sie versteht sich im Gegenteil auch als Forum
fang 1994 zwei seiner Ausgaben explizit der Frage „Ab-         kontroversen Meinungsaustausches dort, wo Problem-
brüche und Neuanfänge – Vertane Chancen für die Wis-           sichten, Interpretationsmöglichkeiten oder Lösungen
senschaft bei der deutschen Einigung?”                         noch offen sind. In ihrer Eigenschaft als Forum der
Die Themen der einzelnen Aufsätze zeigen, was in jenen         Hochschulforschung allerdings ist die Zeitschrift rückge-
Jahren die Hochschulpolitik und Hochschulmitglieder            bunden an den Stand dieser Forschung. Daraus resultie-
umtreibt (s. Anlage). Das Hochschulwesen hat auf diese         ren dann klare Positionen soweit Ergebnisse eindeutig
Weise den deutschen Vereinigungsprozess mit zahlrei-           sind. Dies kann zur Ablehnung von Beiträgen führen, die
chen Artikeln aus West- und Ostsicht intensiv analysiert,      diesen Stand nicht berücksichtigen. Ihre Aufsätze unter-
kommentiert, kritisiert, dokumentiert.                         liegen im übrigen einem strengen Gutachterverfahren,
                                                               das selbstverständlich ohne Abstriche auch im Heraus-
                                                               geberkreis untereinander gepflegt wird, wenn Beiträge
3. Heutiges Konzept
                                                               von dort kommen.
Als generalistisch angelegte Zeitschrift beobachtet sie
die Universitäten, Universitäten für angewandte Wissen-
                                                               4. Zukunft
schaften (Fachhochschulen) und Spezialhochschulen
sorgfältig und bildet deren Entwicklung in Beiträgen ab.       Der Verlag beobachtet natürlich die technische Entwick-
Sie bieten sowohl Hintergrundwissen aus der Hochschul-         lung aufmerksam, hält aber vorläufig trotz eigener Mög-
forschung als auch gründliche Orientierung in Tagesthe-        lichkeiten zu online-Zeitschriften an der Print-Ausgabe
men. Dort werden Überblicke und Analysen der Ent-              mit der sinnlichen Ausstrahlung, dem Aufforderungscha-
wicklung vorgelegt, internationale Vergleiche gezogen          rakter und Handhabbarkeit eines Heftes fest. Überall in
und Ihnen, den Abonnenten, damit viele Ideen, Konzep-          den Hochschulen werden zur Zeit besondere Projekte
te und Anregungen zugänglich gemacht. Rezensionen              zur Studienreform und Qualitätssicherung begonnen.
kommen hinzu. Theoriebezogene oder empirische wis-             Dafür wird zusätzliches Personal gesucht. Aber es fehlt
senschaftliche Aufsätze werden ebenso veröffentlicht           an erfahrenen, einschlägig ausgebildeten Kräften. Der
wie nachdenkliche, gut beobachtende, gut recherchierte         Arbeitsmarkt ist leergefegt. Kompromisse sind unver-
Beiträge zur gestalterischen, zukunftsbezogenen Pro-           meidbar. Viele der gutwilligen, auch vielversprechenden
grammatik von Praxisfeldern der Hochschulen oder               Ausgewählten haben nicht nur Weiter-, sondern vielfach
ebensolchen Erfahrungsberichten, die zur Weitergabe            auch noch Ausbildungsbedarf, der sich oft erst im Verlauf
mit einem gewissen Modellcharakter geeignet sind.              eines Projekts in vollem Umfang heraus stellt oder sich
Die Zeitschrift wird nur durch Originalbeiträge der je-        den Verantwortlichen erst spät erschließt. Sie alle in
weiligen Akteure, Expertinnen und Experten gestaltet.          Weiterbildungen zu schicken wäre wünschenswert,
Die Artikel bieten eine hohe Informations- und Erfah-          übersteigt aber oft die finanziellen Möglichkeiten. Da
rungsdichte, an deren Optimierung die Redaktion stän-          empfehlen sich Lerngelegenheiten am eigenen Schreib-
dig arbeitet – von der scharfsinnigen, empirisch bzw.          tisch! Mit seinen Artikeln kommt das Hochschulwesen
theoretisch unterlegten Analyse bis zum anregenden,            unterschiedlichem Bedarf und unterschiedlichen Vor-
handfesten, übertragbaren Praxisbericht. Das ist unser         kenntnissen und Verwendungskontexten entgegen.
Markenzeichen.                                                 Daher gehören diese Zeitschriften nicht nur in jede
Die Zeitschrift hat ihr beim Neustart 1991 vereinbartes        Hochschulbibliothek, sondern als Arbeitsmaterial auf
Konzept beibehalten. Die Breite des Themenspektrums            jeden Schreibtisch, von dem aus die Entwicklung der
und die Originalbeiträge haben sich ebenso bewährt wie         Hochschulen beeinflusst wird. Trotz Internet und online-
die Spannweite zwischen Theorie und Praxis.                    Zeitschriften: Die einzelnen Hefte haben ein günstiges
Das HSW publiziert in 6 Heften pro Jahr in der Regel 5         Format, sind jederzeit griffbereit, können am Arbeits-
Aufsätze je Heft als Hauptbeiträge, die auf unterschiedli-     platz gelesen, aber auch auf Reisen ohne Aufwand mit-
chen Arbeits- und Erfahrungsfeldern angesiedelt sind.          genommen werden. Das HSW ist auf die jetzt die Hoch-
Äußeres Zeichen dieses Spektrums sind die ständigen            schulen bewegenden Reformfragen spezialisiert.
Sparten „Hochschulforschung“, „Hochschulentwicklung,           Das Hochschulwesen erhält an diesem Jahresanfang
-politik“, „Anregungen für die Praxis/Erfahrungsberich-        2012 mehr Aufsätze zur Publikation angeboten als je
te“ (insbesondere in Lehre und Studium und hier insbe-         zuvor. Die Aufmerksamkeit, mit der die Zeitschrift beob-
sondere zur Didaktik und curricularen Entwicklung              achtet wird, ist noch einmal deutlich gewachsen. Die
sowie Studienberatung der Hochschulen). Die Zeitschrift        Zeitschrift wird mit einer Erweiterung des Seitenum-
publiziert neben den Aufsätzen auch Nachrichten, Es-           fangs reagieren, um den Inhalten breiteren Raum zu bie-
says, Dokumentationen, (Gast-)Kommentare, (Tagungs-            ten. Das war in ihrer nun 60 jährigen Geschichte nicht
)Berichte, Kontroversen, Interviews, Portraits, Rezensio-      immer so, und es wäre für die Diskussion um Hochschul-
nen und Literaturhinweise. Von Fall zu Fall kommen             fragen in Deutschland sehr schade gewesen, wenn diese
„Meinungsforum“ für Kontroversen und „Interview“ für           Stimme verstummt wäre.
die Rekonstruktion interessanter Handlungskonzepte im          Um die Zukunft müssen wir uns also vorläufig keine Sor-
Gespräch mit den jeweiligen Urheberinnen und Urhe-             gen machen, wie gerade die jüngste Entwicklung zeigt.
bern dazu. Dabei sollen die wissenschaftlichen Aufsätze        Sie sind – als unsere Leser/in – herzlich in diese Zukunft
das Erscheinungsbild der Zeitschrift prägen.                   eingeladen. Gestalten Sie die Zeitschrift durch Ihre

 HSW 1/2012                                                                                                            5
In eigener Sache                                                                                              HSW
Beiträge mit – als Kommunikationsplattform zur Dar-                    gen Schlegel berichtet über „Nicht nur Notlösung für die
stellung eigener Projekte, Forschungsergebnisse oder                   Chemie in Adlershof: Das Wissenschaftler-Integra-
eigener Aktivitäten der Hochschulentwicklung und                       tionprogramm (WIP)” (6-93, S. 250ff.), Gustav-Wilhelm
-profilierung!                                                         Bathke & Karl-Heinz Minks „Allgemeine und berufliche
                                                                       Werte von Hochschulabsolventen der ehemaligen DDR
                                Verlag und Herausgeberkreis des HSW    im Spannungsfeld des gesellschaftlichen Umbruchs” (6-
                                                                       93, S. 281ff.), Johannes Wildts Rezension zu Hilde
                                                                       Schramm (Hg.): „Hochschule im Umbruch” (6-93, S.
Anlage                                                                 297ff.), Hans-Joachim Bieber „Die Empfehlungen des
                                                                       Wissenschaftsrates für die Hochschulen in den neuen
Typische HSW-Themen der Wendezeit                                      Ländern” (2-94, S. 62ff.), Hansgünter Meyer „Abbrüche
                                                                       – vertane Chancen?” (2-94, S. 72ff.), Erhard Geissler
Die Themen der einzelnen Aufsätze zeigen, was in jenen                 „Anmerkungen zur Situation in der Molekularbiologie in
Jahren – kurz nach der deutschen Vereinigung – die                     Berlin-Buch vor und nach der Wende” (2-94, S. 82ff.),
Hochschulpolitik und Hochschulmitglieder umtreibt.                     Helga Schultz „Abbrüche in den ostdeutschen Geistes-
Bernd Okun „Was bleibt? Die ideologische Erblast der                   wissenschaften – vertane Chancen?” (2-94, S. 89ff.), Jür-
DDR-Sozialwissenschaft und ihre Perspektive” (1-92, S.                 gen Kocka „Reformen von oben und außen” (2-94, S.
18ff.), Rosemarie Will „Die Humboldt-Universität im                    93ff.), Jürgen Kocka „Geisteswissenschaftliche Zentren:
vereinigten Berlin” (1-92, S. 21ff.), Irmgard Mengel „Zu               Die umstrittene Innovation” (3-94, S. 122ff.), Knut
den Hoch- und Fachschulabschlüssen in der ehemaligen                   Ipsen „Die VIADRINA Wiedergründung einer alten
DDR `Beschluss zur Feststellung der Gleichwertigkeit´”                 Hochschule als Europa-Universität in Frankfurt/Oder”
(1-92, S. 37ff.), Michael Globig „Die Max-Planck-Gesell-               (3-94, S. 125ff.), Marlis Dürkopp (Interview), „Das, was
schaft in den neuen Bundesländern” (1-92, S. 40ff.),                   hier von vielen geleistet wurde, ist unglaublich” (5-94,
Wolff-Dietrich Webler „Eine Schlacht für den Rechts-                   S. 202ff.), Winfried Benz „Hochschulerneuerung zwi-
staat gewonnen? Personalkommissionen an ostdeut-                       schen Anpassung und Innovation aus Sicht des Wissen-
schen Hochschulen” (2-92, S. 52 ff.), „Rücknahme von                   schaftsrates” (5-94, S. 211ff.), Anke Burkhardt/Doris
Berufungen studentischer Mitglieder der Personalkom-                   Scherer „Hochschulpersonal-Ost im Wandel” (6-94, S.
mission an der TU Chemnitz – Offener Brief der Konfe-                  276ff.), Hartmut Griese „Und dann kam die Abwicklung
renz der StudentInnenschaften an das Sächsische Staats-                – es war wie ein kalter Schlag” (1-95, S. 40ff.), Dietrich
ministerium für Wissenschaft und Kunst” (2-92, S. 58ff.),              Goldschmidt, „Berufsschullehrer aus der DDR in gewan-
Michael Bartoszek „Chemie in Berlin-Adlershof – Das                    delter Verantwortung” (1-95, S. 52ff.). Bruno Hartmann
Wissenschaftler-Integrationsprogramm (WIP) – Chance                    gibt das WIP-Memorandum bekannt: „Verwirklichung
für einen Neubeginn oder nur Notlösung?” (3-93, S.                     des Wissenschaftler-Integrationsprogramms” (2-95, S.
114ff.), „Brücke für den Ost-West-Dialog”. Interview mit               95ff.), Peer Pasternack schreibt über „Hochschule in die
dem Jenaer Pathologen Ulrich Zwiener (3-93, S. 145ff.),                Demokratie” (3-95, S. 152ff.), Siegfried Kiel beschreibt
Siegfried Kiel „Die gespaltene Reform der deut-                        „Ostdeutsche Hochschulen in der Veränderung” (3-95,
schenHochschulen – Wahrnehmungen aus einer spezifi-                    S. 168ff.), Das Hochschulwesen hat auf diese Weise den
schen ostdeutschen Sicht” (4-93, S. 181ff.), Gudrun Au-                deutschen Vereinigungsprozess mit zahlreichen Artikeln
lerich/Karin Dobbeling, „Umstrukturierung im tertiären                 aus West- und Ostsicht intensiv analysiert, kommen-
Bildungssektor der neuen Länder” (5-93, S. 217ff.), Jür-               tiert, kritisiert, dokumentiert.

                                  im Verlagsprogramm erhältlich:
Reihe Qualität - Evaluation -

 Verfahren und Methoden
     Praxishinweise zu
      Akkreditierung.

                                  Stefanie Schwarz, Don F. Westerheijden, Meike Rehburg (Hg.):
                                  Akkreditierung im Hochschulraum Europa

                                  Bielefeld 2005, ISBN 3-937026-36-3, 261 Seiten, 34.00 Euro

                                  Bestellung - E-Mail: info@universitaetsverlagwebler.de, Fax: 0521/923 610-22

6                                                                                                                HSW 1/2012
HSW                                       Hochschulentwicklung/-politik

Ewald Scherm

Von der Hochschulreform zur
„unternehmerischen“ Universität: ein weiter Weg

                                                                                                           Ewald Scherm

  In the traditional structures of academic self-administration a full term was often needed to acquire the necessary
  knowledge and skills (if it succeeded at all). An often (too) expensive training period, if, because of personal er-
  rors, presidency and deanery could not preserve the interests of each organisation for which they were responsi-
  ble. Demand for "professionalization" ensued – understood by some as full-time research managers at a universi-
  ty as business (comparable to deans in the U.S.), while others urged for a change in and a broadening of skills of
  young academics (as a part of a modernized academic self-administration). The essay by Ewald Sherm: From the
  Higher Education Reform to the "Entrepreneurial" University: a Long Way discusses these problems. The concept
  of "entrepreneurial university" still leaves open in which of the two alternatives (or a third yet to be developed al-
  ternative) the solution could lie. A project is underway which intends to clarify these questions under the direc-
  tion of the author. Target agreements between state and higher educational institutions have long since become
  an important governance tool for higher education policy. But this supervision can be very differently and very di-
  stinctly practically formulated.

Nachdem die Hochschulreformen der 1960er und                   1. Hochschulreform schafft Barrieren statt
1970er Jahre weit hinter den Erwartungen zurückgeblie-            universitärem Wandel
ben waren, hat die (Landes-)Politik die Beseitigung der
Hochschulrahmengesetzgebung 1998 und den 1999 ge-              Während in der vielfältigen Literatur zum Wandel z.B.
starteten Bologna-Prozess als „Chance genutzt, (...) die       von Unternehmen unter anderem diskutiert wird, ob
größte Hochschulreform seit Jahrzehnten“ zu starten            oder in welchem Maße Veränderungen in Organisatio-
(BMBF 2010). Zielte die staatliche Steuerung in der Ver-       nen gesteuert werden können, welchen Verlauf der
gangenheit noch auf die Normierung eines Hochschul-            Wandel – umbruchartig oder evolutionär – nehmen und
modells mit vergleichbaren Voraussetzungen für For-            wie mit Hemmnissen oder Widerständen umgegangen
schung, Lehre, Weiterbildung und Wissenstransfer, wird         werden soll, stellt sich die Situation an den Universitä-
nunmehr auf Differenzierung und Wettbewerb zwischen            ten demgegenüber recht klar und eindeutig dar. Der Ge-
autonomen Hochschulen gesetzt (Lüthje 2010, S. 265).           setzgeber hat die Universitäten stichtagsbezogen refor-
Dabei orientiert man sich an dem New Public Manage-            miert; Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten die-
ment, um die Leistungsprozesse effektiver und effizien-        ses revolutionären Vorgehens lassen sich ebenso wenig
ter zu gestalten.                                              erkennen, wie Zweifel an der weiteren Umsetzung bzw.
Die umfassende Reform im deutschen Wissenschaftssys-           der Überwindung auftretender Barrieren, obwohl in den
tem führte nicht nur zu einer Veränderung der Leitidee         Hochschulen weder die Notwendigkeit der Reform er-
der Universität, ihrer Struktur und des gültigen Steue-        kannt worden noch eine Mitwirkung an der konkreten
rungsmusters, vielmehr wurden mit der Autonomie                Ausgestaltung möglich war.
auch die Umsetzung der Reform und die Verantwortung            Betrachtet man die Reform als einen Veränderungs-
dafür auf die Universitäten übertragen. Diese stellen          bzw. Change-Management-Prozess, der sich unter-
sich dieser Autonomie, und die Hochschulrektorenkon-           schiedlich detailliert in Phasen gliedern lässt (vgl. z.B.
ferenz sieht sie für die Profilbildung und das Bestehen        Krüger 2009, S. 68-83), befinden sich die Universitäten
im Wettbewerb als notwendig an (HRK 2011a, S. 8).              bereits in der Phase der Umsetzung. Dieser Umsetzung
Nicht alle Betroffenen finden die „neue Macht der Präsi-       üblicherweise vorangehende Phasen, in denen es darum
dien und Rektorate“ (Kühl 2011) jedoch uneinge-                geht, z.B. die Träger des Wandels zu aktivieren, Ziele
schränkt gut.                                                  festzulegen, Maßnahmen zu entwickeln und zu kommu-
Da vor dem Hintergrund der Outputsteuerung und der             nizieren, spielten hier keine nennenswerte Rolle, ob-
wachsenden Bedeutung von Drittmitteln die erfolgrei-           wohl sie sonst als kritisch für den Erfolg des Wandels an-
che Umsetzung der Reform für die Universität als Orga-         gesehen werden; die Hochschulen wurden gezwungen,
nisation anders als früher große Bedeutung hat, spielt         den staatlichen Änderungswünschen zu folgen. Vor dem
ein universitätsgerechtes Management des sicherlich            Hintergrund der bekannten Reformresistenz der Univer-
noch Jahre dauernden Wandels eine zentrale Rolle.              sitäten ist es daher nicht überraschend, dass die Umset-

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Hochschulentwicklung/-politik                                                                       HSW
zung des Wandels in Universitäten auf Beharrungskräfte       ebenso deutlich wie zahlreiche kritische Stimmen z.B. zu
trifft und sich allerorts eine Trägheit bzw. ein Konserva-   der aktuellen Forschungsförderung und der notwendi-
tivismus (in) der Organisation feststellen lassen. Diese     gen Akkreditierung der Studiengänge durch externe
drohen selbst notwendige und gutgemeinte Verände-            Agenturen. So sehen 60% der befragten Professoren
rungen im Keim zu ersticken, obwohl niemand ernsthaft        eine Gefährdung der Forschungsqualität durch deren
behaupten kann, dass die Situation vor der Reform wis-       Orientierung an der Nützlichkeit (vgl. Jacob/Teichler
senschaftsadäquater war und geeigneter wäre, den aktu-       2011, S. 70), die Hochschulrektorenkonferenz betont
ellen Herausforderungen zu begegnen (vgl. Heß 2005, S.       vor dem Hintergrund zunehmender themenorientierter
153).                                                        (Programm-)Förderung die Bedeutung der umfassenden
Dieser organisationale Konservatismus darf zwar nicht        Förderung themenoffener (Grundlagen)Forschung (HRK
pauschal als dysfunktional angesehen werden (vgl. Pe-        2011b) und Keupp beispielsweise sieht die „Qualität
rich 1992, S. 459-461) da aus dem Zögern Spielräume          eines Wissenschaftlers (...) auf der Waage seiner unter-
für weiter gehende Analysen erwachsen können und             nehmerischen Potenz abgewogen“ und im Bologna-Pro-
sich die Gefahr reduziert, lediglich Modeströmungen          zess „die endgültige Austreibung des Denkens“ (2007, S.
nachzulaufen. Die Gefahr, durch das Aufschieben den          1193 und 1196). Man kann es auch mit folgender Aus-
Handlungsspielraum zu verlieren und nur noch reagieren       sage zusammenfassen: Der Wettbewerb um Forschungs-
zu können, darf jedoch nicht übersehen werden (vgl.          gelder, Wissenschaftler und Studierende „ist so ange-
Scherm/Pietsch 2007, 241-242). Man muss deshalb die          legt, dass es Sieger und Besiegte geben muss“, die un-
Ursachen des Konservativismus genauer betrachten.            ternehmerische Universität setzt der Kollegialität des-
Diese werden üblicherweise auf der individuellen und         halb ein Ende, führt zu „einer Senkung ihrer wissen-
der organisatorischen Ebene gesehen. Daneben dürfen          schaftlichen Qualität“ und dazu, dass die Forscher nur
bei der Hochschulreform der Staat bzw. das Ministerium       noch als „verwertbares Humankapital“ gesehen werden
als weitere Ebene jedoch nicht ausgeblendet werden.          (Münch 2009, S. 10, 13 und 16).
Die individuelle Ebene, speziell die Gruppe der Profes-      Die Selbstverwaltungstradition an den Universitäten si-
soren, hat in Universitäten besondere Bedeutung, wobei       cherte die Autonomie der Professoren; Entscheidungen
neben den Wissenschaftlern zwei weitere Gruppen, Uni-        wurden ab den 1970er Jahren zwar formell nach dem
versitätsleitung und Verwaltungsmitarbeiter, zu betrach-     Mehrheitsprinzip getroffen, aber ein starker Konsens-
ten sind. Da der Organisationscharakter der Universitä-      druck führte zu einem faktisch weitgehenden Vetorecht
ten bisher nicht stark ausgeprägt war, Management- und       des einzelnen Professors bei wesentlichen Entscheidun-
Informationssysteme, die dem Status-Quo verhaftet sein       gen, die ihn betrafen (vgl. Meier/Schimank 2010, S.
könnten, eher nachrangige Bedeutung hatten und ein           110). Professoren hatten damit nicht nur individuell er-
gemeinsames Werte- und Normensystem speziell bei             hebliche Macht, sondern waren auch in der Lage, sich
Professoren nicht existierte, hat diese Ebene eine gerin-    untereinander abzustimmen und dadurch weitreichende
gere Bedeutung als in Unternehmen oder anderen Orga-         Entscheidungen zu treffen oder zu verschleppen bzw. zu
nisationen. Jedoch heben verschiedene organisatorische       blockieren. Die neue Leitungsorganisation stellt – formal
Betrachtungsperspektiven Spezifika universitärer Orga-       gesehen – eine recht gründliche Entmachtung dieser
nisation hervor, die im Wandel zum Tragen kommen             Gruppe dar.
(vgl. Hüther 2010, S. 160-161). Die staatliche Ebene         Damit korrespondieren die neuen Managementaufga-
spielt weiterhin eine wichtige Rolle, da – bei aller Auto-   ben der Leitungsorgane, d.h. der Rektoren, Prorektoren
nomie der Universitäten – nicht nur Ziele vereinbart und     und Dekane. Aus diesen leiten sich Anforderungen ab,
Rechenschaftspflichten erfüllt werden müssen, sondern        denen die Qualifikationsprofile der Professoren nur im
die Ministerien auch über Umfang und Ausgestaltung           Ausnahmefall und dann meist nur zum Teil entsprechen.
der Finanzierung entscheiden.                                Zählten Prorektor und Dekan in der Vergangenheit
                                                             schon nicht zu den begehrten Ämtern der Professoren,
                                                             ist deren Attraktivität durch die umfassenderen Aufga-
2. Veränderungen und Barrieren
                                                             ben bei der ohnehin bereits kritischen zeitlichen Bela-
   auf der individuellen Ebene                               stung nicht gestiegen (vgl. Meier/Schimank 2010, S.
Hinter der Reform steht eine grundsätzlich neue Vor-         112-113). Hinzu kommt, dass die dafür verantwortliche
stellung, was Universität zu sein und zu leisten hat. Die    Machtverschiebung, wenn überhaupt, nur geringe Ak-
Leistungsprozesse sollen wirtschaftlicher werden, und es     zeptanz bei den Amtsträgern findet.
rücken die Produktion von nützlichem Wissen und des-         Stärker noch als bei diesen nebenamtlich wahrgenom-
sen Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft in den Vor-      menen Ämtern schlägt sich die Reform an der Univer-
dergrund. Deshalb soll den Kunden größerer Einfluss auf      sitätsspitze, d.h. bei Rektor bzw. Präsident, nieder (vgl.
die Forschung und die Ausbildung gegeben werden.             z.B. Kühl 2011). Mussten dort seit jeher divergierende
Auch wenn das Modell Humboldt in der Vergangenheit           Erwartungen und Aufgaben erfüllt werden, kommt jetzt
eher als Idealtyp denn als Realtyp existierte, hat es die    zu dem Ausbalancieren, Vermitteln, Kommunizieren
Wissenschaftler unabhängig von den Reformen der              und Zufriedenstellen vor allem das Entscheiden hinzu,
1960er und 70er Jahre über eine lange Zeit geprägt.          das nicht nur häufiger notwendig ist, sondern auch weit-
Dass die darauf zurückgeführte Freiheit in Forschung         reichendere Bedeutung hat (vgl. Kleimann 2011, S. 222-
und Lehre als erheblich gefährdet gesehen wird, steht        223). Dass dafür neben der entsprechenden Qualifika-
außer Frage. Aktuelle Befragungsergebnisse machen das        tion vor allem auch die Bereitschaft, Ziele zu formulieren

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