Info - Medizinische Hochschule Hannover

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Heft 2/2020

                                             Das Magazin der Medizinischen Hochschule Hannover

                                                                                          Einblicke
                                                                                           Die MHH zu Corona-Zeiten

              KRANKENVERSORGUNG                         FORSCHUNG                                   LEHRE
              COVID-19 ist Alltag: Auf der              Erreger-Jäger: Vielfältige Ansätze          Digital lernen: Der Weg in die
              Intensivstation 14                _8/9    im Kampf gegen das Virus           _11–15   Normalität                       _16/17
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1995 an der MHH
                          Examen gemacht?
                          Die Examensjahrgänge 1995 der Human-
                          medizin und der Zahnmedizin feiern ihr
                          25-jähriges Jubiläum. Auf dem Programm
                          stehen folgende Punkte:

                          •    Führung durch die MHH
                          •    Festakt
                          •    Abendessen

                        Examen25 am 03.10.2020
                                 Humanmedizin & Zahnmedizin

                                                                   Jetzt
                                                                   melden!
                                                                   Alle Infos unter
                                                                                       C
                                                                   www.mhh.de/
                                                                   alumni

MHH-Alumni e.V.
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
Telefon 0511 532-8007
E-Mail alumni@mh-hannover.de
                                                                                      Ort
                                                                                      An
                                                                                      30
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2/2020                                                                                                                               EDITORIAL   3

       Ein etwas anderes Magazin
       Z
             ugegeben: Wir sind etwas später
             dran als geplant. Auch uns in der
             Stabsstelle Kommunikation hat Co-
       rona etwas aus der Bahn geworfen. Zum
       Glück nicht, weil sich jemand aus dem
       Team angesteckt hätte. Das Virus fordert                                                                           Unter hohen
       uns aber trotzdem sehr. Schließlich wollen                                                                         Sicherheitsstandards:
                                                                                                                          Beim Besuch von
       Sie da draußen im Land wissen, was hinter
                                                                                                                          Bundesgesund-
       den Mauern der MHH, die Sie zumindest
                                                                                                                          heitsminister Spahn
       bis Pfingsten nicht besuchen durften, in                                                                           mussten sich alle
       Corona-Zeiten passiert. Zudem mussten                                                                              Medienvertreter
       wir unsere interne Kommunikation ver-                                                                              und auch Stefan
       stärken, um alle Mitarbeiterinnen und                                                                              Zorn entsprechend
       Mitarbeiter der Hochschule mitzunehmen                                                                             ausstatten lassen.
       bei den vielen Veränderungen, die in der
       Notfallsituation erforderlich waren. Stand    erzählen – auch wenn die eine oder der       Berichten über unsere Website oder die so-
       heute, 26. Mai, hat das gut geklappt.         andere es nicht mehr so recht hören mag.     zialen Medien und dem gedruckten Hoch-
           Mit sechs Wochen Verspätung halten        Viele von Ihnen haben in den vergange-       schulmagazin beibehalten.
       Sie nun unsere zweite Ausgabe des Hoch-       nen Wochen unsere Kanäle in den sozialen        Mir geht es wie sicherlich einigen von
       schulmagazins MHHinfo im Jahr 2020            Medien oder auf unserer Website genutzt,     Ihnen: Ich gehöre eben noch zu der Gene-
       in der Hand. Ein so umfangreiches Ti-         um sich aktuell zu informieren – oder sie    ration, die lieber umblättert als wischt. In
       telthema hatten wir in den 15 Jahren, die     sind gleich auf die Domain https://corona.   diesem Sinne: Bleiben Sie uns gewogen.
       ich mittlerweile in der MHH tätig bin, noch   mhh.de gewechselt.
       nie. Aber über Corona oder besser: SARS-         Aber keine Angst: Auch in Zukunft                                        Stefan Zorn
       CoV-2 und COVID-19 gibt es halt viel zu       wollen wir den Medien-Mix aus aktuellen           Leiter der Stabsstelle Kommunikation

 C-Brace® Gehen trotz Lähmung
                                                               Sicher gehen. Mit dem C-Brace® hat Ottobock die Orthetik
                                                               grundlegend verändert. Das weltweit erste mechatroni-
                                                               sche SSCO®-System*, das sowohl die Stand- als auch die
                                                               Schwungphase durch Sensortechnologie regelt.
                                                                Vorteile des C-Brace®

                                                                • Kontrolliertes Gehen auch auf unebenem Boden
                                                                • Leichteres Laufen auf Schrägen
                                                                • Treppabgehen im Wechselschritt
                                                                • Weniger Ausgleichsbewegungen notwendig, dadurch bessere
                                                                  Körperhaltung und weniger Folgeschäden
                                                                • Bewegliches Knöchelgelenk ermöglicht natürlicheres Auftreten und Abrollen
                                                                • Unauffällig zu tragen, auch unter der Kleidung
                                                                • Leistungsstarker Akku hält in geladenem Zustand den ganzen Tag
                                                                • Modi per Smartphone App einstellbar

                                                                Mehr zum Thema auf unserer Webseite.

                                                               Vereinbaren Sie mit uns einen Termin, um das C-Brace® Beinorthesensystem von
                                                               Ottobock kostenlos zu testen.

Orthopädietechnik im Annastift     Telefon: 0511-53584-0
Anna-von-Borries-Str. 2            E-Mail: info@john-bamberg.de
30625 Hannover                     Web:     www.john-bamberg.de
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4    INHALT                                                                                                                                       info

         Das Titelfoto hat Karin Kaiser auf der
         Station 14 aufgenommen.

         DIE MHH ZU CORONA-ZEITEN
          _6       Winziges Virus – riesige Wirkung
          _8       „Tod und Leben sind unsere
                   Begleiter“
         _10       „Zusammenhalt wie nie zuvor“
         _11       MHH-Präsident Professor Manns:
                   „Die MHH lebt Forschung“
         _12       Auf vier Wegen gegen das Virus
         _14       Von Immunboostern über
                   Blutserum bis zur Psyche
         _14       Die MHH koordiniert
                   WHO-Studie für Deutschland
         _16       „Wir haben etwas Großartiges
                   geschaffen“
         _17       Staatsexamen trotz Corona-
                   Virus
                                                        Lehrpreise wie im Abo: Studierende bewerten die engagierte Dozentin Dr. Stephanie Groos, Institut für An
         _18       Ein Bild geht um die Welt

Aufstieg: Kommissarischer Vize Professor Welte    _22         Gemeinsam: Kompetenz für Krebspatienten             _32            Professor Bengel ist neuer Fo

         _20       „Wir werden mit diesem Virus         _25     Dienstjubiläen                         _31       Ausgezeichnete Weiterbildung
                   leben lernen müssen“                 _26     Personalien                            _32       Kompetenz für Krebspatienten
         _20       Viele Zeichen der Solidarität        _26     In Gremien gewählt                     _33       Zuschlagen erwünscht:
                                                        _27     Begeistert vom Immunsystem:                      Therapeutisches Boxen
         NAMEN UND NACHRICHTEN                                  Professor Schmidt
         _22       Ein Patient – Hunderte Polizisten    _27     Examen bestanden                       FORSCHEN UND WISSEN
         _22       Welte folgt als kommissarischer      _28     MHH-Küchenchef Ludwig                  _34       Geförderte Forschungsprojekte
                   Vizepräsident auf Tecklenburg                Gieseke geht in den Ruhestand                    der MHH
         _23       Rückkehr als Klinikdirektor:         _29     Starke Geschwister                     _35       Forschung soll Patienten helfen
                   Professor Wedemeyer                                                                 _36       Hoffnung für Kinder mit
         _24       Ehrungen und Auszeichnungen          BEHANDELN UND PFLEGEN                                    Leukämie
         _24       Bücher von MHH-Autoren               _30     Hoffnung bei obstruktiver              _36       Neuer Therapieansatz zu einer
         _24       Erfolgreiches Mentoring                      Schlafapnoe                                      Umkehr der Herzschwäche
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2/2020                                                                                                                                            INHALT   5

                                                                                                              IMPRESSUM
                                                                                                              Herausgeber
                                                                                                              Das Präsidium der Medizinischen Hochschule
                                                                                                              Hannover (MHH).
                                                                                                              Der Inhalt namentlich gekennzeichneter
                                                                                                              Beiträge unterliegt nicht der Verantwortung
                                                                                                              der Herausgeber und der Redaktion. Abdruck
                                                                                                              honorarfrei. Redaktionsschluss für die nächste
                                                                                                              Ausgabe ist am 30. Juni 2020.

                                                                                                              Chefredaktion
                                                                                                              Stefan Zorn (stz)

                                                                                                              Redaktion
                                                                                                              Bettina Bandel (bb)
                                                                                                              Claudia Barth (cb)
                                                                                                              Alexandra Busch (ab)
                                                                                                              Simone Corpus (sc)
                                                                                                              Bettina Dunker (dr)
                                                                                                              Tina Gerstenkorn (tg)
                                                                                                              Camilla Mosel (cm)
                                                                                                              Kirsten Pötzke (kp)
                                                                                                              Mitarbeiterinnen dieser Ausgabe:
                                                                                                              Daniela Beyer (db)
                                                                                                              Annika Morchner (am)

                                                                                                              Fotoredaktion
                                                                                                              Karin Kaiser

                                                                                                              Layout und Realisierung
                                                                                                              Madsack Medienagentur GmbH & Co. KG
                                                                                                              August-Madsack-Straße 1
                                                                                                              30559 Hannover
                                                                                                              Telefon (0511) 518-3001
                                                                                                              www.madsack-agentur.de

                                                                                                              Anzeigen
                                                                                                              Günter Evert
                                                                                                              Verlagsgesellschaft Madsack
                                                                                                              GmbH & Co. KG
                                                                                                              30148 Hannover
nstitut für Angewandte Anatomie, als „fachlich auf dem neuesten Stand mit einem offenen Ohr“         _42/43   Kontakt Anzeigenverkauf:
                                                                                                              Telefon (0511) 518-2153 oder -2114
                                                                                                              Auflage: 14.300 Exemplare

                                                                                                              Druck
                                                                                                              Möller Druck und Verlag GmbH
                                                                                                              16356 Ahrensfelde bei Berlin
                                                                                                              Telefon (030) 41 909-0
                                                                                                              info@moellerdruck.de
                                                                                                              Gedruckt auf 100-prozentigem Recycling-Papier

                                                                                                              Online-Ausgabe
                                                                                                              Das MHHinfo ist auch im Internet zu finden unter
                                                                                                              www.mh-hannover.de/mhhinfo.html

                                                                                                              Fotos
                                                                                                              Alle Fotos von Karin Kaiser außer:
                                                                                                              iStockphoto.com/Wildpixel (6), Webredaktion
                                                                                                              (6, 7, 18, 19), Nico Herzog (12, 27), Michael
ist neuer Forschungsdekan         _35            Mit Esprit: RESIST-Forscher bei Herrenhausen Late     _48    Pietschmann (12), MKG-Chirurgie (18), BMG/
                                                                                                              photothek/Heinl (20, 21), Jasmin Ehrich (21),
                                                                                                              Lisa Weigelt (21), privat oder aus Abteilungen
                                                                                                              (24), Bodo Kremmin (28), Geschwisterkin-
                 _38      Sichten, züchten,                      _45      Deutschlandstipendien               der-Netzwerk (29), Daniela Beyer (30), Tina
                                                                                                              Gerstenkorn (31), Bettina Bandel (38), FGQ/
                          zentrifugieren                         _46      Tag der Lehre geht online           Lukas Kapfer (39), Angela Wulf (43), Thomas
                 _39      Von wegen barrierefrei                                                              Ecke (44), Bettina Bandel (5, 48), Antenne
                                                                                                              Niedersachsen (51)
                 _41      Neu an der MHH:                        GÄSTE UND FESTE
                          Professor Bosse                        _47      Kochen, bis der Arzt kommt          Anschrift der Redaktion
                 _41      Meilensteine im Kampf                  _48      Kaffee ist gut für die Leber        Medizinische Hochschule Hannover
                                                                                                              Stabsstelle Kommunikation
                          gegen den Krebs                        _49      Großzügige Spende                   Stefan Zorn
                                                                          zugunsten der Kinderklinik          Carl-Neuberg-Straße 1
                 LERNEN UND LEHREN                               _49      Als Ehrung MHH-Kalender             30625 Hannover
                                                                                                              Telefon (0511) 532-6772
                 _42      Immer wieder ausgezeichnet:            _50      Voller Einsatz von „Team Laura“     Fax (0511) 532-3852
                          Dr. Stephanie Groos                    _50      Indians verteilen Kuscheltiere      zorn.stefan@mh-hannover.de

                 _42      Engagiert in der Lehre                 _51      Spendenmarathon                     ISSN 1619-201X
                 _44      Ideen finden Anklang                            im Funkhaus
Info - Medizinische Hochschule Hannover
6   EINBLICKE                                                                                                                                            info

      Winziges Virus –
      riesige Wirkung
      Die Welt? Stand still! Die Corona-Pandemie hatte
      auch Deutschland über Wochen fest im Griff. Was hieß das
      für die MHH? Schlaglichter auf die Medizinische Hochschule
      im Krisenmodus

     D
              ieses Virus verändert die Welt –       Professor Manns, „jeden Morgen hat das             Zu ihnen gehörten Studierende, ehemalige
              und hat auch die MHH verändert.        Präsidium gemeinsam mit der Einsatz-               Beschäftigte sowie Patientinnen, Patienten
              Was am Jahresanfang in Wuhan           leitung beraten, wie viele Betten wir an           und Mitglieder des Hochschulrates. So wa-
      geschah, verbreitete spätestens ab März        diesem Tag für COVID-19-Fälle benötigen.           ren der Vorsitzende Dr. Josef Lange, Pro-
      auch in Deutschland Angst und Schre-           Wir konnten jederzeit flexibel agieren.“           fessor Dr. Reinhard Dengler sowie das neu
      cken. Die Angst, dass diese winzige, noch      Dank des bestehenden und in der Vergan-            gewählte Mitglied, Bundesgesundheitsmi-
      nicht einmal lebende Genansammlung             genheit mehrfach geprobten Notfallplans            nister a.D. Dr. Philipp Rösler, persönlich vor
      mit Namen SARS-CoV-2 nicht nur die Welt        gelang der Übergang vom Normal- in den             Ort, um der MHH mit Rat und Tat zur Seite
      aus den Angeln heben kann, sondern             Notfallbetrieb reibungslos: Stationen wur-         zu stehen.
      auch jede Einzelne und jeden Einzelnen         den verlegt, Personal andernorts einge-               Deutschland reagierte mit einem nie
      von uns existenziell bedroht. Zehntausen-      setzt, die Notaufnahme temporär erwei-             dagewesenen Lockdown auf die Pande-
      de Infizierte und Tausende von Todesfällen     tert, Operationssäle in Intensiveinheiten          mie. Die richtige Entscheidung, wie Welte
      in China waren deutliche Warnsignale.          mit Beatmungsmöglichkeiten umgewan-                findet: „Meiner Meinung nach waren das
         Für die MHH bedeutete diese Pan-            delt.                                              Verbot von Großveranstaltungen wie Fuß-
      demie: weg vom regulären Betrieb, hin                                                             ballspiele, Konzerte und Theatervorstel-
      zu einem Notfallmodus. „Wir haben un-          Großes Lob und großer Dank                         lungen besonders effektiv.“ Italien etwa
      seren Betrieb komplett umgestellt“, be-                                                           habe den Anfang der Infektionswelle um
      schrieb denn auch MHH-Präsident Profes-           „Allen Beteiligten – von den Technikern         sechs Wochen verpasst. „Daher waren vie-
      sor Dr. Michael P. Manns in einem Interview    über das Reinigungspersonal, die Verwal-           le Menschen und insbesondere auch viele
      Mitte April die Lage. Das Präsidium hatte am   tung, die IT-Expertinnen und -Experten bis         Mitarbeiter des Gesundheitssystems infi-
      17. März im Einvernehmen mit dem Nie-          hin zum Pflegepersonal sowie den Ärztin-           ziert, ohne dass sie es wussten“, erläutert
      dersächsischen Ministerium für Wissen-         nen und Ärzten gebührt ein großer Dank“,           der Vizepräsident. „Dann gab es noch das
      schaft und Kultur den Notfallplan für die      sagen Professor Manns und Professor Dr.            Champions-League-Spiel zwischen Berga-
      MHH ausgerufen. Seither lenken die drei        Tobias Welte. Der Direktor der MHH-Klinik          mo und Valencia im mit 50.000 Zuschau-
      Präsidiumsmitglieder gemeinsam mit der         für Pneumologie übernahm zu Beginn der             ern besetzten San-Siro-Stadion in Mailand,
      Klinischen Einsatzleitung (KEL) die Geschi-    Corona-Krise das Amt des kommissari-               von denen eine nennenswerte Zahl infi-
      cke der MHH (siehe auch Seite 10).             schen Vizepräsidenten, zuständig für das           ziert war und das Virus weitergab. Ab ei-
                                                     Ressort Krankenversorgung.                         ner bestimmten Zahl an Infektionen halten
      Nur noch Notfälle                                 Das Präsidium der MHH war überwäl-              Sie die Ausbreitung nicht mehr auf.“
                                                     tigt von der spontanen Hilfsbereitschaft.
         Die Landesregierung hatte per Erlass        Einerseits gab es vielfältige Spenden (siehe       Immer aufmerksam
      parallel den Kliniken in Niedersachsen die     auch Seite 20/21) für die Mitarbeiterinnen
      Behandlung von Elektivpatienten unter-         und Mitarbeiter. Anderseits haben zahlrei-            Die MHH hat in all den Wochen 24
      sagt: Therapien, die nicht unbedingt not-      che Personenkreise ihre Hilfe angeboten.           COVID-19-Patientinnen und -Patienten
      wendig waren, sollten verschoben wer-                                                             auf Normalstationen und 23 COVID-19-In-
      den. Der Grund: Die Kliniken sollten damit                                                        tensivpatientinnen und -patienten betreut
      in die Lage versetzt werden, ausreichend                                                          (Stand: 26. Mai 2020). „Unser Manage-
      Behandlungskapazitäten – insbesondere                                                             ment hat hervorragend geklappt“, betont
      Intensiv- und Beatmungsplätze – freihal-                                                          Professor Welte. „Wir waren zu keinem
      ten oder schaffen zu können. Bilder und                                                           Zeitpunkt überfordert, waren aber immer
      Berichte aus Italien, Spanien, Frankreich,                                                        aufmerksam – und sind es noch.“ Ob wir
      später auch aus Großbritannien, den USA                                                           über den Berg sind, oder ob SARS-CoV-19
      und Brasilien zeigten zum Teil chaotische                                                         in der derzeitigen Lockerung der Beschrän-
      Zustände in überlasteten Gesundheitssys-                                                          kungen oder im Herbst zurückkommt? „Es
      temen.                                                                                            gibt viele Menschen, die derzeit im Fern-
         „Wir haben die Kapazität an Intensiv-                                                          sehen und überall ihre Meinung dazu äu-
      pflegeplätzen deutlich erhöht“, betont         „Wir konnten jederzeit flexibel agieren“, betont   ßern. Aber die ehrliche Antwort ist: Wir
                                                     Professor Manns.
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2/2020                                                                                                          DIE MHH ZU CORONA-ZEITEN         7

     wissen es nicht“, sagt Professor Welte.       oft genug selbst kritisiert, dass es bei uns   auf einen Aufruf des Personalmanage-
     „Pandemien haben immer unterschiedlich        mehr Krankenhausbetten und Intensivka-         ments hin gemeldet, also wurde kurzer-
     lange gedauert.“                              pazität pro Einwohner gibt als in vielen       hand ein Bringdienst am Haupteingang
        Die Professoren Manns und Welte lo-        anderen Ländern. Diese Kapazitäten sind        auf die jeweilige Station organisiert.
     ben ausdrücklich das hervorragende Hygi-      jetzt in der Corona-Krise 2020 sehr will-
     enekonzept. Professor Dr. Franz-Christoph     kommen und geben uns Sicherheit.“              Eine Erfolgsgeschichte
     Bange und sein Team der Krankenhaus-
     hygiene hätten für jeden Bereich in der       Besuchen? Verboten!                                Überhaupt: Die freiwilligen Helferin-
     MHH ein offenes Ohr und pragmatische                                                         nen und Helfer waren eine echte Erfolgs-
     Lösungsvorschläge gehabt. Die Vorsor-           Die MHH beteiligte sich auch an der Pla-     geschichte. Allein bei Facebook erreichte
     ge und Vorsicht der Beschäftigten hat bis     nung eines Behelfskrankenhauses, das die       der Aufruf auf der Seite MHHnova mehr
     zum heutigen Tag (26. Mai) dazu geführt,      Region Hannover mithilfe der Bundeswehr        als 200.000 Personen. Studierende sind
     dass es keinen großen nosokomialen CO-        und vieler Freiweilliger in einer Halle auf    als Hilfspflegekräfte oder in der Logistik
     VID-19-Ausbruch in der MHH gab, wie er        dem Messegelände in Hannover errichtete.       aktiv. Das Personalmanagement schuf ein
     aus anderen Kliniken oder Pflegeheimen        Das Betriebskonzept stammt von der MHH         System, mit dem die Freiwilligen nach ihren
     berichtet worden war.                                                                        Fähigkeiten passgenau freien Stellen zuge-
                                                                                                  ordnet werden konnten. Vizepräsidentin
     Dauerhafte Wertschätzung                                                                     Andrea Aulkemeyer lobt das Engagement
                                                                                                  aller Beteiligten.
        Bezeichnend für die Corona-Krise ist                                                          Und auch beim Thema Homeoffice leis-
     auch der geringe Krankenstand unter                                                          teten das Personalmanagement und das
     den MHH-Beschäftigten. „Es gibt eine                                                         Zentrum für Informationsmanagement
     Solidarität und Motivation im Haus, die                                                      Großes – schließlich wollten Tausende von
     mich sehr beeindruckt“, betont Professor                                                     MHH-Beschäftigten (auch) von zu Hause
     Manns. „Und ich hoffe, dass die aktuelle                                                     arbeiten können. Der Einkauf hatte ebenso
     Wertschätzung für Kliniken und Personal                                                      alle Hände voll zu tun. Schließlich galt es,
     in der Bevölkerung und in der Politik diese                                                  bei den erst spärlichen und später überbor-
     Pandemie überdauert.“ In den vergange-        „Unser Management hat hervorragend ge-         denden Angeboten an Schutzausrüstungen
     nen Wochen wurden Solidaritätsbanner          klappt“, sagt Professor Welte.                 die unseriösen Anbieter herauszufiltern.
     nahe der MHH aufgehängt, Menschen                                                                Mit der Lockerung des Behandlungsver-
     spendeten Kuchen, Speisen, Getränke für       – zum Glück musste die Behelfsklinik nicht     bots für Elektiveingriffe kehrte Mitte Mai
     die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im      aktiviert werden.                              ein Stück Normalität in die MHH zurück.
     Höhepunkt des Lockdowns verabredete               Die Landesregierung hatte mit ihrem        Was von diesen Krisenmonaten bleibt, sind
     man sich, um landauf, landab von Balko-       Erlass nicht nur die Elektivbehandlungen       eine neue Vorsicht im Umgang miteinander
     nen und Fenstern dem Klinikpersonal zu        in Kliniken untersagt, sondern auch ein        – aber eben auch erhebliche wirtschaftliche
     applaudieren. Doch: Applaus ist gut, eine     Besuchsverbot ausgesprochen – alles zum        Folgen. Vom Land untersagte aufschiebba-
     höhere Bezahlung wäre besser.                 Schutz vor einer Einschleppung des SARS-       re Operationen, geschlossene Ambulanzen
        Professor Manns erinnert sich noch gut     CoV-2-Virus. Für die MHH-Patientinnen und      und die für Corona-Patienten vorgehalte-
     an die Kritik, als die MHH vor ein paar       -Patienten ein hartes Los, denn sie konn-      nen, aber nicht genutzten Kapazitäten in
     Jahren die Erwachsenen-Infektionsstation      ten keine Angehörigen oder Freunde mehr        der MHH bringen jeden Monat mehrere
     schuf: „150.000 Euro für ein Zimmer? Das      empfangen. Da die Angehörigen den Be-          Millionen Euro Mindereinnahmen. Und ob
     sei viel zu teuer, hieß es. Die MHH würde     troffenen aber auch nicht mehr frische         das Virus erneut als Pandemie zurückkehrt,
     kaum Patienten mit schweren Infektions-       Wäsche oder ein Buch ans Krankenbett           weiß heute noch niemand. Wir können
     krankheiten behandeln – und an Pandemi-       bringen durften, war Kreativität gefragt.      nur abwarten – und gut vorbereitet blei-
     en dachte niemand.“ Jetzt zeigt sich: „So     Personal- und Klinikmanagement hatten          ben. Koste es, was es wolle. Denn in der
     etwas kann immer passieren, wir müssen        eine zündende Idee. Tausende von freiwil-      Hochschule gilt nach wie vor unser Motto:
     vorbereitet sein. Wir Deutschen haben uns     ligen Helferinnen und Helfern hatten sich      MHH. Jeden Tag für das Leben.            stz
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8   EINBLICKE                                                                                                                                                info

      „Tod und Leben sind
      unsere Begleiter“
      Auf Station 14 kämpfen Ärzte und Pflegepersonal gegen
      das Coronavirus – und manchmal auch gegen die eigene Angst.
      Die Patienten werden künstlich beatmet, Angehörige bleiben
      wegen des Besuchsverbots weitgehend ausgesperrt.
      Wie verarbeitet das Personal die Belastung?
      Ein Blick in die Corona-Station der MHH – Ende April
      aufgeschrieben von HAZ-Redakteur Simon Benne

      W
                 enn sie zur Arbeit gehen, geht       gender geworden. „Die Belastung ist schon
                 die Angst mit. „Wir wissen ja        maximal“, sagt der Nordstädter. Wie schon
                 alle, dass die Patienten diese       vor Corona-Zeiten wechselt er Verbände,
      Krankheit haben“, sagt Timm Daron, „und         hält Maschinen am Laufen, beobachtet
      ich habe ältere Kollegen, die selbst dem        Patienten. „Doch man kann ja niemals ein-
      Risikoprofil entsprechen.“ Natürlich tragen     fach so in ein Zimmer hineingehen.“
      sie meist FFP-2-Masken, doch jeder weiß,            Bevor er ans Bett eines Patienten tre-
      dass es einen hundertprozentigen Schutz         ten kann, muss er Schutzhaube und Bril-
      nicht gibt. „Die Angst, das Virus in die ei-    le anlegen, die Maske aufsetzen und den
      gene Familie zu tragen, schwingt immer          wasserabweisenden Kittel mit Plastikmem-
      mit“, sagt Daron.                               bran überziehen. „Darunter schwitzt man
          Der 28-Jährige ist Intensivpfleger auf      wie im Gewächshaus, wie in einer Mi-
      Station 14. Etwa ein Dutzend Betten gibt        ni-Sauna“, sagt er. Kürzlich sei er in einem        „Die Belastung ist maximal“: Wenn Pflegekräfte
      es hier, im vierten Stock eines schmucklo-      Doppelzimmer drei Stunden im Einsatz                oder Ärztinnen und Ärzte auf Station 14 an das
      sen MHH-Gebäudes. „In den vergangenen           gewesen – Atemtraining, Mobilisieren der            Bett eines COVID-19-Patienten treten, tragen sie
      Wochen sind wir zur reinen COVID-19-Sta-        Patienten, Essen anreichen. „Danach muss-           eine umfängliche Schutzausrüstung.
      tion geworden“, sagt er.                        te ich mich erst einmal umziehen“, sagt er.
          Für die meisten Menschen ist das Co-        Beim Verlassen des Zimmers folgt jedes Mal          teils bis zu einem halben Jahr, um wieder
      ronavirus eine kaum greifbare, abstrakte        ein Desinfektionsritual. Ein falscher Hand-         ganz fit zu werden.
      Bedrohung. Ein unsichtbarer, fast irrealer      griff beim Ausziehen der Kleidung kann                  COVID-19 gibt den Medizinern noch
      Feind. Hier ist das anders. Auf Station 14      verhängnisvolle Folgen haben.                       viele Rätsel auf: „Die Krankheit verläuft
      ist die Gefahr höchst konkret; hier kämp-           Auf Station 14 landen Patienten, bei de-        anders, als wir es sonst von viralen Infek-
      fen Menschen täglich auf Leben und Tod          nen die Infektion einen schweren Verlauf            tionen kennen“, sagt Professor Hoeper.
      gegen das Virus – Patienten, Pfleger, Ärzte.    nimmt. „Wer erst einmal hier ist, bleibt            „Man denkt, alles wird gut, und dann geht
                                                      auch lange hier“, sagt Marius Hoeper. Der           es dem Patienten plötzlich doch wieder
      Das Virus hat alles verändert                   57-jährige Lungenspezialist und Intensiv-           schlechter.“ Natürlich tauschen sich die
                                                      mediziner leitet die Station. Im Schnitt            Ärzte von Station 14 mit Kollegen aus Chi-
          Selbst für enge Angehörige gilt auf Sta-    müssten Patienten hier drei bis vier Wo-            na, Spanien und den USA aus. Doch ein
      tion 14 ein grundsätzliches Besuchsverbot.      chen lang künstlich beatmet werden. Die             Mittel gegen das Virus kennen sie noch
      Auch Journalisten dürfen nicht auf die Sta-     meisten könnten danach in ihr normales              nicht. Immer wieder gibt es Berichte, dass
      tion. Fotos und Videos, aufgenommen von         Leben zurückkehren, sagt Hoeper, aller-             Medikamente helfen könnten, die eigent-
      der MHH, zeigen Timm Darons Arbeits-            dings bräuchten sie mit Reha und Training           lich gegen Malaria, HIV oder Ebola ent-
      platz als einen Ort der Hightech-Medizin:                                                           wickelt wurden. „Wir setzen diese in der
      Matratzen mit Luftpolstern ermöglichen                                                              Regel aber nicht ein“, sagt Hoeper. „Es gibt
      das weiche Lagern der Patienten, die hier                                                           keine verlässlichen Daten dazu – sie könn-
      meist im künstlichen Koma liegen. An den                                                            ten mehr schaden als nützen.“
      Betten stehen Monitore, in Regalen lagern
      verpackte Materialien. Ein Ort steriler Funk-                                                       Der jüngste Patient: 19 Jahre
      tionalität, wie in einem Labor.
          Rund 20 Corona-Patienten wurden hier                                                               Anders als oft behauptet nimmt die
      bis Ende April behandelt. Etwa die Hälfte                                                           Krankheit nicht nur bei alten Menschen
      ist wieder genesen; einige sind hier verstor-                                                       einen schweren Verlauf. „Unser jüngster
      ben. Für Timm Daron und seine Kollegen          Für Pfleger Timm Daron und das Team auf der         Patient war 19 Jahre alt“, sagt Hoeper.
      hat das Virus alles verändert. Sie schieben     COVID-19-Intensivstation hat das Virus alles ver-   Häufig seien Männer um die 60 Jahre be-
      Überstunden – und die Arbeit ist anstren-       ändert.                                             troffen, häufig geht die Infektion mit an-
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2/2020                                                                                                              DIE MHH ZU CORONA-ZEITEN         9

                                                      In einem Filter wird dem Blut Sauerstoff       cher, dass wir in Deutschland nicht werden
                                                      zugeführt, dann fließt es wieder zurück.       entscheiden müssen, welchen Patienten
                                                      „Ein Patient ist seine ECMO gerade los-        wir sterben lassen.“
                                                      geworden“, sagt Daron, „ein anderer ist           Ansonsten ist seine Prognose eher er-
                                                      kürzlich am Gerät verstorben.“                 nüchternd: „Wir gehen davon aus, dass
                                                         Der Pfleger wird sehr still, wenn er da-    COVID-19 uns auch ins nächste Jahr be-
                                                      rüber spricht. „Tod und Leben sind immer       gleiten wird“, sagt Hoeper. Er rechnet
                                                      unsere täglichen Begleiter“, sagt er, „aber    damit, dass die Zahl der Fälle in der kal-
                                                      jetzt ist das Sterben so schlimm wie nie.“     ten Jahreszeit, gemeinsam mit den Influ-
     „Das Team auf Station 14 ist hoch engagiert“,    Wegen des Besuchsverbots könne maximal         enza-Fällen, wieder steigt: „Wir erwarten
     sagt Professor Dr. Marius Hoeper, „die Schutz-   ein Angehöriger beim Sterbenden sein:          eine schwere Wintersaison.“
     maßnahmen sind nervig, aber sie greifen.“        „Wer will dann entscheiden, welches Kind          In der Stimme des Professors schwingt
                                                      zum Vater darf?“, fragt er. Natürlich halten   Stolz mit, wenn er über den Einsatz seiner
     deren Krankheiten einher. Allen Covid-Pa-        auch Pflegekräfte den Schwerkranken die        Mitarbeiter spricht: „Bei den Pflegekräften
     tienten hier ist gemein, dass ihre Lungen        Hand. „Aber wir gehören ja nicht zur Fa-       haben wir den niedrigsten Krankenstand
     versagen und die Sauerstoffversorgung            milie“, sagt er. In dem Raum, in dem Tote      seit Monaten“, sagt er. Das Team auf Sta-
     nicht mehr funktioniert. „Künstliche Beat-       sonst zum Abschiednehmen noch einmal           tion 14 sei hoch engagiert, und angesteckt
     mung überbrückt die Zeit, bis sie wieder         aufgebahrt werden, lagern jetzt Schutz-        habe sich bislang niemand: „Die Schutz-
     alleine atmen können“, sagt der Professor.       ausrüstungen. „Wenn Patienten alleine          maßnahmen sind nervig, aber sie greifen.“
     Viel mehr können die Ärzte nicht tun.            sterben, ist das auch für uns belastend“,      In dieser Woche wollen sich Gesundheits-
         Zur täglichen Arbeit von Timm Daron          sagt der Pfleger.                              minister Jens Spahn und Ministerpräsident
     gehört es, Patienten in Bauchlage zu dre-                                                       Stephan Weil ein Bild von der Arbeit in der
     hen. Bei Lungenkrankheiten besteht die           Schwerer Winter wird erwartet                  MHH machen. Timm Daron hofft, dass die
     Kunst darin, die Luft dorthin zu bringen,                                                       Corona-Krise den Mitarbeitern in Kranken-
     wo das Blut sie auch aufnehmen kann.                In den vergangenen Wochen gab es fast       häusern endlich auch zu der finanziellen
     „Bei Bauchlage fließt das Blut in die bes-       ausschließlich Corona-Patienten auf Stati-     Anerkennung verhilft, die sie verdienen.
     ser belüfteten Areale der Lunge“, sagt der       on 14. „Zwischenzeitlich waren alle Betten     „Das ist die Politik uns schuldig.“
     Pfleger. In besonderen Fällen kommt aber         belegt“, sagt Professor Hoeper. Dass es zu
     auch die ECMO zum Einsatz – die Extra-           Zuständen wie in Italien kommt und Men-            Wir danken der Hannoverschen Allgemei-
     korporale Membranoxygenierung. „Das ist          schen sterben müssen, weil es nicht genug          nen Zeitung, die uns den Nachdruck
     das letzte Mittel“, sagt er. Dieser Apparat      Behandlungsplätze gibt, fürchtet er jedoch         des Artikels vom 27. April gestattet hat.
     entzieht dem Körper binnen einer Minute          nicht: „Alle Krankenhäuser haben ihre Ka-          Die Fotos stammen von MHH-Fotografin
     einen Großteil des Blutes, bis zu fünf Liter.    pazitäten erweitert“, sagt er, „ich bin si-        Karin Kaiser.
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10 EINBLICKE                                                                                                                                                     info

     In der „heißen“ Phase: KEL und Task Force trafen sich täglich zur aktuellen Lagebesprechung, hier ein Bild aus den Anfängen.

     „Zusammenhalt wie nie zuvor“
     Auch im Notfallmodus bleibt die MHH leistungsstark – dank hervorragender Weitsicht

     N
             ach dem ICE-Unglück 1998 in
             Eschede hatte die MHH ihren Not-
             fallplan neu entwickelt. 22 Jahre
     lang musste sie ihn nicht aktivieren. Doch
     Mitte März war es so weit: Angesichts der
     schnellen Ausbreitung des Coronavirus
     wurde der Notfallplan ausgerufen. Damit
     bildete sich auch die Krankenhauseinsatz-
     leitung (KEL) COVID-19 als hochschulwei-
     ter Koordinations- und Führungsstab. Ihre
     Aufgabe: Unter sich fast täglich ändern-
     den Bedingungen die MHH so umzustruk-
     turieren, dass COVID-19-Patientinnen und
     -Patienten bestmöglich versorgt werden             Professor Ure (links) und Dr. Ringe leiten die Task Force und spielten auch in der KEL einen entschei-
     können. Gleichzeitig musste die Notfall-           denden Part.
     versorgung aufrechterhalten bleiben. In
     der KEL waren alle wichtigen Bereiche der          zu schaffen. Die Task Force fungierte fort-         nige Ausnahmen ein Besuchsverbot. Alle
     Hochschule vertreten. Geleitet wurde das           an als medizinische Einheit der KEL. Diese          geplanten Operationen mussten erlassbe-
     Gremium von MHH-Vizepräsident Profes-              musste als übergeordnetes Gremium die               dingt abgesagt und eine Wegetrennung
     sor Dr. Tobias Welte sowie von Dr. Bastian         Entscheidungen in allen größeren organisa-          für potenziell infektiöse und nicht infekti-
     Ringe und Professor Dr. Andreas Flemming           torischen Fragen treffen. „Dabei hatten wir         öse Patientinnen und Patienten eingerich-
     von der Stabsstelle Interdisziplinäre Not-         uns fast täglich mit neuen Vorgaben und             tet werden. Die Zentrale Notaufnahme,
     fall- und Katastrophenmedizin (INKM).              Empfehlungen von Bund, Land und Region              die Intensivstationen, die Infektionsstation
         Bevor die KEL ihre Arbeit aufnahm, hat-        auseinanderzusetzen“, erläutert Dr. Ringe.          wurden für einen großen Anfall von CO-
     te die COVID-19-Task-Force die Entwick-                                                                VID-Patienten     umorganisiert. Hunderte
     lung der Pandemie genau beobachtet und             Tägliche Treffen                                    Ärzte, Pflegekräfte und Medizinstudieren-
     wichtige erste Maßnahmen angestoßen.                                                                   de wurden auf die Versorgung von Coro-
     „Damals war die Befürchtung, dass die                  Alle Neuerungen mussten nicht nur um-           na-Patienten vorbereitet, Teams umstruk-
     Pandemie wie ein Tsunami über uns her-             gesetzt, sondern auch an die Beschäftigten          turiert oder neu gebildet. Material musste
     einbrechen könnte, ja durchaus begrün-             kommuniziert werden. Die externen Me-               beschafft werden, von Schutzausrüstung
     det“, erklärt Professor Dr. Benno Ure, der         dien wurden ebenfalls mit Informationen             über Beatmungsgeräte bis hin zu Desinfek-
     die Task Force gemeinsam mit Dr. Bastian           versorgt. KEL und Task Force tagten täglich         tionsmitteln.
     Ringe leitet. Schon früh war klar, dass gro-       und waren ständig ansprechbar.                         „In der gesamten Zeit standen wir in
     ße Anstrengungen nötig sein würden, um                 Die Umstrukturierungen waren gewal-             engem Austausch mit den anderen Kran-
     in der MHH die erforderlichen Strukturen           tig. Für die gesamte MHH galt bis auf we-           kenhäusern der Region“, sagt Dr. Ringe.
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                                                     „Die MHH
                                                     lebt Forschung“
                                                     Der Medizinischen Hochschule kommt ihre Expertise in der
                                                     Infektionsforschung zugute. Ein Überblick mit Professor Manns

                                                     D
                                                             ie MHH gehört zu den besonders        klinische Studien direkt neben der MHH
                                                             forschungsaktiven Hochschulen.        durchführen zu können“, lobt Manns das
                                                             Einer der drei Schwerpunkte in        von Bund und Land geförderte CRC.
                                                     Klinik und Wissenschaft ist das Thema             Am CRC Hannover laufen nun klini-
                                                     „Infektion und Immunität“. Professor Dr.      sche Impfstoffstudien an. Professor Dr.
                                                     Michael Manns, als MHH-Präsident zu-          Christoph Schindler testet Impfstoffkan-
                                                     ständig für das Ressort Forschung und Leh-    didaten der Firmen VPM und CureVac
                                                     re, sieht in den seit Jahrzehnten gewach-     AG, Tübingen (Seite 14, 15). Und an
                                                     senen Strukturen zur Infektionsforschung      der vom Land Niedersachsen mit einem
                                                     einen deutlichen Standortvorteil. „Wir        Nachtragshaushalt geförderten Coro-
                                Dieses Logo          sind dank unserer großen Kompetenz lo-        na-Forschung ist die MHH mit gleich vier
                                kennen alle          kal, regional, national und auch weltweit     Projekten beteiligt (Seite 12/13). Doch
                                MHH-Beschäftigten    hervorragend vernetzt und wollen auch         damit nicht genug: „Mitte Mai haben
                                vom täglichen        in den sich jetzt gründenden Netzwerken       wir unsere Projekte für das neue Natio-
                                COVID-19-Bulletin    zur SARS-CoV-2/COVID-19-Forschung ent-        nale COVID-19-Forschungsnetzwerk der
                                im Intranet.         scheidend mitwirken.“                         Universitätsmedizin eingereicht und ar-
                                                         Seit Jahren ein wichtiger strategischer   beiten auch bei dem in Gründung be-
     Die webbasierte Plattform IVENA, ein seit       Partner der MHH ist das Helmholtz-Zen-        findlichen COVID-19-Forschungsnetzwerk
     2015 bestehendes Notfallmanagementsys-          trum für Infektionsforschung (HZI) in         Niedersachsen eng mit der Universitäts-
     tem für Niedersachsen und Bremen, wur-          Braunschweig. Die Kooperation führte zur      medizin Göttingen (UMG), dem HZI und
     de auf Initiative der MHH erweitert. Das        Gründung der gemeinsamen Forschungs-          der Tierärztlichen Hochschule Hannover
     ermöglichte einen niedersachsenweiten           institutionen TWINCORE und Zentrum für        zusammen“, sagt der MHH-Präsident. Die
     Überblick über die Belegungen mit CO-           individualisierte Infektionsmedizin (CiiM)    niedersächsische hochschulmedizinische
     VID-19-Erkrankten und deren Versorgung          in direkter Nachbarschaft zur MHH. „MHH       Allianz kann zusammen mit Heidelberg
     in den Kliniken. Der massenhafte Anfall         und HZI sind Mitglied im Deutschen Zen-       bereits als Gründungsmitglied auf einen
     von COVID-19-Patienten blieb glücklicher-       trum für Infektionsforschung (DZIF) und       Meilenstein bei der Medizininformatik-
     weise aus. Doch viele anders ernsthaft          haben sich als gemeinsamer Standort           Initiative HiGHmed blicken. „Auf dieser
     Erkrankte kamen aus Angst vor einer An-         formiert“, betont Professor Manns. Die        Vernetzung baut die Koordination des Use
     steckung ebenfalls nicht ins Krankenhaus        MHH ist zudem Mitglied im Deutschen           Case Infection Control in Göttingen und
     – ein Schaden, dessen Umfang noch nicht         Zentrum für Lungenforschung (DZL) und         Hannover auf.“
     abzuschätzen ist.                               beheimatet den Exzellenzcluster RESIST            Alle Forschungserfolge basieren im-
         „In der außergewöhnlichen Situation         zur Infektionsforschung und den Sonder-       mer auf den Ideen einzelner Menschen.
     haben nicht nur die KEL und die COVID-19-       forschungsbereich SFB 900 „Chronische         „In der Medizin müssen Grundlagenfor-
     Task-Force schnell und fokussiert gearbei-      Infektionen“. Weitere Pluspunkte sind die     scher und Kliniker eng zusammenarbei-
     tet. In der gesamten MHH gab es einen           Geschäftsstellen der nationalen Netzwer-      ten.“ Mit dem Integrationsmodell habe
     Zusammenhalt wie nie zuvor“, stellt Pro-        ke Kompetenznetz erworbene Pneumoni-          die MHH für derartige Kooperation ideale
     fessor Ure begeistert fest. Das erfuhren er     en (CAPNETZ) und Kompetenznetz Hepa-          Voraussetzungen geschaffen. „Wir sehen
     und Dr. Ringe auch bei ihren regelmäßigen       titis (Hep-Net), deren Geschäftstellen an     die Probleme am Krankenbett, können
     Rundgängen in verschiedenen Bereichen           der MHH angesiedelt sind.                     die Mechanismen erforschen, Therapien
     der Hochschule. Ob auf den Stationen, in            Eine weitere strategische Vernetzung      entwickeln und diese dann gleich in klini-
     der Technik oder der Logistik, in der Abfall-   mit niedersächsischen Partnern erfolgte       schen Studien testen.“ Das Geheimnis der
     wirtschaft oder im Einkauf – alle machten       in der Translationsallianz Niedersachsen      erfolgreichen Forschung kurz zusammen-
     mit. „Die MHH ist ein toller Teamplayer“,       (TRAIN). Sie hat zum Ziel, die Stärken der    gefasst? „Wir vereinen hier am Standort
     konstatiert Dr. Ringe. „Wir sind gut vorbe-     biomedizinischen Forschung zu bündeln,        kluge Köpfe, die weltweit hervorragend
     reitet, auch für den Fall einer zweiten Er-     um Forschungsergebnisse schneller dem         vernetzt sind, entwickeln attraktive An-
     krankungswelle.“ Ende Mai löste sich die        Patienten zugänglich zu machen. Hierbei       gebote für den Nachwuchs, um ihn nach
     KEL wieder auf, und auch die Umstruktu-         stellt die Infektionsforschung einen wich-    Hannover zu locken, und bieten dabei eine
     rierungen werden nun Schritt für Schritt        tigen Bestandteil dar. „Mit dem Clinical      gute Infrastruktur speziell für klinische For-
     zurückgenommen. Die Task Force bleibt           Research Center (CRC) Hannover haben          schung, angesiedelt in einer Stadt, in der
     aber bestehen. „Wir fahren mit großer           MHH und HZI gemeinsam mit dem Fraun-          es sich gut leben lässt, vor allem aber nicht
     Freude runter, aber wir sind weiter wach-       hofer Institut ITEM auch die baulichen        nur für junge Familien“, meint Professor
     sam“, sagt Professor Ure.                 tg    Voraussetzungen geschaffen, um frühe          Manns. „Die MHH lebt Forschung.“ stz
12 EINBLICKE                                                                                                                                           info

     Auf vier Wegen                                                                                       Im S3-Sicherheitslabor findet
                                                                                                          SARS-CoV-2/COVID-19-Forschung unter
                                                                                                          höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt.

     gegen das Virus
     Das Land Niedersachsen unterstützt die Forschung an SARS-CoV-2
     und COVID-19 mit Millionen. Gleich vier MHH-Projekte werden
     über diesen Corona-Nachtragshaushalt finanziert

     Mit Pocken-Impfvektor                              ter einen neuen Test zum Nachweis einer
     gegen das Coronavirus                              SARS-CoV-2-Infektion entwickeln. Mit die-
                                                        sem sollen nicht nur Antikörper gegen das

     A     uf der Suche nach einem geeigne-
           ten Impfstoff gegen das Coronavirus
     SARS-CoV-2 setzen Wissenschaftlerinnen
                                                        Virus nachgewiesen werden, sondern auch
                                                        die Frage beantworten werden, wie gut
                                                        diese vor erneuter Infektion schützen. „Das
     und Wissenschaftler mitunter auf alte Be-          ist wichtig, um all die Menschen zu identifi-
     kannte. In Kooperation mit der Ludwig-             zieren, die eine Infektion ohne Krankheits-
     Maximilans-Universität (LMU) München               symptome durchgemacht haben und nun
     testet das MHH-Institut für Immunologie            immun sind, ohne es zu wissen.“
     unter der Leitung von Professor Dr. Rein-              Die Fördersumme beläuft sich auf 1,7
     hold Förster einen vielversprechenden              Millionen Euro.
     Impfstoff auf Basis des Pockenvirus: Das
     Modifizierte Vakzinia Virus Ankara (MVA)           Fitte Antikörper
     wollen die Wissenschaftler als Genfähre
                                                        sollen helfen
     nutzen, indem sie zusätzlich die Bauanlei-
     tung für das sogenannte Spike- oder S-Pro-
     tein einfügen, das sich auf der Oberfläche
     von SARS-CoV-2 befindet und die Infekti-
                                                        M     enschen, die eine Infektion mit
                                                              SARS-CoV-2 erfolgreich überstanden
                                                        haben, haben schützende Antikörper im
                                                                                                        le schützende Antikörper hervorgebracht
                                                                                                        haben. Das ist bei zehn bis 15 Prozent der
                               on von Zellen er-        Blut, von denen manche besonders effek-         Erkrankten der Fall“, sagt Professor Schulz.
                               möglicht. Das Vi-        tiv sein sollen. Diese hoch potenten Anti-      Aus diesen Proben werden die B-Lympho-
                               russtückchen soll        körper aufzuspüren, gentechnisch selbst         zyten isoliert, also die Antikörper-produ-
                               die körpereigene         zu produzieren und dann zum Schutz vor          zierenden Zellen. Die besonders effektiven
                               Immunabwehr an-          der Infektion und zur Therapie der Erkran-      Antikörper sollen anschließend gentech-
                               regen, schützende        kung einsetzbar zu machen – das ist das         nisch im Labor geklont werden, aufbauend
                               Antikörper gegen         Ziel eines Teams um Professor Dr. Thomas        auf der Expertise des RESIST-Forschers Pro-
                               das Coronavirus          Schulz, MHH-Institut für Virologie und          fessor Dr. Thomas Krey von der Universität
                               zu bilden.               Sprecher des Exzellenzclusters RESIST, so-      Lübeck, und im Tiermodell getestet werden
                                  „Ein gentech-         wie Professor Dr. Rainer Blasczyk, MHH-In-      – vom Team um Professor Dr. Albert Os-
     Professor Dr.             nisch modifiziertes      stitut für Transfusionsmedizin und Trans-       terhaus, Stiftung Tierärztliche Hochschule
     Reinhold Förster          MVA wurde von            plantat Engineering, und Professor Dr. Axel     Hannover (TiHo). „Ein Therapeutikum aus
                               meinem Münch-            Haverich, MHH-Klinik für Herz-, Thorax-,        gentechnisch hergestellten Antikörpern
     ner Kollegen Professor Dr. Gerd Suttner            Transplantations- und Gefäßchirurgie.           kann dann frühestens im nächsten Jahr zur
     bereits gegen das verwandte MERS-Virus                 „Wir suchen nach Antikörpern, die           Verfügung stehen“, sagt Professor Schulz.
     entwickelt und erfolgreich an Dromedaren           verhindern, dass die Viren an die mensch-          Blutproben von Patientinnen und Pati-
     getestet“, erklärt Professor Förster. Jetzt soll   lichen Zellen binden – die also neutralisie-    enten bekommt das Team auch von Pro-
     der Pockenimpfstoff gegen SARS-CoV-2               rend wirken – und die auch gegebenenfalls       fessor Dr. Markus Cornberg, MHH-Klinik
     eingesetzt und zunächst an Mäusen ge-              auftretende Varianten des Virus erkennen        für Gastroenterologie, Hepatologie und
     testet werden. Anders als in München ver-                                   können“, sagt Pro-     Endokrinologie, und Professor Dr. Marius
     abreichen die MHH-Wissenschaftler den                                       fessor Schulz.         Hoeper, MHH-Klinik für Pneumologie.
     Impfstoff über die Atemwege. „Das Impfen                                       Zunächst spürt         Die Förderung beträgt rund 1,2 Millio-
     durch Inhalation hat aus unserer Sicht den                                  das Team diese         nen Euro.
     Vorteil, dass dadurch eine besonders starke                                 hoch      potenten
     Immunantwort genau dort ausgelöst wird,                                     Antikörper in Blut-    Suche in der
     wo das Virus besonders heftig zuschlägt                                     proben von Gene-
                                                                                                        Wirkstoff-Sammlung
     – nämlich in der Lunge“, sagt der MHH-                                      senen auf. „Wir
     Immunologe.
         Ist die Impfung im Tierversuch erfolg-
     reich, soll sie auch an Menschen getestet          Professor Dr.
                                                                                 benötigen insbe-
                                                                                 sondere
                                                                                 von
                                                                                             Proben
                                                                                         Menschen,
                                                                                                        U   m ein Medikament zur Behandlung
                                                                                                            von COVID-19 zu finden, sucht ein in-
                                                                                                        ternationales Forschungsnetzwerk in der
     werden. Zudem möchte Professor Förs-               Thomas Schulz            die besonders vie-     weltweit größten Substanz-Repurpo-
2/2020                                                                                                         DIE MHH ZU CORONA-ZEITEN 13

                                                                                                Bauen eine COVID-19-Kohorte auf: die Professo-
                                                                                                ren Tomas Illig (links) und Markus Cornberg.

                                                                                                VID-19-Kohorte auf. Bioproben und Da-
                                                                                                ten von 1.000 unterschiedlich stark am
                                                                                                Coronavirus SARS-CoV-2 erkrankten Pa-
                                                                                                tientinnen und Patienten sowie Kontroll-
                                                                                                proben von Menschen mit anderen Atem-
                                                                                                wegserkrankungen aus verschiedenen
                                                                                                MHH-Kliniken und dem KRH sollen in der
                                                                                                Hannover Unified Biobank (HUB) gesam-
                                                                                                melt und verglichen werden.
                                                                                                    „Wir haben bereits mit dem Sammeln
                                                                                                von Blutzellen, Plasma, Speichel, Urin und
                                                                                                Zellen aus dem Atmungstrakt begonnen
                                                                                                und auch schon zahlreiche Anfragen für
                                                                                                molekulare Analysen von den Forsche-
                                                                                                rinnen und Forschern der MHH und des
     sing-Bank „ReFrame“ nach Stoffen, die           „Wenn wir Substanzen gefunden ha-          Helmholtz-Zentrums für Infektionsfor-
     gegen SARS-CoV-2 wirken. Die Sammlung ben, welche die Virusvermehrung hemmen               schung (HZI) erhalten“, sagt Professor
     umfasst rund 14.000 zugelassene Medi- können, schauen wir, wie sie in der mensch-          Dr. Thomas Illig, Leiter der HUB, wo die
     kamente sowie Wirkstoffe, für die es be- lichen Lungenzelle wirken, warum sie die          COVID-19-Biobank untergebracht ist. Um
     reits umfangreiche Sicherheitsdaten in Vermehrung hemmen und welche Dosis                  die Aufarbeitung der lebenden Blutzellen
     Bezug auf die Anwendung beim Men- dafür nötig ist“, erläutert Professor Pietsch-           kümmert sich das Team um Professor Dr.
     schen gibt. An der Suche sind mehrere La- mann. Chemisch-biologische Eigenschaf-           Markus Cornberg, leitender Oberarzt an
     bors in den USA, vier in Groß-                          ten ausgewählter Wirkstoffe        der MHH-Klinik für Gastroenterologie,
     britannien und je eins in                               werden in Kooperation mit          Hepatologie und Endokrinologie und Kli-
     China und Deutschland betei-                            Professor Dr. Mark Brönstrup,      nischer Direktor am HZI. Der Infektiologe
     ligt.                                                   Helmholtz-Zentrum für Infekti-     ist zudem Direktor des Zentrums für Indi-
         MHH-Professor Dr. Thomas                            onsforschung in Braunschweig       vidualisierte Infektionsmedizin (Centre for
     Pietschmann und Forscher des                            und DZIF, geprüft.                 Individualised Infection Medicine, CiiM),
     Exzellenzclusters RESIST, dessen                            Aufbauend können dann          einer gemeinschaftlichen Einrichtung von
     Arbeitsgruppe am TWINCO-                                klinische Studien durchgeführt     MHH und HZI. „Das CiiM ist die Brücke
     RE angesiedelt ist, leitet die in                       werden. „Ich bin sehr hoff-        zwischen Klinik und Forschung und soll
     Deutschland        stattfindenden                       nungsvoll, dass sich aus unse-     langfristig auch eine Art Filiale der COVID-
     Arbeiten. Den Nachweis, ob Professor Dr.                rer Orientierungsstudie, die wir   19-Biobank beherbergen“, sagt der Me-
     die Vermehrung des Virus ge- Thomas Pietschmann         öffentlich zugänglich machen,      diziner.
     hemmt wird, erarbeitet er ge-                           Ansatzpunkte für Medikamen-            Die Analysen der Bioproben sowie
     meinsam mit Professor Dr. Thomas Schulz, te zur Behandlung der Erkrankung CO-              genaue Angaben zu den einzelnen Pati-
     Leiter des MHH-Instituts für Virologie und VID-19 ergeben werden“, sagt Professor          enten wie Alter, Geschlecht, Krankheits-
     RESIST-Sprecher. Sie nutzen dazu einen Ro- Pietschmann.                                    verlauf, Laborwerte, Medikamentenein-
     boter, der im Rahmen des Deutschen              Das Niedersächsische Ministerium für       nahme oder Nikotinkonsum sollen helfen,
     Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) Wissenschaft und Kultur unterstützt das            das Rätsel um COVID-19 zu lösen. „Wir
     betrieben wird. Das notwendige spezi- Vorhaben mit rund einer Million Euro.                vermuten, dass eine Mischung aus dem
     ell markierte Coronavirus hat Professor Dr.                                                überreagierenden Immunsystem, den
     Volker Thiel, Institut für Virologie und Im- Biobank sammelt                               individuellen Erbanlagen und den Stoff-
     munologie der Universität Bern, hergestellt.                                               wechselvorgängen verantwortlich für
                                                  COVID-19- Proben
     „ReFrame“ wurde vom Scripps Research In-                                                   die sehr unterschiedlichen Schweregrade
     stitute, La Jolla, USA im Jahr 2018 mit Un-
     terstützung der Bill & Melinda Gates Foun-
     dation aufgebaut.
                                                 D    ie MHH baut in Kooperation mit dem
                                                      Klinikum Region Hannover (KRH) im
                                                  Laufe der nächsten zwei Jahre eine CO-
                                                                                                ist“, erklärt Professor Cornberg.
                                                                                                    Die Fördersumme beläuft sich auf
                                                                                                mehr als zwei Millionen Euro.          bb/kp
14 EINBLICKE                                                                                                                                   info

     Von Immunboostern
     über Blutserum bis zur Psyche
     Die Corona-Forschungen an der Medizinischen Hochschule sind vielfältig. Dazu gehören
     klinische Studien, aber auch Online-Befragungen

    E
           in Impfstoff gegen Tuberkulose könn-    an der MHH sind auch Studienzentren in         um mit deren Plasma akut an COVID-19
           te helfen, einen Etappensieg gegen      München, Erfurt und Borstel beteiligt.         erkrankten Patientinnen und Patienten zu
           das Corona-Virus zu erringen. VPM          Voraussichtlich im Frühsommer wird          helfen.
     1002 heißt das am Max-Planck-Institut         das Team der MHH Core Facility im CRC              Die im Spenderplasma enthaltenen
     für Infektionsbiologie, Berlin, hergestell-   Hannover eine Phase-I-Studie des Pharma-       schützenden T-Lymphozyten können die
     te Präparat. Es soll das Immunsystem im       unternehmens CureVac starten. Die Tü-          Viren abfangen, bevor sie Körperzellen in-
     Kampf gegen den Sars-CoV-2-Erreger            binger haben einen spezifischen Impf-          fizieren. Der Transfer von Plasma und Lym-
     stärken. „VPM 1002 ist die gentechnolo-       stoff, basierend auf einer mRNA-Techno-        phozyten hat zwar nicht denselben Effekt
     gisch verbesserte Variante eines jahrzehn-    logie, entwickelt. Die WHO rechnet das         wie eine Impfung, die das Immunsystem
     tealten Impfstoffs, der in vielen Ländern     CureVac-Präparat zu einem der acht aus-        zur aktiven Bildung eigener Antikörper
     zur Bekämpfung des Tuberkulose-Erregers       sichtsreichen SARS-CoV-2-Impfstoff-Kan-        gegen SARS-CoV-2 anregen würde. Die
     eingesetzt wird“, sagt Professor Dr. Chris-   didaten. „Wir sind eines von mehreren          Patienten erhalten dadurch jedoch eine
     toph Schindler, Leiter der Stabsstelle CRC    Studienzentren, in denen der Impfstoff         sogenannte passive Immunisierung und
     Core Facility am CRC Hannover. Weil der       getestet wird“, sagt Professor Schindler.      könnten für mehrere Wochen oder Mo-
     Impfstoff offenbar nicht nur gegen das                                                       nate besser gegen das Coronavirus ge-
     Tuberkulose-Bakterium hilft, sondern die      Antikörper aus Blutserum                       schützt sein.
     Immunantwort generell verbessert, könn-
     te er auch die Abwehr gegen das Coro-            Ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 ist          Klinikpersonal als Kohorte
     na-Virus verstärken.                          kurzfristig nicht in Sicht. Daher setzen
        Jetzt soll VPM 1002 in einer Studie an     Professor Dr. Rainer Blasczyk, Leiter des         Das medizinische Personal der MHH
     1.000 Menschen getestet werden, die be-       MHH-Instituts für Transfusionsmedizin,         mit Kontakt zu COVID-19-Patienten ist
     ruflich mit dem Corona-Virus in Kontakt       und Professor Dr. Axel Haverich, Direk-        einem besonderen Risiko ausgesetzt, sich
     kommen – Ärztinnen und Ärzte sowie das        tor der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-,         selbst mit dem Coronavirus zu infizieren.
     Personal im Pflege- und Rettungsdienst.       Transplantations- und Gefäßchirurgie, auf      Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
        „Im Idealfall verringert die Impfung       Blutplasma-Spenden von Genesenen. Die          ler aus der Klinik für Rheumatologie und
     die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu        haben nach überstandener Infektion mit         Immunologie um Professor Dr. Georg Beh-
     erkranken“, erklärt Professor Schindler.      dem Coronavirus verschiedene Antikörper        rens und Privatdozentin Dr. Alexandra Jab-
     Der Wirkstoff gelangt über das Blut in        gegen den Krankheitserreger im Blut. In        lonka untersuchen in der CoCo (COVID-
     die Lymphknoten und verändert dort die        einem gemeinsamen Projekt rekrutieren          19-Contact)-Studie, wie häufig es in den
     körpereigenen Abwehrzellen. Wenn dann         die MHH-Mediziner freiwillige Spender,         nächsten Monaten beim Personal in der
     Coronaviren die Lunge befallen, werden
     weiße Blutkörperchen aktiv. Die als Fress-
     und Killerzellen bekannten Immunzellen
     bekämpfen die Viren in der Lunge und
     hindern sie daran, sich zu vermehren –
     wenn alles gut läuft.
                                                     70 Länder beteiligt: Die MHH k
                                                     Die MHH beteiligt sich an der interna-        te, als MHH-Vizepräsident für das Ressort
     CureVac-Impfstoff im Test                       tionalen klinischen Studie „Solidarity“       Krankenversorgung. Die MHH koordiniert
                                                     (deutsch: Solidarität), die dazu beitra-      deutschlandweit die Durchführung an
        Geimpftes Klinikpersonal wäre zwar           gen soll, eine wirksame Behandlung für        den unterschiedlichen Standorten.
     nicht gegen Sars-CoV-2 immun, könnte            COVID-19 zu finden. Die Weltgesund-
     aber dank der auch gegen Virusinfek-            heitsorganisation (WHO) und Partner           Die Solidarity-Studie
     tionen gestärkten Abwehrzellen besser           haben die internationale klinische Studie
     geschützt sein. Kommt es doch zu einer          „Solidarity“ am 27. März initiiert, an der        Der Druck, den COVID-19 auf die Ge-
     Infektion, könnte die verbesserte ange-         sich über 70 Länder beteiligen. „In der       sundheitssysteme ausübt, hat die WHO
     borene unspezifische Immunantwort den           Studie wird die Wirkung von den der-          davon überzeugt, dass schnellstmöglich
     Verlauf der COVID-19-Symptome deutlich          zeit vier erfolgversprechendsten Wirk-        eine groß angelegte Studie durchgeführt
     abschwächen und sogar dann noch hel-            stoffkombinationen zur Behandlung von         werden muss. Während randomisierte
     fen, wenn sich das Coronavirus verändern        COVID-19-Patientinnen und -Patienten          klinische Studien normalerweise Jahre
     sollte. Die Wirkung des Immunboosters           untersucht, um ihre Wirksamkeit zu be-        dauern, um sie zu entwerfen und durch-
     VPM 1002 soll zunächst an vier Standor-         werten“, erklärt Professor Dr. Tobias Wel-    zuführen, soll die Solidarity-Studie den
     ten untersucht werden – neben dem CRC
2/2020                                                                                                                     DIE MHH ZU CORONA-ZEITEN 15

       Klinische Studien am CRC: Professor Schindler, die leitende Studienschwester Carola Westenberg und der Prüfarzt Dr. Marcus May (von rechts).

       Krankenversorgung tatsächlich zu einer             Seele leidet unter Lockdown                        barkeit und Aggression. Sorge bereitet
       Infektion mit SARS-CoV-2 kommt. Dafür                                                                 insbesondere, dass fünf Prozent der Teil-
       wird seit Mitte März ein Test eingesetzt,             Seit dem Auftreten der Corona-Pande-            nehmenden angaben, häusliche Gewalt
       der spezifische Antikörper gegen das neue          mie in China gab es bereits erste Hinweise         in den vergangenen vier Wochen erfahren
       Coronavirus misst.                                 zu den psychosozialen Auswirkungen der             zu haben.
          Die MHH war bundesweit eine der ers-            Pandemie. Das konnten Wissenschaftle-                  Die Erstauswertung bezieht sich auf
       ten Institutionen mit diesem Test. Erste Er-       rinnen und Wissenschaftler des Zentrums            den Zeitraum vom 1. bis zum 15. April und
       gebnisse nach drei Wochen zeigten, dass            für Seelische Gesundheit mit einer ersten          umfasst damit den Rahmen der schärfsten
       sich bei weniger als einem Prozent der             Auswertung einer am 1. April gestarte-             Lockdown-Maßnahmen in Deutschland.
       zunächst 180 getesteten Ärzte und Pfle-            ten Umfrage belegen. Sie sehen Belege              3.545 Freiwillige nahmen an der Studie
       gekräfte aus der klinischen Routine- und           für eine deutliche mentale Belastung mit           teil, das mittlere Alter lag bei 40 Jahren.
       Notfallversorgung Antikörper gegen das             einem Anstieg von Stress, Angst, depres-           Von den Befragten waren 83 Prozent
       Virus nachweisen ließen.                           siven Symptomen, Schlafproblemen, Reiz-            Frauen und 15,2 Prozent Männer.          kp

H koordiniert WHO-Studie für Deutschland
       Zeitaufwand um rund 80 Prozent redu-              digital aufgezeichnet. Welche Behand-               Die Zwischenstudienanalysen werden
       zieren.                                           lung er erhält oder ob er der Kontroll-           von einer unabhängigen Expertengruppe
           In die randomisierte Studie werden            gruppe zugeordnet wird, ermittelt ein             überwacht.
       erwachsene Patientinnen und Patienten             Computer nach dem Zufallsprinzip. In-
       aus mehreren Ländern eingeschlossen.              formationen zum Patienten werden nur              WHO warnt vor Medikation
       So soll eindeutig geklärt werden, ob eine         in der Randomisierungsphase und bei
       der Medikamentenkombinationen das                 Entlassung oder Tod des Patienten ge-                Solange keine ausreichenden Bewei-
       Fortschreiten der Krankheit verlangsamt           sammelt. Dabei werden folgende Daten              se vorliegen, warnt die WHO Ärztinnen
       oder das Überleben verbessert.                    erhoben:                                          und Ärzte, Patientinnen und Patienten
           Entsprechend neuen wissenschaft-              • Welche Studienmedikamente wurden                mit COVID-19 oder sich selbst mit diesen
       lichen Erkenntnissen werden Medika-                 wie viele Tage gegeben?                         Medikamenten zu behandeln. Denn de-
       mente aus der Studie entfernt oder neue           • Wurde er beatmet, lag er auf der Inten-         ren Wirkung ist noch nicht bewiesen, und
       Substanzen hinzugefügt.                             sivstation und wenn ja, wie lange?              so kann die Einnahme solcher Arzneimit-
           Stimmt ein Patient der Teilnahme an           • Entlassungsdatum oder Datum und To-             tel im schlimmsten Fall sogar ernsthafte
       der Studie zu, wird der Fall anonymisiert           desursache.                                     Schäden verursachen.                  cm
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