Kontraste - neues licHt Feel Good Zu Hause bei - wohndesign-enzmann.de

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                                           EXTRAdt
                                                 nstA
                                           desig    ki
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neues licHt
Led-Leuchten erobern unsere WohnZiMMer

Feel Good
dAs optiMALe büro

Zu Hause bei …
Artek-chefin Mirkku kuLLberg in berLin

                                                         DeutSchlanD: 4,50 €

Kontraste
                                                         eu-länDer: 5,50 €
                                                         Schweiz: 8,– Sfr
                                                         10. Jahrgang
                                                         Sommer 2014

Wie Wir in Zukunft Wohnen Werden

Wohnen + einrichten und Leben + Arbeiten
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kreativ
   planen
            beraten
                                         ausführen

          individuell
wohnen

          leben
                 Reutlingen:              Stuttgart:
                 Eberhardstraße 15        Eberhardstraße 35 - 37
                 72764 Reutlingen         70173 Stuttgart
                 Tel. 0 71 21/34 62 12    Tel. 0 711/51 88 93 40
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Standpunkt

                       Verschlafen Sie die
                       Zukunft nicht!
Bre Pettis             Der Siegeszug der Drei-D-Drucker in der Innenein-
ist der Gründer
                       richtungs- und Möbelbranche hat begonnen. Wir konnten
und CEO von
MakerBot, einem        beobachten, dass ganze Branchen sich MakerBots zulegten,
amerikanischen         um ihre Innovationszyklen mit Hilfe unserer Drei-D-Desk-
Start-up, das einen
                       top-Drucker zu beschleunigen. Die Anschaffung solcher
kostengünstigen
Drei-D-Desktop-        Geräte hilft ihnen, ihren Innovationszyklus von Wochen auf
Drucker entwickelt     Stunden zu verkürzen.
hat. Damit kann
man zu Hause
                           Ingenieure, Designer und Architekten müssen sich heute
selbst Dinge nicht     nicht mehr darauf beschränken, im Lebenszyklus eines
nur entwerfen,         Produkts einige wenige Prototypen herzustellen – mit
sondern auch
produzieren. Nach
                       Drei-D-Druckern können sie es täglich wieder und wieder
Pettis’ Überzeu-       tun. So können sie ihrer Kreativität beim Umsetzen neuer
gung verändert         Ideen hemmungslos freien Lauf lassen und nach Herzenslust
das die Art, wie wir
in Zukunft Dinge
                       experimentieren – mit umwerfenden Ergebnissen.
kaufen und verkau-         Im Produktdesign und in der Automobilbranche werden
fen, grundlegend.      Drei-D-Drucker bereits großflächig eingesetzt. Die einzelnen
                       Mitarbeiter eines Unternehmens werden mit Druckern
                       wie unseren MakerBots ausgerüstet, oder man stellt bis zu
                       100 davon in einen Raum, um so ein Innovationszentrum
                       zu schaffen, zu dem die gesamte Belegschaft Zutritt hat.
                       Dadurch verändert sich das Tempo, mit dem neue Produkte
                       kreiert und auf den Markt gebracht werden können.
                           In der Inneneinrichtungs- und Möbelbranche werden die
                       Early Adopters diejenigen sein, die wirtschaftlich am Ball
                       bleiben. Die Unternehmen, die als erste die neue Technologie
                       verwenden, sind Unternehmen mit Zukunft. Ihre Produkte
                       werden den Markt erobern. Wenn die Marktführer es versäu­­-
                       men, für ihren Innovationsprozess Drei-D-Drucker zu
                       nutzen, eröffnet das den kleinen Unternehmen, die diese
                       Geräte kurzfristig in ihre Entwicklung und Produktion
                       integrieren können, ungeahnte Möglichkeiten. Sie werden
                       die Spielregeln des Marktes neu definieren. Ich kann
                       jedem innovativen Unternehmen nur raten, diese neue
                       industrielle Revolution nicht zu verschlafen.

                       bre pettis
                       Amerikanischer Erfinder
                       und Unternehmer

                                                                                      3
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Inhalt

                                                           03 Standpunkt
                                                           	 Erfinder und Unternehmer
                                                              Bre Pettis sagt, warum Drei-D-
                                                              Druckern die Zukunft gehört

                                                           06    KONTRASTE
                                                                 Bilder wider die Eintönigkeit           36	
                                                                                                            Neues
                                                                                                          Licht
                                                           12    Trendscout                              	
                                                                                                          LED-Leuchten
                                                                                                             erobern unsere
                                                           14    Die besten gadgets                          Wohnzimmer

                                                           30Porträt:
                                                           	Konstantin Grcic
                                                                 Die Ideenwelt des Münchner Designers

                                                                                        42	
                                                                                           Der wert des Schönen
                                                                                        	 Kunsthändler Simon de Pury
                                                                                           spricht über Stil, Sammeln und
                                                                                           Designermöbel als Wertanlage

                                                                   erie:
                                                                  S
                                                                 35
                                                                  Die Klassiker
                                                                 	
                                                                  Was den Barcelona
                                                                      Chair so besonders
                                                                      macht
     Home-Story

16   zu Besuch bei …
     

     Mirkku Kullberg
	Die Artek-Chefin hat sich in Berlin eine großzügige
  Wohnung ganz im Stil des Hauses eingerichtet                                       DesignStadt

                                                                                   Visite in
                                                                                   Helsinki
                                                                                            24

                                                           45	
                                                              Jubiläumsedition LC2
                                                              Impressum, Fotonachweise

                                                           54	
                                                              Feel Good!
                                                              Das brauchen Sie für einen optimalen Arbeitsplatz

                                                           60	
                                                              Wie wir wohnen würden…
                Lebenswelten                                  Die Berliner Designer von ett la benn zeigen

                S o
                  werden wir in                               ihre Wunscheinrichtung
           46
                Zukunft leben                              65	
                                                              Famous Chairs
                                                              Sean Connery und der Up5 Chair von Gaetano Pesce

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Versteckspiel
Ist das türkischer Honig? Nein, Marmoreal!
Vier italienische Marmorarten vereinen sich mit
einem Polyester-Kunstharz zu diesem „Gestein“.
Es ist gröber und zugleich flexibler als Terrazzo.
Der britische Designer Max Lamb macht daraus
für die Marke Dzek Möbel in zurückhaltender
Formensprache. Auf dem Salone de Mobile sorgte
diese Installation für Aufsehen. Doch wohnen
wollten wir so Ton in Ton sicher nicht. Uns
fehlten die Kontraste.

www.dzekdzekdzek.com

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Ressort
                                              Kontraste
                                                   Blindtext
                                             der klassiker

    Collage auf Weiss
    Der Möbelhersteller Vitra und das Interview-
    Magazin „Freunde von Freunden“ haben in der
    Mulackstraße in Berlin ein Apartment eingerichtet.
    Hier bleibt unser Blick am großen Holztisch hängen –
    weil er umgeben ist von verschiedenen Klassikern.
    Von einer kreativen Konstellation mit Kontrasten.
    Weitere Zutaten für einen gelungenen Wohn-
    Mix: Bücherstapel auf dem Eames Occasional Table,
    lässig an die Wand gelehnte Fotografien.

    WWW.vitra.com

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Ressort Blindtext
  der klassiker

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Kontraste

            Wolkenmacher
            Was macht die Wolke da? Warum ist das
            Draußen plötzlich drinnen? Weil der nieder­
            ländische Künstler Berndnaut Smilde hier, im
            Green Room des War Memorial & Performing
            Arts Center in San Francisco, mit einer nur
            ihm bekannten Technik diese Wolke produziert
            hat. Sie entsteht aus dem Nichts, steigt anmutig
            in die Höhe, verweilt einen kurzen Augenblick
            und löst sich im nächsten Moment wieder auf.
            Ein Kunst-Happening, das unser Raumgefühl
            auf den Kopf stellt – und mit Gegensätzen spielt.

            WWW.Berndnaut.NL
            Berndnaut Smilde is represented internationally
            by Ronchini Gallery, ronchinigallery.com

                                                                11
Trendscout
                                                             News

                                                          Innermost

                           Sofa oder Gemälde?
             Eines der schrägsten Möbelstücke beim Salone              Gestell und ist mit einer Leinwand bespannt, auf
             del Mobile 2014 hat das Designstudio Yoy aus              der ein Sessel oder ein Sofa zu sehen ist. Wer sich
             Tokio für Innermost kreiert: Mit dem Canvas Chair         mutig hineinsinken lässt, wird durch den elasti-
             haben die jungen Japaner ein Gemälde entwickelt,          schen Überzug gestützt. Und schwups sitzt man
             auf dem man sitzen kann. Oder ist es ein Sitz­            im Gemälde. Für Kunstliebhaber – oder alle, die
             möbel, das man an die Wand hängen kann? Fakt              einfach gern hübsch sitzen.
             ist: Das Werk besteht aus einem Holz-Aluminium-           www.yoy-idea.jp/works/canvas

                                                                                     Blog

     Solid Wool
     Nachhaltig
                                                                                     USM und ich
     sitzen
                                                                                     Schon in seiner Ausbildung zum Tischler
                                                                                     entdeckte er USM-Möbel für sich – konnte sie aber
                                                                                     nicht bezahlen. Umso mehr freut sich Michael
                                                                                     Kuhn, Head of Communication des Architektur­
                                                                                     büros von Gerkan, Marg und Partner, dass bei
                                                                                     seinem Arbeitgeber nun „nur USM“ steht. Der neue
                                                                                     Blog www.personalities-by-usm.com porträ-
                                                                                     tiert Menschen aus den Bereichen Mode, Architek-
                                                                                     tur, Lifestyle, Design, Kunst und Kultur, die sich
                                                                                     für Möbel von USM entschieden haben. Sie nutzen
                                                                                     diese Möbel privat oder im Büro, in ihrem Loft in
Ein Produktdesigner, ein Hotel im englischen                                         der Stadt oder Haus auf dem Land. Die USM-Stücke
Dartmoor-Nationalpark und jede Menge Schafe. In                                      sind gerade erst erworben oder seit Jahrzehnten in
dieser Szenerie entstand 2012 der Hembury-Stuhl                                      Familienbesitz. Der neue USM-Blog erzählt ihre
von Solidwool, ein durch den Eames Plastic Side                                      Geschichte und die ihrer Besitzer.
Chair inspiriertes Sitzmöbel – aber ohne Kunst-
stoff. Denn Justin Floyd entwickelte als Hommage    Justin Floyd
an seine Umgebung eine Sitzfläche aus Wolle.        macht aus grober
                                                    Schafwolle
Bequem, weil die Fläche flexibel ist. Nachhaltig,   stabile Stühle
weil der Rohstoff nachwächst. Als Bindemittel
verwendet Floyd Bioharze. Zum ökologischen
Konzept gehört auch, dass Solidwool die Wolle
von Händlern der Region bezieht und die Stahl-
beinrahmen in England von Hand fertigen lässt.
www.solidwool.com

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Trendscout
                                         News

                     MINIKI

                    Klappe zu!                     Dieses scheinbar schwebende
                                                   Sideboard hat es in sich: In seinem
                                                   Inneren versteckt sich eine Küchen­
                                                   zeile. Die kann mit bis zu sechs Koch-
                                                   zonen, Spülmaschine, Backofen und
                                                   Kühlschrank ausgestattet werden.
                                                   Das Modulprogramm Miniki, mit dem
                                                   reddot design award ausgezeichnet, ist
                                                   für all diejenigen entwickelt worden,
                                                   die ihre Küche gerne mal verschwin­
                                                   den lassen möchten. Und die sich
                                                   kreativ austoben wollen. Denn bei
                                                   Miniki kann man aus verschiedenen
                                                   Farben wählen. Innen pink, außen
                                                   violett, innen hellgrün, außen
                                                   „Cho­co­late“, innen rosa, außen
                                                   „Asphalt“: keine leichte Entscheidung.
                                                   Immerhin hat man beim Material
                                                   nicht die Qual der Wahl. Miniki
                                                   besteht komplett aus heimischer Birke
                                                   (Multiplex-Vollholz) aus nachhaltiger
                                                   Produktion und ist stoß- und kratzfest
                                                   beschichtet. Die Küche wird mit
                                                   großer Sorgfalt per Hand gefertigt –
                                                   „handmade in Germany with love“!
                                                   www.miniki.eu

DS - 904
Design x Braun Maniatis Kirn Design                                       www.desede.ch

                                                                                        13
Bestseller

                                                                       Dekoration

                                         Schönes
                                                                                                                                                            06

                                          kleines
                                               Der Reiz liegt im Detail. Sorgfältig ausgewählte
                                                und liebevoll arrangierte Accessoires machen
                                                    das Wohnen zum sinnlichen Genuss
                    02

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                              04                                                                  05

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      01 Kerzenhalter: HAY, Lup Triangle Copper, 29 € 02 Gedeck: WRONG FOR HAY, WH Mediums, 141 € (wie abgebildet) 03 Etagere: Vitra, Rotary Tray by
            Jasper Morrison, 46 € 04 Tablett: HAY, Kaleido Set XS–XL, 163 € (wie abgebildet) 05 Glasvase: Muuto, Elevated by Thomas Bentzen, 99 €
     06 Handtücher: HAY, S&B Hanging Grid Tea Towel, 2er-Set, 52  ×  75 cm, 19 € 07 Tablett: Vitra, Classic Tray Mother & Child, 56 € 08 Tablett: e15, CM04 ITO,
                    31  ×  31 cm ab 119 €, 09 Decke: HAY, Baby Dot 125  ×  175 cm, 86 € 10 Schale: e15, AC12 PEN, Holz ab 95 €, Messing ab 452 €
           11 Sitzkissen: HAY, Antique Quilt Ottoman, ab 413 € 12 Kissen: Vitra, Maharam Vases Berry by Hella Jongerius, 40  ×  40 cm, 170 €; 55  ×  55 cm,
                               208 € 13 Beistelltische: e15, CM05 HABIBI, ab 845 € 14 Korb: Muuto, Restore Basket by Mika Tolvanen, 79 €

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Listen to Montana
Montana Hi-Fi besteht aus der Montana Sound Unit, die ein 2 x 100 W Verstärker und Radio ist –
und die über AirPlay und DLNA drahtlos Musik streamt und abspielt. Das Ganze lässt sich mit der
Fernbedienung und über eine App für das iPhone steuern. Die Montana Sound Unit wird mit drei
Größen von Lautsprechern in small, medium und large verbunden, die in Regalelemente der Tiefe
30 cm, 38 cm und 46,8 cm eingebaut werden.
Design Peter J. Lassen
ZU Besuch bei … Mirkku Kullberg

„Ich
brauche
meine
Ruhe“
2009 suchte sich Mirkku Kullberg eine Wohnung in Berlin.
Ruhig sollte sie sein und groß genug, um der Sammelleiden-
schaft und Gastfreundschaft der Artek-Chefin gerecht zu
werden. Dass sie ein wenig abseits der hippen Stadtteile liegt,
hat in ihren Augen nur Vorteile. Ein Hausbesuch

Text: Marie-Sophie Müller

A
                ls Mirkku Kullberg be-
                schloss, von Helsinki
                nach Berlin umzusie-
                deln, zog es sie in den
                Westen. Aber nicht et-
wa nach Schöneberg oder in die Ge-
gend rund um den Savignyplatz, die
jüngst eine Renaissance erlebt, son-
dern noch ein ganzes Stückchen wei-
ter raus, dorthin, wo es so aussieht, als
                                                                  Esszimmer
sei die Zeit in den 80er Jahren stehen-                           Der Teewagen
geblieben: an den Theodor-Heuss-                                  900 von Artek
Platz, Charlottenburgs sogenanntes                                steht vor einem
                                                                  großformatigen
West­end. „Ich bin 150 Tage im Jahr                               Werk von Kull-
unterwegs, da brauche ich ein Zuhau-                              bergs Mann Ola
se, in dem ich wirklich entspannen                                Kolehmainen.
                                                                  Am Kopfende
kann und meine Ruhe habe“, erklärt
                                                                  des Esstisches
Mirkku Kullberg, als ich mit ihr zu-                              aus zusam-
sammen einige Stockwerke in einem                                 mengeleimten
                                                                  Holzresten
alten Aufzug hinauf zu ihrer Wohnung
                                                                  nimmt man auf
fahre. Natürlich ist mein Besuch nicht                            dem Panton
ihr erster Termin des Tages, auch                                 Chair Platz

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Mirkku Kullberg

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      Mirkku Kullberg

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                                                                                                                     03

 02

wenn es noch Vormittag ist. Mirkku
Kullberg ist eine vielbeschäftigte Frau,
die trotzdem nie so wirkt, als sei sie
gestresst. Vielleicht ist das die nordi-
sche Gelassenheit, die sie aus Helsin-
ki mitgebracht hat.
   Seit 2005 ist die 51-Jährige Mana-
ging Director von Artek, dem 1935 von
Alvar und Aino Aalto, Maire Gullich-
sen und Nils-Gustav Hahl gegründe-
ten Möbelunternehmen. Dessen in­
ter­
   nationales Büro ist mittlerweile in
Ber­lin im alten Tagesspiegel-Gebäude
an der Potsdamer Straße zu Hause. In
Kullbergs Esszimmer erinnert Alvar
Aaltos Paimio-Armsessel 41 in leuch­
ten­dem Petrolblau an ihr erstes Jahr
bei dem finnischen Traditionshaus.
„Es war ein Skandal! Aaltos Klas­  siker
in ungewohnten Farben, das empfan-
den die Finnen als Affront. Ich musste
mich sogar im Staats­fernsehen recht-
                                           01
fertigen“, erzählt sie. So blieb es bei    Einzelstück
einem bunten Prototyp, der in die          Den Sessel 41 in Petrol „rettete“
                                           Kullberg aus dem Artek-Lager –
hinterste Ecke des Lagerhauses ge­
­
                                           niemand wollte ihn
schoben wurde. Irgendwann entdeck-                                                     „Es war ein Skandal! Aaltos
te Kullberg ihn dort und fragte, ob sie    02
                                           Zebraprint                                   Klassiker in ungewohnten
ihn kaufen könne. „Der Mann im
Lager sagte, er sei froh, wenn er ihn
                                           Alvar Aaltos gepolsterter Arm-
                                           sessel 400 aus dem Jahr 1936
                                                                                        Farben, das empfanden die
nicht länger anschauen müsse“, lacht       im Wohnzimmer                                Finnen als Affront“
Kullberg und wirft ihrem Einzelstück
                                           03
einen liebevollen Blick zu.                Filigranes Design                           Mirkku Kullberg
   Alvar Aaltos Handschrift ist in bei-    Lesen im Clubsessel
nah jedem Zimmer der 320 Quadrat-          Mademoiselle, Design
                                           Ilmari Tapiovaara, 1956
meter großen Altbauwohnung zu fin­
den. Im Entree steht seine Leuchte
A805, ein Entwurf aus dem Jahr 1954,
im Arbeitszimmer Tische und Hocker
und im Wohnzimmer der gepolsterte

                                                                                                                          19
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                                                                       Mirkku Kullberg

              01
              Bücher überall
              Auf den Fensterbänken, Tischen
              und im Regal stapelt Kullberg
              Kunst- und Architekturbände

              02
              Arbeiten vis-à-vis
              Die Tische von Alvar Aalto sind
              in der Gruppe inszeniert – viel
              Platz für Kullberg, ihren Mann Ola
              Kolehmainen und, nun ja, Bücher

Armsessel 400 aus dem Jahr 1936 mit
Ze­­
   braprint. Die finnische Architektur-
Iko­ne spielt nicht erst seit Artek eine
Rolle in Kullbergs Leben. Ihren Mann,
den Künstler Ola Kolehmainen, lernte
sie kennen, als er ein Aalto-Gebäude
fo­
  tografierte. Kolehmainen beschäf-
tigt sich in seinen Arbeiten mit Bau-
werken der europäischen Moderne,
spielt mit Spiegelungen auf Fassaden­,
Lichtachsen und archi­tek­tonischen
Strukturen. Viele der großformatigen,
minimalistischen Wer­  ke an den Wän-
den stammen von ihm.

Möbel, die Geschichten erzählen
                                                                                                                                                    02
Wir sitzen im Esszimmer an einem
langen, aus zusammengeleimten
Holzresten aufgebauten Tisch des
Niederländers Piet Hein Eek, dessen                Mirkku             auf den Markt gekommen ist. 2006,          zusetzen, was es ausmacht, und das
Oberfläche mit einem hochglänzen-                  Kullberg           erzählt sie, war Artek nicht in der La-    sind in Arteks Fall Möbel, deren De-
                                                   1962 geboren,
den weißen Lack überzogen ist. Er ist              studierte sie      ge, Neuheiten zu präsentieren. „Dann       sign und Qualität auch nach 80 Jahren
umringt von zwei Panton Chairs aus                 International      lass uns eben richtig alte Sachen zei-     noch funktionieren. Wie ließe sich
Fiberglas und einer Reihe alter Tho-               Business und       gen“, dachte sie sich und kaufte in        das besser zeigen als an Stücken, die
                                                   graduierte
net-Freischwinger. „Ich brauchte ei-               zudem in Inter-    großem Stil gebrauchte Hocker, Ti-         schon ein paar Generationen Schüler-
nen Tisch mit Substanz und Gewicht.                national Design    sche, Stühle – einfach alles, was sie an   hintern getragen haben.
Die Stühle haben wir auf einem Floh-               Business           altem Artek-Mobiliar auf eBay, Schul-         Dass Mirkku Kullberg lieber alte
                                                   Management
markt gefunden und wollten sie zu-                 IDBM am Lahti      speichern, Kleinanzeigen und Märk-         statt neue Dinge kauft, hat in der Fa-
erst restaurieren lassen, aber dann                Institute of       ten finden konnte. So erfand man die       milie auch schon für Verwirrung ge-
fand ich, dass ihre abgelebte Oberflä-             Design.            „Second Cycle“-Linie, die mitt­ lerweile   sorgt. Sie zeigt auf einen marok­    ka­
                                                   Seit 2005 ist
che einen spannenden Kontrapunkt                   sie Geschäfts-
                                                                      in Helsinki in einem eigenen Laden         nischen Teppich, der im Wohnzimmer
zum hochglänzenden Lack des Tischs                 führerin           verkauft wird und auch im neuen            vor einem Kamin aus rötlichem Mar-
darstellt“, erzählt Kullberg.                      von Artek         ­Vi­­tra-&-Artek-Shop im Bikini-Haus in     mor liegt. „Das ist ein Teppich aus den
   Sie ist eine leidenschaftliche Samm-                              Berlin erhältlich ist.                      60er Jahren, den ich aus dem Artek-
lerin, durchstreift Flohmärkte und Lä-                                     „Nachhaltigkeit als Haltung“ wur-     Lagerhaus habe. Als er angeliefert
den nach Büchern, Glaswaren, Texti­                                  de bei Artek sozusagen aus der Not          wur­­­de, war ich wieder einmal auf Rei-
lien und Möbeln. Ein Möbel, das eine                                 geboren, aber oft sind es eben diese        sen und bekam irgendwann einen An-
Geschichte erzählt, ist für sie immer                                Si­tua­tio­nen, die ein Unternehmen         ruf von meiner damals noch kleinen
spannender als etwas, das gerade erst                                 zwingen, sich mit dem auseinander-         Tochter, die mir schonend beizubrin-

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Home Story
     Mirkku Kullberg

01

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Home Story
     Mirkku Kullberg

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Home Story
                               Mirkku Kullberg

Lieber alt als
neu Kullberg
sucht Möbel,
die eine
Geschichte
erzählen wie der
marokkanische
Teppich aus
den 60ern
                      „Ich mag Brüche.
                    hier in der Wohnung
                      hat jedes Zimmer
                    eine andere Parkett-
                     struktur, auch das
                     macht sie für mich
                        so besonders“

                               Mirkku Kullberg
                                                                                         Designkatalog für Bürointerieur
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gen versuchte, dass der neue Teppich       prallen. „Der Charme dieser Stadt ent-
                                                                                         06078/758500, per Fax unter
Löcher hatte“, lacht sie. Längst haben     steht auch durch das Fehlerhafte in           06078/758 555 oder per Mail an
sich beide Töchter von der Sammel-         der Stadtarchitektur, es gibt keine Ste-      katalog@cairo.de mit dem Code 253.
wut ihrer Mutter anstecken lassen –        reotype, es ist sehr unhomogen“, ihr
die eine hat sich seit einigen Jahren zu   Blick fällt auf den Parkettboden „Ich
einer wahren Glasspezialistin gemau-       mag Brüche. Sehen Sie: Hier in der            Firma
sert, so dass die Mutter ihr das Terrain   Wohnung hat jedes Zimmer eine an-
inzwischen ganz überlassen hat.            dere Parkettstruktur, auch das macht
                                                                                         Name
                                           sie für mich so besonders.“
Der Charme des Fehlerhaften                   Und wie lässt sich im Vergleich zu
Erstausgaben von Gertrude Stein und        Berlin Helsinki beschreiben? „Helsin-         Straße
Publikationen von Autorenverbän-           ki ist eine Stadt der Straßen, die man
den vom Beginn des 20. Jahrhunderts        zu Fuß durchkreuzen kann. Die Stadt           PLZ/Ort
verraten Kullbergs Faible für das ge-      ist so klein, dass man irgendwann je-
schriebene Wort, Poster und Kataloge       den zu kennen glaubt. Die Schönheit
von Künstlern wie Ellsworth Kelly ihre     von Helsinki entsteht durch die Ver-          E-Mail
Liebe für Farbflächen und grafische        mengung einer russischen und einer
Strukturen. Auf dem Kaminsims, den         skandinavischen Identität. Und natür-        *Angebote nur für Handel und Freiberufler
Tischen und Fensterbänken – überall        lich besteht der besondere Reiz der
stapeln sich Bücher. „Hier in Berlin       Stadt darin, dass sie am Meer liegt.“
bewahre ich inzwischen nur noch die           Die inzwischen erwachsenen Töch-
Kunst- und Architekturbände auf, wir       ter sind in Helsinki geblieben, ihnen
bauen an einem Wochenendhaus in            liegt nichts an einem umtriebigen Le-
Helsinki, dort wird es dann eine rich­     ben, wie ihre Mutter es führt. Doch in       Heute bestellt –
ti­ge Bibliothek geben“, erzählt sie. Im
Ar­­beits­zimmer stehen die Schreib­
                                           der Berliner Wohnung gibt es genü-
                                           gend Platz für Besuch, der gern auch
                                                                                        morgen geliefert
tische des Paars einander gegenüber,       etwas länger bleiben darf. „Mir ist es
da­­zwi­schen ein Fenster, das den Blick   wichtig, dass unsere Wohnung sich
auf den Theodor-Heuss-Platz freigibt.      wie ein Zuhause anfühlt und nicht wie
„Die Wühlmäuse – Didi Hallervordens        ein Repräsentationsort!“, so Kullberg.
Kabaretttheater“ ist auf dem Dach des         Die Finnin ist gern Gastgeberin. Ir-
im Stil der Neuen Sachlichkeit erbau-      gendwann, erzählt sie, stellte sie fest,
ten Amerika-Hauses am Südrand des          dass die ungewöhnliche Lage ihrer
Platzes zu lesen, ein paar Meter höher     Wohnung für gesellige Abende nur
prangt in riesiger Leuchtschrift der       Vorteile bietet: „Das Tolle ist – hier ist
Name eines Elektronikhandels.              rein gar nichts in der Nähe, was die
    Kullberg mag an Berlin, dass es so     Gäste verführen könnte, am selben
viele verschiedene Identitäten hat, die    Abend noch den Ort zu wechseln. Also
gelegentlich sehr direkt aufeinander-      bleiben sie einfach.“

                                                                                                                 cairo.de       23
Reise
                        Der Design-Trip

                           Helsinki

      Die Stadt
      des guten
     Geschmacks
        Artek-Möbel, Marimekko-Stoffe, Iittala-Geschirr:
       Viele der Dinge, die unseren Alltag schöner machen,
        kommen aus Finnland. Helsinki ist seit langem die
      Hochburg modernen Designs. Hier können Sie sich auf
         die Spuren legendärer Gestalter wie Alvar Aalto
          und Kaj Franck begeben – und Newcomer im
                    Design-District entdecken

                         Text: Maike Seifert

                                                             01

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Reise
                                                             Der Design-Trip

             01
             Das Treppen-
             haus im Kiasma
             Der Amerikaner
             Steven Holl
             entwarf das neue
             Museum für
             moderne Kunst

             02
             Kapelle der
             Stille
             So sieht
             finnische
             Holzarchitektur
             heute aus

             03
             Stadt am Wasser
             Helsinki ist vom
             Meer umschlos-
             sen. Zum Wasser
             ist es nie weit

                                02

                                                                                                                    03

T
           iilimäki 20 in Munkkiniemi:     Jahr 1937 einfach alles gestaltet hat: die
           eine Adresse, die man sich,     Decken und Wände, die Möbel und
           wenn schon nicht merken,        Lampen, das Besteck, Gläser und die
           dann doch notieren sollte.      berühmte gleichnamige Vase. Die Ge-
           Denn hier, in einem Vorort      richte auf der Speisekarte stehen dem
Helsinkis, befindet sich das Studio von    Ambiente in nichts nach. Küchenchef
Alvar Aalto. Und wo könnte eine Reise      Kari Aihinen gilt als Wegbereiter der
durch die Design-Metropole Helsinki        modernen finnischen Küche. Er ser-
besser beginnen als am Schaffensort        viert Kompositionen wie getrüffeltes
des wichtigsten Architekten und Mö-        Tatar vom Kalbsfilet mit Kohl-Mayon-
beldesigners des Landes? 1955 entwarf      naise oder im Ganzen gebratene Wach-
er das Gebäude. Die weiß verputzte Fas-    tel an Kerbelpüree und Fenchelkom-
sade zeigt sich zur Straße hin fast ge-    pott. „Our goal is simply to make you
schlossen. Doch nach innen öffnet sich     feel good“, so sein Motto.
das Studio zu einem abfallenden Hof –
einem Amphitheater, in dem die Mitar-      Ein Haus, klar wie ein Eisberg
beiter auf flachen Stufen Platz nahmen     Gerade einmal eineinhalb Kilometer
und den „Slideshows“ zuschauten, die       entfernt steht das größte Bauwerk Aal-
ihr Chef auf die Wand projizierte. Heu-    tos in Helsinki: die Finlandia-Halle aus     „Our goal is
te ist die Alvar Aalto Foundation in dem   den frühen 1970er Jahren. Das riesige         simply to make you
ehemaligen Architekturbüro unterge-        mit Carrara-Marmor ummantelte Ge-
bracht. Besucher können mittags im         bäude wirkt wie ein die Töölöbucht            feel good“
Rahmen einer Führung durch das lich-       überblickender Eisberg. In seinem In-
te Zeichenstudio wandeln und das           neren gibt es einen Kongressflügel so-       Kari aihinen, Küchenchef im Savoy
stimmige Arrangement der Aalto-Mö-         wie Konzertsäle. Weil es für sie eigent-
bel und -Leuchten bewundern. Am            lich keine Verwendung mehr gibt,
Abend gehen sie dann vielleicht ins Sa-    muss sich der Aalto-Bau neu erfinden.
voy. Ein Restaurant, in dem Aalto im       Denn gleich nebenan haben die Hel-

                                                                                                                            25
Reise
                                                             Der Design-Trip

sinkier vor wenigen Jahren ein neues       2012, als Helsinki Design-Hauptstadt        01
                                                                                       Glas und
Haus der Musik eröffnet. Mit seiner        war, wurde sie auf dem Narinkka-Platz       Scheren
grünen Kupferfassade und den großen        als Ort des Rückzugs eröffnet. Gottes-      Im Fiskars-
Glasflächen fügt es sich in die Nachbar-   dienste oder vergleichbare Zeremoni-        Showroom
                                                                                       werden die
schaft ein, ohne sich zu verstecken. Die   en gibts hier nicht. Nur Ruhe. Auch         Produkte außer-
Stadt, die vor der Aalto-Ära vor allem     die Holzarchitektur strahlt Ruhe aus.       gewöhnlich in
vom neo-klassizistischen Architekten       Die Innenwände bestehen aus dicken,         Szene gesetzt
Carl Ludwig Engel und dem Jugendstil-      geölten Erlenplanken. Und die ge-
Baumeister Eliel Saarinen geprägt wur-     krümmte Holzfassade sieht aus, als
de, hat insbesondere in den finanzstar-    sei sie von vorbeiströmenden Passan-
ken Nokia-Jahren eine Reihe solch          ten geschliffen worden.
aufsehenerregender moderner Bau-
werke errichtet.                           Alltägliche Schönheit
   Sehenswert ist zum Beispiel auch        Mit frischem Shopping- und Sightsee-
das Museum für moderne Kunst, das          ing-Elan gehts weiter in den Bookstore
Kiasma. Der amerikanische Architekt        vom Kaufhaus Stockmann. Der Archi-
Steven Holl hat es so außergewöhnlich      tekt: Aalto. 1969 errichtete er die außen
erdacht, dass für die gerundete Kon­       recht dunkel wirkende akademische
struk­tion eigens ein Schiffbau­   inge­   Buchhandlung, die in ihrem Inneren
nieur verpflichtet werden musste.          mit einem hellen Atrium überrascht.
   Eines der größten Bauvorhaben in        Vom Café Aalto aus kann man es über-
der finnischen Geschichte wurde 2005
fertiggestellt: Das Shopping-Center
Kamppi hat vor allem eine Menge un-                                                                      01
ter sich – nämlich zwei unterirdische                „Die Armee der
Busbahnhöfe mit 55 Bussteigen. Täg-                  vergoldeten Teller
lich steigen hier 200 000 Menschen
aus, ein und um.                                     zerbrechen!“
   Wer sich von den vielen Menschen
im Kamppi-Center erholen möchte,                      Kaj Franck, Arabia-Designer
kann das in der Kapelle der Stille tun.

 02

26
Reise
                                               Der Design-Trip

                                                                                           Mirkku Kullbergs
                                                                                           Insider-Tipps
                                                                                           Die Lieblingsorte der Artek-Chefin

                                                                                           1. Sightseeing
                                                                                               Helsinki muss man vom Wasser aus gesehen haben.
                                                                                               Besonders schön: Eine Bootstour zur historischen
                                                                                               Seefestung Suomenlinna. Architektonisches
                                                                                               Highlight ist (neben der Finlandia-Halle und dem
                                                                                               Aalto-Studio) der Hauptbahnhof von Eliel Saarinen.
                                                                                               www.visithelsinki.fi

                                                                                           2. Shopping
                                                                                  04           Unbedingt die Gegend rund um die Uudenmaan-
                                                                                               katu erkunden! Ausgefallene Mode gibts bei Ivana,
                                                                                               Designermöbel im Aero Store und bei Artek 2nd
                                                                                               Cycle ganz in der Nähe. Wer alte Bücher liebt, wird
                                                                                               bei Hagelstam und Laterna Magica fündig.
                                                                                               www.ivanahelsinki.com
                                                                                               www.aerodesignfurniture.fi
                                                                                               2ndcycle.artek.fi
                                                                                               www.hagelstam.fi
                                                                                               www.laterna.net

                                                                                           3. Essen und Trinken
                                                                                               Ein perfekter Samstagmorgen beginnt in der
                                                                                               Markthalle Hakaniemi, Hämeentie 1a. Auf jeden
                                                                                               Fall eine Fischsuppe essen! Mein Lieblingscafé ist
                                   03                                                          das Regatta (Merikannontie 10) unweit des Eila-
                                                                                               Sibelius-Monuments, das rund um die Uhr geöffnet
                                                                                               hat. Auch gut: das klassische Café Ekberg und
                                                                                               das TinTin Tango. Im Künstlertreff Sea Horse gibts
                                                                                               den besten gegrillten Hering der Stadt. Außerdem
blicken. Doch noch empfehlenswerter                                                            esse ich gerne im Elite, im Kosmos und im Kuurna.
ist eine Kaffeepause im neuen Star-                                                            Im Putte’s ist die Pizza absolut empfehlenswert.
bucks im gleichen Gebäude. Ja: Star-                                                           www.cafeekberg.fi
                                                                                               www.tintintango.info
bucks! Diese Filiale sieht nämlich nicht                                                       www.seahorse.fi
so aus wie überall sonst auf der Welt.                                                         www.elite.fi
Sie ist mit ausgewählten finnischen                                                            www.kosmos.fi
                                                                                               www.kuurna.fi
Design-Klassikern ausgestattet, viele                                                          www.puttes.fi
von der Firma Artek.
   Ohnehin wird man in den meisten                                                         4. Kunst
                                           02              03             04                   Ein Besuch im EMMA (Museum für moderne
Cafés der Stadt auf Klassiker treffen –    Finlandia-      Einfach        Starbucks,           Kunst) lohnt sich immer. Im Ateneum läuft noch
und aus einem Iittala-Glas trinken         Halle Viel-     überzeugend!   mal anders           bis zum 7.9.2014 eine Tove-Jansson-Ausstellung.
                                           leicht eines    Schlichtes     Stilvolle
oder an einem Marimekko-Kissen leh-                                                            Die Schriftstellerin und Zeichnerin gehört einfach
                                           der schönsten   Geschirr aus   Kaffeepause im       zur finnischen DNA! Kunstliebhaber müssen in
nen. Die finnischen Designer haben         Gebäude aus     dem Hause      Bookstore von        der Galerie Forsblom vorbeischauen.
sich vorwiegend auf Alltagsgegenstän-      den 1970ern     Arabia         Stockmann            www.emma.museum
de konzentriert, um das Leben mög-                                                             www.ateneum.fi
                                                                                               www.galerieforsblom.com
lichst vieler Menschen schöner zu ma-
chen. Dafür steht vor allem die Firma                                                      5. K
                                                                                               ultur
Arabia. Deren Designer Kaj Franck ge-                                                         Kommen Sie im August! Denn dann sind die
staltete 1952 das schlichte Geschirr                                                          Helsinki-Festival-Wochen. Im Huvila-
                                                                                              Festival-Zelt finden Konzerte statt, in vielen Re­
Teema (heute unter dem Label Iittala                                                           staurants Tanz-Performances und Lesungen.
erhältlich) und verbannte damit das                                                           www.helsinginjuhlaviikot.fi

                                                                                                                                                   27
Reise
                                                       Der Design-Trip

  01

                                                                           02

                                                                         01               02                 03
                                                                         Hocker 60        Colour-Blocking    Aalto-Studio
                                                                         Alvar Aalto      bei Marimekko      Architekturbüro
                                                                         gestaltete den   Der Flagship-      mit Amphi-
                                                                         Dreibeiner vor   Store ist in der   theater für
                                                                         über 80 Jahren   Pohjoisesplanadi   „Slideshows“

                                                                         bis dato meist üppig dekorierte Ge­
                                                                         schirr aus fast allen Haushalten des
                                                                         Landes. „Gibt es nichts, was wir gegen
                                                                         diese Armee an vergoldeten Tellern tun
                                                                         können? Nun ja, zerbrechen!“, soll er
                                                                         damals gesagt haben.

                                                                         Von der Fabrik ins Design-District
                                                                         Seine Wirkungsstätte, die Keramik­
                                                                         fabrik Arabia im Nordosten Helsinkis,
                                                                         ist schon von weitem zu erkennen.
                                                                         Der Schlot ragt hoch in den Him­
                                                                         mel. Heute sind in dem Gebäude die
                                                                         Aalto-Universität, ein Arabia-Museum
315                                                                      und ein Factory-Shop der Marke un­
Inseln gehören zum Stadtgebiet von Helsinki                              tergebracht. In der Nachbarschaft ist
und 123 Kilometer Küste                                                  das neue Stadtquartier Arabianranta
                                                                         entstanden. Arabia wurde ebenso wie
9000000 M³                                                               die Glashütte Iittala vor einiger Zeit
beträgt das Gesamtvolumen der unterirdischen                             vom Unternehmen Fiskars übernom­
Bauten, die in Helsinki bis 2020 geschaffen werden.                      men. Es inszeniert Produkte aller drei
Schon heute gibt es viele Tunnel, Einkaufsstraßen                        Marken auf sehr sehenswerte Art im
und sogar ein Schwimmbad unter der Stadt              03
                                                                         Fiskars-Pavillon in Arabianranta. Tee­
                                                                         lichte werden zu Farb­    installationen,
+5 °C                                                                    Werkzeuge zu Skulpturen, Bestecke zu
ist die Durchschnittstemperatur, im Juni ist es
                                                                         Kunst­arrange­ments.
mit 21,7 °C am wärmsten, im Januar mit –10,4 °C
am kältesten                                                                Die junge Designergeneration setzt
                                                                         wie Kaj Franck nach wie vor auf Mini­
1 Milliarde €                                                            malismus und auf die Materialien Holz,
                                                                         Glas und Papier. Ihre Arbeiten findet
Umsatz hat das Unternehmen Fiskars bisher mit einer
Schere gemacht. Unverkennbares Markenzeichen des                         man vor allem im Design-District west­
Schneidwerkzeug-Klassikers: der orangefarbene Griff                      lich der Innenstadt. In den 1990er Jah­

28
Reise
                                                                   Der Design-Trip

                                                                                     04

ren zogen die ersten Kreativen in diese                                                   Tradition im Trend
Gegend mit ihrem eher rauen Charme –                                                      Stylish sind auch die Bars des Viertels.
und günstigen Mieten. 2005 wurde sie                                                      Der Barmann der Bar A21 nennt sich –
offiziell zum Design-District erklärt.                                                    wie sollte es anders sein – Cocktail­desi­
200 Möbelgeschäfte, Modeboutiquen,                                                        gner. Er kreiert Drinks wie „Smoked
Antiquitätenläden, Galerien, Restau­                                                      Sau­  na“ und „Birch Cooler“. Mojito und
rants und Hotels gibt es hier inzwi­                                                      Caipirinha kann man schließlich wo­
schen. In der Uudenmaankatu 2 stößt                                                       anders trinken. Das Hotel Klaus K, ei­
man zum Beispiel auf den Shop von                                                         nen Fußweg von fünf Minuten entfernt,
Nounou-Design – und gerät unweiger­                                                       ließ sich bei der Einrichtung nicht nur
lich ins Schwärmen. Die Glasprodukte                                                      von den weiten Wäldern des Landes
vereinen alles, was finnisches Design                                                     und traditionellen Schwitz-Ritua­     len
                                           04 Weltberühmte Vase Alvar Aalto
ausmacht: Sie sind so organisch-ge­        designte sie für das Restaurant Savoy          inspirieren, sondern gleich vom Ka­­   le­
schwungen wie viele Aalto-Arbeiten,        05 Haus der Musik Seit 2011 Heimat             vala. Das Epos hat das finnische Na­      ­
                                           der Helsinkier Philharmoniker
aus so feinem Material wie Iittala-Klas­                                                  tio­nal­­bewusst­sein bestimmt. Um zu
siker und so bunt wie Marimekko-Stof­                                                     er­­grün­den, wie die Künstler und Innen­
fe. Und gleichzeitig unverwechselbar.      www.alvaraalto.fi                              ein­ric­hter den Inhalt der 50 Gesänge in­­
                                           www.ravintolasavoy.fi
Einen guten Überblick über junges De­      www.arabiahelsinki.fi                          ter­pretiert haben, checkt man am bes­
sign bekommt man im Design Forum           www.fiskarsgroup.com                           ten direkt für mehrere Nächte ein. Dann
Finland, das den Young Designer of the     www.designdistrict.fi                          bleibt genug Zeit, um auch noch all die
                                           www.nounoudesign.fi
Year kürt und in seinem Shop eine tolle    www.a21.fi                                     anderen Aalto-Gebäude zu erkunden,
Auswahl bereithält.                        www.klauskhotel.com                            die hier nicht erwähnt wurden.

                                                                                                                               05

                                                                                                                                 29
Design
                                         Porträt

konstantin Grcic

Gestalter der
supermobilen
Gegenwart
Der Münchner gilt als einer der
wegweisenden Designer seiner
Generation. Seine Formen­sprache
ist unverwechselbar. Seine Möbel
sind geschaffen für moderne
Menschen, die immer auf dem
Sprung sind. Sie sind minimalistisch,
abstrakt, technoid, indus­triell.
Und dann ist da immer noch noch
dieses Quäntchen mehr

Text: Alexander Hosch

W
                  enn man im Jahr
                  2014 ein altes Foto
                  betrachtet, auf dem
                  eine typische Li‑
                  mousine von 1930
vor einem gleichaltrigen Haus von
Le Corbusier, etwa der Villa Savoye,
parkt, fragt man sich sofort: Was
macht die alte Karre vor dem Raum‑
schiff? Blickt man danach auf eine
Magazinaufnahme, in der ein älteres
Ehepaar auf Plastic Side Chairs von
Ray und Charles Eames sitzt, ein Ent‑
wurf aus den 50er Jahren, stellt sich
eher das Gefühl ein: Hey, diese alten
Leutchen hier haben aber einen modi‑
schen Geschmack!
  Die Gleichzeitigkeit des Ungleich‑
zeitigen ist ein interessantes Phäno‑
men. Die Dialektik im nur schein­    ‑
bar Ungleichzeitigen aber fasziniert
gleich noch viel mehr. Wie wird wohl
in ein paar Jahrzehnten auf die May‑
day-Leuchte oder auf den Chair_One
von Konstantin Grcic reagiert werden?

30
Design
Porträt

          31
Design
                                                                       Porträt

     Lampe: Mayday für Flos        Stuhl: Chair_One für Magis

 Sekretär: Orcus für ClassiCon   Stuhl: Chair_B für BD Barcelona

1999 für Flos entworfen die eine, 2004            zu einem der wegweisenden Gestalter      Konstantin         Zeitung“ in seinem Studio auf die Fra-
für Magis der andere. Beide eigentlich            seiner Generation und brachte seine      Grcic              ge, wie er das Production-Design eines
                                                                                           (geboren 1965)
neu, und doch schon Stilikonen. Ge-               kaum verwechselbare Formensprache        hat Design am      Science-Fiction-Films gestalten wür-
staltphänomene. Mayday ist bereits                seither unter anderem in Produkte        Royal College of   de, ihn interessiere nur ein punktuel-
Teil der MoMA-Sammlung. Was den                   von Authentics, Krups, Flos, Plank,      Art in London      les Ausbrechen nach vorn, nicht aber
                                                                                           studiert. 1991
Chair_One neben dem drehbaren Ze-                 Muji, ClassiCon, Vitra, Emeco oder       gründete er in     ein durchgestaltetes Zukunftsbild:
mentsockel so heutig macht, sind sei-             Magis ein. 2012 gestaltete er am deut-   München sein       „Wie hätte es vor zehn Jahren hier aus-
ne „Kristallstruktur“ aus eloxiertem              schen Biennale-Beitrag für Venedig       Büro KGID. Zu      gesehen? Genau wie heute! Nur dieses
                                                                                           seinen wichtigs­
Alu und die Tatsache, dass sich die               mit und bestückte für Herzog & de        ten Auftrag­
                                                                                                              schwarze Ding (zeigt auf das iPhone):
vermutete Unbequemlichkeit anders                 Meuron das Parrish Art Museum auf        gebern gehören     Wir hätten nicht gewusst, was das ist.
als beim rotblauen Rietveld-Stuhl von             Long Island.                             BD Ediciones,      In zehn Jahren sitzen wir wahrschein-
                                                                                           ClassiCon, Flos,
1918 in situ dann gar nicht einstellt.               Die gängige Betrachtung des           Plank, Magis
                                                                                                              lich immer noch hier. Nur liegt dann
   Konstantin Grcic ist 1965 in Mün-              Münchner Designers heute ist: Dieser     und Vitra          dort ein anderes seltsames Gerät.“
chen geboren, studierte nach einer                Mann bildet in seinen Entwürfen bes-                        G
                                                                                                              ­ rcic entwirft übrigens keine iPhones.
Schreinerlehre an der John Make-                  ser als andere unsere supermobile                              Stühle aber, so kann man ihn inter-
peace School Ende der 1980er Jahre                Gegenwart ab. Und eher nicht die                            pretieren, werden 2030 oder 2040 ir-
am Londoner Royal College of Art und              Zukunft. Höchstens Schnittstellen                           gendwie ähnlich aussehen wie heute.
begann dann seine Laufbahn bei Jas-               dorthin. Das würde ihn dann schon                           Und so selbstverständlich selbstbe-
per Morrison. Rasch entwickelte er                mal von Le Corbusier und den Eames                          wusst wie der Chair_One idealerweise.
sich nach der Gründung des eigenen                unterscheiden. Grcic selbst sagte zum                       Oder wie sein Kunststoffbruder Myto
Designbüros KGID in München 1991                  Beispiel neulich der „Süddeutschen                          von 2008. Der sieht aus, als wäre er ei-

32
Design
                                                                Porträt

nem Manga entflohen und dafür in           darin zu den glanzvollsten Expona-
Origami gefaltet worden. Sitzmöbel         ten. Statt die Ausstellung als Retro­
für Menschen, die immer auf dem            spek­tive anzulegen, was Grcic sus-
Sprung sind. Geht es um seine Leuch-       pekt gewesen wäre, schuf er für seine
ten, nennt Grcic Autoscheinwerfer          Kreationen der letzten 20 Jahre lieber
von älteren Ferraris oder Lamborghi-       szenographische Rahmen. Grcic revi-
nis als wichtige Ideenquelle. Dem          sited by Grcic. Das sieht dann so aus
Licht selbst schafft Grcic dabei oft ei-   wie in seinem eigenen Münchner Stu-
ne Konstruktion, einen Rahmen – am         dio. Oder wie in jenem mit ganz rea-
besten zu sehen bei dem sehr um-           len Exemplaren des Chair_One einge-
fangreichen Beleuchtungssystem Lu-         richteten Felsenbunker unter der
nar. Damit es sich darin auch weiter-      Stockholmer City, von dessen Servern
entwickeln kann, falls sich mal wieder     aus die Enthüllungsplattform Wiki­
die Leuchtmittel ändern.                   leaks jahrelang die Welt mit Geheim-
   Eine Annäherung an Konstantin           nissen versorgte. Minimalistisch. Ab-
Grcic im Jahr 2014: Im April hat er auf    strakt. Technoid. Industriell. Und
der Mailänder Messe für Artek den          dann ist da noch dieses Quäntchen
Bürostuhl Rival und für Magis den          mehr. Dinge, die er möge, sagt Grcic,
Birkenholz-Freischwinger Kyudo aus         „müssen immer ein bisschen außer-
Buchenfurnier und Karbonfaser vor-         halb des Mainstreams sein“.
gestellt. Beide absolut aus ihrer Zeit.       Das meint er ernst. Philippe Starck
Man erkennt die Wurzeln (zweimal           war der Mann für die 80er: bunt, iro-
Alvar Aalto) und käme doch nicht auf       nisch, postmodern, populär. Da durf-
die Idee, dass diese Stühle von dem        ten Stehtische auch mal wackeln.
alten Finnen stammen. Sie sehen wie        Starck verkauft 25 Jahre später immer
von Grcic aus: mit Hingabe an Tech-        noch am besten. Grcic aber teilt sich
nologie und Material. Mit einer mini-      heute mit Kollegen wie Patricia Ur­
malistischen und einer industriellen       quio­la, den Campanas und den Bou-
Note. Technoid und abstrakt. Klar,         roullecs den Ruhm, die äußersten
                                                                                     Regal: Tyke für Magis
aber kantig. Und am Ende: rau im Ab-       und die interessantesten Galaxien des
gang. Gerade hat in Weil am Rhein          Jetzt zu möblieren.
auch seine bislang größte Einzel-
schau zu wirken begonnen – „Panora-
ma“ im Vitra Design Museum, das                                      „Dinge, die ich mag, müssen
sonst Klassikern des 20. Jahrhun-
derts vorbehalten ist (bis 14. Septem-                                immer ein bisschen auSSerhalb
ber). Mayday und Chair_One gehören                                    des Mainstreams sein“

                                           Links:
                                           Sessel Waver
                                           für Vitra

                                           Rechts:
                                           Stuhl 360° für
                                           Magis

                                                                                                             33
collage studio - photo tommaso sartori

                                                                                                          DESIGN PORTRAIT.

        Sophie liebt Ray und zeitgenössische Kunst. Ray, design von Antonio Citterio. www.bebitalia.com

        B&B Italia Stores: München, Maximiliansplatz 21 - Tel. 089 461 368 0
        Berlin, Torstrasse 140 - Tel. +49 3024 0477377
        Plz 0 1 2 3 4 5 Andreas Weber Tel. +49 51305840584 weber@designkollektionen.de
        Plz 5 6 7 Thomas Köber Tel. +49 173 7490937 k2agentur@arcor.de
        Plz 0 7 8 9 Norbert Juelicher - Tel. +49 172 9572772 norbertjuelicher@t-online.de
Design
                                                                 St yle
                                                         Der Klassiker:
                                                               interviewFolge #1

                                                                                      Das Polster besteht aus
                                                                                      40 Feldern. Sie sind
                                                                                      aus einem Stück Leder
                                                                                      von Hand geschnitten,
                                                                                      vernäht und mit Leder-
                                                                                      Knöpfen versehen

                                                                                                                               Die neue Relax-
                                                                                                                               Version ist weicher
                                                                                                                               gepolstert. Das
                                                                                                                               Leder nimmt im
                                                                                                                               Lauf der Jahre
                                                                                                                               einen Vintage-
                                                                                                                               Look an

                                                                                                      Der Rahmen aus Chrom
                                                                                                      wird per Hand geschliffen und auf
                                                                                                      Hochglanz poliert. Im Stuhlbein gibt es
      Die 17 Ledergurte
                                                                                                      ein The-KnollStudio-Logo und eine
      (neun für die Sitzfläche,
                                                                                                      Signatur von Ludwig Mies van der Rohe
      acht für die Rücken­
      lehne) sind an der sicht-
      baren Seite passend zur
      Polsterung eingefärbt

barcelona chair

„Von grundlegender Gültigkeit“
„Ein bizarres Sitzmöbel“: Mit diesen       1929 doch als Einzelstück für den
Worten beschrieb ein „Spiegel“-Autor       deutschen Pavillon in Barcelona ent-
den Barcelona Chair 1960. Er hatte ihn     worfen. Er präsentierte die „Klarheit,
in einer Ausstellung der New Yorker        Schlichtheit und Aufrichtigkeit“ der
Firma Knoll International in Darmstadt     jungen Weimarer Republik und war
kennengelernt. Der Stuhl scheine im        zugleich monumental genug für das
Raum zu schweben, „zwei den Kufen          spanische Königspaar, das den Pavillon                               Ludwig Mies van
eines Schlitten nachgeformte Chrom-        besuchte. Jetzt also sollte der Chair in                             der Rohe

stangen umklammern einen fast recht­­-     Hotellobbys und Firmenfoyers stehen?                                 Der Architekt und Designer
wink­ligen Ledersitz“, so der staunende    Mies van der Rohe stimmte wohl                                       (1886–1969) aus Aachen machte
                                                                                                                mit seiner Haut- und Knochen-
Autor weiter. Dass das Möbelstück da-      nur deshalb zu, weil Florence Knoll zu
                                                                                                                Architektur (stählernes Tragwerk
mals bereits in Serie produziert wurde,    seinen Schülerinnen gehört hatte.                                    mit einer Haut aus Glas) auf sich
ist Florence Knoll zu verdanken. Die       Knoll wollte den Bauhaus-Architekten,                                aufmerksam. 1929 errichtete er
                                                                                                                den deutschen Pavillon auf dem
Architektin und Inneneinrichterin hatte    die damals die Skyline New Yorks verän-
                                                                                                                Gelände der Weltausstellung in
neun Jahre zuvor einen Coup gelandet –     derten, passende Möbel liefern. Möbel                                Barcelona. Ein Jahr später über-
und Mies van der Rohe davon ­überzeugt,    „von grundlegender Gültigkeit“.                                      nahm er die Leitung des Bau-
ihr die Produktionsrechte zu übertragen.      Bis heute wird der Barcelona Chair                                hauses in Dessau. 1938 wurde er
                                                                                                                zum Architekturleiter am Illinois
Der Urheber sah die Serienproduktion       von Knoll International in offizieller                               Institute of Technology in Chicago
zunächst skeptisch, hatte er den Stuhl     Lizenz produziert.                                                   berufen.

                                                                                                                                                35
Ressort Blindtext
                                                  der klassiker

Technologie

Neues
Leuchten
LEDs haben sich durchgesetzt, auch und gerade für zu Hause. Die Glühbirne ist
tot, Ökosparlampen sind Vergangenheit. Die Leuchtdioden überstrahlen
eine ganze Branche. Die Leuchtenhersteller wetteifern darum, das Beste aus der
Technologie herauszuholen – und entwickeln eine völlig neue Formensprache
Text: Peter Würth

36
Zukunft
                 Siegeszug der LED

                                                                Gestalterisch
                                                                haben die LEDs
                                                                völlig neue
                                                                Möglichkeiten
                                                                eröffnet

                                                                Ökosparlampen bis zu LEDs war es je-
                                                                weils nicht nur ein Technologie-
                                                                sprung, sondern auch eine gewaltige
                                                                ästhetische Veränderung. Zwar mag
                                                                der Schritt vom Kerzenleuchter zur
                                                                Glühbirne auf den ersten Blick größer
                                                                erscheinen als der von der Glühbirne
                                                                zur LED, aber wer auf einer Großmes-
                                                                se des Lichts wie der Frankfurter
                                                                Light+Building durch die Hallen
                                                                läuft, stellt fest, dass das Motto „Licht
                                                                statt Leuchten“ weit mehr ist als nur
                                                                der Slogan des Leuchtenherstellers
                                                                ERCO.
                                                                   An vielen Messeständen ist es vor
                                                                allem eines: hell. Taghell. Überall.
                                                                Licht en masse. Gebündelt zu Licht-
                                                                armeen. Was sich die Produzenten al-
                                                                les einfallen lassen: Lichtschlangen,

T
                                                                Lichtbänder,       Lichtflächen. Dunkle
              echnische Entwicklungen       Organische          Ecken sind perdu. Wo einst Glühbir-
                                            Form, funktio-
              bestimmen unsere Welt,                            nen in der einen oder anderen Form
                                            nales Licht:
              unser Sein. Das Rad, der      Nimbus Marie.       punktuelles Licht abstrahlten, wo
              elektrische Strom, der Die-   Die direkt          es Licht und Schatten gab, wo man
              selmotor, das Telefon, das    abstrahlen-         versuchen musste, mit verstellbaren
                                            de Leuchte
Radio, das Fernsehen, der Compu-            interpretiert mit   Schirmen, mit Punkt- oder Weitstrah-
ter, das Handy – Meilensteine in der        ihren runden        lern das Licht dorthin zu lenken, wo
Technikgeschichte und zugleich Evo­         Formen und          man es gerade brauchte – da ist das
                                            den in die
lu­­tions­sprün­­ge der menschlichen Ge-    Oberfläche ge-      Licht heute dank zahlloser strahlend
sellschaft. Und – nicht zu vergessen –      frästen floralen    heller Simpel-LEDs einfach da.
auch der Gestaltung unserer Umwelt.         Ornamenten             Der Siegeszug der LEDs, vor weni-
                                            die klassische
Ohne Autos, Straßenlaternen et cetera       Deckenrosette       gen Jahren noch kaum vorstellbar,
sähe unsere Welt ganz anders aus.           neu                 ist unaufhaltsam. Zu einfach die Ba-
     Das gilt auch für das Licht, das un-                       sistechnologie, zu verführerisch die
ser Leben begleitet. Vom brennenden                             Energieeffizienz – ERCOs Messestand
Kienspan über den Kerzenleuchter                                auf der Light+Building etwa hatte
und die Gaslaterne zu elektrischen                              eine Gesamtanschlussleistung von
Glühbirnen, Halogenstrahlern und                                3000 Watt für die Beleuchtung. Halb

                                                                                                      37
Zukunft
                                                   Siegeszug der LED

                                                                                   02

        01

                                            02
                          01
                          Macht am
                                                 Währenddessen kann sich Nimbus-           2700 Kelvin
                                                 Boss Dietrich F. Brennenstuhl damit       Lichttemperatur sind für das
                          Schreibtisch:                                                    menschliche Auge besonders
                          Nimbus,                brüsten, es immer schon gewusst zu
                                                                                           angenehm. Viele Hersteller
                          Force One              haben: Nimbus setzt seit vielen Jahren    offerieren ihre Leuchten mit
                                                 auf die LED-Technologie und hat sich      unterschiedlichen LEDs – je
                          02                                                               nach Einsatzort
                          Neue Technik,          damit einen großen Vorsprung selbst
                          verspielt: Ingo
                          Maurers My
                                                 vor Großkonzernen erarbeitet. Seit        20  %
                                                 2006 hat Nimbus über 8000 LED-Pro-        des Weltenergiebedarfs werden
                          New Flame                                                        für die Beleuchtung eingesetzt.
                                                 jekte realisiert – und einen ungeheu-
                                                                                           LED-Leuchten sparen bis zu 83
                                                 ren Erfahrungsschatz angesammelt.         Prozent Strom
                                                 Nimbus setzt kompromisslos auf die
                                                 LED-Technologie und gleichzeitig auf
so viel wie die Kaffeemaschine. Zu               eine konsequent reduzierte, puristi-
schlecht auch die Ökosparlampen-                 sche Ästhetik seiner Produkte.
Konkurrenz, als dass irgendein klei-                Gestalterisch haben die LEDs völ-
nerer oder größerer Hersteller sich              lig neue Möglichkeiten eröffnet. Es
den LEDs verweigern könnte.                      geht nicht darum, LEDs technisch in
   Bei genauerer Betrachtung aber                herkömmliche Leuchten zu imple-
trennt sich da schnell die Spreu vom             mentieren, sondern eine neue, eigene
Weizen. Denn LED-Licht ist nicht                 Formensprache und einen neuen Um-
gleich LED-Licht. LEDs geben sich                gang mit Licht zu entwickeln.
weit freundlicher als Leuchtstoffröh-               Anders als viele Massenhersteller
ren oder Ökosparlampen mit ihrem                 haben die Branchenvorreiter erkannt,
eingeschränkten Lichtspektrum. Ihr               dass Hardware allein nicht mehr kon-
Licht kann geradezu sinnlich sein.               kurrenzfähig ist. Sie lösen sich vom
Selbst ein LED-Skeptiker wie Occhio-             ästhetischen Gegenstand „Leuchte“
Chef Axel Meise stattet seine Leuch-             und seinen modischen Abwandlun-
ten inzwischen zumindest alternativ              gen. Es kommt nicht mehr nur auf die
mit den langlebigen LEDs aus – je                Gestaltung von originellen Leuchten
nach Einsatzzweck.                               an – die in Asien in Windeseile kopiert

38
Zukunft
                                                         Siegeszug der LED

          03

werden würden –, sondern auf den
perfektionierten Einsatz von Licht:                    LEDs müssen nicht mehr
Und da helfen die kleinen LEDs, die                    sichtbar sein, sondern können
anders als Glühbirnen auf ihrer sicht-
baren Seite kühl bleiben und auch                      unsichtbar leuchten
deswegen so vielseitig einsetzbar                      und Räume gestalten
sind, ungemein. LEDs müssen nicht
mehr sichtbar sein, sondern können
unsichtbar leuchten und Räume ge-
stalten. LEDs lassen sich perfekt an-
steuern, bis die Leuchten ideal mit-
einander harmonieren und optimale
Lichtstimmungen entstehen. Das Er-       und so kaum wahrnehmbare winzige          03                  sonnig, seit Intensität und Lichtqua-
gebnis ist eine hervorragende Licht-     „natürliche“ Lichtveränderungen er-       Kunst, die          lität der Leuchtmittel seinen Ansprü-
                                                                                   leuchtet: Dane-
qualität trotz sparsamer, effizienter    zeugen. Die Menschen im Büro be-          se Eclittica. Die   chen gerecht werden.
Leuchtmittel.                            kommen den Eindruck, im Freien zu         Pendelleuchte          Und Ingo Maurer wäre nicht Ingo
   Moderne LED-Technologie ist in        sitzen.                                   besteht aus         Maurer, würde er sich mit dem Aus-
                                                                                   zwei filigranen
der Lage, mit künstlicher Lichtfarbe        Axel Meise von Occhio hat sich eine    Aluminiumrin-       tausch von Leuchtmitteln zufrieden-
nicht nur das natürliche Spektrum zu     Zeit lang in Geduld geübt, bis er auf     gen. Die LEDs       geben. So entwickelte er schon 2003
simulieren, sondern sich im Tagesver-    LED setzte. Mit der Serie Più entstand    befinden sich im    einen Glastisch mit eingelassenen
                                                                                   kreisförmigen
lauf auch zu verändern und dem Bio-      ein Zwitter, der mit diversen Licht-      Leuchtkörper,
                                                                                                       LEDs und 2011 eine LED-Wallpaper,
rhythmus des Körpers anzupassen.         quellen funktioniert, die Kollektion io   der sich um         eine punktuell geheimnisvoll leuch­
   Faszinierend etwa ein Projekt des     3d ist nun vollständig in LED konzi-      360° dreht          tende Tapete. 2012 entstand My New
                                                                                   und somit die
Light Fusion Lab des deutschen           piert.                                    Lichtemission
                                                                                                       Flame, eine an eine Kerze erinnernde
Fraunhofer-IAO, das ein LED-Decken-         Auch der Hamburger Leuchten-           bestimmt            LED-Leuchte, deren „Flackern“ durch
paneel entwickelt hat, das die Licht-    designer Tobias Grau sieht nach dem                           zwei Panels aus je 128 LEDs erzeugt
verhältnisse von vorbeiziehenden         staatlich verordneten Aus für die                             wird – konstruiert von dem genialen
Wolken nachahmt. Blaue, rote, weiße      Glühbirne (Grau: „Ein Schwungrad für                          deutschen Designer und Tüftler Mo-
und grüne LEDs können zu 16 Millio-      die Branche“) vor allem im privaten                           ritz Waldemeyer. Ein ironischer Blick
nen Varianten kombiniert werden          Wohnbereich die Zukunft der LEDs                              zurück zum Kienspan.

                                                                                                                                         39
Zukunft
                                                      Siegeszug der LED

                                                         Neues Licht

                                                 Bright Lights
                                         LED-Leuchten haben ihre eigene Ästhetik.
                                        Wir haben die besten, schönsten, spannendsten,
                                             ungewöhnlichsten für Sie ausgewählt

                                                    Doppelte                                    Beweglich in
                                                    Strahlung                                   drei Dimensionen

Faszinierend                                        OCCHIO Sento verticale                      Occhio io 3d edition gold
                                                    Der Klassiker von Occhio dank Next-         Die neue Leuchtenfamilie io 3d von
Ingo Maurer Luminophor                              Generation-LED mit höchster Licht-          Occhio besticht mit einer Fülle in­-
Das blaue Licht des LED-Moduls wird durch           qualität (CRI 95) bei bester Effizienz.     dividueller Style-Optionen, faszinie-
die beschichtete Scheibe in weißes Licht umge­      Auf Wunsch berührungs­lose Steue-           render dreidimensionaler Beweglich-
wandelt.                                            rung der Leuchten via Infrarotsensor        keit und neuester LED-Technologie.
                                                    mit „fading“-Funk­tion, bei der die         Geschaltet und gedimmt wird das
                                                    Lichtleistung stufenlos nach oben           Licht mit der Hand – berührungslos
                                                    und unten verteilt wird.                    und intuitiv.

                                                                                  Über bande gespielt
                                                                                  Danese Mia
                                                                                  Diese LED-Tischleuchte strahlt ihr Licht nur in-
                                                                                  direkt ab: Die LEDs sitzen samt Reflektor im
                                                                                  Sockel. Das Licht wird nach oben an die Innenseite
                                                                                  des Schirms geworfen und fällt gleichmäßig soft
                                                                                  von dort zurück.

40
Zukunft
                                          Siegeszug der LED

                                                     Ein Schein ihrer selbst
                                                     Ingo Maurer – Dew Drops Wall
                                                     LEDs entmaterialisieren im Idealfall das Design. Diese „Leuch-
                                                     te“ besteht nur noch aus einer transparenten DIN-A3-großen
                                                     Kunststofffolie, die mit unzähligen LEDs besetzt ist. Sie wird wie
                                                     ein Tuch an einer Ecke aufgehängt und das Licht der LEDs von
                                                     der Wand reflektiert.

                                                                                                     Power-
                                                                                                     Licht

                                                                                                     Belux, LIFTO
                                                                                                     LED-family Tisch
                                                                                                     Die LED-Version
                                                                                                     des Klassikers von
                                                                                                     1984 vereint hohe
                                                                                                     Funktionalität mit
                                                                                                     zeitlos-filigranem
                                                                                                     Design. 10 LEDs
                                                                                                     leuchten den Tisch
                                                                                                     breit und kraftvoll
                                                                                                     (620 Lumen) aus.
                                                                                                     Die Farbtemperatur
                                                                                                     lässt sich von warm
                                                                                                     zu kühl (3000–4000
                                                                                                     Kelvin) stufenlos
                                                                                                     einstellen.

Erleuchtet                              Reduced to                                Elegante
Speisen                                 the max                                   Strahlkraft

nimbus dish                             nimbus RIM R 9                            tobias grau Studio mono up
Hochwertige Pendelleuchte der           Die weit schwenkbare Decken-              Leistungsstarker und eleganter LED-
LED.next-Generation mit einer           leuchte der minimalistischen Serie        Strahler, serienmäßig ausgestattet
Licht­scheibe aus weiß hochglänzen-     überzeugt durch formale Reduktion.        mit einer breit strahlenden Linse.
dem Corian, in die kleine Vertiefun-    Der flache Leuchtkörper aus trans­        Auch mit 2700 Kelvin erhältlich.
gen eingearbeitet wurden, die das       luzentem Acrylglas „schwebt“ in dem
Licht breit abstrahlen. Besonders gut   Ringelement aus Aluminium. Sie
geeignet für den Wohnbereich oder       spendet ein völlig flexibles, blend­
das Esszimmer.                          freies Direktlicht.

                                                                                                                           41
St yle
                                                                interview

     „Mein Geschmack ist
       sehr eklektisch“
 Den „Mick Jagger der Kunstauktionen“ hat der englische „Guardian“
  Simon de Pury genannt. Kaum jemand bewegt sich so sicher in der
 Welt des Stils und der schönen Dinge – und weiß so genau um deren
                  intellektuellen wie pekuniären Wert

                                Text: Josephine Grever

D
               er Kunsthändler, Auk­        einerseits das Vertrauen seiner Kun­      Simon de Pury
               tio­
                  nator und Sammler         den und andererseits ein Handy.           gilt als großartiges
                                                                                      Verkaufstalent,
               Simon de Pury (Jahr­         Das verlangt große Mobilität…             als „Starauktio­
               gang 1951) stammt aus        Ja, ich bin viel unterwegs. Der Kunst­    nator“ (NZZ).
               Basel und gehört zu den      markt ist wie ein Wanderzirkus, der       Er hat weite
                                                                                      Teile der privaten
bekanntesten Figuren auf dem in­    ter­    sein Zelt jede Woche woanders auf­        Kunstsammlung
na­tio­
      na­
        len Kunstmarkt. Im Lauf sei­        stellt.                                   von Fürstin Gloria
ner Karriere war er Kurator der Thys­       Wie haben sich Ihre Liebe zu Kunst        von Thurn und
                                                                                      Taxis versteigert
sen-Bornemisza-Kollektion in der Villa      und Design und Ihr Sinn für Ästhetik      und ließ seine
Favorita in Lugano (1979–1986), leitete     entwickelt?                               Schmuck-Auk­
das Europa-Geschäft von Sotheby’s           Ich bin in Basel geboren und habe         tionskataloge von
                                                                                      dem Avantgarde-
und war 1997 einer der Mitbegründer         deshalb einen Heimvorteil, wenn man       Fotografen
von Phillips de Pury, einem der welt­       so will. Basel ist eine sehr weltoffene   Jürgen Teller
weit größten Auktionshäuser für zeit­       Stadt mit wunderbaren Museen. Au­         gestalten. De
                                                                                      Pury lebt mit
genössische Kunst und Design. Ende          ßerdem hat mich meine Mutter im­          seiner deutschen
2012 trennte er sich von Phillips und       mer in Kirchen und Museen mitge­          Frau Michaela in
betreibt seitdem mit seiner Frau Mi­        nommen, wie zum Beispiel in Florenz,      London und der
                                                                                      Schweiz
chaela privaten Kunsthandel. Als Auk­       als ich zwölf Jahre alt war. Das waren
tionator war Simon de Pury bekannt          prägende Momente.
für den Glamour, mit dem er Verstei­        Können Sie Qualität in Kunst und De­
gerungen inszenierte. Der italienische      sign sofort erkennen?
Unternehmer Lapo Elkann beschrieb           Wenn man professionell in diesem
ihn einmal als Mann mit der Kraft und       Metier zu tun hat, schult sich das Au­
Energie eines Enzo Ferrari und der          ge. Ich denke, je mehr man sieht, des­
Eleganz eines Maserati. Das Interview       to mehr ragt heraus, was gefällt. Wie
fand in Simon de Purys Haus im Lon­         auch in der Musik – hört man viel, ver­
doner Stadtteil Mayfair statt. Takashi      feinert sich das Ohr immer weiter.
Murakami, George Condo, Pablo Pi­           Sehen Sie Designobjekten wie Möbeln
casso, Olafur Eliasson, Mattia Bonetti,     an, ob sie ihre Zeit überdauern oder
Ai Weiwei – das Interieur bietet muse­      nur eine Mode sind?
umsreife Gegenwartskunst und bestes         Es gibt Objekte, die eine zeitlose
modernes Design.                            Schönheit haben, wenn man sie sieht.
                                            Und es gibt Objekte, die man sofort
Ci magazin: Sie betreiben die private       einreiht. Wobei beides nicht störend
Vermittlung     von   zeitgenössischer      ist. Die spannendsten Interieurs sind
Kunst, Design und Fotografie. Wie           solche, die Zeitabläufe und auch ver­
funktioniert das?                           schiedene Zivilisationen mischen. Je
Simon de Pury: Dadurch, dass ich            mehr man mixt, desto mehr schafft
seit über 40 Jahren im Kunstmarkt ak­       man Dialoge. Alles wird spannender.
tiv bin, habe ich viele Verbindungen        Geschmack entwickelt sich natürlich
zu Sammlern, Kuratoren, Künstlern           fortwährend. Was wir heute hoch
und Designern. Also bin ich gut ge­         schätzen, wird in 50 Jahren nicht den­
wappnet, um Freunden und Kunden             selben Stellenwert haben. Selbst bei
die besten Ratschläge zu geben, wenn        alten Meistern gibt es eine fortwähren­
es darum geht, Kunst zu sammeln             de Geschmacksveränderung. Meine
und zu verkaufen. Dafür braucht man         Devise ist, sich auf das zu konzentrie­

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