MOBILITY WORLD - DER GUTE TON - M Plan
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1.20 MOBILITY WORLD DER GUTE TON WIE SOLLEN ELEKTROAUTOS KLINGEN? M PLAN ENTWICKELT SOUNDS FÜR EINE NEUE FAHRZEUGGENERATION SEITE 4 SEITE 8 SEITE 10 SEITE 13 NEUE HOTSPOTS: INTERVIEW MIT EINEM SCHWANENSEE LAS VEGAS UND CO ZUKUNFTSFORSCHER IN SINDELFINGEN
INHALT SING MY SONG 4 Elektroautos müssen klingen – damit Fußgänger und Fahrradfahrer sie hören. M Plan ist führend beim M INSIDE Sounddesign für AVAS, Acoustic Vehicle Alerting System. 99 ZENTIMETER 7 So niedrig ist der japanische Supersportwagen Aspark Owl; 7.500-mal steigt ein Sitzroboter bei M NUMBERS Ford ins Auto – und noch mehr Zahlen … DIE NEUEN HOTSPOTS 8 Berlin, Tel Aviv, Las Vegas – und die kleine Insel Porto Santo: Hier wird die Mobilität der Zukunft geplant. Ein M REPORT Überblick über die neuen Automotive-Hotspots. „FILMROLLE DER AUTOINDUSTRIE“ 10 Interview mit Lars Thomsen, einem der renommiertesten Zukunftsforscher weltweit, über M INTERVIEW Elektromobilität, Sharing-Modelle – und Flugtaxis. 04 NEUE WELTEN M Inside – Wie komponiert man den perfekten Elektroautosound? SCHWANENSEE IN SINDELFINGEN 13 Simon Koch ist Account Manager von M Plan in Stuttgart. In seiner Freizeit spielt der Automobil- enthusiast Waldhorn – im Daimler Sinfonieorchester. M PEOPLE NÄCHSTER HALT: ZUKUNFT 14 Busse und Lkw von MAN sollen künftig emissionsfrei und autonom fahren. Dafür testet das Unternehmen M VIEW jetzt Technologien im Alltagseinsatz. M INHALT „PAPA, FAHREN WIR OLDTIMER?“ 16 Jochen Marx, Personalleiter bei Miele, fährt einen Mercedes 280 SE, Baujahr 1972. Zur Freude seiner M PASSION Kinder... DIE FÄDEN IN DER HAND 18 Katrin Beyroth kümmert sich für M Plan um die Projektsteuerung für den Neubau einer Batteriefabrik M AT WORK eines großen deutschen Autoherstellers. 10 „FILMROLLE DER AUTOINDUSTRIE“ NEUES AUS DER WELT VON M PLAN M Interview – Was bei einem Zukunftsforscher in der Garage steht und was er von Drohnenmobilität hält. 19 Neue Leitung der Niederlassung Weissach, neuer Name für ein Tochterunternehmen von M Plan – und ein M NEWS Xiaomi E-Scooter wird verlost. M GAME IMPRESSUM Verantwortlich für den Inhalt: Realisierung und Gestaltung: Mitglied im Bernd Gilgen, Geschäftsführer Yellow Tree – Digital.Branding. Mobility World www.yellowtree.de Ausgabe 01.2020 Redaktion extern: Auflage 19.000 Büro 504 Fotografie: 10. Jahrgang www.buero504.de Peter Hildebrandt ww.working-image.de Herausgeber: Redaktionsleitung: M Plan Modulare Planungs- und Katrin Reiners Jo Teichmann Konstruktionstechnik GmbH www.teichmann-fotografie.de Steinmüllerallee 2 Druck: 51643 Gummersbach Gronenberg Druck & Medien Covermotiv: www.m-plan.com www.gronenberg.de © magann, simonox, Rawpixel 2 MOBILITY WORLD / 1.20
„Es ist interessant bis erheiternd, wie wir seinerzeit nach vorn geschaut haben.“ Bernd Gilgen, Geschäftsführer M Plan BLICK NACH WEIT VORN M EDITORIAL LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, mit der Vergangenheit und der Zukunft ist es so eine Sache, von der Gegenwart ne, für die Freizeit den Sportwagen und für die Familie gibt es den Van bzw. SUV.“ ganz zu schweigen. Die Vergangenheit holt uns ja manchmal ein, während wir Mein Entwurf der multiplen Mobilität berücksichtigte leider nicht den Trend zum in Richtung Zukunft eilen und dabei mitunter über die eine oder andere Heraus- Mix aus verschiedenen Mobilitätsformen: E-Scooter, Ride-Sharing, Mietfahrräder, forderung der Gegenwart stolpern. Bevor ich jetzt aber in die Grauzone zwischen … Und auch die Prognose, die Herr Wippermann und ich teilten, dass der Ver- Psychologie und Esoterik abdrifte, werde ich konkret: Mich hat die Vergangenheit brennungsmotor noch 25 bis 30 Jahre das Kernelement der Mobilität sein würde, gerade in Form einer alten Ausgabe der Mobility World eingeholt. Genauer ge- möchte ich heute nicht mehr bedingungslos unterschreiben. Der Verbrenner wird sagt: der zweiten Ausgabe des Jahres 2011. Darin habe ich mich in einem län- uns natürlich noch weiterhin begleiten, aber alternative Antriebsformen wie die geren Gespräch mit dem Trendforscher Peter Wippermann über die Zukunft der Brennstoffzelle und natürlich der batteriebetriebene Elektromotor werden weiter Mobilität unterhalten. Es ist interessant bis erheiternd, wie wir seinerzeit nach an Bedeutung gewinnen. vorn geschaut haben. So waren wir uns einig, dass jüngere Generationen dem Auto schon bald entwachsen werden, beziehungsweise dem eigenen Auto. Das Nun: Natürlich müssen Geschäftsführer von Automotive-Unternehmen in die Zu- Auto, so sagte Peter Wippermann, werde immer mehr als Fortbewegungsmit- kunft schauen, und natürlich lohnt es sich, dafür die Expertise von Trendforschern tel angesehen, das man nicht mehr unbedingt besitzen müsse. Daher würden einzuholen. Für diese Ausgabe der Mobility World haben wir mit dem renom- sich die gerade anlaufenden Carsharing-Projekte in den Ballungszentren in den mierten Zukunftsforscher und Unternehmensberater Lars Thomsen gesprochen. nächsten Jahren zunehmend verbreiten. Nun, die Aussage kann man mit Blick auf Er erklärt, warum die Tage des Verbrenners in seinen Augen gezählt sind – und aktuelle Ride- und Carsharing-Angebote und Shuttle-Dienste als fast prophetisch warum Flugtaxis eine faszinierende Mobilitätsvariante sein könnten. Ich habe bezeichnen. Problematischer wird es mit meiner Aussage, dass die Fahrzeugviel- mich dieses Mal allerdings rausgehalten. Bis wir Antriebskonzepte für Flugtaxis falt maßgeblich vom Nutzerverhalten abhängig sei und wir künftig immer mehr planen, gibt es in der Gegenwart doch noch einige wichtigere Aufgaben. Varianten erleben würden. So sagte ich: „Für die Arbeit nimmt man die Limousi- Herzlichst Ihr Bernd Gilgen Geschäftsführer MOBILITY WORLD / 1.20 3
SING MY SONG Elektroautos lernen singen. Oder pfeifen? Auf jeden Fall müssen sie klingen – damit Fußgänger und Fahrradfahrer sie hören. M Plan ist führend beim Sounddesign für AVAS, dem Acoustic Vehicle Alerting System. M INSIDE 4 MOBILITY WORLD / 1.20
M Plans Soundexperte Rüdiger Kränzlein entwickelt Fahrzeug- geräusche. Privat komponiert er elektronische Musik. „Der Klang muss unmissverständlich klarmachen: Hier kommt ein Elektroauto.“ Andreas Schmidt, Gruppenleiter Akustik bei M Plan in Weissach // Rüdiger Kränzlein ist Komponist. Seine Werke tragen zumeist recht abstrakte Na- ten“, erschwert aber auch den kreativen Findungs- und vor allem Entscheidungs- M INSIDE men wie „Doctrine“, „Timed“ oder „Inoxia”. Andere Titel klingen leicht meditativ, prozess. Denn jeder Hersteller hat eine andere Vorstellung davon, wie er rechtli- etwa „When The Sun Sets“ oder „Morning Light“. Alles aber sind Stücke, zu denen che Vorgaben, Markenwerte und nicht zuletzt das empfindliche Hörempfinden des in Clubs getanzt wird. Elektronische Songs mit meist schnellen und komplexen Verkehrsteilnehmers in ein entsprechendes Sounddesign übersetzt. Allein schon Rhythmen und mitunter sphärischen Klangwelten. Wenn Rüdiger Kränzlein als DJ die Zielvorgaben eines Herstellers zu definieren, ist ein komplexes Projekt. „Der auflegt, dann spielt er sogar gern live auf dem Synthesizer oder einer Drumma- Kunde möchte bestimmte Emotionen über ein elektronisch erzeugtes Fahrgeräusch schine dazu. Mit solchen Auftritten hat er sich weit über den Raum Stuttgart hinaus vermitteln. Es ist eine enorme Herausforderung, solche Gefühlswelten in Sounds einen Namen in der Szene elektronischer Technomusik gemacht. Derzeit allerdings zu übertragen“, erklärt Alexander Ehinger, Niederlassungsleiter der M Plan- sitzt der 31-jährige Produzent und Songschreiber an ganz anderen Kompositionen. Niederlassung in Weissach. „Es ist ein Prozess des Herantastens. Letztlich müssen Sie tragen eher nüchterne Namen wie „20191217 light“. Getanzt wird dazu nicht, wir Sounds kreieren, die nicht nur den Wünschen unseres Kunden entsprechen. man kann sie auch nicht auf den üblichen Musikportalen streamen oder downloa- Sie müssen auch in den Ohren der meisten Menschen auf den Straßen als das den. Denn „20191217 light“ zum Beispiel ist ein Topsecret-Stück, in Auftrag gegeben wahrgenommen werden, was sie sind: als das Geräusch eines sich nähernden von einem großen Automobilhersteller. Rüdiger Kränzlein, im Hauptberuf eben Elektrofahrzeugs.“ nicht DJ, sondern Akustikexperte bei M Plan, entwickelt in der Niederlassung Weis- sach neue Sounds für Elektrofahrzeuge. Klänge, die über sogenannte AVAS-Kom- Dass das nicht immer funktioniert, musste unlängst ein asiatischer Hersteller ponenten abgespielt werden. AVAS, das steht für Acoustic Vehicle Alerting System. feststellen. Dessen Soundingenieure hatten Klänge komponiert, die an Vogelge- Seit 2019 gilt in der EU ein neues Gesetz. Alle neuen E-Fahrzeugtypen müssen zwitscher erinnerten. Das irritierte aber die Bewohner von Tokio, wo ein erstes durch eigene Sounds auf sich aufmerksam machen. Ab Mitte 2021 gilt dies für alle Pilotprojekt zur Erprobung der neuen Fahrzeuggeräusche startete. Wenn sich neuen Elektroautos. Auch in den USA und Asien sind ähnliche Richtlinien in der ein Exemplar der E-Wagen-Flotte näherte, schauten die Passanten nach oben, Umsetzung. Dafür werden im Fahrzeug, meist im Motorraum, spezielle Lautspre- auf der Suche nach einem Vogelschwarm in den Straßenschluchten der japani- cher verbaut – und die werden mit künstlichen Klängen gefüttert. Denn von Natur schen Millionenmetropole. Der Test in Tokio ging schief – niemand verband das aus ist ein Elektromotor extrem leise, bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten sind Vogelzwitschern mit der Gefahr eines fahrenden Autos. Der Hersteller entschied Elektrofahrzeuge unhörbar wie eine sich anschleichende Katze. AVAS ist daher ein sich schließlich für ein künstlich erzeugtes, markantes Brummen. Ein anderes großes Thema in der Automobilindustrie – und damit ein wichtiges Geschäftsfeld Unternehmen, ebenfalls aus Asien, machte ähnliche Erfahrungen. Dort hatte man für M Plan. Das Unternehmen ist hier mit seinen erst vor wenigen Jahren in Weis- sich für Sounds entschieden, die offenbar an das Klingeln eines Mobiltelefons sach eröffneten Akustiklaboren mit führend in Deutschland. erinnerten. Näherte sich ein Elektrofahrzeug, griffen Passanten unwillkürlich zum Handy und schenkten dem Verkehr, die Augen aufs Display gerichtet, erst recht Die Bezeichnung „künstliche Motorklänge“ ist jedoch nicht hundertprozentig kor- keine Aufmerksamkeit. AVAS-Sounds sind eine echte Herausforderung: Zu lei- rekt. Die E-Autos dürfen nach Verbrenner klingen, müssen es aber nicht. „Mit se oder zu verwirrend dürfen die Geräusche nicht sein, zu laut aber auch nicht. welchen Sounds ein Elektrofahrzeug letztlich ausgerüstet wird, ist dem Herstel- Ohne aber geht es auf keinen Fall. Amerikanische Studien haben ergeben, dass ler überlassen“, erklärt Rüdiger Kränzlein. Vorgabe des Gesetzgebers ist, dass selbst Hybridfahrzeuge beim Parken oder Anfahren in doppelt so viele Unfälle bestimmte Kriterien im akustischen Spektrum des künftigen künstlichen Fahrge- mit Fußgängern verwickelt sind wie Autos mit Verbrennungsmotoren. Zur Lärm- räuschs vorhanden sind – und zwar in einer klar definierten Lautstärke. Die Fahr- verschmutzung sollen die AVAS-Systeme aber dabei möglichst wenig beitragen. © iStock / william87 zeuge lernen also quasi zu singen. Wie harmonisch das klingt, ist ein anderes The- Beim Anfahren eines Elektromobils soll sich das Soundsystem automatisch ein- ma. Das Resultat kann an das Beschleunigungsgeräusch eines V8-Motors, an den schalten und, je nach Land und Gesetz, bis zum Tempo von 30 bis 50 km/h an- Sound eines Star-Wars-Laserschwerts oder den Gesang einer Nachtigall erinnern. geschaltet bleiben. Bei höheren Geschwindigkeiten machen Abroll- und Windge- Das gibt AVAS-Komponisten wie Rüdiger Kränzlein zwar „unglaubliche Freihei- räusche genug warnenden Lärm. MOBILITY WORLD / 1.20 5
AVAS Das Akronym steht für Acoustic Vehicle Alerting System. Seit Mitte 2019 gilt in der EU ein neues Gesetz, das für alle neuen E-Modelle vorschreibt, bei bestimmten Wie klingt ein Wald? Rüdiger Kränzlein beim Einfangen von „Naturtönen“. Fahrsituationen durch künstliche Motorklänge auf sich aufmerksam zu machen. AVAS ist ein gutes Beispiel, wie die Elektromobilität nahezu alle Disziplinen der Fahrzeugentwicklung und des Fahrzeugbaus prägt, Auf der Suche nach dem perfekten Klang unternimmt Rüdiger Kränzlein daher eben auch das Sounddesign beziehungsweise Noise, Vi- ungewohnte Ausflüge. Er geht zum Beispiel mit dem Aufnahmegerät in den Wald bration, Harshness. Im Bereich NVH bietet M Plan eine und schlägt mit Stöcken auf Baumstämme. Er wirft auf dem Parkplatz von M Plan einzigartige Infrastruktur. Eigene Akustikprüfstände – in Weissach eine Kreissäge oder eine Bohrmaschine an und fängt deren Geräusche dazu gehört ein körperschallentkoppelter Freifeldraum ein. Anschließend spielt er die Klänge in sein Computersystem, verfremdet sie mit- sowie ein 100 Quadratmeter großer Halbfreifeldraum – M INSIDE hilfe von Effekten und spielt damit dann auf einem im Büro aufgebauten Keyboard erlauben umfangreichste Akustikdiagnosen einzelner eine kleine AVAS-Sinfonie. „Im Prinzip gehe ich vor wie beim Komponieren eines Komponenten und sogar kompletter Fahrzeuge. Hier Songs“, erklärt der leidenschaftliche DJ, der bereits seit zehn Jahren elektronische werden Transferpfadanalysen, Schallquellenortungen Musik produziert. Nach einer Lehre als Industriemechaniker, einem Fahrzeug- oder sogenannte „Squeak & Rattle“-Tests durchgeführt. technikstudium an der Hochschule Ulm und dem Engagement bei einem großen Und natürlich wird auch das wichtige Thema AVAS von Autohersteller kann er aber vor allem auf ein umfangreiches Portfolio in Sachen Sounddesign verweisen. „Auch in meiner Musik arbeite ich viel mit Samples, zer- M Plan dank langjähriger Erfahrung im Bereich Ver- lege Geräusche in ihre Einzelteile und setze sie zu neuen Klängen zusammen.“ kehrsgeräusch und Sounddesign abgedeckt. Allerdings unterscheidet sich ein AVAS-„Song“ in seiner Charakteristik doch ziem- lich von einem Technotrack. „Für den Automotive-Bereich sind weniger Melodien und Rhythmik gefragt“, erklärt der Komponist. „Da geht es um flächige Sounds ohne Beats, perkussive Elemente sind eher störend.“ Denn tanzen soll am Ende ja Bedarf der Industrie an Sounddesign und akustischer Absicherung gerecht. Die niemand zu den Klängen eines herannahenden Automobils. perfekte Geräuschkulisse in einem Fahrzeug ist heute ein wesentliches Marketing- element. Ein Türgriff zum Beispiel soll sich nicht nur gut anfühlen, er muss beim Mit dem Entwickeln markentypischer AVAS-Sounds rückt M Plan noch einmal nä- Öffnen und Schließen auch ein der jeweiligen Marke entsprechendes, wertiges her an seine Kunden heran. „Das geht schon tief in die Genetik einer Marke“, Geräusch erzeugen. Rund fünf Prozent der Gesamtentwicklungskosten eines neu- erklärt Andreas Schmidt, Gruppenleiter Akustik bei M Plan in Weissach. „Die en Automodells entfallen heute auf die Disziplin Sounddesign. Auch die meisten Klänge sollten bestenfalls für die Marke stehen, sich natürlich dennoch von den Mensch-Maschine-Schnittstellen im Fahrzeug arbeiten mit akustischen Signalen klassischen Verbrennermodellen unterscheiden. Sie sollten die Zielgruppen für – und die müssen alle ins Gesamtkonzept der Marke passen. ein bestimmtes Fahrzeugsegment, ja für ein spezielles Modell ansprechen, sich von den Wettbewerbermodellen anderer Marken unterscheiden – und dennoch Und jetzt eben auch das wichtige Thema AVAS. Eigens dafür wurde ein Messmo- unmissverständlich klarmachen: Hier kommt ein Elektroauto.“ Und dazu müssen bil mit Akustiktechnologie ausgerüstet, mit dem die Soundingenieure von M Plan die neuen Fahrzeugklänge den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dafür müssen die Außengeräusche fahrender Autos objektiv evaluieren können. Der Gesetzgeber frisch komponierte Sounds immer auch objektiv bewertet werden. schreibt genau vor, bei welchen Geschwindigkeiten, bei welchen Wetterbedin- gungen und bei welchen Straßenverhältnissen die neuen Geräusche in welcher Dafür hat M Plan in den vergangenen Jahren eine umfangreiche Infrastruktur auf- Qualität zu hören sein müssen. Rund zehn Experten von M Plan – vom Sound- gebaut. Herzstück des neuen Akustikzentrums in Weissach sind zwei neue Prüf- komponisten Rüdiger Kränzlein über Akustikingenieure bis hin zum Mess- und stände, die ihresgleichen suchen in Deutschland. Im sogenannten Freifeldraum Absicherungsteam – arbeiten am AVAS-Projekt für einen großen deutschen Her- können einzelne Bauteile und Fahrzeugkomponenten bis zu einer Größe von steller. Derzeit befindet man sich noch in der ersten Phase. Und die bedeutet unter einem Kubikmeter auf ihr akustisches Schwingungsverhalten überprüft und ver- anderem: Rüdiger Kränzlein sammelt Samples. Wer also demnächst einen dunkel messen werden. Der Raum ist komplett körperschallentkoppelt, wurde daher auch gelockten Mann mit Aufnahmegerät in den Wäldern rund um Weissach sichtet, der vom TÜV nach der Genauigkeitsklasse 1 zertifiziert, dem höchstmöglichen Level für ist Zeuge eines wichtigen Kapitels einer neuen Mobilitätsära. Eventuell. Denn es Akustikprüfstände. Dazu gibt es einen zweiten Prüfstand, einen rund 100 Quad- könnte auch sein, dass die gesammelten Soundschnipsel nicht in das künstliche ratmeter großen Halbfreifeldraum, in den Fahrzeuge bis zur Größe eines 3,5-Ton- Fahrgeräusch eines künftigen Elektroautos verwandelt, sondern Teil eines neues ners zur Akustikdiagnose einfahren können. M Plan wird damit dem gesteigerten Technotracks von Rüdiger Kränzlein werden. // 6 MOBILITY WORLD / 1.20
7.500 Zentimeter hoch – oder eher: niedrig – ist der japanische Super- 99 sportwagen Aspark Owl – und damit lediglich eine Handbreit höher als ein normaler Schreibtisch. Der japanische Hersteller Aspark feiert den Zweisitzer daher als „tiefstes Hypercar mit Straßenzulassung“. Und es gibt noch weitere Superlative, die den Elektrorenner auszeichnen, von dem in diesen Wochen die ersten Exemplare ausgeliefert werden sollen: Der Sprint von -mal ins Auto ein- und wieder aussteigen – das erledigt „Robutt“ 0 auf Tempo 100 soll in 1,69 Sekunden gelingen, die Leistung in nur drei Tagen. „Robutt“ ist der Spitzname eines neuen Roboters der insgesamt vier E-Maschinen addiert sich auf 2.012 PS (1.480 im Sitzlabor des Ford-Entwicklungszentrums in Köln-Merkenich – kW) und die Höchstgeschwindigkeit soll jenseits von 400 km/h „butt“, das ist Englisch und bedeutet so viel wie Hinterteil. Mit dem liegen. 50 dieser Ausnahmeautos sollen gebaut werden – zum Drei-Tage-Test simuliert der Automat die zehnjährige Nutzung ei- Stückpreis von umgerechnet 2,9 Millionen Euro netto. nes Autositzes. Wenn der Sitz auch nach dieser Tortur noch gut und neuwertig aussieht, haben die Entwickler ihren Job erledigt. Denn darum geht es: Sitze und Sitzbezüge zu entwickeln, die auch nach jahrelanger Beanspruchung so gut wie keine Verschleißerschei- nungen zeigen. Um selbst das Einsteigen eines durchgeschwitzten Freizeitsportlers zu simulieren, wird „der Sitzstempel des Roboters auf 36° Celsius erhitzt und mit 450 Milliliter Wasser getränkt“, teilt Ford mit. „Robutt“ kam erstmals bei der Sitzentwicklung für den neuen Ford Fiesta zum Einsatz. 500.000 Batteriesysteme sollen ab 2021 jährlich im VW- 5 Werk in Braunschweig M NUMBERS produziert werden. Ge- Elektromotoren stecken im Rigitrac SKE 50 Elec- baut werden sie für den modularen Elektronikbaukasten MEB, auf tric, dem ersten vollelektrischen Serientraktor dem auch das Elektroauto VW ID.3 basiert. Dafür investierte Volks- der Welt. Der E-Traktor ist eine Entwicklung der wagen an dem niedersächsischen Standort 300 Millionen Euro in Schweizer Firma Rigitrac in Küssnacht am Fuße eine neue Fertigungshalle. Sie misst 40.000 Quadratmeter – das ent- des Bergmassivs Rigi. Das Fahrzeug soll dazu spricht der Größe von mehr als sechs Fußballfeldern – und wurde in beitragen, die CO2-Emissionen in der Landwirt- weniger als zwei Jahren errichtet. Seit der Eröffnung im November schaft zu senken. Während zwei E-Maschinen 2019 werden dort Batteriesysteme in drei Varianten produziert – mit – eine an jeder Achse – den Trecker bewegen, Speicherkapazitäten von 45, 58 oder 77 kWh. Der Standort Braun- sind die anderen für den Antrieb von Geräten schweig soll zum Konzernzentrum für Batteriesysteme werden. In zuständig, etwa Schneidwerke, Heuwender oder Sämaschinen. Als Braunschweig übrigens wurde 1938 das erste Volkswagenwerk der Stromspeicher kommt eine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Ka- Welt eröffnet. pazität von 80 kWh zum Einsatz, die fünf Stunden Arbeitszeit mit dem E-Traktor ermöglicht. Die Leistungsdaten des Traktors: 68 PS (50 kW) entwickeln die Traktionsmaschinen, je 31 PS (23 kW) die Maschinen an den Zapfwellen. Euro sind eine Stange Geld für einen kleinen Lieferwagen. Doch 70.000 umgerechnet kostet das Modell Morris JE der britischen Firma Mor- ris Commercial tatsächlich so viel. Der Grund: Es handelt sich um einen Elektrotransporter im Oldschool-Look. Optisch ist das Modell dem Morris J-Type nachempfunden, der von 1949 bis 1961 produ- © Rinaldi Fabio, Rigitrac, Kai-Uwe Knoth, Morris JE ziert wurde. Mit der Einstellung des J-Type verschwand auch die Marke, jetzt erlebt sie ihr Revival. 2017 erwarb eine Chinesin das Unternehmen, das erste Produkt nach dem Neustart ist der Elek- trolieferwagen, der komplett in Großbritannien entwickelt wurde und künftig auch dort gebaut werden soll. Im Prototyp steckt eine Lithium-Ionen-Batterie, die eine Reichweite von 320 Kilometern ermöglicht, als Nutzlast gibt der Hersteller eine Tonne an. Ab 2021 soll der elektrische Minilaster im klassischen Look auf den Markt kommen. MOBILITY WORLD / 1.20 7
DIE NEUEN HOTSPO Berlin, Tel Aviv, Las Vegas – und die kleine Insel Porto Santo: Hier wird die Mobilität der Zukunft geplant. Die drei großen Branchentrends autonomes Fahren, Konnektivität und Elektromobilität schaffen neue Hotspots der Automobilindustrie jenseits von Detroit, Wolfsburg und Co. Ein Überblick. BERLIN Einwohner: ca. 3,6 Millionen Auf der weltweit ersten innerstädtischen Teststrecke für autonomes Fahren auf der „Straße des 17. Juni“ fallen täglich 50 Terrabyte Daten an. LAS VEGAS PORTO SANTO Einwohner: ca. 650.000 Auf dem berühmten „Strip“ Einwohner: ca. 5.500 in der Wüstenmetropole sind Für die rund 1.100 Autos aktuell 30 autonome Taxis – auf der Insel gibt es eine noch mit Sicherheitsfahrer an Tankstelle, für die bislang Bord – unterwegs. 20 E-Autos sind es bereits 40 Ladepunkte. TEL AVIV Einwohner: ca. 450.000 1993 eröffnete die „Central Bus Station“, damals der größte Busbahnhof der Welt. Inzwischen sind auch Straßenbahn und Metro im Bau. 8 MOBILITY WORLD / 1.20
OTS // Die Straßen sind verstopft, die Bahnen überfüllt: Wenn die Consumer Electronics Show (CES) regelmäßig Anfang Januar in Las Vegas die Tore für die Messebesucher öffnet, steht die Stadt vor dem kompletten Verkehrskollaps. Seit Jahren steigen die Besucherzahlen. Auf dem Messegelände laufen nun die Bauarbeiten für ei- Der französische Autofabrikant Renault stellt E-Autos zur Verfügung, die als fah- rende Stromregulierer eingesetzt werden. Die Elektroautos können also nicht nur Strom tanken, sondern bei Bedarf auch selbigen wieder ins Netz einspeisen, um so Stromschwankungen auszugleichen. Zusätzlich werden auf der Insel auch alte E-Auto-Akkus zur Netzregulierung eingesetzt. „Porto Santo ist ein Labor“, fasst Eric Feunteun, Leiter der Elektroautosparte bei Renault, zusammen. Zwanzig Elek- troautos stellten die Franzosen bereits zu Projektbeginn im Winter 2018 zur Verfü- gung. 2020 sollen es mehr als 100 sein. Auch der Sonnenstaat Kalifornien an der US-Westküste rückt immer mehr in den Fokus der Autobranche. Das Silicon Valley gilt seit jeher als Hightechstandort Num- nen unterirdisch fahrenden autonomen Schnellzug. Er soll das Verkehrschaos bei mer eins. IT-Unternehmen wie Google und Apple haben dort ihren Firmensitz. der nächsten CES, Anfang 2021, entzerren. Ein prestigeträchtiges Projekt, denn die Auch sie entdeckten im letzten Jahrzehnt die Mobilität für sich. In der Bay Area, Elektronikmesse selbst hat sich zunehmend auch zu einer Plattform entwickelt, der Metropolregion rund um San Francisco, testen Google und Apple seit einigen auf der Konzepte für intelligente Mobilität vorgestellt werden. Und Las Vegas ist Jahren autonom fahrende Fahrzeuge. Google gründete dafür 2016 eigens das Un- ein Hotspot der Automobilindustrie – so wie Berlin, San Francisco oder eine neu ternehmen Waymo. Seit April 2018 sind in Kalifornien autonome Autos auf den geplante Stadt in der Mongolei. Straßen zugelassen, bei denen kein Fahrer mehr hinter dem Lenkrad sitzen muss. Das macht den Bundesstaat für Mobilitätsanbieter attraktiv. Auch deutsche Firmen Wurden auf der CES in Las Vegas früher hauptsächlich neue Fernseher, innova- haben die Gegend für sich entdeckt. Am Südufer der Bay Area, in der Millionen- tive Kaffeemaschinen und Computersysteme gezeigt, hat sich die Messe mittler- stadt San José, starteten Mercedes und Bosch im Dezember 2019 einen fahrerlo- weile zu einem Hotspot der Automobilindustrie entwickelt. „Die Branche muss sen, appbasierten Mitfahrservice. Dass Projekte mit autonomen Fahrzeugdiensten unter Beweis stellen, dass sie die aktuellen ausgerechnet in solchen Großstädten durchgeführt werden, ist kein Zufall: „Die und künftigen Herausforderungen be- größeren Städte garantieren solchen Tests zum einen mehr Sichtbarkeit. Dort sind züglich der Umwelt und des Ver- aber auch eine größere Zahl und Vielfalt an Nutzerinnen und Nutzern erreichbar kehrs meistern kann“, sagt Stefan als in suburbanen oder ländlichen Räumen“, sagt Barbara Lenz, Leiterin des Insti- Reindl, Direktor des Instituts für tutes für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). M REPORT Automobilwirtschaft. Das tue sie besonders gern an „prestige- START-UP-PARADIES TEL AVIV trächtigen Standorten“. Die Consu- Auch auf der anderen Seite des Atlantiks werden autonome Fahrzeuge in Groß- mer Electronics Show ist einer dieser städten getestet. Seit Frühling 2019 fahren auf einer insgesamt neun Kilometer Standorte. Daimler stellte dort vor zwei langen Testrecke fünf E-Golfs vollautomatisiert im Hamburger Straßenverkehr – ein Jahren erstmals sein Infotainmentsystem Projekt von Volkswagen. In Kürze sollen auch autonome Busse durch die Hafencity, MBUX vor. Und Kias elektrischer Kompakt-SUV Hamburgs neuen Vorzeigestadtteil, fahren. „Das wird ein Thema für alle großen e-Niro feierte bei der CES 2019 in Los Angeles Metropolen der Welt werden“, war sich Hamburgs Wirtschaftssenator Michael sogar Weltpremiere. In Las Vegas, genau wie an Westhagemann bei der Projektvorstellung im Sommer 2019 sicher. In Estland ist anderen Standorten, stehen dabei für Stefan Reindl man der gleichen Meinung. Bereits seit 2017 ist dort am Rande der estnischen „Themen rund um die üblichen Branchenschwerpunkte Hauptstadt Tallinn ein autonomer Minibus im Einsatz. Und natürlich fahren auch in wie Konnektivität, innovative Assistenzsysteme und auto- Chinas Riesenmetropolen bereits fahrerlose Busse durch die Straßen: etwa in der nomes Fahren sowie alternative Antriebe im Mittelpunkt“. Stadt Zhengzhou. Weitere Projekte sind in den Städten Peking und Wuhan geplant. Ein weiterer Hotspot entwickelt sich im Nahen Osten, in Tel Aviv. Autohersteller BERLIN HAT AUSSAGEKRAFT wie VW, Skoda, Ford, BMW und Nissan setzen dort auf die Zusammenarbeit mit Ende des vergangenen Jahres etwa wurde bekannt, israelischen Start-ups. Sie wurden vielfach von ehemaligen Militärbediensteten ins dass der Elektroautohersteller Tesla in der Nähe Leben gerufen und planen seitdem die Zukunft der Mobilität. von Berlin eine neue Produktionsstätte für seine Stromer errichten wird. „Berlin hat Aussage- Mittlerweile werden schon Städte skizziert, in denen der private Pkw gar keine kraft, und die passt zu einer Premiummarke Rolle mehr spielt. In der Mongolei etwa wird eine Entlastungsstadt für die mon- wie Tesla“, so Ferdinand Dudenhöffer, Profes- golische Hauptstadt Ulan-Bator geplant. Sie trägt den Namen Maidar „Eco“ City. sor für Automobilwirtschaft an der Universi- Im Verkehrskonzept werden Autos nicht weiter berücksichtigt. Stattdessen sollen tät Duisburg-Essen. Das große Interesse am elektrisch betriebene, autonome Kabinenfahrzeuge, ein sogenanntes Public Rapid elektrischen Antrieb hatte es zuvor überhaupt Transit System, die Menschen von A nach B bringen. In der Planstadt Masdar City erst ermöglicht, dass sich Tesla binnen weni- in Abu Dhabi sollte der Public Rapid Transit sogar Fortbewegungsmittel Nummer ger Jahre auf dem Herstellermarkt etablierte. eins werden. Bislang fährt der autonome Kabinenzug dort allerdings nur auf einer Doch nicht nur Deutschlands Hauptstadt pro- 1,4 Kilometer langen Teststrecke zu Demonstrationszwecken. 2008 geriet der Bau fitiert vom Elektroboom. Auch die kleine Insel wegen der Finanzkrise ins Stocken. Die Arbeiten in den Emiraten laufen inzwischen Porto Santo soll künftig durch E-Mobilität auf- aber wieder. 2030 soll die Modellstadt fertig, der Kabinenwagen bis dahin weiter gewertet werden. ausgebaut sein. Auch in den USA gibt es Pläne für den Bau einer Modellstadt, das Projekt trägt den vielsagenden Namen „Smart City“. Microsoft-Gründer Bill Gates Bisher gilt die nordöstlich von Madeira gelegene portugiesische Insel als Urlaubs- kaufte dafür Ende 2017 eine Fläche in der Wüste Arizonas auf. „Ob und inwieweit geheimtipp im Atlantik. Das kleine Eiland misst gerade mal die Hälfte der Insel damit die Verkehrsprobleme von heute und morgen gelöst werden können, lässt Sylt, will aber dennoch Großes erreichen – und die erste „smarte, fossilfreie In- sich momentan nicht sagen. Das sind Experimentierfelder jenseits der Alltagsbe- sel“ Europas werden. Der Strom soll ausschließlich durch den Einsatz erneuer- dingungen, wie wir sie in unseren Städten derzeit vorfinden“, fasst Verkehrsfor- barer Energien gewonnen werden. Dafür setzt Porto Santo auf Elektromobilität: scherin Lenz zusammen. // MOBILITY WORLD / 1.20 9
„DER VERBRENNER IST DIE FILMROLLE DER AUTOINDUSTRIE“ Lars Thomsen ist einer der renommiertesten Zukunftsforscher weltweit. Er berät vor allem auch große Autohersteller bei strategischen Weichenstellungen. Im Interview mit der Mobility World erklärt Thomsen, warum der Durchbruch bei der Elektromobilität bisher auf sich warten ließ, weshalb künftig immer weniger Autos verkauft werden – und warum ihn Flugtaxis faszinieren. M INTERVIEW 10 MOBILITY WORLD / 1.20
// Herr Thomsen, Sie haben einmal in einem Vortrag vor Automobilmanagern ein Geständnis gemacht: Sie seien ein solcher Autoliebhaber, dass Sie bisweilen in Ihre Garage gingen, um Ihre Fahrzeuge zu streicheln. Welche stehen denn da? (lacht) Mittlerweile nur noch Elektroautos. Ein Tesla Model S und ein Model 3. Ich bin Vielfahrer und habe es gerne komfortabel. Wir haben dazu noch einen Renault Zoe, den fahren vor allem meine Frau und meine Tochter. Autoleidenschaft und Elektromobilität, passt das zusammen? Sogar sehr gut. Das Ziel ist ja, auch jene Autofahrer zum Umstieg zu bewegen, die leidenschaftlich gerne oder die von Berufs wegen sehr viel Auto fahren. Auf mich trifft beides zu. Ich war schon als kleiner Junge extrem autobegeistert. Ich konnte mit vier, fünf Jahren bei jedem Auto Marke, Typ und korrekte Zylinderzahl nennen. Diese Leidenschaft habe ich mir bis heute bewahrt. Dazu gehörte aber immer auch Zukunftsforscher Lars Thomsen über Drohnentaxis: „Diese Konzepte sind viel das Interesse an Innovationen. Ich war zum Beispiel fasziniert vom ersten TDI-Mo- realistischer, als viele denken.“ tor. Heute begeistert mich die Elektromobilität. Müssen Sie das jetzt nicht sagen, weil Sie viele Automobilunternehmen in Zu- Auch das hört man seit Jahren. kunftsfragen beraten und dann hier nicht den Spaß am Fahren mit einer klassi- Richtig. Aber jetzt kommen die wirklich spannenden Produkte. Ein Trend nimmt schen Limousine propagieren dürfen? dann Fahrt auf, wenn das Neue keinen Verzicht mehr bedeutet, sondern Vortei- © orma Mueller Photography Ganz sicher nicht. Die Elektromobilität bedeutet heute tatsächlich keinen Verzicht le. Vorteile, die nicht nur die Vernunft ansprechen, sondern auch die Emotionen: in Sachen Fahrspaß oder Alltagstauglichkeit mehr. Im Gegenteil: Elektromobili- wenn E-Fahren Spaß bringt – und dabei weniger kostet. Das Segment der Elektro- tät ist erwachsen geworden. Sie ist vernünftig – und ein gutes Elektroauto kann fahrzeuge ist das am stärksten wachsende am Markt. Dazu kommen die Nutzfahr- mehr Fahrspaß bieten als ein Auto mit Verbrenner. Das sage ich als PS-Freak. Vor zeuge. Ich bin mit vielen Kommunalverantwortlichen in Kontakt. Es ist erstaunlich, ein paar Tagen erst bin ich mit einem Mietwagen gefahren, einem neuen Modell wie viele jetzt ihren öffentlichen Nahverkehr auf Elektromobilität umstellen. Der mit starkem Dieselmotor. Ich hatte sie schon ganz vergessen, diese Dieselgedenk- Impulsgeber dahinter ist übrigens oftmals nicht der Umweltbeauftragte, sondern sekunde, bis der Turbolader volle Leistung bringt. Das gibt’s beim der Controller, der mal durchgerechnet hat, wie hoch die Gesamtkosten eines Elek- Elektrofahrzeug nicht. Da ist die Kraft in einem Wimpernschlag da. trobusses im Vergleich zum Dieselbus sind. Ich habe 400.000 Kilometer elektrisch hinter mir. Ich bedauere alle, die mit ihren Verbrennern fahren und glauben, sie hätten ein sport- Die Fridays-for-Future-Jugend demonstriert – und aus den Garagen der Par- liches Auto. lamente rauschen die Politiker in ihren schwarzen Verbrennerlimousinen. Und auch auf der IAA waren die Elektrofahrzeuge nicht in der Mehrheit. Müsste der Und doch kommt die Elektromobilität nicht recht in Schwung – Wandel nicht von oben vorgelebt werden? auch wenn die Hersteller eine Elektrooffensive nach der anderen Tatsächlich hat man den Eindruck, das Thema ist bei vielen Entscheidern noch nicht ausrufen. Sie sind Zukunftsforscher: Wann ist es denn nun so weit? so recht angekommen. Ein Phänomen, das man aus der Industriegeschichte kennt. Wir haben hier einen klassischen exponentiellen Trend. Zunächst Wie viele Schreibmaschinenhersteller haben es geschafft, Laserdrucker herzustel- ging es langsam los. Erste Pioniere stellten Produkte vor, die noch len, wie viele Kutschenbauer Automobile zu bauen? Im Amerikanischen gibt es den M INTERVIEW zu teuer waren und nicht so leistungsfähig wie das Original. Dann Ausdruck „to be kodaked“ in Anspielung auf das Unternehmen Kodak, das zwar kam der Punkt, wir nennen das den Tipping Point, an dem ein neu- die erste Digitalkamera entwickelte, aber trotzdem weiter auf die Filmrolle setzte er Hersteller in der Lage war, ein mindestens gleichwertiges Pro- und sich damit sein Grab schaufelte. Selbst ich habe mir 2001, zur Geburt meiner dukt mit der neuen Technologie anzubieten. Es dauerte dann aber, Tochter, noch eine Analogkamera aufschwatzen lassen. Die ersten zwei Jahre im bis weitere Anbieter ernsthaft nachzogen. Deswegen entstand der Leben meiner Tochter fehlen mir fotomäßig, weil wir die Negative nicht wieder- Eindruck: Mensch, wir reden seit Jahren von der Elektromobilität, finden. Sie sprechen zu Recht die IAA an. Ich war 2019 auch auf der Auto China in aber es tut sich nichts. Das ist wie mit den Reiskörnern auf dem Shanghai, da sah das Bild anders aus. Da parkten die Elektroautos in der ersten Schachbrett, deren Anzahl sich von Feld zu Feld verdoppelt. Vor fünf Reihe, Verbrenner und Hybride weiter hinten. Die deutsche Autoindustrie steht in Jahren waren wir hinsichtlich des Anteils an Elektrofahrzeugen bei Sachen Innovationsbereitschaft mit dem Rücken zur Wand. Der Verbrenner fährt den Neuzulassungen weltweit in den wichtigsten Märkten bei circa noch gut zehn Jahre? So eine Einstellung ist fatal. Ich sage Ihnen, der Verbrenner 0,2 Prozent, ein Jahr später bei 0,4, dann bei 0,8, dann bei 1,6 und ist die Negativfilmrolle der Autoindustrie. Er stirbt aus. Schneller, als viele glauben. derzeit bei rund 3,2 Prozent. In dieser Logik dürften wir 2020 locker über die Fünf-Prozent-Hürde kommen und das Jahr danach sogar Ihre Tochter müsste jetzt 18 oder 19 Jahre alt sein … zweistellige Prozentzahlen sehen. Ja, sie hat gerade ihren Führerschein gemacht. Sie gehört zur Generation, die sich vielleicht kein Auto mehr kauft, sondern lie- ber ein Mobilitätsabo. Auch das wird eine neue Herausforderung für die Herstel- ler: Kunden, die nicht kaufen. Zumindest keine Hardware. Und das ist nicht böse gemeint von unseren Kindern. Da wird nicht aus Protest Konsumverzicht geübt. Kommende Generationen werden LARS THOMSEN ein komplett anderes Nutzungsverhalten haben. Dazu gehört auch ein neuer Zu- gehört zu den weltweit führenden Zukunftsforschern. gang zur Mobilität. Es ist nicht lange her, da musste man, um ein Auto zu mieten, Der Gründer der Unternehmensberatung „future mat- ins Reisebüro gehen! Heute fragt man über ein soziales Netzwerk, wer kommt mit ters“ gilt als einer der einflussreichsten Experten für die ins Konzert von Ariana Grande, dann bestellt man sich über eine Handyapp ein Zukunft der Energie, Mobilität und Smart Networks. Seit Auto oder einen Shuttle-Ride. Wir kennen das vom Musikgeschäft. Die Kunden seinem 22. Lebensjahr berät Thomsen, Jahrgang 1968, wandern vom CD-Handel zu Streamingdiensten wie Spotify. Man hört Musik, die Firmen, Konzerne, Institutionen und regierungsnahe man nicht besitzt. So wird es kommen mit der Mobilität: Man fährt Autos, die man Stellen in Europa bei der Entwicklung von Zukunftsstra- nicht besitzt. tegien und Geschäftsmodellen der Zukunft. Mittlerweile gehören mehr als 800 Unternehmen zu seiner per- Hat die Industrie verstanden, was auf sie zukommt? sönlichen Referenzliste, darunter derzeit Audi, BMW, Wir registrieren eine große Verunsicherung. Es geht ja nicht nur um die Frage, wel- cher Antrieb ein Auto zukünftig antreibt. Vielmehr muss man im gleichen Atemzug Daimler, Porsche, Tesla, Volkswagen und Hyundai. fragen: Wie autonom fährt ein Fahrzeug? Wird der Mensch noch selbst lenken? Wer besitzt die Fahrzeuge? Da wirken mindestens drei disruptive Megatrends auf die Industrie. Das erfordert enorme Investitionen. Und den Umbau der Organi- sationsstruktur. Man benötigt neue Talente, frisches Know-how. Zukünftig ent- MOBILITY WORLD / 1.20 11
Ein Tesla Model S – ein E-Auto dieses Typs fährt auch Zukunftsforscher Lars Thomsen. M INTERVIEW scheidet nicht die Kompetenz beim Bau von Türgriffen oder Getrieben. Es geht damit die sich ein halbes Jahr später auf der anderen Seite wieder einarbeiten um Softwarekompetenzen. Um Sensoren, um Batterien. Um Dinge, von denen müssen. man bisher wenig Ahnung hatte. Das schürt Zweifel über den richtigen Weg. Abwarten und schauen, was passiert? Nicht die beste Strategie. Alle Optionen of- Sie reisen viel, um die „leisen Signale“ zu erspüren, aus denen sich neue Trends fenhalten und neue Verbrenner, E-Motoren, Plugin-Hybride und Brennstoffzellen entwickeln. Was ist Ihnen da zuletzt aufgefallen? entwickeln? Oder das Entwicklungsbudget lieber konzentriert in nur jeweils eine Wir suchen Protagonisten auf, interessante Gründer und Forscher, die ein neues Technologie stecken? Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase. Manager Konzept oder ein neues Paradigma verfolgen. Der beste Weg, die Zukunft voraus- müssen die Frage beantworten: Wenn eine Technologie sich in fünf Jahren global zusagen, ist, mit den Menschen zu reden, die sie gestalten. Was mich besonders durchsetzt, sind wir dann bereit? Fünf Jahre, das sind nur 260 Wochen. Das geht interessiert, ist das neue große Thema Servicerobotik. Nicht nur in Transport und schnell. Logistik verändert das vieles. Das betrifft auch das Liefer- und Zustellgeschäft. Ro- boter werden uns Pakete nach Hause liefern. Die Onlineeinkäufe aus dem lokalen Wie wird sich die Mobilität in den kommenden zehn Jahren wandeln? Wie wird Supermarkt rollen zu uns, während wir schon beim Kochen sind. Auch das ist sich Ihre Tochter fortbewegen, wenn sie 28 Jahre alt ist? Mobilitätsgeschäft. Zu Weihnachten und Ostern wird sie uns hoffentlich zu Hause besuchen. Sie wird vermutlich in einem vollelektrischen, hoch automatisierten Level-5-fähigen Ri- In vielen Szenarien spielen auch Drohnentaxis eine Rolle. Ist das nicht Science- de-Sharing-Fahrzeug anreisen, denn sie will ja vielleicht ein Glas Wein mit uns Fiction? trinken. In zehn Jahren haben wir in den größeren Metropolregionen große Flotten Keinesfalls. Autonom fliegende Transportmittel sind eine sehr interessante Mobili- von autonomen Fahrzeugen. Das heißt nicht, dass alle Autos hoch automatisiert tätsform. Da gibt es bereits erste spannende Projekte. Das klingt futuristisch, aber fahren, aber es wird auch nichts Außergewöhnliches mehr sein. Als der Computer diese Konzepte sind realistischer, als viele denken. Da können Sie weit draußen im Mitte der Achtzigerjahre in die Büros kam, flogen ja auch nicht sofort alle Schreib- Bayerischen Wald oder oben an der dänischen Grenze leben, und trotzdem sind Sie maschinen heraus. Irgendwann aber ist der Punkt erreicht, an dem die Entwick- in 15 Minuten in München, Hamburg oder Kopenhagen. Rein technisch wären die lung kippt. Da benötigt keiner mehr eine Schreibmaschine, eine Filmrolle – oder Fluggeräte in fünf Jahren bereit. Natürlich müssen rechtliche, regulatorische und ein eigenes Auto. Verdient wird künftig über die Lebensdauer eines Fahrzeugs pro gesellschaftliche Aspekte geklärt werden. Elektrisches Fliegen aber kann Teile der Fahrt, nicht am Anfang mit dem Verkauf des Autos. individuellen Mobilität grundlegend verändern. Auch bezüglich verschiedener Mo- bilitätskonzepte leben wir ja in einem globalen Wettbewerb. Wenn Flugdrohnen Zusätzlich betreten neue Konkurrenten die Bühne … als Transportmittel zum Beispiel in den USA erlaubt werden und sich bewähren, Richtig. Man muss sich vom alten Konkurrenzmodell der Autoindustrie verabschie- dann wird man sie auch in Deutschland irgendwann nachfragen. Deutschland war den. Für Daimler, BMW oder Audi sind nicht länger die jeweils anderen Hersteller jahrzehntelang führend beim Thema Automobil. Das Auto aber wird irgendwann die Wettbewerber. Die wahre Bedrohung kommt von außerhalb. Das haben vie- nicht mehr so entscheidend sein für die Gestaltung der individuellen Mobilität. le zum Glück kapiert. Daimler und BMW entwickeln jetzt gemeinsam autonome Darauf – und auf die Optionen der Zukunft – muss man sich einlassen. Sonst läuft Fahrzeuge. Es macht eben keinen Sinn, sich gegenseitig die Experten abzuwerben, man hinterher. // 12 MOBILITY WORLD / 1.20
SCHWANENSEE IN SINDELFINGEN Simon Koch ist Account Manager von // Manche Entscheidungen sind das ganze Leben gültig – selbst wenn man sie sehr früh getroffen hat. Simon Koch traf sogar sehr, M Plan in Stuttgart. In seiner Freizeit spielt sehr früh eine Entscheidung, die bis heute Bestand hat, ja, die sogar der Automobilenthusiast Waldhorn – im seine Arbeit bei M Plan prägt. Im Alter von nur sechs Jahren war es. Simon Koch, heute Account Manager bei M Plan in Stuttgart, stand Daimler Sinfonieorchester. neben seinen Eltern in einer Musikschule. Dort wollte man ihn mit der Trompete vertraut machen, als logisches Upgrade nach ersten Versuchen auf der Blockflöte. Doch Simon Koch hatte eine andere Vorstellung von seiner weiteren Musikkarriere. Er zeigte auf ein Instrument daneben: das Waldhorn. Das war größer und sah inte- ressanter aus. Weder die Eltern noch der Musiklehrer konnten den kleinen Musiker in spe von seiner ungewöhnlichen Wahl abbringen. Und das war gut so: Bis heute ist Simon Koch, 27, begeisterter Wald- hornspieler. Das Instrument hat ihn durch die Schulzeit begleitet, durchs Studium, als er in Aachen Fahrzeugtechnik studierte und im Hochschulorchester spielte – und es nimmt heute im Job eine wichti- ge Rolle ein. Simon Koch ist Mitglied des Daimler Sinfonieorchesters, eines renommierten klassischen Laienensembles. Simon Kochs Augen leuchten, wenn er von seiner Leidenschaft spricht. „Ein paar fette Choräle rauszuballern, das macht Spaß.“ Das M PEOPLE sagt der sonst eher formvollendet formulierende Fahrzeugexperte mit solcher Inbrunst, als beschreibe er ein Schlagzeugsolo beim Me- tallica-Konzert. Seit einem guten Jahr ist er nun Mitglied des Ensem- bles, das 1979 von Siegfried Benz gegründet wurde und sich im Laufe von fast 40 Jahren von einem kleinen Kammerorchester zu einem vollständigen Sinfonieorchester mit heute rund 60 Laienmusikern entwickelte. Von den schwärmerischen Klängen des Schwanensees über die Stromschnellen der Moldau bis hin zu den Klangfüllen der Orgelsinfonien erarbeitet sich das Orchester immer wieder berühmte Werke großer Meister. Einmal pro Woche wird gemeinsam geprobt, am Wochenende stehen oft Auftritte an. Ein besonderes Highlight war im vergangenen Sommer ein Konzert zur „Biennale Sindelfin- gen“ in der neuen Factory 56 von Daimler, der weltweit modernsten Automobilproduktionshalle. Da trat das Orchester zusammen mit einem Chor, einer Big- sowie einer Rockband auf und spielte aus- SIMON KOCH nahmsweise keine klassischen Stücke, sondern Klassiker wie „Stair- ist Account Manager in der Niederlassung Stuttgart von way To Heaven“, „Final Countdown“ und „Bohemian Rhapsody“. M Plan und dort für seine Kunden erster Ansprechpart- „Ein Wahnsinnserlebnis“, sagt Koch. ner bei Themen wie Powertrain, Fahrwerk, Qualitäts- management und Nutzfahrzeuge. Der 27-Jährige kam Mit seinem Waldhorn gehört Simon Koch zu den Blechbläsern. Mit vor knapp zwei Jahren als Trainee zu M Plan. Zuvor drei weiteren Waldhörnern, zwei Trompeten sowie Posaunen und hatte er Fahrzeugtechnik in Aachen studiert und seine Tuba sorgt er für „warme Wohlklänge“ im großen Ensemble, wie Abschlussarbeit in Kooperation mit dem Unternehmen er sagt. Denn das macht für ihn vor allem die Faszination seines Streetscooter geschrieben. Seit seinem sechsten Lebens- Instruments aus: „Waldhörner sind die gute Seele eines jeden Or- chesters. Sie haben einen besonderen Wohlklang, vermitteln Emo- jahr spielt Koch Waldhorn – nach einer kurzen Karriere tionen und sorgen für Gänsehautmomente.“ Kaum eine Filmmusik, als Blockflötist. so Koch, komme deshalb ohne Waldhörner aus. Für den Account Manager erfüllt das Instrument dazu noch eine andere Funktion: Im Orchester spielt er auch mit Kollegen zusammen, die er sonst aus © Dieter Kühn, Morgenstern & Kaes LB Projekten, Meetings und Mitarbeiterbesprechungen kennt. „Das hilft im Zwischenmenschlichen“, sagt der musizierende Automobilexper- te. Tagsüber geht es dann etwa um Fragen des Qualitätsmanage- ments bei einem Fahrwerksprojekt – und abends wird Tschaikowskis Schwanensee geprobt. „Passt“, sagt Koch und lacht. Und man merkt, dass er einem besonders dankbar ist für diesen Werdegang: dem Sechsjährigen, der vor gut 20 Jahren eine wichtige Entscheidung traf. // MOBILITY WORLD / 1.20 13
NÄCHSTER HALT: ZUKUNFT Busse und Lkw von MAN sollen künftig emissionsfrei und sogar autonom fahren. Dafür testet das Traditionsunternehmen jetzt Technologien im Alltagseinsatz – ein neuer Elektrobus soll noch dieses Jahr in Serie gehen. M VIEW MAN fährt elektrisch: mit dem Stadtbus Lion’s City E sowie dem ebenfalls vollelektrischen Verteiler-Lkw eTGM. 14 MOBILITY WORLD / 1.20
Ein Hersteller, zwei Welten: MAN produziert auch Campingbusse sowie Transporterfahrgestelle mit Feuerwehraufbau – ein solches Exemplar wurde dem Feuerwehrkorps des Papstes in der Vatikanstadt gespendet. MAN ist einer der führenden europäischen Nutzfahrzeugher- steller und Anbieter von Transportlösungen mit jährlich rund elf Milliarden Euro Umsatz (2018). Das Produkt- portfolio von MAN Truck & Bus umfasst Transporter, Lkw, Busse, Diesel- und Gasmotoren sowie Dienstleistungen rund um Personenbeförderung und Gütertransport. MAN ist Teil der Traton SE und damit der Volkswagen AG. Das Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als // Der Schauplatz war gut gewählt. Vor der Kulisse der historischen Speicherstadt in Hamburg parkten zwei Exemplare des modernsten Elektrobusses der Welt un- 36.000 Mitarbeiter. Die Zukunftsthemen alternative ter der strahlenden Wintersonne. An diesem Ort hatte bereits im Jahr 1888 Kaiser Antriebe, Digitalisierung und automatisiertes Fahren Wilhelm II. die feierliche Eröffnung des damals weltgrößten Lagerhauskomplexes verändern in hohem Tempo Mobilität, Transport und im Freihafen der Hansestadt vorgenommen – ein seinerzeit wichtiges Kapitel ma- Logistik – wichtige Entwicklungsfelder auch für MAN. ritimer Mobilität. Kurz vor Weihnachten 2019 wurde ein weiteres wichtiges Kapitel Die Wurzeln von MAN gehen zurück bis ins 18. Jahrhun- moderner Verkehrsgeschichte begonnen. Das Unternehmen MAN übergab zwei dert. Das Unternehmen wurde einst als Maschinenfabrik rein elektrisch fahrende Stadtbusse des Modells Lion’s City E an die Hamburger Augsburg-Nürnberg gegründet – daher auch die drei Verkehrsbetriebe. Es sind die Vorreiter einer insgesamt 15 Fahrzeuge zählenden großen Buchstaben im Firmennamen. Demoflotte von Bussen, die sich in diesem Jahr in Metropolen in fünf europäischen Ländern im öffentlichen Nahverkehr bewähren sollen. www.mantruckandbus.com „Der Weg von ‚Low Emission‘ zu ‚No Emission‘ ist eine der großen Herausforde- rungen, denen sich Städte und Verkehrsunternehmen gegenübersehen“, erklärt Rudi Kuchta, Head of Business Unit Bus bei MAN Truck & Bus. „Insbesondere Im Rahmen einer „eMobility-Roadmap“ hat MAN neben den Fahrzeugen ein Ge- auch deshalb, weil für viele Kommunen und Betriebe das Thema des komplett samtkonzept aufgelegt, das Verkehrsbetrieben auf dem Weg in die emissionsfreie M VIEW emissionsfreien Verkehrs Neuland bedeutet. Um sie auf ihrem Weg bestmöglich Mobilität einen maximalen Mehrwert verspricht: MAN Transport Solutions bietet zu unterstützen, wird MAN Truck & Bus gemeinsam mit Kunden eine Demoflotte Betreibern von Bus- und Lkw-Flotten Beratung sowie individuelle Lösungsvor- des Stadtbusses MAN Lion’s City E im Alltagseinsatz betreiben und umfangreiche schläge für Betrieb, Infrastruktur, Service und Wartung rund um die Elektromobili- Praxiserfahrungen sammeln. „Die Übergabe der ersten beiden zwölf Meter langen tät. Darüber hinaus hat MAN begonnen, Service und Wartung für die E-Fahrzeuge Busse für jeweils bis zu 88 Fahrgäste erfolgte im Beisein von Hamburgs Erstem an die neuen Anforderungen anzupassen. „Mehr als 40 MAN-Servicestützpunkte Bürgermeister Peter Tschentscher. Der erklärte: „Die großen Herausforderungen in ganz Europa entsprechen bereits heute den Standards für elektrische Fahrzeu- moderner Metropolen im 21. Jahrhundert – Klimaschutz, Mobilität und digitaler ge. Unser Ziel ist, dass es bis zu 270 Werkstätten werden“, betont MAN-Manager Wandel – erfordern neue Technologien und kreative Lösungen. Die neuen Busse Rudi Kuchta. Das Thema Elektrifizierung treibt MAN seit Jahren an. Bereits 2010 sind Teil einer strategischen Mobilitätswende. Die Zukunft der Mobilität ist um- wurde der erste Hybridbus ausgeliefert. Seitdem hat MAN rund 800 Busse des weltfreundlich und komfortabel.“ Modells Lion’s City Hybrid verkauft und umfassende Erfahrungen in den Bereichen Engineering, Produktion und Service gesammelt. Mit der Entwicklung des neuen Elektrobusses für den öffentlichen Nahverkehr re- agiert MAN auf den steigenden Bedarf von Kommunen, Städten und Gemeinden Und nicht nur beim Thema Elektromobilität startet MAN in die Zukunft. Auch bei an nachhaltigen, umweltbewussten Mobilitätslösungen. Der Lion’s City E fährt da- den wichtigen Trenddisziplinen automatisiertes Fahren und Konnektivität spielt her vollkommen emissionslos. Der vollelektrische Antriebsstrang leistet 160 kW bis das Unternehmen mit. So wird derzeit ebenfalls in Norddeutschland ein innovati- maximal 240 kW. Die Energie dafür stammt aus den modularen Batterien mit 480 ves Forschungsprojekt verwirklicht. MAN Truck & Bus, die Hamburger Hafen und kWh installierter Kapazität. MAN kann hierfür auf bewährte Batteriezelltechnolo- Logistik AG und die Spedition Weets aus Emden erproben im Rahmen des Projekts gie aus dem Konzernbaukasten zurückgreifen. Für eine praxisnahe Verfügbarkeit „TruckPilot“ die Möglichkeiten für Automatisierungslösungen im Straßentransport. der Leistung zu jeder Jahreszeit sorgt ein innovatives Temperaturmanagement. Der Dabei sollen Standards für autonom fahrende Lkw in Methodik und Praxis definiert Lion’s City E erreicht damit zuverlässig eine Reichweite von 200 Kilometern, unter werden. Ab Juli 2020 folgt die Praxisphase, bei der das System im kundennahen günstigen Bedingungen sogar von bis zu 270 Kilometern. Die ersten Kundenfahr- Einsatz mit zwei voll automatisierten Lastwagen getestet wird. Dabei dient ein zeuge aus der Serienproduktion des MAN Lion’s City E sollen bereits im zweiten mehr als 70 Kilometer langer Straßenabschnitt als Teststrecke. „Während der Fahr- Halbjahr 2020 ausgeliefert werden. ten ist ein Sicherheitsfahrer ununterbrochen anwesend und kann jederzeit ein- greifen“, sagt Bernd Kelsch, Projektleiter der Spedition Weets. „Er wird außerdem MAN hat sich, entsprechend der Nachfrage auf Kundenseite, in den vergangenen darüber berichten, wie das Fahrzeug auf Witterungen und Baustellen reagiert, da- Jahren von einem traditionellen Nutzfahrzeugehersteller zu einem der führenden mit das System verbessert werden kann.“ Für die Logistikbranche wären autonom Anbieter nachhaltiger Mobilitätslösungen entwickelt. Nicht nur für Busse, sondern fahrende Trucks eine bedeutende Entwicklung. Durch den ohnehin herrschenden auch für Lkw und Vans bietet MAN zukunftsweisende Konzepte in puncto Elektro- Fahrermangel falle es immer schwerer, die Lkw zu besetzen, so Kelsch. Außerdem mobilität. So hat MAN Truck & Bus bereits Mitte September 2018 die ersten volle- würde Zeit gespart, da die Fahrer den Weg anders nutzen könnten. Die Projekt- lektrischen Verteiler-Lkw vom Typ eTGM ausgeliefert – unter anderem auch an Por- partner erhoffen sich von der automatisierten Lösung aber auch mehr Sicherheit sche, die ein Fahrzeug für die Werkslogistik am Produktionsstandort Zuffenhausen auf den Straßen, einen reduzierten Kraftstoffverbrauch und reibungsloseren Ver- nutzen. Mit dem eTGE hat MAN zudem zur IAA 2018 sein erstes Serien-E-Fahrzeug kehr. Mit der Konzentration auf innovative, umweltbewusste Themen will sich MAN © MAN Truck & Bus vorgestellt. Der Elektrotransporter überzeugt mit einer Reichweite von rund 160 für die Zukunft rüsten. Rudi Kuchta, Head of Business Unit Bus bei MAN Truck & Kilometern und, je nach Zulassung, mit einer Nutzlast von bis zu 1,75 Tonnen – be- Bus: „Die Themen E-Mobility und automatisiertes Fahren sind die Markttreiber der sonders praktisch also für die Logistik auf der „letzten Meile“. nächsten Jahre.“ // MOBILITY WORLD / 1.20 15
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