Rechenschaftsbericht 2016 - Förderstiftung Polaris
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Karl Steiner – Mitglied des Stiftungsrats Karl Steiner – Mitglied des Stiftungsrats Genau hinschauen lohnt sich – auch bei der Berufsbildung! Das duale Berufsbildungssystem der Schweiz ist erfolgreich – möchte, muss sein Produkt durch und durch kennen. Er muss wie und warum, ist wissenschaftlich noch nicht restlos ge- wissen, was es ist, wie und warum es funktioniert und weshalb klärt. Ein neuer Index misst die interaktiven Zusammenhänge es im anvisierten Markt seine Berechtigung haben soll. Bei in der Berufsbildung und macht sie damit besser verstehbar. Taschenmessern und Schokolade lassen sich diese Parameter vergleichsweise einfach klären – bei der Berufsbildung ist das Das gegenseitige Schulterklopfen liess unser Land vibrieren, als schon komplexer. «Dual = gut», diese Gleichung ist zu einfach. Bundesrat Johann Schneider-Ammann in den Jahren 2014 bis Vielmehr ist es sinnvoll, vor dem Export des dualen Modells 2016 mehrere Länder besuchte und von dort ein grosses Inte- genauer zu analysieren, ob – und ggfs. warum – es wirklich resse an der Schweizer Berufsbildung zurückmeldete. Unsere nachhaltig und umfassend gut ist. So rügt der anerkannte Be- tiefe Jugendarbeitslosigkeit macht Eindruck, unsere politische rufsbildungsexperte Rudolf Strahm den seit Jahren bekannten und wirtschaftliche Stabilität weckt Aufmerksamkeit – allenfalls quantitativen Mangel an selbstausgebildetem Pflegepersonal auch etwas Neid. Zweifellos haben an den Spitälern. Oder die defizitäre unsere soliden Verhältnisse mit der Berufsbildungskultur in der Gastro- guten Integration junger Menschen nomie, wo nur jeder zehnte Betrieb ins Erwerbsleben zu tun – vielleicht Lernende ausbildet. Oder das kurz- ist es aber auch umgekehrt. So oder sichtige – aus seiner Sicht egois- so, der Wirtschaftsminister machte tische – Zögern der IT-Branche, die unser bewährtes duales Berufs- Zahl der Informatikerlehrstellen zu bildungssystem flugs zum neuen erhöhen. «Wir sind gut» alleine ge- «Exportartikel» der Schweiz – und nügt hier nicht als Prädikat. uns einmal mehr glauben, wir seien berufen, anderen zu zeigen, wie’s Genau wissen, was – wie – warum geht. Sinngemäss solle «Swissness» Bekanntlich ist nicht alles Gold, künftig nicht nur mit Schokola- was als Gold angepriesen wird. Die de und Taschenmessern, sondern chemische – oder in Fragen der auch mit unserem Berufsbildungs- Berufsbildung die systemische – system assoziiert werden. Die Idee Analyse kann Klarheit schaffen. Ein eines Exportgutes «Know-how» neuer Index macht eine genauere mag mit Blick auf den Höhenflug Analyse möglich. Es ist der «KOF des Schweizer Frankens bestechen. Education-Employment Linkage Doch ist das wirklich so einfach? Index». Er analysiert und misst die Können wir die schweizerische Be- Zusammenarbeit der einzelnen rufsbildung tel-quel exportieren «Unsere Berufsbildung ist ein optimaler Mix zwischen Akteure und ermöglicht damit de- – ohne die strukturellen und men- der Theorie und der Praxis, wobei Swissavant als Berufs- taillierte Aussagen zu Stärken und talen Unterschiede von Ländern verband jeweils mit den überobligatorischen Kursen Schwächen innerhalb des Systems. und Völkern zu berücksichtigen? den beruflichen Feinschliff für die Lernenden für die Ein Augenmerk liegt dabei auf Nachdenken sei erlaubt. Ausbildungs- und Prüfungsbranchen liefert,» sagt Karl der Passung der von der Berufs- Steiner, Gründungsmitglied des Stiftungsrates der För- bildung vermittelten Inhalte und «Dual = gut» – Stimmt das? derstiftung polaris. Fähigkeiten mit den Bedürfnissen Der Erfolg des Schweizer Berufsbil- der Arbeitswelt. – Das dreistufige dungssystems wird oft seiner Dualität, also der Kooperation von Analysesystem hilft zu erkennen, welche Macht- und Partialinte- Bildung und Wirtschaft zugeschrieben: Die Praxis im Betrieb, die ressen die eine Seite (Bildungssystem) oder die andere Seite (Fir- Theorie in der Berufsschule, den Feinschliff im überbetrieblichen men und Verbände) einfliessen lässt. Und zwar beginnend bei Kurs des Branchenverbands. Dieses Zusammenwirken von ein- der Gestaltung der Ausbildung (Curriculum-Designphase) über zelnen Akteuren und Kompetenzbereichen ist sicherlich wert- die operative Umsetzung (Curriculum-Anwendungsphase) bis voll und vom Ansatz her richtig. – Doch: Wer etwas exportieren zur Evaluierung des Geschehens (Curriculum-Feedbackphase). Rechenschaftsbericht 2016 | 3
Karl Steiner – Mitglied des Stiftungsrats Wie eng, wie ausgewogen und wie kooperativ/kommunikativ nicht sein. Aber das Exportgut als solches hat sich bewährt – verhalten sich die einzelnen Akteure der Berufsbildung in den davon bin ich überzeugt. – Und mit dieser Überzeugung stehe jeweiligen Phasen? Wo gibt es Schwachstellen? Was liesse sich ich auch gerne hinter der Förderstiftung polaris. Sie verleiht verbessern? (Mehr dazu im folgenden Beitrag «Berufsbildung: nicht nur Anerkennungen und Preise in der Berufsbildung, son- Das Erfolgsrezept der Schweiz».) dern trägt mit ihren Veranstaltungen und weiteren Aktivitäten – eigentlich mit ihrer Existenz Komplexer als Schoggi und «Die Schweizer Berufsbildung ist auch schlechthin – zur Koppelung Messer im internationalen Vergleich stets auf unserer Berufsbildungsakteure Wir sehen am Beispiel des bei. Deshalb erlaube ich mir zum KOF-Indexes zur Koppelung einem Podestplatz!» Schluss doch noch eine verein- der Berufsbildungsakteure, fachende Gleichung. Nehmen dass die Gleichung «Dual = gut! – Ihr müsst es nur nachma- Sie sie zusammen mit einem Augenzwinkern entgegen, denn chen!» so einfach nicht gelten kann. Der Index vermittelt eine ich weiss, dass ich meinem Anspruch auf den genauen Blick für exakte Sicht auf die inneren Zusammenhänge eines komplexen Zusammenhänge und Wechselwirkungen damit nicht genüge. Systems, auf die Wirkung einzelner Determinanten und damit Ich schreibe trotzdem – für einmal – ganz einfach: «polaris = auch auf mögliche Herausforderungen bei der Adaptation in gut!» Und bedanke mich für Ihr wohlwollendes Verständnis! einem ausländischen System. Mit dem «KOF Education-Employ- ment Linkage Index», bzw. mit dem ihm zugrunde liegenden scharfen Blick für das Exportprodukt «Duale Berufsbildung» sehe ich die Chancen für Akzeptanz und Anpassbarkeit unserer Ansätze im Ausland als gestärkt. Süss wie Schoggi oder prak- tisch wie ein Taschenmesser wird der Export von Berufsbildung Karl Steiner, Mitglied des Stiftungsrats Curriculum-Designphase Curriculum-Anwendungsphase Curriculum-Feedbackphase Ausbildungsinhalte Lernort Informationssammlung Wer definiert Ausbildungsinhalte und Qualifika- Wie gross sind die Anteile Schule und Arbeits - Gibt es Befragungen von Arbeitgebern und tionsstandards, d. h., muss ein Lernender eine platz? Arbeitnehmern bezüglich der Auswirkungen von Maschine zusammenbauen oder nur den Unter - Ausbildungen? Findet ein Automechaniker halt durchführen können? Regulation des Arbeitsplatztrainings eine passende Stelle? Wie gut kann er ein Auto Wie wird die Qualität des Arbeitsplatztrainings reparieren? Prüfungsform sichergestellt – etwa durch einen Lehrplan für das Wer definiert die Prüfung, d. h. ob es eine prak - Arbeitsplatztraining? Aufdatierungszeitpunkt tische Prüfung gibt oder nicht? Wer definiert den Zeitpunkt zur Überarbeitung des Curriculums? Qualität des Koppelungsprozesses Beteiligen sich Firmen an den Kosten für die Wie gross ist der Anteil repräsentierter Firmen? Ausbildung? Sind Organisationen der Arbeit involviert? Ausrüstung Stellen Firmen Werkzeuge und Maschinen für die ) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT schulische Ausbildung bereit? Lehrpersonen Wie hoch ist der Anteil Lehrpersonen, welche den Fachunterricht nebenamtlich erteilen? Prüfungsdurchführung RENOLD ET AL. ( Wie stark sind Betriebe in der praktischen Prüfung involviert? 4 | Rechenschaftsbericht 2016
Berufsbildung Internationaler Vergleichs- und Stresstest Berufsbildung: Das Erfolgsrezept der Schweiz Das Schweizer Berufsbildungssystem kann sich international zu Recht sehen lassen: In einem neuen KOF-Index, der die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der Arbeitswelt und der Bildung misst, erzielt das Land hohe Werte. Dennoch gibt es Verbesserungspotenzial – beispielsweise bei den systematischen Firmenbefragungen. Folglich ist die Koppelungsintensität Abstract Die Berufsbildung der Schweiz rückt stärker in den Fokus ausländischer Staaten. Diese am höchsten, wenn Bildungs- und Be- möchten verstehen, warum die Schweiz die Jugend erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert. Dabei schäftigungssystem die Macht teilen, wird oft die Verbundpartnerschaft, also die Koppelung zwischen Akteuren des Bildungs- und des indem die Kommunikation zwischen Beschäftigungssystems, als wichtige Determinante für die Qualität von Berufsbildung genannt. den beiden Systemen optimiert wird. Allerdings besteht wenig Evidenz zur Frage, wie und wo Akteure aus dem Beschäftigungssystem Um die Koppelungsintensität zu sich im Bildungsprozess beteiligen sollten. Der «KOF Education-Employment Linkage Index» basiert messen, müssen die Prozesse identi- auf einem neuen Ansatz, der die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteurgruppen fiziert werden, in denen Akteure des in Berufsbildungsprozessen misst. Dadurch soll eine Diskussion über Stärken und Schwächen der Bildungs- und Beschäftigungssys- Berufsbildungssysteme angeregt werden. Die Forschungsergebnisse zeigen: Die Schweiz steht im tems miteinander kommunizieren internationalen Vergleich insgesamt sehr gut da. Verbesserungspotenzial gibt es beispielsweise können und sollen. Dafür wird das bei der Verfügbarkeit von Information bezüglich der Auswirkungen von Ausbildungen auf dem Konzept einer Wertschöpfungskette Arbeitsmarkt. über den Bildungsprozess hinweg ver- wendet. Diese sogenannte Curriculum Value Das internationale Interesse am dualen gungssystem nachgefragten Fähigkei- Chain unterteilt den Bildungsprozess Bildungssystem der Schweiz ist gross. ten überein, sodass ein sogenannter in drei Phasen: In der ersten – der Ausschlaggebend für den Erfolg ist Skills Mismatch entstehen kann. Wenn Designphase – werden der Lerninhalt, nicht zuletzt die Zusammenarbeit zwi- hingegen das Beschäftigungssystem die Qualifikationsstandards sowie die schen Unternehmen und Berufsschu- alle Macht aufweist, kippt die Balance, Prüfungsform definiert. In der darauf len. Was bedeutet diese «Koppelung» und es werden zu einseitig firmenspe- folgenden Anwendungsphase findet von Akteuren des Arbeitsmarktes und zifische Fähigkeiten vermittelt. die Ausbildung statt. der Berufsbildung? Wie kann sie gemessen werden? Ant- worten liefert der «KOF Education-Em- ployment Linkage Index»: Er basiert auf einem systemtheoretischen Ansatz und misst die Koppelungsintensität anhand einer Expertenbefragung in ausgewähl- ten Ländern. Die Koppelung der Bildungs- und Be- schäftigungssysteme bezieht sich auf die Qualität der Kommunikation zwi- schen den jeweiligen Akteuren. Daraus ergibt sich eine Relation zwischen dem Machtverhältnis von Bildungs- respek- tive Beschäftigungssystem und der Koppelungsintensität. Wenn das Bildungssystem alleine für Berufsbildung zuständig ist, stimmen die in der Berufsbildung erlernten Fähigkeiten nicht mit der im Beschäfti- Rechenschaftsbericht 2016 | 5
Berufsbildung In der Feedbackphase wird schliesslich geprüft, inwiefern gute Informationen Schweiz im Vergleich (nach Prozessen) zur Auswirkung von Ausbildungen auf Ausbildungsinhalt die Arbeitsmarktsituation von Jugend- Aufdatierungszeitpunkt 6 Prüfungsform lichen vorliegen. Dies gewährleistet eine evidenzbasierte Überarbeitung 5 der Curricula. 4 Ebenfalls untersucht wird, wer die Qualität des Entscheidung trifft und wann ein Curri- 3 Informationssammlung Koppelungs- culum überarbeitet werden soll. prozesses 2 Vergleich mit den Besten 1 Um die Koppelungsintensität empi- 0 risch zu untersuchen, wurden Berufs- bildungsexperten aus dem Bildungssy- Prüfungungs- Lernort durchführung stem, dem Beschäftigungssystem und der Wissenschaft in 20 Ländern befragt. Die Länder dieser Pilotuntersuchung wurden anhand zweier Indikatoren, ) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT welche auf erfolgreiche und arbeits- Lehrpersonen Regulation des marktorientierte Bildungssysteme hin- Arbeitsplatz- trainings deuten, ausgewählt: Einerseits sind dies Länder oder Gebiete wie Schanghai, Singapur, Hongkong und Südkorea, RENOLD ET AL. ( Ausrüstung die in der Pisa-Studie 2012 die besten Ergebnisse erzielt haben, also ein gut funktionierendes Grundbildungssy- Daraus resultieren beobachtbare Er- involviert sind oder ob Organisationen stem haben. Andererseits wurden Staa- gebnisse im Arbeitsmarkt, welche der Arbeitswelt die Informationen von ten wie die Schweiz, die Niederlande, schliesslich in der dritten Phase, der Firmen aggregiert einbringen. Dänemark und Deutschland gewählt, Feedbackphase, in den Bildungsprozess Die Anwendungsphase enthält insge- welche Höchstwerte im KOF Jugendar- einfliessen. samt sechs Prozesse: Die ersten beiden beitsmarktindex aufweisen. erfassen, wie wichtig der Arbeitsplatz In den sechs Fokusländern Dänemark, Koppelungsintensität anhand von 11 als Lernort ist und wie die Qualität der Hongkong, Niederlande, Singapur, Prozessen gemessen Ausbildung am Arbeitsplatz sicherge- Südkorea und Schweiz wurden im Das Konzept erlaubt es, in jeder Phase stellt wird. Durchschnitt 20 Experten befragt. In der Wertschöpfungskette die für die Drei weitere Prozesse messen, inwie- 12 Ländern gab es jedoch nur je ein Koppelungsintensität relevanten Bil- weit sich Akteure des Beschäftigungs- bis zwei Befragungen – weshalb diese dungsprozesse zu identifizieren (siehe systems in der schulischen Ausbildung Ergebnisse mit Vorsicht zu geniessen Abbildung 1, vgl. Seite 4). einbringen können. Dies kann durch sind. In zwei Ländern haben gar keine So werden in der Designphase die Kostenteilung, durch Lehrpersonen Experten geantwortet. In der Schweiz Prozesse untersucht, durch welche die oder durch das Einbringen von Ausrü- liegen Antworten von 59 Experten vor, Ausbildungsinhalte und die Prüfungs- stung wie zum Beispiel Maschinen und was einer Rücklaufquote von 57 Prozent form definiert werden. Zudem wird die Werkzeuge geschehen. entspricht. Sie stammen zu 39 Prozent Qualität der Koppelung geprüft, zum Der letzte Prozess erfasst, inwieweit Prü- aus dem Bildungssystem, zu 53 Prozent Beispiel anhand des Anteils repräsen- fungen sowohl am Arbeitsplatz als auch aus dem Beschäftigungssystem und zu tierter Firmen und ob einzelne Firmen in der Schule durchgeführt werden. 8 Prozent aus der Forschung. 6 | Rechenschaftsbericht 2016
Um einen Index der Koppelungsintensität zu berechnen, von Ausbildungen zu gewinnen. Zudem sollte untersucht ist es nötig, jeder Phase und jedem Prozess ein Gewicht werden, inwieweit Verbesserungspotenzial bezüglich des zuzuordnen. Einbezugs von Firmen in der Auswahl und Bereitstellung Aufgrund der explorativen Natur der Untersuchung ist es a von Ausrüstung, Werkzeugen und Maschinen im schulischen priori unklar, wie hoch diese Gewichte sein sollten, weshalb Unterricht besteht. Bei der Koppelungsqualität sehen die sie aufgrund der Antworten der befragten Bildungsexperten befragten Experten mögliche Verbesserungen in Bezug auf bestimmt werden. den Anteil repräsentierter Firmen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Designphase im Durchschnitt Allerdings werden die Schwächen im Direktvergleich mit Dä- mit 42 Prozent das höchste Gewicht erhält, gefolgt von der nemark relativiert, welches ebenfalls sehr gut abgeschnitten Anwendungsphase mit 34 Prozent und der Feedbackphase hat und für welches genügend Expertenantworten vorliegen, mit 24 Prozent. Bei den einzelnen Prozessen wurde der Auf- um eine Analyse dieses Detaillierungsgrades zu ermöglichen: datierungszeitpunkt (22,5%) am stärksten gewichtet, gefolgt Ausser bei der Qualität der Koppelung in der Designphase von der Definition der Ausbildungsinhalte (15,8%). Ebenfalls und bei der Bestimmung des Aufdatierungszeitpunktes ein hohes Gewicht erhielten die Koppelungsqualität (14,3%) des Curriculums in der Feedbackphase schlägt die Schweiz und der Zeitanteil, welche Studierende am Arbeitsplatz an- Dänemark in allen Dimensionen. stelle der Schule verbringen (13,2%). Zusammenfassend lässt sich feststellen: Schweiz überall über dem Durchschnitt Der «KOF Education-Employment Linkage Index» leistet Das höchste Gesamtergebnis hat Österreich erzielt. Aller- einen wichtigen Beitrag, die Koppelungsintensität zwischen dings ist das Resul tat nur bedingt aussagekräftig, da für das den Akteuren des Bildungs- und Beschäftigungssystems zu Nachbarland nur eine Beobachtung vorliegt. messen. Bildungsverantwortliche aus dem In- und Ausland Nur unwesentlich tiefer ist die Koppelungsintensität der erhalten dadurch ein Werkzeug. Der Index schafft somit eine Schweiz, gefolgt von Dänemark und Deutschland – alles Län- Diskussionsgrundlage für die Schwächen und Stärken von der mit einem ausgeprägten dualen Berufsbildungssystem. Berufsbildungssystemen. Hingegen liegen die südostasiatischen Pisa-Spitzenreiter Hongkong, Singapur, Südkorea und Japan bezüglich der Koppelungsintensität am Ende der Skala. Das mag ein Hinweis darauf sein, dass gute Schulleistungen Ursula Renold in der Grundbildung zwar eine notwendige, aber keine hin- Dr. phil., Leiterin Forschungsbereich reichende Bedingung für eine erfolgreiche Integration von Bildungssysteme, KOF Konjunkturfor- Jugendlichen in den Arbeitsmarkt ist. schungsstelle der ETH Zürich Für die Schweiz zeigen die Ergebnisse: Das Land liegt in den meisten der 11 Prozesse weit über dem Durchschnitt (siehe Abbildung 2). Ausnahmen sind die Bereitstellung von Ausrüstung in der schulischen Ausbildung sowie die Infor- Thomas Bolli mationssammlung. Dr. sc., Post-Doc, Forschungsbereich Hier schliesst die Schweiz lediglich durchschnittlich ab, und Bildungssysteme, KOF Konjunkturfor- der Abstand zur höchsten Ausprägung innerhalb der unter- schungsstelle der ETH Zürich suchten Länder ist sogar relativ hoch. Ebenfalls deutlich unter dem Höchstwert liegt die Schweiz bei der Koppelungsqualität in der Designphase. Dies deutet darauf hin, dass das schweizerische Berufsbildungssystem dahin gehend möglicherweise noch Verbesserungspoten- Nachdruck aus: Die Volkswirtschaft Ausgabe Nr 12/2016 zial hat. So sollte zum Beispiel eruiert werden, wie die Ver- knüpfung von administrativen Daten, die das Bundesamt für Statistik neuerdings bereitstellt, dazu genutzt werden kann, bessere Informationen bezüglich der Auswirkungen Rechenschaftsbericht 2016 | 7
Auszeichnung Lernende 2016 Lea Hanimann, Goldach Daniela Krähenbühl, Ranflüh Matteo Lancellotti, Chiasso Isabel Schön, Wädenswil Michelle Wanner, Luzern Eine ansprechende musikalische Umrahmung gab der 7. Preisverleihung 2016 im Hotel Radisson Blu, Zurich Airport, eine besondere Note. Frigerio SA, Locarno: Pro Table GmbH, St. Gallen: Stefano und Luca Poncini Christine und Roman Wehrle 8 | Rechenschaftsbericht 2016
7. Preisverleihung 2016 7. Preisverleihung der Förderstiftung polaris Förderstiftung polaris – Verdientes Lob für Bestleistungen 2015 Tradition oder (noch) nicht? Jedenfalls sind die Ehrungen der Förderstiftung polaris fester Bestandteil der Jahresver- sammlung von Swissavant. Der Einsatz in der beruflichen Bildung lohnt sich – für die jungen Fachleute genauso wie für die Ausbildungsbetriebe. Denn Qualifikation und Kompetenz zu erhalten und auszubauen ist ein Gemeinschafts- anliegen der ganzen Branche – die Förderstiftung polaris trägt dazu bei. Stiftungsratspräsident Christian dualen Berufsbildung zwar unbestrit- hochqualifizierte Führungskräfte. Das Fiechter eröffnete die Ehrungen mit ten sei, und dass sie mitunter sogar als kann ein Bumerang werden!» – Die von der Frage nach der Tradition. «Ist die möglicher Exportartikel für die Schweiz der Stiftung dezentral durchgeführten 7. polaris-Preisverleihung nun schon gehandelt werde. Aus der gleichen Ecke Feierabendseminare haben etwas an Tradition – oder nur gute Gewohnheit?» komme aber auch die Forderung nach Resonanz verloren. In der Folge wird Unbesehen der Sicht sei auf alle Fälle einer höheren Maturitätsquote, um mit in diesem Jahr nur ein zentralisierter wichtig, dass polaris keine Eintagsflie- andern Ländern gleichzuziehen und Anlass angeboten: polaris lädt am ge, sondern als fester Bestandteil ins im PISA-Ranking besser dazustehen. Nachmittag des 13. Juni 2016 zur Wei- Branchengeschehen und in die Akti- «Ich erachte eine höhere akademische terbildung in Sachen Jugend und Beruf vitäten von Swissavant eingebunden Maturitätsquote nicht nur als unnötig, nach Luzern ein. ist. In der Rückschau auf sieben Jahre sondern auch als Schwächung der du- Stiftungsarbeit hielt Fiechter fest, dass alen Berufsbildung. Mit mehr Berufsma- Auch die Besten können noch lernen die Wirkung der Arbeit nicht immer turitäten würde unsere Sicht aber auch Stiftungsrätin Frau Dr. h.c. Eva Jaisli messbar sei. «Aber viele Reaktionen statistisch mehr Gewicht bekommen.» ihrerseits zitierte in ihrer Laudatio die zeigen, dass unsere Arbeit geschätzt Fiechter appellierte deshalb an die Aus- aktuelle Studie «Berufsausbildung für wird und weit herum auf fruchtbaren bildungsbetriebe, ihren Lernenden den Europas Jugend» des Instituts der Deut- Boden fällt.» Besuch der BMS vermehrt zu ermögli- schen Wirtschaft in Köln. chen. Sei dies während oder nach der Berufsmatura fördern – Leadership Lehrzeit, denn: «Wenn unsere Jungen Danach hat die Schweiz gute Karten sichern keine Berufsmatura machen dürfen, punkto Image und Arbeitsmarktan- Fiechter schlug auch kritische Töne an. verwehren wir ihnen den Königsweg passung der Berufsausbildung, und bei Er stelle fest, dass die Bedeutung der zur Fachhochschule, und der Branche der Jugendarbeitslosigkeit weist unser Rechenschaftsbericht 2016 | 9
7. Preisverleihung 2016 Land Bestwerte in Europa aus. Dafür sei die Modularisierung und damit die flexible Abstimmung auf regionale und individuelle Bedürfnisse etwa in Grossbritannien besser, die Förderung leistungsschwächerer Jugendlicher in Schweden, Polen und Portugal. Gene- relle Defizite erkennt die Studie bei der Berufsberatung. «Wir sehen also: Auch die Besten können noch dazulernen!», so das allgemeine Fazit der Laudatio. Zwar nur auf die Ehrung der besten Lernenden des vergangenen Jahres bezogen, war die Botschaft auch für die Anwesenden klar und zutreffend: «Seien Sie stolz auf das Erreichte, aber ruhen Sie sich nicht darauf aus!» Eine wohlwollende Mahnung, die sich alle Die Gewinner der polaris-Auszeichnung als bester Ausbildungsbetrieb Haushalt, Ro- Teilnehmenden der 7. polaris-Preisver- man und Christine Wehrle (Pro Table GmbH, St. Gallen): leihung in der einen oder anderen Form «Der Haushalt sollte sich noch vermehrt bei der IG «dataPool» engagieren, damit unsere hinter die Ohren schreiben konnten. Lernenden auch mit den neuesten Technologien vertraut werden!» Als besten Ausbildungsbetrieb in der Sparte Haushalt ehrte die Förderstif- tung polaris die Firma Pro Table in St. Gallen. Die Inhaber, Roman und Christine Wehrle, konnten den Preis persönlich entgegennehmen. Im Sektor Eisenwaren darf sich die Firma Frigerio SA in Locarno mit der begehrten Auszeichnung schmücken. Hier nahmen die Herren Luca und Ste- fano Poncini den Preis entgegen. – Die Förderstiftung polaris übernimmt für beide Firmen die Ausbildungskosten gegenüber dem Verband für die oder den nächsten Lernenden während der gesamten Lehrzeit. Beide Betriebe be- kommen ein attraktives Zertifikat, mit dem sie die wohlverdiente Auszeich- nung im Verkaufsgeschäft prominent bekannt machen können. Die Gewinner der polaris-Auszeichnung als bester Ausbildungsbetrieb Eisenwaren, Bericht: Andreas Grünholz, Luca und Stefano Poncini (Frigerio SA, Locarno): «Wir bedanken uns bei polaris und Fotos: Alex Buschor Swissavant herzlich für den Preis. Vor allem aber danken wir unseren Lernenden. Sie haben mit ihrem Einsatz diesen Preis in unser Haus geholt!» 10 | Rechenschaftsbericht 2016
Die sichtlich stolzen PreiträgerInnen mit 2 Mitgliedern des Stiftungsrates am Schluss der Veranstaltung. Roman Wehrle, Eva Jaisli, Christine Wehrle, Daniela Krähenbühl, Lea Hanimann, Michelle Wanner, Stefano Poncini, Isabel Schön, Matteo Lancellotti, Luca Poncini, Christian Fiechter (v.l.n.r.). 5 plus 2 Gewinnerinnen und Gewinner – Die Frauen räumten ab Die polaris-Preise für gute Leistungen gingen an die folgenden jungen Leute, die ihre Ausbildung im Detailhandel mit Bestnoten im Qualifikationsverfahren (QV) und mit hohen Punktzahlen in den überbetrieblichen Kursen (üK) abge- schlossen haben: Daniela Krähenbühl Lea Hanimann Ausbildungsbetrieb Eisenwaren: Ausbildungsbetrieb Haushalt: Egger & Co. AG, Burgdorf Magazine zum Globus AG, St. Gallen Bester üK-Abschluss Eisenwaren, üK-Punkte: 90* Abschluss Detailhandelsfachfrau, Note 5,5 Isabel Schön Matteo Lancellotti Ausbildungsbetrieb Elektrofachhandel: Ausbildungsbetrieb Haushalt: Meier Elektro, Andelfingen Maxi Bazar Chiasso, Chiasso Bester üK-Abschluss Haushalt, üK-Punkte: 89,5* Abschluss Detailhandelsassistent, Note 5,5 Michelle Wanner Ausbildungsbetrieb Haushalt: Manor AG, Emmenbrücke Bester üK-Abschluss Haushalt, üK-Punkte: 89,5* *von möglichen 100 Rechenschaftsbericht 2016 | 11
Frigerio SA, Locarno Der polaris-Preis 2015 (Eisenwaren) geht nach Locarno «Wir sind familiär, aber auch anspruchsvoll» Viel Action, breites Fachwissen und eine familiäre Betreuung – das alles bietet die Detailhandelslehre bei der Frige- rio SA in Locarno. Und noch mehr: Motivierte Lehrabgänger können an einem Junior-Projekt mit Sprachaufenthalt teilnehmen. Die Firma ist deshalb von der Förderstiftung polaris zum «Besten Ausbildungsbetrieb 2015» des Eisen- waren-Fachhandels gekürt worden. Feierabend im grossen Frigerio Hand- nimmt offensichtlich einen wichtigen im zweiten Jahr. Seine Gefühlslage ist werkerzentrum in Locarno: Die letzten Platz ein bei der Frigerio SA. Und das, ganz im Sinne der Geschäftsleitung. Kunden haben sich in die kalte Winter- obwohl das Familienunternehmen heu- «Wir schätzen die Lernenden als voll- nacht verabschiedet, in den Verkaufs- te über 100 Mitarbeiter beschäftigt wertige Mitarbeitende, auch wenn sie räumen ist es ruhig geworden. Für die (siehe Infobox). noch in der Ausbildung sind», sagt drei angehenden Detailhandelsfach- Stefano Poncini, der das Unternehmen männer, die hier ihre Ausbildung ab- Mit einem Lächeln zur Arbeit in 4. Generation zusammen mit seinem solvieren, geht ein strenger Arbeitstag Die freundliche Aufnahme im Team älteren Bruder Luca führt. zu Ende. «Buonasera, Signor Poncini!», wird geschätzt von den derzeit sechs ruft einer der jungen Männer be- Auszubildenden der Firma – drei De- Das Wohlergehen und der Erfolg der schwingt und geht durch die Schiebe- tailhandels- und drei KV-Lernenden. Lernenden sind spürbar ein persön- tür nach draussen. Der angesprochene «Ich gehe jeden Morgen mit einem liches Anliegen der beiden Geschäfts- Geschäftsleiter hebt die Hand und Lächeln im Gesicht zur Arbeit. Ich fühle leiter. «Wir tauschen uns regelmässig grüsst freundlich zurück. Der familiäre mich bei Frigerio wie in einer Familie», mit den Ausbildnern aus, aber auch die Umgang – auch mit den Lernenden – sagt etwa Evan Ferrari, DH-Lernender direkte Kommunikation ist uns wichtig. Stefano und Luca Poncini, führen das Unternehmen in 4. Generation 12 | Rechenschaftsbericht 2016
Bei unseren Rundgängen durch die Firma suchen wir immer auch das Gespräch mit den Jugend- lichen», so Luca Poncini. Mehr Support nötig als früher Tauchen Probleme auf – in der Schule, im Betrieb oder privat – versucht man laut Luca Poncini, den Lernenden koordiniert zu helfen. In Krisen- situationen gewährt die Firma auch mal eine zweite Chance – so wie bei jenem Lernenden, der derzeit ein missratenes Lehrjahr wiederholen darf. Die Brüder Poncini sind überzeugt: Jugend- liche brauchen heutzutage auf dem Weg zum beruflichen Erfolg mehr Unterstützung als früher. Freizeitstress, familiäre Spannungen aber auch die grosse Auswahl an Ausbildungsmöglichkeiten würden viele überfordern. Phasenweise Lust- und Ziellosigkeit sei die Folge. Trotz dieser Schwierigkeiten will Frigerio die Leistung der Lernenden auf einem möglichst hohen Niveau halten. Zu diesem Zweck setzt man auf einen Mix aus Anreizen, Unterstützung und Anforderungen. «Wir sind zwar familiär im Umgang, aber auch anspruchsvoll und sprechen eine deutliche Sprache mit den Jungen», sagt Stefano Poncini. «Wir machen ihnen klar, dass das Berufsleben kein Spiel ist, sondern Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt bedeutet, in welchem es – wie im Sport – um Podestplätze geht». Die Anforderungen an die Frigerio-Lernenden ein Meeting für alle Lernenden des Betriebs. Themen von allgemeinem sind in der Tat hoch. Sie sollen sich in die Kultur Interesse wie Marketing, Logistik oder Sozialkompetenz stehen dabei eines Familienunternehmens integrieren, das sich auf dem Programm. Einzigartigkeit und Exzellenz auf die Fahne ge- schrieben hat. Im Handwerkerzentrum müssen die Rotation erweitert Horizont Detailhandels-Auszubildenden zudem lernen, die Bedürfnisse der Kundschaft – darunter mehrheit- Eine weitere Spezialität des Lehrbetriebs Frigerio bringt Francesco Papa- lich Profi-Handwerker – selbstständig und effizient dia – seit rund 20 Jahren Ausbildner im Handwerkerzentrum – auf den zu erfüllen. Ein Verständnis der Branche, Kenntnis Punkt: «Das Besondere an unserer Ausbildung ist die Tatsache, dass die der Prozesse im Betrieb und natürlich der gegen Auszubildenden im Geschäft rotieren können und dabei stets durch ei- 90 000 Produkte im Lager-Sortiment sind dazu nen Mitarbeiter betreut werden.» Die Rotation führt die DH-Lernenden unerlässlich, wie Stefano Poncini sagt. Damit die nicht nur durch die verschiedenen Bereiche des Handwerkerzentrums, Jugendlichen dieses Ziel erreichen, setzt Frigerio sondern auch ins benachbarte Frigerio-Fachgeschäft für Haustechnik. auf eine seriös geplante betriebliche Ausbildung mit regelmässigen Schulungen und Leistungs- Pro Lehrjahr verbringen sie rund sechs Monate im Handwerkerzentrum, kontrollen. Einmal im Monat gibt es zum Beispiel vier Monate in der Logistik und zwei Monate am Haustechnik-Verkauf- Rechenschaftsbericht 2016 | 13
Frigerio SA, Locarno spunkt. «In der Haustechnik kommen die Jugendlichen mit einer ganz anderen Branche in Kontakt. Sie spüren die Un- Frigerio: Branchen-Leader mit Tradition terschiede sofort, und die Job-Rotation macht ihnen Spass», Das Familienunternehmen Frigerio ist seit über 90 Jahren Teil sagt Stefano Poncini. Die Horizont-Erweiterung helfe den der Tessiner Firmenlandschaft. 1925 gründete Achille Frigerio Jungen auch dabei, ihre berufliche Zukunft zu planen. die gleichnamige Firma. 1931 eröffnete er an der Piazza Grande Abwechslung und jobrelevante Action sind wichtige Be- in Locarno ein kleines Eisen- und Haushaltswarengeschäft. Im standteile der Ausbildung bei Frigerio: Die DH-Lernenden gleichen Jahr zog er am Stadtrand eine Stahlhandlung auf. nehmen beispielsweise mit ihrem Team an internen und externen Verkäuferschulungen teil oder wirken bei den zwei 1946 übernahm sein Sohn Achille die Geschäftsleitung. Zu die- jährlichen Frigerio-Messen mit. «Solche Erfahrungen sind sem Zeitpunkt wurde im Stadtzentrum, ein neuer Firmensitz mit stimulierend und motivierend», ist Luca Poncini überzeugt. Laden gebaut. Auch die Stahlhandlung erfuhr in den Folgejah- ren einige bauliche Erweiterungen und wurde durch eine Biege- Innovatives Junior-Projekt rei für Armierungseisen ergänzt. 1968 übergab Achille Frigerio Eine grosse Motivation für die Jugendlichen ist zudem das die Geschäftsleitung seinem Neffen Achille Poncini. 1972 wurde 2007 gestartete «Progetto Junior»: Frigerio-Lernende mit Po- eine neue Biegerei mit Lagerhaus in Cadenazzo eröffnet. tenzial werden nach dem Lehrabschluss für eine individuell definierte Zeit im Unternehmen systematisch weitergebildet. 1988 markierte der Bau des neuen Geschäftssitzes mit Hand- Zum Angebot gehört auch ein Praktikum bei einer Partnerfir- werkerzentrum am heutigen Standort in Locarno ein neues ma in der Deutschschweiz oder in der Romandie. Dabei kann Zeitalter: Aus dem kleinen Eisenwarenladen der Locarnesi war die im Tessin so wichtige Fremdsprachenkenntnis verbessert ein modernes Handelsunternehmen mit Fokus auf die Pro- werden. «Ziel des Projekts ist es, talentierte Mitarbeiter, die fi-Kundschaft im ganzen Kanton Tessin herangewachsen. ihr Bestes geben, eines Tages für Frigerio zurückzugewin- 2003 gelangte mit Luca Poncini bereits die 4. Generation ans nen», sagt Stefano Poncini. Steuer des Familienbetriebs. Ihr Bestes geben – das will auch die Firma weiterhin für die 2010 folgte ihm sein Bruder Stefano Poncini in die Geschäfts- Ausbildung junger Nachwuchskräfte. «Die Jungen sind un- leitung. 2011 wurde Frigerio in eine Aktiengesellschaft umge- sere Zukunft. Gute Berufsbildung bedeutet Engagement, viel wandelt. 2014 folgte die Einführung eines neuen ERP-Systems. Zeit und Arbeit, lohnt sich aber für die Jungen, unsere Firma, die ganze Branche und nicht zuletzt für die Gesellschaft», so Und im Frühling 2016 wird das neue Center für Haustechnik Stefano Poncini. Um die Ausbildung bei Frigerio weiter zu und erneuerbare Energien am bestehenden Hauptsitz eröffnet. optimieren, bittet man übrigens jeden Absolventen um eine Bewertung des Lehrbetriebs. Ginge es nach dem Lernenden Die Frigerio SA beschäftigt heute über 100 Mitarbeiter. Tätig ist Evan Ferrari, gäbe es momentan nichts zu verbessern. «Ich sie in den fünf Divisionen Handwerkerzentrum, Stahl/Metall, liebe die Firma Frigerio so, wie sie ist», sagt er lächelnd und Bau (Fokus Armierungsstahl), Haustechnik und erneuerbare rückt eine Schachtel mit Schrauben im Regal zurecht. Energien. Mit der Tochterfirma Edilfer SA und dem Handelsun- Bericht: Nicole Button, Fotos: Alex Buschor ternehmen Frigerio-System Group verfügt sie über zwei weitere Firmen mit Synergie-Potenzial zum Mutterhaus. Für die rund 50-jährige starke Ausbildungsleistung be- dankt sich die Förderstiftung polaris bei der Frigerio SA. 14 | Rechenschaftsbericht 2016
PRO TABLE GmbH, St. Gallen Der polaris-Preis 2015 (Haushalt) geht nach St. Gallen Nur das Beste ist gut genug für den Nachwuchs Klein, aber sehr fein: Bei Pro Table in St. Gallen lernt die Detailhandels-Auszubildende ihren Beruf zwischen edlem Porzellan und Top-Kochutensilien – und erhält nebenbei Einblicke in die gehobenen Küche. Die Firma ist deshalb von der Förderstiftung polaris zum «Besten Ausbildungsbetrieb 2015» des Haushaltswaren-Fachhandels gekürt worden. Ein junger Mann mit Pelzkappe, Lederjacke und engen Jeans guten Glas getrunken hat, kann viel glaubwürdiger davon steht in der Porzellan-Abteilung von Pro Table in St. Gallen. schwärmen», sagt Roman Wehrle. Deshalb sei die Lernende Er hält eine goldene Versace-Tasse in den Händen, dreht sie beispielsweise immer dabei, wenn ein Vertreter ein neues vorsichtig hin und her. Mit seinem schrägen Modestil will er Produkt präsentiere. so gar nicht ins Bild des eleganten Fachgeschäfts passen. Die Verkäuferin an seiner Seite nimmt sich trotzdem viel Zeit für Profunde Produktkenntnis ist allerdings nur ein Teil des Mehr- ihn, lächelt, erklärt. Schliesslich begleitet sie ihn zur Kasse, werts, den Pro Table seinen Kunden bietet: Zusätzlich zu den wo er die Tasse kauft. besten Tellern oder Töpfen liefert das Fachgeschäft nämlich Man würde nicht erraten, dass die junge Verkäuferin mit dem auch noch Zutaten und Ideen für einen delikaten Inhalt. professionellen Auftritt eine Auszubildende im 2. Lehrjahr ist. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Wehrles sind Auch auf der Internetseite von Pro Table wird Daniela Neff bekennende Gourmets. Ihre Liebe zum Essen und Trinken als ganz normales Team-Mitglied aufgeführt. «Die Lernende führte die beiden Quereinsteiger – er gelernter Mechaniker, ist bei uns voll dabei, darf alles machen. Sie ist keine billige sie Bankerin – vor Jahrzehnten in die Haushaltsbranche. Ihr Arbeitskraft», sagt Roman Wehrle, der das Haushaltsfach- Know-how geben sie seither an die Kundschaft weiter, und geschäft mit seiner Frau Christine seit über 30 Jahren führt auch an die Lernende: Zur Ausbildung bei Pro Table gehört (siehe Infobox). beispielsweise auch ein Besuch der hauseigenen Kochschule cook + eat. Dort bereitet Roman Wehrle mit den Teilnehmern Mit allen Sinnen lernen jeweils seine Lieblingsrezepte zu und weiht sie in die neu- «Learning by doing» lautet die Devise im Lehrbetrieb Pro esten Küchentrends ein. «Eine gute Kundenbeziehung geht Table. «Alles machen» bedeutet hier allerdings weit mehr eben auch durch den Magen», sagt er. als Kunden bedienen, Waren per Scanner bestellen oder Produkte ausstellen. Denn bei Pro Table verkauft das Personal Lernende wird zur Barista die Premium-Produkte nicht nur – sondern probiert sie auch Auch im Laden in der St. Galler Altstadt spielt das Kulina- aus, wendet sie fachgerecht an, lebt sie. Die Lernende ist da rische eine wichtige Rolle. Im Foodstore von Pro Table kann nicht ausgenommen. «Wer selbst einmal Wein aus einem man etwa die bevorzugten Gewürze oder Paste der Wehrles Rechenschaftsbericht 2016 | 15
PRO TABLE GmbH, St. Gallen kaufen. «Der Foodstore sorgt dafür, dass die Kunden häu- betriebs Pro Table. «Wir lassen unsere Lernende zwar vieles figer zu uns kommen. Neue Teller oder Löffel braucht man selber machen, halten dabei aber immer ein Ohr und ein schliesslich nicht jede Woche», so Wehrle. Auch für die Ler- Auge offen», sagt Christine Wehrle. Dass das Team so klein nende ist der Foodstore ein Plus – eine weitere Möglichkeit, und flexibel sei, sei ein Vorteil für die Jugendlichen. Die die Vorzüge der verkauften Produkte selbst zu erfahren. «Sie Kommunikationswege seien kurz, man könne sehr schnell darf beispielsweise neue Gewürze nach Hause nehmen und auf fachliche oder persönliche Fragen und Anliegen der sie ausprobieren», sagt Christine Wehrle. Lernenden eingehen. Im Foodstore erwirbt Daniela Neff zudem auch Fähigkeiten, Nur das Beste ist gut genug: Dieser Philosophie bleiben die weit über eine «normale» Detailhandelsausbildung hi- die Wehrles auch bei der Berufsbildung treu. «Die Jungen nausgehen: Wie eine Profi-Barista bereitet sie für zwei Kun- sollen von ihrer Zeit bei Pro Table profitieren», sagt Roman dinnen einen Cappuccino zu, giesst den Milchschaum in der Wehrle. «Wir wollen ihnen Lust machen auf diesen Beruf.» Tasse kunstvoll zu einem Herz. Der Kaffee ist übrigens Dieser Ansatz scheint aufzugehen: Nach drei Jahrzehnten als hausgeröstet. Rund fünf Tonnen pro Jahr verarbeite die Ausbildner können die Wehrles praktisch nur von positiven Röstmaschine im Schaufenster des Ladens, erzählt Wehrle. Erfahrungen mit den Jugendlichen berichten. Laut Christine Seine Frau plaudert indes mit den beiden Kundinnen über Wehrle gab es keine einzige LAP-Note unter 4,8 – und das, ob- Gourmet-Ferien in Italien. Man ist per Du, es wird viel gelacht. wohl man bei der Auswahl künftiger Lernender nicht primär «Wir möchten, dass unsere Kunden sagen: ‹Es war nett hier.›», auf die Schulnoten achte. Viel wichtiger seien Ausstrahlung sagt Roman Wehrle. und Motivation. Fast eine Familie Begeisterung steckt an Nett findet es bei Pro Table auch die Lernende Daniela Neff: Ihre eigene Motivation für die Ausbildung junger DH-Fach- «Ich fühle mich hier wie in einer Familie aufgehoben und leute bringen die Inhaber von Pro Table ohne zu zögern auf kann immer jemanden fragen, wenn ich nicht weiter weiss.» den Punkt: «Wir haben einfach Freude an jungen Menschen Die gute Betreuung gehört mit zum Erfolgsrezept des Lehr- und am Ausbilden», sagt Christine Wehrle, die mit ihrem 16 | Rechenschaftsbericht 2016
Mann drei Kinder grossgezogen hat. «Wir bilden aus, damit der Fachhandel Pro Table: Meister der gehobenen auf gute Berufsleute bauen kann. Wir Tischkultur leben beide für diesen Beruf und für die Branche», ergänzt Roman Wehrle. Man Das Haushaltsfachgeschäft Pro Table in St. Gallen ist für Liebhaber der gehobenen Tisch- glaubt es ihm. Spürt die Begeisterung, kultur seit 1985 eine feste Adresse. Seine Wurzeln liegen in Weinfelden, wo Roman und wenn er beispielsweise voller Elan die Christine Wehrle in den 80er Jahren ein seit 1876 bestehendes Haushaltswarengeschäft Vorzüge eines neuen 800-Grad-Grills übernahmen. 1985 eröffneten sie die St. Galler Filiale in der Webergasse, 1988 folgte der preist – und sie aus dem Effeff über den Umzug an die Neugasse im Herzen der St. Galler Altstadt. Auf zwei Etagen mit insgesamt Werdegang einer Porzellan-Designerin 170 Quadratmetern bietet Pro Table Premium-Produkte aus den Bereichen Porzellan, berichtet. Besteck, Kristall und Haushalt an. Integriert in den Laden ist zudem ein Foodstore mit Gourmetartikeln wie Gewürze, Pasta, Trüffel, Kaviar oder hausgeröstetem Kaffee. Im Jahr Für diesen leidenschaftlichen Einsatz 2000 gründeten die Wehrles die Kochschule cook + eat – mit dem Ziel, den Kunden nebst für die Branche und für die Berufsbil- den genannten Produkten auch jede Menge Ideen und Know-how für deren Anwendung dung bedankt sich die Förderstiftung in der Küche zu liefern. 2003 wurde der Standort Weinfelden geschlossen. Im gleichen polaris beim Team von Pro Table. Jahr erhielt Pro Table in Chicago den GIA Top Window Award, vergleichbar mit einem Bericht: Nicole Button, Weltmeistertitel für Tischkultur. Heute beschäftigt die Firma fünf Mitarbeiter – darunter Fotos: Alex Buschor stets eine Lernende. Christine und Roman Wehrle: Wir wollen den «Jungen» Lust auf diesen Beruf machen! Rechenschaftsbericht 2016 | 17
Spendentafel 2010–2016 Firmenspenden: I.D. Individual Doors SA, 1774 Cousset Interferex AG, 8304 Wallisellen Adrian Meyer, 6260 Reiden Keller Sirnach AG, 8370 Sirnach A. & J. Stöckli AG, 8754 Netstal KOCH Group AG, 8304 Wallisellen Allchemet AG, 8344 Bäretswil Ledermann Eisenwaren + Haushalt AG, Ausgleichskasse Verom, 8952 Schlieren 3422 Kirchberg Bernasconi Figli, 6830 Chiasso LIMEX Handels GmbH, 8716 Schmerikon businessMart AG, DE-70563 Stuttgart Messe Luzern AG, 6005 Luzern E. Buschor AG, 9450 Altstätten Muff Haushalt, 4450 Sissach e + h Services AG, 4658 Däniken nexMart Schweiz AG, 8304 Wallisellen Fanti Consulting AG, 8610 Uster nexMart GmbH & Co. KG, DE-70563 Stuttgart Festool Schweiz AG, 8953 Dietikon PB Swiss Tools AG, 3457 Wasen im Emmental Gebo Druck AG, 8048 Zürich PK Merlion, 8304 Wallisellen GEDORE Omnitool GmbH, 8957 Spreitenbach Quincaillerie Daenzer, 1660 Les Moulins Hager Zierbeschläge AG, 8867 Niederurnen Quincaillerie du Léman S.A., 1030 Bussigny retail Connect Der Umsatzturbo für Sie und Ihre Kunden Händlerfilialen stationär (offline) Interessenten auf der Lieferanten-Website direkt zum Kauf animieren Direkte Verlinkung der Lieferanten-Website mit Online-Shops und Filialen des Fachhandels Hohe Conversion Rates: effektive Wandlung von Interessenten in Käufer Kundenzuführung für Online- und Stationärkäufe (Click & Collect) für den Fachhandel Hohe stationäre Verfügbarkeit beim Fachhandel kann noch effektiver als Wettbewerbsvorteil genutzt werden Endkunden-Portale Endkunde informiert Signifikante Steigerung der Umsätze sich auf Lieferanten- von Lieferant und Fachhandel website Händlershops online Der schnellste Weg zu retail Connect.
Robert Huber AG, 5507 Mellingen Braunwalder-Lehmann Annalis, 9200 Gossau Schöni Handels AG, 3700 Spiez Fanti Gertrud, 8610 Uster SFS unimarket AG, 9424 Rheineck Fellay-Bornet Nicole, 1462 Yvonand Sektionen von Swissavant – diverse Fiechter Christian, 9435 Heerbrugg Swissavant, 8304 Wallisellen Gattiker Hansruedi, 8832 Wollerau Tedoc, 9403 Goldach Grees Stefanie, 8304 Wallisellen Top Table, 6005 Luzern Hager Adrian, 8867 Niederurnen Victorinox AG, 6438 Ibach Huber Hans, 9050 Appenzell VSM Verband Schweiz. Messerschmied-Meister, Rosenberger Jules, 8910 Affoltern am Albis 3400 Burgdorf Rotermund Astrid, 8484 Weisslingen W. Marthy Eisenwaren AG, 8890 Flums Sahli Hans-Peter, 8903 Birmensdorf Zinsli Eisenwaren + Haushalt AG, 7130 Ilanz Schlegel Thomas, 8057 Zürich Schweizer Anita, 8444 Henggart Privatspenden: Trepte Horst, 9435 Heerbrugg Baumann Max, 8706 Meilen van Pernis Frank, 8703 Erlenbach Baumann-Baur Suzanne, 8706 Meilen Windlin Wolfgang, 8340 Hinwil . ! Starte deine Karriere in Jetzt d u r c h s t a r t e n einem erfolgreichen Team! Informiere dich über unsere Ausbildungsmöglichkeiten als n Automatiker/-in n Detailhandelsfachmann/-frau n Informatiker/-in n Kaufmann/-frau n Konstrukteur/-in n Kunststofftechnologe/-in n Logistiker/-in n Physiklaborant/-in n Polymechaniker/-in n Produktionsmechaniker/-in Darum lohnt sich eine Lehre bei SFS! 1 U n te rn e h m e n gute Karrierechancen internationales Unternehmen 10 L e h rb e ru fe lehrreiche Ausland-/Sprach- e it e n ! www.sfs-lehre. ch 100 K a rr ie re m ö g li c h k aufenthalte
Ausbildneranlass 2016 Ausbildner-Anlass der Förderstiftung polaris neu lanciert Detailhandel-Lehre in der Image-Krise: Hilfe zur Selbsthilfe ist gefragt Wie gehen DH-Lernende mit dem schlechten Image ihrer Ausbildung um? Und wie können die Ausbildner sie da- bei unterstützen, dennoch Berufsstolz und Motivation zu entwickeln? Diese Themen standen im Fokus des neu lancierten Ausbildner-Anlasses der Förderstiftung polaris. Die kostenlose Veranstaltung war ein Erfolg – und wird deshalb 2017 erneut angeboten. Die träge Regenwetter-Stimmung ist Lernende leiden unter Image … «Die Jugendlichen merken während ih- auf einmal weggeblasen. Es wird rege Das schlechte Berufsimage erschwert rer Ausbildung bald, dass die Arbeit im diskutiert am Ausbildner-Anlass der die Rekrutierung guten Nachwuchses Detailhandel viele fachliche und soziale Förderstiftung polaris in der Messe – aber auch für die Lernenden selber Kompetenzen erfordert», so die Wissen- Luzern (siehe auch Interview Christian sind die Vorurteile eine Belastung. Dies schaftlerin. Auf Basis dieser Erfahrung Fiechter). Manchmal auch kontrovers, zeigte in Luzern Dr. Kerstin Duemmler würden sie Berufsstolz entwickeln. die Emotionen der knapp 40 Berufsbild- vom Eidgenössischen Hochschulinsti- Weitere Strategien helfen den Ler- ner aus der Branche sind spürbar. Die tut für Berufsbildung auf. 2013/2014 nenden, mit der geringen Wertschät- traktandierten Themen betreffen alle hatten sie und zwei Kolleginnen an ver- zung ihres Berufes umzugehen: Sie im Saal: «Berufsprestige: Strategien der schiedenen Berufsschulen eine Studie identifizieren sich beispielsweise mit Lernenden» und «Ziele setzen und fair durchgeführt über Image und Arbeits- ihrem Lehrbetrieb oder mit beliebten beurteilen». bedingungen von DH-Lernenden. Die Verkaufsprodukten. Oder sie definieren Einig sind sich die Teilnehmer in einem Studie belegte: Immer wieder werden die DH-Ausbildung als Sprungbrett für Punkt: Das Prestige des Detailhandels die Jugendlichen privat mit Vorurteilen eine Karriere. befindet sich im Sinkflug – und mit konfrontiert. Detailhändler «füllen ein ihm das Niveau der Lernenden. Bei wenig Regale auf, stehen herum, sind Gute Bedingungen motivieren den Ursachen gehen die Meinungen nicht so gebildet, sind die Dummen», zi- «Die genannten Strategien können auseinander. Das Problem wird bei tierte Kerstin Duemmler aus Interviews von Ihnen als Ausbildner unterstützt den Schulen oder bei der Gesellschaft mit den Lernenden. werden», wandte sich Kerstin Duemm- generell geortet. «Nein, wir sind selber ler ans Publikum. Wie genau das in der schuld am sinkenden Niveau», wirft … und tun etwas dagegen Praxis gemacht wird, wollte die Expertin ein Teilnehmer ein. Der Detailhandel Spannend ist, was die Studie aber den Teilnehmern überlassen. schaffe es nicht, seine Vorzüge in der auch zeigt: Die Lernenden nehmen Öffentlichkeit gut zu verkaufen. das negative Image nicht einfach hin. Der zweite Teil ihres Referats legte aller- «Sie finden Wege, mit den Stereotypen dings nahe: Gute Arbeitsbedingungen umzugehen», sagte Kerstin Duemmler. im Lehrbetrieb sind eine zentrale Vo- 20 | Rechenschaftsbericht 2016
Dickes Lob, sachliche Kritik Das Wort Lob erschien in seiner Präsentation denn auch dick geschrieben. «Es sollte unmittelbar und zeitnah geäussert werden, spezifisch sein – und ohne Aber daherkommen», riet der erfahrene Berufsbildner. Auch Kritik müsse unmittelbar an- gebracht werden, sachlich begründet und zudem konstruktiv sein. Aus beidem – Lob und Kritik – resultieren seme- Dr. Kerstin Duemmler sterweise Standortbestimmungen und schliess- lich die Bewertung für die Schlussqualifikation. Hanspeter Schläpfer vermittelte Tipps, wie die dazugehörigen Beurteilungsgespräche optimal gelingen: Das Gespräch mit dem Lernenden sollte beispielsweise schriftlich vorbereitet werden, und die definitive Beurteilung sollte von Ausbildner und Lernendem im Dialog gemeinsam erarbeitet werden. Smarte Ziele, situative Führung raussetzung für Berufsstolz und Motivation der Unverzichtbare Grundlage für ein gutes Beurtei- Hanspeter Schläpfer Jugendlichen. Die Ausbildner haben es laut lungsgespräch ist laut Hanspeter Schläpfer die Kerstin Duemmler in der Hand, die Bedingungen Vereinbarung von maximal drei «smarten» Zielen für die Lernenden zu optimieren: sei es mit einer im Vorfeld. «SMART» bedeutet so viel wie: S = möglichst breiten und fundierten Ausbildung, spezifisch; M = messbar/überprüfbar; A = akzep- mit Freiräumen für Eigeninitiativen oder durch tiert/gemeinsam vereinbart; R = realistisch und T Wertschätzung und Anerkennung. = terminiert (bis wann soll das Ziel erreicht sein). Ziele setzen und fair beurteilen Eine solche Zielvereinbarung ist der Anfang, aber Zum letzten Punkt – Anerkennen respektive Be- noch lange nicht das Ende des Ausbildner-Jobs. urteilen von Leistung – gab es im Anschluss viele «Für verbindliche Ergebnisse braucht es Ihre nützliche Tipps und Erläuterungen von Hanspeter Führungsarbeit», sagte der Referent. Damit die Schläpfer, Rektor des Berufsbildungszentrum Lernenden ihre Ziele erreichen, müssen sie instru- Armin Riebli Herisau. Er zeigte auf, dass eine regelmässige iert werden, beraten, beauftragt und kontrolliert. Beurteilung der Lernenden wichtiger Bestandteil Das Zauberwort lautet «situatives Führen»: Der der Ausbildung ist. Eine Knochenarbeit, die im Führungsstil sollte dem Knowhow und der Routine Aufgabenheft der Ausbildner ganz weit oben der Lernenden angepasst sein. stehen sollte. Wie diese grosse Aufgabe zu meistern ist – und wie in der Praxis versucht wird, bei den Lernenden Seinen persönlichen Grundsatz beim Beurteilen Berufsstolz und Motivation zu wecken – das disku- verriet Hanspeter Schläpfer gleich zu Beginn tierte die Runde schliesslich unter der Leitung von seines Referats: «Ich versuche immer, fair, korrekt Erwachsenenbildner Armin Riebli von der rissip aber auch wohlwollend zu sein.» Im Zweifelsfall GmbH. Beim feinen Apéro riche in den Räumlich- entscheide er zugunsten des Lernenden – denn keiten der Messe Luzern gingen die engagierten eine gute Bewertung habe erwiesenermassen Gespräche weiter, und die Teilnehmer konnten einen positiven Effekt auf Motivation und Leistung zudem wichtige Branchen-Kontakte knüpfen. der Jugendlichen. Bericht und Interviews: Nicole Button Rechenschaftsbericht 2016 | 21
Interviews zum Ausbildneranlass 2016 Fortsetzung: Ausbildner-Anlass der Förderstiftung polaris neu lanciert «Teilnehmerzahl ist noch ausbaufähig» Herr Fiechter, das Ausbildner-Seminar onen anzubieten. Wir entschieden uns noch bewähren. Das gelingt nur, wenn der Förderstiftung polaris überrascht die- daher für eine zentrale Durchführung in die inhaltliche Qualität der Anlässe wei- ses Jahr mit einer neuen Organisation: Luzern – in der Hoffnung, dass der Auf- terhin stimmt. Ich denke, das war heute Statt mehrerer regionaler Anlässe – wie wand künftig wieder in einem Verhältnis der Fall. Die Themen waren gut gewählt bisher – gibt es jetzt nur noch einen Aus- zum Resultat steht. Weil die An- und Ab- und wurden verständlich präsentiert. Es bildner-Anlass in Luzern. Statt am Abend reise für einige Teilnehmer länger gewor- kam zu lebhaften und teils kontroversen wird er neu am Nachmittag durchgeführt. den ist, haben wir den Anlass bewusst am Diskussionen, was zeigt, dass Interesse Warum? Nachmittag und nicht mehr am Abend vorhanden war. Christian Fiechter: Der Grund für die angesetzt. Neuorganisation war hauptsächlich die Wie geht es 2017 mit dem Ausbildner-An- sehr unterschiedlichen Teilnehmerzahlen Wie sind Sie mit der heutigen Premiere lass weiter? an den verschiedenen Veranstaltungsor- des neu lancierten Ausbildner-Anlasses Der Anlass wird auf jeden Fall wieder an- ten. Je westlicher, desto schlechter waren zufrieden? geboten. Minimalziel ist es, dass wir plus die Zahlen. Unter diesen Bedingungen Für das erste Mal war die Teilnehmerzahl minus 50 Anmeldungen haben. machte es keinen Sinn mehr, den Anlass befriedigend, aber sicher noch ausbaufä- Aber wenn wir die Grösse des Verbandes jedes Jahr in vier verschiedenen Regi- hig. Die Neuorganisation muss sich erst bedenken, dürften es eigentlich schon mehr sein… Uschi Bucher-Zemp, Zemp AG, Wolhusen Beat Nussbaum, Kärcher AG, Dällikon «Die heutigen Präsentationen und Dis- «Ich finde es gut, dass es einen solchen Aus- kussionen waren interessant. Ich habe mir bildner-Anlass gibt und dass die Teilnehmer gemerkt, dass Ausbildungsziele ‹SMART› zum Austausch animiert werden. Man sein sollten. Es ist gut, sich solche Din- wird durch die Referate zum Nachdenken ge wieder einmal bewusst zu machen. angeregt – heute etwa über den Stel- Wertvoll finde ich den Ausbildner-Anlass lenwert des Detailhandels und über das auch deshalb, weil man hört, wie andere Setzen von Ausbildungszielen. Schöner Unternehmen mit verschiedenen The- wäre es, wenn noch mehr Ausbildner am Uschi Bucher-Zemp Beat Nussbaum men der Berufsbildung umgehen. Die Anlass teilnehmen würden. Vielleicht ist neue Durchführung am Nachmittag hat es eine Frage des Zeitaufwandes, denn in meinen Augen den Nachteil, dass sich ich denke nicht, dass es an den bisherigen nur noch wenige kleinere Fachgeschäfte Themen liegt. Ich auf jeden Fall würde angemeldet haben. Ich würde dennoch mich wieder anmelden.» gerne wieder teilnehmen.» 22 | Rechenschaftsbericht 2016
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