Respek tiere leben - Genussgemeinschaft Städter und Bauern
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respek tiere C44904 leben. • Ausgabe 1/2021 Das Magazin für „Nutz“tierschutz Kampagne: Kein Ei mit der 2! Weil Hühner freien Auslauf brauchen Kälber ohne Wert? Problematik und Lösungsstrategien für die überschüssigen Kälber der Milchviehhaltung 3
PROVIEH ist ein gemeinnütziger Verbesserung der Lebensbedingun- Verein, der sich bereits seit 1973 gen von „Nutz“tieren und begleitet für eine artgemäße und wertschät- dessen Umsetzung beratend. Um zende Tierhaltung in der Land- in Deutschland Veränderungen wirtschaft einsetzt. Grundlegende zu erzielen, vernetzt sich PRO- Motivation ist das Verständnis von VIEH national sowie international „Nutz“tieren als intelligente und mit Partnerorganisationen und ist fühlende Wesen. ebenfalls auf EU-Ebene aktiv. PROVIEH kämpft deshalb gegen Gleichzeitig vermittelt PROVIEH tierquälerische Haltungsbedingun- Wissen an Verbraucher und klärt gen und gegen die Behandlung über die Auswirkungen ihres Kon- von Tieren als bloße Produktions- sums auf. PROVIEH begrüßt den einheiten. PROVIEH fordert, dass Beitrag jedes Einzelnen, der den die Haltung an den Bedürfnissen Verbrauch von tierischen Produk- PROVIEH e.V. der „Nutz“tiere ausgerichtet wird, ten vermindert. Dazu zählen ein Küterstraße 7–9 anstatt Anpassungen am Tier vor- bewusster Fleischkonsum ebenso zunehmen (zum Beispiel Schwanz- wie die vegetarische und vegane 24103 Kiel kupieren bei Schweinen, Enthor- Lebensweise. Tel. 0431. 248 280 nung bei Rindern, Schnabelkürzen Die Veränderungen, die PROVIEH E-Mail info@provieh.de bei Hühnern). Dazu gehören auch anstrebt, verbessern nicht nur eine artgemäße Fütterung ohne www.provieh.de gentechnisch veränderte, pestizid- das Leben von „Nutz“tieren, son- dern wirken sich auch positiv auf belastete Futtermittel und ein ver- Mensch und Umwelt aus. Eine Ab- antwortungsvoller, also minimaler kehr von der industriellen Massen- Antibiotikaeinsatz. tierhaltung schützt die Gesundheit PROVIEH versteht sich als Für- der Menschen, schont natürliche sprecher aller landwirtschaftlich Ressourcen (Böden, Wasser) und genutzten Tiere – ganz gleich, ob das Klima, indem das Entstehen sie in industrieller, konventioneller von multiresistenten Keimen, die oder biologischer Haltung leben. Nitratbelastung und die Methan- Dabei kritisiert PROVIEH allerdings emissionen verringert werden. An- die agrarindustrielle Wirtschafts- gesichts der vielfältigen negativen weise als Ursache vieler Tierschutz- Auswirkungen der industriellen probleme. PROVIEH fördert und Massentierhaltung ist PROVIEH der unterstützt daher eine bäuerliche, Überzeugung, dass eine regiona- naturnahe und nachhaltige Land- le, bäuerliche Landwirtschaft faire wirtschaft, aus der Überzeugung Arbeitsbedingungen und eine ge- heraus, dass diese die derzeit bes- rechtere Verteilung von natürlichen ten Voraussetzungen für eine artge- Ressourcen und Nahrungsmitteln mäße Tierhaltung bietet. weltweit schafft. PROVIEH arbeitet fachlich fundiert, seriös und politisch unabhängig. Im respektvollen Dialog mit Tierhal- tern, der Politik und dem Handel identifiziert PROVIEH den jeweils nächsten machbaren Schritt zur 2
Liebe Mitglieder, liebe Leser*innen, nach den dunklen und kalten Wintermonaten wärmen Nur mit genügend Platz und der Möglichkeit, ihre uns nun wieder die Strahlen der Frühlingssonne. Pflan- arteigenen Bedürfnisse auszuleben, können Hühner, zen sprießen, Vögel singen und auch in mir rührt sich Rinder oder Schweine so sein, wie sie wirklich sind. der Bewegungsdrang. Ich möchte nach draußen, die Um so mehr freuen mich Positivbeispiele wie die Hal- Sonne auf meiner Haut und den Wind in den Haaren tung der Rinder bei den HeuMilch Bauern oder den spüren und mich nach allen Seiten ausstrecken. im Heft vorgestellten Höfen „Land.Luft“ und „Tomtes Hof“. Letzterem ist es ein Herzensanliegen, den Besu- Doch nicht nur mir geht so, auch Tiere haben ein Ver- cher*innen zu zeigen, welche Bedürfnisse und Eigen- langen nach Bewegung und den Reizen der Natur. heiten die Tiere haben und ein Verständnis zwischen Leider gibt es viele tausend Tiere, die niemals auch Tier und Mensch aufzubauen. nur einen blauen Himmel sehen, geschweige denn die unterschiedlichen Jahreszeiten kennenlernen. In unse- Allem Anschein nach fehlt dieses Verständnis komplett, rer neuen Kampagne „Kein Ei mit der 2!“ fokussieren wenn man den Blick auf die zahlreichen Amputa- wir uns auf die Legehennen in Bodenhaltung. Über tionen, Verstümmelungen und Qualzuchten lenkt, mit die Hälfte aller Eier aus Deutschland werden in dieser denen die Tiere in der konventionellen Landwirtschaft Haltungsform „produziert“. Für PROVIEH ist das ein an die Haltungssysteme angepasst werden. Anne Ha- Zustand, den wir ändern müssen, denn diese Legehen- mester, PROVIEH-Fachreferentin für Rinder, berichtet nen wissen nichts von saftigem Gras, Erde unter ihren vom Optimierungswahn bei „Nutz“tieren in Bezug auf Füßen und Sonne auf ihrem Gefieder. Sie können Gentechnik und unser Fachreferent Patrick Müller geht nicht ihre Flügel ausstrecken, ohne ein anderes Tier in einem Interview der Frage nach, was getan werden zu berühren. Ihre Lebensumwelt bestimmen hauptsäch- muss, um in Deutschland das Schwanzkupieren bei lich Enge, Stress und häufig auch Schmerzen. Die gute Schweinen abzustellen. Nachricht ist, dass jeder einzelne von uns dazu bei- tragen kann, die Haltungsbedingungen für zukünftige Liebe Leser*innen, ich wünsche Ihnen schöne Oster- Generationen von Legehennen zu verbessern. Kaufen feiertage und möchte Sie bitten, Ihren Blick beim Ein- Sie einfach kein Ei mehr, dessen aufgedruckter Code kauf von Frischeiern und Eierprodukten zu schärfen eine Zwei zeigt und greifen Sie stattdessen zu Eiern – denn auch wir Verbraucher haben die Macht, etwas aus Freiland- oder Biohaltung – weil Legehennen Aus- zu verändern! lauf brauchen! Achten Sie auch auf die bunt gefärbten Eier im Supermarkt. Sie stammen meistens aus Boden- haltung oder ohne Kennzeichnung häufig sogar aus Ihre Christina Petersen, Käfighaltung aus dem Ausland. Chefredakteurin 3
INHALT RUND UM DEN „NUTZ“TIERSCHUTZ AGRARPOLITIK Buchtipp: Der neue Fleischatlas ist da! .................... 6 Wie könnte das Schwanzkupieren bei Schweinen Die überschüssigen Kälber der Milchviehhaltung ...... 9 verhindert werden? Interview mit Herrn Bernhard Feller ...................... 43 Kälber ohne Wert? Zwei Lösungsstrategien mit Zukunftsperspektive ............................................. 12 Alte „Nutz“tierrasse: Wyandotten-Hühner .............. 16 Weidefunk. Wie Nutztierschutz in der Schule auf offene Ohren und positives Handeln stößt ............. 18 Tomtes Hof. Begegnungen zwischen Mensch und Tier ............................................................ 20 Land.Luft – mit Herzblut für mehr Tierwohl ............. 24 Gentechnik – Optimierungswahn bei Schwein, Rind und Co. ..................................................... 27 Ganze Verwertung. Ein Schwein ist mehr als Filet, Bauch und Kotlett ............................................... 32 KURZ NOTIERT 10.000 Fußabdrücke für die Agrarwende: „Wir haben es satt!” 2021 ................................... 46 PROVIEH erhält „Siegel für Ausgezeichnetes Engagement“ .................................................... 48 2! Vortrag Kälbertransporte ..................................... 48 Runder Tisch Kälber ........................................... 49 Geflügelpest 2021 – Tiergerechter Umgang mit der Aufstallungspflicht ................................... 49 Schweine mit unversehrtem Ringelschwanz ........... 49 Gemeinsam für mehr Pferdewohl ......................... 49 TITELTHEMA Gänsefüßchen: Eine unerwartete Besucherin ......... 50 Kampagne: Kein Ei mit der 2! ............................. 34 IMPRESSUM .................................................. 51 Die Hühnerzucht und das versteckte Leiden der Elterntiere .................................................... 38 Buchtipp: Hühner. Eine fotografische Liebeserklärung ................................................. 42 4
BUCHTIPP Der neue Fleischatlas ist da! Anfang des Jahres 2021 erschien teranbau im Regenwald, dem Pes- ein neuer Fleischatlas der Hein- tizideinsatz in der Landwirtschaft, rich-Böll-Stiftung. In der neuesten Antibiotikaeinsatz in der Tierhal- und fünften Ausgabe präsentiert tung und verschiedenen anderen der „Fleischatlas“ mit dem Zusatz wichtigen Themen, wird auch der „Jugend, Klima und Ernährung“ auf dringlichen Problematik der Pande- 50 Seiten erneut Entwicklungen mien durch Zoonosen ein Kapitel der weltweiten „Fleischproduktion“ gewidmet. und des Fleischkonsums sowie deren Folgen und Gefahren für Viehzucht und Fleisch- Mensch, Tier und Umwelt. konsum begünstigen Ein steigender Fleischkonsum welt- Pandemien weit verschärft die Klimakrise, ver- Etwa 60 Prozent der Infektions- braucht Ressourcen, zerstört die krankheiten beim Menschen sind Umwelt und begünstigt den Arten- nach Schätzung der Organisation schwund. Immer größere Tierbe- für Tiergesundheit (OIE) Zoonosen, stände in Großanlagen und die also Krankheiten, die vom Tier auf „Produktion“ nach reinen Kosten- den Menschen übertragen werden optimierungszielen führen zu mas- und umgekehrt. Ein bekanntes sivem Tierleid. Nicht bei allen Zoonosen ist klar, von Beispiel ist die Tollwut, die zum welchem Tier das auslösende Virus Neben „bekannteren“ Problemen, Glück hierzulande ausgerottet ist. stammt und ob es Zwischenträger gab wie der Naturzerstörung für Tierfut- Ein aktuelles Beispiel (und daher 6
im Fleischatlas noch nicht berück- die Gefahr, sich bei infizierten sichtigt) ist die Vogelgrippe be- Tieren anzustecken; teilweise ge- ziehungsweise der Geflügelpester- schieht dies auch über Zwischen- reger H5N8, der in Russland auf wirte wie Mücken oder Zecken. einige Menschen übergesprungen sein soll. Wie katastrophal Zoono- Laut dem Wissenschaftsmagazin sen sein können, zeigt außerdem „Nature“, das in dem Artikel zitiert der aktuelle Fall der Atemwegs- wird, werden die Flächenvernich- erkrankung Covid-19, welche sich tung für die Landwirtschaft und die rasant über alle Kontinente aus- landwirtschaftliche Produktion „mit breitete und zur weltweiten Pan- mehr als 50 Prozent aller zoono- demie wurde. Der Ursprung wird tischen Infektionskrankheiten in auf einem Wildtiermarkt in China Verbindung gebracht.“ Ein großes vermutet, wo das Virus möglicher- Problem seien die hohen Besatz- weise durch den Konsum von Wild- dichten und die geringe geneti- fleisch auf den Menschen überge- sche Vielfalt in der Intensivtierhal- gangen ist. tung. Hier können eindringende Viren leicht viele Wirtszellen befal- Die Ursache von Zoonosen sind len und sich verbreiten. Ein enger laut Fleischatlas häufig in der Vieh- Kontakt mit Menschen schafft dann zucht und im Fleischverzehr zu ein zusätzliches Risiko. Zudem tra- suchen. Sollte der Fleischkonsum ge der Handel mit lebenden Tieren weltweit weiterhin so steigen wie und die Fleischproduktion poten- prognostiziert, werden wir vermut- ziell zur Verbreitung von Zoonosen lich mit einer steigenden Anzahl bei. Hierzu schreibt der Fleischat- von Zoonosen zu kämpfen haben. las: „Die der UN zuarbeitende wis- Durch die intensive Landwirtschaft senschaftliche Arbeitsgruppe für und die Nutzbarmachung immer aviäre Influenza bei Wildvögeln Fleischwende jetzt! fordert die Hein- größerer Flächen werden zuneh- ist überzeugt, dass die Vogelgrip- rich Böll Stiftung: „Wir brauchen eine Fleischwende, das heißt: Weniger mend Lebensräume von Wildtieren pe-Viren nicht nur durch Wild- und industrielle Fleischproduktion und ins- zerstört und es kommt zur Über- Zugvögel übertragen werden. Sie gesamt weniger Fleisch, dafür mehr schneidung ihrer Lebensräume mit sieht auch in dem internationalen Qualität und Vielfalt auf dem Acker, im denen des Menschen. Das erhöht Handel mit Geflügel eine Gefahr, Regal und auf dem Teller.“ 7
RUND UM DEN „NUTZ“TIERSCHUTZ ebenso bei den Infektionen in vegetarisch oder vegan. Das sind durch unseren Konsum nicht noch Geflügelbetrieben. Die Viren ge- doppelt so viele wie im Durch- verstärken wollen, sollten wir drin- langen von dort in die Natur und schnitt der Gesamtbevölkerung und gend unseren Fleischverzehr ver- werden dann auf Wildvögel über- auch ein deutlicher Anstieg zu den ringern. Eine Tierzahlreduzierung tragen.“ Zu diesem Schluss kommt Zahlen von vor zehn Jahren: Da und die Anpassung der Haltungs- auch PROVIEH. (www.provieh.de/ waren es gerade mal vier Prozent. bedingungen sind unerlässlich. Geflügelpest-und-Zoonosen) Die Mehrheit der jungen Leute er- Hier ist vor allem die Politik gefor- hofft sich vom Staat eine stärkere dert, um entsprechende Rahmen- Lichtblick Jugend Verantwortung für nachhaltige Er- bedingungen zu schaffen, die die nährung. Die meisten wünschen Entstehung von neuen Zoonosen Es gibt aber auch einige positive sich mehr Transparenz, um nach- und im Extremfall sogar Pande- Entwicklungen. Hoffnung geben haltige Kaufentscheidungen treffen mien nicht auch noch befeuern. die Ernährungsgewohnheiten der zu können: Sie fordern eine Klima- Dies nimmt in der öffentlichen Dis- jungen Menschen in Deutschland, kennzeichnung auf Lebensmitteln, kussion um Pandemien leider mo- welche zunehmend ihren Konsum ein Tierschutzlabel und strengere mentan nur wenig Raum ein. reflektieren und auf Fleisch ver- Tierschutzgesetze. zichten. Laut einer repräsentativen Sandra Lemmerz Umfrage lehnen über 70 Prozent Fazit: An den Ernährungsgewohn- Mehr spannende Fakten zu Tier- der 15 bis 29-jährigen die Arbeits- heiten der jüngeren Menschen haltung und Fleischproduktion im bedingungen in der Fleischindus- könnte sich der Rest der Bevölke- Fleischatlas 2021: trie und die Tierhaltung in ihrer rung ein positives Bespiel nehmen. https://www.boell.de/de/de/ jetzigen Form ab. 40 Prozent von Nicht nur, wenn wir Tierleid ver- fleischatlas-2021-jugend-klima- ihnen essen nur wenig Fleisch und mindern, auch wenn wir das Risi- ernaehrung knapp 13 Prozent ernähren sich ko weiterer schwerer Pandemien 8
Die überschüssigen Kälber der Milchviehhaltung Rinder wurden jahrhundertelang Spezialisierung der Rinder- nerhalb von 50 Jahren verdoppelt. als Viernutzungsrinder gehalten. haltung in Milch- und Fleisch- So hat sie sich in der kostengetrie- Sie dienten in erster Linie zur Ge- benen Milchviehhaltung Deutsch- nutzung winnung von Milch und Fleisch, lands durchgesetzt. Die Spitzen- wurden aber auch zur Arbeitsver- Damit eine Kuh Milch gibt, muss leistungen von 12.000 Litern je richtung und Lederproduktion ge- sie jedes Jahr ein Kalb gebären, Kuh und Jahr fordern allerdings nutzt. Heute hat sich die Nutzung welches üblicherweise in Abhän- ihren Tribut: Neben den zahlrei- von Rindern stark spezialisiert, gigkeit seines Geschlechtes ent- chen „Produktionskrankheiten“ als sodass sich separate Zucht- und weder zur Milchproduktion oder Folge der Hochleistung, darunter Haltungssysteme für die Milch- und zur Fleischgewinnung vorgesehen chronisch erkrankte Euter, Stoff- Fleischgewinnung etabliert haben. ist. Früher blieben die Kuhkälber wechselerkrankungen, Lahmheit Die spezialisierte Milchproduk- auf den Milchviehbetrieben und und Fruchtbarkeitsprobleme, sind tion der Rinder zieht jedoch die die Bullenkälber wurden lokal als die spezialisierten Milchkühe zur Problematik der überschüssigen Mastbullen zur Fleischgewinnung Mast schlecht geeignet. Aufgrund Kälber nach sich. Denn nur die genutzt. Im Süden Deutschlands ihrer Genetik stecken Milchrinder hochgezüchteten weiblichen Käl- sind diese Systeme von Zweinut- ihre gesamte Energie in Milch und ber werden zur Aufstockung der zungsrindern noch sehr etabliert, setzen nur sehr schlecht Muskeln Milchviehherde benötigt – der Rest doch in den allermeisten Milch- und Fleisch an. Die zarten Hol- der Kälber wird, ähnlich wie die viehställen Deutschlands stehen stein-Friesian Kälber werden nicht männlichen Küken der Legehen- die schwarzbunten Milchkühe der selten für unter zehn Euro an den nen, mittlerweile als Abfallprodukt Rasse Holstein-Friesian. Diese Ras- Viehhändler verkauft, da sie für der Milchwirtschaft behandelt und se wurde jahrzehntelang auf eine die Mäster von geringer Wertig- ist damit zahlreichen tierschutz- Rekordleistung von Milch gezüch- keit sind. Für den Milchviehhalter rechtlichen Problemen ausgesetzt. tet und hat ihre Milchleistung in- entsteht daraus ein deutlicher Ver- 9
RUND UM DEN „NUTZ“TIERSCHUTZ Es muss also davon ausgegangen werden, dass ein Anteil der Milch- viehkälber, ähnlich zur Praxis bei überschüssigen Ferkeln oder Ein- tagsküken in der Legehühnerhal- tung getötet oder unzureichend versorgt wird. Der Lebensverlauf der über- schüssigen Kälber Für die überschüssigen Milch- viehkälber fangen die Strapazen mit dem Verkauf vom Milchvieh- betrieb meist erst richtig an: Zu- nächst kommt auf die zwei- bis vierwöchigen Kälber ein langer und strapaziöser Transport zu. Die Kälber einzelner Betriebe werden in Sammelstationen entsprechend ihres Alters, Gewichtes und Ge- schlechtes sortiert und dann von Viehhändlern als Gruppen ver- kauft. Eine Faustregel: Je schlechter sich die Gruppe zur Mast eignet, Milchrinder sind genetisch dazu ver- lust aus der Aufzucht. Damit sind anlagt, alle Energie in die Milchproduk- desto länger der Transport. Die jedoch alle Bullenkälber sowie die tion zu stecken, setzen dagegen aber vorzüglichsten Kälber werden in überschüssigen weiblichen Kälber kaum Fleisch an. Jede zweite Milch- Deutschland gemästet. Ein Groß- kuh ist in Deutschland mager, weil ihre im Wesentlichen überflüssig. In teil der zarten Holstein-Friesian- hohe Milchproduktion nicht durch das Deutschland leben rund 4,2 Mil- Kälber wird in den Niederlanden, Futter gedeckt ist. lionen Milchkühe. Ungefähr die Spanien und Italien gemästet, weil Hälfte der Nachkommen ist weib- sich diese Länder auf eine kosten- lich, doch es werden nur etwa 30 günstige, sehr intensive Kälbermast Prozent zur Remontierung, also spezialisiert haben. Ein kleiner Teil zur Aufstockung der Milchvieh- wird noch immer in EU-Drittländer herde, benötigt. Damit gehen aus wie Usbekistan, Kasachstan, Liby- der intensiven Milchviehhaltung en, Marokko oder die Türkei trans- Deutschlands jedes Jahr etwa drei portiert – mit entsprechend langen Millionen Kälber als „Nebenpro- dukte” hervor. und widrigen Transporten und schlimmen regionalen Haltungsbe- Wo verbleiben all diese Käl- dingungen. Diese Transporte sind ber, wenn sie sich so schlecht nicht mit dem deutschen Tierschutz- gesetz vereinbar, zumal die Kälber zur Mast eignen? mit zwei bis vier Wochen noch Zehn bis zwanzig Prozent der Käl- nicht von der Milch entwöhnt sind ber verschwinden im Dunkeln auf und nur Flüssignahrung mit einem den Milchviehbetrieben, entweder Nuckel aufnehmen können. De als Totgeburten oder als Verluste in facto gibt es aber keine Tiertrans- den ersten vier Lebenswochen. Als port-LKW in der EU, die entspre- normaler Wert gilt jedoch nur ein chend für die Versorgung dieser Statt an der Seite der Milchkühe ver- bringen Kälber die ersten zwei Wochen Anteil von fünf Prozent und zusätz- jungen Kälber mit Milch oder Flüs- üblicherweise isoliert in sogenannten lich ist der Anteil von Verlusten bei signahrung ausgestattet sind. Die Kälberiglus Bullenkälbern signifikant erhöht. Veterinäre und Behörden nehmen 10
damit bewusst in Kauf, dass die schredderns“ im Hinblick auf den beziehungsweise geeignete Trans- Milchviehkälber in den zulässigen nicht vorhandenen wirtschaftlichen portfahrzeuge erfordern. Außer- 18 Stunden Transportzeit nicht ver- Wert des Tieres zu genehmigen. dem würden die Bedingungen der sorgt werden können. intensiven Kälbermast dem Tier- Aus Sicht von PROVIEH ist diese schutzgesetz nicht standhalten und Endlich in den Mastbetrieben Praxis und diese Entwicklung in müssten in der Haltung und der angekommen, werden die Käl- aller Deutlichkeit abzulehnen. Das Fütterung grundlegend verändert ber prophylaktisch mit Antibio- „System Milch“ hat sich dazu verlei- werden. Der Transport in Drittlän- tika behandelt, denn sie stehen ten lassen, einem Geschlecht und der gehört endlich verboten! Und vom Stress des Transportes und damit der Hälfte der Kälber keinen die Milchwirtschaft – die Züchter der wechselnden Kälbergruppen Nutzen mehr beizumessen und und Tierhalter wie auch die Ver- enorm unter Druck, tragen alle sich jenem „Nebenprodukt“ der arbeitung und Vermarktung – müs- ihr betriebsindividuelles Bakte- Milchproduktion der Verantwor- sen Verantwortung für jedes Tierle- rienmilieu in den Maststall und tung zu entziehen. Es gilt diesem ben übernehmen und einen echten haben noch kein eigenständiges System vielseitig entgegenzuwir- Kurswechsel vornehmen: Zucht, Immunsystem. Dann werden sie ken: Zunächst muss der Gesetz- Haltung, Transport und Schlach- möglichst kostengünstig, schnell geber mit dem Tierschutzgesetz tung müssen an die Bedürfnisse und „weiß-fleischig“ gemästet. Sie einen Rahmen schaffen, der die und Verhaltensweisen des Rindes werden auf Vollspalten ohne funk- Anforderungen an Kälbertrans- angepasst werden – ohne auf ei- tionalen Liegebereich und Einstreu porte und Kälbermastverfahren mit nem Auge blind zu sein. gehalten, wo im Zeitverlauf mit den Zielen des Tierschutzes vereint. Damit würde sich der Transport Anne Hamester steigender Körpergröße aber glei- chem Stallabteil immer weniger nicht-entwöhnter Kälber erübrigen Platz zur Verfügung steht. Die Rin- der werden außerdem nicht ihrer Tierphysiologie als Wiederkäuer entsprechend gefüttert. Sie bekom- men vornehmlich Milchaustauscher, das nicht aus Milch, sondern aus Kokos- und Palmfett besteht, sowie Kraftfutter. Diese Fütterung führt zur hellen, gar weißen Farbe vom Kalbfleisch, spiegelt aber eine aku- te Fehlernährung wider, welche in den meisten Fällen zu starkem Eisenmangel und Anomalien wie Labmagengeschwüren im Magen- darmtrakt führt. Systemwechsel: Milchwirt- schaft, Politik und Gesetzge- ber in der Pflicht In Milchproduktionsländern wie zum Beispiel Neuseeland und Großbritannien ist es bereits üblich, die Milchviehkälber direkt nach der Geburt zu töten. Und auch in Deutschland mehren sich die An- fragen von Milchviehbetrieben bei Behörden, die Tötung der Milch- viehkälber mit der gleichen Argu- mentation des jahrelangen „Küken- 11
Kälber ohne Wert? Zwei Lösungs- strategien mit Zukunftsperspektive Vielen Milchviehbetrieben und Or- tragen stolz ihre Hörner, verbrin- ganisationen ist die Problematik gen den Sommer auf der Weide der überschüssigen Kälber bekannt und fressen artgemäß Gräser und und sie suchen nach Lösungen, um Heu, sodass sie hochqualitative den weiblichen und männlichen und geschmackvolle Heumilch pro- Tieren einen nachhaltigen Wert duzieren. Außerdem wachsen die zu geben. Wir möchten Ihnen hier Kälber an der Seite der Kühe auf zwei Initiativen vorstellen, die zei- und kommen so in den wertvollen gen, wie die Branche dem Problem Genuss einer artgemäßen Auf- begegnet. zucht. Zunächst war dies jedoch auch bei den HeuMilch Bauern nur HeuMilch Bauern: kuhgebun- den weiblichen Tieren vorbehal- dene Aufzucht aller männli- ten. Es stand den Betrieben zwar Jerseyrinder produzieren besonders chen und weiblichen Kälber natürlich frei auch die männlichen fettreiche Milch und eignen sich auch Kälber kuhgebunden aufzuziehen, wegen ihrer geringen Größe gut zur Die Erzeugergemeinschaft der der größte Teil verkaufte sie aber Weidehaltung. Gleichzeitig sind sie zur HeuMilch Bauern arbeitet nach bereits im Alter von zwei Wochen. Mast wegen ihres geringen Gewichtes aber von geringer Güte; in anderen den strengen Anforderungen der Dies haben die teilnehmende Heu- Ländern werden überschüssige Jerseys ganzheitlichen ökologischen De- Milch Bauern im „Kuh plus Kalb”- nach der Geburt direkt getötet meter-Erzeugungsweise. Die Rinder Projekt geändert. Ihre Milch wird 12
RUND UM DEN „NUTZ“TIERSCHUTZ unter dem Siegel „Zeit zu zweit“ Fleisch des milchproduzierenden Zunächst bräuchte es einen Wis- vermarktet. PROVIEH sprach da- Tieres oder des für die Milch pro- sensaustausch unter Praktiker*in- rüber mit Rolf Holzapfel, dem duzierten Kalbes an. Mit unserem nen und den Beratungsdiensten. geschäftsführenden Vorstand der „Zeit zu zweit“-Siegel garantieren Auch die Stallbauberatung bewegt HeuMilch Bauern. wir den Kontakt zwischen Mut- sich noch im relativen Neuland, ter beziehungsweise Amme und was gute, flexible Lösungen für Herr Holzapfel, was hat die Kalb – und eine ethisch vertretbare kuhgebundene Aufzucht angeht. HeuMilch Bauern dazu bewo- Haltung aller Tiere. Das Verstehen Ähnlich wie die Umstellung auf Bio gen, die Bullenkälber verpflich- die Verbraucher und honorieren es erfordert auch die Umstellung auf tend in die Richtlinie zur Pro- auch gerne. mutter- beziehungsweise ammen- duktion zu übernehmen? gebundene Kälberaufzucht einige Was sind die größten Heraus- Anstrengungen. Was man dabei Ich glaube, viele von uns hatten forderungen für Sie im Hinblick gewinnen kann, ist aber nicht nur schon immer ein ungutes Gefühl, auf die Bullenkälber? die Gewissheit, die Verantwortung die Kälber in sehr jungem Alter für die eigenen Tiere von der Ge- wegzugeben. Zumal die männ- Zum einen beschäftigt uns die burt bis zur Schlachtung zu über- lichen Kälber am Markt aufgrund Produktionstechnik sehr. Wir sind nehmen, sondern auch ein völlig ihrer geringen Zunahmen nicht bisher alle Milchviehhalter und neues Erleben der bis dato reinen gerade begehrt waren. Augenöff- müssen uns an die neuen Anforde- Milchkühe. Manche Altkühe erfül- nend war jedoch auch für uns die rungen einer Kälberaufzucht bezie- len die Rolle der Amme mit einer zunehmende Aufmerksamkeit, die hungsweise -mast erst gewöhnen. Leidenschaft, die unglaublich ist. das Thema Bullenkälber in den letz- Individuelle betriebliche Vorausset- Auch die betriebseigenen Zucht- ten Jahren in der Öffentlichkeit er- zungen ermöglichen bei Betrieb A kriterien können sich in Bezug auf hielt. Da stellte sich die moralische zum Beispiel den unkomplizierten Mütterlichkeit/Ammentauglichkeit Frage: Können wir es wirklich ver- Anbau einer Kälberbox, bei Be- verändern. Ein wesentlicher An- antworten, unsere Kälber so früh trieb B muss man aber ein bisschen reiz für Veränderungen dieser Art zu verkaufen? Wissen wir, was mit um die Ecke denken. Wir sind da besteht natürlich in der Vergütung ihnen passiert? Zunächst war das im Austausch und sehr dankbar für des Mehraufwands für die Betrie- alles ein ganz schönes Wagnis, unsere einfallsreiche und vielfäl- be von Anfang an. aber mittlerweile wirkt sich dieses tige Gruppe. Neben technischen Haltungssystem meist sehr positiv Dingen besteht auch eine Heraus- Die Milch- und Fleischvermarkung auf die Gesamtherde aus und auch forderung in der Vermarktung des muss in Zukunft viel mehr gemein- die Kälber entwickeln sich sehr gut. Fleisches. Unser Kalbfleisch ist we- sam gedacht werden. Ich bin mir niger weiß, als man es vielleicht sicher, dass hier beide Sortiments- Haben die Verbraucher aktiv bereiche voneinander profitieren kennt, da die Kälber auch viel Rau- danach verlangt und wie ist futter zu sich nehmen. Selbst der können. Wenn dies stattfindet, dies am Markt angekommen? Begriff Kalbfleisch passt hier im steht einer Umstellung auf mutter- Grunde nicht mehr, da die „Kälber“ beziehungsweise ammengebunde- Ehrlich gesagt haben wir die Reso- ne Kälberaufzucht nicht mehr viel nanz, die uns am Markt begegnet bereits sehr gut entwickelt sind und 200 bis 250 Kilogramm wiegen. im Wege. ist, deutlich unterschätzt. Wir ha- Im Grunde sind es junge Rinder. ben damit angefangen, auf unse- Was ist Ihre Vision für die Milch- ren Molkereiprodukten auf unsere Gleichzeitig haben wir damit ein viehhaltung in Deutschland? kuhgebundene Aufzucht der Käl- „neues“ Produkt: Kalbfleisch mit ber hinzuweisen. Die Verbindung geschmacklicher Tendenz Richtung Da wir in Deutschland nach wie von Milch- und Fleischproduktion Rindfleisch. Dafür müssen wir auch vor zu viel Milch produzieren, ist jedoch etwas, was weiterhin im unsere Kundinnen und Kunden erst wäre es meiner Ansicht nach sinn- Bewusstsein der Verbraucherschaft begeistern. voll, die hier produzierten Kälber wachsen muss und auch wird. Ich auch mit ebendieser Milch zu ver- Was wären aus Ihrer Sicht die sorgen. Kuhgebundene Aufzucht denke, da dürfen auch wir lernen, dass wir unseren Kundinnen und wichtigsten Stellschrauben, um hat neben der Verringerung der Kunden viel mehr zutrauen können. Milchviehbetrieben einen An- Kuhzahl auch den Effekt einer Ver- Bei jedem Joghurt und jedem Kä- reiz zu geben, sich der Bullen- lagerung der Zucht auf resilientere sebrot fällt irgendwann auch das kälber anzunehmen? Zweinutzungsrassen, sodass wir 13
RUND UM DEN „NUTZ“TIERSCHUTZ mittelfristig auch nur noch Bullen- Masteigenschaften und wirtschaft- kälber mit guten Masteigenschaf- lichen Auswirkungen zwischen ten haben. Qualität über Quantität milchbetonten Zuchtlinien, Kreu- sollte das neue Mantra der Milch- zungstieren und Zweinutzungsrin- viehhaltung werden. dern verglichen und quantifiziert. Dafür analysierte er unter anderem Vielen Dank Herr Holzapfel! die Tageszunahmen, Mastendge- wichte, die Kosten des Verfahrens, Bioland-Berater untersucht verglich die Kälberaufzucht im Iglu Masteigenschaften von Kreu- und an der Amme. Auch berech- zungstieren nete er den minimalen Kilopreis für die unterschiedlichen Rassen Auch die ökologischen Milchvieh- betriebe sind mit dem Problem der sowie auch über eine Quersub- überschüssigen Kälber konfrontiert. ventionierung über den Milch- Die Nachfrage nach ökologischen preis. Seine wichtigste Erkenntnis Milchprodukten ist in den letz- ist, dass Bio-Kälbermast sogar auf ten Jahren stark angestiegen, die der Weide funktionieren kann. Das Nachfrage nach Bio-Rindfleisch tierungerechte Verfahren der in- ist wiederum gleichbleibend klein tensiven Kälbermast ist also nicht geblieben. Somit entsteht im öko- nötig. Die Masteigenschaften sind logischen Markt ohnehin ein Über- bei den milchbetonteren Linien je- hang dieser Kälber. Gleichzeitig doch deutlich schlechter und letzt- sind aber auch viele Öko-Milch- lich kostspieliger. Außerdem wird viehbetriebe auf milchbetonte das von der Fleischbranche ange- PROVIEH setzt sich dafür ein, das Le- Zuchtlinien eingestellt, was die strebte Schlachtgewicht von 140 ben, die Bedürfnisse und Verhaltens- Mast dieser Milchviehkälber unter bis 160 Kilogramm nur mit fleisch- weisen jeder Kuh, jedes Kalbes und einen schlechten Stern stellt. Dem betonteren Kreuzungs- oder Zwei- jedes Bullens zu achten – die besten Bioland-Betriebsberater Daniel nutzungstieren realisiert, nicht von Voraussetzungen bieten dafür Zwei- den milchbetonten Holstein-Frie- nutzungsrinder, weil hier weibliche und Bischoff ist diese Problematik ein Dorn im Auge. Daher hat er im Rah- sian Rindern. Seine Erkenntnisse männliche Tiere ihren Wert und Zweck haben men eines Forschungsprojektes die trägt er im Rahmen der Bioland-Be- ratung aktiv an die Betriebe heran und versucht sie von Zweinutzungs- rindern zu überzeugen. Herr Bischoff, wie nehmen Sie die Stimmung auf den Betrie- ben bezüglich der Geschwister- kälber wahr? Das Dilemma der überschüssigen Kälber ist allen Bio-Milchviehhal- tern bekannt und hängt wie ein Schleier über der Bio-Milchproduk- tion. Für viele Bio-Milcherzeuger ist das kein zufriedenstellender Zu- stand und der Wunsch nach einer Aufzucht und Vermarktung im Bio- bereich wird zunehmend größer. Weshalb und wie raten Sie Ih- ren Betrieben zum Umstieg auf Zweinutzungsrinder? 14
Wir haben in unserem Mastver- zu decken. Hört sich erstmal gar Bei der kuhgebundenen Kälberauf- such sehr eindrücklich gesehen, nicht viel an. Doch kenne ich ak- zucht kommen Kuh und Kalb in den Ge- nuss der gemeinsamen Aufzucht: Das dass die Kreuzungstiere von Betrie- tuell keine größere norddeutsche Kalb wird von der Kuh gesäugt und ben, wo die Muttergenetik schon Molkerei, die sich diesen Schritt versorgt, profitiert durch das Aufwach- fleischbetonter ist, zum Beispiel vorstellen kann. sen im erwachsenen Herdenverband im Rassen wie Fleckvieh oder Deutsch Sozialverhalten und ist häufig gesünder Schwarzbuntes Niederungsrind, Wir dürfen den ganzheitlichen und frohwüchsiger als in der separaten sich auch die Kälber wesentlich Ansatz dabei nicht vergessen. Zu Aufzucht besser entwickelt haben und nach- jedem Liter Bio-Milch gehört auch her markttaugliche Schlachtkörper ein Stück Bio-Rindfleisch. Dafür erzielten. Daher führt meines Er- müssen die Bio-Milchviehbetriebe achtens kein Weg an einer stär- durch die Einkreuzung von Fleisch- keren Priorisierung von Zweinut- rassen oder durch eine Zweinut- zungsrindern vorbei. zungskuh die Voraussetzung für geeignete Masttiere schaffen. Die Wo muss der Weg für die Bio- Kunden müssen allerdings auch Milchviehhaltung langfristig ihren Anteil dazu beitragen, indem hingehen? sie mehr Bio-Rindfleisch kaufen. Die Bio-Milchviehhaltung boomt, Vielen Dank Herr Bischoff! die Nachfrage im Markt steigt Die Interviews führte kontinuierlich. Es wäre der ein- Anne Hamester fachste Weg, die Kälbermast über die Milch quer zu subventionieren, da über die Biomilch die Wert- schöpfung im Markt stattfindet. Hierfür bedürfte es jedoch einem Mehrpreis von 5 bis 7 Cent je Liter Milch, um die Kosten in der Mast 15
Wyandotten-Hühner „ Wyandotten werden nicht nur dern an Popularität. Dies galt ge- wegen ihres ansprechenden rade für den deutschsprachigen Äußeren, sondern auch für ihren Raum und Großbritannien, wo harmonischen und friedfertigen durch Einkreuzung immer mehr In der heutigen Hoch- Charakter geschätzt. Zutraulich, Farbschläge entstanden. leistungszucht zählen friedlich, robust – das sind Begriffe mit denen das Wesen der Wyan- Die ursprünglichen Hühner sollten hauptsächlich Menge und dotten-Hühner von Liebhaber*in- in der Färbung der Rasse Silber- Masse. Der Ertrag von nen beschrieben wird. Sebright Zwerge entsprechen, Fleisch, Milch oder Eiern aber gleichzeitig die Größe des soll möglichst hoch sein Herkunft asiatischen Hühnertyps erreichen. und nach diesen Kriterien Ausgangsrassen waren dabei werden die Tiere gezüch- Ursprünglich stammen die Wyan- unter anderem Hamburger Silber- tet. Die alten, robusten dotten aus den USA, wo sie als lack, Paduaner, Silber-Sebright, und gut an örtliche Ge- Zweinutzungsrasse – also zur Eier- und Chittagong. Die erste offi- gebenheiten angepassten und Fleischproduktion – gezüchtet zielle Anerkennung erlangten die Rassen werden dabei wurden. Einer Theorie nach er- Züchter im Jahr 1883 mit einem immer weiter verdrängt. hielten die Wyandotten ihren Na- silber-schwarzgesäumten Farb- Im vergangenen Jahrhun- men in Anlehnung an den gleich- schlag. Der Farbschlag bezeichnet dert sind bereits bei Rind, namigen Indianerstamm aus dem in diesem Fall die unterschiedliche Schwein und Schaf über Gebiet des heutigen Michigans. Federfärbung bei Tieren innerhalb 150 Rassen ausgestor- Frei übersetzt bedeutet das „Insel- einer Rasse. Bei dem für die Wy- ben. PROVIEH setzt sich bewohner“ und war die Selbstbe- andotten so charakteristischen sil- für den Erhalt der alten zeichnung der in wassergepräg- ber-schwarzgesäumten Farbschlag Rassen ein und stellt in ter Landschaft lebenden Indianer. ist jede der silberfarbenen Federn jedem Magazin eine alte Später stellte sich heraus, dass der schwarz gerahmt. „Nutz“tierrasse vor. Wei- Namensvorschlag aufgrund eines tere Portraits finden Sie unter www.provieh.de/ gleichnamigen Küstendampfers Farbvielfalt und liebevol- gemacht worden war. Ausgehend le Glucken alte-nutztierrassen “ von den USA verbreitete sich die Rasse durch regen Schiffshandel Von blau, goldhalsig und gold- schnell und gewann in vielen Län- weiß-gesäumt über silberschwarz- 16
begeistert von der Legeleistung, dem schmackhaften Fleisch und der Schönheit der Tiere. Diese wird ebenfalls von Ausstellungs- züchter*innen anerkannt. Aktuell ist die Rasse laut Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter zwar nicht gefährdet, steht aber unter Beobachtung. Für den Erhalt dieser alten „Nutz“tierrasse wur- den verschiedene Sondervereine gegründet, so beispielsweise für die Zucht gesäumter Wyandotten oder gesäumter Zwerg-Wyandot- ten. Die kleineren und leichteren Zwerg-Wyandotten sind eine Wei- terzüchtung der Wyandotten. Sie gesäumt, schwarz-weiß-gescheckt und Wasser achten und den Hüh- zählen zu den beliebtesten und und rot – die Wyandotten gibt es nern besondere Aufmerksamkeit am weitesten verbreiteten Zwerg- in zahlreichen Farbschlägen, ins- schenken. hühnern. gesamt etwa 30 Stück. Von diesen sind allerdings nur 18 vom Bund Gefährdung 2016 hat die „Gesellschaft zur Deutscher Rassegeflügelzüchter Erhaltung alter und gefährdeter Erfreute sich die Hühnerrasse frü- Haustierrassen e.V.“ 535 männ- anerkannt. her noch großer Beliebtheit, so sind liche und 2.148 weibliche Tiere Die Rasse zeichnet sich durch ihren die Wyandotten heute eher rar ge- erfasst, wobei eine abnehmende stark ausgeprägten Brutinstinkt und worden. Zu sehr setzt die Massen- Tendenz erkennbar ist. die zuverlässige Kükenaufzucht tierhaltung auf hybridisierte Ras- der Hennen aus. Durchschnittlich sen, als dass alte „Nutz“tierrassen Marie Riethmüller legen die Hennen 180 Eier in den noch von Interesse wären. Das ist ersten beiden Legejahren. Im Ext- schade, da die Wyandotten viele remfall kann der stark ausgeprägte schätzenswerte Eigenschaften mit Bruttrieb der Hennen sogar zu ge- sich bringen. Gerade Kleinbäu- sundheitlichen Schäden wie Man- er*innen, Hobbyhalter*innen und gelernährung führen. Halter*innen Selbstversorger*innen mit weni- sollten dann auf ausreichend Futter gen Tieren sind auch heute noch INFOBOX Steckbrief Die Augen der Wyandotten sind unabhängig von der Gefiederfarbe leuchtend orangerot. Das Gesicht ist rot und nur leicht befiedert und ihre Läufe sind gelb. Der Kamm – ein sogenannter Rosenkamm – ist leicht beperlt und läuft nach hinten in einen Dorn zu. Henne und Hahn lassen sich durch verschiedene Farbzeichnungen im Gefieder unterscheiden: Bei einfar- bigen Tieren tragen die männlichen meist eine kräftigere Färbung. Bei mehrfarbigen Farbschlägen setzt sich bei den Hennen die Mantelzeichnung – also die Gefiederfärbung am Rumpf – auch im Kopf- und Halsbereich fort, wohingegen bei den Hähnen eine klare Abgrenzung zu sehen ist. Die Tiere sind üppig befiedert, was ihnen ein plumpes Aussehen verleiht. Henne und Hahn weisen einen stumpfen Abschluss der leicht ansteigenden Rückenlinie auf. Auffallend ist, dass die Hähne aufgrund ihrer stark gekrümmten und kurzen Sichelfedern nicht den sonst so typischen Hahnenschweif tragen. Bei den Hennen sieht der Schwanz von hinten wie ein umgedrehtes „V“ aus. Laut Zuchtziel sollen die Tiere zudem eher hoch als breit sein. Hennen erreichen ein Gewicht zwischen 2,5 bis 3 Kilogramm, die Hähne werden etwa 3,4 bis 3,8 Kilogramm schwer. 17
Weidefunk Wie Nutztierschutz in der Schule auf offene Ohren und positives Handeln stößt Wahrscheinlich wäre vieles anders Hauptschule in Coesfeld im Müns- konsequenzen gäbe dieses Thema gelaufen, hätte ich damals eine terland. Ich lernte sie über eine Mit- locker her, denn Milch ist keine Lehrkraft gehabt, die „industrielle arbeiterin von PROVIEH kennen harmlose weiße Flüssigkeit. Massentierhaltung“ und „Tiertrans- und durfte erfahren, in wie vielen porte“ behandelt hätte. So habe Menschen trinken gigantisch viel Bereichen des Tierschutzes sich ich die Schule als einen Ort wahr- Milch. Allein 12 Millionen Rinder die junge Lehrerin zusammen mit genommen, an dem Tierrechte gibt es in Deutschland, einen gro- ihren Schüler*innen stark macht. schlicht keinen Platz haben. Das ist ßen Anteil machen die Milchkühe Wir diskutierten, inwiefern eines ca. 20 Jahre her. mit rund vier Millionen aus. Sie der brisantesten Themen vor ihrer „produzieren“ gut 33 Millionen Klasse Einzug finden kann: die Mittlerweile hat sich an den Schu- Tonnen Milch. Milchindustrie. Und wir bastelten len mächtig was getan: „Massen- einen Weg: Die Rechnung ist einfach: Was tierhaltung“ wird behandelt; doch der Mensch an Milch trinken will, basiert dies weniger auf einer stillen Reform des Bildungswesens. Von der Wegwerfware darf nicht in den Magen des Kalbs Hinter dem Aufkommen solcher Kalb … wandern. Also wird ein Großteil der Kälber direkt nach der Geburt Themen auf dem Stundenplan ste- Für uns beide war rasch klar, dass von der Mutter getrennt. Insbeson- hen engagierte Lehrer*innen, die wir die Kinder und Jugendlichen dere die Bullenkälber erleiden ein es sich zum Ziel gemacht haben, weder mit heftigen Videos und Bil- schlimmes Schicksal: Ein überwäl- zentrale Facetten einer modernen dern bombardieren noch mit einer tigender Teil von ihnen geht auf Gesellschaft zu beleuchten – wie Schwarz-Weiß-Entscheidung kon- Schlachttransporte ins Ausland. In den Nutztierschutz. frontieren durften nach dem Mot- diese Hintergründe nahmen wir to „Go Vegan!“ oder „Sei weiter die Schüler*innen mit. Sie lernten Sarah Albertz für das Leid der Kälber und ihrer das durchschnittliche Leben einer Sarah ist so eine Lehrerin. Sie Mütter verantwortlich“. Den Stoff Milchkuh und ihres Kalbes in der arbeitet an der Kreuzschule, einer für solche Gefühle und Handlungs- Industrie kennen. 18
RUND UM DEN „NUTZ“TIERSCHUTZ … zur Patenschaft für zu sammeln, damit sie sich ihr ei- gyus) mit hinzu, zwei Menschen genes Patenkalb leisten können. aus der Landwirtschaft, die aus ih- eine muttergebundene ren Perspektiven die Schüler*innen Kälberaufzucht Sanft die Augen für Nutz- digital-hautnah in die Ställe und Doch Sarah und ich ließen die tierschutz öffnen auf die Weiden mitnahmen. Schüler*innen nicht hier stehen. Die Kinder und Jugendlichen bas- Statt hilflos zuschauen, in Wenn ein Problem zu groß und telten, zeichneten, löteten und grausam wird, weigern sich vie- kleinen Schritten aktiv wer- backten kleine Projekte, die dann le Menschen hinzuschauen. „Es verkauft wurden. Corona stoppte den ändert sich doch eh nichts!“ ist uns pünktlich zum Zeitpunkt, wo Der für uns wichtigste Schritt war, ein häufiger Glaubenssatz. Also es dann zum Abschluss einer Pa- den Schüler*innen gezielt gang- steckten wir die Ziele kleiner und tenschaft ging. Dies wird nach bare kleine Schritte aufzeigen. machten die Schritte gangbarer. dem Lockdown erfolgen und die Patenschaften sind hierbei nur ein Um Mut zu machen – und in der Schüler*innen werden live erleben, Beispiel. Milchindustrie ist die muttergebun- welchem Tier sie ein gutes Weiter- dene Kälberaufzucht so ein Mut leben ermöglichen. Der Nutztierschutz ist voller neuer machender Mittelweg: Wege und Ideen, die auf Umset- Folgende Schritte waren hilfreich, zung warten! Auch und besonders • Kälber wachsen bei ihren leibli- um im Unterricht sanft zum Han- an den Schulen. chen Müttern auf deln anzuleiten: Inga Kastens • Sie leben im Familienbund und in Fakten und Grundlagen mit Freilandhaltung Gefühl • Sie dürfen ihre Hörner behalten Die Kids wissen heute häufig nicht, • Transporte in die ausländischen dass eine Kuh schwanger sein Kälberschlachthöfe werden sie muss, um Milch zu erzeugen. Sol- nicht erleben che und andere Fakten werden aufgeführt, um zu sensibilisieren Weidefunk besucht Höfe, die die- und aufzuklären. Das Bild- und ses Konzept leben, regelmäßig. Textmaterial wurde in einer Präsen- Sie sind für uns die mutigen Vor- tation gesammelt und mit viel Inter- denker*innen (viele Frauen leiten aktion („Wie geht es Dir, wenn Du die landwirtschaftlichen Betriebe!), das siehst?“) vermittelt. doch sie gehen auch extreme Risi- ken ein: Denn in den Supermärkten Filme und Bilder in positiver ist die Milch aus dieser Aufzucht oft nicht ausgewiesen! Sie kriegen Gewichtung also keinen Cent mehr für ihre Ar- Hier ist die Gewichtung nicht uner- beit. Kein Wunder, dass es gerade heblich: Nur in kurzen Sequenzen mal 80 Höfe in Deutschland gibt, zeigten Sarah und ich negative Bil- von 60.000 Milchviehbetrieben, der. Einen größeren Raum nahmen die dieses Konzept leben. Szenen ein, die zeigen, wie es po- sitiv geht. Und wie jede*r Einzelne Betriebswirtschaftlich überleben im Kleinen unterstützen kann. die vom Weidefunk besuchten Höfe nur, da sie Patenschaften ver- Live-Schalten von Insidern mitteln: Kälber-Paten bezahlen den Milch-Betrag für ein Kalb, welche Sarah und ich erfuhren es als wir- dieses der Mutter wegsäuft. Exakt kungsvoll, Live-Stimmen in den Un- das war der Schritt, zu dem wir terricht zu nehmen. So schalteten die Schüler*innen motivierten: Sie wir Ingmar Jaschok (Blogger „Hof- sollten Projekte umsetzen, um Geld huhn“) und Anna Butz (Alster Wa- 19
TOMTEs HOF – Begegnungen zwischen Mensch und Tier Liebe Frau Marliani, TOMTEs hinaus geben wir in der ruhigen, HOF bezeichnet sich als Be- aber lebendigen Hof-Atmosphäre Hilfestellung zur Persönlichkeits- gegnungshof. Was verbirgt entwicklung und -entfaltung und sich hinter diesem Begriff? damit Hilfe zu einem gelingenden INFOBOX Auf TOMTEs HOF steht die acht- Leben. Die Besonderheit liegt da- same Begegnung von Mensch, Tier bei in dem ganzheitlichen Ansatz, Dr. Juliane Marliani ist Dip- in dessen Mittelpunkt der Hof als lom-Biologin mit den Schwer- und Natur im weiteren Sinne im Mittelpunkt. Zum einen vor einem Mensch-Tier-Begegnungsort steht. punkten Verhaltensbiologie, Hier darf man eintauchen, ent- Ökologie und Neurobiolo- förderpädagogischen Hintergrund – hier arbeiten wir mit dem Sozial- spannen und staunen, Natur unmit- gie, Tiertrainerin, Ausbilderin telbar erfahren, pflegen, Teil sein für den Beruf Tierpfleger*in, und Jugendamt und mit Einrichtun- gen für Menschen mit Förderbe- und genießen. Seit 2009 haben Klassische Homöopathin, wir die Zertifizierung als Begeg- Fachberaterin und -referentin darf zusammen – zum anderen vor nungshof durch die Stiftung Bünd- im Bereich Tiergestützte Inter- einem naturpädagogischen Hinter- nis Mensch & Tier. vention und artgemäße Nutz- grund. Ziel ist es über die achtsame tierhaltung, und Gutachterin Begegnung mit Tieren und der Na- Welche Tiere halten Sie auf für Begegnungshöfe. 2004 tur die Verantwortlichkeit gegen- TOMTEs HOF? gründete sie Tomtes Hof e.V., über Tieren und deren Lebensräu- einen Begegnungshof, den men und somit ein grundlegendes Der Hof mit seinen etwa 4,5 Hektar sie auch heute noch leitet. ökologisches Bewusstsein und Na- nachhaltig bewirtschafteten Wei- turverständnis zu fördern. Darüber deland beherbergt Wollschwei- 20
RUND UM DEN „NUTZ“TIERSCHUTZ ne, Schafe, Ziegen, Esel, Meer- wir Beratung und Fortbildungen schweinchen, Pferde, Kaninchen, zum Thema artgemäße Tierhaltung, Hühner, Gänse, Katzen und Hun- Ausbildung und Einsatz von Nutz- de. Sie leben so frei wie möglich, tieren im privaten, pädagogischen in arteigenen Gruppierungen, art- und therapeutischen Arbeitsfeld an. gemäß untergebracht und versorgt, All diesen Angeboten liegen hohe artgerecht betreut und achtsam Qualitätsstandards zugrunde, die zum Einsatz gebracht. Diese Hal- sich in der Haltung unserer Tiere, tung ist nicht einfach, da auf der in der fachgerechten und artgemä- einen Seite im Rahmen der immer ßen Vorbereitung und Begleitung stärker werdenden industriellen des Tierkontakts und der Naturer- Landwirtschaft als auch im Rahmen lebnisaktionen wiederfinden. Eine INFOBOX von sogenannter Liebhaberei-Hal- wesentliche Rolle spielt dabei nicht Stiftung Bündnis Mensch & tung ein großes Spannungsfeld nur unser Fachwissen, sondern ge- Tier besteht, in dem sich zunehmend rade auch unsere Haltung, mit der Das Netzwerk Begegnungs- Haltungsformen „etabliert“ haben, wir unseren Besuchern, aber eben höfe wurde 2008 von der die mit den Bedürfnissen der Tiere auch unseren Tieren begegnen. Sie Stiftung Bündnis Mensch & und ihrer arteigenen Lebensweise ist weder wertend noch grenzüber- Tier ins Leben gerufen, um nicht mehr viel zu tun haben. Doch schreitend, sondern achtsam und genau dies ist ja das Thema auf geeignete Räume zu bieten, respektvoll. Das bedeutet für die wo Mensch und Tier sich TOMTEs HOF: jedem zu ermög- Angebote konkret, dass wir zum lichen nach seinen Bedürfnissen, auf mensch- und tiergerechte Beispiel unsere Kaninchen nicht Weise begegnen können. Die Neigungen und Vorlieben so glück- auf den Schoß nehmen, sondern qualifizierten Begegnungshö- lich wie möglich zu leben. dass die Begegnung von Kanin- fe der Stiftung sind Vorbilder chen und Besuchern so organisiert für eine artgemäße Tierhal- Welches Angebot haben ist, dass sie auf Augenhöhe und tung und einen tiergerechten Sie auf TOMTEs HOF? Was freiwillig stattfindet. So können Einsatz von heimischen Heim- macht ihn besonders? unsere Besucher schon allein bei und Nutztieren. der Beobachtung der Tiere, aber www.buendnis-mensch-und- Mein Kernanliegen ist es, Men- vor allem im direkten, aber freien tier.de schen über die Begegnung und Kontakt mit den Tieren, viele As- Auseinandersetzung mit Nutztie- ren erlebbar zu machen, wie sich Zusammenleben und ein lebendi- ges Miteinander gestalten lässt. Unsere Angebote lassen sich in drei Bereiche gliedern. Beim „Natur(er) leben“ geht es um Umweltbildung und Naturerlebnisangebote wie „MitMachFütterungen“, Kinder- geburtstage, Jahresgruppen oder Ferienprogramme. Beim „NatUr- vertrauen“ handelt es sich um An- gebote mit pädagogischer Zielset- zung. Sie richten sich an Gruppen sozialer Einrichtungen und an Ein- zelpersonen aller Altersgruppen. Diese intensive Betreuung wird von unserem Pädagogik-Team durch- geführt und findet in einem pro- fessionellen, geschützten Rahmen statt. Beim „Naturumgang“ bieten 21
RUND UM DEN „NUTZ“TIERSCHUTZ pekte des zwischentierlichen und Pferd bei jeder unübersichtlichen -menschlichen Miteinanders be- Situation durchgeht und wegläuft, trachten und für sich klären: Wie sondern sich einen Überblick ver- gehen Tiere/wir miteinander um? schafft und dann entscheidet. Oder Wie setzen Tiere/wir Grenzen? warum es für das Schaf geradezu Wie äußern Tiere ihre Bedürfnisse, überlebensnotwendig ist, in der wie mache ich es? Und – für mich Herde zu gebären, die großartigen ganz wichtig – haben alle die glei- Schutz und Gemeinschaft bietet. chen Bedürfnisse? Wie sieht es mit Schafe haben ein hervorragendes individuellen Bedürfnissen, Ma- System entwickelt, um in der Schaf- cken, Vorlieben, Abneigungen und herde mit vielen Lämmern und Schwierigkeiten aus? Wie gehen Müttern einen guten individuellen Herden, Tierfamilien, Menschenfa- Kontakt herzustellen, die Gruppen- milien etc. damit um? mitglieder einzubeziehen etc.. Es ist wundervoll zu erleben, wie die Was möchten Sie den Teil- Herde Geburten „gestaltet“, wenn nehmenden mitgeben? man sie machen lässt. Die weibli- Wir möchten unbedingt vermitteln, chen Tiere (Auen) von der Herde wie eine gute, artgemäße Haltung zu trennen entspricht menschlichen relativ einfach gewährleistet wer- Bedürfnissen, ist aber nicht schaf- den kann. Dabei geht es uns nicht gemäß. Und ja, natürlich kann es darum, „Rezepte“ auszuteilen, son- Probleme geben in der Herde, und dern viel mehr ein Verständnis für die Aussicht, dass Lämmer unter INFOBOX die Lebensweise einer Tierart zu die Klauen kommen, ist alles an- TOMTEs HOF e.V. vermitteln, indem wir über die Le- dere als wünschenswert. Aber das Kontakt: Dr. Juliane Marliani bensweise der jeweiligen „wilden“ Problem liegt dann meist bei der Rysdyker Weg 1 Vorfahren eingehend berichten Haltung: zum Beispiel einer zu gro- 26506 Norden und darüber, was diese mit unse- ßen Gruppengröße, in der das na- 04931. 930 1634 rer Nutztierart zu tun hat: Warum türliche Sozialsystem des Schafes E-mail: info@tomtes-hof.de der Esel nicht stur ist, sondern sich nicht greifen kann, Stress um Res- www.tomtes-hof.de für ein „Steppen-Wüstentier“ cle- sourcen, Konkurrenz, Enge etc. Un- ver verhält, wenn er nicht wie das sere Vorstellungen von Tierhaltung 22
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