EILDIENST 3 /2019 - Landkreistag NRW

 
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EILDIENST 3 /2019 - Landkreistag NRW
EILDIENST
                                                                   3  / 2019

Aus dem Inhalt:
●   Goldene Zeiten?
     Zur Haushaltsentwicklung der Kreise und der Landschaftsverbände im Jahr 2018
●   Afrikanische Schweinepest – Kreise bereiten sich vor
●   Schwerpunkt: Aktuelle Herausforderungen im Natur- und Landschaftsschutz
EILDIENST 3 /2019 - Landkreistag NRW
EILDIENST 3/2019                                                                                Auf ein Wort

                                   Abschaffung der Stichwahl –
                                   der Gesetzgeber muss nachbessern
                                   Nicht zum ersten Mal wird in Nordrhein-Westfalen über die Abschaf-
                                   fung der Stichwahlen bei den Wahlen der kommunalen Hauptverwal-
                                   tungsbeamten diskutiert. in den 1990er Jahren eingeführt, wurde sie
                                   von der damaligen CDU-FDP-Regierungskoalition im Jahre 2007 abge-
                                   schafft und von der rot-grünen Minderheitsregierung 2011 – seinerzeit
                                   mit den Stimmen von FDP und Linken – wieder eingeführt. Im Zuge
                                   eines laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Kommu-
                                   nalwahlgesetzes haben die Regierungsfraktionen von CDU und FDP
                                   nunmehr Ende 2018 einen Änderungsantrag in den Landtag einge-
                                   bracht, mit dem die Stichwahl wieder abgeschafft werden soll.
                                    Angesichts dieser Vorgeschichte überrascht es nicht, dass über die
                                    beabsichtigte Abschaffung der Stichwahl ein heftiger politischer Streit
                                    entbrannt ist. Zu dieser politischen Streitfrage, für die es eine Reihe
                                    Für- und Gegenargumente gibt, die auch in den Gremien des Land-
kreistages ausführlich debattiert worden sind, soll an dieser Stelle bewusst keine Position bezogen werden.
Stattdessen soll auf eine andere Frage eingegangen werden, die im Rahmen der Landtagsanhörung zur
geplanten Novellierung des Kommunalwahlrechts im Februar 2019 intensiv diskutiert wurde: Ist es ver­
fassungsrechtlich überhaupt zulässig, die Stichwahl wieder abzuschaffen?
Die Frage scheint eigentlich klar beantwortet zu sein, hat doch der Verfassungsgerichtshof des Landes
Nordrhein-Westfalen im Jahr 2009 entschieden, dass die damalige – erstmalige – Abschaffung der Stich-
wahl verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Zugleich haben aber die Richter den Gesetzgeber dazu
verpflichtet, die tatsächlichen Verhältnisse im Blick zu behalten und daraufhin zu beobachten, ob sich nicht
Veränderungen ergeben haben, die eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung der Wahl kommunaler
Hauptverwaltungsbeamter auf der Basis eines einzigen Wahlgangs mit relativer Mehrheit verlangen.
Ein Teil der vom Landtag eingeladenen Sachverständigen hat in der Anhörung die Rechtsauffassung ver-
treten, dass eine solche Veränderung der tatsächlichen Umstände inzwischen eingetreten sei. Insbesondere
sei mit der in den letzten Jahren festzustellenden zunehmenden Ausdifferenzierung des Parteiensystems
die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass der Sieger des ersten Wahlgangs einen immer geringeren Anteil der
abgegebenen Stimmen auf sich vereint und eine größere Zahl von Stimmen auf andere Kandidaten entfällt.
Ein Wahlsystem, das einer solchen Entwicklung Vorschub leiste, sei mit dem Demokratieprinzip und dessen
Entscheidungsregel „Mehrheit entscheidet“ nicht mehr vereinbar.
Eine solche Argumentation scheint auf den ersten Blick einiges für sich zu haben. Indessen folgt daraus
nicht zwangsläufig, dass es verfassungsrechtlich ausgeschlossen wäre, die Stichwahl wieder abzuschaffen.
Entscheidet sich der Gesetzgeber dafür, muss er aber im Rahmen einer Gesamtschau die ihm vom Verfas-
sungsgerichtshof hinsichtlich einer möglichen Änderung der tatsächlichen Umstände auferlegte Beobach-
tungs- und Begründungslast beachten. Unter diesem Gesichtspunkt besteht Nachbesserungsbedarf.
Dies heißt konkret: Die Regierungsfraktionen müssen die nötige gesetzgeberische Sorgfalt walten lassen
und die Ausführungen in ihrem Änderungsantrag in empirischer wie normativer Hinsicht ergänzen und
vertiefen. Eine solche erweiterte Begründung wird der Maßstab dafür sein, dass die seitens der Landtags-
mehrheit beabsichtigte erneute Abschaffung der Stichwahl einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung
Stand hält. Angesichts der entsprechenden Ankündigung der Opposition im Landtag dürfte kein Zweifel
daran bestehen, dass eine solche verfassungsgerichtliche Überprüfung kommen wird.

                                                                   Dr. Martin Klein
                                                                   Hauptgeschäftsführer
                                                                   des Landkreistages Nordrhein-Westfalen

                                                                                                         141
EILDIENST 3 /2019 - Landkreistag NRW
Inhalt                                                                                                     EILDIENST 3/2019

  Kavalleriestraße 8
                                                    AUF EIN WORT                                                     141
  40213 Düsseldorf
                                                    ______________________________________________________________
  Telefon 0211/ 300 491-0
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  Internet: www.lkt-nrw.de
                                                    AUS DEM LANDKREISTAG
  IMPRESSUM
                                                    Goldene Zeiten? Zur Haushaltsentwicklung der Kreise
  EILDIENST – Monatszeitschrift                     und der Landschaftsverbände im Jahr 2018                         145
  des Landkreistages
  Nordrhein-Westfalen                               ______________________________________________________________

  Herausgeber:
  Hauptgeschäftsführer
  Dr. Martin Klein
                                                    THEMA AKTUELL
  Redaktion:
  Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn
  Beigeordneter Martin Schenkelberg                 Afrikanische Schweinepest – Kreise bereiten sich vor             155
  Referentin Christine Cebin
  Hauptreferent Dr. Markus Faber
                                                    ______________________________________________________________
  Referentin Dorothée Heimann
  Referent Thomas Krämer
  Pressereferentin Rosa Moya
  Referent Dr. André Weßling
  Hauptreferent Dr. Kai Zentara                     SCHWERPUNKT:
  Quelle Titelbild:
                                                    Aktuelle Herausforderungen im Natur- und Landschaftsschutz
  Kreis Herford/Bergmann
                                                    Naturschutz ist wichtiger Baustein
  Redaktionsassistenz:
  Gaby Drommershausen
                                                    zur Wohlstandssicherung                                          157
  Astrid Hälker                                     ______________________________________________________________
  Heike Schützmann

  Herstellung:
                                                    100 Röhren für den Steinkauz:
  ALBERSDRUCK GMBH & CO KG                          Schutzprojekt im Kreis Warendorf                                 159
  Leichlinger Straße 11
  40591 Düsseldorf                                  ______________________________________________________________
  www.albersdruck.de
                                                    Die Pflege der Fauna-Flora-Habitat-Gebiete
  ISSN 1860-3319                                    im Kreis Olpe                                                    160
                                                    ______________________________________________________________

                                                    Die Rückkehr des Wolfes:
                                                    Ein Erfahrungsbericht aus dem Kreis Wesel                        163
                                                    ______________________________________________________________

                                                    Bekämpfung der Herkulesstaude im Kreis Herford                   167
                                                    ______________________________________________________________

                                                    Das Eiszeitliche Wildgehege des Kreises Mettmann                 169
                    Kreise in Nordrhein-Westfalen
                                                    ______________________________________________________________

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EILDIENST 3 /2019 - Landkreistag NRW
EILDIENST 3/2019                                                Inhalt

Gegen den Artenschwund:
Das Wiesenprojekt im Bergischen Land                     172
______________________________________________________________

Der Kreis Recklinghausen blüht auf –
Projekte für mehr Artenvielfalt                          174
______________________________________________________________

Grenzüberschreitendes Pilotprojekt zum Nutriafang        176
______________________________________________________________

Projekt „Modellregion Landwirtschaft und Naturschutz –
Bergisches Land“                                         179
______________________________________________________________

„Raus aus der Routine!“ – Selbsterkenntnis und
neue Standards für ein besseres Klima                    182
______________________________________________________________

THEMEN

Im Kreis Paderborn ist kein Platz
für Menschenfeindlichkeit jeglicher Art                  184
______________________________________________________________

Notfall-Infopunkte im Kreis Recklinghausen               185
______________________________________________________________

Drei Modellregionen
für Wasserstoffmobilität ausgezeichnet                   186
______________________________________________________________

„Ideen klauen erlaubt!“:
Bürgerpreis Demografie 2018/2019 im Kreis Steinfurt      187
______________________________________________________________

DAS PORTRÄT

Patric Fedlmeier, Vorstandsvorsitzender der
Provinzial Rheinland – „Flächendeckende Versorgung
der Bevölkerung mit Versicherungsschutz fördern“         188
______________________________________________________________

                                                                  143
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Inhalt                                                      EILDIENST 3/2019

          IM FOKUS

          Deutschlands größter Pflegedienst:
          Töchter und Schwiegertöchter                                190
          ______________________________________________________________

          MEDIENSPEKTRUM                                              191
          ______________________________________________________________

          KURZNACHRICHTEN                                             192
          ______________________________________________________________

          HINWEISE AUF VERÖFFENTLICHUNGEN                             201
          ______________________________________________________________

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Goldene Zeiten? Zur Haushaltsentwicklung der Kreise
und der Landschaftsverbände im Jahr 2018

A. Allgemeine Entwicklung der                 etlichen Jahren wieder einen deutlichen                           DIE AUTOREN
   Kreisfinanzen                               „Knick nach unten“ auf; mit durchschnitt­
                                               lich 37,05% werden Werte erreicht, die
Das Jahr 2018 kann – ohne Übertreibung         zuletzt zu Beginn der frühen 2000er Jahre
– als ein Rekordjahr für die Kommunal­         verzeichnet wurden (vgl. Abbildung 2 auf
finanzen in NRW und insbesondere auch          Seite 146).
für die Kreisfinanzen bezeichnet werden,                                                                         Hauptgeschäftsführer
ein durchweg positives Spitzenjahr. Die        Eine deutliche Einschränkung gibt es aller­                       Dr. Martin Klein,
bereits im Jahr 2017 positive Entwicklung      dings in Bezug auf die Kreisjugendamtsum­
der Rahmendaten, namentlich sehr hoher         lage, die fast unverändert am Rekordhoch
Steuereinnahmen und damit einhergehend         des Jahres 2017 verharrt. Dies belegen die
eine beträchtliche Steigerung der GFG-         insgesamt erheblich gestiegenen Aufwen­
Verbundmasse (um etwa 1,06 Milliarden          dungen nach dem SGB VIII (Kinder- und
Euro auf 11,7 Milliarden Euro = 9,96%)         Jugendhilfegesetz), die letztlich Spiegelbild                     Hauptreferent
wirkte sich nun voll auf die Kreisebene aus.   der allgemeinen gesellschaftlichen Ent­                           Dr. Kai Zentara,
Es darf durchaus als historisch bezeichnet     wicklungen sind und so etwa mit einem                             Landkreistag
werden, dass mit Ausnahme von zwei             erhöhten Maß von Kindeswohlgefährdun­                             Nordrhein-Westfalen
Fällen alle Kreise in der Lage waren, den      gen und entsprechenden Inobhutnahmen
Hebesatz der allgemeinen Kreisumlage im        einhergehen. Der Zuwachs an minderjähri­         keine spürbaren Rückwirkungen auf die
Jahr 2018 abzusenken, wobei in vier Fällen     gen Flüchtlingen wiederum wird durch die         in den NRW-Kreisen erhobene Jugend­
der Rückgang sogar mehr als vier Prozent­      vom Bund bzw. von Land NRW gewährten             amtsumlage. Ermöglicht wurde dieser
punkte betrug (vgl. Abbildung 1 auf die­       Pauschalen in einem hohen Maß – durch­           Trend durch einen erheb­
                                                                                                                       lichen Zuwachs
ser Seite). Die Entwicklung der Hebesätze      schnittlich betrachtet: zu 100 Prozent –         der Umlagegrundlagen (vgl. Abbildung
der NRW-Kreise weist damit erstmals seit       refinanziert. Insofern entfaltet dieser Anteil   3 auf Seite 146), die bei landesweiter

Abbildung 1

                                                                                                                                 145
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Aus dem Landkreistag                                                                                        EILDIENST 3/2019

Abbildung 2: Entwicklung des Durchschnittshebesatzes der Allgemeinen Umlage / Jugendamtsumlage der Kreise in Nordrhein-West-
falen (seit 2000/2009).

Abbildung 3: Entwicklung Umlagegrundlagen.

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EILDIENST 3 /2019 - Landkreistag NRW
EILDIENST 3/2019    Aus dem Landkreistag

Abbildung 4

Abbildung 5

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Aus dem Landkreistag                                                 EILDIENST 3/2019

Abbildung 6

Abbildung 7: Entwicklung der Hebesätze von LWL und LVR 2000 – 2018.

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Abbildung 8

Gesamtbetrachtung von 14,6 Mrd. Euro          erheben die Kreise Umlagen nur insoweit,        IT.NRW die benötigten Daten vor) weiter­
um ca. 1,3 Mrd. auf 16 Mrd. Euro (= 9         als ihre sonstigen Erträge die entstehenden     hin mit einer gegenüber 2016 nur leichten
%) gestiegen sind. Ungefähr der Hälfte        Aufwendungen nicht decken.                      Steigerungsrate von 6 % (vgl. Tabelle 1
der Kreise war es in dieser Lage möglich,                                                     und Abbildung 9 auf Seite 150).
auch die Zahllast ihrer kreisangehörigen      Diese Tendenz bestätigt sich auch, wenn
Kommunen zu senken (vgl. Abbildung 4          man in den Blick die Aufkommensentwick­         In einem – nun mit vergleichbaren Zah­
auf Seite 147). Die Entwicklung erscheint     lung bei den Landschaftsverbänden einbe­        len überschaubaren – Zeitraum von zehn
umso bemerkenswerter als sich gleichzei­      zieht, die ebenfalls ihre Umlagesätze für das   Jahren ist eine Steigerung der Kosten der
tig auch die Gesamtaufwendungen aller         Jahr 2018 auf 14,7% LVR) und 16,00%             hier ausgewählten Sozialleistungen von in
Kreise – zum Teil sogar beträchtlich – wei­   (LWL) trotz wachsender Aufwendungen             Summe über 80% zu konstatieren! Die
ter gesteigert haben (vgl. Abbildung 5 auf    senken konnten (vgl. Abbildung 7 auf Seite      Steigerungen in der Leistungsart „Hilfe
Seite 147). Dies wurde durch den aberma­      138). Der prozentuale Anteil des Aufkom­        zum Lebensunterhalt“ sowie bei der Kin­
ligen Einsatz von Ausgleichsrücklagen und     mens der Landschaftsumlage an der Allge­        der- und Jugendhilfe fallen mit 235% und
die Absenkung der Landschaftsumlagen          meinen Kreisumlage weist erstmals seit Jah­     123,7% noch erheblich drastischer aus.
ermöglicht.                                   ren einen leichten Abwärtstrend auf (vgl.
                                              Abbildung 8 auf dieser Seite).                  Diese Entwicklung erscheint derzeit nur
Insgesamt führt dies dazu, dass sich der                                                      deshalb verkraftbar, weil sich Umlageauf­
schon länger zu beobachtende Trend des                                                        kommen und Schlüsselzuweisungen eben­
Auseinandergehens von Gesamtaufwen­                                                           falls positiv entwickeln (vgl. Abbildung 10
dungen und Umlageaufkommen weiter             B. Risiken und Chancen                          auf Seite 151). Außerdem ist aber zu beach­
verstärkt, mithin die Bedeutung der Finan­                                                    ten, dass die sog. 5-Milliarden-Entlastung
zierung der Kreise über die Kreisumlage       Der grundlegenden Verbesserung der              des Bundes zum 01.01.2018 voll wirksam
weiter abnimmt (vgl. Abbildung 6 auf          Einnahmeseite stehen allerdings eben­           wurde. Der Bund unterstützte die Kommu­
Seite 148). Insofern wird die jüngste Ent­    falls beträchtliche Zuwachsraten auf der        nen bundesweit mit 1,6 Mrd. Euro bei den
wicklung dem § 56 Abs. 1 Kreisordnung         Ausgabenseite gegenüber. Insofern setzt         Kosten der Unterkunft, die Gemeinden
NRW zugrundeliegenden Maßstab zuneh­          sich der Trend der letzten Jahre trotz der      mit 2,4 Mrd. über zusätzliche Umsatz­
mend gerecht, dass die Umlage als Resi­       Hochkonjunktur und der äußerst positi­          steueranteile sowie mit einer weiteren sog.
dualfinanzierung, also als Restfinanzierung   ven wirtschaftlichen Entwicklung fort. Die      „Länder-Milliarde“, die in NRW zur Erhö­
dient, wenngleich der „Rest“ summenmä­        Soziallasten, die die Kreise zu schultern       hung der GFG-Verbundmasse eingesetzt
ßig immer noch beträchtliche Dimensio­        haben, stiegen im Zeitraum bis 2017 (nur        wurde. Die Beteiligung des Bundes an der
nen aufweist. Denn nach dieser Vorschrift     bis einschließlich zu diesem Jahr liegen bei    Finanzierung der Kommunen erreichte im

                                                                                                                                    149
Aus dem Landkreistag                                                                     EILDIENST 3/2019

Tabelle 1: Übersicht Entwicklung ausgewählter Soziallasten der Kreise in NRW 2007-2017.

Abbildung 9

150
EILDIENST 3/2019    Aus dem Landkreistag

Abbildung 10

Abbildung 11

                                     151
Aus dem Landkreistag   EILDIENST 3/2019

Abbildung 12

Abbildung 13

152
EILDIENST 3/2019                                                                                             Aus dem Landkreistag

Abbildung 14

Jahr 2018 einen Höchststand (vgl. Abbil­       Mittlerweile sehen diverse Prognosen aber     die anderen Ministerien des Bundes an der
dung 11 auf Seite 151 und Abbildung 12         eine deutliche Eintrübung der Lage für die    Haushaltsaufstellung beteiligt werden, von
auf Seite 152). Er übernahm in beträcht­       öffentlichen Haushalte. Für 2018 konnte       einer Lücke von 24,7 Milliarden Euro bis
lichem Umfang die Kosten für die Unter­        der Bundeshaushalt gemäß dem vorläufi­        2023 aus. Im Einzelnen fehlten demnach
kunft und Heizung von Flüchtlingen (voll­      gen Jahresabschluss zwar einen deutlichen     im Bundeshaushalt 2020 6,3 Milliarden
ständig, vgl. dazu Abbildung 13 auf Seite      Überschuss vom 11,2 Milliarden Euro aus­      Euro, 2021 5,5 Milliarden, 2022 rund 9,6
152) sowie Ausgaben für die Betreuung          weisen. Der Gesamtfinanzierungsüber­          Milliarden und 2023 3,3 Milliarden Euro.
von unbegleiteten minderjährigen Auslän­       schuss des Staates (Bund, Länder, Kom­        Hintergrund dafür ist u.a., dass die Wachs­
dern. Die sogenannte Integrationspauscha­      munen und Sozialversicherungen) betrug        tumsprognose für 2020 von 1,8 auf 1,0
le von zwei Milliarden Euro wurde in NRW       im Jahr 2018 gemäß einer Meldung vom          Prozent nach unten korrigiert worden ist.
im Jahr 2018 allerdings nur in einer Höhe      22.02.2019 nach aktualisierten Ergebnis­      Die bereits erwähnte sog. „Asyl-Rücklage“
von 100 Mio. Euro an die Gemeinden (die        sen des Statistischen Bundesamtes, basie­     wurde demnach bereits komplett verplant.
Kreis erhielten keinen Anteil) weiterge­       rend auf der Abgrenzung des Europäischen      Die weitere Haushaltsplanung des Bundes,
reicht; der Rest des auf NRW entfallenden      Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrech­     die allerdings auch maßgeblich durch wei­
Bundesanteils von 432,8 Mio. Euro floss in     nungen, 58 Milliarden Euro. Der Bund gab      tere Ausgabewünsche aus der Koalition
den Landeshaushalt. Nicht unerwähnt blei­      (nach eigener Rechnung) mit 337,1 Milli­      von CDU/CSU und SPD geprägt ist (z.B.
ben soll auch, dass der Bund die Kommu­        arden Euro 6,5 Milliarden Euro weniger als    erweiterte Rentenansprüche, Abschaffung
nen über die Kommunalinvestitionsförder­       geplant aus, gleichzeitig nahm er mit 348,3   des Solidaritätszuschlages etc.) entfaltet
pakete I und II (allgemeine und Schulinfra­    Milliarden Euro 4,7 Milliarden Euro mehr      bereits jetzt bedenkliche Auswirkungen für
struktur) beträchtlich unterstützt, was sich   als geplant ein. Der Überschuss soll in die   die kommunale Ebene.
ebenfalls in der Gestaltung der Haushalte      „Rücklage zur Finanzierung von Belastun­
niederschlug.                                  gen im Zusammenhang mit der Aufnahme          Der Bund und die Länder sind gefordert,
                                               und Unterbringung von Asylbewerbern           die weitere Unterstützung der Länder,
Allerdings bleibt es dabei, dass die Kosten­   und Flüchtlingen“ fließen, welche dann        aber insbesondere der Kommunen, bei den
trägerschaft der Kreise für Sozialleistungen   auf 35,2 Milliarden Euro anwächst. Gleich­    flüchtlingsbedingten Ausgaben alsbald und
weiterhin den maßgeblichen kritischen          wohl geht das Bundesfinanzministerium         bis mindestens zum Ende der laufenden
Faktor in den Kreishaushalten bildet, der      im Rahmen des Ende Januar eingeleiteten       Wahlperiode des Deutschen Bundestages
sich dann als Sprengsatz auswirkt, wenn        sog. „Eckwerteverfahrens“ für die Erarbei­    zu regeln. Entgegen öffentlicher Bekun­
im Falle einer Konjunkturdämpfung die          tung des Regierungsentwurfs für den Bun­      dungen im Frühsommer 2018 konnte man
Steuer­einnahmen sinken und gleichzeitig       deshaushalt 2020 und der mittelfristigen      sich bislang nur darauf verständigen, die
die Zahl der Anspruchsberechtigten steigt.     Finanzplanung bis 2023, mittels dessen        für 2018 geregelte Unterstützung auf das

                                                                                                                                   153
Aus dem Landkreistag                                                                                                    EILDIENST 3/2019

Abbildung 15

Jahr 2019 zu verlängern. Damit waren          auf diesem hohen Niveau verfestigt und          desbeteiligung an den Flüchtlingskosten
allerdings schon jetzt negative Folgewir­     steigen weiter an. Eine realistische Aussicht   für unbegleitete minderjährige Ausländer
kungen für die Kreisebene verbunden (vgl.     auf Rückentwicklung besteht nicht, da           in Höhe von 350 Millionen Euro im Jahr
dazu EILDIENST LKT NRW Nr. 1/Januar           nur in sehr geringem Umfang eine Aufnah­        geben. Der bisherige vollständige Ersatz
2019, S. 7f.). Die enormen Zuwächse bei       me sozialversicherungspflichtiger Beschäf­      der Kosten der Unterkunft für Flüchtlin­
den Kosten der Unterkunft für Flüchtlinge     tigung zu erwarten ist, ein weiterer Zuzug      ge und die sog. „Integrationspauschale“
in den letzten Jahren haben dazu geführt,     von Flüchtlingen stattfindet und allge­         (bislang zwei Mrd. Euro) würden danach
dass die im Rahmen der sog. 5-Milliarden-     mein die Kosten für Wohnen und Heizung          entfallen; für geduldete Flüchtlinge würde
Entlastung aus der vergangenen Legisla­       steigen.                                        gar keine Kostenbeteiligung des Bundes
turperiode gewährte Entlastung bei den                                                        vorgesehen. Insbesondere der Wegfall des
(allgemeinen) Kosten der Unterkunft mit       Angesichts dieser Ausgangslage erscheint        Ersatzes der Kosten der Unterkunft würde
dem Ziel der Vermeidung des Eintretens        es mit Blick auf die oben skizzierte Haus­      die Kreis­ebene sehr hart treffen.
von Bundesauftragsverwaltung wieder           haltslage und die weiteren Ausgabenwün­
gekürzt und in zusätzliche Umsatzsteuer­      sche des Bundes zwar nachvollziehbar,           Im Jahr 2018 werden die Kreise in NRW
anteile für die Gemeinden „umgewandelt“       aber aus kommunaler Sicht schlicht nicht        voraussichtlich – nach Hochrechnung der
wurde (vgl. zu den Details und den damit      hinnehmbar, mit welcher Position das Bun­       bislang bis einschließlich Oktober vor­
verbundenen zweckwidrigen Verteilungs­        desfinanzministerium nun in die weiteren        liegenden Zahlen – insgesamt für diesen
wirkungen die Ausführungen im zitierten       Verhandlungen zur Fortführung der Unter­        Zweck mehr als 231 Mio. Euro ausgegeben
Artikel und zur Haushaltsentwicklung des      stützung der Länder und Kommunen bei            haben. Ab dem Jahr 2020 müssten diese
Jahres 2017, in EILDIENST LKT NRW Nr.         den flüchtlingsbedingten Kosten im Januar       Kosten, die – wie oben schon erläutert –
3/März 2018, S. 102ff., 103f.). Die bereits   2019 eingetreten ist: Der Bund bietet an,       weiter steigen dürften, vollständig über die
an dieser Stelle vor einem Jahr beschriebe­   ab 2020 den Bundesländern über erhöhte          Kreishaushalte refinanziert werden, was
ne Entwicklung hat sich – erwartungsge­       Landesumsatzsteueranteile eine Kosten­          voraussichtlich landesweit zu Erhöhungen
mäß – im Jahr 2018 fortgesetzt, wie den       pauschale von 16.000 EUR pro anerkann­          der Kreisumlagen führen dürfte.
fortgeschriebenen Grafiken zum Übergang       tem Flüchtling zu gewähren, wobei es zu
von den Flüchtlingen in den Rechtskreis       einer degressiven Staffelung über fünf          In diesem Kontext ist es dringend erforder­
des SGB II in NRW (vgl. Abbildung 13 auf      Jahre kommen soll (1. Jahr: 6.000 Euro          lich, dass die Kreise ebenfalls einen Anteil
Seite 152) und zur Auszahlung von Kosten      pro anerkanntem Flüchtling, 2. Jahr: 4.000      aus der Integrationspauschale des Bundes,
der Unterkunft für Flüchtlinge in Deutsch­    Euro pro Flüchtling, in den drei folgenden      die das Land NRW im Jahr 2019 in voller
land (vgl. Abbildung 14 auf Seite 153) zu     Jahren jeweils 2.000 Euro). Außerdem            Höhe von 432,8 Mrd. Euro den Kommu­
entnehmen ist. Die Belastungen haben sich     soll es eine unbefristete pauschale Bun­        nen zur Verfügung stellen wird, erhalten,

154
EILDIENST 3/2019                                                                               Aus dem Landkreistag • Thema aktuell

damit sie die von Bund und Land zu weiten       der Ausgleichsrücklagen aufzubauen und           im Jahr 2020 den Verbundsatz wieder auf
Teilen nicht komplett refinanzierte Integra­    den in den vergangenen Jahren zu beob­           „echte“ 23 % zu bringen, ein Schritt in
tionsarbeit, die sie jetzt schon aus eigenen    achtenden Eigenkapitalverzehr (vgl. hierzu       die richtige Richtung. Es bleibt aber daran
Mitteln in beträchtlichem Umfang leisten,       beispielhaft den Stand der Ausgleichsrück­       zu erinnern, dass dieser bis Anfang der
weiter aufrechterhalten können, ohne die        lage der Kreise in Abbildung 15 auf Seite        Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts
kreisangehörigen Städte und Gemeinden           154) zu beenden. An den Landesgesetz­            noch bei 28,5 % lag. Hieran sollte wieder
erneut zu belasten.                             geber ist der Appell zu richten, die eigene      angeknüpft werden, um den laufend – z.T.
                                                gute Haushaltslage nicht nur zum Abbau           dramatisch gestiegenen – Aufwendungen
Angesichts dieser Aussichten sind die           der Verschuldung des Landes zu nutzen,           der Kommunen nachhaltiger Rechnung zu
Kreise gehalten, weiterhin mit den ihnen        sondern auch die kommunale Finanzlage            tragen.
anvertrauten Mitteln sparsam und wirt­          zu verbessern und zum Beispiel den Ver­
schaftlich umzugehen. Soweit möglich            bundsatz wieder zu erhöhen. Immerhin ist                    EILDIENST LKT NRW
empfiehlt sich insbesondere derzeit, wie­       die Aussage im NRW-Koalitionsvertrag,                  Nr. 3/März 2019   20.32.01.1

Afrikanische Schweinepest – Kreise bereiten sich vor

Kreis Unna                                      Hausschweine und Wildschweine, ist für           ten Lüdenscheid und Altena sowie der
                                                Menschen aber ungefährlich. Einen Impf­          Gemeinde Schalksmühle, Revierförster
Wachsamkeit, Vorbeugung und enger               stoff gegen die tödliche Tierseuche gibt         und –inhaberin zusammen. Schnell wird
Informationsaustausch: Auf diesen Drei­         es nicht. Umso wichtiger ist es, dass die        deutlich: Die Afrikanische Schweinepest
klang setzt die Kreis-Veterinärbehörde          Landwirte in ihren Betrieben auf größte          gefährdet landwirtschaftliche Betriebe und
Unna in Sachen Afrikanischer Schweine­          Sauberkeit und Hygiene achten, um eine           kann sogar deren Existenz bedrohen. In
pest.                                           Einschleppung in ihren Bestand zu verhin­        der eingerichteten Gefährdungszone, zehn
                                                dern.                                            Kilometer um den Fundort des Kadavers,
ASP, so die Abkürzung der für Wildscheine                                                        sind insgesamt 28 Schweinemastbetriebe
tödlichen, für den Menschen aber unge­                                                           mit knapp 2.000 Tieren ansässig.
fährlichen Tierseuche, ist in Osteuropa und     Märkischer Kreis
inzwischen auch in Belgien nachgewiesen.                                                         Der Ablaufplan zur ASP-Bekämpfung
Ob oder wann die Tierseuche Deutschland         Auch im Märkischen Kreis übten Vertreter         umfasst eine Fülle von Aufgaben für die
erreicht, ist ungewiss. Sicher ist, dass sich   der Land- und Forstwirtschaft, von Poli­         Beteiligten im Krisenstab. Das beginnt bei
die Kreis-Veterinärbehörde – wie andere         zei, THW und Feuerwehr, Städten und              der Meldung an übergeordnete Behörden,
im Land auch – auf den „Fall des Falles”        Gemeinden sowie den zuständigen Fach­            der schnellstmöglichen Festlegung des
vorbereitet und dafür den engen Aus­            diensten des Kreises und Mitgliedern des         gefährdeten Gebietes, geht weiter über die
tausch mit Landwirten, Jägern, Ordnungs­        Krisenstabes. Das Übungsszenario: Im             Information der Betriebe, Jäger, Schlacht­
behörden usw. pflegt.                           Quellbereich des Krummenscheider Bachs           höfe, Tierärzte, Viehhändler, benachbarte
                                                auf dem Großendrehscheid zwischen                Kreise bis hin zur Festlegung von Betre­
Bei einer Tierseuchenübung wurde ein            Lüdenscheid und Wiblingwerde wurde ein           tungsverboten oder die Vermarktung von
erdachtes Szenario durchgespielt: Es wurde      verendeter Frischlings-Keiler aufgefunden.       Fleisch, Stroh und Heu, das im gefährdeten
Kartenmaterial vorgestellt, die notwendi­       Der Tierkörper wird umgehend zur Unter­          Gebiet gewonnen wurde.
gen Allgemeinverfügungen mitsamt mög­           suchung ins Chemische- und Veterinärun­
licher Einschränkungen für Landwirtschaft       tersuchungsamt Westfalen nach Arnsberg           „Es hat etwas gedauert, bis wir uns alle
erläutert und nochmals die wichtige Funk­       gebracht. Dort wird der Verdacht auf die         gefunden haben und jeder wusste, was er
tion aller Beteiligten wie etwa der örtlichen   Afrikanische Schweinepest (ASP) geäußert.        zu tun hat”, zog Volker Schmidt, Fachbe­
Ordnungsämter oder Jäger betont.                Das Friedrich-Löffler-Institut bestätigt die­    reichsleiter Gesundheit und Soziales beim
                                                sen Befund. Der Ausbruch der ASP im Mär­         Kreis und gemeinsam mit Veterinär Dr.
Die Jäger, die Wildschweine geschossen          kischen Kreis ist amtlich festgestellt. Somit    Jobst Trappe, Leiter der Krisenstabsübung,
haben, sind aufgefordert, Proben einzu­         tritt der Ablaufplan zur ASP-Bekämp­             eine erste Bilanz. „Das lag aber auch daran,
senden und amtlich untersuchen zu lassen.       fung beim Wildschwein in Kraft. Landrat          dass wir in dieser Zusammensetzung noch
„Die bisher untersuchten Proben waren           Thomas Gemke ruft den Krisenstab des             nie zusammengekommen sind.” Das Ziel
bislang alle negativ”, sagt Josef Merfels,      Kreises zusammen.                                der Übung, die über weite Strecken auch
Leiter des Fachbereichs Gesundheit und                                                           vom großen Informationsbedürfnis der
Verbraucherschutz.                              Im Katastrophenschutz-, Lage- und Aus­           Vertreter der Land- und Forstwirtschaft
                                                bildungszentrum des Lüdenscheider Kreis­         gezeichnet war, sei erreicht worden, so
Zum Schutz vor einer Einschleppung ist          hauses kommen gut 40 Mitarbeiter ver­            Schmidt. Als erstes Ergebnis wurde festge­
neben Vorbeugung ein funktionierendes           schiedener Dienststellen, Vertreter von          halten, eine Checkliste für die Land- und
Frühwarnsystem wichtig, das auf frühzeiti­      Hilfsorganisationen, von der Polizei, der        Forstwirtschaft zu erstellen sowie ein Kon­
ges Erkennen und schnelle Labordiag­nose        Landwirtschaft, Forstleuten, vom Lan­            zept für eine schnelle, gezielte Information
setzt. Die gefährliche Tierseuche befällt       desbetrieb Wald und Holz, den Städ­              an die Bevölkerung zu entwickeln.

                                                                                                                                        155
Thema aktuell                                                                                                              EILDIENST 3/2019

Kreis Soest                                      Ennepe-Ruhr-Kreis zu verdeutlichen. 399        Finanziell ebenfalls dramatisch wäre der
                                                 Tage kann das Virus dieser Tierseuche in       Ausbruch für die landwirtschaftlichen
Im Kreis Soest berief Professor Dr. Wilfried     Parmaschinken überleben. Für Menschen          Betriebe im Ennepe-Ruhr-Kreis, die 6.300
Hopp, Leiter des Veterinärdienstes, im           ungefährlich, für Wild- und damit letzt­       Schweine halten. Ein positiv getestetes Tier
Rettungszentrum des Kreises am Soester           endlich auch für Hausschweine eine tödli­      – egal ob wild oder im Stall – wäre ausrei­
Boleweg sein lokales Krisenzentrum zu            che Gefahr. Aktuell liegen zwischen bestä­     chend, um den Markt für die heimischen
einer Übung ein. Die Einschleppung der           tigten Fällen in Belgien und dem Ennepe-       Landwirte zusammenbrechen zu lassen.
Afrikanischen Schweinepest in die Wild­          Ruhr-Kreis zwar noch rund 300 Kilometer.       „Ferkel, Schlachttiere und Fleischprodukte
schweinpopulation ist viel wahrscheinlicher      „In Lebensmitteln, die Schweinefleisch         wären quasi nicht mehr zu verkaufen”, ist
als in einen Hausschweinebestand. Des­           enthalten, und an Bord von Fahrzeugen          sich Dr. Richter sicher. Zusätzliches Risiko:
halb ging das Übungsszenario vom Fund            transportiert werden, könnte das Virus         Tritt das Virus in einem Stall auf, muss der
eines infizierten Wildschweinkadavers im         diese aber sehr schnell überwinden”, warnt     ganze Bestand getötet werden. Als einen
Kreisgebiet aus. Es galt, um den Fundort         Dr. Richter. Werde dann beispielsweise ein     Beitrag, dies zu verhindern oder zumindest
eine Kernzone mit einem Radius von fünf          Brötchen mit infizierter Salami achtlos in     besser auf den Ernstfall vorbereitet zu sein,
Kilometern, einen gefährdeten Bezirk von         die Landschaft geworfen und von einem          werteten alle Teilnehmer die gelungene
zehn Kilometern Durchmesser und eine             Wildschwein gefressen, werde ein Schrec­       Übung im Kreishaus.
15-Kilometer-Pufferzone einzurichten und         kensszenario ganz schnell Realität.
entsprechende Verfügungen zu veröffent­
lichen. Die neuen rechtlichen Bestimmun­         Die Ausgangslage im Schwelmer Kreishaus        Kreis Siegen-Wittgenstein
gen des novellierten Tiergesundheitsge­          lautete: In Ennepetal-Königsfeld wurde
setzes machen drastische Einschränkun­           ein verendeter Frischlings-Keiler gefun­       In einem Waldstück bei Bad Laasphe wird
gen vor allem im Kerngebiet möglich. So          den. Untersuchungen im Veterinärunter­         ein totes Wildschwein gefunden. Zur
können das Gebiet eingezäunt sowie ein           suchungsamt Westfalen und im Friedrich-        Klärung der Todesursache wird das Tier
Betretungsverbot, ein Ernteverbot und            Löffler-Institut bestätigen den Verdacht       zur Untersuchung in das Chemische und
eine Jagdruhe angeordnet werden.                 auf Afrikanische Schweinepest.                 Veterinäruntersuchungsamt        Westfalen
                                                                                                gebracht. Einen Tag später dann das Ergeb­
Für die operative Tierseuchenbekämpfung          „Wie im Ernstfall haben wir einen Krisen­      nis: Das Wildschwein war mit der Afrikani­
kann der Krisenstab des Kreisveterinärs auf      stab eingerichtet”, berichtet Dr. Richter.     schen Schweinepest infiziert. Dieses Sze­
der Basis eines vom Land abgeschlossenen         Dazu zählten in der Übung rund 40 Betei­       nario war die Ausgangslage für eine Tier­
Rahmenvertrages seit kurzem auf die Dien­        ligte. Neben Mitarbeitern des Veterinäram­     seuchenübung, die jetzt vom Veterinäramt
ste der für NRW gegründeten Wildtierseu­         tes und anderer Sachgebiete der Kreisver­      des Kreises Siegen-Wittgenstein gemein­
chen-Vorsorgegesellschaft zurückgreifen.         waltung waren es Vertreter der Städte          sam mit Vertretern von Polizei, Feuerwehr,
Deren beiden Geschäftsführer erläuterten         Breckerfeld, Ennepetal und Schwelm, der        der Jagdbehörde, des Ordnungsamtes der
die Vorgehensweise. Qualifizierte Mitar­         Polizei, der Kreisjägerschaft, des Landesbe­   Stadt Bad Laasphe, der betroffenen Jagd­
beiter organisieren die Suche, die Bergung       triebes Wald und Holz NRW und des Lan­         bezirke, Hundeführern und dem Kreisland­
und die Verladung von Kadavern. Auch die         desbetriebes Straßen NRW.                      wirt durchgeführt wurde. Insgesamt waren
Beprobung übernehmen sie. Größte Auf­                                                           25 Mitarbeiter im Krisenstab involviert.
gabe ist die Errichtung eines elektrifizierten   „Im Mittelpunkt der Übung stand unter          Bei der Übung wurden die notwendigen
Zaunes, der die Kernzone sechs Monate            anderem das Bilden der so genannten            Schritte vom Fund eines infizierten Tieres,
und länger abschirmt, damit infizierte           Kernzone”, so Dr. Richter. Um Wild­            über die Aktivierung des lokalen Krisen­
Wildschweine das Gebiet nicht verlas­            schweine am Verlassen dieser Zone zu           stabs, bis hin zur genauen geographischen
sen können. Kreisveterinär Professor Dr.         hindern, würde sie – so die Vorgabe des        Eingrenzung des Gefährdeten Gebietes
Wilfried Hopp nutzte die Übung auch              Landes – eingezäunt. Zusätzlich kann es        erläutert. In einem weiteren praktischen
dazu, um einmal mehr an die Schweine             Betretungsverbote geben, es ist mit Ein­       Teil ging es außerdem um das Aufspüren
haltenden Land­   wirte zu appellieren, ihre     schränkungen für den Fahrzeugverkehr           von Wildschweinkadavern. Unterstützt
Konzepte zur Biosicherheit bzw. zum Fern­        und für das Bewirtschaften von Flächen zu      wurden die Mitarbeiter dabei von speziell
halten von Wildschweinen zu optimieren           rechnen. Weitere tote Tiere würden inten­      ausgebildeten Jagdhunden: „Im Falle des
oder abschließend umzusetzen. Bei einem          siv gesucht und entfernt, alle dort leben­     Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest
Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest          den Wildschweine gejagt.                       können diese Hunde deutlich effektiver
drohen ganz Deutschland erhebliche Han­                                                         Kadaver aufspüren als Personensuchtrupps
delsrestriktionen und in der betroffenen         „Vorbild für diese Vorgehensweise ist ein      es könnten”, erklärt Kreisveterinär Dr.
Fleischwirtschaft verheerende Verluste.          Gebiet in Tschechien. Dort sind nach Aus­      Ludger Belke.
Alleine im Kreis Soest gebe es 400.000           brüchen im Jahr 2017 seit Mitte April 2018
Mastschweinplätze, machte er die lokale          keine neuen Fälle aufgetreten”, erläutert      Zum Einsatz kamen Jagdhunde der Rasse
Dimension deutlich. Er dankte den Jägern         Dr. Richter die Hintergründe. Wie enorm        „Pudelpointer” und „Deutsch-Drahthaar”,
für die starke Reduzierung des Schwarzwild­      der Aufwand wäre, zeigt ein Blick auf die      die sich durch eine besondere jagdliche
bestandes in den vergangenen Monaten.            Übungs-Kernzone. Sie hatte eine Fläche         Ausbildung auszeichnen: „Die erstmals in
                                                 von fast 30 Quadratkilometern und gut          NRW bei einer Tierseuchenübung einge­
                                                 50 Kilometer Zaun hätten errichtet werden      setzten Hunde gehören zu den sogenann­
Ennepe-Ruhr-Kreis                                müssen. Hier könnte der Krisenstab auf         ten Bringselverweisern. Sie suchen eigen­
                                                 die Dienste der für Nordrhein-Westfalen        ständig und signalisieren mit dem Bring­
399 – diese eine Zahl genügte dem Amts­          gegründeten Wildtierseuchen-Vorsorge­          sel im Maul ihrem Hundeführer, dass das
tierarzt des Ennepe-Ruhr-Kreises, Dr. Peter      gesellschaft zurückgreifen. Zu zahlen wäre     tote Tier aufgespürt wurde und führen ihn
Richter, um das mit der Afrikanischen            all dies Stand heute allerdings durch den      anschließend dorthin”, so Dr. Belke weiter.
Schweinepest verbundene Risiko für den           Ennepe-Ruhr-Kreis.                             Die Jagdhunde tragen das sogenannte

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EILDIENST 3/2019                                                                                       Thema aktuell • Schwerpunkt

Bringsel, z.B. ein Leinensäckchen oder ein
Lederstück, am Halsband und sind so trai­
niert, dass sie am verendeten Tier ange­         Informationen zur Afrikanischen Schweinepest (ASP):
kommen diesen Gegenstand ins Maul
nehmen – das Zeichen für den Hundefüh­           Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist       nachgewiesen. Die direkte Übertragung
rer, dass die Suche erfolgreich war. Das         eine hochansteckende Viruserkrankung,         erfolgt über lebende Wild- und Haus­
Veterinäramt des Kreises Siegen-Wittgen­         die nur Schweine (Haus- und Wild­             schweine durch Tierkontakte. Indirekte
stein steht nun in engem Kontakt mit der         schweine) befällt.                            Übertragung: Die Verbreitung kann über
Jägerschaft, um weitere Jäger mit ihren                                                        die Verfütterung von Speiseresten, Auf­
Hunden für diese Aufgabe zu gewinnen.            Die ASP ist nicht auf andere Tierarten        bruch oder durch verunreinigte Gegen­
„Wir freuen uns, dass die Übung so erfolg­       oder den Menschen übertragbar. Sie            stände erfolgen.
reich verlaufen ist. Die lokal gewonnenen        wird von einem „Asfi-Virus” verursacht.
Erkenntnisse können jetzt auch anderen           Es gibt auf absehbare Zeit keine Impfung      Die Afrikanische Schweinepest in der
Veterinärbehörden helfen, sich noch effek­       dagegen.                                      aktuellen Form hat einen rasanten Ver­
tiver auf einen möglichen Ausbruch der                                                         lauf. Die Inkubationszeit beträgt drei bis
ASP vorzubereiten”, unterstreicht Landrat        Der Erreger wurde vermutlich 2007 aus         fünf Tage, nach vier bis neun Tagen tritt
Andreas Müller.Die Übungen waren vom             Afrika nach Georgien über Speisereste         der Tod ein.
NRW-Landesamt für Natur, Umwelt und              eingetragen und hat sich seitdem über die
Verbraucherschutz angeordnet worden              transkaukasischen Länder nach Russland        Es handelt sich um eine schwere All­
und fanden in ähnlicher Weise in allen Krei­     ausgebreitet. Mittlerweile wurde das          gemeinerkrankung der Schweine ohne
sen des Regierungsbezirks zeitgleich statt.      Virus auch in der EU (in Estland, Lettland,   eindeutige Symptome, daher kann eine
                                                 Litauen, Polen, Tschechien, Rumänien,         Diagnose nur im Labor gestellt werden.
           EILDIENST LKT NRW                     Bulgarien und Belgien) in Wildschweinen       ASP ist hochgradig übertragbar.
       Nr. 3/März 2019   39.11.06

Naturschutz ist wichtiger Baustein zur Wohlstandssicherung

M     it mehr als 3.200 Naturschutzge­
      bieten, etwa 550 FFH- und Vogel­
schutzgebieten des europäischen Schutz­
                                               setz (LNatSchG) vor dem Hintergrund des
                                               Vertrages der NRW-Koalition 2017-2022
                                               überprüft. Schwerpunkte sind insbeson­
                                                                                                DIE AUTORIN
                                                                                                Ursula Heinen-Esser, Ministerin für
gebietssystems „NATURA 2000“, einem            dere die Themen:                                 Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
Nationalpark in der Eifel, rund 100 Wild­                                                       Verbraucherschutz des Landes Nord­
nisentwicklungsgebieten und zwölf Natur­       • Möglichkeiten innovativer und integra­        rhein-Westfalen
parken verfügt Nordrhein-Westfalen über          tiver Ansätze bei den Kompensations­
ein eindrucksvolles, vielseitiges und wert­      pflichten nach der naturschutzrech­lichen
volles Naturerbe.                                Eingriffsregelung                             Beobachtung und Bewertung naturschutz­
                                                                                               relevanter Entwicklungen ein wichtiges
Rund um die großen Zeugnisse unserer           • Spielräume zur Stärkung des Vertragsna-    Werkzeug, um Wege für einen zukunfts­
kulturellen und industriellen Vergangen­         turschutzes/Agrarumweltmaßnahmen              fähigen Naturschutz zu finden. So wurde
heit und Gegenwart finden wir in Nord­                                                         in den zurückliegenden Monaten in den
rhein-Westfalen überall beeindruckende         • 
                                                  Harmonisierung der Beteiligungs- und         Medien mehrfach zum Rückgang der Insek­
und vielfältige Landschaften. Abwechs­           Klagerechte anerkannter Naturschutz­          ten berichtet. Untersuchungen des Ento­
lungsreiche Naturräume bieten mehr als           vereinigungen mit dem Bundes- und             mologischen Vereins Krefeld mit speziellen
43.000 Tier-, Pilz- und Pflanzenarten eine       EU-Recht                                      Insektenfallen haben den negativen Trend
Heimat. Das ist mehr als die Hälfte aller in                                                   für flugfähige Insekten bestätigt: Seit 1989
Deutschland vorkommenden Arten.                • Anpassung des Vorkaufsrechts an die        ist die Gesamtmasse der Fluginsekten um
                                                 Vorgaben     des   Bundesnaturschutzge­       mehr als 75% zurückgegangen. Der Rück­
Der Erhalt dieser biologischen Vielfalt und      setzes.                                       gang der Insekten ist deshalb besorgniser­
damit der zugehörigen Landschaften ist                                                         regend, da sie eine wichtige Schlüsselgrup­
daher für mich eine wichtige Aufgabe.          Grundlage für die Novellierung des              pe der biologischen Vielfalt sind. Sie leisten
Die Gestaltung eines zukunftsfähigen           LNatSchG ist ein umfassender Dialogpro­         unter anderem einen bedeutenden Beitrag
Naturschutzes steht auch im Mittelpunkt        zess mit allen betroffenen Interessengrup­      zur Bestäubung unserer Blütenpflanzen,
der Novellierung des Landesnaturschutz­        pen.                                            darunter auch vieler Nutzpflanzen. Sie
gesetzes, das im Herbst vom Kabinett                                                           selbst sind Nahrungsgrundlage für viele
beschlossen werden soll. Dazu hat mein         Neben der kritischen Prüfung der aktuel­        andere Tiere wie Vögel und Fledermäuse.
Haus das derzeitige Landesnaturschutzge­       len Rechtslage, ist auch die kontinuierliche    Der Verlust der Insekten hätte letztendlich

                                                                                                                                       157
Schwerpunkt: Aktuelle Herausforderungen im Natur- und Landschaftsschutz                                               EILDIENST 3/2019

                                              Konzepte und Maßnahmen zur Förderung           Herdenschutzmaßnahmen (Prävention).
                                              der Insektenvielfalt fortlaufend verbessert    Um die Bevölkerung und die Behörden in
                                              und ausgeweitet. Die Grundlage für die         Nordrhein-Westfalen möglichst zeitnah,
                                              Verbesserung der Lebensbedingungen von         umfassend und transparent über die Rück­
                                              Insekten liefert die Biodiversitätsstrategie   kehr des Wolfes zu informieren, wurde
                                              NRW. Dabei setzt die Landesregierung           das Fachinformationssystem „Wolf in
                                              auf einen bestandsorientierten und quali­      Nordrhein-Westfalen“ entwickelt, das im
                                              tativ hochwertigen Naturschutz. Hinsicht­      Internet unter www.wolf.nrw.de aufgeru­
                                              lich der Schutzgebiete ist die Zielsetzung,    fen werden kann. Dort finden sich aktuelle
                                              die Gebiete nach der Devise „Qualität vor      Meldungen sowie umfangreiche Fachin­
                                              Quantität“ sinnvoll weiterzuentwickeln.        formationen zum Thema Wolf (bestätig­
                                              So sollen für alle Natura-2000-Gebiete         te Wolfsnachweise, Dokumentation von
                                              bis 2020 entsprechende Managementplä­          Nutztier-Rissen, Kontaktdaten der regio­
                                              ne erarbeitet werden, die eine qualitative     nalen Wolfsberater und der Bewilligungs­
                                              Verbesserung der Schutzgebiete zum Ziel        behörden u.v.m.).
                                              haben. Flankierend zur Biodiversitätsstra­
                                              tegie NRW wurde die „Rahmenverein­             Im Lauf des Jahres 2018 konnte anhand
                                              barung zur Förderung der Biodiversität in      genetischer Analysen im Bereich der
Ursula Heinen-Esser, Ministerin für           Agrarlandschaften" zwischen Umweltmi­          Gemeinde Schermbeck (Kreis Wesel)
Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Ver-       nisterium, Landwirtschaftskammer NRW           erstmals für Nordrhein-Westfalen ein ter­
braucherschutz des Landes Nordrhein-          und den Landwirtschaftsverbänden abge­         ritorialer Wolf individuell nachgewiesen
Westfalen. Quelle: Land NRW/R. Sondermann    schlossen.                                     werden. Vor diesem Hintergrund hat das
                                                                                             Umweltministerium NRW am 1. Oktober
weitreichende Folgen für die Ökosysteme       Wichtige Maßnahmen zum Insektenschutz          2018 das 950 km² große „Wolfsgebiet
insgesamt. Als mögliche Ursachen für den      in der Landwirtschaft sind die Entwicklung     Schermbeck“ ausgewiesen, das im Dezem­
Rückgang der Insekten kommt ein ganzes        und Umsetzung integrierter Artenschutz­        ber 2018 um eine 2.800 km² großen „Puf­
Faktoren-Bündel in Betracht. Maßgeblich       maßnahmen im Ackerbau (z.B. Anlage             ferzone“ ergänzt wurde. Ein zweiter terri­
sind die anhaltend hohe Inanspruchnahme       von Blühstreifen) sowie im Grünland (z.B.      torialer Wolf konnte im Verlauf des Jahres
von Flächen für den Siedlungs- und Ver­       Entwicklung blütenreicher Wiesen). Dies­       auch für den Bereich des Truppenübungs­
kehrsbereich sowie die fortschreitende Zer­   bezüglich verfolgt die Landesregierung das     platzes Senne individuell bestätigt werden,
störung und Fragmentierung von Lebens­        Ziel, den Vertragsnaturschutz und andere       so dass in diesem Bereich am 20.12.2018
räumen. Hinzu kommen Änderungen der           Agrarumweltmaßnahmen weiter zu stär­           das etwa 920 km² große „Wolfsgebiet
landwirtschaftlichen Nutzungsintensität,      ken. Freiwillige Leistungen der Landwirt­      Senne“ mit einer 3.400 km² großen Puf­
der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln         schaft für Umwelt- und Naturschutz müs­        ferzone ausgewiesen wurde.
sowie Nährstoffeinträge aus Düngung und       sen verlässlich honoriert werden. Sie sind
Verbrennungsprozessen.                        der Schlüssel zum Erfolg für mehr Arten­       Die Ausweisung von Wolfsgebieten sowie
                                              vielfalt in unserem Land.                      der ergänzenden Pufferzonen ist für die
Weitere relevante Faktoren sind im besie­                                                    Nutztierhaltung von großer Bedeutung, da
delten Raum die zunehmende Lichtver­          Ein weiteres großes Thema ist die Rückkehr     in diesen Bereichen Herdenschutzmaßnah­
schmutzung sowie naturfern gestaltete         des Wolfes. Sie stellt aufgrund der Sorgen     men gefördert werden. Derzeit werden die
Gärten und Grünanlagen. Überlagert            und Ängste in der Bevölkerung eine große       Förderrichtlinien Wolf fortgeschrieben, um
werden diese Effekte noch durch die Aus­      Herausforderung für die Naturschutzpolitik     eine noch bessere finanzielle Unterstützung
wirkungen des Klimawandels. Um die            in Nordrhein-Westfalen dar. Hier gilt es,      der Weidetierhaltung zu ermöglichen. So
Kenntnisse über die Ursachen des Insek­       ein möglichst konfliktfreies Nebeneinander     wird unter anderem die Förderquote für
tenrückgangs weiter zu verbessern, wurde      von Wolf, Mensch und Weidetierhaltung          investive Herdenschutzmaßnahmen von
im Juni 2017 im Auftrag des Umweltmini­       zu fördern.                                    80 auf 100% erhöht. Im Anschluss an die
steriums NRW ein repräsentatives, landes­                                                    Änderung der Förderrichtlinien Wolf soll
weites Monitoring der Insekten gestartet.     Seit dem erstmaligen Nachweis eines Wol­       eine Notifizierung bei der Europäischen
Die systematische Untersuchung von 120        fes in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2009        Kommission erfolgen, damit insbesondere
Probeflächen bis zum Jahr 2022 soll eine      hat das Land Nordrhein-Westfalen vor­          für Berufsschäfer eine bessere Förderung
sachliche Diskussion zum Insektenrück­        ausschauend die nötigen Vorbereitungen         ermöglicht werden kann.
gang ermöglichen. Dieses Monitoring ist       für eine dauerhafte Rückkehr des Wolfes
derzeit bundesweit einmalig. Zusätzlich       getroffen. Zu den verschiedenen Maßnah­        Naturschutz ist Ressourcenschutz und
hat das Umweltministerium eine Litera­        men für ein Wolfsmanagement zählen die         damit ein wichtiger Baustein zur Wohl­
turstudie zur Ermittlung der Ursachen des     Einrichtung einer landesweiten „AG Wolf        standssicherung. Eine gute und nachhaltige
Arten- bzw. Biomasseverlustes bei Insek­      in NRW“, der Aufbau und die Schulung           Naturschutzpolitik muss daher umfassend,
ten beauftragt. Außerdem finanziert das       eines landesweiten Wolfsberater-Netz­          kritisch und zugleich offen sein für neue
Umweltministerium bis Mitte 2021 ein          werks sowie die Erarbeitung eines „Hand­       Entwicklungen. Dabei gilt es insbesondere
Forschungsprojekt, mit dem die Verände­       lungsleitfadens für das Auftauchen einzel­     die Bürgerinnen und Bürger unseres Lan­
rungen der Artenzusammensetzung in den        ner Wölfe“ (Wolfsmanagementplan).              des mitzunehmen, für die Wichtigkeit der
Krefelder Insektenproben untersucht wer­                                                     Themen zu werben und stets mit Maß und
den sollen.                                   Mit den „Förderrichtlinien Wolf“ besteht       Mitte zu agieren.
                                              seit Februar 2017 eine förmliche Rege­
Parallel zur Ursachenforschung werden         lung zur finanziellen Entschädigung von                   EILDIENST LKT NRW
in Nordrhein-Westfalen die vorhandenen        Nutztierrissen sowie für vorbeugende                  Nr. 3/März 2019   32.95.11

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EILDIENST 3/2019                                Schwerpunkt: Aktuelle Herausforderungen im Natur- und Landschaftsschutz

100 Röhren für den Steinkauz: Schutzprojekt im
Kreis Warendorf

   Der Kreis Warendorf führt jährlich mit Projektpartnern aus Landwirtschaft und Naturschutz ein spezielles Artenschutz-
   projekt durch. Im Jahr 2018 stand der Steinkauz im Mittelpunkt, von dem 400 Brutpaare im Kreis Warendorf heimisch
   sind. Zur Stärkung der gefährdeten Art wurden im Kreisgebiet 100 künstliche Nisthilfen, sogenannte Steinkauzröhren,
   verteilt und viele Beratungsgespräche geführt.

                                                                                                                   DIE AUTORIN

                                                                                                                   Anne Schulze Niehoff,
                                                                                                                   Amt für Planung
                                                                                                                   und Naturschutz,
                                                                                                                   Kreis Warendorf
                                                                                                                   Quelle: Kreis Warendorf

                                                                                               Für den Steinkauz ist es besonders wich­
                                                                                               tig, dass die Grünlandflächen durch Bewei­
                                                                                               dung oder Mahd ganzjährig kurz gehalten
                                                                                               werden. Besonders geeignete Nahrungs­
                                                                                               habitate dieser kleinen Eulenart sind mit
                                                                                               einem geringen bis mittleren Viehbesatz
                                                                                               beweidete, nicht mit Pflanzenschutzmit­
                                                                                               teln behandelte, struktur- und insektenrei­
                                                                                               che Grünlandflächen. Solche Flächen und
                                                                                               auch geeignete Bruthöhlen sind jedoch
                                                                                               selten geworden, weshalb die Art mittler­
                                                                                               weile stark abhängig von Schutzmaßnah­
                                                                                               men ist. Laut Roter Liste gelten Steinkäu­
                                                                                               ze landes- und bundesweit als gefährdet.
                                                                                               Nordrhein-Westfalen beherbergt mit 5000
                                                                                               Paaren etwa zwei Drittel des bundesdeut­
                                                                                               schen Bestandes und trägt damit eine hohe
                                                                                               Verantwortung zur Sicherung und Ent­
                                                                                               wicklung dieser Art. Mit 400 Brutpaaren
                                                                                               kommen knapp 10 % des landesweiten
                                                                                               Bestandes im Kreis Warendorf vor.

                                                                                               Um die Bestände im Kreis Warendorf zu
                                                                                               stabilisieren und zu stärken, hat die Untere
                                                                                               Naturschutzbehörde im Rahmen des
Steinkauz.                                                            Quelle:Jan Ole Kriegs   Schutzprojektes 100 Steinkauzröhren im
                                                                                               Kreis Warendorf verteilt. Zudem wurde
                                                                                               Informationsmaterial für alle interessierten

D    er Steinkauz (Athene noctua) ist ein
     typischer Charaktervogel des Mün­
sterlandes und besiedelt als Kulturfolger
                                              wiesen werden Grünlandflächen mit einem
                                              lockeren Bestand hochstämmiger Obst­
                                              bäume bezeichnet, die entweder bewei­
                                                                                               Bürgerinnen und Bürger bereitgestellt und
                                                                                               Beratungsgespräche für geeignete Schutz­
                                                                                               maßnahmen (z.B. über den Vertragsna­
vor allem halboffene, strukturreiche Wie­     det oder gemäht werden. Die ökologische          turschutz) geführt. In einem neuen Flyer
sen- und Weidelandschaften mit Höhlen­        und landschaftsprägende Funktion dieser          sowie auf der Internetseite des Kreises wird
angeboten von Kopfweiden und alten            Obstwiesen ist im gesamten Jahresverlauf         die Ökologie und Lebensweise der kleinen
Obstbäumen. Als Nistplatz werden neben        sehr hoch. Vor allem alte Streuobstwiesen        Eulenart beschrieben und über mögliche
alten Baumhöhlen auch Mauernischen und        stellen nicht nur für den Steinkauz, son­        Schutzmaßnahmen sowie Fördermittel für
künstliche Nisthilfen, sogenannte Stein­      dern auch für viele weitere Vogelarten wie       die Anlage und Pflege von Obstwiesen
kauzröhren, angenommen. Hauptursache          Gartenrotschwanz, Feldsperling, Star und         und Kopfweiden informiert. Auch eine
für die Gefährdung des Steinkauzes ist der    Spechte sowie für verschiedene Insekten,         Bau- und Montageanleitung für Stein­
Verlust geeigneter Lebensräume wie bei­       Fledermäuse, Igel und Kleinsäuger einen          kauzröhren wurde von der Unteren Natur­
spielsweise Streuobstwiesen. Als Streuobst­   sehr wertvollen Lebensraum dar.                  schutzbehörde herausgegeben.

                                                                                                                                        159
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