STADT GEMEINDE - L EKULTUR - Deutscher Städte- und ...
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Bewahren, was uns verbindet. Denkmale verbinden Menschen über Ländergrenzen ein Stück unserer Heimat, die zu Stein geworden ist. und Generationen hinweg miteinander. Sie stiften Darum ist Denkmalschutz unser Dank an die Vergangen- Identität, prägen das Werteempfinden, sind lebendige heit, die Freude an der Gegenwart und unser Geschenk Orte der Erinnerung, Wahrzeichen, Mahnmale oder an die Zukunft. Zufluchtsorte. Denkmale sind mehr als nur Steine – sie sind Helfen auch Sie mit, dieses Geschenk zu erhalten. Ihre Spende hilft! www.denkmalschutz.de Spendenkonto Commerzbank AG BIC: COBA DE FF XXX IBAN: DE71 500 400 500 400 500 400
GUTE ANSÄTZE, ABER BEDENKEN MIT BLICK AUF IMMENSE HERAUSFORDERUNGEN BEI DER UMSETZUNG Deutschland steht vor gewaltigen barkeit erleichtert werden soll. Die Es bleibt aber im Hinblick auf die Herausforderungen. Deshalb ist es Eigenverantwortung und damit die großen Widerstände in der Bevöl- gut, dass sich die Ampel-Koalition kommunale Selbstverwaltung wird kerung abzuwarten, ob die Umset- so schnell auf einen Koalitionsver- so deutlich gestärkt. zung tatsächlich gelingt. trag verständigt hat und wir noch vor Weihnachten eine neue Regie- Für die Kommunen ist positiv zu Der Erfolg der Ampel-Koalition rung haben werden. bewerten, dass sich der Koaliti- wird maßgeblich davon abhän- onsvertrag zum Ziel von Zukunfts- gen, ob das Leben der Menschen Im Koalitionsvertrag werden viele investitionen bekennt und dabei in den Städten und Gemeinden richtige Ziele beschrieben, die kon- auch den hohen kommunalen besser wird und die kommunale krete Umsetzung – insbesondere Investitionsbedarf berücksichtigt Daseinsvorsorge den Erwartungen die nachhaltige Finanzierung – ist und Kommunen bei notwendigen der Menschen entspricht. Wir er- teilweise vage. Es bleibt zu hoffen, Anpassungen für Klimaresilienz warten, dass entsprechend der An- dass die Ampel die Leistungsfähig- unterstützen wird. kündigung im Koalitionsvertrag keit unseres Staates und der Wirt- die Kommunen nicht an den Kat- schaft nicht überschätzt hat. In Auch das Bekenntnis zu schnelle- zentisch verwiesen werden, son- diesem Zusammenhang fehlt be- ren Verwaltungs-, Planungs- und dern ihren entscheidenden Beitrag dauerlicherweise auch ein wirklich Genehmigungsverfahren, die Di- zur Neugestaltung unseres Landes klares Bekenntnis zum Grundsatz: gitalisierung der Verwaltung so- leisten können. Wer bestellt, bezahlt. wie die Stärkung des öffentlichen Wohnungsbaus sind wichtige Zie- Ihr Der Koalitionsvertrag erkennt an, le. Positiv ist die Ankündigung, die dass wir in Deutschland leistungs- dringend notwendige Finanzie- starke und handlungsfähige Kom- rung des Onlinezugangsgesetzes munen brauchen. Deshalb ist es über das Jahr 2022 sicherzustellen. Dr. Gerd Landsberg ein gutes Signal, dass die Altschul- denproblematik der Kommunen Die ehrgeizigen Ziele beim Ausbau Weitere Einschätzungen gemeinsam mit den Ländern nach- der alternativen Energien deut- zum neuen haltig gelöst werden soll sowie der lich zu beschleunigen, sodass bis Koalitionsvertrag aus Sicht des DStGB un ter Förderdschungel entwirrt und ver- zum Jahr 2030 Wind und Sonne W W W. einfacht und somit Übersichtlich- 80 Prozent des Stromverbrauchs DSTG B.DE keit und damit auch die Umsetz- in Deutschland decken, ist richtig. Stadt und Gemeinde 04/21 3
INHALT 04|2021 DStGB FORDERT VON DER AMPEL-KOALITION MEHR KONKRETE TATEN Seite 05 KULTUR VOR ORT von Uwe Lübking Seite 07 S C H W E R P U N K T EIN REZEPT FÜR KOMMUNALE KULTURENTWICKLUNG von Gregor Pellacini Seite 09 "KULTURPAKT" IN SCHLESWIG-HOLSTEIN von Karin Prien Seite 11 DIE WELT DER GASTSPIELTHEATER von Dorothee Starke Seite 13 RAUM FÜR KULTUR von Prof. Dr. Axel Priebs Seite 17 KULTURELLE DASEINSVORSORGE von Hortensia Völckers Seite 20 KULTUR + KOMMUNE GEHÖREN ZUSAMMEN von Olaf Zimmermann Seite 24 KOMMUNALE KINOS von Fabian Schauren Seite 27 SOZIOKULTUR von Ellen Ahbe Seite 29 DRITTE ORTE IN NORDRHEIN-WESTFALEN Artikel aus Zeitschrift STÄDTE- UND GEMEINDERAT NRW (Ausgabe 7-8 2020) Seite 31 BIBLIOTHEKEN von Barbara Schleihagen Seite 34 MUSIKSCHULE IN DER KOMMUNALEN BILDUNGSLANDSCHAFT von Mathhias Pannes Seite 37 AMATEURMUSIK IM KULTURELLEN LEBEN von Lorenz Overbeck Seite 42 KULTURFÖRDERVEREINE von Dr. Jutta Dette und Ulrike Petzold Seite 44 MELDUNGEN Seiten 40 | 41 | 63 | 70 EINBRUCH DER INVESTITIONSTÄTIGKEIT DROHT Seite 46 CO2NTRACTING: BUILD THE FUTURE! Interview mit Nicole Pillen Seite 49 NEUE SERIE: FRAUEN FÜR KOMMUNEN: Politische Teilhabe/Fachtagung "Mayoress" Seite 52 OPEN SOURCE SOFTWARE FÜR DIE KOMMUNALSTATISTIK von Aura Moldovan, Dr. Tim Leibert und Prof. Dr. Francis Harvey Seite 54 LOGISTIKIMMOBILIEN von Dennis Kalde Seite 57 DEUTSCHE KOMMUNEN WELTWEIT AKTIV von Jacqueline Spiedt, Judith Steinmetz, Florian Schilling Seite 60 FLUTKATASTROPHEN von Norbert Portz Seite 64 SERIE GRUNDSTEUERREFORM: NIEDERSACHSEN UND DIE LAGEN von Marco Mensen, Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund Seite 71 BRÜSSELER GERÜCHTE – FOLGE 44 Seite 74 BUCHBESPRECHUNGEN Weitere Seite 76 aktuelle Infos IMPRESSUM & INHALT Seite 04 jederzeit unter www.dstgb.de IMPRESSUM ZEITSCHRIFT DES DEUTSCHEN STÄDTE- UND GEMEINDEBUNDES, BERLIN |BONN | BRÜSSEL Redaktionsanschrift: Herausgeber: DStGB Redaktionsteam: Stadt und Gemeinde Digital Dienstleistungs-GmbH Alexander Handschuh Marienstraße 6, 12207 Berlin Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Janina Salden Telefon: 030/773 07-228 Dr. Gerd Landsberg Kristine Stüvecke Fax: 030/773 07-222 Uwe Zimmermann Birgit Pointinger Email: janina.salden@dstgb.de Internetpräsenz: www.dstgb.de Anzeigenredaktion: Grafik & Satz: DStGB kristine.stuevecke@dstgb.de Dienstleistungs-GmbH alexander.handschuh@dstgb.de Titelbild: Fotomontage: © silvae + bluedesign/stock.adobe (Montage DStGB) | Klein v. l.: 4th Life Photography | Valmedia | bluraz - stock.adobe Diese Seite v. l.: © gustavofrazao | pressmaster | Valerii Honcharuk - stock.adobe 4 Stadt und Gemeinde 04/21
BUNDESPOLITIK DER DStGB FORDERT VON DER AMPEL-KOALITION MEHR KONKRETE TATEN Foto: © Benjamin Westhoff © TARA Ingenieurbüro NordWest GmbH Co. KG Die komplette Pressemitteilung unter W W W. DSTG B.DE D er Deutsche Städte- und Ge- dass Städte und Gemeinden sich in liche Ausgleichsregelungen, wenn meindebund hat anlässlich einer Schlüsselfunktion befinden. die Maßnahme dem Klimaschutz seiner Präsidiumssitzung „Der notwendige schnelle Zuwachs oder der Klimaanpassung dient, die Mitte November in Bonn die Am- der regenerativen Energien (Wind- Verkürzung der Gerichtswege und pel-Koalition aufgefordert, die gut kraft und Solaranlagen) wird nur auch Präklusions- und Stichtagsre- beschriebenen Ziele mit konkre- gelingen, wenn wir es schaffen, die gelungen, um die Gerichtsverfahren ten Taten und Finanzierungen zu Menschen vor Ort zu überzeugen tatsächlich voranzubringen. hinterlegen. „Unser Land steht vor und mitzunehmen. Das muss eine gewaltigen Herausforderungen, bei zentrale Rolle in der Politik der neuen „Die künftige Koalition muss die Klimaanpassung und Klimaschutz, Regierung spielen. So erwarten wir, kommunale Finanzlage viel stärker aber auch bei der Bewältigung der konkrete Schritte wie schnellere Ver- gewichten. Die kommunalen Finan- sich dramatisch entwickelnden Coro- waltungs- und Genehmigungsverfah- zen befinden sich trotz der etwas na-Pandemie“, sagten der Präsident ren tatsächlich umgesetzt werden. besseren Steuerschätzung weiter im des DStGB, Bürgermeister Ralph In diesem Zusammenhang schlagen Corona-Tief. Wir brauchen dringend Spiegler (Nieder-Olm) und Haupt- wir ein Klimaschutzbeschleuni- mehr kommunale Finanzmittel und geschäftsführer Dr. Gerd Landsberg gungsgesetz vor“, führten Spiegler dürfen die Städte und Gemeinden in Bonn. und Landsberg aus. Dazu gehörten nicht mit immer neuen Aufgaben und digitale Genehmigungsverfahren, Ausgaben überlasten“, sagten Spieg- Spiegler und Landsberg betonten, der Verzicht auf naturschutzrecht- ler und Landsberg. Stadt und Gemeinde 04/21 5
BUNDESPOLITIK Foto: © Benjamin Westhoff Fotos: © Janina Salden/DStGB Im Rahmen der Präsidiumssitzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes wurde auch der Beigeordnete Norbert Portz nach 36 Jahren Engagement für die kommunale Familie in den Ruhestand verabschiedet. DStGB-Präsident Ralph Spiegler dankte Norbert Portz umfänglich für sein Engagement, für seine fachliche Expertise und sein Herzblut, mit dem er alle die Jahre die Verbandsarbeit maßgeblich mitgeprägt hat. Portz erhielt zudem eine Urkunde sowie die Ehrenmedaille des Deutschen Städte- und Gemeindebun- des. Symbolisch überreichte Norbert Portz Referatsleiter Bernd Düsterdiek, der ihm ab 1.1.2022 als Beigeordneter nachfolgen wird, den Staffelstab. 6 Stadt und Gemeinde 04/21
SCHWERPUNKT K U L T U R KULTUR VOR ORT VON ALLEN FÜR ALLE Von Uwe Lübking Foto: © AdobeStock_gustavofrazao © TARA Ingenieurbüro NordWest GmbH Co. KG K bens, um kommunale Kinos als unst und Kultur bereichern „Stadt und Gemeinde“ verdeutli- das Leben in den Städten und Leuchttürme der siebten Kunst, chen besonders anschaulich, welch Gemeinden und leisten einen große gesellschaftliche Bedeutung Bibliotheken als anregende Orte Beitrag zu gesellschaftlichem Zu- der Kultur beigemessen wird. In der der Begegnung, Innenstädte als sammenhalt. Sie bieten Orte der öffentlichen Debatte bekommt sie Raum für Kultur, um die Liebe Begegnung und des Austauschs jedoch oft nicht, den Stellenwert, zum Musizieren und Musik- zwischen den Generationen ebenso den sie verdient. Das wollen wir mit schulen als vitale Lebensräume, wie zwischen verschiedenen gesell- diesem Heft ändern. um die bunte Welt der Gast- schaftlichen Gruppen. Kulturelle Vielfalt ist ein besonderes Kennzei- spieltheater und nicht zuletzt In diesem Heft geht es unter um den Kulturpakt in Schles- chen Deutschlands. In den Städten anderem um: Rezepte für kom- wig-Holstein, über den die Mi- und Gemeinden wird die „Kultur munale Kulturentwicklung (am nisterin für Bildung, Wissen- für alle“ und die „Kultur von allen“ Beispiel von Peine), um Sozio- schaft und Kultur Karin Prien in gefördert. „Hochkultur“ und „Brei- kultur als lebendige Demokra- einem eigenen Artikel berichtet. tenkultur“ sind keine Gegensätze, sondern stehen nebeneinander undtie, um die „Möglichmacherei“ ergänzen sich. kultureller Daseinsvorsorge, um Die Beiträge dieser Ausgabe lie- Kulturfördervereine als enga- fern einen Einblick in die Vielfalt Die Beiträge dieser Ausgabe der gierte Stützen unseres Kulturle- der Kulturlandschaft, freilich ohne Stadt und Gemeinde 04/21 7
SCHWERPUNKT K U L T U R Langv des Arti ersion kels unt er W W W. D StG B. DE alle Bereiche kulturellen Schaffens Foto: © bluedesign - Fotolia.com in einem Heft abbilden zu kön- nen. Denn die Kulturangebote in unserer Republik reichen von den Opernhäusern und Theatern sowie Museen mit überregionaler Be- deutung bis zu den Heimatmuse- en und -theatern, soziokulturellen Einrichtungen, Bibliotheken, Mu- veranstaltungen und einem Café. FINANZIELLE sikschulen, Volkshochschulen oder Soziokulturelle Zentren können ein AUSSTATTUNG SICHERN Jugendkunstschulen, Heimat- und wesentlicher Baustein der kulturel- Kulturvereinen, Laienchören, Or- len Angebote in ländlichen Räumen Rund 45 Prozent der öffentlichen chestern, Spielmannszügen oder und bei der Gestaltung der Dritten Ausgaben für die Kultur werden Theatergruppen. In ländlichen Räu- Orte sein. Sie dienen nicht der rei- von den Kommunen aufgewendet. men kommt der Soziokultur eine nen „Konsumtion“, sondern ermög- Die Haushaltslage der Kommunen besondere Rolle zu. Durch Musike- lichen eine aktive Teilhabe. bleibt deshalb nicht ohne Auswir- vents, Skulpturenparks oder The- kungen auf die Förderung der örtli- aterprojekte können auch kleinere KULTURPOLITIK chen Kulturangebote. Nicht zuletzt Städte und Gemeinden ein überre- GEMEINSAM GESTALTEN durch die Förderpolitik von Bund gionales kulturelles Profil bilden. und Ländern findet sich ein Groß- In vielen Städten und Gemeinden Kulturelle Einrichtungen und An- teil der Kultureinrichtungen in den findet man Künstlerkolonien oder gebote müssen und sollen nicht größeren Städten. Die Kultur „auf Kommunen werden explizit zum immer ausschließlich von den dem Lande“ oder in den Klein- und Künstlerdorf. Kommunen angeboten und finan- Mittelstädten steht oft im Abseits ziert werden. In den Städten und des kulturpolitischen Diskurses. KULTURELLE Gemeinden spielen die kulturellen Dies widerspricht dem Gebot der INFRASTRUKTUR IN Angebote der Vereine und Grup- Gleichwertigkeit der Lebensverhält- LÄNDLICHEN REGIONEN pen bis zu einzelnen Künstlern nisse. Es gilt die kulturelle Vielfalt oder Künstlergruppen eine wichtige und damit die Breite des Angebots In ländlichen und/oder struktur- Rolle. Es sollten die Möglichkeiten in den Städten und Gemeinden zu schwachen Räumen sind die Her- der Vernetzung genutzt werden, fördern. ausforderungen für Kulturangebo- um ein attraktives kulturelles An- te bzw. -einrichtungen besonders gebot zu erhalten. Kulturplanung Das Wesen der kommunalen Kul- groß. Vor diesem Hintergrund sind sollte deshalb nicht isoliert erfol- turpolitik liegt in der Freiwilligkeit Förderprogramme sinnvoll, die die gen, sondern Teil einer integrierten der Aufgabe, da nur so die notwen- Entwicklung und Umsetzung neu- Sozialraumplanung sein. Ziel muss dige Vielfalt erhalten bleibt. Der er Konzepte für die kulturelle Inf- es sein, dass Kommunen im Dialog Zugang zu kulturellen Angeboten rastruktur in ländlichen Regionen mit den Kulturschaffenden und mit und die notwendige Infrastruktur fördern. So können Testlabore ent- den Bürger:innen strategische Zie- sind auf der anderen Seite ein un- stehen, in denen partizipative Ideen le für die Kulturpolitik definieren verzichtbarer Bestandteil der kom- für einen Dritten Ort als zentraler und Maßnahmen entwickeln, um munalen Daseinsvorsorge. Kultur-Knotenpunkt erprobt wer- Kunst und Kultur in ihrem Ort oder den oder Bürger:innen ein leerste- ihrer Region fit für die Zukunft zu hendes Gebäude zu einem leben- machen. Wichtig ist, dass vor Ort Der Autor: digen Kultur- und Begegnungsort Ansprechpartner:innen für die Ge- Uwe Lübking, entwickeln mit Platz für eine Bü- staltung von Kunst und Kultur zur Beigeordneter Deutscher cherei, Kinovorstellungen, Kultur- Verfügung stehen. Städte- und Gemeindebund 8 Stadt und Gemeinde 04/21
GIBT ES EIN REZEPT FÜR KOMMUNALE KULTURENTWICKLUNG? JA, GIBT ES, ABER OHNE ENDE! Von Gregor Pellacini Foto: © AdobeStick - ONYXprj D ERFOLGSMODELL ie Kulturentwicklung in Die Euphorie der Umsetzung vie- Städten und Gemeinden ist ler Handlungsempfehlungen in den SERVICESTELLE KULTUR Chance und Herausforde- Jahren 2015-2019 scheint, bestärkt rung zugleich. Ergebnisse dieser durch die Corona-Pandemie, aller- Als entscheidender Faktor stellt sich Prozesse lassen sich erst nach Jah- dings verflogen. Zentrale, vor allem die Einrichtung der Servicestelle ren ablesen, geschweige denn sind finanzielle Empfehlungen zu er- Kultur in 2015 mit einer Vollzeitkraft sie als solche erkennbar. reichen, scheint fast unerreichbar. heraus. Als Multiplikatorin und Ver- Doch liegt hierin auch eine zentrale mittlerin zwischen Kulturakteur:in- Im Peiner Land wurde eine zentra- Erkenntnis: Entwicklung verlangt le Grundlage zwischen den Jahren stetige Variation der eigenen Pers- nen, Verwaltung und Politik berät 2011 bis 2013 erarbeitet. Der mit 40 pektive(n) – und somit die immer- sie Kunst- und Kulturschaffende abschließenden Handlungsemp- währende Überarbeitung der eige- sowie die Kommunen des Kreises. fehlungen ausgestattete Bericht „In nen Visionen und Praxen. Damit die folgenden Themenbe- die Zukunft mit Kultur“ stellt sich reiche nachhaltig zielgruppenspe- bis heute als Reflexionspunkt dar. zifisch entwickelt werden können: Stadt und Gemeinde 04/21 9
SCHWERPUNKT K U L T U R 1. Kulturpolitik interkommunal BERATUNG, VERNETZUNG + pläne hervorragende Grundlagen gestalten NACHHALTIGE STRUKTUREN bilden können, um Rahmenbedin- 2. Kultur professionalisieren ENTWICKELN gungen für Kultur gerade in länd- 3. Kultur finanzieren lichen Räumen zu strukturieren. 4. Kulturakteure vernetzen Die daraus resultierende konstruk- Doch müssen sich kommunale wie 5. Kultur bekannt machen tive Vernetzung (intern und extern) gesellschaftliche Praxen auch stetig verschiedenster Kulturakteur:innen ändern und neu betrachtet wer- Ein zentrales Format, um Kultur- ermöglicht eine stabile Kommu- den. Wer begleitende Reflexion in politik interkommunal, zu gestal- nikationsbasis. Nur so konnte der Anspruch nimmt, Variationen er- ten ist Austausch. Hierzu wurden Landkreis Peine 2021 sich innerhalb arbeitet und mutige Schritte folgen verschiedene Gremien eingerich- kürzester Zeit auf die Projektmittel lässt, erhält ein Rezept, das regiona- tet, die bisher bei landkreisweiten des Kultursommers bewerben, um le Ausgangssituationen einschließt Fragen beraten und unterstützen. nach der Zusage die stillstehende und für ein verantwortungsvolles Zukünftig werden die Treffen mit Kulturlandschaft in Zeiten der Co- lokal-konkreten und gemeindes- Miteinander steht. Projekte haben rona Pandemie zu einem Wiederbe- pezifischen Herausforderungen er- ginn zu verhelfen. einen Anfang und ein Ende, Kul- weitert um die oben genannten turentwicklung nicht. Themenbereiche zu integrieren. Im Weiterbildungsformat „Kultur- taucher“ werden Expert:innen der Projekte haben einen Anfang und Kulturpraxis eingeladen und refe- ein Ende, Kulturentwicklung nicht. rieren im Seminarformat zu ver- schiedensten Themen der Kultur- theorie und Praxis. Der Einbezug eines lokalen Beispiels ermöglicht Das eigens eingerichtete Onlinepor- zeitnah die Handlungsbilder aus der tal www.kultur-peinerland.de, zur- Abstraktion in konkrete Beispiele zeit ein Kataster der Kunst- und vor Ort umzusetzen. Hilfreich sind Kulturschaffenden und Angebote, dabei zudem Kennenlern-Treffen wird kurz- bis mittelfristig vor allem mit Stiftungen und überregionalen zu einer Vermittlungsebene weiter- Verbänden der Region. Sie erhöhen entwickelt. Praktische Beispiele aus die Chance, dass wichtige kulturelle allen Bereichen kultureller Teilha- Drittmittel in den Kreis fließen und be und Wirkungen aus dem Peiner sich Mitgliedschaften lohnen. Land werden von inhaltlich passen- den Impulstexten begleitet. Unbürokratische Finanzierung bie- tet zudem eine eigens von kommu- STETIGE VARIATION + naler Seite eingerichtete Kulturför- WEITERENTWICKLUNG DER derrichtlinie, die durch die enge EIGENEN PERSPEKTIVE Der Autor: Begleitung der Servicestelle Kultur Gregor Pellacini eine Hilfestellung für andere öffent- Die Reflexion des Peiner Beispiels Leitung Servicestelle Kultur liche Fördermittelgeber darstellt. zeigt, dass Kulturentwicklungs- Landkreis Peine 10 Stadt und Gemeinde 04/21
„KULTURPAKT“ IN SCHLESWIG-HOLSTEIN Von Karin Prien Foto: © Rainer Deutschmann "W o man singt, da lass‘ tät, Heimat und Zukunft diskutie- diesem Format pflegen wir seit 2013 Dich ruhig nieder.“ ren, gemeinsam Werte verhandeln einen kontinuierlichen Austausch Die Bedeutung die- und sich als Individuen und als Ge- zwischen Politik, Verwaltung und ser Volksweisheit ist in der Coro- meinschaft bewusst erfahren. Kul- der breiten Kulturszene. Im gemein- na-Pandemie deutlicher zu spüren turförderung und die Sicherung der samen Gespräch stehen neben der denn je: Eine lebendige Gemein- kulturellen Infrastruktur sind somit kulturellen Infrastruktur auch Ver- schaft ist dort zu erwarten, wo Kul- wesentliche Elemente kommuna- netzung, Themen digitaler Transfor- tur ist. Dies wurde uns während der ler Entwicklung und zentral für die mation und des Ausbaus der kultu- langen Phasen, die durch soziale Di- Ausbildung eines gesellschaftlichen rellen Bildung im Fokus. stanz und Home-Office geprägt wa- Miteinanders. ren, schmerzlich bewusst. Mit ihren Mittlerweile ist auf dem Fundament vielfältigen Institutionen, Akteu- KULTURELLE INFRASTRUK- des Kulturdialogs eine sehr gute Dia- rinnen und Akteuren schafft Kultur TUR ALS STANDORTFAKTOR logkultur zwischen allen Beteiligten Orte der Selbstwahrnehmung und entstanden. Wir erleben heute eine -entfaltung und macht Angebote Die kulturelle Infrastruktur umfasst konstruktive und in vielen Bereichen der Freizeitgestaltung, bietet aber ein breites Spektrum: Neben Muse- bewährte Kooperation sowie eine of- auch Gelegenheiten der Reflexion. en und Theatern sind auch Sozio- fene und vertrauensvolle Atmosphä- Kultur stützt die lokale Infrastruk- kulturelle Zentren, Bibliotheken, re der Kommunikation. Eine Leer- tur und ist ein elementarer Stand- Musik- und Volkshochschulen sowie stelle der bisherigen Dialogprozesse ortfaktor. In den kulturellen Räu- Gedenkstätten und viele mehr unter war allerdings ein strukturierter Aus- men – sowohl physisch und als auch dem Begriff vereint. Die Sicherung tausch zwischen Land und Kommu- im übertragenen Sinn zu verstehen eben dieser Angebote steht im Mit- nen über die künftige Stärkung, Si- – können Bürgerinnen und Bürger telpunkt des sogenannten Kultur- cherung und Weiterentwicklung der beispielsweise Begriffe der Identi- dialogs in Schleswig-Holstein. In Kulturförderung. Beide Ebenen bil- Stadt und Gemeinde 04/21 11
Foto: © Frank Peter Eine unserer geteilten Grundüberzeugungen ist, dass Kulturausgaben keine tung. Zudem ist eine Verstetigung Subventionen sind, sondern des Austauschs zwischen Land und Investitionen in die Zukunft Kommunen in einem verlässlichen unserer Gesellschaft.“ Rahmen vereinbart. Karin Prien, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur KULTUR IST EINE ZENTRA- LE GRUNDLAGE UNSERES den nach unserer Landesverfassung Dialogräume ermöglichten einen GEMEINWESENS – SIE IST eine Verantwortungsgemeinschaft Erfahrungs- und Informationsaus- DASEINSVORSORGE in dieser Hinsicht. tausch über kommunale Kulturför- derung, das Ausloten neuer Mög- Nicht erst Corona hat uns gelehrt, KULTURENTWICKLUNG IN lichkeiten und über den Aufbau dass unsere Gesellschaft im steten SCHLESWIG-HOLSTEIN: gemeinsamer intelligenter Förder- Wandel ist. Und mit ihr wandelt DIALOG ALS systeme und innovativer Allianzen. sich auch die Kultur. Das muss sie ERFOLGSKRITERIUM und das ist gut so, denn nur so kann Angesichts der kommenden Her- sie ihre gestalterische Kraft entfal- Im Jahr 2020 haben wir uns daher ausforderungen war ein klares ge- ten. Wir müssen unsererseits die trotz aller Widrigkeiten der pan- meinsames Bekenntnis zur Kultur Voraussetzungen dafür schaffen, demischen Situation und als Land mit möglichst konkreten Maßnah- indem wir uns klar dazu bekennen, wohl einmalig, dazu entschlossen, men wichtiger denn je. Dies haben dass Kultur eine gemeinschaftliche einen letztlich vollständig auf digi- wir im Abschlusspapier des Kultur- Aufgabe quer durch alle Bereiche tale Formate setzenden Dialog- und dialogs zwischen Land und Kom- und Zuständigkeiten ist. Kultur hat Kulturentwicklungsprozess zu star- munen, dem „Kulturpakt 2030“, also nicht nur einen immensen und ten. Eine gemeinsame Arbeitsgrup- festgehalten. Eine unserer geteil- nicht zu beziffernden Wert: Kultur pe des Ministeriums und der kom- ten Grundüberzeugungen ist, dass ist uns etwas wert. Budgetbeschnei- munalen Landesverbände bereitete Kulturausgaben keine Subventio- dungen für Kunst und Kultur sind zusammen mit kulturellen Landes- nen sind, sondern Investitionen in keine Option. Kürzen wir an der dachverbänden und wichtigen Kul- die Zukunft unserer Gesellschaft. Kultur, so kürzen wir an unserem turakteurinnen und -akteuren die Kunst und Kultur haben bei allen demokratischen Gemeinwesen. Die weiteren Schritte vor. Ab Februar wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Kommunen müssen in die Lage ver- 2021 adressierten wir in sechs öffent- und politischen Herausforderun- setzt werden, nicht wieder in das lichen Dialogveranstaltungen Bür- gen selbst ein enormes Potenzial. Muster zu verfallen, im Bereich der germeisterinnen und Bürgermeis- Sie helfen uns, gesellschaftliche vermeintlich „freiwilligen Leistun- ter, Gemeindevertreterinnen und Entwicklungen erfolgreich zu meis- gen“ zu kürzen. Umgekehrt wächst -vertreter, Verantwortliche der Kul- tern, stiften Identität und regiona- daraus auch eine Pflicht: Wenn die turverwaltungen, aber auch der Be- les „Branding“, sind Arbeitgeber und Ressourcen vorhanden sind und reiche Finanzen, Stadt- und Regio- Wirtschaftsfaktor – um nur einige geschaffen werden, dann sind Kür- nalentwicklung, Bürgerdienste und Aspekte zu benennen. Mit konkre- zungen nicht akzeptabel. Für das Bildung. Auch Vertreterinnen und ten Verabredungen und Vorhaben Land und für die kommunalen Lan- Vertreter aus den Kulturverbänden wollen wir die Kultur in Schles- desverbände in Schleswig-Holstein und der Landespolitik nahmen an wig-Holstein in den kommenden kann ich deutlich sagen: Dafür wer- den Formaten teil. Die geschaffenen Jahren im Schulterschluss von Land den wir streiten. und Kommunen stärken. Erste Mo- dellprojekte zur Struktur der Volks- der Kommunen sowie des Landes ist die hochschulen im ländlichen Raum Die Autorin: Gewährleistung oder zur Zukunftsfähigkeit der So- Karin Prien, Lebensverhältnis gleichwertiger se hinsichtlich des Zugangs zu einer mit Kultur- und Bildungs wohnortnahen Grundve angeboten in verschie rsorgung Menschen jeder denen Formen für Herkunft in allen alle Generationen Teilräumen des Landes. und 3. Kultur ist im Wandel. Die Verantwortlichen ziokultur im Land werden bereits Ministerin für Bildung, müssen angesich en für die Herausforderunge t 2030 n wie Digitalisi ts der gesellschaftliche Kulturpak Folgen der d und Kommun erung, nachhaltige Entwicklung, n ng von LanCorona-Pandemie die Kulturförderung Diversität und den ame n Verantwortu olst gilt es ein angesichts der knappen gemeinsam weiteren twickeln. zur gemeinsung in Schleswig-H Netzwerkstruktur Ressourcen vorrangi g intelligente Allianzen Dabei Kulturförder en zu stärken. Die Kommunen nutzen sowie umgesetzt oder sind in Vorberei- Wissenschaft und Kultur Möglichkeiten interkom lich bei ihrer Kulturarbeit munaler undände n hat deut u.a. rverb regionaler Kooperation. 08. Juni 2021 Kultur- und Bildungs en und Kultu Sie verknüpfen und Kommun angebote mit demrland schaft bündeln Land der und den ltige Kultu Ziel einer bessere n Sichtbarkeit und chen dem regionalenolle und vielfä reichhaltig es rdialog zwis eine wertv Infrastruktur. Das Land lten. Einunterstü dem Erhalt Der Kultu über 4. Kultur ist Querschgilt es zu lstein erha tzt innovative Allianzen eswig-Ho rszene nittsthema und Gemeins ist . dass Schl t- und Kultu alität für alle, chaftsaufgabe, denn gemacht, eit der Kuns kommunale Entwickl nthaltsqu und Aufe ung. Land und genheiten Kultur fördert die Lebendigk Lebens- e Gele verfügt. Die bot schafft iligung sowi Kommun en verfolgen gemeins relles Ange Verantwortung eiten derfürBete die Kultur für Gäste. am das Ziel, die ltiges kultu t Möglichk fachbere so wie ichs- bzw. ressortübergreife und vielfä lkerung eben ng und biete ein strategis ches die BevöElement nd wahrzunehmen. von Bildu staltung für der Ortskern-, Stadt- Als Grundlage eitgeKunst-, und Regionalentwickl krea tiver Freiz Kultur- und Bildungs einrichtu ich aktiven ung erlangen und rbereals Treiber ngen sinnvoller Innenentwicklungonskultur der im Kultu und Multiplikatoren erati zu mehr Aktivität undgem einsamen einer eine gute Koop Ortsteilz tze einer Frequenz in Innenstädten g-Holstein entrenzeug ende Ansä sichts bzw. in Stadt- und Schleswi über besondere Bedeutu ng. en ange Es gibt in vielerorts 5. eKultur ure sowi e Ansätze müss de ist (uns) etwas g. Dies en. Gera en und Akte Förderun wert. Kulturrentw ickelt werd ist vielfach Akteurinn r und ihre weite wirksam und die Kultu Bildungsangebot n Jahr e nur en rigen rechnet sich. Kultur- rtung für ende nach Kostendeckungs seinen bishe und ⇐ Download Kulturpakt 2030 Verantwo in den komm 12 Stadt und Gemeinde 04/21 derungenbetriebswirtscha Leben in graden, also einern ausschließlich en Teile Herausfor kulturelle e das ftlichen Perspektive, zu n wesentlich vielfältiger emie wurd en habe betracht en, greift zu kurz. der PandWirtschaftsfaktor, und die Kommun vielfache Nicht nur ist Kultur Eindruck Land finanzielle Mittel fürben die und ein unter dem tigt. Das heit gege Kultur sind dynamis beeinträch in die Gesellschaftnftss und icher lagen teilench wirksame Investitionen ngen stark r Zeit Zuku ihren Zusammder Haushalts Ausprägu tur in diese fungen enhalt sowie den Standort Schlesw rellen Infrastruk hbar er Verschär ig-Holstein. der kultu Land sicht s abse n: stet. Ange und Kommunen treffen zeugunge zung gelei me Über auf Basis dieser Unterstüt gemeinsa gemeinsamen Überzeu en Verabre folgendedungen: t allgemein gungen folgende Kommun ermöglich Land und 1. Das Land und einwesen s. Sie res Gem die Kommun tität. dlage unse en bekennen und schafft Iden nde Grunrung von kulturelle Finanzie llschaft sich weiterhin zur abe des ist entscheide an derr Gese Aufg partnerschaftlichen e Teilhabe Infrastruktur.gem einsame 1. Kultur Augenhöh Volksho chschulen,reller abe ist eine Dazu gehören insbeson h und auf Teilh Musiksc dere Theater, zugänglic ung kultu hulen, Bibliotheken, die Stärktätten. Das Gedenks Museen, Soziokulnach turelle Zentren erung und Land fördert insbeson die Kommunen und Ihre Förd munen. stehendere überregionale zu landesw der Vorhabe Kom n und Verband dem Land tzen undund und m mit sstruktur schü eite kulturelle Landes Gemeinsa en sowieKultu r zu die Projekte mit Modellch rsorge. betreibe flichtung, en und die r ist Daseinsvo n Kulturförderung in der Verpim Rahmen bote zu ermöglich arakter. Die Kommunen 2. Kultu assung ihrer AngeSelbstverwaltung in mes Ziel sverfort Verantw ande , kulturelle einsa ihre
SCHWERPUNKT K U L T U R ENGAGIERT FÜR DIE KULTUR IN DER FLÄCHE DIE INTERESSENGEMEINSCHAFT DER STÄDTE MIT THEATERGASTSPIELEN INTHEGA Von Dorothee Starke Foto: © Valmedia D ie INTHEGA e. V., die „Inter- Metropolen, im ländlichen Raum, schen (…) aus der Stadt wegzogen: essengemeinschaft der Städte in Klein- und Mittelstädten. Die hohe Mieten und kleine Wohnungen. mit Theatergastspielen“, stellt INTHEGA tritt nachdrücklich dafür Der dritte, neue Grund: Home-Of- neben dem Deutschen Bühnenver- ein, dass eigenständige Kulturarbeit fice.“ – so war kürzlich in dem Beitrag ein und dem Bundesverband Freie in der Fläche auch zukünftig mög- „Raus hier“ von Niewel/Vollmuth in Darstellende Künste eine der drei lich ist, ja, dass sie auf- und ausge- der Süddeutschen Zeitung zu lesen. tragenden Säulen der deutschen baut wird. Allerdings lebten auch vor Corona Theaterlandschaft dar. Die INTHE- bereits knapp 60 Prozent der Deut- GA hat rund 400 Mitgliedsstädte KULTURELLE SOZIALISATION schen in Klein- und Mittelzentren. und erreicht auf rund 600 Spielstät- IN DER STADT UND Wir können also davon ausgehen, ten rund 15 Millionen Einwohner im AUF DEM LAND dass über die Hälfte der Deutschen ganzen deutschsprachigen Raum, nicht etwa in Staatstheatern oder also auch in der Schweiz und Ös- Diese Aufbauarbeit scheint aktuell Nationalgalerien kulturell soziali- terreich. Die INTHEGA tritt für eine notwendiger denn je. Die Medien siert sind, sondern zum ersten Mal eigenständige Kultur- und Theater- sind voll mit Beiträgen zum Phäno- mit Kultur über das Weihnachtsmär- arbeit in der sogenannten Provinz men Stadtflucht. Im Zuge von Co- chen in Kontakt kommen, das eben ein. INTHEGA-Häuser sind Gast- rona zieht es die Menschen aus der nicht im Staatstheater, sondern im spielhäuser ohne eigenes Ensemble, Enge der Städte auf das Land. „Bis- Saal der örtlichen Veranstalter oder sie liegen in der Regel abseits der her gab es zwei Gründe, warum Men- der Schulaula gezeigt wird. Stadt und Gemeinde 04/21 13
SCHWERPUNKT K U L T U R NACHHALTIGE STRUKTUREN Intendant:innen, Direktor:nnen, Das Theater gerade in kleineren und IN DER FLÄCHE SCHAFFEN aber auch Kulturamtsleiter:nnen, mittleren Städten ist der kulturelle Kulturreferenten, Vereinsvorsitzen- Mittelpunkt der Stadt, der Ort, an Will man dem derzeitigen Auf- de oder eben Ehrenamtliche. Die dem sich die Stadtgesellschaft trifft, schwung des Landlebens eine Zu- Welt der Gastspieltheater ist bunt austauscht, sich ihrer selbst ver- kunft geben, so müssen jetzt nach- und genau darin liegt die Chance für sichert und diskutiert. Dies umso haltige Strukturen dafür geschaffen die Kulturarbeit in der Fläche. mehr, da die klassischen Treffpunk- werden. Dazu gehört entscheidend te, der Lebensmittelladen oder die auch der Aufbau einer kulturellen Theater in der Fläche bedeutet In- Post, lange von der Landkarte ver- Infrastruktur. tegration und Aufrechterhalten von schwunden sind. Theateraufführun- gesellschaftlichen Zusammenhän- gen schaffen Anlässe für Gespräche Dass dies in den unterschiedlichsten gen häufig in Regionen, die dro- – auch wenn die gastierende Truppe Facetten auch in kleinsten Gemein- hen, abgehängt zu werden. Längst den Ort längst verlassen hat. den mit geringen Etats möglich ist, sind Formate wie Bürgerbühnen, zeigt die Vielfalt der INTHEGA, de- Community Dance etc. auch auf Das bedeutet, die Aufgabe eines ren Mitgliedshäuser und ihre Struk- den Gastspielbühnen angekom- Gastspieltheaters geht weit über das turen unterschiedlicher nicht sein men. Theater in der Fläche bedeu- Anbieten eines munteren Unterhal- können: tet Bildungsarbeit. Die gastieren- tungsprogramms hinaus. Der Spiel- den Theater bieten umfangreiche plan wird nach den Bedürfnissen Es gibt große Häuser – wie die The- Vermittlungsprogramme an – von des Publikums und nach dem kul- ater in Wolfsburg, Schweinfurt, Werkeinführungen über Nachbe- turpolitischen Auftrag konzipiert, Hameln, Ludwigshafen – Thea- sprechungen bis hin zu theaterpäda- er muss ausgewogen sein, die ver- tergebäude mit mehreren Bühnen gogischem Material für die Schulen. schiedenen Aboringe bedienen, das (großes Haus, kleines Haus), meh- Stücke, die im Lehrplan auftauchen, Publikum zu Diskussionen anre- reren Abonnements und an die 200 sind fester Bestandteil der Spiel- gen, an den gesellschaftsrelevanten Veranstaltungen oder mehr im Jahr. pläne und sind somit für die Schü- Themen dranbleiben, junge Leute Sie erfüllen, auch wenn sie kein eige- ler:innen auch im ländlichen Raum an das Theater heranführen und die nes Ensemble haben, die Funktion live erlebbar. Viele Gastspieltheater treuen älteren nicht verscheuchen eines Stadttheaters für ihre gesamte haben ein ambitioniertes Kinder- – und das alles im Rahmen eines Region. Die Bandbreite reicht aber und Jugendtheaterangebot, teilwei- vorgegebenen Budgets. Die Leitung bis hin zu kleinsten Veranstaltern in se mit eigenem Abonnement. Nur muss ein „Händchen“ haben für die Orten mit unter 10.000 Einwohnern. so gelingt es, auch das Publikum von Menschen ihrer Stadt oder Gemein- Hier wird das Kulturprogramm häu- morgen heranzuziehen. de, sie muss spüren, was die Men- fig mit viel Engagement von einem schen bewegt und herausfinden, ehrenamtlichen Verein organisiert, GENERATIONEN wie sie auf das Angebot des Theaters manchmal nur fünf Veranstaltun- ZUSAMMENBRINGEN aufmerksam machen kann – wie sie gen im Jahr. Doch diese tragen ent- die Bevölkerung erreicht. Denn es scheidend zum gesellschaftlichen Und Theater in der Fläche bedeutet ist schon längst nicht mehr so, dass Zusammenhalt der Gemeinde bei. das Aufrechterhalten eines kultu- es ausreicht, abends die Saaltüren rellen Angebots, das einfach Spaß zu öffnen. Die Konkurrenz ist stark: DIE BUNTE WELT DER macht und Menschen verschiedens- die zahlreichen Medien, Sportange- GASTSPIELTHEATER ter Generationen zusammenbringt. bote, fordernde Jobs, die nicht dazu Auch die Organigramme weisen die unterschiedlichsten Modelle auf: Die Welt der Gastspieltheater Die Theater oder Veranstaltungs- ist bunt und genau darin liegt räume sind als städtischer Regiebe- trieb, Eigenbetriebe, ausgegliederte die Chance für die Kulturarbeit GmbHs, Vereine etc. organisiert. in der Fläche. Die Theaterleiter:innen nennen sich 14 Stadt und Gemeinde 04/21
angetan sind, sich abends noch ein- Theatersommer einen Zustrom von des Bundes, der 2021 ebenfalls dem mal aus dem Haus zu bewegen. Berlinern und Hamburgern, die sich Salzlandtheater in Staßfurt, Sach- für die besondere Atmosphäre be- sen-Anhalt, als erstem INTHE- KULTURARBEIT geistern. „Das Dorf lebt. Das Theater GA-Haus, zugesprochen wurde: IN DER FLÄCHE erweist sich als probates Mittel ge- „Seine Aufgabe sieht das Theater da- gen Frust und Abwanderung. Nicht rin, die regionale Kultur zu fördern „Das wichtigste und zentrale Auf- einmal rechte Scharfmacher haben und gleichzeitig durch renommierte wertungspotential im ländlichen im Dorf Fuß gefasst“ beschreibt KünstlerInnen und Ensembles auf Raum sind die Menschen mit ihrer Christhard Läpple die Situation in Staßfurt aufmerksam zu machen. Lebenslust, Phantasie, Kreativität Netzeband (C.L.: So viel Anfang war Den Herausforderungen der Regi- und Innovationsfähigkeit“ (Werner nie. Notizen aus der Provinz; Mün- on – Abwanderung, Arbeitslosigkeit, Bätzing, Das Landleben. Geschichte chen 2017). Das Jahrmarkttheater Strukturschwäche – mit kulturellen Mitteln entgegenzutreten, ist das erklärte Ziel des engagierten Teams.“ ÜBER DIE INTHEGA Kultur-Journal bietet zahlreiche BUNDESPOLITIK WÜRDIGT fachlich relevante Artikel zu BÜHNEN ALS ZENTRALE Die INTHEGA organisiert den rechtlichen Fragen, Neuigkeiten ORTE KULTURELLER größten Theatermarkt Europas, aus den Häusern und von den BILDUNG auf dem Agenturen, Landes- Agenturen, Best-Practice-Bei- bühnen, Freie Theater, Einzel- spiele sowie einen Stellenmarkt. 2015 hat Staatsministerin Prof. Mo- künstler ihre Angebote präsen- Die INTHEGA steht auch Nicht- nika Grütters den Theaterpreis des tieren. Das gesamte Angebot ist mitgliedern als Partnerin und Bundes ausgelobt, um die Arbeit außerdem über die INTHEGA Beraterin für den Aufbau von der Theater abseits der Metropo- Datenbank, die den Mitgliedern kulturellen Strukturen im ländli- len zu würdigen: „Gerade die klei- frei zur Verfügung steht, jeder- chen Raum zur Verfügung. nen und mittleren Bühnen jenseits zeit abrufbar. Fachtagungen und Die INTHEGA organisiert seit der Großstädte sind wichtige Orte Videokonferenzen bieten den über 40 Jahren das „Leuchten der der kulturellen Bildung und des ge- Mitgliedern neben dem Erfah- Provinz“. Sie wird sich weiterhin sellschaftlichen Dialogs. (…) Für rungsaustausch untereinander stark machen für die Kultur in diese Beharrlichkeit und Kreativität Spezialworkshops zu rechtlichen der Fläche und Lobbyistin sein verdienen sie unsere dankbare Auf- und technischen Fragen (z.B. für Kulturveranstalter:innen vor merksamkeit und Wertschätzung.“ GEMA, Veranstaltungssicherheit, allem in kleinen und mittleren Im Koalitionsvertrag zwischen Brandschutz etc.) sowie Exper- Gemeinden. CDU und SPD wurde dem Thema ten-Vorträge und Diskussionen „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ zu relevanten Themen. Das Weiterführend Infos unter: 2018 erstmals ein größerer Stellen- viermal im Jahr erscheinende http://www.inthega.de wert zugesprochen. Es bleibt zu hoffen, dass unter wel- chen politischen Verhältnissen auch und Zukunft einer gefährdeten Le- in Bostelwiebeck in der Lünebur- immer, diese Initiativen, die erst bensform; München 2020). Es gibt ger Heide „versorgt nicht nur eine einen Anfang darstellen, weiter- zahlreiche Beispiele dafür, dass Kul- Landschaft mit ansonsten geringem hin Bestand haben. Heribert Prantl turprojekte in kleinsten Gemein- kulturellem Angebot mit anspruchs- brachte es auf den Punkt: „Es geht den, die mit hohem ehrenamtlichen voller, großer und doch zugänglicher darum, das Leuchten der Provinz Engagement und großer Leiden- Theaterkunst, sondern es sammelt zu organisieren. Die Politik muss schaft realisiert werden, den Orten die Themen auf der Dorfstraße, ver- für gute Leuchtmittel sorgen.“ (Süd- zu einem Aufschwung verholfen ha- arbeitet sie und lockt ein überregi- deutsche Zeitung, 7./8. März 2020, ben. Das Dorf Netzeband in Bran- onales Publikum an“ – so heißt es „Stadt, Land, Kuss“). denburg erlebt jährlich in seinem im Juryspruch zum Theaterpreis Stadt und Gemeinde 04/21 15
SCHWERPUNKT K U L T U R Dass der INTHEGA im Zuge von kennung für den Fachverband und Die Autorin: Corona über 30 neue Mitglieder bei- das Vertrauen in die Projektträger- Dorothee Starke, getreten sind, verdeutlicht wie sehr schaft auch auf Bundesebene. Die INTHEGA Präsidentin und Leiterin die Unterstützung eines Fachver- INTHEGA organisiert seit über 40 des Kulturamts Bremerhaven bands gerade in schwierigen Zeiten Jahren das „Leuchten der Provinz“. hilft. Ein von der Bundesregierung Sie wird sich weiterhin stark ma- zur Verfügung gestelltes eigenes chen für die Kultur in der Fläche und Förderprogramm im Rahmen von Lobbyistin sein für Kulturveranstal- NEUSTART Lage Kultur – „Theater der Städte mitinINTHEGA-Mitgliedern Be- terInnen vor allem in kleinen und wegung“ – beweist die hohe Aner- mittleren Gemeinden. Lage der Städte mit INTHEGA-Mitgliedern Anmerkung: Im Zuge des seit 2020 von der INTHEGA betreuten Förderprogramms NEUSTART KULTUR – „Theater in Bewegung“ sind über 30 neue Mitglieder dem Verband beigetreten, die bei dieser Darstellung noch unberücksichtigt sind. 16 Anmerkung: Stadt und Gemeinde 04/21 Im Zuge des seit 2020 von der INTHEGA betreuten Förderprogramms NEUSTART KULTUR – „Theater in Bewegung“ sind über 30 neue Mitglieder dem Verband beigetreten, die bei dieser Darstellung noch unberücksichtigt sind.
RAUM FÜR KULTUR DIE ZUKUNFT DER INNENSTÄDTE UND ORTSKERNE GESTALTEN Von Prof. Dr. Axel Priebs Foto: © evannovostro - stock.adobe D UNZUREICHENDER ie Pandemie hat die Innen- Boom des Online-Handels neue städte und Ortskerne erneut Unsicherheiten für Innenstädte und NETZAUFTRITT DES in den öffentlichen Fokus ge- Ortszentren gebracht haben. Dabei STATIONÄREN HANDELS rückt. Fernsehbilder von ausgestor- darf aber nicht vergessen werden, benen Fußgängerzonen wirkten un- dass diese schon vor der Pandemie Aber auch die Handelsfunktion als wirklich und beklemmend. Dass sie vor erheblichen Herausforderungen historische Kernkompetenz der Zen- nach den Lockdowns sofort wieder standen. An erster Stelle ist die ein- tren hatte schon vor der Pandemie von den Menschen „zurückerobert“ seitige Kommerzialisierung vieler markante Schwachstellen offenbart. wurden, darf mit Recht als positive Innenstädte zu nennen, in denen Hinreichend bekannt sind die Nach- Bestätigung für deren Bedeutung als konsumfreie Aufenthaltsangebo- folgeprobleme des inhabergeführten wichtige Funktionsräume, aber auch te, Sitzmöglichkeiten und Toiletten Handels, schwindender Branchen- als beliebte Begegnungsstätten ver- vermisst werden. Auch die Defizite mix, die Ausbreitung von (Billig-) standen werden. des öffentlichen Raumes bezüglich Ketten sowie nur noch schwer zu Gestaltung, Sauberkeit und Barri- kaschierende Leerstände. Außer- In die Freude über die Rückkehr der erefreiheit sind schon seit Jahren dem zeigen überhöhte Mieten, feh- Normalität mischt sich aber auch erkannt; hinzukommen fehlende lende Abstimmungen (z. B. bei den Sorge, weil die Lockdowns und der Grün- und Wasserflächen. Öffnungszeiten) und Probleme bei Stadt und Gemeinde 04/21 17
SCHWERPUNKT K U L T U R Gemeinschaftsaktionen (z. B. Weih- nachtsbeleuchtung), dass manche LEBENDIGE ZENTREN Akteure in den Stadt- und Ortszen- UND KULTURANGEBOT STÄR- tren die gemeinsame Verantwortung KEN LEBENSQUALITÄT EINE GUTE VERBINDUNG und die Dramatik der Herausforde- VON KOMMUNIKATION UND rungen nicht erkannt haben. Auch KOMMERZ Die Erfahrungen aus der Pandemie bei dem gewaltigen Digitalisie- haben den Handlungsbedarf in den rungsschub, einer speziellen Folge Unter Fachleuten ist unumstritten, Stadtmitten und Ortszentren noch der Pandemie, werden häufig die dass die Zukunft der Innenstädte einmal verstärkt, wie zusätzliche Chancen für den stationären Handel und Ortsmitten in einer besseren Leerstände sowie Betriebsaufgaben verkannt. Natürlich liegen dessen Mischung der Nutzungen liegt, in der Gastronomie zeigen. Drama- wesentliche Stärken in der persön- und dass – bei aller Bedeutung tische Folgen hatten die Lockdowns lichen Beratung und dem Service. der Stadt als Ort des Handels – die und die folgenden Einschränkungen kommerziellen Funktionen nicht Aber immer mehr Einkaufswillige auch für die Kulturangebote. Aller- mehr dominieren. Erwartet werden wollen schon vor dem Aufbruch in dings hat die Verlusterfahrung bei attraktive öffentliche Räume, wo es die Innenstadt im Internet eruieren, vielen Menschen auch das Bewusst- möglich ist, ohne Konsumzwang zu welche Marken bestimmte Geschäf- te führen, ob es Sonderangebote und sein für die Bedeutung lebendiger verweilen und die Atmosphäre zu wo es tagesaktuell interessante kuli- Zentren, einer fußläufigen Versor- genießen. Deswegen ist deren Auf- narische Angebote gibt. Und gerne gung, des städtischen Grüns und wertung mit Spielmöglichkeiten für genutzt wird auch die Möglichkeit, kultureller Angebote als wichtige Kinder, Sitzgelegenheiten, kulturel- nicht am Lager befindliche Waren Faktoren für die persönliche Lebens- len Angeboten, grünen Oasen und online zu bestellen und diese per- qualität deutlich gesteigert. Diese öffentliche Toiletten eine zentrale sönlich abzuholen. Deswegen kann Bewusstseinserweiterung verschafft Aufgabe. Eine gute Verbindung von der völlig unzureichende Netzauf- den kommunalen und privaten Ak- Kommunikation und Kommerz bie- tritt des stationären Handels nicht teuren zusätzliche Akzeptanz und ten Märkte in den Ortsmitten und deutlich genug kritisiert werden. Unterstützung. Stadtteilzentren. Auch kleinere und 18 Stadt und Gemeinde 04/21
größere kulturelle und kommerzi- elle Events werden als Abwechslung gebraucht. Als „Gegenmittel“ zu den Leerständen bieten vor allem in großen Städten sogenannte Pop- Up-Stores temporär neue Angebote – auch in kleineren Städten sollte dieser Ansatz verstärkt genutzt wer- den. Zur Belebung tragen auch neue Wohnungen in der Innenstadt bei. Und nicht zu vergessen ist eine ver- besserte Erreichbarkeit der Innen- städte zu Fuß und mit dem Fahrrad über neue Wegeverbindungen. Auch hier hat die Pandemie neue Erkennt- nisse gebracht und gezeigt, welche Potenziale im Ausbau der umwelt- freundlichen Nahmobilität liegen, und kulturellen Angeboten. Klarer womit auch der Klimaschutz, die Vorreiter ist der Buchhandel, der als Verkehrswende und die Gesundheit erste Branche einer massiven Inter- gefördert werden. netkonkurrenz ausgesetzt war, aber in vielen Innenstädten eine ganz Welch wesentlichen Beitrag die zentrale Funktion als Kulturträger Kultur zur Belebung, Vielfalt und übernommen hat: Es werden dort Zukunftsfähigkeit der Stadtmitten Lesungen und Kulturveranstaltun- und Ortszentren leisten kann, ist gen organisiert, teilweise zusam- leider noch nicht allen Akteuren vor men mit anderen Branchen, wenn teure. Gefordert sind Handel, Hand- Ort bewusst. So werden immer wie- etwa eine französische Woche mit werk, Gastronomie und Immobili- der Diskussionen darüber geführt, Büchern und Lesungen sowie dazu eneigentümer, die ihren Beitrag für ob Museen, Ausstellungen, Volks- passenden Delikatessen und Wei- den gemeinsamen Standort leisten hochsachulen, Musikschulen und nen kreiert wird. müssen. Die Kultur muss viel stär- Bibliotheken wirklich mitten in der ker die Möglichkeit bekommen, sich Stadt liegen sollen. Tatsächlich ist RESILIENZ SCHAFFEN DURCH einzubringen. Letztlich aber haben es an der Zeit, denjenigen Kommu- KOOPERATIVE KONZEPTE die Kommunen selbst, und zwar Rat nen zu gratulieren, die dies realisiert und Verwaltung mit ihren jeweiligen haben. Als weitere kulturelle Akti- Angesichts der angesprochenen Verantwortlichkeiten, eine zentrale vitäten sind Theater und Konzerte Herausforderungen und Potenziale Rolle. Wo es jetzt noch kein Hand- (auf der Straße und in Sälen, auch in drängt sich die Frage auf, wie Innen- lungskonzept für die Zukunft der Leerstandsimmobilien), Kleinkunst städte und Ortsmitten resilient und Stadtmitte und der Ortskerne gibt, und Straßenfeste zu nennen. Kul- zukunftsfest werden können und sollten die Kommunen die öffentli- turelle Angebote tragen nicht nur wer sich für diese große Aufgabe ver- che Aufmerksamkeit und Unterstüt- zur Funktionsvielfalt bei und bieten antwortlich fühlt. Es ist allerhöchs- zung nutzen, zügig zu kooperativen weitgehend kommerzfreie Räume, te Zeit, die seit längerem geführte Konzepten und mutigen Entschei- sondern sind auch Frequenzbringer. Diskussion über die Zukunft der dungen zu kommen. Wer diese Einrichtungen aufsucht, Innenstädte und Ortskerne grund- verbindet dies gerne mit einem Be- sätzlich, übergreifend und lösungs- Der Autor: such in der Gastronomie oder nutzt orientiert zu führen. Dabei ist ein Prof. Dr. Axel Priebs, Vizepräsident andere Angebote. Und es gibt auch funktionierendes Zentrum immer der Akademie für Raumentwicklung Synergien zwischen kommerziellen ein Gemeinschaftswerk vieler Ak- in der Leibniz-Akademie Stadt und Gemeinde 04/21 19
SCHWERPUNKT K U L T U R VEREINT EUCH! ÜBER DIE „MÖGLICHMACHEREI“ KULTURELLER DASEINSVORSORGE Von Hortensia Völckers Foto: © oderbruchmuseum/ Alex Schirmer © TARA Ingenieurbüro NordWest GmbH Co. KG Mit ihrem TRAFO-Programm stärkt die Kulturstiftung des Bundes die Rolle der Kultur in ländlichen Regionen, Gemeinden und Städten. Um neben der Ent- wicklung materieller Infrastruk- turen auch den demokratischen W Zusammenhalt der Gesellschaft enn ein Chor singt – so quicklebendigen Aufzählung der zu stärken, erproben bundes- stellt die Künstlerin Ber- Vereine spiegelt sich das ganze kul- weit zehn TRAFO-Regionen nadette La Hengst fest turelle Potenzial der Region. neue Wege der Kooperation von – dann kann man entweder sagen, Verwaltung, Politik und Kultur er mache alle gleich; man kann aber „Groovy“ ist der Song. Oft gespielt www.trafo-programm.de auch sagen, er ermächtigt die Men- in den lokalen Rundfunkstationen. schen, ihre Stimme zu heben. Und Und mit einem Titel, der aufs Gan- sie gleichzeitig in die Gemeinschaft ze zielt: „Dorfoper in 214 Akten“ – geht es darum, die Kultur als fun- hineinzutragen. In der von La (www.youtube.com). Kleiner ging’s damentale Kraft des gesellschaftli- Hengst komponierten heiter-ironi- nicht in Blieskastel. Aber es steht ja chen Zusammenhalts ins Bewusst- schen Heimat-Hymne auf die saar- auch Großes auf dem Spiel. In der sein zu heben. Allzu oft ist nämlich pfälzische Gemeinde Blieskastel Saarpfalz – wie auch in den ande- in den infrastrukturellen Entwick- klingt das so: „U-huu, a-haa, macht ren, bundesweit zehn TRAFO-Re- lungsplänen der vergangenen Jahre Euch allgemein // u-huu, a-haa, wir gionen im Oderbruch, Altenburger ausgerechnet die Kultur unter den leben im Verein!“ Und man darf Land, Harz, auf der Schwäbischen Tisch gefallen. Sie verdient jedoch hinzufügen: Egal in welchem. Ob Alb, in Uecker-Randow, Rends- Beachtung als ebenso weicher wie Wanderclub, Spielmannszug, Taek- burg-Eckernförde, dem hessischen wirkungsvoller Faktor der Daseins- Won-Do oder Segelflug – in der Vogelsbergkreis, Kusel oder Köthen vorsorge. 20 Stadt und Gemeinde 04/21
„Zukunft wird aus Mut gemacht“. So heißt es aus der Saarpfalz. Wie zahlreiche andere Regionen in Mit dabei ist der Mut, Deutschland trüben demogra- Neues zu beginnen, die phische Schrumpfungsprognosen Bereitschaft, Ambivalenzen zu ertragen die Aussicht in den Kommunen. und Widersprüche demokratisch auszu- Gleichzeitig besitzt die Region eine einzigartige Dichte an Vereinen. handeln. Mit dabei ist außerdem jede Hier setzt das TRAFO-Projekt „Kul- Menge Lebensfreude und mit ihr die tur+“ an. Seit 2016 zielt es darauf ab, Lust, an heimischen Orten mit ganz kulturelle Orte weiterzuentwickeln verschiedenen Menschen zu sprechen, und zugleich eine nachhaltige Strukturbildung anzuregen, bei der zu essen, zu trinken, zu streiten oder Verwaltung und Zivilgesellschaft in auch zu singen. neuer Form zusammenwirken. EHRENAMT die Saarpfälzer „Dorfoper“ einen mit anderen gesellschaftlichen Be- PROFESSIONALISIEREN glücklichen Ausgang nimmt. Da- reichen – Tourismus, Regionalent- für spricht auch, dass andere TRA- wicklung, Bildung und Soziales. Einen Schlüssel für diesen Trans- FO-Projekte in Deutschland auf formationsprozess hat der Saar- ganz ähnliche strategische Kombi- ZUM WOHLERGEHEN pfalz-Kreis in der Personalentwick- nationen von Capacity-Building in GANZER REGIONEN lung gefunden. Da es kaum mehr Kommunalverwaltungen plus Stär- hauptamtlich geführte Kulturein- kung zivilgesellschaftlicher und Ähnliches gilt zum Beispiel für das richtungen gibt, versucht das TRA- kultureller Netzwerke setzen. Oderbruch Museum Altranft FO-Projekt gezielt ehrenamtliche (oderbruchmuseum.de) – das Land Tätigkeiten und Kompetenzen zu NETZWERKSTELLEN MIT Brandenburg spricht in seinem För- professionalisieren. Dafür bietet es BREITEM PROFIL derprogramm von einem „kulturel- etwa einen kommunalen Knoten- len Ankerpunkt“: In sein im Rahmen punkt an, der ein vitales Zusam- Auf der Schwäbischen Alb zum des TRAFO-Programms ins Leben menwirken zwischen Vereinen, Beispiel haben TRAFO und die gerufenen „Netzwerk Kulturerbe Künstlerinnen und Künstlern, Pu- Baden-Württembergische Landes- Oderbruch“ sind Heimatstuben blikum wie auch Kulturverwaltun- regierung das Pilotprojekt „Regi- und Dorfmuseen, Baudenkmäler, gen ermöglichen soll. In Homburg onalmanager*in Kultur“ gestartet. Kirchen und Bauernhöfe der ganzen ist deswegen ein Kulturbüro unter Es geht darum, die kulturelle Zu- Region einbezogen und bewerben dem Titel „Möglichmacherei“ ständigkeit der Verwaltung auch sich gemeinsam um das Europä- (kultur-plus.com/moeglichmache- personalpolitisch zu erneuern und ische Kulturerbe-Siegel. 16 Kom- rei) entstanden: als ein Netzwerk so die Lücke zwischen Kreisverwal- munen im Oderbruch unterstützen kultureller Aktivitäten und zugleich tung und Kulturszene zu schließen, das Netzwerk auch in Zukunft mit als Bündnis gegen den kollektiven die zuletzt immer weiter zu klaffen zehn Cent pro Einwohnerin. Und Verdruss über Schuldenlasten und drohte. Solche Netzwerkstellen be- die Zusammenarbeit mit der regi- Abwanderungstendenzen. sitzen ein breites Profil. Ganz im onalen Handwerkskammer, dem Sinne eines Kulturbegriffs, der nicht Gewässer- und Deichverband oder Vermutlich ist der letzte der „214 allein auf Hochkultur oder klassi- dem Bauernverband ermöglicht Akte“ auch in der Saarpfalz längst sche Spartenförderung abzielt, ver- nicht nur, professionelles Wissen noch nicht geschrieben. Ein netzen sie Bürgerinnen und Bürger in die Erarbeitung eines der jährlich Grundstein aber ist gelegt, dass sowie Kultureinrichtungen auch wechselnden Schwerpunktthemen Stadt und Gemeinde 04/21 21
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