Suffizienz an Hochschulen im ländlichen Raum - Leuphana
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Michael Flohr ■ Luca Markus (Hg.) Suffizienz an Hochschulen im ländlichen Raum Gefördert durch die Europäische Union
Disclaimer Diese Publikation wurde mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union erstellt. Für den Inhalt der Publikation sind im Namen des netzwerk n e.V. ausschließlich die Herausgeber verantwortlich. Die Publikation gibt nicht die Position der Europäischen Union wieder. Impressum Herausgeber: Michael Flohr, Luca Markus netzwerk n e.V. c/o Thinkfarm e.V. Oberlandstraße 25-36 12099 Berlin Lektorat: Michael Flohr, Gesine Wilbrandt Illustrationen: Lukas Rosen, elrosen.com, elrosenillustration@web.de Layout: Michael Flohr, Lukas Rosen Zeichnung des suffizienten Campus im Grünen: Lena Sierk 1. Auflage: 800 Stück, Juli 2020, 100 % Recycling- Papier (Blauer Engel), alkoholfreier Druck, Biofarben, Verzicht auf umweltbelastende UV- Strahlung bei der Farbtrocknung Druckerei: hinkelsteindruck, Lausitzer Platz 15, 10997 Berlin | u.a. Ökostrombezug, nachhaltiges Entsorgungskonzept
Inhalt 6 Vorwort: Inhalt, Rahmung und Zielrichtung | Michael Flohr 8 Meine suffiziente Hochschule – ein Blick aus der Zukunft | Luca Markus 10 Suffizienz in ländlichen Räumen | Yasmine Willi 14 Suffizienz und Umweltpsychologie | Karen Hamann und Josephine Tröger im Gespräch Entschleunigung 16 Hochschule Aalen: Virtueller Lehr- und Erlebnispfad KARN 20 Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde: Silence Space 24 Leuphana Universität Lüneburg: Lebenswelt Campus 29 Europa-Universität Flensburg: Radeln zum Campus 30 Achtsame Hochschulen in der digitalen Gesellschaft | Reyk Albrecht, Mike Sandbothe Entflechtung 32 Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde: Regulierung dienstlicher Kurzstreckenflüge 36 Donau-Universität Krems: Klimaresilienzerhebungen 40 Studentenwerk Schleswig-Holstein: Klimaschutz-Mensa Flensburg 44 Hochschule Neubrandenburg: Reallabor Kleinproduzenten 48 Hochschule Trier: Umwelt-Campus Birkenfeld 52 Suffizienz und Suffizienzpolitik | Claudia Wenzl, Angelika Zahrnt Entkommerzialisierung 56 Universität Vechta: gemueserausch Solidarische Landwirtschaft 60 Cusanus Hochschule: Masterstudiengang » Ökonomie – Nachhaltigkeit – Gesellschaftsgestaltung « 64 Europa-Universität Flensburg: KlimaMap 68 Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt: Foodsharing 72 Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt: Kapuzinergarten Eden – Klimagarten Eichstätt 77 BTU Cottbus-Senftenberg: BTU Bienen e.V. 77 Fachhochschule Graubünden: Strategische Initiative Nachhaltigkeit in der Lehre 77 Universität Passau: Zweisprachiger Leitfaden für einen nachhaltigen (Studien-)Alltag 77 Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde: Fairteiler 78 Suffizienz: vier verbreitete Missverständnisse | Niko Paech Entrümpelung 80 Hochschule Coburg: CREAPOLIS Makerspace 83 Universität Hohenheim: Greening Repaircafé 84 Leuphana Universität Lüneburg: Zwischenraum 88 Universität Bayreuth: RadBox 91 Technische Hochschule Deggendorf: BikeStation im EcoLab 92 Hochschule Emden-Leer: Fahrradverleihsystem 96 Kleines Lexikon der Suffizienz 98 Kurzvorstellung netzwerk n
Vorwort Inhalt, Rahmung und Zielrichtung Im Juni 2016 saß ich mit Johannes Geibel inmitten Ressourcen innerhalb der planetaren Tragfähigkeit einer illustren Runde von großen und bekannten In- bleibt. Übersetzt heißt das, Genügsamkeit sowie teressenvertretungen. Das Bundeskanzleramt hatte das » richtige « und » notwendige « Maß des Umwelt- das netzwerk n anlässlich der Anhörung zum Ent- verbrauchs auf individueller oder organisationaler wurf der Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeits- Ebene anzuvisieren. Konkret weisen folgende Stich- strategie eingeladen. Jede eingeladene Organisation wörter auf Suffizienz hin: Reduktion, Substitution konnte eine Stellungnahme einreichen und ihre und Anpassung des Ressourcenverbrauchs, ebenso Kritik während der Anhörung mündlich vorbrin- wie Eigenproduktion oder gemeinsame, langlebige gen – für unser noch junges, studentisch geprägtes Nutzung von Gütern – diese Strategien sind über- Netzwerk war es noch ungewohnt, überhaupt an dies unmittelbar mit einem achtsamen, bewussten diesem politischen Prozess zu partizipieren. Bemer- Umgang mit Mensch und Umwelt verbunden. kenswert war, wie geeint die oftmals im Detail dann Zudem rücken wir nicht die häufig prominent in der doch zerstrittene Zivilgesellschaft ihre Einschätzun- wissenschafts- und hochschulpolitischen Debatte gen und Grundüberzeugungen verbalisierte und vertretenen Hochschulen der großen städtischen den Entwurf kritisierte. Dieser Entwurf steht für Zentren ins Scheinwerferlicht, sondern fokussie- mich exemplarisch für den unhinterfragten poli- ren bewusst die mehr als 110 Hochschulen im tischen Konsens in Deutschland: Das Verständnis ländlichen Raum 3, die dort oftmals als regionale der starken Nachhaltigkeit findet keinen Einzug in Ankerpunkte mit Vorbild- und Innovationsfunk- politische Strategien, die unzähligen Zielkonflikte tion fungieren. Es ist grundsätzlich auffällig, dass zwischen Wirtschaftswachstum und einer nach- in Deutschland zumeist kleinere und mittlere haltigen Entwicklung werden konsequent ignoriert Hochschulen wie die Hochschule für nachhaltige und Rebound-Effekte sind offenbar in den Augen Entwicklung Eberswalde, die Leuphana Universität politischer Entscheider*innen irrelevant.1 Zuletzt Lüneburg oder der Umwelt-Campus Birkenfeld vor – und damit schließt sich der Bogen zum Thema angehen und Nachhaltigkeit am konsequentesten dieses Hefts – war der Entwurf » von Effizienz- und in ihre Strukturen überführt haben. Konsistenzzielen und -maßnahmen durchzogen. « 2 Die Beispiele sind systematisch aufgearbeitet, um Mit anderen Worten: Das Fundament der Nachhal- die Nachahmung und Adaption möglichst nied- tigkeitsstrategie bildet ausschließlich eine Wette rigschwellig zu ermöglichen. Allerdings werden auf technische Innovationen in der Zukunft. Zwei- diejenigen bemerken, die mit unseren Sammlun- felsohne sind Effizienz und Konsistenz wesentliche gen vertraut sind, dass wir sowohl die inhaltliche und unentbehrliche Nachhaltigkeitsstrategien, Vorstellung im Sinne der Zugänglichkeit und Ver- doch ohne Suffizienz ist ein nachhaltiger Pfad des ständlichkeit weiterentwickelt als auch die grafische menschlichen Lebens auf unserem Planeten mit Gestaltung deutlich überarbeitet haben. Die vielfach endlichen Ressourcen unerreichbar. Denn: Erst zitierten vier E's nach Wolfgang Sachs – Entschleu- die Suffizienz fragt nach dem » Warum « und » Ob « nigung, Entflechtung, Entkommerzialisierung und des Ressourcenverbrauchs und setzt in der Gegen- Entrümpelung 4 – dienen als inhaltliches Raster, in wart beim Handeln eines jeden Individuums und das wir intuitiv und gewiss nicht allgemeingültig einer jeden Organisation an. Letztlich brachte eine und disjunkt alle Beispiele nach ihrem primären Fo- Stichwortsuche der Begriffe » effizient « und » Effizi- kus eingeteilt haben. Beiträge, die unterschiedliche enz « im Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie 111 Perspektiven auf das Thema Suffizienz einnehmen, Ergebnisse – » suffizient « und » Suffizienz « fanden ergänzen und rahmen inhaltlich die Vorstellung der sich dagegen: null (!) Mal. Good Practices. Mit dieser Good Practice-Sammlung setzen wir Mit knapp 40 Einreichungen auf unseren Call einen Kontrapunkt zur bequemen, aber zugleich wurden unsere Erwartungen erheblich übertroffen. für künftige Generationen riskanten Wette auf eine Vor allem beeindruckt die Vielfalt, wie Menschen alleinig effiziente und konsistente Zukunft. Wir und Initiativen Suffizienz in Hochschulen und der nehmen die Gegenwart in den Blick und stellen An- unmittelbaren Umgebung verankert haben bzw. sätze, Projekte und Strukturen erprobter, etablierter verankern wollen. Das Spektrum reicht von Sharing- und gelingender Suffizienz an Hochschulen vor. Suf- und Verleih-Angeboten, Repair Cafés, Maker Spa- fizienz bedeutet für uns, dass Konsummuster reflek- ces, Lehrangeboten, einem Zero Emission-Konzept, tiert und verändert werden, sodass die Nutzung von Foodsharing, Regulierung dienstlicher Kurzstre- 1 Zu den Begriffen » starke Nachhaltigkeit « und » Rebound « siehe unser Lexikon am Ende des Hefts. 3 Abgrenzung des ländlichen Raums nach Küpper (2016): Abgren- 2 Stellungnahme netzwerk n zum Entwurf der Deutschen Nachhaltig- zung und Typisierung ländlicher Räume. Thünen Working Paper 68. keitsstrategie: https://t1p.de/ex1p. 4 Zu den Begriffen siehe Wenzl und Zahrnt in diesem Heft. 6
ckenflüge, Campus-Bienen, Urban Gardening, Si- Verwendungsempfehlung der Sammlung lence Space, wiederverwendbaren Thermobechern, als Bildungsmaterial in formalen und informel- Klima-Mapping, Forschungsprojekten, Klimaresili- len Bildungskontexten an und außerhalb von enz und gesundes Arbeiten bis Reallabor. Hochschulen als Inspiration und Anleitung zum Wandel für Ziele unseres Hefts Nachhaltigkeitsinitiativen und -akteure an Hoch- Suffizienz als Nachhaltigkeitsstrategie auf die schulen – seien sie studentisch, statusgruppen- Agenda von Hochschulen setzen übergreifend, aus der Verwaltung, von Lehrstüh- Austausch und Vernetzung anregen len etc. – und in der kommunalen Politik den ländlichen Raum als Erprobungsort von als starkes Argument in hochschulpolitischen Suffizienz in das Bewusstsein rücken und regionalen Transformationsprozessen suffiziente und zukunftsweisende Verhaltens- weisen und Lebensmodelle an Hochschulen Ich hoffe, dass diese Sammlung Euch und Ihnen initiieren und verbreiten Motivation und Inspiration liefert und gleichzeitig strukturelle Veränderungen für eine Integration aufzeigt, was auch an Eurer und Ihrer eigenen Hoch- von Suffizienz in die hochschulischen Bereiche schule möglich ist. Wagt Neues, werft Ballast ab und Lehre, Forschung, Betrieb & Campusleben, zeigt, wie vielfältig und erfüllend Suffizienz für eine Governance und Transfer anstoßen nachhaltige Entwicklung umzusetzen ist. Dr. Michael Flohr ist für das netzwerk n tätig und arbeitet zu Studentenwerk Schleswig-Holstein den Themen nachhaltige Hochschulent- Entschleunigung Klimafreundliche Mensa Flensburg wicklung, nachhaltige Digitalisierung und Kulturpolitik. Entflechtung ■ Webseite: https://nachhaltigkeit-politik-kultur.de Entkommerzialisierung Europa-Universität Flensburg KlimaMap Entrümpelung Radeln zum Campus Hochschule Emden-Leer Leuphana Universität Lüneburg Hochschule Neubrandenburg Fahrradverleihsystem Lebenswelt Campus Reallabor Kleinproduzenten Zwischenraum Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde Silence Space Universität Vechta Regulierung dienstlicher Kurzstreckenflüge gemueserausch Solidarische Landwirtschaft Fairteiler BTU Cottbus-Senftenberg BTU Bienen e.V. Friedrich-Schiller-Universität Jena Ernst-Abbe-Hochschule Jena Technische Universität Ilmenau Achtsame Hochschulen in der digitalen Gesellschaft Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung Hochschule Coburg Masterstudiengang „Ökonomie – Nachhaltigkeit – CREAPOLIS Makerspace Gesellschaftsgestaltung“ Universität Bayreuth RadBox Hochschule Trier Umwelt-Campus Birkenfeld Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Kapuzinergarten Eden Foodsharing Technische Hochschule Deggendorf BikeStation im EcoLab Universität Hohenheim Greening Repaircafé Hochschule Aalen Virtueller Lehr- und Universität Passau Erlebnispfad KARN Zweisprachiger Leitfaden für einen nachhaltigen (Studien-)Alltag Donau-Universität Krems Klimaresilienzerhebungen Fachhochschule Graubünden Strategische Initiative Nachhaltigkeit in der Lehre 7
Meine suffiziente Hochschule Ein Blick aus der Zukunft Wir schreiben das Jahr 2052. Ich steige von meinem Forschungscommunity zum Einsatz der Permakultur Fahrrad und schiebe die letzten Meter bis zu den und moderner Subsistenz entstanden. Fahrradständern meiner alten Uni; zuletzt habe Ich frage, wie denn so der Studierendenalltag sei – ich den Campus vor dreißig Jahren besucht. Ich sehr selbstbestimmt und partizipativ, so könne man bin gespannt, was sich in dieser Zeit alles verändert das zusammenfassen, ist der Tenor der Gruppe. So hat. Erstmal gilt es aber, einen freien Fahrradbü- sei der Anteil von Pflichtmodulen zugunsten eines gel zu finden – manches bleibt eben doch gleich. höheren Anteils an General Studies-Inhalten redu- Doch schon auf dem Weg zum Campus fällt mir viel ziert worden, sodass viel Raum für selbstbestimm- fundamental Neues ins Auge – die öde Brachland- tes Lernen und studentisches Engagement bleibe schaft auf und um das Gelände ist einer Vielfalt an – dieses sei mittlerweile nämlich auch anrechenbar, Gemüsegärten, Wildblumenwiesen und gemein- natürlich unter strengen Auflagen. Besonders sozi- schaftlichen Orten des Austauschs, Innehaltens al-ökologische Initiativen hätten davon profitiert, und Verweilens gewichen. Überall sind Menschen würden von Hochschulen intensiv gefördert und unterschiedlichen Alters, diskutieren, lesen, singen, in wichtige Entscheidungen eingebunden. Diese machen Sport. Gruppen seien es auch, die einfach loslegten und Ich stelle mein Fahrrad ab und laufe auf den großen kreative Impulse für Suffizienz an ihrer Uni setzten; Hörsaal der Wirtschaftswissenschaften zu, dessen regelmäßig greife die Hochschulgemeinschaft auf Fassade fast komplett begrünt ist – ein Paradies diese Erprobungen zurück und verankere sie in der für Insekten und Vögel, die das Gebäude in eine gesamten Organisation. summende und singende Oase verwandeln. Ob das Durch diesen Studienaufbau, der mehr auf Qualität wohl ein Neubau ist? Oder immer noch der gleiche statt auf Quantität setzt, sind personelle und räum- Betonklotz von damals? Ich gehe weiter, bin schon liche Kapazitäten in den Studiengängen frei gewor- spät dran. In der letzten Reihe ist noch ein Platz frei, den, die in eine engere Beratung und Betreuung der ich setze mich und lausche gespannt den Worten Studierenden sowie eine gezielte Förderung fließen, der Gastdozentin aus Kolumbien, die per Video live damit verstärkt weniger privilegierte Menschen zugeschaltet ist. Schnell wird deutlich, dass suffizi- Zugang zu Hochschulbildung erhalten. Gemeinsam ente Formen des Wirtschaftens auch in der Lehre mit einer Reform der Studienzulassung führten diese zentral sind und eine klare Normverschiebung weg Maßnahmen zu einer größeren sozialen Durchlässig- von der Dominanz einer Wachstums- und Effizi- keit und geringerem Notendruck – Konkurrenz um enzorientierung hin zu einer theoretischen und Studienplätze sei ein Fremdwort. Auch die Zahl der methodischen Pluralität stattgefunden hat – einge- Studienabbrecher*innen sei deutlich gesunken, wie bettet in die ökologischen Grenzen des Planeten. ich höre. Dennoch sei hier immer noch viel zu tun, Auch ist die Vorlesung deutlich interaktiver und merkt ein Student an. abwechslungsreicher als früher. Studierende fragen Zwei von ihnen müssen weiter zu einem Workshop, häufig nach, diskutieren mit der Professorin, neh- wir verabschieden uns. Ich blicke ihnen nach. Es ist men an Umfragen teil und müssen kurze Aufgaben immer noch viel zu tun, die Worte hallen in mir nach. erledigen, stellen Bezüge zum eigenen Leben und Vor meinem inneren Auge erscheinen die Nachhaltig- gegenwärtigen Phänomenen her. keitsbemühungen zu meiner Studienzeit. Damals, als Danach komme ich mit einigen Studierenden ins sämtliche Klimaabkommen auf der Kippe standen Gespräch. Ich bin neugierig über die Vielfalt im und gesellschaftliche Konflikte dazu führten, die Studium im Rahmen eines maßvollen Wirtschaf- Lebensgrundlage der folgenden Generationen fast zu tens. Sie berichten, dass Suffizienz und Konzepte zu zerstören und ein selbstbestimmtes, gerechtes und Degrowth mittlerweile in den meisten Disziplinen respektvolles Miteinander von Menschen unabhän- Einzug gehalten hätten – in den Ingenieurswissen- gig ihrer Klasse, Race und Gender in weiter Ferne schaften werde zu konvivialer Technik geforscht schien. und gelehrt, die Sozialwissenschaften widmeten Und als überdies jene, die sich für Nachhaltigkeit in- sich verstärkt Initiativen, die genügsames, gemein- teressierten, Suffizienz belächelten, in ihren Nachhal- schaftliches und selbstbestimmtes Leben und tigkeitsberichten in einer Randnotiz vermerkten und Arbeiten praktizieren, in der Biologie sei eine große 8
sich wieder der » Realpolitik « widmeten. Damals, als eine Generation von Schüler*innen, Studierenden Luca Markus und weiteren Engagierten laut wurde, um für eine ist studentischer Mitarbeiter im netzwerk n und studiert Psychologie an der Universität lebenswerte und gerechte Zukunft zu kämpfen, und Bremen. Seine Schwerpunkte sind psycholo- einen radikalen Umbau unseres Wirtschafts- und gische Aspekte von Degrowth und Grundbe- Gesellschaftssystems forderte. Langsam wird mir dürfnisse. bewusst, was diese Streiks, Bemühungen und Arbeit der unzähligen Initiativen für unser Zusammenle- ben und in der Hochschullandschaft bewirkt haben. Gedankenversunken gehe ich im Schatten der Obst- bäume zur Mensa; mein Magen knurrt. Auf dem Speiseplan finde ich bis auf ein Essen aus- schließlich Gerichte auf pflanzlicher Basis. Obwohl die Auswahl überschaubar ist, dauert die Ent- scheidung eine gefühlte Ewigkeit; ich bin hin- und hergerissen zwischen den vielfältigen Gerüchen und Farben. Ich nehme einen Linsensalat, balanciere mit meinem Tablett zwischen den Reihen hindurch und setze mich neben eine Gruppe, vermutlich wissenschaftliche Mitarbeiter*innen. Ich belausche unauffällig ihr Gespräch. Sie unterhalten sich über die Modifikationen der Open Source-Plattform, über die seit Jahren sämtliche Forschungsergebnis- se publiziert werden – transparent und global für alle zugänglich. Jegliche Hektik ist von diesem Ort verschwunden, keine Spur von schneller Nahrungsaufnahme zwischen Vorlesungen. Viele Menschen sitzen noch eine ganze Weile, unterhalten sich oder lesen. Noch lange bleibe ich sitzen und beobachte das Geschehen. Dann trete ich ins Freie, erkunde meine Lieblingsecken von damals und Gebäude, in denen ich nie gewesen bin. Mir fällt auf, wie effektiv und vielfältig Räume genutzt werden – in einem Hörsaal findet eine Lesung statt, in einem Seminarraum wird meditiert, die Sporthalle dient heute als Ort zum Blutspenden. Gleichzeitig findet ein Biologie- seminar in einem der Nutzgärten statt. Ich merke, dass meine Uni kein isolierter Elfenbein- turm mehr ist, sondern Verantwortung in und mit der Gesellschaft übernimmt. In Reallaboren und Transferprojekten wird ein reger Wissensaustausch mit Menschen und Initiativen aus der Umgebung gefördert – seien es suffiziente Raumnutzungs- konzepte, solidarische Landwirtschaft oder neue Formen der Mobilität. Zudem werden Studierende und vielfältige Akteur*innen der Zivilgesellschaft in Entscheidungsprozesse, was wie erforscht wird, transparent mit einbezogen und beteiligen sich an Forschungsprojekten. Ich verbringe noch eine ganze Zeit an verschiedenen Orten und kehre, vollgepackt mit Eindrücken, zu meinem Rad zurück. Als ich eine Person von Fahr- rad zu Fahrrad gehen sehe, seufze ich ein bisschen genervt. Immer noch dieselben unnützen Werbe- flyer auf dem Gepäckträger. Doch als ich mich nähere, muss ich lächeln. Auf jedem Fahrrad liegt eine kleine Pflanze. 9
Suffizienz in ländlichen Räumen Suffizienz beschreibt das Bemühen, individuelle Der Begriff ländlicher Raum weckt viele, auch stereo- und gesellschaftliche Konsum- und Produktions- type und dichotome Assoziationen – sowohl in der muster dahingehend zu verändern, dass mensch- gesellschaftlichen Wahrnehmung wie auch in politi- liche Bedürfnisse ressourcenschonend, lokal und schen Diskussionen. Für die einen stehen ländliche sozialverträglich gestillt werden. Im Gegensatz zu Räume für sich leerende und entvölkerte Regionen, den bisher von Politik und Gesellschaft priorisierten verfallene Häuser, Arbeitslosigkeit, » klamme « Kom- produktorientierten Effizienz- und Konsistenzstra- munen, Unterversorgung und Populismus – abge- tegien stehen bei Suffizienzstrategien das Verhalten hängte Regionen ohne Perspektive. Für andere reprä- von Konsument*innen im Zentrum. Dabei spielt die sentieren ländliche Räume unberührte Natur, Ruhe, Veränderung der individuellen Erwartungen an die Gesundheit, Platz zum Wohnen – ein romantisiertes Lebensqualität eine tragende Rolle. Suffizienzstra- Bild einer ländlichen Idylle (Penke 2012: 17; Arl tegien zielen darauf ab, einen » Mehrwert im Sinne 2019: 2; Franzen et al. 2008: 9). Feststeht, dass es den von Freiheit, weniger Stress, Zeitgewinn, Detox, ländlichen Raum nicht gibt, sondern eine Vielfalt an mehr soziale Interaktion, Gesundheit und neues ländlichen Räumen existiert, die sich in ihrer Lage, Lebensgefühl « (Burger et al. 2019: 3) zu erzeugen. ihren sozioökonomischen Rahmendbedingungen, Ausgehend von der Einsicht, dass maßvoller Genuss Entwicklungspotenzialen und ihrer Lebensqualität die Lebensqualität nicht schmälern muss (Linz stark unterscheiden. Ländliche Räume sind » vielfar- 2015: 5) und im Wissen über die Grenzen der glo- big und tiefgründig zugleich, von sehr unterschiedli- balen Ressourcen und Energieträger, sind in den chen Wachstumsprozessen betroffen; [ihre] ausge- letzten Jahren eine wachsende Zahl an suffizienten prägten regionalen und lokalen Individualitäten, […] Initiativen und Angeboten entstanden, die ein res- vielschichtigen Potenziale und Probleme, entziehen sourcenleichtes Leben ermöglichen: Unverpackt-Lä- sich einer schnellfüßigen Darstellung und Generali- den, Tauschbörsen, Repair-Cafés und Sharing-An- sierung « (Henkel 2020: 25). gebote unterstützen Interessierte dabei, ihren Zur statistischen Abgrenzung der ländlichen Räume Konsum zu begrenzen, zu reduzieren oder diesem werden in Deutschland häufig Verdichtungs-, Zent- vollständig zu entsagen (Folkers & Paech 2020: 143) ralitäts- und / oder Erreichbarkeitsmerkmale sowie -– also suffizient zu gestalten. die Bevölkerungsdichte betrachtet (Franzen et al. Bislang finden sich solche Angebote und Initiati- 2008: 2). Der neuste Raumordnungsbericht aus dem ven besonders im urbanen Raum. An sich ist der Jahr 2017 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und (Wohn-)Ort für einen suffizienten Lebensstil nicht Raumforschung (BBSR) unterscheidet zwischen den ausschlaggebend, da dieser in erster Linie von der Kreistypen ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen persönlichen Einstellung, Gewohnheiten, Verhal- und dünn besiedelte ländliche Kreise. Dabei macht tensweisen und Werten abhängt. Dennoch können erster Typ knapp 28 % der Fläche und rund 17 % der politische und gesellschaftliche Rahmenbedingun- Bevölkerung und letzter rund 40 % der Fläche und gen dabei helfen, dass Suffizienz im Alltag leichter knapp 14 % der Bevölkerung Deutschlands aus (BBSR erprobt und gelebt werden kann. Städte fungieren 2017: 10). seit jeher als › Reallabore ‹, in denen alternative Le- Andere Abgrenzungsansätze beziehen verstärkt bens- und Arbeitsformen getestet und Experimente landschaftliche Merkmale mit ein. So benutzt das gewagt werden können. Städte bieten einer großen Thünen-Institut – neben der Bevölkerungs- und Sied- Anzahl an Menschen alle Daseinsgrundfunktionen lungsdichte – folgende Landnutzungs-Kriterien, um und stellen die dafür notwendige Infrastruktur verschiedene Typen ländlicher Räume zu unterschei- bereit (Kopatz 2016: 3). den: Anteil an landwirtschaftlich genutzter Flächen, Doch wie sieht es mit Suffizienz im ländlichen Wälder und Gewässer, Vorhandensein niedrigge- Raum aus? Inwiefern könnten Suffizienzstrategien schossiger und aufgelockerter Bebauung und die ländliche Räume dabei unterstützen, lebenswerte Entfernung zu Oberzentren. Nach dieser Analyse lebt Räume zu schaffen – trotz Mangel an finanziellen, knapp 57 % der Bevölkerung in ländlichen Räumen materiellen und sozialen Ressourcen. Tatsäch- auf ca. 91 % der Fläche Deutschlands (Küpper 2016). lich gibt es bis heute kaum Erkenntnisse darüber, Nicht nur die Assoziationen und Abgrenzungsan- welche Bedeutung Suffizienz in ländlichen Räumen sätze für ländliche Räumen sind vielfältig, sondern hat und wie Suffizienzstrategien gefördert werden auch deren Charakteristika und Herausforderungen. könnten. Besonders strukturschwache Regionen sehen sich 10
damit konfrontiert, dass die Bevölkerung überaltert rung der Lebensstile: Selbstversorgung statt Erwerbs- und junge, gut ausgebildete Fachkräfte wegziehen. arbeit, Produktion statt Konsum, Re-Lokalisierung Fehlende Steuereinnahmen können ein Loch in statt globale Abhängigkeit (BBSR 2015: 9). Suffiziente die Kasse vieler Kommunen reißen, was den Abbau Ansätze werden bereits heute in verschiedenen Berei- öffentlicher Infrastruktur und Dienstleistungen be- chen in ländlichen Räumen erprobt und erfolgreich schleunigen kann. In manchen Fällen ist der Verlust umgesetzt. Sie stehen häufig im Zusammenhang mit von regionaler Identität und Solidarität zu beobach- Bewegungen und Initiativen wie den transition towns ten (BMEL 2019: 18ff.). Vielen ländlichen, struktur- oder den Ökodörfern (Hopkins 2014; Schulz 2017; schwachen Kommunen fällt es daher zunehmend Kliemann 2016). Konkrete Beispiele für Suffizienz schwer, Grunddaseinsfunktionen angesichts im ländlichen Raum gibt es einige: Bürger-, Bücher-, begrenzter finanzieller und materieller Ressourcen und Ärztebusse, genossenschaftlich organisierte sicherzustellen. Lebensmittelläden mit Erweiterung um Dienstleis- Um diese Kommunen zu unterstützen, existieren tungen von Post oder Medikamentenversorgung, verschiedene (politische) Förderprogramme und Nutzung leerstehender (kommunaler) Gebäude z.B. instrumente. Viele dieser politischen Maßnahmen für nicht-kommerziell betriebene coworking spaces, zielen darauf ab, wirtschaftliches Wachstum zu er- Werkstätten oder Orte des öffentlichen Lebens (Treff- zeugen und so die kommunale Entwicklung positiv punkt, Bibliothek), autarke Energiesysteme oder zu beeinflussen. Solche Ansätze setzten jedoch ein Regionalwährungen. Häufig bleiben aber solche suf- gewisses wirtschaftliches (Innovations-)Potential, fizienten Initiativen im ländlichen Raum Einzelfälle exportorientierte Branchen und eine kritische Mas- und es fehlen Bemühungen, Suffizienz als gesamt- se sowohl an Unternehmenden und Schlüsselak- gesellschaftliche Handlungsweise und politische teuren voraus, die Innovationsprozesse initiieren, Entwicklungsstrategie zu verankern. Projekte umsetzen, als auch an Konsument*innen, Dabei können gewisse Merkmale ländlicher Räu- die diese Angebote in Anspruch nehmen. Doch ein me Suffizienz befördern: Das häufig überschau- solches Potential ist gerade in strukturschwachen, bare Sozialgefüge und engmaschige Netzwerke ländlichen Regionen nur schwach vorhanden, wes- (z.B. Vereinskultur) können dabei helfen, dass halb die regionalpolitische Ausrichtung auf Wachs- solidarische Aktivitäten wie z.B. Tauschringe oder tum in diesen Regionen häufig nicht fruchtet. Nachbarschaftshilfen in ländlichen Räumen ein- Darüber hinaus verhindert die Konzentration auf facher umgesetzt werden können als in anonymen Wachstumsförderung, dass alternative Entwick- Großstädten (Schulz 2017: 11; Linz 2015: 20). Solche lungspfade kaum gesellschaftlich verhandelt und Angebote können Einzelne dabei unterstützen, auf politisch diskutiert werden. Besonders ländliche die Erwerbung bestimmter Gegenstände zu verzich- Schrumpfungsprozesse werden von der Politik als ten und diese stattdessen bei Bedarf mit anderen zu auch der Gesellschaft häufig trivialisiert, tabuisiert tauschen. Auch andere Dienstleistungen wie Fahr- oder dann vehement bekämpft. Doch immer mehr gemeinschaften oder Kleinkindbetreuung können Kommunen in Deutschland, aber auch in Großbri- durch Solidarität erleichtert werde. Aber auch meh- tannien oder den Niederlanden, setzen sich damit rere Kommunen, die sich zusammenschließen, um auseinander, solche Prozesse zu akzeptieren und gemeinsame größere Anschaffungen, wie z.B. Kehr- politische Maßnahmen darauf auszurichten, die ne- maschinen oder Feuerwehrautos, zu tätigen, können gativen Auswirkungen von Schrumpfung zu mildern von regionaler Solidarität profitieren und gleichzeitig (Hospers 2014: 1513). sowohl ihre Ausgaben als auch ihren Ressourcen- verbrauch drosseln. Regionale Entwicklungsträger Wo dies jedoch nicht geschieht, können wachs- können Kommunen darin unterstützen, gemeinsam tumsorientierte Entwicklungsstrategien dazu zu planen und sich gegenseitig abzustimmen – z.B. führen, dass sich die Probleme in den betroffenen bei Schulen, Seniorenheimen oder bei der Revitalisie- Kommunen verstärken: Die umworbenen jungen rung von Leerstand um eine Bebauung auf der › grü- Familien und Firmenzuzüge bleiben trotz bereit- nen Wiese ‹ zu verhindern. Weiter bieten ländliche gestellter Infrastruktur und Flächenausweisungen Räume viel Platz für die Selbstversorgung mit und aus oder der Steuerwettbewerb und der Unterhalt Lagerung von Lebensmitteln (Hahne 2017: 53), aber leerstehender und überdimensionierter Infra- auch für die Erzeugung erneuerbarer Energie. Gerade struktur verstärken die finanziellen Engpässe vieler hierbei bieten sich neue Land-Stadt-Beziehungen in Kommunen. Vereinzelt wird darauf hingewiesen, Regionen an. Auch die solidarische Landwirtschaft, dass das » Aussterben des ländlichen Raums […] in die neben der Versorgungssicherheit auch auf soziale besonderem Maße denjenigen Regionen [droht], Kohäsion setzt, findet gute Voraussetzungen in länd- die weiterhin auf Wirtschaftswachstum und Export lichen Räumen. setzen « (Deimling & Raith 2017: 12). Regionalpolitische Förderprogramme könnten Vor diesem Hintergrund stellen sich die Fragen, durch die Ausrichtung auf Suffizienz neu gedacht ob und inwiefern Suffizienzstrategien dabei helfen und formuliert werden. Obwohl dieser Ansatz im könnten, alternative Lösungen für den ländlichen Grunde nicht neu ist – über die › Grenzen des Wachs- Raum zu entwickeln. Im Zentrum steht die Verände- 11
tums ‹ wird seit den 1970er Jahren debattiert und spätestens seit den 1980er Jahren ist die › endogene Literatur Regionalentwicklung ‹ ein bekanntes Thema – ist es Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) (2019): Ländliche Räume. Nachrichten der ARL. 02/2019. angesichts der heutigen nicht-nachhaltigen globa- 49. Jahrgang. Hannover. len Produktionsmuster und der Übertretung der Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit mehr denn (2017): Raumordnungsbericht 2017. Daseinsvorsorge je an der Zeit für eine Renaissance dieser Ansätze sichern. Bonn. in Form von suffizienten Entwicklungsstrategien. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Diese könnten Kommunen dabei helfen, den Fokus (2015): Kreativ aus der Krise. Vorstudie. Bonn. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf das Vorhandene zu legen, anstatt Angebote (BMEL) (2019): Ländliche Regionen verstehen. Fakten für › die großen Unbekannten ‹ – neu zuziehende und Hintergründe zum Leben und Arbeiten in ländlichen Einwohner*innen sowie Firmen – zu ersinnen. Dies Regionen. Berlin. würde auch bedeuten, bewusst auf einen weiteren Burger, P., Hess, A.-K., Parlow, S., Schubert, I., Sohre, A. Infrastrukturausbau zu verzichten und nicht länger (2019): Suffizienz im Alltag. Vielversprechende Schritte Neuansiedlungen zu bewerben und zu planen. auf dem Weg zur Erreichung einer CO2-armen Gesellschaft. Basel. Stattdessen ständen die qualitative Verbesserung Debiel, S., Engel, A., Hermann-Stietz, I., Litges, G., Penke, des alltäglichen Lebens und die Bedürfnisse der S., Wagner, L. (Hrsg.) (2012): Soziale Arbeit in ländlichen Bewohner*innen im Fokus. Räumen. Wiesbaden. S. 17-27. Damit könnten gerade ländliche Räume zu neuen Deimling, D., Raith, D. (2017): Regionale Resilienz als alter- native ökonomische Perspektive nachhaltiger Regional- Reallaboren werden, in denen altbekannte Wachs- entwicklung. Vorlage an das Amt der Steiermärkischen tumspfade verlassen werden, um neue, suffiziente Landesregierung. Abteilung 17 – Landes- und Regional- Wege auszuprobieren und neue Lebens-, Lern- und entwicklung. Graz. Arbeitsformen zu wagen. Denkbar ist sogar, dass Franzen, N., Hahne, U., Hartz, A., Kühne, O., Schafranski, ländliche Räume damit eine » Vorreiterrolle bei der F., Spellerberg, A., Zeck, H. (2008): Herausforderung aktiven Bewältigung « (BBSR 2015: 6) der ökolo- Vielfalt – Ländliche Räume im Struktur- und Politikwandel. E-Paper der ARL Nr. 4. Hannover. gischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folkers, M., Paech, N. (2020): All you need is less. Eine Kultur Veränderungen einnehmen könnten. Doch trotz des Genug aus ökonomischer und buddhistischer Sicht. erster Erkenntnisse über die Chancen der Suffi- München. zienzstrategien für ländliche Räume sind weitere Hahne, U. (2017): Die Region in der Postwachstumsdebatte. Forschungsprojekte nötig, um zu verstehen, wie In: Knieling, J.: Wege zur großen Transformation. Heraus- suffiziente Strategien und Initiativen in ländlichen forderungen für eine nachhaltige Stadt- und Regionalent- wicklung. München. S. 49-64. Räumen entstehen, welche Faktoren diese fördern Henkel, G (2020): Der Ländliche Raum. Gegenwart und Wand- oder hemmen und was gegebenenfalls die öffent- lungsprozesse seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland. liche Hand dazu beitragen kann, Menschen in Stuttgart. ländlichen Räumen ein ressourcenleichtes Leben Hopkins, R. (2014): Einfach. Jetzt. Machen! Wie wir unsere zu ermöglichen. Zukunft selbst in die Hand nehmen. München. Hospers, G.J. (2014): Policy Responses to Urban Shrinkage: From Growth Thinking to Civic Engagement. European Planning Studies. 22:7. S. 1507-1523. Kliemann, C. (2016): Die Ökodorf-Bewegung: Degrowth als ge- Dr. Yasmine Willi lebte Realität? URL: https://www.degrowth.info/de/dib/ ist Geographin, forscht an der Eidg. For- degrowth-in-bewegungen/oekodoerfer/ (letzter Abruf: schungsanstalt für Wald, Schnee und Land- 22.04.2020). schaft (WSL) zu Governance, Regionalentwicklung und Kopatz, M. (2016): Kommunale Suffizienzpolitik. Strategische nachhaltigen Transformationsprozessen und leitet das Perspektiven für Städte, Länder und Bund. Köln. von der Stiftung Mercator Schweiz geförderte Forschungs- Linz, M. (2015): Suffizienz als politische Praxis. Ein Katalog. projekt › Suffizienzpolitik in ländlichen Gemeinden ‹ Wuppertal. (2020-2023). Küpper, P. (2016): Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume. Thünen Working Paper 68. Braunschweig. Penke, S. (2012): Ländliche Räume und Strukturen – mehr als eine » Restkategorie « mit Defiziten. In: Debiel, S., En- gel, A., Hermann-Stietz, I., Litges, G., Penke, S., Wagner, L. (Hg.): Soziale Arbeit in ländlichen Räumen. Wiesbaden. S. 17-27. Schulz, C. (2017): Postwachstum in den Raumwissenschaf- ten. In: ARL: Nachrichten der ARL 04/2017. Hannover. S. 11-14. 12
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Suffizienz und Umweltpsychologie Karen Hamann und Josephine Tröger im Gespräch Gleich zu Beginn: Was ist eigentlich Umweltpsycho- der Bahn oder dem Auto zur Arbeit fahren? Kann logie? ich das Rad nehmen? Habe ich die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, oder verbietet das meine Karen Hamann: Die Umweltpsychologie ist eine Tätigkeit? Haben wir also überhaupt die Gelegen- ziemlich umfangreiche, anwendungsorientierte heit, uns zu verändern, Dinge zu hinterfragen und Teildisziplin der Psychologie, in der eigentlich jede entsprechend unserer Werte zu handeln? Der vierte Form von Mensch-Umwelt-Interaktionen behandelt genannte Aspekt aus der Studie ist die Verlagerung werden kann – das reicht von Architekturpsycho- von Verantwortung. Denn über Suffizienz wird häufig logie über Mensch-Maschinen-Interaktion. Der als individuelles Verhalten gesprochen, eigentlich ist stärkste Fokus liegt jedoch aktuell auf der Erfor- es aber eine kollektive Aufgabe, die eben von einer schung umweltschützenden Verhaltens. Dabei Gesellschaft und dessen Strukturen ermöglicht und verwenden wir meistens quantitative Methoden, gemeinsam umgesetzt werden muss. schauen uns also eine große Anzahl von Menschen Und klar, die individuelle Perspektive darf nicht weg- an, um generelle Trends erkennen zu können. fallen. Auch hier sehe ich noch großen Forschungs- Josephine Tröger: Was zudem an der Umweltpsy- bedarf zur klareren Definition von Suffizienz und chologie sehr besonders ist und ich sehr schätze, zu den Prädiktoren – also Vorhersagevariablen – für ist die große Interdisziplinarität, also der Einbezug suffizientes Verhalten. und die Nutzung von Ansätzen und Methoden diver- KH: Ich finde es auch sehr sinnvoll, diese Perspektive ser Wissenschaftsdisziplinen. Das ist teilweise sehr kollektiven Handelns stärker zu betonen, besonders herausfordernd, bietet aber auch reichlich Chan- wenn es um Organisationen wie Hochschulen geht. cen. Ein Projekt wie die sozial-ökologische Trans- Durch den Fokus auf individuelles Verhalten wird formation ist nur zu bewerkstelligen, wenn viele leicht die Verantwortung für Konsumentscheidungen Disziplinen zusammenarbeiten und -denken. auf das Individuum abgewälzt. Dabei ist ein suffizien- ter Lebensstil sehr schwer umsetzbar, da er tägliche Für viele Menschen ist Suffizienz die anstrengendste Routinen und langfristige Gewohnheitsänderungen und unbeliebteste Nachhaltigkeitsstrategie. War- erfordert. Verhalten, das man eher der Effizienz- oder um fällt suffizientes Handeln so schwer? Konsistenzstrategie zuordnen würde, z.B. den Wech- sel des Stromanbieters, ist hingegen meist einmalig. JT: Weil unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Strukturen dafür sehr hohe Hürden etabliert haben JT: Aus meiner Sicht ist es wichtig zu betonen, dass und wir in einem System leben, in dem versucht Verzichtsorientierung auch eine Rolle bei der Suffizi- wird, Suffizienz v.a. auf die individuelle Ebene zu enz spielt – Suffizienz heißt weniger. Punkt. Doch da- verlagern. Dazu habe ich mithilfe von Expert*in- bei geht es nicht um erzwungenen Konsumverzicht. nen-Interviews vier zentrale Hürden und Hebel Es geht vielmehr um die Einsicht in die Notwendig- gefunden: Erstens, Narrative. Damit haben die keit der Verhaltensänderung aufgrund moralischer Expert*innen gemeint: Wie besprechen und be- Prinzipien und Gerechtigkeitsüberlegungen. Dass werten wir als Gesellschaft die Regeln in unserem das bei manchen Personen eine ganz entscheidende System, wie z.B. unsere Wirtschaftsverhältnisse, Rolle spielt, lässt sich auch empirisch nachweisen. unsere ökonomischen Leitbilder – und haben wir Was im ersten Moment wie Verzicht wirkt – wie die überhaupt Gegennarrative? Wird dabei von Ver- Einsicht, dass ich zu viele Ressourcen verbrauche und lust bzw. Verlustangst gesprochen oder von einer deswegen nicht mehr fliegen möchte – kann Men- lebenswerten Zukunft? Der zweite große Punkt sind schen langfristig stärken, weil sie sich aus Überzeu- die Belohnungs- und Anerkennungsstrukturen, die gung suffizient verhalten. in unserer Gesellschaft etabliert sind. Das heißt z.B.: Was bedeutet eurer Meinung nach Suffizienz für eine Was bedeutet Erfolg für uns selbst, für Gruppen, für Organisation wie die Hochschule, die sehr stark auf Unternehmen? Hier spielen besonders Wachstum Internationalisierung, Exzellenz und wachsende Stu- und Steigerung eine zentrale Rolle. Drittens wur- dierendenzahlen ausgelegt ist? den Zeitinfrastrukturen genannt. Daran entlang haben sich viele Pfadabhängigkeiten in unserem JT: Internationalisierung sollte nicht gegen Suffizienz Alltag etabliert wie z.B.: Muss ich jeden Tag mit ausgespielt werden; Suffizienz heißt nicht Protekti- 14
onismus oder per se Begrenzung. Ich denke, dass ausprobiert und erlebt werden. Reine Wissensver- Suffizienz ganz elementar damit verbunden ist, mittlung ist nur ein – und oft sogar der kleinere Teil globale Entwicklungen und Zusammenhänge zu – der den Weg ins tatsächliche Verhalten zeigt. betrachten. Aber natürlich sehe ich den Konflikt an- KH: Dabei stellt sich auch die Frage, ob nicht die gesichts steigender Emissionen, etwa durch globale intrinsische Motivation und das Eigeninteresse der Mobilität. Allerdings hat uns die Corona-Pandemie Studierenden gestärkt werden sollten, oder ob es die Möglichkeiten der Digitalisierung gezeigt: Der nach wie vor bei hochfrequentierter Benotung bleibt, Wegfall der ein oder anderen Reise zur nächsten die sie extrinsisch motivieren. Konferenz hat nicht nur Stress, sondern auch CO2 gespart und digitale Vorträge sind plötzlich weltum- Wie können studentische Initiativen andere Men- spannend möglich. schen an ihrer Hochschule von Suffizienz überzeugen? Für Exzellenz gilt Ähnliches. Das heißt zunächst, Profile zu schärfen und gute Forschung zu betrei- KH: Erstmal braucht es wirklich die Vision einer ben. Ich sehe aber die Schwierigkeit, dass hier ein suffizienten Hochschule, die am besten gemeinsam Konkurrenz- und Effizienzdruck in den Hochschu- mit Studierenden und Mitarbeitenden erarbeitet wird len entsteht, der dem Suffizienzgedanken wider- – also nicht nur Top-down, sondern auch sehr viel spricht. Dennoch kann die Hochschule ja auch nach Bottom-up. Initiativen würde ich raten, ihre Zielgrup- qualitativen Kriterien agieren und nach außen auf- pe im Kopf zu haben, da der Anteil von Menschen, treten. Letztlich ist es eine Haltung, die auch eine die sich wirklich suffizient verhalten, ziemlich klein Organisation vertreten kann, wenn sie es denn will. ist. Deswegen könnte es sich lohnen, sich erstmal auf KH: Hier finde ich die Frage spannend, was wir Menschen zu konzentrieren, die bereits ein Interesse eigentlich unter Exzellenz verstehen. Darunter mitbringen, anstatt zu versuchen, direkt alle über- könnte auch die Frage fallen, was für Studieren- zeugen zu wollen. Außerdem sollte der Fokus auf der de und Mitarbeitende ein gutes Leben auf dem Gruppe liegen, also nicht nur die Verantwortung des Campus eigentlich ausmacht, was essentiell und Individuums betont werden, sondern vielmehr » wir was eigentlich überflüssig ist. Das wäre natürlich schaffen das zusammen, wir schaffen das als Hoch- eine Herangehensweise, die den Status Quo nicht schule «, weil die Hochschule eben auch eine ziem- einfach akzeptiert, sondern die dazu führt, dass wir lich bedeutsame Gruppe für Studierende ist. Auch überhaupt über Suffizienz nachdenken können. Aktionen in Form von Suffizienz-Challenges könnte ich mir gut vorstellen. JT: Auch bei wachsenden Studierendenzahlen sehe ich jetzt nicht direkt einen Konflikt mit der Suffizi- JT: Ergänzend dazu halte ich es für wichtig, dass enz, weil das Studium ja Bildung und Ausbildung auch die Initiativen Suffizienz in ihren Strukturen, zur Befähigung wissenschaftlichen Denkens sein in ihren Einstellungen authentisch verkörpern und soll. Insofern kann das auch einen sehr positiven eine Kultur des » Weniger « vorleben. Ich glaube, in Effekt haben, weil in den Hochschulen Menschen diesem neuen Narrativ der Entschleunigung und sind, die sich für die Zukunft unserer Welt interes- Genügsamkeit liegt auch ein großer Unterschied zu sieren und sich dafür auch einsetzen. » klassischem « Umweltschutzverhalten, das eher auf Effizienz ausgerichtet und noch stärker in die Debat- KH: An dieser Stelle möchte ich gerne eine provo- te um die Begrenzung des Klimawandels mit tech- kante These aufstellen: Aktuell konsumieren sich nologischen Mitteln eingebettet ist. Und ich halte es Hochschulen und Studierende gegenseitig. Zum in diesem Prozess für extrem wichtig, mit anderen einen ist die Lehre wenig partizipativ, meistens neh- Hochschulmitgliedern über Suffizienz zu sprechen men Studierende Informationen aus Vorlesungen und auch gegensätzliche Positionen zu verhandeln. nur passiv auf. Gleichzeitig sehen wir den Effekt, dass auch die Hochschulen ihre Studierenden konsumieren, was sich besonders darin ausdrückt, dass meist nur die Zahl der Studienanfänger*innen Karen Hamann Bedeutung hat, weniger die Zahl der Absolvent*in- promoviert an der Universität Koblenz- nen. Vielleicht wäre ein Weg zu einer suffizienten Landau zum Thema › Psychologisches Hochschule, weniger, aber dafür intensivere Lehr- Empowerment im Umweltschutz ‹, ist veranstaltungen anzubieten, verbunden mit einer Stipendiatin der Deutschen Bundesstiftung stärkeren Eigenverantwortung der Studierenden. Umwelt und bringt mit dem Verein Wandelwerk e.V. das Wissen der Psychologie in den aktiven Umweltschutz. Auch die studentische Partizipation könnte noch (Foto: Claudia Menzel) sehr viel stärker gefördert werden – hier halte ich es für sinnvoll, nicht genügsam zu sein, sondern Josephine Tröger Mitgestaltungsrechte einzufordern. promoviert an der Universität Koblenz- JT: Hier wünsche ich mir auch noch mehr Freiraum Landau zu Suffizienzorientierung, enga- in Lehrveranstaltungen, damit Studierende ihre giert sich bei den Scientists for Future und Potentiale kreativ ausleben und praktische Projekte hat den S4F-Podcast mit ins Leben gerufen (www.s4f-podcast.de). umsetzen können. Suffizienz muss schließlich auch 15
Virtueller Lehr- und Erlebnispfad KARN Illustr. Foto: Patrick Mueller ■ Unsplash Im Rahmen des Umweltprojekts » Grüner Aal « der UN-De- kade Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein virtueller Naturpfad entlang der vier Gewässerverläufe um Aalen ent- standen. Seitdem kooperiert die Hochschule Aalen mit Or- ganisationen rund um Aalen, um an diesem Weg Projekte zu realisieren. Bisherige Erfolge: Hochschulbereich Aalener Schulen haben Patenschaften von ein- Lehre zelnen Wegabschnitten übernommen. Nachhal- Forschung tigkeit ist durch den Pfad direkt zu erfahren und Betrieb Aalen unmittelbar zu genießen. Letzteres gelingt durch die in das Projekt eingebundenen Museen Governance und Erlebnisbereiche wie z.B. Spielplätze. Transfer Besteht seit: Initiiert von 2010 Studierenden Lehrenden / Forschenden Hochschule & Verwaltungsmitarbeitenden Kooperationspartner*innen: Hochschulleitung Hochschule Aalen, Stadt Aalen und Bildungsträger der Stadt Aalen Lokale Agenda 21 Kontaktdaten für Interessierte: Prof. Dr. Ulrich Holzbaur ulrich.holzbaur@hs-aalen.de 16
Entschleunigung KONTEXT und barrierefrei gestaltet sein. Studierende haben bereits die erste KARN-Tafel entworfen, die an der Hochschule aufgestellt wird. Der virtuelle Lehr- und Erlebnispfad KARN (Ko- Die Grundstruktur und der Name orientieren sich cher-Aal-Rombach-Nachhaltigkeitsweg) ist ein dabei an den Gewässern Kocher, Aal und Rombach. gemeinsames Projekt der Hochschule Aalen, der Aufgrund der geologischen Besonderheiten der Aa- Lokalen Agenda 21 Aalen und der Stadt Aalen. Er lener Bucht bilden sie fast ein Rechteck. In diesem entstand aus dem Wunsch, den Bürger*innen inter- fließt der Rombach mit seinen Nebenbächen von aktiv und raumbezogen in Landschaft und Stadt das der Quelle zunächst nach Süden, als Aal nach Osten Thema Nachhaltigkeit nahezubringen. Überdies und in Aalen mündet er in den nordwärts fließen- soll der Pfad durch die Interaktion und den persön- den Kocher, der nach Westen in Richtung Rhein lichen Bezug auch Verhaltensänderungen bewirken. abbiegt. Im Laufe der Zeit sind Ideen aus vielfältigen Projek- ten eingeflossen. KARN besteht aus Teilwegen zu Themen der nach- ZIELE haltigen Entwicklung in und um die Stadt Aalen. Vermittlung von BNE Diese lassen sich zu einem Rundweg zusammenstel- Interaktion und Motivation durch Beteiligung len. Die Informationsvermittlung geschieht primär und eigene Beiträge durch Social Media (Facebook), soll aber durch Herstellen eines persönlichen Bezugs zum The- Apps, Flyer und Webseiten ergänzt werden. Entlang ma und von Betroffenheit des Pfads sollen kleine Schilder mit QR-Codes auf Integration von Aktions- und Erlebnisorientie- den Pfad und seine Verlinkungen aufmerksam rung mit raumbezogenen Komponenten machen. Die Besucher*innen können auf Facebook Integration von BNE und Social Media auch selbst Inhalte, Bilder und Erlebnisberichte Einbindung von Studierenden in Konzeption einstellen (User-generated content, Web 2.0). Da- und Umsetzung mit werden die Besucher*innen zu Beitragenden, Ansprache und Einbindung von Jugendlichen die Wanderer zu Redakteur*innen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Besucher*innen BEZUG ZU SUFFIZIENZ umfangreichere Informationen vor Ort wünschen. ... Verhaltensänderungen durch Motivation und Auf- KARN wurde deshalb um einige Tafeln ergänzt, die zeigen von Konsequenzen: Das können direkt sicht- auf den Weg und lokale Highlights hinweisen. bare Veränderungen sein, die von Besucher*innen Der Pfad greift Themen wie Stadtentwicklung, Wirt- dokumentiert und in die KARN-Medien eingegeben schaft und Industrie, Rohstoffe und Geologie, Bio- werden (z.B. Fotos auf Facebook) oder komplexere diversität, Integration und Inklusion, Ernährung, Zusammenhänge, die das Redaktionsteam oder die Wasser, Energie etc. auf und vernetzt diese mit der Studierenden einpflegen. Region und untereinander. ... direkte Verhaltensänderungen durch Aufzeigen Die Konzeption des Pfads integriert Aktions- und von Alternativen im Rahmen der KARN-Informati- Erlebnisorientierung mit raumbezogenen Kompo- onen zu Müll, Naturschutz, Einkaufsverhalten und nenten. Zudem werden Bildung für nachhaltige Ent- dem Umgang miteinander. wicklung und Social Media verknüpft und inhaltli- ... Verhaltensänderungen und Wertewandel hin zu che Elemente der Geologie, Geschichte, Wirtschaft einer nachhaltigen Entwicklung, indem ein Ver- und Ökologie ebenso aufgegriffen wie gesellschaftli- ständnis für globale Zusammenhänge anhand lo- che Fragestellungen, Aspekte der Stadtentwicklung kaler Bezüge vermittelt wird: z.B. Klima, Wetter und und des Grünflächen- und Klimaschutzkonzepts der Hochwasser; Ressourcen und Geologie; Flüchtlinge Stadt Aalen. KARN bezieht das lokale Umfeld der und Wohnsitzlose und globale Krisen; Wirtschaft Bürger*innen und moderne technische Entwicklun- und Energie; Stadtentwicklung; Natur und Grünflä- gen ein, um globale Zusammenhänge zu vermitteln chen uvm. und insbesondere Jugendliche zur Mitgestaltung zu ... Veränderungen des Konsumverhaltens im Be- aktivieren. reich der Mobilität, da die Leute zum Bewandern Die Komponenten von KARN wurden in studenti- des Pfads und weiterer Routen (Panoramaweg, schen Projekten der Hochschule Aalen mit Unter- Lehrpfade) motiviert werden. stützung des Grünflächen- und Umweltamtes der Stadt erstellt. Neben Inhalten und Konzepten haben Studierende konkrete Implementierungen in Form AUFBAU UND INHALT von Flyern und Facebook-Seiten sowie im Gelände Akteur*innen der Hochschule und der Lokalen vorgenommen. Sie wirken als Redakteur*innen Agenda 21 (Projektgruppe BNE / Grüner Aal) sam- der KARN-Facebook-Seite mit. KARN selbst soll meln Ideen. Daraus entstehen Themen für studenti- im Internet und in der Realität möglichst partizi- sche Projekte, die von den Projektteams in Ziele und pativ, generationsübergreifend, umweltschonend konkrete Aktionen umgesetzt werden. 17
Die Schwerpunkte der studentischen Projekte vari- erkannt. Das ermöglicht, den Pfad und das Konzept ieren jedes Semester. Beispiele für Projektschwer- auf die Region Ostwürttemberg zu erweitern (Rems, punkte sind: Jagst, Brenz). inhaltliche Themen wie z.B. Ressourcen, Wasser Die Lokale Agenda 21 trägt mit den Projektgruppen und Politik Grüner Aal und Weststadt zur Entwicklung von Themen über den Pfad wie z.B. Barrierefreiheit KARN bei. Einige der beteiligten Schulen der erstge- und Erlebnisorientierung nannten Projektgruppe liegen am KARN-Weg und technische Themen wie z.B. GPS und QRC integrieren u.a. diesen in ihr Lehrkonzept. räumliche Themen wie z.B. Innenstadt, Quartier, Bachabschnitt und Biotop aktionsorientierte Themen wie z.B. KARN-Wan- STUDENTISCHE PARTIZIPATION derung, Umfrage und Schilder In fast jedem Semester sind Studierende über lehrveranstaltungsbegleitende Projekte eingebun- ERGEBNISSE den (siehe oben). Die Teams bekommen eine grobe Aufgabe und können Inhalt, thematische Schwer- Der KARN-Weg existiert vor allem als virtueller punkte und operative Ziele selbst bestimmen. Die Pfad im Rahmen einer Facebook-Seite. Diese hat studentischen Projekte haben zum Konzept, zu inzwischen über 220 Likes bzw. Follower. Über zehn einzelnen Punkten und zur Facebook-Seite (als Ad- Teams führten die Seite weiter. Bei engagierten ministrator*innen / Redakteur*innen) einen Beitrag Teams fungierten die Projektleiter*innen gleich- geleistet. zeitig als Administrator*innen. Diese Teams haben auch den Pfad weiterentwickelt und spezielle The- Neben den Studierenden sollen auch Schüler*innen men (Ökologie, Wasserkraft, Unternehmen in der über studentische Projekte in das Projekt KARN Aalener Geschichte, Nutzungskonflikte etc.) vertieft. eingebunden werden. Weitere Gruppen haben Erweiterungen aus dem Rechteck Rombach-Aal-Kocher heraus in Rich- tung des Ursprungs des Kochers vorgenommen. Außerdem wurden weitere Gewässer und lineare UMSETZUNG Strukturen (historische Bahntrasse) betrachtet. 2010: Konzeption virtueller Pfad Es gab Gruppen, die den Schritt vom Virtuellen 2012: Einbindung der Schulen im Grünen Aal zum Reellen gemacht haben. Circa 60 Studierende 2013: Start Facebook-Seite, kontinuierlicher beteiligten sich bislang direkt am Projekt, ungefähr Aufbau 800 wurden durch Semesterpräsentationen oder 2014: Anerkennung als Beitrag zu UN-Dekade kooperative Projekte erreicht. BNE Der KARN-Weg sensibilisiert und stellt Bezüge zur 2016: Ausbau der virtuellen Pfade auf Facebook Lebensrealität der Bürger*innen her. Dadurch wan- 2018: Durchführung Befragung – Teilnehmer*in- delt sich z.B. das Konsum- und Tourismusverhalten. nen wünschen sich auch eine physische Präsenz Der Pfad vermittelt direkt auf der Strecke und durch 2019: Konzeption Beschilderung für 2020 (Verzö- Fotos Ansätze des Gelingens. Der Weg soll weiter- gerung durch Corona) hin eine touristische Bereicherung sein sowie zur 2021: große Tafel und QRC-Schild an der Hoch- Naherholung einladen. Letztlich dient er auch der schule Vernetzung der beteiligten Schulen und Bildungs- 2022: Hinweistafeln an markanten Punkten, träger. Die Schulen sind dabei direkte Anlieger des QRC-Codes an allen Stellen KARN-Wegs, Beteiligte an Biotopen oder anderen Objekten, Beitragende zur Weiterentwicklung, zur ERFOLGSFAKTOREN Integration von KARN in den Grünen Aal oder allge- Methoden PPM und ESPRESSO mein zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Kooperation mit den Agenda-Gruppen Weststadt und Grüner Aal VERSTETIGUNG Kooperation mit Schulen, Stadtverwaltung und Museen Durch die Projektmethoden PPM (Prepared Project Method) und ESPRESSO (Sustainability Projects) sind die studentischen Projekte fest in die Lehre HERAUSFORDERUNGEN der Hochschule integriert. KARN sowie die Themen Herausfordernd waren die Prozesse bei der Stadt Regionalität und Suffizienz spielen im Rahmen des und die Zuständigkeiten bei der Aufstellung von Projektportfolios in jedem Semester eine Rolle. Informationstafeln im öffentlichen Raum. Das lokale Bildungsnetzwerk Nachhaltigkeit Solange der KARN-Weg rein virtuell bleibt, müssen Ostwürttemberg (BN²OW) wurde durch die United keine rechtlichen Schritte berücksichtigt werden. Nations University zur Bildung für eine nachhaltige Zu beachten ist natürlich, dass Besucher*innen Entwicklung als Regionales Kompetenzzentrum an- nicht in riskante oder gesperrte Gebiete geleitet wer- 18
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