TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München

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TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München
TUMcampus
Das Magazin der Technischen Universität München   4 | 2015

25 Millionen                                          Experimente im All           | S. 12
für MS-Forschung |                  S. 17             50 Jahre Physik-Department   | S. 22
TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München
Impressum                                                                                                                                                                                                                                                                                         Editorial

                                                                                                                                                                          An die Neuen: Nemo nascitur artifex.
                                                                     TUMcampus
                                                                     Das Magazin der Technischen Universität München   4 | 2015

                                                                                                                                                                          Ja, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Selbst
                                                                                                                                                                          Mozart, das »unverdiente Geschenk an die Menschheit« (Hil-
                                                                                                                                                                          desheimer), musste beständig üben und lernen, zu Hause
                                                                                                                                                                          und auf den vielen Auslandsreisen. Wenn also unsere Neu-
                                                                                                                                                                          en, an die ich dieses Zeilen richte, heute ihr Studium an der
                                                                                                                                                                          Technischen Universität München beginnen, so werden sie
    TUMcampus                                                                                                                                                             sich auf hohe Ansprüche (zuallererst an sich selbst) und harte
    Das Magazin der TU München für Studierende, Mitarbeiter,                                                                                                              Arbeit einstellen. Am Ende soll ein akademischer Abschluss
    Freunde, erscheint im Selbstverlag viermal pro Jahr.                                                                                                                  der wertbesetzten »Marke TUM« stehen, der für das Berufs-
    Auflage 9 000                                                                                                                                                         leben ertüchtigt hat.

                                                                                                                                                                                                                                           © Fabian Hauner
    Herausgeber                                                                                                                                                           Nun könnte man viele Vorbilder herzählen, die Ihnen in der
                                                                     25 Millionen
    Der Präsident der TU München
                                                                                                                           Experimente im All           | S. 12
                                                                                                                                                                          bald 150-jährigen Geschichte unserer Universität voraus-

                                                                                                                                                                  © SSC
                                                                     für MS-Forschung |                  S. 17             50 Jahre Physik-Department   | S. 22

                                                                                                                                                                          geeilt sind. Rudolf Diesel etwa, dessen Verbrennungsmotor        TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Herrmann und neue »TUMlinge« nach dem
    Redaktion                                                                                                                                                             immer noch funktioniert und auf den Land- und Wasserwe-          Bieranstich zur Immatrikulationsfeier 2014.

    Dr. Ulrich Marsch (verantwortlich)                                                                                                                                    gen rund um den Globus unterwegs ist. Oder die prominente
    Dipl.-Biol., Dipl.-Journ. Sibylle Kettembeil                  Ein Ballon mit technischen Experimenten an Bord wird vor                                                Reihe unserer Nobelpreisträger. Aber auch die vielen Ehema-      Studentengemeinschaft aus. Die TUM hat Platz für die Viel-
    Gabi Sterflinger, M.A.                                        seinem Flug in die Stratosphäre startklar gemacht. An den                                               ligen, die unser Land in der Wirtschaft und im öffentlichen      falt der Talente, und sie fördert diese Vielfalt, vom musischen
    TU München, Corporate Communications Center                   Versuchen sind auch TUM-Studenten beteiligt. Sie konnten                                                Leben gestaltet haben. Alles im Leben fängt klein an, und alle   über das sportliche bis zum unternehmerischen Talent.
    80290 München                                                 im Rahmen eines DLR-Projekts nach dem Vorbild großer                                                    stehen wir auf den Schultern unserer Vorfahren – weshalb
    Telefon (089) 289 - 22766                                     Raumfahrtmissionen und mit technischer und logistischer                                                 man erwarten kann, dass unser Blick weiter und heller ist.       Unsere Ausbildungs- und Forschungsformate haben wir
    redaktion@zv.tum.de                                           Unterstützung von Raketen-, Ballon- und Raumfahrtex-                                                    Das möge nun für unsere über 12 000 Erstsemester gelten,         insbesondere in den Exzellenzinitiativen 2006 und 2012
    www.tum.de/tumcampus                                          perten eigene Experimente durchführen. Ein studentisches                                                für deren forschungsgeleitete Ausbildung wir uns als Hoch-       modernisiert und erheblich erweitert. Vielfach wachsen die
                                                                  Team erprobte einen neuartigen Teilchendetektor, der in                                                 schulgemeinschaft kräftig anstrengen.                            klassischen Fachdisziplinen zusammen, beschleunigt durch
    Layout                                                        Zukunft an Bord von Satelliten den Fluss von Antimate-                                                                                                                   die Technologien der Digitalisierung. Also sollen Sie als künf-
    Christine Sturz/TUM                                           rie-Teilchen in den Strahlungsgürteln der Erde vermessen                                                Als neue »TUMlinge« haben Sie die Studienadresse gut             tige Leistungsträger und Führungskräfte fachlich sattelfest
                                                                  soll. Bei einer zweiten Gruppe ging es darum zu testen,                                                 gewählt. Erneut listet uns das internationale Shanghai-Ran-      sein, aber auch interdisziplinär zu denken gelernt haben, und
    Herstellung/Druck                                             ob ein neuartiger Mechanismus zum Entfalten von Solar-                                                  king (ARWU) im deutschen Spitzentrio, in der Chemie gehö-        Sie sollen international ticken. Lassen Sie sich von der Dyna-
    Joh. Walch GmbH & Co, 86179 Augsburg                          paneelen aus einer neuartigen Formgedächtnislegierung                                                   ren wir zu den TOP-15 weltweit. Gleichzeitig sieht uns das       mik anstecken, die unsere Universität ausstrahlt, und leisten
    Gedruckt auf chlorfreiem Papier                               sich für Nanosatelliten eignet. Neben dem »Flugticket« für                                              »Global Employability Ranking« im Weltvergleich aktuell          Sie dazu auch Ihre eigenen Beiträge!
                                                                  einen Ballon oder eine Rakete gehörten auch die Reisen                                                  auf Platz 8, weil wir unsere Absolventen passgenau für die
    © TU München. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch        zum Start im schwedischen Kiruna zu der Förderung.                                                      Berufsmärkte der Zukunft ausbilden. Tief in der Forschung,       Was auf Anhieb nicht klappt, hat immer eine zweite Chance
    auszugsweise, nur in Abstimmung mit der Redaktion.            Lesen Sie mehr dazu ab Seite 12 f.                                                                      breit in der Ausbildung: diese Leistungselemente passen          verdient, denn: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
    Gezeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wie-                                                                                                               also an der TUM perfekt aufeinander! Diese Qualität hat sich     Ich wünsche unseren jungen, neuen Hochschulmitgliedern
    der. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bildmateri-                                                                                                           herumgesprochen, und so versteht man, warum mittlerweile         den Mut und die Zuversicht als Begleiter auf dem Weg durch
    al wird keine Gewähr übernommen.                                                                                                                                      jeder fünfte TUM-Studierende aus dem Ausland kommt.              das Studium. Ich wünsche Ihnen aber auch viele neue, erhal-
                                                                                                                                                                                                                                           tenswerte Freundschaften. Und ich freue mich, möglichst vie-
    Zum Sprachgebrauch                                                                                                                                                    Als Studierende tragen Sie zum guten Ruf Ihrer Universität       le unserer Neuen persönlich kennenzulernen, im Studium, in
    Nach Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes sind Frauen und                                                                                                               mehr bei, als Sie denken: Unvoreingenommen kluge Fragen          der studentischen Arbeit oder bei der Musik.
    Männer gleichberechtigt. Alle Personen- und Funktionsbe-                                                                                                              zu stellen, den Unterrichtsbetrieb engagiert und kritisch mit-
    zeichnungen im Magazin TUMcampus beziehen sich in glei-                                                                                                               zugestalten, eigene Lösungsansätze beizutragen, mit ande-        Ihr
    cher Weise auf Frauen und Männer.                                                                                                                                     ren im Team zu arbeiten, Talente jenseits des Studienalltags
                                                                                                                                                                          zu entwickeln und das studentische Leben mit den ureige-
    Redaktionsschluss für Heft 1|16: 30. November 2015                                                                                                                    nen Fähigkeiten zu bereichern – das macht eine lebendige
                                                                                                                                                                                                                                           Wolfgang A. Herrmann
                                                                                                                                                                                                                                           Präsident

2     TUMcampus 4|15                                                                                                                                                                                                                                                                         TUMcampus 4|15        3
TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München
Inhalt                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Inhalt

                                                                                           © Astrid Eckert
                                                                                 14                                                                                         17                                                                                          33                                                                                         39

    Editorial                                                                              50 Jahre Spitzenforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             22   Globale Probleme gemeinsam angehen. . . . . . . . . . . . . . 42                             Kurz und knapp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
    An die Neuen: Nemo nascitur artifex. . . . . . . . . . . . . . . . 3                   Das Physik-Department feiert Jubiläum                                                     Spiele aus Ostasien am Sprachenzentrum. . . . . . . . . . . . 43
                                                                                           Die TUM-Physik – eine Erfolgsgeschichte . . . . . . . . . . . .                      25                                                                                                Geburtstag
                                                                                           Spitzenbesetzung des Hochschulrats verstetigt. . . . . . . .                         26   Campus                                                                                       Wolfgang Wild. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
    Forschen                                                                               Angela Molitoris Diversity Award. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              28
                                                                                           Thomas Hofmann als Vizepräsident wiedergewählt. . . . .                              29   TUM-Adventsmatinee backstage. . . . . . . . . . . . . . . . . . .                       44   Auszeichnungen
    Internationale Fahndung nach unbekannten Molekülen. . . 6                              Hochschulwahlen 2015. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            29   Musikerambulanz am Rechts der Isar eröffnet. . . . . . . . .                            46   Preise und Ehrungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
    Neurologie für Afrika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7     Mehr als nur Bier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     30   E-Motorrad »T0RR«: Der Motor läuft rückwärts. . . . . . . .                             47
    Intakte Moore gegen den Klimawandel. . . . . . . . . . . . . . . . 8                   150 Jahre Studienfakultät                                                                 TEDxTUM – Plattform für Forschung und Ideen. . . . . . . .                              48   in memoriam
                                                                                                                                                                                                                                                                                  Helmut Gebhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      63
                                                                                                                                                                                     Neu auf dem Büchermarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49                   Gerd Hauser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   63
    Lernen und Lehren                                                                      Wissenschaft und Wirtschaft                                                                                                                                                            Hermann Linde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     64
                                                                                                                                                                                     Für Sie notiert                                                                              Sigrid Weggemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        64
    Erfolgreiches System: Bachelor/Master . . . . . . . . . . . . . . . 9                  Bundeskanzlerin vom Gründergeist der TUM                                                  Lehrstuhl für Allgemeinmedizin gesichert. . . . . . . . . . . . . 49
    Was ist eigentlich Games Engineering? . . . . . . . . . . . . . . 10                   beeindruckt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   31   Technical University of Munich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49                   Personalien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
    TUM stark in der EliteAkademie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11              Ruckzuck von der Limousine zum Lkw. . . . . . . . . . . . . . .                      33
    TUM-Praxistag der Bayerischen Bauindustrie . . . . . . . . . 11                        Von der Ausbildung zur Ausgründung und                                                                                                                                                 Spiel mit Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
    Experimente im All. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12     zurück: Celonis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     34   Menschen
                                                                                           Fit for TUMorrow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      35
                                                                                           Zu Besuch auf dem Campus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                35   Neu berufen                                                                                  Service
    Politik                                                                                »...dann wird eine tolle Sache daraus«. . . . . . . . . . . . . . .                  36   Steffen Marburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        50
                                                                                           Fünf Jahre TUM Universitätsstiftung                                                       Jörg Ott. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   50   Impressum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
    Standpunkt                                                                             Made by TUM, Folge 21. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             38   Elisabeth Ullmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .          50   Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
    Mit Weitsicht und Mut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14        Neurobiologisch inspirierte Navigationshilfe für Blinde                                   Wilko Weichert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       51   Ausblicke auf TUMcampus 1|16. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
                                                                                                                                                                                     Andreas Weiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        51
    Erneut Spitzenplätze in internationalen Rankings. . . . . . .                     16                                                                                             Xiaoxiang Zhu. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        51
    25 Millionen Euro für Multiple-Sklerose-Forschung . . . . .                       17   Global
    Nur der Wandel hat Bestand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .           18                                                                                             Portraits aus der TUM-Familie
    Zentrum Digitalisierung.Bayern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .           19   »Vielseitig wie Indien«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39         Nora Pohle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
    Zentrum für Protein-Forschung gegründet. . . . . . . . . . . .                    20   TUM-Auslandsbüro Mumbai                                                                   Majid Zamani. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
    Grundsteinlegung für das »Zentrum für Energie                                          EU-Projekt CREMLIN gestartet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
    und Information«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   21   Brillante Zukunft für Neutronenforschung. . . . . . . . . . . . . 41                      »Es gibt keinen Stillstand«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
                                                                                                                                                                                     Interview mit der Forscherin Lara Kuntz

4       TUMcampus 4|15                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             TUMcampus 4|15            5
TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München
Forschen                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Forschen

    Internationale Fahndung nach unbekannten Molekülen                                                                                                                                  Neurologie für Afrika

    Schadstoffe versickern im Boden, Reinigungsmittel lan-                                                        Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft der TUM. »Dabei ist           Neurozystizerkose ist eine infektiöse neurologische
    den im Ausguss: Ständig gelangen Chemikalien in den                                                           die technologische Voraussetzung dazu mittlerweile oft auch           Erkrankung, die von Bandwürmern hervorgerufen wird.
    Wasserkreislauf; hinzu kommen Stoffe aus der Natur. Was-                                                      in nicht-spezialisierten Analyselaboratorien gegeben. Aller-          Ihr widmet sich ein gemeinsames Projekt der Klinik für
    serproben enthalten bis zu einigen Tausend verschiedene                                                       dings fehlt es hier bisher meist an strategischen Lösungen zur        Neurologie und des Instituts für Medizinische Mikrobiolo-
    organische Moleküle. Doch was genau? Sind die Substan-                                                        Datenauswertung.«                                                     gie, Immunologie und Hygiene des TUM-Klinikums rechts
    zen harmlos oder gefährlich? Für solche Analysen stehen                                                                                                                             der Isar sowie afrikanischer Partnereinrichtungen.
    heute mehr als 8 000 Molekül-Profile in einer öffentlichen                                                    Um dieses Problem zu lösen, entwickelten Wasserspezialis-
    Datenbank zur Verfügung. Diese vorsorgende Wasserana-                                                         ten des Bayerischen Landesamts für Umwelt, der Hochschule             Das Projekt »CYSTINET-Africa«, vom BMBF mit rund sieben
    lytik wird nun in dem Projekt »FOR-IDENT« international                                                       Weihenstephan-Triesdorf, des Zweckverbands Landeswas-                 Millionen Euro gefördert, beschäftigt sich mit der Bekämp-
    ausgeweitet – TUM-Wissenschaftler sind daran beteiligt.                                                       serversorgung und der TUM zunächst die Datenbank »STOFF-              fung der (Neuro)Zystizerkose in Tansania, Mosambik und
                                                                                                                  IDENT«. Sie entstand im Rahmen des vom BMBF geförderten,              Sambia. Es besticht durch seine ausgeprägte Interdisziplina-
    Bislang waren unbekannte Moleküle im Wasser nur schlecht                                                      inzwischen abgeschlossenen Projekts »RISK-IDENT« und ent-             rität: Die beiden federführenden Ärztinnen aus dem Klinikum

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           © Andrea Winkler
    identifizierbar. Doch eine vorsorgende Analytik ist gerade bei                                                hält derzeit mehr als 8 000 Substanzen mit ihren wichtigsten          rechts der Isar vertreten die Fachrichtungen Neurologie –
    der Prüfung von Oberflächengewässern wichtig, aus denen oft                                                   physikalisch-chemischen Eigenschaften.                                PD Dr. Dr. Andrea Winkler – und Mikrobiologie/Parasitolo-
    das Trinkwasser stammt. Chemische Analysen zeigen: Was-                                                                                                                             gie – PD Dr. Clarissa Prazeres da Costa. Dazu sind weitere
    serproben enthalten häufig Tausende verschiedener Moleküle,                                                   Mithilfe dieser Daten können Analyselabors ihnen noch unbe-           Humanmediziner, aber auch Epidemiologen, Immunologen,
    neben Stoffen aus der Umwelt etwa Haushalts- und Indust-                                                      kannte Moleküle schneller identifizieren: Über das »Non-Tar-          Tierärzte, Biologen, Anthropologen und IT-Spezialisten einge-
    riechemikalien, Pflanzenschutzmittel und Medikamente. Auch                                                    get Screening« ermitteln sie »molekulare Fingerabdrücke«. Der         bunden. Zum Konzept gehört eine internationale Ausrichtung:
    Anzahl und Zusammensetzung dieser Moleküle unterscheidet                                                      Vergleich mit den in der Datenbank hinterlegten Eigenschaften         Die beteiligten Experten stammen nicht nur aus Deutschland,
    sich von Land zu Land – je nachdem, welche Pflanzen dort                                                      erlaubt nun auch beim Non-Target-Screening, viele der bisher          sondern auch aus den Partnerländern: Mosambik, Sambia
    wachsen oder welche Medikamente und Pflanzenschutzmittel                                                      unbekannten Moleküle zu bestimmen.                                    und Tansania. Darüber hinaus unterstützt ein multinational
    zugelassen sind.                                                                                                                                                                    zusammengesetztes Advisory-Board zusammen mit der
                                                                                                                  Als Nachfolgeprojekt fördert das BMBF bis 2017 »FOR-                  Weltgesundheitsorganisation das Projekt.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      © Chummy S. Sikasunge
    »In Routineanalysen lassen sich von diesen tausenden Mole-                                                    IDENT«, das die Datenbank um die jeweils vor Ort zugelas-
    külen derzeit maximal ein paar Hundert identifizieren – und                                                   senen und verwendeten Chemikalien erweitern soll. Zudem               Die Partner tragen Bausteine rund um die Erforschung und
    das oft auch nur in spezialisierten Labors«, erläutert Prof. Tho-                                             werden die Wissenschaftler die international eingesetzten             Behandlung der (Neuro)Zystizerkose zusammen und erarbei-
    mas Letzel, Leiter der Analytischen Forschungsgruppe am                                                       Auswertestrategien harmonisieren. Eingebunden werden sol-             ten gemeinsam neue Behandlungskonzepte unter Berück-
                                                                                                                  len auch Hersteller von Analysegeräten sowie Laboratorien. So         sichtigung des Erkrankungsverlaufs. Sie wollen die lokale
                                                                                                                  wird eine offene Softwareplattform entstehen, in der sich die         Infrastruktur erweitern bzw. erneuern, Patienten eine adäqua-       oben: Andrea Winkler untersucht im ländlichen Tansania ein Kind, das an
                                                                                                                                                                                                                                                            Epilepsie leidet – ein bedeutendes klinisches Charakteristikum der Neu-
                                                                                                                  verschiedenen Auswertestrategien kombinieren oder verlin-             te Therapie zugänglich machen und die Ausbildung oder Pro-          rozystizerkose.
                                                                                                                  ken lassen. Das Open-Access-Vorgehen stellt sicher, dass die          motion junger Akademiker fördern.                                   unten: Aus infiziertem Schweinefleisch isolierte Larven des Schweineband-
                                                                                                                  Auswertetools oder Datenbanken langfristig für Unternehmen,                                                                               wurms. Die Zysten enthalten den Kopf (weiße Flecken) des Parasiten. Setzen
                                                                                                                                                                                                                                                            sie sich im menschlichen Gehirn fest, hat das schwere Schäden zur Folge –
                                                                                                                  Behörden und Wissenschaft kostenlos und uneingeschränkt               Die Forschergruppe denkt nicht nur interdisziplinär und             die Neurozystizerkose.
                                                                                                                  nutzbar sind.                                                         international, sondern überwindet auch in anderer Hinsicht
                                                                                                                                                                                        Grenzen: Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf Zoonosen, von         auftreten, in vivo sowohl beim Menschen als auch beim Tier
                                                                             © Analytische Forschungsgruppe/TUM

                                                                                                                  Generell stehen die Daten auch für spätere Auswertungen               Tieren übertragenen Erkrankungen. Daher ist eine der Arbeits-       aufzuklären. Aus solchen Erkenntnissen ließen sich neue
                                                                                                                  zur Verfügung. Das hat viele Vorteile: Wird etwa die Daten-           grundlagen das »One Health«-Konzept mit Augenmerk auf               immunologische Modelle erstellen, um neurologisch relevan-
                                                                                                                  bank weiter befüllt oder werden neue Auswertestrategien ent-          die Gesundheit von Mensch und Tier gleichermaßen. Wissen            te Fragen mittels Grundlagenforschung effizienter anzugehen.
                                                                                                                  wickelt, so muss man die Proben nicht erneut untersuchen.             hierzu wird über eine virtuelle Plattform gebündelt, über die       Darüber hinaus sollen Grundlagen für die wirksame Behand-
                                                                                                                  Labors, Behörden und Wasserwirtschaftsbetriebe müssen nur             auch Studierende in geografisch entlegenen Winkeln super-           lung der Patienten geschaffen werden – neue diagnostische
                                                                                                                  noch die Messdaten einlagern, nicht mehr die Proben selbst.           vidiert werden können – ein hoch innovativer Ansatz.                und therapeutische Ansätze entwickelt, Management-Guide-
                                                                                                                  Das ist dann interessant, wenn bekannt wird, dass ein Spu-                                                                                lines erstellt und, gemeinsam mit Politik und Verwaltung vor
                                                                                                                  renstoff möglicherweise Wasserpflanzen und Fische schädigt            Die Ziele des Projekts sind vielfältig: Zum einen hoffen die Wis-   Ort, Strukturen etabliert werden, die dann auch für andere
    Analytischer Fingerabdruck einer Wasserprobe. Jeder Punkt (u.) spiegelt den                                   oder die menschliche Gesundheit gefährdet. Wird dieser Stoff          senschaftler, immunologische Pathomechanismen parasitä-             Projekte im Gesundheitsbereich nutzbar sind.
    physikochemischen Paramater »Molekularmasse« (r.) und »Hydrophobizität«
    (l.) wider und ermöglicht so das schnelle Screening von Wasserproben nach                                     bei der erneuten Datenauswertung nachgewiesen, lässt er sich          rer Erkrankungen, die in erster Linie in Entwicklungsländern                                                                     Eva Schuster
    organischen Molekülen.                                                                                        umgehend in Routinetests integrieren.
                                                                                                                                                     Undine Ziller, Stefanie Reiffert

6      TUMcampus 4|15                                                                                                                                                                                                                                                                                              TUMcampus 4|15                             7
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Forschen                                                                                                                                                                                                                       Lernen und Lehren

Intakte Moore gegen den Klimawandel                                                                                       Erfolgreiches System: Bachelor/Master

Moore sind riesige Kohlenstoff-Spei-        die Forscher die Effizienz von Moor-                                          Die TUM spricht sich für die Stär-           Bei der Umstellung von den Diplomstu-       absolvieren. Beispielsweise stieg die
cher und tragen so auf natürliche           renaturierungen, die dort und im Fich-                                        kung des zweistufigen Bachelor-/             diengängen auf das Bolognaprinzip sei-      Zahl der Studierenden, die von der TUM
Weise zum Klimaschutz bei – wenn            telgebirge bereits vor ein paar Jahren                                        Mastersystems aus. Die Erfolge               en keinesfalls Inhalte verloren gegangen    mit dem Erasmusprogramm ins Ausland
sie intakt sind. Und das sind nur noch      durchgeführt wurden. Die Renaturierung                                        der TUM-Absolventen zeigten: Der             – im Gegenteil: Das zweistufige System      gehen, in den vergangenen fünf Jahren
wenige. Gemeinsam mit dem Landes-           dient nicht nur dem Klimaschutz, son-                                         eingeschlagene Weg ist richtig, so           habe neue Optionen eröffnet, die den        um 150 Prozent. Das gilt auch umge-
bund für Vogelschutz wollen Wissen-         dern sichert auch den Lebensraum be-                                          TUM-Präsident Prof. Wolfgang. A.             Studierenden eine individuelle Ausrich-     kehrt: Im selben Zeitraum erhöhte sich
schaftler der TUM einige bayerische         drohter Tier- und Pflanzenarten. In den                                       Herrmann.                                    tung des Studiums und die Vorbereitung      die Zahl der Ausländer, die sich zum Win-
Moore renaturieren.                         betroffenen Gebieten sollen sich vor al-                                                                                   auf den Beruf erleichtern. So haben die     tersemester neu an der TUM immatriku-
                                            lem Kreuzottern und moortypische Libel-                                       Wie der TUM-Präsident betont, ist der        Universitäten die Möglichkeiten des         lieren, um 123 Prozent – vor allem, weil
Die Bayerische Staatsregierung hat das      len wieder vermehrt ansiedeln können.                                         Masterabschluss mit den früheren Dip-        zweistufigen Systems genutzt, um neue       das international einheitliche System es
Ziel, die Emission von Treibhausgasen       Aber auch seltene Vogelarten wie Auer-                                        lomabschlüssen absolut gleichwertig –        Masterstudiengänge einzurichten, die        ermöglicht, englischsprachige Master-
in Bayern bis 2050 um mehr als 70 Pro-      huhn, Schwarzstorch und Sperlingskauz                                         was die TUM ihren Absolventen auf den        Inhalte aus verschiedenen Fächern ver-      studiengänge mit deutschsprachigen
zent zu verringern. Einen wichtigen Bei-    profitieren, wenn der Wald auf den Moor-                                      Urkunden bescheinigt. Gleichzeitig habe      knüpfen. Die TUM etwa bietet zahlreiche     Bachelorstudiengängen zu verknüpfen.
trag dazu könnten Moore liefern, denn       flächen aufgelichtet und strukturiert wird.                                   die Umstellung den Studierenden die          Masterstudiengänge an, die Technik,         Vom internationalen Austausch in diesen
sie binden und speichern global etwa        Drittens kommt die Renaturierung auch                                         Möglichkeit eröffnet, vor allem im Mas-      Naturwissenschaften, Medizin und Wirt-      Studiengängen profitieren wiederum die
doppelt so viel Kohlenstoff wie Wälder.     dem Hochwasserschutz zugute, denn                                             terstudium interdisziplinärer zu arbeiten,   schaft in verschiedenen Kombinationen       deutschen Studierenden.
Doch besonders in den Nachkriegszei-        ein intaktes Moor ist ein hervorragender                                      sich stärker zu spezialisieren und sich      verbinden. Damit tragen die Universitä-
ten wurden – nicht nur in Bayern – vie-     Wasserspeicher.                                                               mehr international auszutauschen. Der        ten den gewandelten Berufsbildern und       Damit trägt das Bolognasystem auch
le Moore entwässert, um die Flächen                                                                                       Standort Deutschland profitiere auch         steigenden Anforderungen der Wirt-          zur Wettbewerbsfähigkeit des Stand-
land- oder forstwirtschaftlich zu nutzen.   »Mit der Zeit soll in den betroffenen Ge-                                     von der steigenden Zahl ausländischer        schaft Rechnung, die heute mehr denn        orts Deutschland bei. Denn angesichts
Dadurch gingen sie als Kohlenstoff-         bieten ein Mosaik aus offenen Feucht-                                         Studierender, die nach ihrem Abschluss       je disziplinübergreifende Kompetenzen       des demografischen Wandels wird der
speicher verloren. Um diese Kapazitä-       flächen und lichtem Moorfichtenwald                                           von hiesigen Unternehmen rekrutiert          verlangen. Die Medizintechnik und die       Bedarf an Fachkräften mittelfristig nur
ten zurückzugewinnen, unterstützt das       entstehen«, beschreibt Prof. Johannes                                         werden.                                      Industrielle Biotechnologie sind nur        mit Nachwuchs aus dem Ausland zu
Bayerische Staatsministerium für Um-        Kollmann vom Lehrstuhl für Renaturie-                                                                                      zwei Beispiele. Die Grundlagen werden       decken sein. Die deutsche Wirtschaft
welt und Verbraucherschutz seit einigen     rungsökologie das langfristige Ziel des                                       Erst vor wenigen Monaten bestätigten         im Bachelorstudium gelegt. Mit diesem       profitiere, wenn diese jungen Menschen
Jahren gezielt die Renaturierung ehema-     Projekts. Dazu wird zunächst der dichte                                       Arbeitgeber aus 20 Ländern erneut, wie       Wissen können die Studierenden dann         bereits während ihrer Ausbildung den
liger Moorgebiete. So fördert es das im     und artenarme Fichtenwald ausgedünnt,                                         gut die TUM ihre Studierenden ausbildet      eine kompetente Entscheidung treffen,       hiesigen Arbeitsmarkt kennenlernten
Sommer 2015 gestartete Projekt »Effi-       der derzeit noch auf den entwässerten                                         – Platz 8 weltweit im »Global Employa-       in welche berufliche Richtung sie sich      und sich in Deutschland einlebten, so
zienzkontrolle von Moorrenaturierung in     Moorflächen wächst. Das erlaubt es, den                                       bility Ranking« der New York Times, das      weiter spezialisieren wollen.               TUM-Präsident Herrmann. Für die Qua-
Bezug auf den Klimawandel« mit 200 000      Wald optimal zu strukturieren und den                                         die Qualität der Absolventen bewertet.                                                   lität der Ausbildung sei jede Universität
Euro. Beteiligt sind neben der TUM und      Wasserverbrauch zu senken. Anschlie-                                          »Dieses Urteil der Personalverantwort-       Internationale Erfahrung ist heute in       selbst zuständig und verantwortlich. Das
dem Landesbund für Vogelschutz die          ßend werden die zahlreichen Entwäs-                                           lichen sowie die konkreten Erfolgsge-        den meisten Branchen eine wesentliche       habe die TUM mit der erfolgreich absol-
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf,         serungsgräben geschlossen, um das                                             schichten unserer Alumni bestätigen          Voraussetzung für beruflichen Erfolg. Die   vierten Systemakkreditierung erneut
die Auffangstation für Reptilien und die    Wasser in der Fläche zu halten. Nach                                          eindrucksvoll, dass wir Wissenschafts-       Standardisierung durch das European         bewiesen.
Güterverwaltung Friedenfels.                und nach werden sich dann die Reste                                           bezug und Berufsorientierung in der          Credit Transfer System (ECTS) hat es                                     Klaus Becker
                                            der noch vorhandenen Moorvegetati-                                            Ausbildung optimal kombinieren«, sagt        den Studierenden einfacher gemacht,
Plan ist, ehemalige Moorflächen im Na-      on erholen oder typische Pflanzen- und                                        der TUM-Präsident.                           einen Teil des Studiums im Ausland zu
turpark Steinwald (nördliche Oberpfalz)     Tierarten neu ansiedeln.
wieder zu vernässen. Zudem erfassen                                           Jana Bodicky

                                            Moorrenaturierung im Fichtelgebirge (v.o.): Aus-
                                            gangssituation eines monotonen Fichtenforsts, Ro-
                                            dung und Grabenverfüllung, Gewässeranlage für
                                                                                                © Johannes Kollmann (5)

                                            Amphibien und Libellen, Entwicklung von Feuchtbo-
                                            deninitialen und schließlich von Moorvegetation

8      TUMcampus 4|15                                                                                                                                                                                                                 TUMcampus 4|15       9
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Lernen und Lehren                                                                                                                                                                                                                                          Lernen und Lehren

Was ist eigentlich Games Engineering?                                                                                                                                                    TUM-Praxistag der Bayerischen Bauindustrie

Auf der weltgrößten Konferenz für                                                                                                            Entwicklung und Erweiterung, der
Mensch-Computer-Interaktion          das                                                                                                     technischen Realisierung und der
eigene Projekt vorzustellen, ist der                                                                                                         forschungsorientierten      Anwendung
Traum vieler junger Spieleentwickler.                                                                                                        interaktiver    Technologien.   Anwen-
Für einen Studenten der TUM-Fakultät                                                                                                         dungsbereiche finden sich in Training,
für Informatik wurde dieser Traum im                                                                                                         Film und Fernsehen. Das Masterpro-
April 2015 wahr: Paul Tolstoi, Absolvent                                                                                                     gramm will Fähigkeiten vermitteln,
des Bachelor-Studiengangs »Informa-                                                                                                          die technische Infrastruktur moderner
tik: Games Engineering«, durfte als                                                                                                          Computerspiele zu entwerfen und zu

                                                                                                                                                                                                                                                                                       © Schwaiger Design
einziger deutscher Vertreter auf der                                                                                                         realisieren. Außerdem sollen die Studie-
CHI 2015 der Associaton for Compu-                                                                                                           renden Computerspiele-Technologien
ting Machinery’s in Seoul, Korea, ein                                                                                                        in neuen Anwendungskontexten erpro-
für seine Bachelorarbeit entwickeltes                                                                                                        ben und Wege erforschen, solche Tech-
Spielekonzept einem internationalen                                                                                                          nologien in Forschung, Entwicklung und      Beim TUM-Praxistag kommen Studierende direkt mit Firmenchefs ins Gespräch.

Publikum präsentieren.                                                                                                                       Alltag zu integrieren.
                                                                                                                                                                                         Erstmals fand im Juli 2015 der TUM-Pra-             Verlegen Zeit einsparen und gleichzei-
Doch bevor es solche Erfolge zu feiern                                                                                                       Einen spannenden Arbeitsplatz in der        xistag der Bauindustrie für die Stu-                tig die verbaute Betonmenge sowie die
gibt, heißt es hart arbeiten – auch wenn                                                                                                     boomenden Spieleindustrie zu ergat-         dierenden des Masterstudiengangs                    Deckenstärke reduzieren und somit auch
sich der Begriff »Games« in der Be-                                                                                                          tern – das Studium an einer der größten     »Energieeffizientes und nachhaltiges                Kosten sparen.
zeichnung des in Deutschland an einer                                                                                                        und renommiertesten Informatikfakul-        Bauen« (ENB) und des Oskar von Miller
Universität einzigartigen Studiengangs                                                                                                       täten Deutschlands ist dafür ein Erfolg     Forums statt. In Zusammenarbeit mit                 Auf der zweiten Baustelle lernten die
findet. Seit 2011 gibt es »Informatik:                                                                                                       versprechendes Sprungbrett.                 dem Bayerischen Bauindustrieverband                 Studierenden die Herausforderungen
Games Engineering« als Bachelor-Stu-       Computerspiele haben Zukunft – im Studiengang »Informatik: Games Engineering« lernt man, sie zu                             Doris Herrmann    e. V. und der Projektplattform Energie              beim Anbau an Bestandsgebäuden
diengang an der TUM. Der Masterstu-        entwickeln.                                                                                                                                   besuchten knapp 20 angehende Inge-                  kennen: Hindernisse und Besonderhei-
diengang wird seit dem Wintersemester                                                                                                        TUM stark in der                            nieurinnen und Ingenieure zwei Baustel-             ten bei komplexen Bauvorhaben und
2014/2015 angeboten. Beide zusammen        können die Studierenden an Spiele-                    Eine vertiefende wissenschaftliche Aus-                                                 len von Mitgliedsfirmen des Verbands.               damit verbundene Schwierigkeiten für
brachten es im Jahr 2014 auf über 200      praktika oder -projekten teilnehmen, die              bildung in punkto Spieletechnologien
                                                                                                                                             EliteAkademie                               Unter fachkundiger Führung erfuhren                 eine termingerechte Fertigstellung. Zum
Studienanfänger und –anfängerinnen.        mit Unternehmen oder in den internatio-               erfolgt im viersemestrigen Masterstu-       Mehr als 1 200 der prüfungsbesten Stu-      sie von Besonderheiten der Bauvorha-                Beispiel können Überraschungen bei
                                           nal renommierten Forschungslabors der                 diengang. Der Schwerpunkt liegt hier        dierenden bayerischer Universitäten und     ben, besichtigten den Bau einer neuen               der Ausführungsqualität des Bestands-
Der sechssemestrige Bachelorstudien-       TUM-Informatik durchgeführt werden.                   auf der systematischen Erforschung,         Hochschulen haben sich um Aufnahme          Konzernzentrale und den Rohbau eines                gebäudes oder wetterbedingte Risiken
gang vermittelt umfassendes Wissen,                                                                                                          in den neuen, 17. Jahrgang der Bayeri-      umgebauten und erweiterten Einkaufs-                schnell Einfluss auf den Zeitplan nehmen
etwa in Computergrafik, Simulation,          Der Markt für Computer- und Videospiele (Stand 1. Halbjahr 2015)                                schen EliteAkademie beworben und das        markts mit Tiefgarage.                              und somit auch wirtschaftliche Folgen
künstlicher Intelligenz und Interaktion;     - Umsatz bei Spielen für verschiedene Endgeräte: 534 Mio. Euro                                 mehrstufige Auswahlverfahren durchlau-                                                          nach sich ziehen.
Schwerpunkte sind Informatik und Ma-         - für 2015 wird erneut zweistelliges Marktwachstum erwartet (2014: +11%);                      fen. 36 von ihnen konnten Ende August       Beide Baustellen machten anschau-
thematik. »Das sollte einem vor Studi-       - Aktuelle Generation von Spielekonsolen und entsprechende Spiele bleiben                      2015 die studienbegleitende Ausbildung      lich klar, dass es bei einer Bauleitung             Bei einer offenen Gesprächsrunde mit
enbeginn bewusst sein«, erklärt Evgenia         Wachstumstreiber (+ 16% Umsatz gegenüber 1. Halbjahr 2014);                                  mit dem Schwerpunkt »werteorientierte       nicht nur um Technik geht. So können                den teilnehmenden Bauunternehmen im
Pavlova, Studentin im 4. Semester. »Ich      - 75% des Segmentumsatzes erwirtschaften Spiele auf DVD und Blu-ray;                           Führung und Verantwortung« beginnen.        etwa der Aushub der Baugrube sowie                  Oskar von Miller Forum zur Frage »Was
hatte erwartet, dass auch das Ga-            - Umsatzanteil beim Downloadkauf von Spielen für PC und Konsole: 25%                           Die TUM ist mit 14 Teilnehmern sehr gut     die Errichtung der Gründung und damit               erwarten/erwartet angehende Ingenieure
mes-Design – das Zeichnen und Gestal-           (+6% gegenüber 1. HJ 2014)                                                                   vertreten. Es sind dies: Raphaela Allgay-   verbundene Probleme mit Grundwasser                 in bauindustriellen Unternehmen?« ging
ten von Spielen – mehr im Vordergrund        - 75% des Umsatzes in den Apps-Stores von Apple und Google in Deutschland                      er, Maximilian Fiedler, Florian Fischer,    und Auftriebssicherheit des Gebäudes                es um gegenseitiges Kennenlernen, Net-
steht. Aber nach dem Studieneinstieg            entfällt im zweiten Quartal 2015 auf Spiele;                                                 Fabian Frederik Frank, Florian Gassert,     besondere Herausforderungen sein. Im                working und fachliche Diskussionen.
ging es stofflich fix in die Program-        - Deutschland ist derzeit in Europa nach Umsatz der zweitgrößte Markt für                      Felix Homma, Katharina Krieger, Sophia      konkreten Fall kamen innovative Beweh-
mierung.« Die Unterrichtssprache ist            Spiele-Apps nach Großbritannien.                                                           Chiara Langer, Kilian Lerch, Andreas Liu,   rungstechniken zum Einsatz, die beim
Deutsch, einzelne Veranstaltungen gibt                                                                                                       Paul Meierling, Dominik Möslein, Elena
                                             Quelle: Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware/Marktforschungsinstitut GfK
es auf Englisch. In jedem Semester                                                                                                           Weiß und Daniela Zingler.

10     TUMcampus 4|15                                                                                                                                                                                                                                                 TUMcampus 4|15     11
TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München
Lernen und Lehren                                                                                                                                                                                                                               Lernen und Lehren

                                                                                                                        mit den Experimenten am Fallschirm im                                                                       REXUS/BEXUS-Programms, die neben
                                                                                                                        finnischen Lappland.                                                                                        ihrer Erfahrung aus der Forschung bei
                                                                                                                                                                                                                                    programmspezifischen Problemen hel-
                                                                                                                        Das Experiment SMARD (Shape Memory                                                                          fen konnten. Die Physiker am Institut
                                                                                                                        Alloy Reusable Deployment Mechanism)                                                                        für Hadronenstruktur und Fundamenta-
                                                                                                                        testete einen neuartigen Werkstoff, eine                                                                    le Symmetrien stellten das erforderliche
                                                                                                                        sogenannte Formgedächtnislegierung,                                                                         Know-how auf dem Gebiet der Teilchen-
                                                                                                                        auf seine Verwendbarkeit auf Satelli-                                                                       detektoren bereit.
                                                                                                                        ten. Eine solche Nickel-Titan-Legierung
                                                                                                                        »erinnert« sich an ihre Form, da sie je                                                                     Beide Teams hoffen, dass die von ihnen
                                                                                                                        nach Temperatur zwei unterschiedliche                                                                       entwickelten und getesteten Technologien
                                                                                                                        interne Strukturen aufweist. Verbiegt                                                                       bald auf dem Satelliten MOVE-II der TUM
                                                                                                                        man das aus der Legierung geformte                                                                          zum Einsatz kommen. Dieser wird derzeit
                                                                                                                        Werkstück und erhitzt es anschließend,                                                                      am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik von
                                                                                                                        nimmt es wieder seine ursprüngliche                                                                         Studenten entwickelt und soll im Jahr 2018
                                                                                                                        Form an. SMARD nutzte aus dieser Le-                                                                        ins All starten. Gebaut wird er nach dem
                                                                                                                        gierung gefertigte Federn zur Konstrukti-                                                                   CubeSat-Standard, dessen Grundeinheit

                                                                                              © SSC
                                                                                                                        on eines Mechanismus zum Ausklappen                                                                         ein Würfel mit 10 Zentimetern Kantenlän-

                                                                                                                                                                                                                  © Maria Grulich
                                                                                                                        von Solarpaneelen. Solche Paneele sind                                                                      ge ist. Momentan besteht der Satellit aus
                                                                                                                        während des Starts eines Satelliten zu-                                                                     einer solchen Einheit, MAPT soll als Nutz-

Experimente im All
                                                                                                                        sammengefaltet, um diesen möglichst                                                                         last in einer zweiten Einheit untergebracht
                                                                                                                        kompakt in der Spitze einer Rakete ver-                                                                     werden. Im Herbst dieses Jahres soll über
                                                                                                                                                                      SMARD - Einbau des Experiments in ein Segment
                                                                                                                        stauen zu können. Sobald der Satellit im      der Rakete
                                                                                                                                                                                                                                    die Mitnahme einer Nutzlast auf MOVE-II
Zwei Studententeams der TUM haben             die Entwicklung eines neuartigen Teil-                                    Orbit um die Erde platziert ist, müssen sie                                                                 entschieden werden.
im vergangenen Jahr Experimente               chendetektors und der anschließende                                       sich entfalten, damit die darauf montier-     großer Raumfahrtmissionen einem strik-                                                  Martin Losekamm
im Rahmen des REXUS/BEXUS-Pro-                Test auf einem Höhenforschungsballon.                                     ten Solarzellen zur Sonne ausgerichtet        ten Ablauf mit zahlreichen Reviews                                                www.smard-rexus.de
gramms des DLR durchgeführt. Sie              Das Multi-purpose Active-target Partic-                                   werden können. Der SMARD-Mechanis-            unterworfen, bei denen Experten mit                                                  www.afis-tum.de
testeten ein neuartiges Instrument            le Telescope (MAPT) soll in Zukunft an                                    mus soll auf sogenannten Nanosatelliten       langjähriger Erfahrung die technischen
zum Nachweis von Antimaterie und ei-          Bord von Satelliten den Fluss von Anti-                                   – kaum größer als eine Kaffeetasse – An-      Fortschritte der Experimente bewerte-
nen Mechanismus zum Entfalten von             materie-Teilchen in den Strahlungsgür-                                    wendung finden. Er muss während eines         ten. Während einer Trainingswoche am
Solarpaneelen auf Nanosatelliten.             teln der Erde vermessen. An Bord des                                      Raketenstarts und des Aussetzens des          Esrange Space Center eigneten sich die                          Das       REXUS/BEXUS-Programm
                                              Ballons BEXUS 18 wurde ein erster Pro-                                    Satelliten starke mechanische Belastun-       Studenten die für sie relevanten raum-                          (Rocket/Balloon Experiments for
Beide Teams überzeugten das Auswahl-          totyp von MAPT zur Vermessung des                                         gen überstehen und anschließend den-          fahrttechnischen Grundlagen an. Die                             University Students) ist eine bila-
komitee des DLR von ihren Experimen-          Spektrums niederenergetischer kos-                                        noch zuverlässig in der Schwerelosigkeit      Mitglieder von AFIS-P lernten am Euro-                          terale Kooperation zwischen dem
ten. Die Förderung im Zuge des REXUS/         mischer Strahlung in der Stratosphäre                                     funktionieren. Beim Start der Höhenfor-       pean Space Research and Technology                              Deutschen Zentrum für Luft- und
BEXUS-Programms umfasste nicht nur            eingesetzt. Die mechanischen Belas-                                       schungsrakete REXUS 18 im März 2015           Centre (ESTEC) im niederländischen                              Raumfahrt (DLR) und dem Swe-
das eigentliche »Flugticket« für einen Bal-   tungen während des Starts, der nied-                                      konnten diese Bedingungen ideal nach-         Nordwijk, wie man elektrische Syste-                            dish National Space Board (SNSB).
lon oder eine Rakete, sondern auch die        rige Luftdruck in zunehmender Höhe                                        gebildet und der Mechanismus trotz ei-        me für Raumfahrtmissionen baut. Das                             Durch die Zusammenarbeit mit der
Reisen zu diversen Workshops und der          und Temperaturen bis minus 70 Grad                                        nes technischen Defekts an der Rakete         SMARD-Team erlernte am Zentrum für                              Europäischen       Raumfahrtagentur
Startkampagne im schwedischen Kiruna.         stellten zudem Anforderungen an das                                       in einer Höhe von 81 Kilometern erfolg-       angewandte Raumfahrttechnologie und                             (ESA) wird der schwedische Anteil
Außerdem erhielten die Studenten wäh-         Instrument dar, die denen einer Satelli-                                  reich verifiziert werden.                     Mikrogravitation (ZARM) in Bremen Me-                           des Programms Studenten aus allen
rend der gesamten Projektdauer techni-        tenmission sehr ähnlich sind. BEXUS 18                                                                                  thoden zur mechanischen Qualifikation                           ESA-Mitgliedsstaaten und Koopera-
sche und logistische Unterstützung von        startete im Oktober 2014 vom Esrange                                      Die Teilnahme am REXUS/BEXUS-Pro-             von Instrumenten für Raketenstarts.                             tionspartnern zur Verfügung gestellt.
Raketen-, Ballon- und Raumfahrtexperten.      Space Center im Norden Schwedens                                          gramm ermöglichte den Studenten nicht                                                                         Jedes Jahr werden je zwei For-
                                              und erreichte eine Flughöhe von etwa                                      nur die Durchführung ihrer Experimente,       Auch an der TUM konnten die Studen-                             schungsballons und -raketen mit bis
Das Ziel des Teams von AFIS-P (An-            27 Kilometern. Nach einer Flugzeit von                                    sondern diente auch der praktischen           ten auf die Hilfe von Experten bauen.                           zu 20 Experimenten an Bord im Rah-
tiproton Flux in Space Prototype) war         knapp 3 Stunden landete die Gondel                                        Ausbildung im Bereich der Raumfahrt.          Am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik ar-                           men von REXUS/BEXUS gestartet.
                                                                                                                        Die Projekte wurden nach dem Vorbild          beiten viele ehemalige Teilnehmer des
                                                          oben: Ein BEXUS-Ballon wird vor
                                                          seinem Flug in die Stratosphäre
                                                                                                      © Karl Dietmann

                                                          startklar gemacht.
12     TUMcampus 4|15                                     rechts: Die REXUS 18-Rakete star-                                                                                                                                                             TUMcampus 4|15        13
                                                          tet von Kiruna in Schweden.
TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München
Politik | Standpunkt                                                                                                                                                                                                                                           Standpunkt | Politik

Zur Eröffnung des MCTS

Mit Weitsicht und Mut
                                                                                                                     von Peter Weingart

                                                                                                                                                       zum anderen die chronische Ressour-           Wissenschafts- und Technikforschung            erfordert Weitsicht und Mut. Beides hat
                                                                                                                                                       cenknappheit aufgrund der Unabschließ-        (IWT) in Bielefeld das einzige Institut sei-   – in dieser Kombination – zur Gründung
                                                                                                                                                       barkeit der Forschung, aus der eine           ner Art an einer deutschen Universität,        des MCTS an der TUM geführt. Das ist
                                                                                                                                                       systematische Innovationsbremse resul-        und es hat den Generationenwechsel             angesichts der Distanz zwischen den
                                                                                                                                                       tiert. In diesem Kontext haben es interdis-   aus den oben genannten Gründen nicht           Ingenieurwissenschaften und den Refle-
                                                                                                                                                       ziplinäre Forschungsgebiete schwer und        überlebt. In Hannover gibt es Bemühun-         xionswissenschaften erstaunlich genug.
                                                                                                                                                       die Wissenschaftsreflexion noch einmal        gen, in Kooperation mit dem DZHW eine
                                                                                                                                                       zusätzlich. Sie erscheint entweder als        ähnliche Einrichtung aufzubauen.               Nicht zuletzt die Diskussion im Beirat hat
                                                                                                                                                       unwichtig oder als störend oder gar als                                                      gezeigt, dass die Bedeutung der Wissen-
                                                                                                                                                       beides. Das ist keine gute Ausstattung für    Vor diesem Hintergrund sind die Grün-          schafts- und Technikreflektion inzwischen

                                                                                                                                     © Astrid Eckert
                                                                                                                                                       Verhandlungen, wenn es um neue Stellen        dung und die bisherige Entwicklung des         von immer mehr Wissenschaftlern und
                                                                                                                                                       geht, oder auch nur um den Erhalt alter.      Munich Center for Technology in Society        Politikern erkannt wird. Die Verbindung
                                                                                                                                                                                                     (MCTS) in mehrfacher Hinsicht ein klei-        von Wissensproduktion, Technikentwick-
                                                                                                                                                       Deshalb überrascht es auch nicht, dass        nes Wunder. Das gilt zuallererst für die       lung und gesellschaftlichem Wandel ist
                                                                                                                                                       sich Wissenschafts- und Technikfor-           Entscheidung eines mutigen und inno-           enger, schneller und dimensional weiter
Niklas Luhmann hat darauf verwiesen,         usw. Historische Reflexion der Wissen-         damit könne eine Überwissenschaft für                      schung bzw. »science and technology           vativen Präsidenten. Die Technik unter-        verzweigt und interdependenter gewor-
ich vereinfache stark, dass die Sozial-      schaft ist in ihrer modernen Form, d.h. jen-   sich beanspruchen, mehr zu wissen und                      studies« überall schwer tun, in Deutsch-      liegt mehr noch als die Wissenschaft           den. Das schlägt sich auch in der Wis-
systeme ihren blinden Fleck in der Be-       seits der Amateur(auto)biografien großer       besser zu können als die Wissenschaft.                     land mehr noch als in anderen Ländern.        der öffentlichen Beobachtung. Der Re-          senschafts- und Technikforschung nieder.
obachtung ihrer Umwelt im Hinblick auf       Entdecker und Genies, erst zu Beginn des       Deshalb wurde aus »science of science«                     Die jüngeren Gründungen - so das In-          flex der Politik ebenso wie der Ingeni-        Neben den durchaus selbstreferentiellen
sich selbst haben. Die Wissenschaft hat      20. Jahrhunderts entstanden und mit Na-        »science studies«, aus Wissenschafts-                      stitut für Forschungsinformation und          eure war deshalb in der Vergangenheit,         Entwicklungen in den Kerndisziplinen der
als generalisiertes Beobachtungssystem       men wie George Sarton in den USA und           wissenschaft Wissenschaftsforschung.                       Qualitätssicherung (IfQ) in Berlin und        Akzeptanz um jeden Preis zu schaffen.          Wissenschafts/Techniksoziologie, -philo-
jeweils Reflexionsdisziplinen herausge-      Gaston Bachelard und Georges Canghui-          Da zwischen Wissenschaft und Technik                       das Deutsche Zentrum für Hochschul-           Dabei wurden Intelligenz und Motive der        sophie und -geschichte findet sich eine
bildet, die diese blinden Flecken aus-       lem in Frankreich verbunden. Die soziolo-      ein in Bereichen, aber nicht überall en-                   und Wissenschaftsforschung (DZHW)             Öffentlichkeit oft unterschätzt mit dem        Vielzahl von Themenstellungen, die sich
füllen. Folgt man dieser Theorielogik, ist   gische Reflexion der Wissenschaft folgte       ger Zusammenhang besteht, und da es                        in Hannover – sind bezeichnenderweise         Resultat, dass die Vertrauenskrise eher        aus den gesellschaftlichen Implikationen
nicht erstaunlich, dass die Reflexion der    dem rasch nach und hatte ihren Gründer         in der sozialwissenschaftlichen Analyse                    außeruniversitäre Einrichtungen mit ei-       noch schlimmer wurde, als sie ohnehin          der Entwicklungen in den Objekt- und
Wissenschaft selbst zuallerletzt entstan-    in Robert Merton Ende der 1930er-Jahre.        um die Beziehungen zwischen Wissen-                        nem starken Serviceauftrag, der bislang       schon war. Vor dem Hintergrund dieser          Technikwissenschaften ergeben. Die
den und nach wie vor nicht vollkommen                                                       schaft, Technik und ihrer gesellschaftli-                  noch nicht erfolgreich mit der Forschung      Erfahrung das Scheitern dieser Strategie       Tenure Track Assistant Professors sind
unangefochten ist. Der Einstieg in den       Wie üblich in der Entstehung neuer For-        chen Umwelt geht, ist jetzt zumeist von                    in eine produktive Balance gebracht           einzugestehen und den länger währen-           dafür Beispiele.
infiniten Regress, in diesem Fall der Be-    schungsgebiete waren es zunächst nur           Wissenschafts- und Technikforschung                        worden ist. Bis 2012 war das Institut für     den Weg über die Forschung zu gehen,
gründung von Wissen, fällt sozial nicht      einzelne Wissenschaftler, die den Mut          die Rede. Soviel zur rezenten Etablierung                                                                                                               Wenn Wissenschafts- und Technikre-
leicht. Bei näherem Hinsehen ist das         hatten, sich von dem sicheren Boden            der Reflexion der Wissenschaft.                                                                                                                         flektion nun noch integraler Bestandteil
Bild der Entstehung und Entwicklung der      ihrer Heimatdisziplinen zu entfernen                                                                                            Prof. Peter Weingart war von 1971 bis 2009 Professor für               der Ausbildung von Wissenschaftlern
Wissenschaftsreflexion komplexer, als        und sich eines neuen Gegenstands an-           Nun ein paar Worte zu deren Institutio-                                          Wissenschaftssoziologie und -politik sowie von 1993 bis                und Ingenieuren werden würde, wie uns
es Luhmanns Bild erwarten lässt.             zunehmen. Von den eigenen Kollegen             nalisierung: Es ist erwartbar, dass die Or-                                      2009 Direktor des Instituts für Wissenschafts- und Technikfor-         dies etwa von der TU Twente berichtet
                                             ignoriert, wenn nicht gar verachtet und        ganisation der Wissenschaftsreflexion in                                         schung an der Universität Bielefeld. Von 1989 bis 1994 leitete         wird, wäre eine neue Stufe der Ko-Evo-
Die philosophische Reflexion auf die Vo-     meistens unverstanden, haben sie sich          einer Institution auf Schwierigkeiten stößt,                                     er an dieser Universität als Geschäftsführender Direktor das           lution von gesellschaftlicher Entwicklung
raussetzungen der Erkenntnis reicht bis      auf das Abenteuer eingelassen, die             deren Struktur und Operationslogik auf                                           Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF). Weingart studier-       und Erkenntnisproduktion erreicht. Das
in die Antike zurück. Moderne Wissen-        Wissenschaft selbst der Reflexion zu           den einzelnen Disziplinen beruhen. Deren                                         te Soziologie, Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre         MCTS ist, wie Robert Merton gesagt
schaftstheorie allerdings kann man allen-    unterziehen, was ja zunächst einmal            Territorialverhalten wird durch zwei wirk-                                       und Staatsrecht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,            hätte, die Selbstexemplifizierung dieser
falls im 19. Jahrhundert beginnen lassen,    bedeutet, auf Distanz zu gehen. In Po-         mächtige Bedingungen motiviert: einmal                                           an der Freien Universität Berlin und an der Princeton Universi-        Entwicklung. Glückwunsch zum bereits
etwa mit Emil du Bois-Reymond und Ernst      len entstand in den späten 1930ern der         die spezialisierte Kompetenz, die alle von                   ty in New Jersey, USA. 1969 promovierte er an der FU-Berlin zum Dr. rer. pol. Er           Erreichten, und viel Glück für das noch zu
Mach für den Positivismus, Poincaré für      Begriff    »Wissenschaftswissenschaft«,        außen kommenden Bewertungen inkom-                           ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der              Erreichende.
den Konventionalismus, Popper für den        vorgeschlagen von Maria Ossowska               petent und illegitim erscheinen lässt und                    deutschen Akademie der Technikwissenschaften sowie Distinguished Associate
Falsifikationismus in den 1940ern und        und Stanislas Ossowski, eigentlich voll-       die wechselseitige Abschottung ebenso                        Professor der TUM und bekleidet seit Januar 2015 einen South African Research                         Text der Rede von Peter Weingart
1950ern, Kuhn und Feyerabend für den         kommen logisch, aber Anlass zu dem             begründet wie die dadurch bedingte Ent-                      Chair for Science Communication an der Stellenbosch University. Seit 2007 ist er                    anlässlich der Eröffnung des MCTS
Relativismus in den 1960ern und 70ern        brandgefährlichen       Missverständnis,       scheidungsschwäche der Universitäten;                        Editor der Zeitschrift Minerva.                                                                               der TUM am 1. Juli 2015

14     TUMcampus 4|15                                                                                                                                                                                                                                                   TUMcampus 4|15      15
TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München
Politik                                                                                                                                                                                                                                                                Politik

                                                                                                                                      Klaus Tschira Stiftung ermöglicht neues TUM-Forschungszentrum

     Erneut Spitzenplätze in internationalen Rankings                                                                                 25 Millionen Euro für Multiple-Sklerose-Forschung

     Auch in diesem Jahr erhielt die TUM wieder                     Plätze und liegen jetzt vor der University of Oxford. Bei den     Die Neurowissenschaften, eines der starken Forschungs-
     hervorragende Noten in globalen Rankings.                      Fachbereichen schaffen es die Ingenieurwissenschaften/IT          felder der Medizin an der TUM, werden mit einem For-
                                                                    der TUM deutschlandweit als einzige unter die Top 75 (Rang        schungszentrum für Multiple Sklerose (MS) verstärkt.
     Im »Academic Ranking of World Universi-                        51-75). Die Lebens- und Agrarwissenschaften liegen eben-          An dieser bisher unheilbaren Krankheit von immer noch
     ties« (ARWU, »Shanghai-Ranking«) kam die                       falls unter den Top 100 weltweit, deutlich vor der nationalen     unbekannter Ursache leiden allein in Deutschland rund
                                                                    Konkurrenz.                                                       200 000 Menschen. Nun werden sich die Wissenschaft-
     TUM-Chemie unter die Top15 der Welt. Das
                                                                                                                                      ler am TUM-Klinikum rechts der Isar auf dieses Thema
     Hochschulranking der Zeitschrift »Wirtschafts-                 Bestnoten fürs TUM-Studium                                        konzentrieren und klinische Aspekte mit der Grundla-
     woche« bestätigt die hervorragende Ausbil-                                                                                       genforschung verbinden. Ermöglicht wird das Großpro-
                                                                    Im Hochschulranking der Zeitschrift »Wirtschaftswoche«            jekt durch eine Donation von 25 Millionen Euro der Klaus
     dungsqualität der TUM-Absolventen.                             bescheinigen die deutschen Unternehmen der TUM aber-              Tschira Stiftung.
                                                                    mals hervorragende Absolventen: In drei Fächern steht die

                                                                                                                                                                                                      © Astrid Eckert
     Shanghai-Ranking                                               TUM auf dem ersten Platz: Elektrotechnik, Informatik und          Allein 1 000 Patienten mit Multipler Sklerose, der häufigsten
                                                                    Wirtschaftsinformatik. Für das Ranking wurden 540 Per-            entzündlichen Erkrankung des Zentralnervensystems, wer-
     Beim diesjährigen »Academic Ranking of World Universities«     sonalverantwortliche gefragt, welche Hochschulen für den          den jährlich am Klinikum rechts der Isar betreut. Zahlreiche
                                                                                                                                                                                                      Sie unterzeichneten den Vertrag (v.l.): zwei Geschäftsführer der Klaus Tschira
     verbesserte sich die TUM im Vergleich zum Vorjahr um zwei      Bedarf ihrer Unternehmen am besten ausbilden.                     Forschungsgruppen beschäftigen sich dort mit der Erkran-
                                                                                                                                                                                                      Stiftung, Harald Tschira und Beate Spiegel, und TUM-Präsident Wolfgang A.
     Plätze und erreicht Rang 51. Sie ist damit abermals im Spit-                                                                     kung. Mit dem umfassenden Förderprojekt der Klaus Tschira       Herrmann.
     zentrio der deutschen Universitäten.                           In der Elektrotechnik halten 27 Prozent der Personalverant-       Stiftung wird ein neues MS-Behandlungs- und Forschungs-
                                                                    wortlichen aus ganz Deutschland die TUM für die Hochschu-         zentrum auf dem Gelände des TUM-Universitätsklinikums           da die konsequente Nutzung von Forschungsergebnissen
     Das renommierte Ranking der Shanghai Jiao Tong University      le mit der besten Ausbildung. Auf Rang 2 steht die RWTH           entstehen. Die 25 Millionen Euro für die MS-Forschung sind      die Behandlungsmöglichkeiten erweitern und in Zukunft eine
     bewertet die Forschungsleistungen von mehr als 1 200 inter-    Aachen, auf Rang 3 die TU Berlin. In der Informatik erhält        die bislang höchste Einzelspende, die die TUM erhalten hat.     individuelle Therapie der Erkrankung ermöglichen wird.«
     nationalen Hochschulen aus aller Welt. Gewertet werden vor     die TUM 15 Prozent der Stimmen, gefolgt von TU Berlin             Weitere 9 Millionen leisten das Bayerische Wissenschaftsmi-
     allem Veröffentlichungen in wichtigen Fachzeitschriften wie    und RWTH Aachen. Im Fach Wirtschaftsinformatik wählten            nisterium und die TUM.                                          Bei der feierlichen Unterzeichnung dieses besonderen Stif-
     Nature und Science, die Zitationsraten der Wissenschaftler     22 Prozent der Personalverantwortlichen die TUM auf den                                                                           tungsvertrags am 23. September 2015 musizierten der
     sowie die Zahl der Wissenschaftler und Alumni mit Nobelprei-   ersten Platz. Die Universität Köln erreicht Rang 2 vor der TU     TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Herrmann freut sich: »Das       TUM-Präsident und Prof. Friedemann Winklhofer von der
     sen und Fields Medals, einer der höchsten Auszeichnungen       Dresden. Im Maschinenbau erreicht die TUM ebenso wie bei          neue Forschungszentrum wird ein großer Wurf, den wir Klaus      Musikhochschule München; am Klavier trugen sie Heinrich
     in der Mathematik. Neben dem Gesamtranking werden auch         Naturwissenschaften Rang 2.                                       Tschira und seiner Stiftung verdanken. Der Neubau wird          Kaspar Schmids »Bayerische Ländler« (op. 36) vor.
     einzelne Fächer- und Fächergruppenrankings veröffentlicht.                                                                       den bereits an der TU München tätigen exzellenten Wissen-                                                                        Vera Siegler
                                                                    Auch international hat das Studium an der TUM einen her-          schaftlern eine gemeinsame Adresse geben, mitten auf dem                                    www.neurokopfzentrum.med.tum.de/neurologie
     Die drei besten deutschen Universitäten liegen praktisch       vorragenden Ruf: Beim jüngsten »Global Employability Uni-         TUM-Medizincampus des Klinikums rechts der Isar. Diese
     gleichauf: Universität Heidelberg auf Rang 46, TUM auf Rang    versity Ranking« nimmt die TUM den globalen achten Platz          hochdotierte Zuwendung belegt den Nimbus unserer Neu-
     51 und LMU auf Rang 52. Weitere deutsche Technische Uni-       ein. Für die Rangliste der Zeitungen »New York Times« und         rowissenschaften, jüngst nochmals ergänzt um die erfolgrei-                       Die Klaus Tschira Stiftung gemeinnützige GmbH wur-
     versitäten folgen erst auf den Plätzen 201 bis 300. Europa-    »The Telegraph« wurden rund 5 000 Personalverantwortliche         che Berufung des Spitzenforschers Prof. Mikael Simons aus                         de 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus
     weit schneidet die TUM unter den Technischen Universitäten     in 20 Ländern zur Qualität der Absolventen befragt. Die TUM       Göttingen.«                                                                       Tschira gegründet. Sie gehört zu den größten gemein-
     nach der ETH Zürich und dem Imperial College London als        kam als einzige deutsche Universität unter die Top 25. Dieses                                                                                       nützigen Stiftungen Europas, die mit privaten Mitteln
     die Nummer 3 ab.                                               Ergebnis zusammen mit dem Shanghai-Ranking zeigt, dass            »Mit dem Forschungszentrum wird eine in Deutschland                               ausgestattet wurden. Sie fördert Naturwissenschaften,
                                                                    die TUM exzellente Forschung und exzellente Ausbildungs-          einzigartige Struktur geschaffen, in der Ärzte und Wissen-                        Mathematik und Informatik sowie die Wertschätzung
     In der Informatik gelangte die TUM unter die besten 30 Uni-    leistung gleichzeitig »auf die Reihe« bringt (s. Editorial).      schaftler von der klinischen Versorgung bis hin zur Grund-                        für diese Fächer. Die Klaus Tschira Stiftung ist sowohl
     versitäten, in der Chemie erreichte sie sogar Rang 14. Bei-                                                                      lagenforschung unter einem Dach zusammenarbeiten                                  operativ als auch fördernd tätig. Sitz der Stiftung ist
     de Fächer verbesserten sich im Vorjahresvergleich um zwei                                           Vera Siegler, Klaus Becker   werden«, sagt Prof. Bernhard Hemmer, Direktor der Neurolo-                        Heidelberg.
                                                                                                                                      gischen Klinik und Poliklinik am Rechts der Isar. »Von dieser                                               www.klaus-tschira-stiftung.de
                                                                                                                                      Struktur werden insbesondere die MS-Patienten profitieren,

16     TUMcampus 4|15                                                                                                                                                                                                                                           TUMcampus 4|15         17
TUMcampus - 25 Millionen für MS-Forschung | S. 17 - Das Magazin der Technischen Universität München
Politik                                                                                                                                                                                                                                                                                  Politik

     Neuer Pioniergeist gefordert

     Nur der Wandel hat Bestand                                                                                                                                                                                                       Zentrum Digitalisierung.Bayern

                                                                                                                                                                   sie sich ständig begegnen. Deshalb sollen technologie-             Das Zentrum Digitalisierung.Bayern (ZD.B), ins Leben
                                                                                                                                                                   orientierte Hochschulen ein unternehmerisches Umfeld               gerufen von der Bayerischen Staatsregierung, startete
                                                                                                                                                                   bekommen, das den gegenseitigen Know-how-Transfer                  im Juli 2015 am Campus Garching der TUM. Hierfür hat
                                                                                                                                                                   beschleunigt und jungen Ausgründungen infrastrukturelle            der Bayerische Landtag erhebliche Finanzmittel in den
                                                                                                                                                                   Hilfestellungen anbietet;                                          Staatshaushalt eingestellt.
                                                                                                                                      Fünf Kilogramm kann
                                                                                                                                                                • Integration von Politik und Gesellschaft in den technischen
                                                                                                                                      jede Hand des ersten         Innovationsprozess: Wirtschaftlich prosperierende Demo-            Gründungspräsident ist Prof. Manfred Broy, bisher Ordinarius
                                                                                                                                      humanoiden Roboters
                                                                                                                                                                   kratien setzen für ihre Zukunftsgestaltung die proaktive           für Software Engineering der TUM. Er erklärt: »Der digitale

                                                                                                               © Andreas Heddergott
                                                                                                                                      (H-1) des Instituts für
                                                                                                                                      Kognitive Systeme der        Bürgerbeteiligung voraus. Folglich müssen sich die Techni-         Wandel bietet enorme Chancen, aber auch Herausforderun-
                                                                                                                                      TUM tragen. H-1 soll         kexperten der Politik- und Bürgerberatung öffnen, im Sinne         gen für Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik.
                                                                                                                                      einer der ersten huma-
                                                                                                                                      noiden Roboter werden,       einer Bringschuld an die Gesellschaft. Ein aktuelles Beispiel      Das ZD.B hat die Aufgabe, die vielfältigen Aktivitäten in Bay-
                                                                                                                                      der mit seinem ganzen        von großer Tragweite ist die Energiewende: Sie erfordert           ern zu verstärken und zu vernetzen.« München ist nach einer
                                                                                                                                      Körper fühlen kann.
                                                                                                                                                                   ein rasches, arbeitsteiliges aber koordiniertes Handeln von        Studie der EU-Kommission der IT-Spitzenstandort Nr. 1 in
     Das Bayern von heute ist ein Triumph der Technik, die unser       Wissen ist, kaum entstanden, global verfügbar und nutzbar.                                  Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.                              Europa, vor Paris, London und Karlsruhe.
     Land schöner und seine Menschen wohlhabender gemacht              Die traditionellen Wirtschaftsbranchen stehen und fallen mit
     hat. Immer wieder sind Pionierleistungen von Bayern ausge-        der Geschwindigkeit, mit der sie die Chancen der Digitalisie-                            Universitäten haben die Aufgabe, durch Ausbildung am wis-             Auch der Zukunftsrat der bayerischen Wirtschaft hatte die
     gangen: Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth, Gleichstro-        rung nutzen, also des Umgangs mit riesigen Datenmengen                                   senschaftlichen Gegenstand (Forschung) fachkompetente                 Digitalisierung als »zentrale Treiberin für praktisch alle tech-
     mübertragung von Miesbach nach München, Düngemittelfabrik         (»Big Data«).                                                                            und unternehmerische Führungskräfte hervorzubringen, die              nischen Innovationen und gesellschaftlichen Veränderungen«
     in Heufeld, Speicherkraftwerk am Walchensee. Mutige Wei-                                                                                                   gleichzeitig international und interdisziplinär »ticken«. Uni-        bezeichnet und die Wichtigkeit der Vernetzung des neuen
     chenstellungen haben langfristig wirtschaftliche Prosperität      In diesem Lichte ist eine Universität mit dem breiten Portfolio                          versitäten sollen der Zukunft vorauseilen und – wie es der            Zentrums mit der Wirtschaft hervorgehoben. An dieser Studie
     angelegt. So hat die transalpine Erdölpipeline das Raffinerie-    der TU München – Natur-, Ingenieur-, Lebens-, Wirtschafts-                               Historiker Thomas Nipperdey formuliert hat – »nicht in der            waren TUM-Wissenschaftler unter Vorsitz von Präsident Prof.
     zentrum Ingolstadt ermöglicht, der Alzkanal hat frühzeitig eine   wissenschaften und Medizin – auf dem richtigen Weg, wenn                                 Peripherie, sondern im Zentrum des geistigen Haushalts der            Wolfgang A. Herrmann maßgeblich beteiligt.
     chemische Industrie in Südostbayern hervorgebracht, Auto-         sie folgende Herausforderungen annimmt:                                                  Nation« wirken. Das muss die Politik zulassen, ja sogar einfor-
     bahnen und Großflughafen haben Wirtschaftsunternehmen             • Sicherung eines kreativen Talentpools auf allen Ebenen;                                dern. Sie muss es im wohlverstandenen Interesse der Gesell-           Das ZD.B wird Plattformen zu Schlüsselthemen der Digitali-
     und Arbeitsplätze in strukturschwache Regionen gebracht           •d  igitale Lehr- und Lernmethoden ergänzen den herkömmli-                              schaft zum Beispiel zulassen, dass die »grüne Gentechnik«             sierung aufbauen. Die Themen umfassen »Digitale Produk-
     (zum Beispiel BMW-Werke in Dingolfing und Regensburg).               chen Unterricht und machen uns global wirksam (»Massive                               hierzulande heute erforscht wird, damit wir nicht morgen das          tion«, »Vernetzte Mobilität«, »Digitale Medizin/Gesundheit«,
                                                                          Open Online Courses«, MOOC);                                                          geistige Eigentum aus dem Ausland teuer einkaufen müssen.             »Digitalisierung im Energiebereich«, »IT-Sicherheit« und »Bil-
     Von größter Nachhaltigkeit aber war die Gründung einer            • interdisziplinäre Forschung auf Spitzenniveau, denn die                                                                                                     dung und Kultur«. Diese Bereiche sind in Forschung und Leh-
     Technischen Universität durch König Ludwig II. (1868). Nicht         technischen Problemstellungen sind kompliziert und kom-                               Auch den Universitäten fällt es immer wieder schwer, ihre             re an der TUM vertreten.
     nur, weil sie große Entdecker und Erfinder hervorgebracht            plex geworden;                                                                        Arbeitsweisen und Strukturen zu modernisieren. Angesichts
     hat, sondern weil damit die gegenseitige Innovationsbe-           • internationale Präsenz und Kooperation, um sich laufend an                            der technologiegetriebenen, globalen Herausforderungen                Die TUM befindet sich auf dem Weg zu einer digitalen Uni-
     fruchtung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft möglich               den besten Standards zu orientieren und die besten Nach-                              sind diese Veränderungen aber unausweichlich: Spitzenkräf-            versität, was bedeutet, dass die Digitalisierung Forschung,
     wurde. Eine langfristig stabile Schul- und Hochschulpolitik          wuchskräfte nach Bayern zu bringen;                                                   te und kritische Massen in den technologischen Zukunfts-              Lehre und Verwaltung verändert. Zugleich erforschen die
     auf hohem Niveau, verbunden mit hohen Kosten, sowie die           •A  llianzfähigkeit mit anderen Leistungsträgern, insbesonde-                           feldern, interdisziplinäre Forschungsansätze in »Integrativen         Wissenschaftler wichtige Aspekte digitaler Technologien von
     unternehmerische Leistung der Wirtschaft haben aus Bayern            re unter Nutzung der regional verfügbaren Forschungsstär-                             Forschungszentren« jenseits der klassischen Fakultäten,               den Grundlagen der Informatik über Anwendungen etwa im
     das gemacht, was wir heute sind: ein internationaler Premi-          ken (Universitäten und außeruniversitäre Einrichtungen);                              Internationalisierung, wettbewerblicher Ehrgeiz und Unter-            Bereich Bioinformatik, Big Data und IT-Sicherheit bis hin zu
     umstandort der Spitzenliga.                                       • Erweiterung des Wirkungsspektrums durch bayernwei-                                    nehmertum sind gleichermaßen angesagt.                                den gesellschaftlichen Auswirkungen. Die TUM bildet Studie-
                                                                          te Interaktion mit den Regionen, wofür das neue Zentrum                                                                                                     rende interdisziplinär für die Arbeit mit Informationstechnik
     Kann es dabei bleiben? Ja, aber nicht, wenn wir uns wohl-            Digitalisierung.Bayern mit Sitz in Garching der Probelauf ist;                        Die Zukunft gelingt nur in der Allianz aller Akteure. Die wich-       aus und fördert Ausgründungen, die aus Forschungserkennt-
     standszufrieden zurücklehnen. Die Innovationsgeschwindig-         • systematische Förderung der Ausgründungskultur, um jun-                               tigste Botschaft aber lautet: Der unternehmerische Spirit             nissen neue Technologien entwickeln. Vor diesem Hinter-
     keit hat sich innerhalb einer einzigen Generation so dramatisch      gen Unternehmergeist so zu beflügeln, dass unternehme-                                muss die Grundeinstellung unserer Gesellschaft werden.                grund strebt die TUM eine enge Zusammenarbeit mit dem
     beschleunigt, dass die bewährten alten Geschäftsmodelle              risch relevante Forschungsergebnisse erkannt und rascher                              Denn Unternehmertum ist die Drehscheibe der Wertschöp-                ZD.B an.
     und Arbeitsstrukturen nicht mehr greifen. Mit der Digitalisie-       als bisher auf die Innovationsschiene gebracht werden                                 fung, während die Innovation ihr Ursprung ist.                                       www.stmwi.bayern.de/digitalisierung-medien/
     rung ist ein neues Zeitalter angebrochen – mit tief greifen-         (UnternehmerTUM GmbH, TUMentrepreneurship);                                                                                       Wolfgang A. Herrmann                     bayern-digital/zentrum-digitalisierung-bayern/
     den Einschnitten in die Gewohnheiten unseres Denkens und          • Industry-on-Campus-Konzept: Academia, junge und etab-                                               überarbeiteter Nachdruck, Bayernkurier, 30. Juli 2015
     Handelns. Dieser Aufbruch trägt revolutionäre Züge. Neues            lierte Unternehmen entfalten ihre Synergien optimal, wenn

18     TUMcampus 4|15                                                                                                                                                                                                                                                               TUMcampus 4|15       19
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