Wie hast du's mit dem Klima? - Die Gewerkschaft - Vpod
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Oktober 2019 Das VPOD-Magazin erscheint 10-mal pro Jahr Die Gewerkschaft Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste Wie hast du’s mit dem Klima? Das grosse VPOD-Gespräch über Eisbären, Flugscham, Demokratie und Arbeitsplätze Ökologisches Mäntelchen? Der VPOD ist schon lange grün!
Editorial und Inhalt | VPOD Themen des Monats 5 Marschhalt mit Bratwurst Der 48. VPOD-Kongress findet am 8. und 9. November in St. Gallen statt 6 «Ein Phänomen mit grosser Tragweite» Die Expertenkommission hat zehntausendfaches Unrecht festgestellt Christoph Schlatter 7 Frau zückt die lila Karte ist Redaktor des VPOD-Magazins Der öffentliche Dienst muss in Gleichstellungsfragen vorangehen 9 «Reden mit» statt «reden über» Eine Tagung verlangt Bildung, Integration und Pepper Emanzipation für alle – auch für Geflüchtete Die Gewerkschaftslandschaft in der Schweiz ist zerklüftet. Alles andere wäre nach 150 Jahren Geschichte ein Wunder: Ein gemein- 11–17 Dossier: Klima und Gewerkschaft sames Ziel schafft ja keine Einigkeit über den Weg. Optimal wäre Schon lange grün – der VPOD hat die «ökologische (allein schon nach den Gesetzen der Physik), wenn die Verbände Wende» längst vollzogen einheitlich nach Arbeitgebern und nach Branchen aufgestellt wä- Das grosse VPOD-Klimagespräch mit Stefan Brülisauer, ren. So würfen sie ihr maximales Gewicht in die Waagschale. Da- Barbara Jörg, Jonas Kampus und Katharina Prelicz-Huber von sind wir weit entfernt. Die Unia, die den privatwirtschaftlichen Bereich abdecken soll, entsendet unentwegt Späh- und Stosstrupps auf das Organisationsgebiet des VPOD. Der Dachverband SGB ar- rondiert sein Portefeuille mit Berufsverbänden, die ebenfalls auf Rubriken VPOD-Terrain tätig sind und die Logik der gewerkschaftlichen Arbeitsteilung aushebeln. Und wir so: Gute Miene zum bösen Spiel. 4 Gewerkschaftsnachrichten Die Arbeitgeber freut’s. Auch ausserhalb der «roten» Organisationen ist Bewegung. Im Jahr 8 Aus den Regionen und Sektionen 2000 hat der Kaufmännische Verband die Einheit der «Angestell- tenorganisationen» gesprengt; die Folge war ein neuer Dachverband 17 Sunil Mann: Von Äpfeln, Birnen und anderem Gemüse namens Travail Suisse, zu dem sich nebst den verbliebenen Ange- stellten die (einst) christlichen Gewerkschaften gesellten, die vom 18 Wirtschaftslektion: Lohnentwicklung hilft auch der AHV VPOD früher mittels Broschüre («Ein Wort an die katholischen Ar- beitnehmer») scharf bekämpft wurden. Von diesem neuen Konglo- 19 Wettbewerb: Wassertiefenpsychologie merat haben sich 2012 wiederum die Angestellten Schweiz abgespal- ten. Sie suchen neuerlich die Nähe des KV und positionieren sich mit 20 VPOD aktuell ihm zusammen für uferlose Arbeitszeit à discrétion. Die Arbeitgeber lachen sich ins Fäustchen. 21 Hier half der VPOD: Steine in den Weg Da passt es, dass die Angestellten Schweiz offiziell einen Roboter als Mitglied aufgenommen haben, im Bestreben «Trends in der Arbeits- 22 Solidar Suisse: Schupf ins Berufsleben welt zu antizipieren». Die Verbandspresse beschwichtigt: Es handle sich nur um einen symbolischen Akt. Umso schlimmer. Ein Angestell- 23 Menschen im VPOD: Vanessa Salamanca, ter, der sich nicht mit unterschiedlicher Tagesform quält, der sich nicht Campaignerin/Mitarbeiterin Kommunikation beim auf die Pause und den Feierabend freut, der nicht krank und schon gar VPOD-Zentralsekretariat Zürich, Bern nicht schwanger wird, na prima. Einer, der Wertschätzung und Respekt nicht nötig hat und auch kein Tageslicht. Der in keinem Quartierverein oder Fussballclub ist und auf dessen Quality-Time daheim weder Kin- der noch pflegebedürftige Alte angewiesen sind. «Sozialleistungen kenne ich nicht, Ferien brauche ich nicht», sagte Redaktion /Administration: Postfach 8279, 8036 Zürich Pepper im Interview mit Radio SRF 3. «Und umkheie mit dem Velo Telefon 044 266 52 52, Telefax 044 266 52 53 tun i au nöd.» Sehr gut: Braucht’s also auch keine Unfallversiche- Nr. 8, Oktober 2019 rung. Pepper kostet in der Anschaffung einmalig 20 000 Franken; E-Mail: redaktion@vpod-ssp.ch | www.vpod.ch Lohn verlangt er keinen. Wäre ich Arbeitgeber, ich wüsste eine Ge- Erscheint 10-mal pro Jahr werkschaft mit derartigen Mitgliedern sehr zu schätzen. Oktober 2019 3
VPOD | Gewerkschaftsnachrichten Problematisch: Liebesverhältnis am Arbeitsplatz. Beendet: Mietverhältnis an der Bahnhofstrasse. mit der Arbeitszeiterfassungspflicht just jenes Instrument zerstört, das überhaupt erst die Kontrolle der Höchstarbeitszeiten und der Überzeit erlaubt. Jetzt müssen auch die Pläne zur Aufweichung der Höchstar- beitszeit und des Sonntagsarbeitsverbots begraben werden. | sgb Bahnhofstrasse Zürich: Manor muss raus Die grösste Warenhausgruppe der Schweiz, Manor, hat die Schlies- sung des Standorts an der Zürcher Bahnhofstrasse per Ende Januar 2020 kommuniziert. Es droht eine Massenentlassung im grossen Stil; 480 Mitarbeitende sind betroffen. Die Unia verlangt, dass Manor in anderen Filialen Lösungen für die Weiterbeschäftigung findet. Die Gewerkschaft widerspricht auch der Darstellung von Manor, unschul- diges Opfer des Immobilienmarktes zu sein. Seit Jahren sehen sich die Beschäftigten regelmässig mit Negativnachrichten konfrontiert. In Zürich habe das Unternehmen die Situation viel zu lange falsch ein- geschätzt. Mit dem Hinweis auf das Vermögen der Eigentümer – die Maus Frères in Genf besitzen 3 bis 3,5 Milliarden Franken – verbindet die Unia die Aufforderung, soziale Verantwortung zu übernehmen. | slt/unia (Foto: Myriam Thyes/Wikimedia CC) SEV zu Meyer-Rücktritt: «Zurück zum Kerngeschäft» Ombudsfrau sieht Liebe am Arbeitsplatz kritisch Der SEV nutzt den angekündigten Rücktritt von SBB-CEO Andreas «Wir haben in den vergangenen Jahren die Tendenz festgestellt, dass Meyer für einen Appell: «Es ist an der Zeit, dass die SBB sich wieder immer häufiger Verwandte, Verschwägerte, Partnerinnen und Part- auf ihr Kerngeschäft besinnen und auch die Unternehmenskultur neu ner, Freundinnen und Freunde nicht nur im gleichen Departement, ausrichten.» Es müsse wieder der Service public im Zentrum stehen, sondern vermehrt auch in der gleichen Behörde, in der gleichen Ver- und zwar mit guten Leistungen, hoher Sicherheit und angemessenen waltungsabteilung oder gar im gleichen Team tätig sind», schreibt die Preisen. Dazu gehört laut Giorgio Tuti, SEV-Präsident, zentral auch Stadtzürcher Ombudsfrau Claudia Kaufmann in ihrem Jahresbericht. das Vertrauen ins eigene Personal, das «weiss, wie Bahnbetrieb geht». Sie hält den Umstand für problematisch und sieht Loyalitätskonflik- Damit verbunden ist die Forderung nach einem Ende der unzähligen te, Interessenkollisionen und den Vorwurf von Klüngelei und Par- undurchsichtigen Spar- und Reorganisationsprogramme. | slt/sev teilichkeit als Folge. Zwar sei das Führen einer Liebesbeziehung ein Menschenrecht, das auch der Arbeitgeber zu achten habe. Der Schutz Publizistische Vielfalt stärken, aber . . . könne aber nicht grenzenlos sein. Wenn Spannungen im Team oder Der SGB und die Syndicom gehen einig mit dem Bundesrat, der die berechtigte Zweifel am professionellen Geschäftsverhalten aufträten, schweizerischen Medien stärker als bisher unterstützen will. Der SGB seien Massnahmen – im äussersten Fall die Auflösung des Arbeits- verlangt allerdings, dass sich die Massnahmen an der publizistischen verhältnisses – erforderlich. Kaufmanns Ombudsstelle vermisst vie- Vielfalt orientieren und nicht zum Geschenk für die Branchenriesen lerorts die entsprechenden Diskussionen und die daraus folgenden Tamedia, Ringier, NZZ und CH-Media verkommen. Die Aufhebung Leitlinien. | slt (Foto: wavebreakmedia/iStock) der Auflagenbeschränkung für die indirekte Subvention mittels Post- taxenverbilligung hätte aber genau diesen Effekt. Für die Gewerkschaf- Endlich kehrt Vernunft ein: Zeiterfassung bleibt ten steht ausser Frage, dass die Förderung nur an publizistische An- Der Ständerat hat die Parlamentarische Initiative der heutigen Bun- gebote gehen darf, welche einem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen, desrätin Keller-Sutter zum weitgehenden Verzicht auf Arbeitszeiter- die redaktionelle Unabhängigkeit garantieren und den Medienschaf- fassung beerdigt. Mindestens 26 Prozent der Arbeitnehmenden wären fenden gute Arbeitsbedingungen gewähren. Der Verzicht auf ein Me- davon betroffen gewesen. Endlich kehrt jetzt Vernunft ein, und der diengesetz sei akzeptabel, wenn dafür rasch gehandelt wird. Auch für Ständerat gibt dem breiten Widerstand aus Gewerkschaften und Ar- die Unterstützung von Onlinemedien sollen die genannten Kriterien beitsmedizin nach. Die Umsetzung der Initiative Keller-Sutter hätte gültig sein. | slt/sgb/syndicom 4 Oktober 2019
Kongress | VPOD Der 48.VPOD-Kongress findet am 8. und 9. November in St. Gallen statt Marschhalt mit Bratwurst Drei Positionspapiere, mehrere Gastbeiträge, allerhand Kleinarbeit an den Statuten sowie die obligaten Wahlen: Das ist das Programm des VPOD-Kongresses Nummer 48, zu dem Anfang November gegen 400 Delegierte und Gäste in St. Gallen erwartet werden. | Text: VPOD (Foto: Alexander Egger) Alle 4 Jahre treffen sich die Kongressdelegier- Der im 4-Jahres-Rhythmus ten des VPOD, um die vergangene Periode stattfindende VPOD-Kongress – hier der letzte, 2015 in Lau- Revue passieren zu lassen und Pflöcke und sanne – gibt Gelegenheit zur Leitplanken für die kommende zu setzen. Standortbestimmung. 2011 in Bern stand beispielsweise das Be- kenntnis im Mittelpunkt, dass die Gewerk- schaft eben mehr ist als eine Versicherung: Der VPOD will in erster Linie in kollektiven Auseinandersetzungen für bessere Arbeits- bedingungen und einen guten Service public für alle streiten. Vor 4 Jahren, 2015 im Lau- sanner Beaulieu, verpflichtete sich der VPOD auf die Menschenrechte als «Kompass für ge- werkschaftliches Handeln». politischen Ebene gesucht und Temperatur genommen gefunden. Mit einer Umfrage – «Kollegin, Kollege, In einem weiteren Grundlagen- wie geht es dir?» – hat der VPOD in diesem text – Arbeitstitel «Stark im Be- Frühling und Sommer seiner Mitgliedschaft trieb – offensiv in der Aktion» – die Temperatur und den Puls genommen. beschäftigt sich der VPOD erneut Wie zufrieden sind die Leute mit ihrer Ar- mit den Instrumenten, die ihm beitssituation? Wie gestresst, wie belastet, für die Durchsetzung seiner An- wie gesund? Wie flexibel müssen sie sein? liegen zur Verfügung stehen. An- Wie müde sind sie abends? Über 3000 Per- hand der Erfahrungen der letzten sonen haben den Fragebogen ausgefüllt; die Jahre – allen voran natürlich der Ergebnisse und Erkenntnisse werden eben- überwältigende Erfolg des Frau- falls in St. Gallen präsentiert werden. Sie enstreiks – wird erörtert, wie sich werden, so viel lässt sich jetzt schon sagen, Mobilisierung erzeugen lässt. Der gut zum Gastbeitrag der Soziologin Fabienne Text ist zugleich ein Bekenntnis Scandella vom Europäischen Gewerkschafts- zur basisdemokratischen Struk- institut ETUI passen. Und zum Positions- tur: Im VPOD entscheiden die papier 2, das den Arbeitstitel «Lasst uns un- Direktbetroffenen vor Ort, welche sere Arbeit machen» trägt. Massnahmen sie ergreifen. Dieser Text spiegelt die in vielen Branchen auffällige Erfahrung, dass sich Bürokratie Die Schweiz in Europa und Überadministration ausdehnen und für Ein dritter Schwerpunkt ist das Thema Eu- ren erneut. Etwas kompliziert wird allerdings den Kern der Arbeit immer weniger Zeit las- ropa. Die Thesen, die dem Kongress vor- das Wahlverfahren für die vakanten Sitze im sen. Im Positionspapier werden die Treiber gelegt werden, formulieren den Schutz der Landesvorstand, weil sowohl Geschlechter- als dieser Entwicklungen benannt (beispielswei- Arbeitnehmenden als Kernaufgabe der Ge- auch Sprachquoten zu berücksichtigen sind. se die Finanzierungssysteme, die Zergliede- werkschaften, stellen aber auch klar, dass die Bekannt ist, dass Kongresse nicht nur wegen rung bewirken und engmaschige Dokumen- Schweiz zu Europa gehört und dass sie auf des offiziellen Teils interessant sind, sondern tation erfordern). Natürlich strebt der VPOD geregelte Beziehungen zu den anderen Län- auch wegen der vielen Begegnungen und gleichzeitig nach Lösungen oder mindestens dern angewiesen ist. Gespräche am Rande. Weil die Olma-Hallen Verbesserungen. Wie man ihn kennt, wer- Die Wahlen dürften keine allzu hohen Wellen Tagungsort sind, dürften diesmal auch Fans den diese weniger auf der individuellen, viel- schlagen: Generalsekretär Stefan Giger und der originalen St. Galler Bratwurst auf ihre mehr auf der gewerkschaftspolitischen und Präsidentin Katharina Prelicz-Huber kandidie- Kosten kommen. Oktober 2019 5
VPOD | Geschichte Aufarbeitung fürsorgerischer Zwangsmassnahmen: Die Unabhängige Expertenkommission UEK hat ihren Schlussbericht vorgelegt «Ein Phänomen von grosser Tragweite» Über 60 000 Menschen wurden in der Schweiz des 20. Jahrhunderts ohne Delikt und ohne Verfahren in Anstalten gesperrt. Die Expertenkommission findet in ihrem Schlussbericht über administrative Versorgungen deutliche Worte: Willkür, Machtmissbrauch, folterähnliche Bestrafungen. | Text: Christoph Schlatter (Foto: Christian Beutler/Keystone) Die Unabhängige Entlastung. Die Frist für die Einreichung von Expertenkommission hat Gesuchen um den Solidaritätsbeitrag sollte ihre Untersuchungen zu aus Kommissionssicht ganz wegfallen. den Zwangsversorgungen abgeschlossen. Ein Haus für die andere Schweiz Ein «Haus der anderen Schweiz» zu errichten, ist ein weiterer Vorschlag der UEK. Es könn- te Ausstellungen und Veranstaltungen zum Thema beherbergen, aber auch Treff- und Beratungsort für Betroffene sein. Das Haus soll es zudem ermöglichen, die Beziehung zu jenen zu hinterfragen, die «mit ihrer Art und ihrem Verhalten gezwungenermassen oder ganz bewusst nicht den Lebensumständen und der Lebensweise entsprechen, die in einer bestimmten Zeit vorherrschend sind». Auch in die Schullehrpläne soll dieses beschämende Stück Schweizer Geschichte einfliessen. Die Untersuchungen der Unabhängigen Expertenkommissi- on sind in 10 Bänden und einem Schlussbericht im Chronos- Verlag erschienen. Vier Jahre hat die historische Arbeit zu den ten, wo die juristisch Unschuldigen oft dem administrativen Versorgungen in der Schweiz gleichen Regime wie Straffällige unterworfen in Anspruch genommen. Im September hat waren, kam es zu Machtmissbrauch, auch zu die vom Bundesrat eingesetzte Unabhängige sexuellen Übergriffen und «folterähnlichen Wie konnte das geschehen? Expertenkommission (UEK) unter Leitung Bestrafungen». Der Entlassungszeitpunkt Eine Frage trieb die Kommission sichtbar an und des Zürcher alt Regierungsrats Markus Not- war für viele Betroffene nicht absehbar. Häufig um: Wie konnte derart offensichtliches Unrecht ter ihre Ergebnisse vorgestellt. Sie charakte- seien sie auch danach im Visier der Behörden so breit und unwidersprochen stattfinden? Wie risiert das Geschehen als «Phänomen von geblieben und hätten «ein Leben lang mit der sorgen wir dafür, dass sich so etwas nie wie- grosser Tragweite». Mindestens 60 000 damit verbundenen Stigmatisierung zu kämp- derholt? Die UEK sieht «die stark fehleranfällige Menschen sind, ohne ein Delikt begangen fen» gehabt, schreibt die Kommission. und willkürliche Rechtsanwendung» als «Fol- zu haben und ohne ein Gerichtsverfahren, in Die wissenschaftliche Untersuchung des ge einer Gesetzgebung, die auf unbestimmte Anstalten eingewiesen worden. Grund: Sie massenhaften Menschenrechtsbruchs, die Rechtsbegriffe abstellte, den Behörden grosse galten als ««arbeitsscheu», «liederlich» oder in vielen Forschungen fortgesetzt wird, ist Ermessensspielräume einräumte und den be- «trunksüchtig», lebten am Rand der Gesell- ein Element der Rehabilitierung der Betroffe- troffenen Personen kaum Rechte zugestand». schaft und hatten keine Lobby. nen. Beschlossen und teilweise ausgerichtet Weiter prangern die Autorinnen und Autoren das sind finanzielle Soforthilfe und Solidaritäts- Fehlen einer wirksamen Aufsicht und eine «Kul- Lebenslanges Stigma beiträge. Aus Sicht der UEK braucht es aber tur des Wegschauens» an, die «die Augen vor Die UEK konnte zeigen, dass die Behörden weitere Massnahmen, auch finanzielle, weil Missständen in den Vollzugsanstalten und phy- häufig willkürlich handelten und Leute ein- viele Opfer noch immer unter prekären Um- sischen und sexuellen Übergriffen verschloss». sperrten, um politische Herausforderungen ständen leben. So möchte die Kommission Zum Glück hat sich der Rechtsstaat, auch dank zu bewältigen: «So wurden Versorgungen beispielsweise kostenlose SBB-Generalabos völkerrechtlichen Verbindlichkeiten, verbessert. etwa im Rahmen der Armenfürsorge, zur Be- ab- und damit einst geraubte Mobilität zu- Dennoch bleibt es ein Dauerauftrag an die ganze kämpfung des Alkoholismus, ... zur Wahrung rückgeben. Ein Fonds zur Deckung nichtver- Gesellschaft, das Verhältnis zwischen der Ge- der öffentlichen Ordnung und Moral oder zur sicherter Gesundheitskosten und der Erlass meinschaft und den Rechten des Individuums in ‹Umerziehung› eingesetzt.» In den Anstal- von Steuerschulden brächte zusätzlich vielen der Balance zu halten. | Christoph Schlatter 6 Oktober 2019
Gleichstellung | VPOD Resolution der VPOD-Delegierten: Der öffentliche Dienst muss in Gleichstellungsfragen eine Vorreiterrolle einnehmen Frau zückt die lila Karte Der Frauenstreik vom 14. Juni hat gewaltig Geschichte geschrieben. Jetzt will der VPOD das heisse Eisen schmieden: Gerade der öffentliche Bereich trägt eine besondere Verantwortung. Die gewerkschaftliche Forderungsliste umfasst 10 Punkte. | Text: VPOD (Foto: Alexander Egger) Bald vier Monate sind seit dem Frauenstreik Foul! Lila Karte! vergangen, der grössten Demo in der Schwei- Das Spiel ist unterbrochen! zer Geschichte. Die VPOD-Delegiertenver- sammlung vom September (siehe auch Sei- te 20) hat daher einen Appell lanciert. Für VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber ist klar: «Der öffentliche Dienst muss vor- angehen und exemplarische Arbeitsbedin- gungen bieten, welche die Gleichstellung fördern.» Notwendig sind eine Initiative zur Aufwertung der sogenannten Frauenberufe sowie konkrete Massnahmen für die Verein- barkeit. Alle Geschlechter sollen sich an den Betreuungsaufgaben beteiligen. Auslagerung trifft Frauen speziell Noch ist der öffentliche Dienst weit davon entfernt, in Fragen der Gleichstellung ein ex- emplarischer Arbeitgeber zu sein, und die Ab- baupolitik verschärft das Problem. Das sieht auch VPOD-Vizepräsidentin Cora Antonioli so: «Wir sind immer wieder mit Privatisie- rung und Auslagerung konfrontiert, wie etwa 1. Der VPOD fordert eine Aufwertung der Frau- ten bezahlten Elternurlaub einführen, auch aktuell bei der Reinigung im Spital Tafers im enberufe durch eine Anhebung aller Lohn- für gleichgeschlechtliche Eltern und Adoptiv- Kanton Freiburg. Outsourcing geht immer klassen, in denen überwiegend Frauen tätig eltern. mit einer Verschlechterung der Arbeitsbe- sind. 7. Der VPOD fordert räumliche und zeitliche Vor- dingungen einher.» Auch beim genannten 2. Der VPOD wehrt sich gegen Auslagerungen kehrungen für Schwangere und Stillende so- Beispiel sind überwiegend Frauen betroffen. und fordert die Rückführung von ausgelager- wie generell Stellvertretungen für alle Frauen Antonioli nimmt die Lage daher ebenfalls als tem Reinigungspersonal in den öffentlichen im Mutterschaftsurlaub. «sehr unbefriedigend» wahr: Auch im öffent- Dienst oder in subventionierte Betriebe. 8. Der VPOD lehnt jede Erhöhung des Frauen- lichen Dienst wird nicht genug in Frauenlauf- 3. Der VPOD fordert eine Arbeitszeitverkür- rentenalters ab und fordert eine Rente ab 60 bahnen und in den Abbau von Barrieren in- zung, damit Frauen aus der Teilzeitfalle im Gesundheitssektor, ausserdem Regelun- vestiert. Auch die Bekämpfung von Sexismus kommen und die unbezahlte Arbeit geteilt gen für Altersteilzeit für Personen ab 55. und sexueller Belästigung ist ungenügend. werden kann. Ausserdem fordert der VPOD 9. Der VPOD fordert eine geschlechtergerechte Die Liste des VPOD (rechts) zeigt, wo im öf- eine öffentlich finanzierte gute Kinder- und Sprache. Sensibilisierungskampagnen sollen fentlichen Dienst Handlungsbedarf besteht. Altersbetreuung mit guten Arbeitsbedingun- für einen respektvollen Umgang mit Frauen Die Konkretisierung der Punkte muss vor Ort gen. und LGBTIQ-Menschen am Arbeitsplatz und in den Kantonen und Gemeinden geschehen. 4. Der VPOD wehrt sich gegen Flexibilität zu- in der Schule sorgen. Gegenüber Sexismus Die öffentlichen Arbeitgeber sind aufgefor- gunsten des Arbeitgebers und fordert Ar- und sexueller Belästigung gilt Nulltoleranz. dert, das Tempo zur Umsetzung der Gleich- beitszeiten, die mit Familien- und Privatleben 10. Der VPOD fordert angepasste Berufskleidung stellung zu erhöhen, indem sie Projekte und vereinbar sind. für Frauen in mehrheitlich von Männern aus- Diskussionen starten. Überall dort, wo im 5. Der VPOD fordert die Anerkennung der unbe- geübten Berufen, getrennte Duschen und Rahmen oder in der Folge des Frauenstreiks zahlten Betreuungs- und Sorgearbeit in den Umkleidekabinen sowie Sicherheitsmassnah- Forderungen oder Anfragen eingereicht wur- Sozialversicherungen. men für das weibliche Personal an sensiblen den, braucht es jetzt Verhandlungen. Der 6. Der VPOD fordert, dass die öffentlichen Ar- Arbeitsplätzen und auf dem Arbeitsweg, ins- Frauenstreik war erst der Anfang! beitgeber vorausgehen und rasch einen ech- besondere für Frauen, die nachts arbeiten. Oktober 2019 7
VPOD | Aus den Regionen und Sektionen Zürcher Märchen: Überregulierte Kitas. Arboner Geschichte: Doch nicht mehr Lohn. Arbeit erleichtern. Die Gewerkschaft verlangt unter anderem: Lohn- klasse 19 auf der Kindergartenstufe, die Anrechnung von Therapie und DaZ-Unterricht als vollwertige Erfahrung und die Versicherung aller Lohnbestandteile in der Pensionskasse. Auch zur Umsetzung einer Elternzeit oder eines längeren Vaterschaftsurlaubs präsentiert der VPOD eine praktikable Lösung: Er hat das Formular «Voranzeige der Geburt» modifiziert, so dass auch werdende Väter es verwenden können. Das Instrument sei zwar vom Volksschulamt nicht so ge- dacht, könne aber «im Sinne eines kreativen zivilen Ungehorsams» auf diese Weise verwendet werden, rät der VPOD. | vpod Freiburg: Lohnklasse 13 für FaBe Die Fachpersonen Betreuung FaBe sind, obwohl der Beruf jung ist, ein unersetzbares Glied in der Versorgung von Menschen mit Be- einträchtigung und von Betagten. Ihre Kompetenzen werden, wie die neueste Verordnung des Bundes zeigt, zunehmend ausgeweitet, namentlich bei den medizintechnischen Verrichtungen. Dieser Ent- wicklung müsse auch die Lohneinreihung Rechnung tragen, sagt der VPOD Freiburg. Er will die FaBe, die heute in den Lohnklassen 11 und Arboner Stapi verzichtet auf mehr Lohn 12 angesiedelt sind, in die Lohnklasse 13 verschieben. | vpod Weil der VPOD die Ungleichbehandlung mit dem übrigen Stadtper- sonal kritisiert hatte, verzichtet der Stadtpräsident von Arbon, Do- Bern: Endlich höhere Löhne an der Volksschule minik Diezi (CVP), auf eine Lohnerhöhung. Der Stadtrat hatte dem Die Lehrpersonen in der Berner Volksschule bekommen dank höhe- Stadtparlament ein Plus von 3,5 Prozent beantragt, was den berech- rer Einstufung mehr Lohn. Mit dem Ausgleich der Teuerung und der tigten Zorn des VPOD hervorrief. Die Gewerkschaft erinnerte daran, Anpassung der Pikettentschädigung sind weitere Forderungen des dass den städtischen Angestellten die wöchentliche Arbeitszeit erst VPOD wenigstens teilweise erfüllt: Der eklatante Lohnrückstand zu jüngst um 1 Stunde erhöht wurde und dass geplante Lohnerhöhun- den Nachbarkantonen wird wenigstens ein Stück weit verringert. Of- gen wieder zurückgenommen wurden. Mit Blick auf diese Vorge- fen bleibt aus Sicht des VPOD aber die Frage, wie die Lücke vollstän- schichte fand es der VPOD empörend, dass allein der Stapi mehr dig geschlossen werden kann: Der Kanton muss seine Verantwortung bekommen soll. Dessen Verzicht glättete die Wogen. Einstweilen. wahrnehmen und die guten Lehrkräfte im Kanton halten. | vpod | slt (Bild: Matthäus Merian, 1643) Auch in Baselland ist Umkleiden Arbeitszeit Zürich: Kitas als Profitcenter? Der Baselbieter Regierungsrat bestätigt, was der VPOD schon lange Der Zürcher Kantonsrat will «mehr unternehmerische Freiheit für weiss: «Umkleiden ist Arbeitszeit». Der VPOD Region Basel fordert Krippen» und hat drum die Vorgaben punkto Betreuungsschlüssel jetzt erst recht eine rasche Umsetzung an den Spitälern des Kantons. und Qualifikation gesenkt. Die bürgerlichen und rechten Parteien be- Wichtig ist, dass die Sozialpartner dort, wo die konkreten Regeln ge- haupten, die Kitas würden von zu vielen Vorschriften geplagt. Das ist macht werden, einbezogen sind. Die Anrechnung als Arbeitszeit darf barer Unsinn und versteckt nur ungenügend, worum es ihnen eigent- auf keinen Fall zulasten des Personals erfolgen. | vpod lich geht: Profite auf Kosten jener, die in Kitas arbeiten. Der VPOD sagt: 1. Schluss mit Profit-Kitas. 2. FDP, SVP, CVP und GLP abwählen. Zürich: Alle Kindergartenlehrerinnen in die 19 | vpod (Foto: monkeybusinessimages/iStock) Die Zürcher Bildungsdirektion will die Kindergartenlehrpersonen eine Lohnklasse höher einreihen. Endlich!, sagt der VPOD, der das VPOD Zürich Lehrberufe: Ziviler Ungehorsam schon lange fordert. Skandalös ist allerdings, dass die erfahrenen Die Politik tut sich schwer, die klare Willensäusserung des Frau- Lehrpersonen, die ihre Ausbildung noch vor der Erfindung der PHs enstreiks in die Tat umzusetzen. Der VPOD Lehrberufe legt daher gemacht haben, leer ausgehen sollen. Der VPOD findet das diskrimi- eine Serie konkreter Vorschläge vor, die der Bildungsdirektion die nierend; er hat die Petition «Lohnklasse 19 für alle!» lanciert. | vpod 8 Oktober 2019
Migration | VPOD Tagung von VPOD und SOSF: «Geflüchtete – Bildung, Integration und Emanzipation» in Bern «Reden mit» statt «reden über» Die nationale Tagung über und für Geflüchtete war nicht nur punkto Teilnahme ein grosser Erfolg. Ihr gelang auch der Spagat zwischen anregender Fachdiskussion und wirkungsvoller politischer Positionsfindung. | Text: Fabio Höhener, VPOD-Sekretär Zürich Lehrberufe (Foto: Florian Thalmann) «Oft spricht man über uns und nicht mit An der VPOD-Tagung uns», erklären Natnael Akeza und Mo- wurde der Anspruch auf Bildung für alle hammad Sulaiman von der Bühne des voll- bekräftigt. besetzten Saals im Campus Muristalden in Bern. Ihnen gegenüber sitzen Fachpersonen und Aktivistinnen aus dem Bildungs- und Sozialbereich. 200 Personen aus der ganzen Schweiz haben sich zur Fachtagung «Ge- flüchtete – Bildung, Integration und Eman- zipation» versammelt. Damit die berechtigte Kritik der beiden Aktivisten auf diese Veran- staltung nicht zutreffe, haben die Verbände VPOD und Solidarité sans frontières (SOSF) die Stimme der Direktbetroffenen an den An- fang der Versammlung gestellt. Rahmenbedingungen schaffen «Unsere Stimmen» heisst bezeichnender- weise das Partizipationsprojekt des National System», ruft beispielsweise Heiner Busch rungsdruck ist in der Berufsbildung höher Coalition Building Institute (NCBI). Erfreu- von SOSF in den Saal. Er untermauert seine als in allgemeinbildenden Schulen»: Das hat licherweise decken sich die Forderungen der Aussage mit Zahlen zu den Rückschaffun- eine von ihr geleitete Studie ergeben. Dabei Betroffenen im Bereich Schule und Bildung gen. Die Diskussion im Plenum zeigt: Oft drücke das duale Schweizer Bildungssystem weitgehend mit den 11 Thesen, welche als tut sich ein Widerspruch auf zwischen dem Jugendliche mit Fluchterfahrung viel zu stark Diskussionsgrundlage der Tagung dienen. politisch Machbaren und dem Anspruch, in eine Berufslehre. Sie sollen möglichst Das Recht auf Bildung für alle, sei es in der Geflüchteten unabhängig von Alter, Schul schnell finanziell unabhängig sein, anstatt ihr Grundschule oder im nachobligatorischen erfahrung und Aufenthaltsstatus ein dis- intellektuelles Potenzial zu entwickeln. Bereich, sowie geeig- kriminierungsfreies nete finanzielle und Bildungsangebot be- Kurse für Spätzugewanderte strukturelle Rahmen- Wie es weitergeht reitzustellen. Doch Da passt das Bildungsangebot, das Anna Brü- bedingungen sind Auf der Basis der Diskussionen an der Tagung nicht nur Mängel, gel vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk zentral im Positions- und der späteren Rückmeldungen entwickeln sondern auch posi- vorstellt: In Schaffhausen können spätzu- papier, das an dieser VPOD und SOSF das Positionspapier «Gleich- tive Entwicklungen gewanderte Migrantinnen und Migranten Ta g u n g m i t Hi l f e wertige Bildung für alle – keine Diskriminie- werden ausgetauscht, Intensivkurse in der nachobligatorischen Bil- der anwesenden Bil- rung von Geflüchteten!» weiter. Auch die Ver- insbesondere in den dung besuchen, die den Übergang in eine Be- dungsfachleute und netzung unter den beteiligten Organisationen Workshops. rufsausbildung ermöglichen sollen. Alle, die A k t i v i s t i n n e n d e r und Personen wird vorangetrieben. Ziel ist, B e s u c h i m R a u m den Sprung in eine Coiffeur- oder Kochlehre Asyl-Bewegung wei- dass diese am 18. Januar 2020 in Bern offi- TR 10: «Zugang von schaffen, bucht Brügel unter «Erfolge». Die- terentwickelt werden ziell Forderungen für eine Verbesserung der Ge f l ü c h t e t e n z u r ser konkrete Ansatz verdeutlicht, dass trotz soll. Bildungssituation von Geflüchteten verab- Berufsbildung, zu vieler Widersprüche, unterschiedlicher Er- Den zahlreichen For- schieden und eine entsprechende Kampagne Mittelschulen und fahrungen und gesellschaftlicher Realitäten derungen wird am starten. Parlamentarische Vorstösse werden Hochschulen.» Zwei eine fortschrittliche Politik möglich ist – eine Tagungsmorgen die folgen. Dem VPOD-Kongress im November Dutzend Teilnehmen- Politik, die den Bildungserfolg jeder und je- Realität gegenüberge- liegt der Antrag vor, dass unsere Gewerk- de lauschen den Aus- des Einzelnen fördert, ohne das grosse Ganze stellt. «Es herrscht ein schaft die für die Lobbyarbeit notwendigen führungen von Kath- aus den Augen zu verlieren. Die Fachtagung regelrechter Verfah- Ressourcen weiterhin bereitstellt. | Johannes rin Oester von der PH hat gezeigt, dass der VPOD wesentlich zum renskrieg im Dublin- Gruber, VPOD Bern. «Der Assimilie- Gelingen dieses Anspruches beitragen kann. Oktober 2019 9
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Dossier: Klima und Gewerkschaft Der VPOD hat schon in den 1980er und 1990er Jahren die «ökologische Wende» vollzogen Schon lange grün Plötzlich ist der Klimawandel das Megathema, und die Gewerkschaften sind dabei. Ist das billige Anbiederung? Reflexartige Zustimmung, weil irgendwie «links»? Der VPOD muss sich kein Mäntelchen umhängen, er ist seit mindestens drei Jahrzehnten grün. | Text: Christoph Schlatter (Fotos: Bildarchiv ETH-Bibliothek) Die Entwicklung von einem technik- und Zunehmend fortschrittsgläubigen zu einem grünen VPOD umstritten: Autobahnbau. lässt sich anhand der jeweils an den Kongres- sen beschlossenen Arbeitsprogramme nach- vollziehen. «Besser leben» wollte man noch 1964 am VPOD-Verbandstag in Luzern. Und zwar so: «Geräte, die ganze Produktionsan- lagen dirigieren, Erfahrungen sammeln und sich selbst korrigieren, werden konstruiert . . . Biologen verändern die Pflanzen- und Tier- welt, steigern den Nahrungsreichtum der Er- de und verbessern die Methoden der Lebens- mittelkonservierung . . . Neue Energiequellen werden erschlossen, neue Kunststoffe entwi- ckelt, neue Heilverfahren und Medikamente entdeckt . . . Die modernen Verkehrsmittel und die Übertragung von Wort und Bild las- sen die Menschen der entferntesten Erdteile nis entspreche, öffentlich bereitstellen solle. se auf der N1 – heute A1 – könne man ruhig zu Nachbarn werden, und schliesslich öffnet Das Protokoll spiegelt den Kampfgeist vieler bestehen lassen, sonst schwelle der Verkehr ihnen die Atomkraft auch den Weg in die Fer- junger VPOD-Mitglieder, vorab aus der Sek- bloss weiter an. VPOD-Verbandssekretär Willy nen des Weltalls.» Auf diese Weise würden tion Zürich-Lehrberufe, die mit und in der Pouly sah in diesem Ansinnen eine regelrech- «die Grundlagen für eine Welt des Überflus- Gewerkschaft Politik machen wollten – und te Diskriminierung der ländlichen Regionen. ses erschlossen», heisst es im Programm. zwar grüne Politik. Für einen Arbeiter im Alpental sehe die Welt So sagte etwa die spätere VPOD-Vizepräsiden- halt anders aus als für eine Lehrerin in der Abschied vom Überfluss tin Regina Stauffer, Kindergärtnerin: «Unsere Grossstadt. (Die fraglichen Kleeblatt-Initiati- Überfluss? 1985, am Kongress von Lugano, Arbeit wird direkt beeinträchtigt. Turnen und ven, die einen Ausbau der Autobahn an drei ist davon nicht mehr die Rede. Erstmals wird Spiele im Freien können heute nicht mehr Stellen des Mittellandes verhindern wollten, das Wirtschaftswachstum kritisch gesehen: ohne erhöhtes Risiko für die Kinder durchge- hatten in der Abstimmung 1990 keine Chan- «Die Zerstörung der Umwelt ist die Folge führt werden; sie leiden ohnehin öfters unter ce und unterlagen mit Zweidrittelmehrheit.) einer schrankenlosen Wachstumspolitik, dauerndem Schnupfen, Asthma, Bronchi- welche keine Rücksicht auf die Erhaltung tis und anderen allergischen und nervösen Wie bei Homer Simpson des ökologischen Gleichgewichts nimmt.» Es Krankheiten.» Daher reichten die «allgemei- Zwischen den Kongressen von 1985 und bestehe ein Gegensatz zwischen den «einsei- nen Absichtserklärungen» des Textentwurfs 1988 liegt die Katastrophe von Tschernobyl, tigen, profitorientierten Interessen der Wirt- nicht aus. Edith Zumbühl sah die gesamte welche die Meinung über die Zukunftsfähig- schaft» und den «Forderungen nach einer Menschheit bereits in einer «lebensbedro- keit der Atomenergie gekippt hat. Der VPOD menschengerechten Umwelt». henden Situation»: «Es geht nicht um unsere hatte den Ausstieg schon vorher formuliert, Natürlich nehmen der Nahverkehr und die Um-Welt, um etwas, was ausserhalb von uns wenn auch nicht so deutlich. 1985 sagte der Energiebranche eine Sonderstellung in den liegt, es geht um unsere Mit-Welt, um unsere Kongress: «Auf den Ausbau der nuklearen VPOD-Überlegungen ein. Beim Verkehr Welt, um unsere Existenz überhaupt.» Energiekapazität ist grundsätzlich zu ver- setzt der VPOD auf eine Verlagerung vom zichten.» Das Wort «grundsätzlich» lässt ge- privaten auf den öffentlichen Verkehr. Letz- Stadt-Land-Gegensatz ringfügigen Spielraum offen. Ein Abweichen terer müsse attraktiver, dichter, bequemer Konkret wurde dann aber über den Autobahn- vom Grundsatz sei allerdings «nur dann werden – und günstiger. Am Folgekongress, ausbau gesprochen, wobei sich ein Stadt-Land- überhaupt in Erwägung zu ziehen», wenn 1988 in Zürich, werden die Forderungen Gegensatz auftat. Zusätzlicher Strassenraum das Atommüllproblem inklusive Endlage- noch erweitert, beispielsweise um den Nacht- erhöhe automatisch die Attraktivität des Auto- rung gelöst, die Nachfrage nicht anderweitig verkehr, den man dort, wo er einem Bedürf- fahrens, fand Städterin Stauffer. Auch Engpäs- zu befriedigen und die direktbetroffene Be- Oktober 2019 11
Dossier: Klima und Gewerkschaft tastrophe sollte uns allen zu denken geben. Boden, Wasser und Luft sind unser Leben und dürfen nicht dem Profit geopfert wer- den», folgert der Bericht aus dem Baselbiet; auf den Umstand, dass der Super-GAU ja nicht in der profitorientierten Hälfte der Welt eingetreten war, geht man nicht ein. Aus für Zwentendorf In den folgenden Ausgaben liefert Der öffentli- che Dienst weitere Betrachtungen nach. Unter anderem einen Kommentar des «Nonkonfor- misten» und Basler Politikprofessors Arnold Künzli, der sich am «Super» im Wort «Super- GAU» abarbeitet und feststellt, es sei alles nicht so schlimm – sondern in Wirklichkeit noch viel schlimmer. Einer der Cartoons des damaligen VPOD-«Hauszeichners» René Gilsi Das letzte seiner Art: AKW Gösgen. zeigt die Schweizer Atomindustrie beim «Ge- bet»: «Wir danken dir, o Herr, dass wir nicht sind wie die Russen und dass bei unserer Pri- völkerung einverstanden sei. 1988 dann das lange Güterzüge mit Kohle benötigen», ist in maqualitätsarbeit überhaupt nichts passieren Glaubensbekenntnis in der heute bekannten einem ganzseitigen und reichbebilderten Bei- kann. Und wenn dann gegen alle statistische Form: «Der VPOD befürwortet den Ausstieg trag zu lesen: Luftaufnahme, Rohrsystem, Ma- Wahrscheinlichkeit doch etwas passiert, war aus der Atomenergie.» schinenraum und Kontrollzentrum (letzteres es eben dein unerforschlicher Ratschluss, und Diese Energiewende spiegelt sich auch in fast wie bei Homer Simpson in Springfield). wir können nichts dafür.» Und der Schriftstel- der Verbandspresse. Noch 1970 wird die Er- Der Reaktorbrand in Tschernobyl war das ler Hans Rudolf Hilty stellt fest, dass in Öster- öffnung des ersten «Kernkraftwerks» in der Ereignis des Frühjahrs 1986. Im Gegensatz reich – das ja «weit nach Osten, gegen den Ort VPOD-Zeitung unkritisch und gar als Beitrag zu späteren global wahrgenommenen Katas- der Gefahr hin» sich ausdehne – das fertigge- zum Umweltschutz gewürdigt. «Den Ausfüh- trophen – etwa 9/11 – sickerte die Nachricht stellte, aber nicht in Betrieb genommene erste rungen von Direktor Fritz Aemmer war zu langsam ins schweizerische Bewusstsein. Das AKW Zwentendorf hiermit endgültig gestor- entnehmen, dass Beznau I einen jährlichen zeigt sich auch im VPOD-Verbandsorgan, ben sei. Und dass man den Salat im Speisewa- Brennstoffbedarf von rund 13 Tonnen ange- das damals noch wöchentlich erschien. In gen mit dem Hinweis auf seine Herkunft «aus reichertem Uran 235 benötigt. Für die damit der Ausgabe vom 9. Mai findet der «Atom- dem Glashaus» serviert bekomme. Hilty hatte mögliche Produktionsmenge an elektrischer unfall in der UdSSR» lediglich am Rand Er- schon 1962 im Roman «Parsifal» seinen Prot- Energie würde ein thermisches Kraftwerk wähnung: in der Berichterstattung über den agonisten Ekkehard Gilg radioaktiv verseuchte rund 600 000 Tonnen Öl oder täglich zwei 1. Mai in Basel und in Pratteln. «Die Atomka- Thunfischkonserven essen lassen. Ökoteufel im Detail In welcher Weise Umweltanliegen in eine so di- der Kongress – und stimmte dem Antrag mit rektdemokratische Organisation wie den VPOD knapper Mehrheit zu. Ein vergleichbares Ansin- einfliessen, zeigt ein Beispiel vom VPOD-Kongress nen war am Kongress 2015 der Antrag, wonach 1988. Die Sektion Zürich Staatspersonal stellte der VPOD Teil der Blue Community werden und den Antrag, im VPOD «für Drucksachen und Kopi- auf Mineralwasser in Flaschen verzichten solle. en wo immer möglich Umweltschutzpapier» ein- Der Vorstoss wurde zur Prüfung entgegenge- zusetzen. Der damalige Verbandsvorstand wollte nommen. Inzwischen ist das VPOD-Sekretariat sich nicht festlegen und den Antrag lediglich zur punkto Flaschenwasser gerüstet und kann die Prüfung entgegennehmen; es ergäben sich Prob- T V-Werbungsfrage «Und du? Was machsch leme bei der Archivierung (schlechte Haftung des du für d’Umwält?» reinen Herzens beantwor- Toners, rasches Verblassen der Schrift), zudem ten: Vor dem Sitzungssaal in Wiedikon ist ein würden möglicherweise die Kopiergeräte durch Brunnen installiert, der Leitungswasser zu die harten Partikel überbeansprucht. kühlen und mit Kohlensäure zu versetzen in Durch die Formulierung «wo immer möglich» der Lage ist. | slt (Foto: Svea Anais Perrine/ sei diesen Bedenken Rechnung getragen, fand photocase.de) 12 Oktober 2019
Dossier: Klima und Gewerkschaft Stefan Brülisauer, Barbara Jörg, Jonas Kampus und Katharina Prelicz-Huber unterhalten sich übers Klima «Nicht für die Eisbären, sondern für uns» Der VPOD-Sekretär Luftverkehr, Stefan Brülisauer, und aus dem Landesvorstand Präsidentin Katharina Prelicz-Huber und Barbara Jörg treffen auf den klimabewegten Gymischüler Jonas Kampus. Haben Gewerkschaft und Klimabewegung gemeinsame Ziele? Gelingt der Umbau mit Zwang oder mit neuen Technologien? | Text und Foto: Christoph Schlatter (Fotos: slt und Georgios Kefalas/Keystone [«Make Love»]) Stefan Brülisauer ist Jonas Kampus ist Katharina Prelicz-Huber ist Barbara Jörg ist Mitglied VPOD-Sekretär Luftverkehr. Kantonsschüler und aktiv bei Präsidentin des VPOD, Stadtzürcher des VPOD-Landesvorstands und der Klimajugend. Gemeinderätin der Grünen sowie Gärtnerin bei Stadtgrün Bern. Nationalratskandidatin. VPOD-Magazin: Wir haben ja heute den Folgen der Klimaerwärmung am stärks- ren und die Pandas, sondern für mich und quasi eine «Schweizer Greta» in unserer ten getroffen werden wird. Und sie sind die- meine Mitmenschen. Ich will nicht, dass die Runde. Jonas, wie bist du politisiert jenigen, die vielleicht das Steuer noch herum- Welt kaputt geht, in der ich leben soll. und «klimatisiert» worden? reissen können. Das Thema ist ja nicht neu. Trotzdem hätte vor Jonas Kampus: Am Anfang stand der Kampf Stefan Brülisauer: Was für ein Paradox: Der einem Jahr niemand gedacht, dass wir 2019 gegen steuersenkungsbedingte Abbaumass- Kapitalismus ist als Gewinner der Geschich- in der Schweiz Massendemos haben werden. nahmen an unserer Kantonsschule. Das war te durchmarschiert – und gleichzeitig geht Prelicz-Huber: Ja, die Fakten sind bekannt – mein erstes politisches die Welt vor die Hun- auch wenn einige sie noch immer leugnen. Engagement. Am Thema de. Das Pariser Ab- Aber die Politik hat nicht adäquat reagiert. Sie Klima war ich auch schon «Die Leute lassen sich kommen von 2015 ist hat nicht die nötigen Anreize gesetzt, sonst lange dran. An der Klima- bewegen, wenn man sie am totes Papier geblieben. hätten wir längst schon das Nullenergiehaus konferenz von Kattowitz empfindlichsten Körperteil In diesen Widerspruch und das Einliterauto, die schon in den 1960er Jahren bekannt waren. letzten Dezember kam trifft: dem Portemonnaie.» hinein stösst Greta für mich so etwas wie die und findet die nötige Jörg: Die Leute lassen sich durchaus bewe- Barbara Jörg Initialzündung. Als die Öffentlichkeit. Es gab gen, wenn man sie an ihrem empfindlichsten Klimademos mit Greta in der Weltgeschich- Körperteil trifft: dem Portemonnaie. Thunberg Fahrt aufnahmen, war ich bereit, te immer wieder solche Momente, wo eine Kampus: Auch mir war schon vor Jahren in der Schweizer Klimastreik-Bewegung mit- einzelne Person gewaltige Veränderungen klar, dass etwas geschehen muss. Aber was? zutun. anstiess. Damals hat man noch beratschlagt, ob man Warum kommt diese Bewegung Katharina Prelicz-Huber: Auch aus meiner vielleicht einen Brief an Umweltministerin gerade jetzt? Und welche Hoffnung Sicht ist die Klimabewegung die lang erwar- Leuthard aufsetzen soll . . . verbindet ihr «Älteren» damit? tete Antwort auf die neoliberale Welle, die Jörg: Solche Übungen kenne ich. Als ich in Barbara Jörg: Auf einem Buchzeichen, das uns seit dem Mauerfall gefangen hält. Mir jüngeren Jahren Greenpeace-Aktivistin der mich seit Jahren begleitet, steht unter dem machen diese Demos jedenfalls Mut. Und ich zweiten Reihe war – also nicht bei den ganz Bild unseres blauen Planeten der Satz: «Die finde gut, dass ihr nicht von abstrakten Din- harten Sachen dabei –, gab es immer mal Mietsache ist schonend zu behandeln und gen sprecht, sondern von euch selber. Dass wieder derartige Briefaktionen. Die Briefe in gutem Zustand zurückzugeben.» Die Ju- ihr sagt: Es geht um unser Leben; wir wollen, landeten allesamt in der Schublade oder im gendlichen sind sicher prädestiniert für die- verdammt nochmal, eine Zukunft! Altpapier. Daher freue ich mich über die sen Protest. Sie sind jene Generation, die von Kampus: Ich kämpfe nicht nur für die Eisbä- Energie und Dynamik der neuen Bewegung. Oktober 2019 13
Dossier: Klima und Gewerkschaft Aber bereits droht eine Spaltung. Die freie Tage zum Verreisen. Und hier bei uns, genau diese Menschen, die dann von Stür- einen verlangen individuellen Verzicht und wo sich diese Frage stellt, liegen die Fehler in men, Dürren und anderen Folgen des Kli- beschämen jene, die immer noch Fleisch einer Politik, die das Fliegen staatlich geför- mawandels besonders getroffen werden. Die essen und Flugreisen unternehmen. Und die dert und so pervers billig gemacht hat. Klimafrage ist also eine soziale Frage. anderen wollen sich in ihrem Leben nichts Kampus: Individuell lebe ich recht ökologisch, Brülisauer: Und was machen wir mit unserem vorschreiben lassen, jetten weiter munter wenn ich das so sagen darf. Ich esse kein linken Traum, Reichtum für alle zu schaffen? durch die Weltgeschichte und verlangen erst Fleisch, ich fliege nicht, ich fahre nicht Auto. Prelicz-Huber: Ich habe unser Engagement einmal «griffige Massnahmen der Politik». Aber ich würde nie jemandem ein schlechtes nie so verstanden, dass wir Reichtum für Prelicz-Huber: Es gibt missionarische oder Gewissen machen, der oder die sich anders alle wollen. Sondern – fundamentaler Unter- extremistische Haltungen, die mich schau- verhält. Warum nicht? Ganz einfach: weil uns schied – eine würdige Existenz für alle. Ma- dern machen. Wenn einzig die vegane Le- das unserem Ziel keinen Millimeter näher- terielle Existenzsicherung ist dafür natürlich bensweise die Welt retten soll, zum Bei- bringt. Wir müssen aufs grosse Ganze sehen. Voraussetzung, aber es braucht auch Bildung, spiel . . . Andererseits finde ich es nicht falsch, Noch immer stammen 87 Prozent der Ener- Gesundheitswesen, Zeit. individuell die Erfahrung zu machen, dass gie aus fossilen Brennstoffen. Und drei Vier- Grundsatzfrage: Kann man im kapitalistischen ein ökologischeres Leben keineswegs zwin- tel der fossilen Rohstoffe werden via Schweiz System die Klimafrage lösen? gend mit Verlust verbunden ist. Denken wir gehandelt. Hier liegen die Hebel, nicht darin, Brülisauer: Was sind denn die Alternativen? nur an all die roten Lämpchen an unseren Leuten Schuldgefühle einzubläuen. Die Annahme, dass andere Systeme ökologi- elektronischen Geräten, die Tag und Nacht Das Streben nach Wachstum liegt ja scher wären, ist reine Spekulation. Der real leuchten. Wenn wir die abschalten, sparen allerdings in der DNA der Gewerkschaften. existierende Sozialismus war jedenfalls kein wir schon mal 1 bis 2 AKWs. Und haben null Wir wollten immer mehr – und haben sehr erfolgreiches ökologisches Projekt. Wir Einbusse an Lebensqualität. von diesem «Mehr» regelrecht gelebt. müssen die Frage beantworten, wie Wachs- Jörg: Ich sehe hier auch keinen grundlegen- Brülisauer: Richtig. Unser Job ist es, die ma- tum und Ökologie zu vereinbaren sind. den Widerspruch. Mit gutem Beispiel vor- terielle Situation der Arbeitnehmenden zu Kampus: Es braucht neue Werte, neue Leit- angehen ist nie verkehrt. verbessern. Wohlstand für bilder. Vorher war von Lehmhütten die Re- Warum verrichten meine alle, das ist unser Credo. de – im Sinne von: Einschränkung kommt Lernenden die Arbeiten «Dass andere Systeme Und nicht: Lehmhütten nicht in Frage. Wir Jugendlichen versuchen, – jedenfalls die meisten – ökologischer wären, ist für alle. Den Level, den wir die Welt anders zu denken. Ich glaube nicht, nach den Regeln der Gärt- reine Spekulation.» hier erreicht haben, woll- dass auf Dauer ein richtiges Leben im fal- nerinnenkunst? Weil ich ten wir global schaffen. schen System möglich ist. Es braucht eine Stefan Brülisauer es ihnen vormache und Jetzt merken wir, dass wir Änderung des Systems, einen Ausbruch vorlebe. Und so kann es ja damit Ressourcenprob aus dem Hamsterrad des Wachstums. Mehr auch in Bezug auf die Umwelt sein. Massvol- leme generieren. Ich glaube aber nicht, dass menschlichen Kontakt, weniger Konsum – es les Verhalten bedeutet nicht Totalverzicht. wir bei der Mobilität zurückbuchstabieren gibt so viele Möglichkeiten, sein Leben um- Nur sind halt die Massstäbe verschieden ... können. Vielmehr sollten wir Technologien weltfreundlich zu leben, ohne dass etwas ver- Es gibt Leute, die es schon grossartig entwickeln, welche die Mobilität erhalten. loren geht. Müssen wirklich alle Leute eine finden, wenn sie für die Reise nach Paris Emissionsfrei und klimaneutral. eigene Waschmaschine haben? den TGV nehmen statt das Flugzeug. Ach, wie war das früher schön, in den Ohalätz, damit bringst du die Brülisauer: Prompt sind wir beim Luftverkehr Nachkriegsjahrzehnten. Jedes Jahr war der Gender- und Care-Thematik ins Spiel. gelandet. Seien wir ehrlich: Individuelle Mass- Kuchen grösser, jedes Jahr gab es mehr zu Sollen wieder die Frauen mit dem nahmen sind in erster Linie Gewissensbalsam. verteilen. Die Gewerkschaften feierten Erfolg Waschbrett am Dorf bach waschen? Auf das Gesamtsystem hat es keinen Einfluss, um Erfolg, und Bundesrat Tschudi machte Jörg: Quatsch. Aber es muss auch nicht in ob der Stefan Brülisauer in Glattbrugg zum eine AHV-Reform nach der anderen. jeder Wohnung eine Waschmaschine stehen, Zmittag eine Wurst isst oder nicht. Verzicht Prelicz-Huber: Damals hat allerdings auch wie es heute zunehmend der Fall ist. Auch ist ohnehin nur ein «Produkt» unseres Wohl- die Arbeitgeberseite noch auf eine soziale wenn es die Rückkehr der Waschküchenbe- standes. Die Mehrheit auf der Welt hat gar kei- Marktwirtschaft gesetzt. Eine solche Partizi- nützungsordnung bedeutet: Eine gemein- ne Wahl. Die einzig griffige Lösung sehe ich pation aller am zunehmenden Reichtum hat same Maschine in Mehrfamilienhäusern ist daher in einer ökologischen Transformation es in den letzten zwei Jahrzehnten gar nicht sicher ökologischer. der Wirtschaft, die von jenen bezahlt wird, die mehr gegeben. Vielmehr Umverteilung. Die Kampus: Dass wir in diesem Jahr nicht nur jahrzehntelang dicke Gewinne durch umwelt- Schere zwischen Arm und Reich geht auf. die Klimastreiks, sondern auch einen riesigen schädliche Produkte gemacht haben. Kampus: Und was für die Verteilung von Frauenstreik gesehen haben, ist aus meiner Prelicz-Huber: Als ich Kind war, war das Flie- Geld gilt, gilt genauso für den Ausstoss von Sicht kein Zufall. Die Probleme und Krisen gen so teuer, dass nur eine reiche Minderheit CO2. Gemäss einer Studie von Oxfam stos- sind miteinander verknüpft, die Genderfrage, ständig ins Flugzeug steigen konnte. Welt- sen die reichsten 10 Prozent 49 Prozent der die Migrationsthematik, die ökologische Fra- weit gesehen, trifft das immer noch zu. Die Emissionen aus. Und die Hälfte der Mensch- ge – alles gehört zusammen. Es ist das Wirt- überwiegende Mehrheit der Leute auf diesem heit, immerhin mehr als 3½ Milliarden, sind schaftssystem, das diese Ungerechtigkeiten Planeten steht nicht vor solchen Entscheidun- nur für 10 Prozent der klimaschädlichen produziert. Das BIP und der CO2-Ausstoss gen. Sie haben weder Zeit noch Geld noch Treibhausgase verantwortlich. Es sind aber korrelieren aufs Engste. 14 Oktober 2019
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