Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung

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Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
Wirtschaftsreport
                     April 2023

            Titelthema:
            Aus- und Weiterbildung
Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
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Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
Wirtschaftsreport        Apr 23            1

                                                     Editorial
                                       Die Karstadt-Pleite bietet auch Chancen!
Karstadt schließt bundesweit mehr als 50 Standorte. Dadurch wird ein wei-
teres Mal deutlich: Die Zeit der großen Warenkaufhäuser ist vorbei. Jeder
weiß es, da fast alle auch im Netz bestellen. Doch nicht jeder will es wahr-
haben. Schließlich soll ja alles beim Alten bleiben; selbst dann, wenn alle
durch ihr Verhalten dazu beitragen, dass das Alte zusammenbricht. Früher
mussten die Menschen mitten in die Städte, um so etwas wie ein Einkaufs-
erlebnis zu erhalten. Heute versuchen sie, diese Erlebnisse online nachzu-
empfinden, um sich anschließend die Ware bis zur Haustür bringen zu lassen.
Ob der vermehrte Verkehr fürs Klima gut ist, sei dahingestellt. Fest steht: Die
Menschen nutzen die neuen Einkaufskanäle, die Online-Bestellungen bre-
chen sich weiter Bahn. Eine durch die Inflation sinkende Kaufkraft, aber auch
Covid-19 und andere Sonderfaktoren haben ihren Siegeszug forciert. Das
Ergebnis für den gesamten stationären Handel, insbesondere aber für die
Warenhäuser der Kategorie „Alles unter einem Dach“, war absehbar. Hinzu
kommt: Wer heute online nicht dieselbe Kreativität entwickelt wie stationär,
den bestraft das Leben: Die Dinosaurier sterben aus.

Ja, auch der stationäre Handel durchlebt eine tiefgreifende Zeitenwende.
Und zwar nicht erst seit gestern. Dass hunderte Einzelhändler in den letzten
Jahren in der Region ihre Pforten schlossen, wurde eher achselzuckend hin-
genommen. Das ist bei der Karstadt-Schließung anders. Immer, wenn Große
wanken, beginnt eben postwendend auch der Blätterwald kräftig zu rau-
schen. Und gelegentlich verlieren dabei Vertreter der schreibenden Zunft
auch das Augenmaß, wenn sie darüber berichten, was die Schließung für die
Region bedeutet. Für die Beschäftigten der Siegener Karstadt-Filiale bringt
das „Aus“ zunächst den Verlust von Arbeit und Einkommen. Das ist bitter.          (4) Schließlich, und vielleicht am wichtigsten: Der Begriff Karstadt-Immo-
Für die umliegenden Einzelhandelsunternehmen in der Oberstadt wird sich               bilie suggeriert, dass Karstadt auch der Eigentümer wäre. Die Gesellschaf­
möglicherweise ein Frequenzverlust einstellen. Auch das löst keinen Jubel             ter der GmbH, die das Gebäude hält, stammen jedoch samt und sonders
bei den Betroffenen aus. Ist es jedoch auch ein „Drama“, wie ein Kommen-              aus Siegen. Keine seelenlose „Heuschrecken-Immobilie“ ohne greifbaren
tator einer Lokalzeitung schrieb? Oder gar ein „Todesstoß“ für die Oberstadt,         Adressaten also, sondern eine regional verankerte Eigentümerstruktur,
wie in den sogenannten „Sozialen Medien“ publiziert wurde? Mitnichten!                der die gesamte (!) Innenstadt am Herzen liegt!
Wer Meinung macht, sollte zunächst versuchen, die Wirklichkeit vollständig
zu erfassen. Vier Punkte erscheinen dabei aus meiner Sicht bemerkenswert.         Dies alles verdeutlicht: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich in Siegen
                                                                                  sehr schnell eine sehr belastbare Perspektive entwickeln lässt. Neue Mög-
(1) In der City-Galerie arbeiten mehr als 1.000 (!) Menschen. Die allermeis-     lichkeiten für den universitären Umzug in die Stadt eröffnen sich. Wenn
    ten der dort tätigen Handelsunternehmen, aber auch hunderte von Händ-         Zentralfunktionen der Uni in das städtische Herz verlagert würden und die-
    lern und Dienstleistern im Umfeld suchen derzeit händeringend Arbeits-        se Nutzung in einem Gebäude mit interessanten Handels- und Dienstleis-
    kräfte. Von der Karstadt-Schließung dürften rund 60 Personen betroffen        tungsangeboten verzahnt würde, könnte eine innovative Komposition ent-
    sein. Sie werden Beschäftigung finden. Das scheint so gut wie sicher.         stehen, die zudem für das Land Nordrhein-Westfalen sicherlich im Ergebnis
(2) Siegen hat eine Kaufkraftbindung von 125 %. Unter den Städten mit            kostengünstiger darstellbar wäre als die bisherigen Planungen.
    mehr als 100.000 Einwohnern erzielen in Deutschland nur Würzburg,
    Trier, Koblenz und Regensburg einen besseren Wert. Und was den Einzel-        Sicher, eine solche Lösung geht nicht von heute auf morgen. Sie muss sorg-
    handelsumsatz je Einwohner anbetrifft, liegt Siegen bundesweit auf Platz      fältig durchdacht werden. Eine Vielzahl von Akteuren muss dabei an einem
    8! 50 % des gesamten Einzelhandelsumsatzes in Siegen-Wittgenstein             Strang ziehen. Dennoch: Welche vergleichbare Großstadt verfügt über eine
    werden in Siegen generiert! Es gibt keine Großstadt in NRW, die d­ erartige   solche Perspektive? Es ist bedauerlich, dass bei der medialen Behandlung
    Werte für sich in Anspruch nehmen kann. Die Schließung trifft den             dieses komplexen Themas die vielfältigen Chancen der Karstadt-Pleite für die
    Standort Siegen sicherlich, erschüttern wird sie ihn jedoch nicht.            Siegener Innenstadt nicht hinreichend in den Blick genommen wurden. Scha-
(3) Dies ist im Übrigen auch die Folge einiger kluger städtebaulicher Projekt-   de auch, dass die Weitsicht derer, die die Immobilie vor Jahren erwarben,
    vorhaben, die in den letzten 30 Jahren angeschoben und konsequent             bisher im heimischen Blätterwald keine Würdigung fand. Doch was nicht ist,
    umgesetzt wurden. Von der City-Galerie über Reichwalds Ecke und das           kann ja noch werden. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. 
    Apollo Theater bis hin zu „Siegen zu neuen Ufern“ und dem Umzug der
    Universität in die Siegener Innenstadt. Das jetzt eingeleitete Jahrhun-
    dertvorhaben „Siegen. Wissen verbindet“ wird die Kernstadt auf eine Art                   In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
    verjüngen, von der andere vergleichbare Städte nur träumen können.
    Eine Frischzellenkur, die zusätzliche Nachfrage induziert und neue Vita-
    lität entstehen lässt.                                                                                       Klaus Gräbener
Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
2             Apr 23        Wirtschaftsreport

                            Inhaltsverzeichnis
                                                                                                                                                   Titelthema

                                                                                                                                                          4
                                                                                                                                    Aus- und Weiterbildung
                                                                                                                                Breites Portfolio in der Region
                                                                                                                                  Zahlreiche Schüler profitieren in diesem
                                                                                                                              Frühjahr wieder von den Ausbildungsmessen in
                                                                                                                                  Siegen-Wittgenstein und Olpe. Hautnah
                                                                                                                                können sie hier die Karriere-Perspektiven in
                                                                                                                              der Region erfahren, Lehrberufe kennenlernen,
                                                                                                                                mit Unternehmen in den Dialog treten und
                                                                                                                                   sich mit Gleichaltrigen austauschen ...
                                                                                                                                                  Titelseite:
                                                                                                                                   Foto: Julia Förster, Arbeitgeberverband

                                                                                                   34           „Sellestar“
                                                                                                                Kunden erreichen –
                                                                                                                und überzeugen

Impressum
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist das offizielle Organ der IHK Siegen     Herausgeber                                                 Druck, Anzeigen und Verlag
und wird den kammerzugehörigen Unterneh­men im Rahmen             Industrie- und Handelskammer Siegen,                        Vorländer GmbH & Co. KG
ihrer beitragspflichtigen Mitgliedschaft ­ohne besonderes Be-     Hauptgeschäftsstelle, Postfach 10 04 51, 57069 Siegen,      Buch- und Offsetdruckerei · Verlag · Werbeagentur
zugsentgelt geliefert. Im freien Verkauf jährlich EURO 25,20      Koblenzer Straße 121, 57072 Siegen                          Obergraben 39, 57072 Siegen,
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Erscheinungsweise: jeweils am 1. jedes Monats.                                                                                Michaela Hartrumpf-Schneider, Telefon 0271 5940-335
                                                                  Internet: http://www.ihk-siegen.de
Druckauflage: 22 583 Exemplare                                                                                                Philip Tordeur, Telefon 0271 5940-331
Quartal 4/2022                                                    Geschäftsstelle Olpe, Postfach 14 46, 57444 Olpe,           Fax 0271 5940-373,
A 4791                                                            In der Trift 11, 57462 Olpe, Telefon 02761 9 44 50,         Mail: wirtschaftsreport@vorlaender.de

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung              Telefax 02761 9445-40, E-Mail: oe@siegen.ihk.de             Zustellung
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wieder. Nachdruck mit Genehmigung des Herausgebers und                                                                        bitte an zustellung@siegen.ihk.de oder 0271 3302-273.
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te Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.                                                                        32609 Hüllrost, bei.
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist keine auf Erwerb ausgerichtete          Layout
Veröffentlichung.                                                 Christian Reeh                                              Zurzeit gültige Anzeigenpreisliste Nr. 62
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        »Gekürzte
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34 | Berichte                                10 | Nachrichten                                 » 46 Jubiläen/Bücher
» 34 Kunden erreichen –                     » 10 Unternehmergespräch                         46 | Börsen
     und überzeugen                          » 12 Verkehrsausschuss                           » 46 Unternehmensnachfolgebörse
                                             » 13 Route57                                     » 48 Handels- und
                                             » 39 Förderpreis                                       Genossenschaftsregister
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                                             » 44 Künstliche Intelligenz

                                                                                                                  )HUWLJEDX/LQGHQEHUJ
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                                                                         .
                                                                                                                6FKOÙVVHOIHUWLJEDX

                                                                       .
                                                                                                                %HWRQIHUWLJWHLOH

                                        1
                                           7                          ' 6          $5
                                                                                                                6SH]LDOWLHIEDX

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                                5                                                                              7ULQNZDVVHUEHKÁOWHU

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                                                                                                                           ZZZTXDVWGH
Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
4      Apr 23    Wirtschaftsreport

                                              Aus- und Weiterbildung

    Breites Portfolio
     in der Region
Zahlreiche Schülerinnen und Schüler profitieren in diesem Frühjahr wieder von den Ausbildungsmessen
 in Siegen-Wittgenstein und Olpe. Hautnah können sie hier die Karriere-Perspektiven in der Region er-
  fahren, Lehrberufe kennenlernen, mit Unternehmen in den Dialog treten und sich mit Gleichaltrigen
austauschen. Verschiedenste Institutionen im Kammerbezirk bieten auch darüber hinaus mannigfaltige
 Facetten der Aus- und Weiterbildung junger Menschen – sowohl auf fachlicher als auch auf persönli-
cher Ebene. Einige davon stehen in dieser Titelgeschichte des Wirtschaftsreports im Fokus. Weitere sol-
len in den kommenden Ausgaben folgen. Dann werden auch die Rückblicke auf die Messen – angefan-
                           gen mit der Ausbildungsmesse Siegen – erfolgen.

        Text: Patrick Kohlberger   |   Fotos: Autohaus Walter Schneider, Berufskolleg Technik, Carsten Schmale (3), Romano Klein
Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
»
                                                                                                                                Wirtschaftsreport Apr 23              5

    „Gerade in der heutigen Zeit sehen sich Betriebe gefordert,
    ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Wer Auszubil-
    denden zum Beispiel einen mehrwöchigen Aufenthalt in einem
    anderen Land ermöglicht, kann hier richtig punkten!“ Ann Ka-
    trin Hentschel, IHK-Expertin für Fachkräftesicherung, hob in
    dem Webinar „Gemeinsam Fachkräfte für NRW sichern“ jüngst
    die Notwendigkeit hervor, durch kreative Elemente die betrieb-
    liche Erstausbildung inhaltlich aufzuwerten und hierdurch
    Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln. Auslandspraktika
    während der beruflichen Ausbildung seien ein erfolgverspre-
    chender Weg: „Eine klassische Win-win-Situation: Sowohl die
    Firma selbst als auch das junge Personal profitieren enorm!“

    Wie dies in der Praxis aussehen kann, schilderte Dr. Christine
    Tretow. Sie leitet in der IHK Siegen die Servicestelle Mobili-
    tätsberatung, die seit 2009 bereits knapp 450 Azubis und jun-
    gen Fachkräften ein Auslandspraktikum vermittelt sowie rund
    5.000 Beratungsgespräche – auch mit Ausbildern und Akteu-
    ren aus der Berufsbildung – durchgeführt hat. Die Service-
    stelle ist Teil des Netzwerks „Berufsbildung ohne Grenzen“ mit
    bundesweit knapp 100 Mobilitätsberatern in mehr als 40 Be-
    ratungsstellen.

    Interkulturelle Kompetenz, hob Tretow hervor, sei inzwischen
                                                                                 Carsten Schmale

    zu einem Schlüsselfaktor für angehende Fachkräfte avanciert
    – unabhängig von der Branche, in der sie tätig seien. Junge
    Erwachsene, die das Abenteuer Auslandspraktikum wagten,

                                                                                                                                                  Dr. Christine Tretow
                                                                                 berichteten im Anschluss unisono davon, wertvolle Erfahrun-      leitet in der IHK Sie-
                                                                                 gen gesammelt zu haben – von einer Vertiefung der Sprach-        gen die Servicestelle
                                                                                 kenntnisse bis zum Kennenlernen neuer Arbeitsmethoden und        Mobilitätsberatung.
                                                                                 kultureller Besonderheiten des jeweiligen Landes. Auch sozia-
                                                                                 le Kompetenzen spielten eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt
                                                                                 könne der Auslandsaufenthalt dazu beitragen, dass die Azubis
                                                                                 an Selbstbewusstsein gewinnen und neue Kontakte schließen.
                                                                                 „Die Betriebe wiederum profitieren, weil ihre angehenden
                                                                                 Fachkräfte mit riesigem Elan und vielen neuen Erkenntnissen
                                                                                 im Gepäck wieder nach Hause kommen und ihr erweitertes
                                                                                 Know-how direkt im Unternehmensalltag einbringen.“

                                                                                 Diesen Eindruck bestätigten im Laufe des Webinars drei Ab-
                                                                                 solventen eines solchen Auslandspraktikums. Sie alle hatten
                                                                                 mit Unterstützung der IHK Siegen den Schritt aus der Komfort-
                                                                                 zone gemacht und die besondere Herausforderung angenom-
                                                                                 men. Belohnt wurden sie mit dem Zertifikat „Europass Mobili-
                                                                                 tät“ – vor allem aber mit unzähligen bleibenden Eindrücken.
                                                                                 Die jungen Menschen schilderten ihre Teilnahme am Pro-
                                                                                 gramm „WINGs goes Ireland – Work Experience in the Republic
                                                                                 of Ireland“. Dieses steht allen Azubis in dualen Ausbildungs-
                                                                                 berufen offen, deren Ausbildungsverträge bei der IHK Siegen

                                                                                 Die Teilnehmer des Programms „WINGs goes Ireland –
                                                                                 Work Experience in the Republic of Ireland“,
                                                                                 hier eine Aufnahme der Zertifikatsverleihung
                                                               Carsten Schmale

                                                                                 vor einem Jahr, bilden sich durch den
                                                                                 Auslandsaufenthalt fachlich und persönlich weiter.
Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
6   Apr 23   Wirtschaftsreport

                                                                                        Romano Klein liegt die Bildung
                                                                                        junger Menschen am Herzen – gerade im Hinblick
                                                                                        auf die Digitalisierung.

                                                                                        „Mehr Lockerheit und Spaß als in Deutschland, dafür aber auch
                                                                                        weniger Struktur und Ordnung“ hat Torben Giesler, angehen-
                                                                                        der Werkzeugmechaniker (Gebr. Kemper GmbH & Co. KG, Ol-
                                                                                        pe), während seiner „WINGs“-Zeit in einer irischen Motorrad-
                                                                                        werkstatt erlebt. „Die Arbeitsinstrumente waren in den
                                                                                        Räumen verstreut und nicht – wie bei uns – sauber sortiert.
                                                                                        Strenge Fristen für Kundenaufträge gab es auch nicht. Dafür
                                                                                        sind die Menschen aber durch die Bank sehr höflich, kollegial
                                                                                        und freundlich. Die Gemeinschaft ist fantastisch!“

                                                                                        Christine Tretow informierte die Webinar-Teilnehmer zudem
                                                                                        über ein weiteres spannendes Praktikumsangebot, das die IHK
                                                                                        in Kooperation mit der Education GmbH – und finanziert durch
                                                                                        „Erasmus+“ – bereithält: Kaufmännische und gewerblich-
                                                                                        technische Auszubildende haben die Chance, für einen frei
                                                                                        wählbaren Zeitraum zwischen vier und 13 Wochen nach Lett-
                                                                                        land, Schweden, Spanien oder Malta zu reisen. Eine Gruppe
                                                                                        hatte sich im vergangenen Jahr bereits in die lettische Haupt-
                                                                         Romano Klein

                                                                                        stadt Riga begeben, um dort in ausgesuchten mittelständi-
                                                                                        schen Betrieben zu arbeiten und – analog zu „WINGs“ – die
                                                                                        Kultur vor Ort kennenzulernen. Als zuverlässiger Partner erwies
                                                                                        sich dabei die Auslandshandelskammer Baltikum.
             registriert sind. „Der Perspektivwechsel war eine besondere
             Erfahrung für mich!“, resümierte Jona Rohrmann, angehender                 Unter ihk-siegen.de finden Interessierte ausführliche Informa-
             Mechatroniker in Diensten der EMG Automation GmbH (Wen-                    tionen zur Veranstaltungsreihe „Gemeinsam Fachkräfte für
             den). Gemeinsam mit seinem Azubi-Kollegen Noa Leander                      NRW sichern“ (Seiten-ID: 4358; nächstes Webinar: „Rekrutie-
             Stracke erkundete er die „grüne Insel“.                                    rung – Wie spreche ich Kandidaten erfolgreich an?“) sowie zur
                                                                                        Arbeit der Servicestelle Mobilitätsberatung (Seiten-ID: 15) und
             Beide lebten dort in einer Gastfamilie und leisteten Instand-              zum Projekt „WINGs“ (Seiten-ID: 1165). IHK-Ansprechpart-
             haltungsarbeiten in einem Hotel. „Lampen tauschen, Türen                   nerin Dr. Christine Tretow (0271 3302-306, christine.tretow@
             reparieren und ähnliche Aufgaben“ seien an der Tagesordnung                siegen.ihk.de) steht jederzeit für Fragen zur Verfügung.
             gewesen, bemerkte Stracke. Viel wichtiger aber: „Wir haben
             von Anfang an sehr viel Respekt und Wertschätzung erfahren.                Spannende und zukunftsfähige Akzente im Bereich der Wei-
             Es hat uns großen Spaß gemacht, ein Teil des Teams zu sein!“               terbildung setzen auch das Berufskolleg Wirtschaft und Ver-
             In den vielen Gesprächen mit der international besetzten Be-               waltung in Siegen und das Berufsbildungszentrum (bbz) der
             legschaft und den Gästen aus aller Welt habe man den eigenen               IHK Siegen. Die beiden Institutionen bieten gemeinsam den in
             Horizont bestens erweitern können. Die Einheimischen, er-                  zwei Module aufgeteilten Zertifikatslehrgang „E-Commerce-
             gänzte Rohrmann, „haben uns mit offenen Armen empfangen,                   Manager/-in IHK“ an.
             viele Fragen gestellt, uns in alles mit einbezogen und uns ganz
             besonders mit ihrem tollen Humor angesteckt.“ Dass er oben-                Wie wichtig dieses Feld schon jetzt ist und vor allem in den
             drein noch kostenlos die hoteleigenen Fitnessräume nutzen                  kommenden Jahren noch werden wird, unterstreicht Dozent
             durfte, habe den ohnehin gelungenen Aufenthalt noch einmal                 Romano Klein, der das Modul 1 am Berufskolleg leitet und dort
             abgerundet. „Das hatte bisweilen fast Urlaubscharakter“, kon-              sein Wissen an die Teilnehmer weitergibt: „Der E-Business-
             statierte er augenzwinkernd.                                               Trend ist längst nicht mehr aufzuhalten. Umso bedeutender ist
Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
Wirtschaftsreport Apr 23            7

es, die jungen Menschen auf die gigantischen Potenziale in      dem Thema E-Commerce beschäftigt und die rasante Entwick-
diesem Sektor aufmerksam zu machen und ihnen umfassende         lung in den letzten Jahren intensiv miterlebt hat.
Perspektiven aufzuzeigen.“ Premiere feierte der Lehrgang im
Schuljahr 2020/2021. Die aktuelle Auflage stößt auf große       Die schwierigen Jahre der Corona-Pandemie, ergänzt er, hät-
Resonanz. „Wir sind auf einem sehr guten Weg“, freut sich       ten auch die Weiterbildung nicht wirklich leichter gemacht.
Romano Klein, der sich schon seit Anfang der 2000er Jahre mit   Entsprechend froh sei er, wieder Präsenzkurse in der gewohn-

 Bildungszentrum Wittgenstein
 Investition in zeitgemäßes Digitallabor
  „Wir wollten uns unbedingt moderner und vor allem digita-
  ler aufstellen“, unterstreicht Thomas Schäfer, Ausbildungs-
  leiter im Bildungszentrum Wittgenstein (BZW), beim Rund-
  gang durch die sichtlich aufgewerteten Räumlichkeiten in
  Bad Berleburg. Schon in den vergangenen Jahren hatten die
  Verantwortlichen immer wieder bewusst investiert, um die
  Nachwuchsschmiede der hiesigen Industrie auf die Heraus-
  forderungen der Zukunft vorzubereiten. Grundlegende bau-
  liche Maßnahmen – in erster Linie der Umbau und die Er-
  neuerung im Jahr 2011 – standen dabei genauso auf der
  Agenda wie die technische Optimierung der Lehrwerkstatt.
  CNC-gesteuerte Dreh- und Fräsmaschinen sowie neue
  Schweißplätze machten es möglich, das Ausbildungsniveau
  auf eine neue Stufe zu heben. Später kamen etwa eine Was-
  serstrahlschneidanlage und eine neue EDV-Anlage hinzu,
  ehe 2018 eine weitere Modernisierung erfolgte.

  Zu jener Zeit diskutierte das BZW-Team auch konkrete Maß-
  nahmen hinsichtlich der Ausstattung der Steuerungstechnik
  und Robotik. „Pneumatik, Elektronik, Hydraulik – in diesen
  Bereichen war unsere Infrastruktur nicht mehr auf dem neu-
                                                                                                                                  Carsten Schmale

  esten Stand“, verdeutlicht Thomas Schäfer die Hintergründe.
  Eine Generalüberholung sei daher unbedingt erforderlich
  gewesen. Dass es nun bis Anfang 2023 dauerte, ehe aus
  diesem Wunsch Wirklichkeit wurde, sei den Irrungen und
                                                                BZW-Ausbildungsleiter Thomas Schäfer und sein Team blicken an-
  Wirrungen des deutschen Bürokratie-Dschungels zu ver-
                                                                gesichts der Millionen-Investition optimistisch in die Zukunft.
  danken: „Es hat Jahre gedauert, bis die entsprechenden
  Förderanträge genehmigt waren. Wir mussten jedes Kabel,       Viele Prozesse, die früher analog abliefen, übernimmt nun
  jeden Zylinder und jede Kleinigkeit einzeln aufführen. So     eine Software, die die Azubis über Tablets bedienen können.
  kamen dann hunderte Seiten zusammen.“ Parallel zum All-       Neu im Portfolio ist die „Speicherprogrammierbare Steue-
  tagsgeschäft sei ein solcher Aufwand allein mit eigenen       rung“ (SPS) – ein Gerät, das zur Steuerung oder Regelung
  Ressourcen kaum zu leisten. Daher habe das BZW einen          einer Maschine oder Anlage eingesetzt und auf digitaler
  Spezialisten zurate gezogen – eine sehr wertvolle Unter-      Basis programmiert wird. „Auch für uns als Verantwortliche
  stützung. „Hinzu kamen aber natürlich auch noch die be-       ist der technologische Fortschritt im BZW ein toller Anreiz,
  kannten Schwierigkeiten im Zuge gestörter Lieferketten,       selbst noch einmal etwas dazuzulernen“, ordnet Schäfer ein.
  zum Beispiel bei Aluminium und Kunststoff“, zeigt der Aus-    Kürzlich habe bereits ein SPS-Lehrgang vor Ort stattgefun-
  bildungsleiter auf.                                           den. Entsprechende weitere Kurse biete das BZW auch für
                                                                heimische Firmen an. Die Resonanz sei groß.
  Die Mühen jedoch haben sich absolut gelohnt. Für ein Ge-
  samtvolumen von rund 1 Mio. € ist, mit Bundes- und Lan-       Mit den getätigten Investitionen sieht sich das Team des
  desmitteln gefördert, ein zeitgemäßes Digitallabor entstan-   BZW für die kommenden Jahre gut aufgestellt. Dass das
  den. In den beiden neuen Schulungsräumen stehen für den       Bildungszentrum attraktiv für seine Zielgruppe bleibe, sei
  interaktiven Unterricht insgesamt 16 moderne Labortische      heute wichtiger denn je, berichtet der Ausbildungsleiter. Ge-
  zur Verfügung. Eine Schiebetür ermöglicht es zudem, die       meinsam mit den starken Industriebetrieben in Wittgenstein
  Räume schnell und unkompliziert in einen einzelnen großen     arbeite man daran, für die Vorzüge der dualen Ausbildung
  Saal umzuwandeln.                                             zu werben.
Wirtschaftsreport April 2023 - Titelthema: Aus- und Weiterbildung
8            Apr 23     Wirtschaftsreport

                                                                                                                     Alina Knipp hat den Zertifikatslehrgang
                                                                                                                     erfolgreich abgeschlossen.

                                                                                                                     Die Teilnehmer entwickeln und vermarkten eine eigene Mus-
                                                                                                                     terfirma. Sie lernen zum Beispiel, einen Onlineshop technisch
                                                                                                                     zu realisieren, die sozialen Medien gezielt einzusetzen und
                                                                                                                     Softwaresysteme zu pflegen. „Es geht um das gesamte metho-
                                                                                                                     dische Spektrum“, ordnet Klein ein. Am Ende präsentieren die
                                                                                                                     Schüler ihre Projekte ausführlich dem Plenum – ebenfalls eine
                                                                                                                     wichtige Kompetenz, die man im beruflichen Alltag gut ge-
                                                                                                                     brauchen kann.

                                                                                                                     Alina Knipp hat das Modul 1 erfolgreich absolviert und sich
                                                                                                                     aufgrund der sehr positiven Erfahrungen dazu entschieden,
                                                                                                                     auch den zweiten Part des Lehrgangs anzugehen. Die junge
                                                                                                                     Automobilkauffrau blickt auf beide Teilabschnitte mehr als
                                                                                                                     zufrieden zurück: „Mir war am Ende meiner Ausbildung klar,
                                                                                                                     dass ich mich unbedingt weiterbilden möchte. Daher habe ich
                                                                                                                     diese Möglichkeit gerne genutzt. Die Impulse, die ich dabei für
                                                                                                                     mein weiteres Berufsleben gewinnen konnte, haben mir eine
                                                                                                                     ganze Menge gebracht!“
                                                                                         Autohaus Walter Schneider

                                                                                                                     Im bbz gab Christoph Wacker ihr und den übrigen Teilnehmern
                                                                                                                     vertiefendes Know-how mit auf den Weg – etwa im Hinblick
                                                                                                                     auf notwendiges Fachwissen, um professionelle Unterneh-
                                                                                                                     menswebseiten, verbunden mit Onlineshop-Modellen, ver-
                                                                                                                     kaufswirksam und rechtssicher zu gestalten.

                                                                                                                     Der Dozent, selbst in der Industrie beschäftigt, legte dabei gro-
                        ten Form gestalten zu dürfen. In den 40 Unterrichtstunden, die                               ßen Wert auf maximalen Praxisbezug. Vom Content-Marke-
                        das erste Modul für die angehenden E-Commerce-Manager                                        ting bis zum Thema Suchmaschinenoptimierung (SEO) unter-
                        umfasst, geht es zunächst um die wichtigsten Grundlagen –                                    malte er alle theoretischen Erkenntnisse mit verständlichen
                        von rechtlichen Aspekten des Onlinehandels über verschiedene                                 Beispielen aus dem Unternehmensalltag. „Wenn jemand so
                        Zahlungssysteme und Formen von Geschäftsmodellen bis hin                                     sehr für ein Thema brennt und mit so viel Begeisterung dabei
                        zur Erfolgsmessung von Onlinewerbung.                                                        ist, überträgt sich das automatisch auf alle, die den Kurs mit-
                                                                                                                     machen“, zeigt sich Alina Knipp beeindruckt.

                                                                                                                     Nachdem sie das Zertifikat mit der Note „Sehr gut“ in der
    Einsatz für Bildungsgang E-Commerce                                                                              Tasche hatte, begann sie – inspiriert durch beide Kursmodule
    Der Zertifikatslehrgang „E-Commerce-Manager/-in“ ist ein wichtiger Schritt, der                                  – noch berufsbegleitend ein Online-Marketing-Studium. Im
    fortschreitenden Digitalisierung gerecht zu werden und junge Menschen in die-                                    Bereich der digitalen Medien möchte sie sich noch stärker spe-
    sem Bereich zu qualifizieren. Darüber hinaus setzt sich das Berufskolleg Wirt-                                   zialisieren. Dankbar ist sie indes auch ihrem Arbeitgeber, dem
    schaft und Verwaltung – so wie viele andere Institutionen – dafür ein, dass es                                   Autohaus Walter Schneider in Siegen: „Über eine vertragliche
    in der Region möglichst schnell die Möglichkeit geben soll, Kaufleute im E-Com-                                  Zusatzvereinbarung wurde es mir ermöglicht, den zweigeteil-
    merce auszubilden. „Dieser Bildungsgang liegt uns sehr am Herzen“, betont                                        ten Lehrgang nahezu ohne finanziellen Eigenanteil zu machen.
    ­Romano Klein. Eine wohnortnahe Ausbildung sei dafür unerlässlich: „Welcher                                      Gerade für Berufseinsteiger ist dies natürlich Gold wert!“
     Jugendliche ist schon daran interessiert, für die Berufsschule regelmäßig von Bad
     Berleburg nach Dortmund zu fahren? Wie soll das funktionieren?“ Man werde                                       Mehr zu den beiden Kurs-Modulen und den Zugangsvoraus-
     das Thema konsequent weiter vorantreiben, verspricht Klein.                                                     setzungen gibt es unter berufskolleg-wirtschaft.de und bbz-
                                                                                                                     siegen.de. 
Wirtschaftsreport Apr 23                                   9

Berufskolleg Technik
„Auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereiten“
Wie rasant und konsequent sich Lehrinhalte und -vermittlung in Zeiten
der Digitalisierung weiterentwickeln, wird auch – und ganz besonders
– am Beispiel des Berufskollegs Technik in Siegen deutlich. Unter der
Leitung des ehemaligen Schulleiters Manfred Kämpfer und seines Nach-
folgers Ralf Bruch hat die Einrichtung als Referenzschule Wege erprobt,
wie mit neuen Formen des Lernens der traditionelle Unterricht erfolg-
reich und gewinnbringend ergänzt und für die Zukunft neuausgerichtet
werden kann. Gemeinsam mit den Berufskollegs Menden und Unna
entwickelten die Verantwortlichen in einem Kooperationsverbund ein
Konzept für eine überregionale Hybridbeschulung, die eine digitale
Lernplattform und digitale Systeme im Unterricht nutzt.

„Uns war und ist es enorm wichtig, dass sich unsere Schüler hier optimal

                                                                                                                                                        Berufskolleg Technik
auf die Anforderungen der zukünftigen Arbeitswelt vorbereiten können.
Auf diesem Weg wollen wir sie bestmöglich begleiten und fördern“,
unterstreicht Peter Plaßmann, der als Abteilungsleiter „Metalltechnik
3“ unter anderem die Feinwerk-, Fertigungs- und Industriemechaniker,
                                                                             Das Berufskolleg Technik ist mit seinen Laborräumlichkeiten sehr modern aufge-
die Maschinen- und Anlagenführer sowie die Fachkräfte für Metall-
                                                                             stellt und für die Zukunft gerüstet.
technik unterrichtet. Ziel sei es, technische Prozesse in all ihren Facet-
ten begreifbar und erlebbar zu machen. Es gelte, die industrielle Arbeits-   sehr gut zusammenarbeite, sei überwältigend. Auch der Kreis Siegen-
welt so modern und ansprechend wie möglich abzubilden: „Nur an alten         Wittgenstein als Schulträger leiste exzellente Unterstützung.
Methoden festzuhalten, die sich früher einmal bewährt haben, bringt
nichts“, konstatiert er.                                                     Genauso dankbar zeigt sich der Schulleiter mit Blick auf das innovative
                                                                             und engagierte Kollegium innerhalb des Berufskollegs. Es herrsche eine
„Automatisierung, Maschinenbau, IT, Digitalisierung – diese Themen           offene Entscheidungskultur – und eine hohe Bereitschaft, sich selbst
wachsen in der heutigen Zeit immer mehr zusammen“, ordnet Ralf               immer wieder weiterzubilden. „Alle bringen sich ein und setzen Im-
Bruch ein. Vor dem Hintergrund der Industrie 4.0 habe man sich vor           pulse. Wir hinterfragen uns stetig und tauschen uns darüber aus, wie
einigen Jahren entschieden, viele neue Labore zu entwickeln und in der       wir noch besser werden können.“ Erst kürzlich habe man zudem eine
so entstehenden „Smart Factory“ den kompletten Zyklus der Produktion         groß angelegte Evaluation unter den Schülern durchgeführt – mit sehr
abzubilden. Diese Arbeiten sind inzwischen abgeschlossen.                    positiven Resultaten und konkreten Aussagen zu verschiedensten The-
                                                                             men: „Wir konnten dezidierte Rückschlüsse aus der Befragung ziehen.“
„Die jungen Menschen finden hier jetzt quasi eine vollständige Firma
mit umfassender Fertigungsstraße vor“, schwärmt Martin Grauel, der           Alle Klassenräume im Berufskolleg sind digital bestens ausgestattet.
als Abteilungsleiter „Metalltechnik 1“ unter anderem die Berufe der          Insgesamt sieht das Team bei der zukünftigen Unterrichtsgestaltung
Anlagen- und Konstruktionsmechaniker, der Werkzeug- und Zerspa-              einen Mix aus analogen und digitalen Methoden als zielführend an:
nungsmechaniker sowie der Verfahrenstechnologen koordiniert. „Wa-            „Man sollte das eine tun und das andere nicht lassen“, fasst Peter Plaß-
reneingang, Rechnungsannahme, SAP, Netzwerk-Systeme – Arbeits-               mann zusammen. Online-Elemente seien eine sehr sinnvolle und weg-
plätze in der Industrie werden immer anspruchsvoller und interessanter.      weisende Ergänzung. „Aber Technik muss man eben auch hautnah er-
Die Automatisierung schreitet unaufhaltsam voran. Genau das wollen           fahren!“
wir auch demonstrieren.“
                                                                             Mit Nachdruck setzen sich die Verantwortlichen dafür ein, das europa-
Die Aufwertung der Räumlichkeiten sorge dafür, dass man NRW-weit             weit vielbeachtete duale Bildungssystem in Deutschland zu bewerben.
eine Vorreiterrolle einnehme. „Wir sind mit unserer jetzigen Ausstat-        „Die zunehmende Akademisierung bringt Probleme mit sich“, erklärt
tung weit vorne in der beruflichen Bildung. Zahlreiche andere Kollegs        Ralf Bruch. „Gesellschaft und Politik wecken leider bei vielen jungen
haben sich in den vergangenen Monaten hier vor Ort angeschaut, wel-          Menschen die Vorstellung, dass man nur mit Abitur und Studium weit
che Strategie wir verfolgen. Das macht uns natürlich stolz und zeigt         kommt. Dabei sind die Perspektiven in der Industrie und im Handwerk
uns, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen und in gewisser Weise          sehr gut. Hier kann man seine Talente entfalten und eine tolle Berufs-
Pionierarbeit geleistet haben.“                                              laufbahn einschlagen!“ Nicht selten entscheiden sich die jungen Men-
                                                                             schen nach erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung für eine be-
Viel wichtiger sei jedoch, dass das Konzept bei den Schülern gut an-         rufliche Weiterbildung, durch die vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten
komme. „Für sie und für die unzähligen tollen Industrieunternehmen in        eröffnet werden. Hier bietet das Berufskolleg Technik mit der bewährten
der Region machen wir das Ganze“, betont Ralf Bruch. Die Resonanz            Fachschule für Technik und der im Haus ansässigen Industriemeister-
seitens der jungen Zielgruppe und der Firmen, mit denen man durchweg         schule hervorragende Bildungsangebote.
10            Apr 23     Wirtschaftsreport

Wittgensteiner Unternehmergespräch
Luiza Licina-Bode MdB ordnet Bundespolitik ein
                                                                                                                             Ausführlich ging Luiza Licina-Bode auf die Ak-
                                                                                                                             tivitäten der Bundesregierung der letzten Mo-
                                                                                                                             nate ein, von der Energiepreisbremse und der
                                                                                                                             Wohngeldreform über die Einführung des 9-Eu-
                                                                                                                             ro-Tickets, des Deutschlands-Tickets und des
                                                                                                                             Bürgergelds, die Wohngeldreform und die Ent-
                                                                                                                             lastungspakete auch für Unternehmen bis hin
                                                                                                                             zur Versorgungssicherung durch LNG-Terminals
                                                                                                                             und neue Gasverträge mit anderen Ländern. Und
                                                                                                                             dies alles angesichts enormer Herausforderun-
                                                                                                                             gen durch steigende Energiepreise, eine hohe
                                                                                                                             Zahl zu versorgender Flüchtlinge, eine starke

                                                                                                           Carsten Schmale
                                                                                                                             Inflation und eine geschwächte Bundeswehr,
                                                                                                                             die in kurzer Zeit wieder verteidigungsfähig zu
                                                                                                                             machen sei.

Angeregte Diskussion über die politischen Rahmenbedingungen für die heimische Wirtschaft: IHK-Präsident Wal-
                                                                                                                             Der Krieg zwinge in vielen Fragen zur Realpolitik
ter Viegener, Luiza Licina-Bode MdB, IHK-Vizepräsident Christian F. Kocherscheidt und IHK-Hauptgeschäftsführer
                                                                                                                             und zur Abkehr von ideologischen Fesseln. Das
Klaus Gräbener (v.l.).
                                                                                                                             sei nicht immer einfach, wie die Auseinander-
„Die staatlichen Maßnahmen im Wohnungsbau                hen, „allerdings muss auch gesehen werden, dass                     setzung über den Weiterbetrieb der verbliebe-
sind widersprüchlich und führen in vielen Fällen         es trotz schwieriger Rahmenbedingungen gelun-                       nen Atomkraftwerke gezeigt habe. „Persönlich
dazu, dass diejenigen, die den Wohnraum zur              gen ist, schätzungsweise 270.000 der für 2022                       bin ich der Auffassung, dass angesichts einer
Verfügung stellen, ihre Investitionen zurückhal-         geplanten 400.000 Wohnungen fertigzustellen.“                       solchen Krise auch ein längerer Betrieb der
ten. Es wird das Gegenteil dessen erreicht, was                                                                              Kraftwerke eine Option gewesen wäre.“ Immer-
politisch verkündet wird!“ Manfred Peter, Vor-           Die grundsätzliche Schwierigkeit bestehe darin,                     hin seien eine Gasmangellage und Blackouts
stand der Wohnungsgenossenschaft Wittgen-                dass mit immensen Herausforderungen des Kli-                        abgewendet worden.
stein e.G., übte beim Wittgensteiner Unterneh-           mawandels, des Krieges in der Ukraine, aber
mergespräch der IHK in Bad Laasphe deutliche             auch gravierender politischer Versäumnisse in                       IHK-Vizepräsident Christian F. Kocherscheidt
Kritik am Kurs der Bundesregierung.                      den vergangenen Jahren ein enormer Druck auf                        hegte indes Zweifel, dass dies auch im nächsten
                                                         der Regierung liege. „Wir können die Dinge nicht                    Winter so bleibe. „Die Situation ist doch keines-
Der gedeckelte Mietpreis im sozialen Woh-                nacheinander angehen, vielmehr muss vieles                          wegs bewältigt. Schon jetzt ist zu beobachten,
nungsbau decke bei weitem nicht mehr die ent-            gleichzeitig bewältigt werden. Sich dem Woh-                        dass die Menschen das Thema Energiesparen
stehenden Kosten ab, deren Anstieg die Regie-            nungsthema zu widmen, ohne dabei auch Ener-                         wieder zur Seite schieben.“ Zudem wurde in der
rung nicht verhindere – im Gegenteil: „Die               giefragen anzufassen, dafür fehlt die Zeit.“                        Diskussion die Sorge deutlich, dass die Energie-
Baukosten liegen auf einem hohen Niveau, die                                                                                 politik die Wettbewerbsfähigkeit gefährde – ein
Zinsen steigen. Wenn dann im selben Atemzug                                                                                  Punkt, den Luiza Licina-Bode dankbar aufnahm:
aktive, funktionierende Förderungen für Nied-                                                                                „Wir wissen, dass hier eine deutliche Entlastung
rigenergiestandards gestrichen und diese Stan-                                                                               für die Unternehmen einsetzen muss, und set-
dards im Gegenzug sogar noch ohne attraktive                                                                                 zen uns mit Nachdruck für einen Industrie-
Förderung erhöht werden, führt das jedenfalls                                                                                strompreis auf EU-Ebene ein!“
nicht zu mehr Wohnraum“, erläuterte auch
Eckehard Hof (Berge-Bau GmbH & Co. KG). Ein                                                                                  Eindringlich warb IHK-Vizepräsident Christo-
zeitnahes Verbot von Öl- und Gasheizungen, das                                                                               pher Mennekes dafür, die Wirtschaft nicht zu
aktuell im Raum steht, werde die Situation vo-                                                                               überfordern. „Wir stehen zur CO2-Neutralität
raussichtlich zusätzlich verschärfen.                                                                                        und müssen hier zweifellos auch Vorbild in der
                                                                                                                             Welt sein. Damit dies aber gelingt, dürfen wir
Anlass der lebhaften Diskussion war der Vortrag                                                                              uns nicht überfordern.“ Beispielhaft verwies der
der heimischen Bundestagsabgeordneten Luiza                                                                                  Unternehmer auf die neuen, anstehenden EU-
Licina-Bode (SPD), die den rund 40 Unterneh-                                                                                 Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstat-
mensvertretern im Landhotel Doerr einen Ein-                                                                                 tung. „Unsere Bitte: Passen Sie in Berlin mit
                                                                                                           Carsten Schmale

blick in die politische Arbeit in Berlin gab und                                                                             darauf auf, dass Wirtschaft weiter bestehen
sich offen dem Gespräch über die drängendsten                                                                                kann.“ Auf die Gefahr eines latenten „Green-
Herausforderungen aus Sicht der heimischen                                                                                   Washing“ wies Mark Georg im weiteren Verlauf
Wirtschaft stellte. Die Unzufriedenheit mit der          Luiza Licina-Bode MdB bezog ausführlich Stellung zur                der Diskussion hin: „Wir müssen aufpassen, dass
Entwicklung im Wohnungsbau könne sie verste-             Bundespolitik.                                                      wir uns nicht selbst belügen“, mahnte der IHK-
Wirtschaftsreport       Apr 23           11

Vizepräsident und warf dabei ein kritisches         JU DO!-Gründerwettbewerb
Schlaglicht auf den Handel mit Umwelt-Zerti-
fikaten.                                            Bewerbungsphase hat begonnen

Ausführlich widmete sich Luiza Licina-Bode der
„Route 57“. „Berlin hat mit der Aufnahme in den
Bundesverkehrswegeplan den Planungsauftrag
gegeben. Wir haben die Planungsbeschleuni-
gung auf den Weg gebracht. Jetzt liegt der Ball
in Düsseldorf. Von dort habe ich den Satz ‚Wir
wollen die Route 57‘ leider noch nicht gehört!
Dass die allermeisten Menschen in der Region
die Ortsumgehungskette wollen – da bin ich mir
absolut sicher.“

Weiteres Thema des Unternehmergesprächs: die
Erneuerung der Autobahnbrücken der A45. Mar-

                                                                                                                                                            Caesten Schmale, Archiv
co Gräb, Leiter der Außenstelle Netphen der
Autobahn GmbH, gab hierzu einen umfassenden
Überblick über die Brückenbaumaßnahmen an
der A45 zwischen Dillenburg und Drolshagen.
Mittlerweile befinden sich zahlreiche Brücken in
Bau, wie im südlichen Siegerland, wo die Arbei-
ten zügig voranschreiten. Hier konnte teilweise
auf die Durchführung zeitaufwendiger Planfest-      Die Siegerin des JU DO!-Gründerwettbewerbs 2022: Livia Dolle (takle.io UG).

stellungsverfahren verzichtet werden. Vor die-      Der JU DO!-Gründerwettbewerb der Wirt-                   den Einstieg in die Selbstständigkeit zu erleich-
sem Hintergrund wird mit Spannung erwartet,         schaftsjunioren Südwestfalen geht in die nächs-          tern – nicht zuletzt durch das breit gefächerte
wie die gerichtliche Auseinandersetzung in Zu-      te Runde. Seit einigen Tagen können sich heimi-          Netzwerk der Wirtschaftsjunioren.
sammenhang mit der Talbrücke Büschergrund           sche Gründerinnen und Gründer mit ihren
ausgeht. Hier drängen Naturschutzverbände auf       innovativen Geschäftsideen für den Wettbe-               Die Bewerbungsphase läuft bis zum 31. Mai.
ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltver-       werb anmelden und sich damit die Chance auf              Eine interdisziplinäre Jury ermittelt bis zu sechs
träglichkeitsprüfung.                              Preisgelder von insgesamt 10.000 € sowie auf             Finalisten. Diese präsentieren ihr Gründungs-
                                                    den prestigeträchtigen Publikumspreis sichern.           konzept im Rahmen des „JU DO!-Pitchabends“
                                                    Der JU DO!-Gründerwettbewerb wird von den                am 27. Oktober vor einem Publikum aus Exper-
                                                    Wirtschaftsjunioren Südwestfalen veranstaltet            ten, Unternehmern, Beratern, Medienvertretern
                                                    und richtet sich an alle Gründungsinteressierten         und Interessierten. Der Austragungsort für das
Ökologisches Design
                                                    und Start-ups aus den Kreisen Siegen-Wittgen-            Finale und die Preisverleihung ist in diesem Jahr
Bundespreis                                         stein und Olpe, die für ihre einzigartige Idee           das GEORGhaus der Heinrich Georg GmbH in
                                                    brennen und mit ihr einen wirtschaftlichen oder          Kreuztal-Buschhütten.
ausgeschrieben                                      sozialen Mehrwert für Südwestfalen schaffen.
Der Ecodesign-Preis ist die höchste staatliche      Ziel des Wettbewerbs ist es, junge Unternehme-           Weitere Informationen zum JU DO!-Gründer-
Auszeichnung für ökologisches Design in Deutsch­    rinnen und Unternehmer bei der Umsetzung                 wettbewerb und das Bewerbungsformular sind
land und geht in seine zwölfte Runde: Gesucht       ihrer Geschäftsideen zu unterstützen und ihnen           unter judo-sw.de zu finden. 
werden langlebige und kreislauffähige Produkte,
Prozesse und Systeme, die einen Beitrag zur
nachhaltigen Transformation von Wirtschaft und
Gesellschaft leisten. Der Preis ist in vier Kate-
gorien ausgeschrieben: Konzept, Service, Pro-
                                                            KLEIN mit
dukt und Nachwuchs. Bewerben können sich                    großer Wirkung
Unternehmen aller Größen und Branchen, De-
signer, Studenten sowie kreative Köpfe aus dem              Wir sind für die da, die jeden Tag
In- und Ausland. Pro Beitrag fällt eine Teilnah-            für Andere das Beste geben.
megebühr an, die je nach Art und Größe der
Firma zwischen 50 und 1.000 € liegt, aber voll
in die Durchführung des Wettbewerbs fließt. Für
den Nachwuchs ist die Teilnahme kostenlos. Be-
werbungsschluss ist der 17. April. Mehr Infos
unter bundespreis-ecodesign.de. 
12            Apr 23        Wirtschaftsreport

IHK-Verkehrsausschuss
Autobahnbrücken und Route 57 im Mittelpunkt
                                                                                                                    von der Grundlagenermittlung über die Vorpla-
                                                                                                                    nung bis zum Planfeststellungsverfahren und
                                                                                                                    erläuterte die durchzuführenden Untersuchun-
                                                                                                                    gen, Erhebungen und Studien. Klaus Brinkmann
                                                                                                                    (Brinkmann Transporte) fand hierzu klare Worte:
                                                                                                                    „Das Ergebnis dieser Planungsbürokratie ist, dass
                                                                                                                    wir seit Jahrzehnten auf eine angemessene Ver-
                                                                                                                    kehrsanbindung der Region Wittgenstein warten
                                                                                                                    müssen!“ Man könne dem Planungsteam nur
                                                                                                                    wünschen, dass die viele Arbeit am Ende auch
                                                                                                                    den verdienten Erfolg erfahre, fasste Michael
                                                                                                                    Kröhl zusammen.

                                                                                                                    A45: Acht von 60 Brücken erneuert
                                                                                                                    Langwierig gestaltet sich auch die Erneuerung
                                                                                                                    der Autobahnbrücken der A45. Das wurde beim

                                                                                                       IHK Siegen
Tauschten sich konstruktiv aus: IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer, Ingo Menzel, Kevin Lass, Marco Gräb            Talbrücke Rahmede
und Michael Kröhl (v.l.).
                                                                                                                      Termin für die
„Ich möchte nicht mit Ihnen tauschen. Als Lo-          eine „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ gestartet
gistiker wäre ich viel zu ungeduldig für dieses        worden. Während die Ausbaumaßnahmen im                         Sprengung steht
Verfahrensdickicht rund um die Planung der             Abschnitt Kronprinzeneiche bis Lützel mit auf-                 Der Termin für die Sprengung der Talbrücke
Ortsumgehungen!“ Michael Kröhl, Vorsitzender           wendigen Hangsicherungen vor drei Jahren ab-                   Rahmede steht fest. Wie Bundesverkehrs-
des IHK-Verkehrsausschusses, gab in der jüngs-         geschlossen wurden, wird nun noch der Ausbau                   minister Dr. Volker Wissing mitteilte, soll
ten Sitzung des Gremiums das wieder, was wohl          der B62 bis Erndtebrück weiterverfolgt. „Hier ist              das marode Bauwerk, über das seit Dezem-
den meisten Ausschussmitgliedern durch den             die Entwurfsplanung abgeschlossen“, e­rklärte                  ber 2021 kein Verkehr mehr rollen darf, am
Kopf ging. Anlass war die Präsentation zum Pla-        Lass. Nun stünden die Einleitung des Flurberei-                7. Mai gesprengt werden. Einen Termin,
nungsstand der Ortsumgehungskette B508 /               nigungs- und die Vorbereitung des Planfeststel-                wann es mit einem Neubau losgehen könn-
B62 von Kreuztal nach Erndtebrück durch Ingo           lungsverfahrens an. Der Projektleiter veran-                   te, gibt es allerdings immer noch nicht.
Menzel (Straßen.NRW-Abteilungsleiter Pla-              schaulichte die verschiedenen P­ lanungsschritte
nung) und Kevin Lass (Straßen.NRW-Projektlei-
ter). Detailliert gingen die beiden Experten auf
die vorgesehenen Ortsumgehungen und den
bestandsorientierten Ausbau der B62 im Ab-
schnitt Lützel – Erndtebrück mit geplanter An-
lage eines Radweges und Beseitigung des kon-
fliktträchtigen Bahnübergangs „Altenteich“ ein.

Während sich die Ortsumgehungen Ferndorf,
Hilchenbach und Erndtebrück noch im Stadium
der Vorplanung befinden, steht die Südum­
gehung Kreuztal vor der Umsetzung. Hier hatte
das Oberverwaltungsgericht infolge einer Klage
nach ­Offenlegung des Planfeststellungsbeschlus­
ses Abwägungsmängel bei festgesetzten, natur-
schutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen fest-
gestellt; es musste nachgebessert werden. „Die
Unterlagen für das notwendige Planergänzungs-
                                                                                                                                                                    Autobahn Westfalen

verfahren werden derzeit aufbereitet. Klagen
sind dann nur noch durch unmittelbar Betroffe-
ne möglich“, gab Kevin Lass Grund zur Hoffnung
auf einen absehbaren Baubeginn. Für die übrigen
Ortsumgehungen seien in den letzten Jahren             Bei der Sitzung des Verkehrsausschusses waren auch die Arbeiten an den hiesigen Autobahnbrücken (hier eine
umfangreiche Untersuchungen angestellt und             Aufnahme der Ende März erfolgten Sprengung der Talbrücke Eisern) auf der Agenda.
Wirtschaftsreport         Apr 23           13

Überblick von Marco Gräb, Leiter der Außen-         konnte Tempo gemacht werden“, legte Marco                     zum Teil 200 Meter voneinander entfernt und
stelle Netphen der Autobahn GmbH, über die im       Gräb dar. (Hinweis: Die Sprengung des zweiten                 an anderen Standorten stehen werden. Hier wird
Bezirk der IHK Siegen gelegenen Bauwerke            alten Brückenteils erfolgte Ende März.) Für den               es sicher ein Planfeststellungsverfahren geben“,
deutlich. Acht von 60 zu erneuernden Großbrü-       Ersatzneubau dieser Brücke konnte auf ein Plan-               berichtete Gräb. Auf entsprechende Nachfrage
cken der A45 sind bislang fertiggestellt, eine      feststellungsverfahren, das in der Regel zur Ver-             von Teresa Mason-Hermann (KRAH Elektroni-
davon in NRW. Der Zeitplan ist anspruchsvoll:       längerung der Planungszeiten führt, verzichtet                sche Bauelemente GmbH) ging der Fachmann
Bis etwa Mitte des nächsten Jahrzehnts sollen       werden.                                                       der Autobahn GmbH ausführlich auf die recht-
die Brücken wieder ohne Einschränkungen be-                                                                       lichen Grundlagen hierfür ein.
fahrbar sein. Weit vorangeschritten sind die        Anders werde dies bei der Siegtalbrücke ausse-
Arbeiten im Abschnitt Landesgrenze bis Siegen-      hen, die sich nicht nur optisch deutlich vom be-              Weiteres Thema der Sitzung waren die Pläne für
Süd. „Wir hoffen, noch 2024 das zweite Brü-         stehenden Brückenbauwerk unterscheiden wer-                   die Produktion von grünem Wasserstoff in Sie-
ckenbauwerk der Talbrücke Rinsdorf fertigstel-      de, sondern auch in ihrer Gesamtkonstruktion.                 gen, die Peter Schulte (Messer Industriegase
len zu können. Auch an der Talbrücke Eisern         „Wir werden weniger Pfeiler benötigen, die dann               GmbH) den Ausschussmitgliedern vorstellte. 

Route 57
Verein drängt auf mehr Tempo bei Ausbau Lützel
Die bestehende Verkehrsanbindung der Witt-                                                                        Vorsitzender von Route 57 e.V. Der Strecken-
gensteiner Kommunen an das Siegerland ist                                                                         abschnitt zwischen Lützel und Erndtebrück ist
längst nicht sicher. Davon zeigt sich der Verein                                                                  ein wichtiger Teil der Route 57 – und auch vor
Route 57 überzeugt. Immer wieder kommt es zu                                                                      diesem Hintergrund längst überfällig. Der Verein
schweren Unfällen, bei denen Menschen Scha-                                                                       drängt auf einen „zukunftsgerechten“ Ausbau.
den nehmen. Regelmäßig verursachen Ber-                                                                           Dazu gehört, die Kurven zu begradigen. Außer-
gungsarbeiten dabei Einschränkungen im Ver-                                                                       dem soll die Strecke zwischen Lützel und Ernd-
kehrsfluss. Auch in diesem Winter hat sich                                                                        tebrück in zwei Abschnitten mit einer zusätzli-
gezeigt, dass hier bei „Wind und Wetter“ Ver-                                                                     chen Fahrspur, die ein sicheres Überholen
kehrsteilnehmer Gefahren ausgesetzt sind – ins-                                                                   erlaubt, dreispurig werden. Schließlich müsse
besondere im Bereich der Kronprinzeneiche und                                                                     auch der Bahnübergang bei Altenteich endlich
auf der B62.                                                                                                      beseitigt werden, fordert der stellvertretende
                                                                                                                  Vereinsvorsitzende Ingo Degenhardt. Die Bahn-
Erst vor einigen Wochen schleuderte ein Lkw                                                                       strecke soll in Zukunft mittels eines Brücken-
zwischen Lützel und Altenteich in die Schran-                                                                     bauwerks gekreuzt werden. „Dies und die längst
kenanlage und die Leitplanke des dortigen                                                                         überfällige Entschärfung der Situation am Ab-
                                                                                                       Werkfoto

Bahnübergangs. Diesel und weitere Betriebs-                                                                       zweig ‚Im Grünewald‘ würden die Verkehrssi-
stoffe liefen aus. „Der ausgelaufene Kraftstoff                                                                   cherheit in diesem Bereich erheblich verbes-
                                                    Eckehard Hof, Vorsitzender des Vereins Route 57, zeigt
konnte aufgrund der widrigen Witterung erst                                                                       sern.“ Degenhardt sieht auch die Deutsche Bahn
                                                    die Probleme klar auf.
Tage später ausgebaggert werden. Dann musste                                                                      in der Pflicht: Sie sei gefordert, sich hier so be-
die B62 in diesem Bereich wieder einseitig ge-      kehr in und aus dem Gewerbegebiet wird hier                   weglich wie möglich zu zeigen und zu einer
sperrt werden, was zu neuen Verzögerungen auf       über die unmittelbar an der B62 verlaufenden                  schnelleren Umsetzung der Maßnahmen beizu-
der Strecke führte“, erläutert der Vorsitzende      Gleise der Rothaarbahn geführt. Die Sicht ist                 tragen.
des Vereins Route 57, Eckehard Hof. Die Über-       eingeschränkt, höchste Aufmerksamkeit gebo-
fahrt über die Gleise verläuft hier über eine ex-   ten. Beispiele, wie das der im November 2021                  Welche Auswirkungen immer wieder Unfälle
trem enge Kurvenfolge bei einer Geschwindig-        schwerverletzten Pkw-Fahrerin, die von Erndte-                auch im Ferndorftal haben, zeigt das Beispiel
keitsbegrenzung auf 30 km/h. „Selbst bei            brück Richtung Kronprinzeneiche fuhr und von                  einer schwer verunglückten Fahrerin vor weni-
niedrigem Tempo ist es für tonnenschwere Sat-       einem Pkw-Fahrer beim Linksabbiegen aus der                   gen Wochen. Ihr Fahrzeug überschlug sich. Ver-
telschlepper kaum möglich, das Fahrzeug ‚zu         Straße „Im Grünewald“ übersehen wurde, gibt                   schiedene Feuerwehreinheiten kamen zum Ein-
halten‘, wenn es bei Schnee- und Eisglätte erst     es viele. Bei den Unternehmen im Gewerbege-                   satz. Mitten im Berufsverkehr musste die B508
einmal rutscht.“ Die Entschärfung dieses Ab-        biet sind hunderte Mitarbeiter beschäftigt, die               für mehr als eine Stunde gesperrt werden. Es
schnittes sei dringend notwendig, lasse aber        mit dem Pkw zur Arbeit gelangen. „Es ist nur                  kam zu erheblichen Rückstaus in beide Fahrt-
weiter auf sich warten.                             eine Frage der Zeit, bis es an dieser Stelle wieder           richtungen. „Die Beispiele zeigen, wie wichtig
                                                    zu einem schweren Unfall kommt. Seit Jahren                   eine beschleunigte Umsetzung der Route 57 und
Unfälle, auch solche mit Personenschaden, sind      drängen wir auf eine Entschärfung der Situati-                ihrer einzelnen Bauabschnitte ist. Es kann nicht
auf dieser Strecke längst keine Seltenheit. Das     on, um zu verhindern, dass weitere Menschen zu                sein, dass sich Planungen über Jahrzehnte hin-
gilt auch für einen weiteren exponierten Be-        Schaden kommen. Der Ausbau des Bahnüber-                      ziehen, wenn es um Leib und Leben von Ver-
reich: den Abzweig von der B62 in das Gewerbe-      gangs ist jedoch bis heute nicht erfolgt“, ver-               kehrsteilnehmern geht!“, fasst Eckehard Hof
gebiet „Im Grünewald“ in Erndtebrück. Der Ver-      deutlicht Christoph Schorge, stellvertretender                zusammen. 
14          Apr 23      Wirtschaftsreport

DIHK-Positionspapier
Perspektiven für die Energieversorgung
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer               Das Positionspapier der DIHK im Detail:                  3. 
                                                                                                                    Neben Gas andere Brückentechnologien
(DIHK) hat ein Energie-Positionspapier für den          1. Den Turbo bei erneuerbaren Energien                     nutzen
Wirtschaftsstandort Deutschland formuliert. Zu             zünden                                                Gas ist als Brückentechnologie noch für viele
den Leitlinien mit dem Titel „DIHK-Perspektiven         Der Ausbau erneuerbarer Energien ist deutlich zu         Jahre unverzichtbar. Als einzige Brücke ist Gas
für die Energieversorgung 2030 in Deutschland“          langsam, um die politischen Ziele zu erreichen.          hingegen aus Sicht der Wirtschaft nicht aus-
erklärt DIHK-Präsident Peter Adrian, man unter-         Aus Sicht der Wirtschaft sollten Bund, Länder und        reichend – sowohl mit Blick auf die Resilienz der
stütze das politisches Ziel, die Treibhausgase          Kommunen für den Bau von Wind- und PV-Frei-              Energieversorgung als auch mit Blick auf die
erheblich zu reduzieren und Klimaneutralität zu         flächenanlagen mehr Flächen zur Verfügung stel-          Kosten.
erreichen. Gleichzeitig benötigten die Unter-           len. Der Ausbau von Windanlagen an Land kann
nehmen dauerhaft sicheren Zugang zu Energie             zudem beschleunigt werden, wenn Prüfschritte             4. Wettbewerbsfähige Energiekosten
– zu wettbewerbsfähigen Preisen. Hierfür halte          für Neuanlagen und Repowering entfallen.                    ermöglichen
die Krise einige Lehren bereit.                                                                                  Die Energiekosten haben die Wirtschaft bereits
                                                        2. Heimische Potenziale in den Blick nehmen              vor der Krise stark belastet. Auch wenn die Prei-
Beim Ausbau erneuerbarer Energien liege immer           Die Ausweitung heimischer Potenziale stärkt die          se für Strom und Gas in jüngster Zeit gesunken
noch zu viel im Argen. „Den Turbo können wir            Versorgungssicherheit für die Unternehmen. Die           sind, gefährdet das Preisniveau die internatio-
zünden, wenn die Politik bei den Planungs- und          Produktion von erneuerbaren Gasen sowie kon-             nale Wettbewerbsfähigkeit erheblich. Auch mit
Genehmigungsverfahren radikal verschlankt so-           ventionelle Gasförderung inklusive einer nach-           der Gas- und Strompreisbremse liegen die Ener-
wie die Eigenstromversorgung und grüne Liefer-          haltigen Schiefergasförderung an Land wie auf            giekosten für energieintensive Prozesse und
verträge jenseits der EEG-Vergütung stärkt.             See schaffen ein breiteres Energieangebot. Da-           Dienstleistungen deutlich über den Beschaf-
Auch helfen der Wirtschaft ein schnellerer Aus-         durch wird die Energieversorgung der deutschen           fungskosten in Frankreich oder den USA. Um
bau der Infrastruktur, die verstärkte Nutzung           Wirtschaft weniger anfällig für externe Schocks          seine Energiekosten dauerhaft zu senken, muss
heimischer Potenziale sowie ein rascher Hoch-           bei plötzlich wegfallenden Importquellen oder            in Deutschland in erster Linie das Angebot mas-
lauf beim Wasserstoff.“ Es sollte künftig zudem         -routen. Gleichzeitig bietet eine stärkere Nut-          siv ausgebaut werden. Es sollte der Grundsatz
ein wichtiger Grundsatz gelten: „Kraftwerks­            zung der oberflächennahen wie auch der Tiefen-           gelten: Kraftwerkskapazitäten werden nur ab-
kapazitäten werden nur abgeschaltet, wenn               Geothermie weitere Potenziale. Eine Beschleuni-          geschaltet, wenn andere wetterunabhängige
andere wetterunabhängige Leistungen zur Ver-            gung der Planungs- und Genehmigungsverfahren             Leistungen zur Verfügung stehen.
fügung stehen. Hinzukommen müssen Entlas-               sowie eine Anpassung der rechtlichen Rahmen-
tungen für Unternehmen bei den Energieprei-             bedingungen bei der Wasser- und Umweltver-               5. Infrastruktur schneller ausbauen
sen.“ Die Reduzierung von Abgaben auf Strom             träglichkeitsprüfung helfen, diese Potenziale zu         Je weiter der Ausbau der Erneuerbaren, der
und Gas sei schnell umsetzbar.                          erschließen.                                             Markthochlauf von Wasserstoff sowie die E-
                                                                                                                 Mobilität und der Einbau von Wärmepumpen
                                                                                                                 voranschreiten, desto dringlicher ist eine leis-
                                                                                                                 tungsfähige Energieinfrastruktur. Ohne entspre-
                                                                                                                 chenden Infrastrukturzugang können Unterneh-
                                                                                                                 men sich nicht oder nur eingeschränkt an der
                                                                                                                 Energiewende beteiligen und ihre betrieblichen
                                                                                                                 Klimaschutzziele erreichen. Daher muss der not-
                                                                                                                 wendige Ausbau der Netzinfrastruktur koordi-
                                                                                                                 niert und über alle Energieträger hinweg be-
                                                                                                                 schleunigt umgesetzt werden. Der bisher
                                                                                                                 schleppende Ausbau der Stromnetze auf allen
                                                                                                                 Ebenen führt zu Abschaltungen von Erzeu-
                                                                                                                 gungsanlangen und Eingriffen in die Fahrweise
                                                                                                                 von Kraftwerken, die die Wirtschaft finanziell
                                                                                                                 belasten und die Netzstabilität gefährden.

                                                                                                                 6. Auf den Energiemärkten stärker auf
                                                                                                                    Markt und Europa setzen
                                                                                                                 Das aktuelle Strommarktdesign sorgt dafür, dass
                                                                                                                 immer die günstigsten Kraftwerke zur Deckung
                                                                                                                 der Nachfrage zum Einsatz kommen (Merit Or-
                                                                                                                 der). Für die Unternehmen werden die Kosten
                                                                                                      Unsplash

                                                                                                                 der Stromversorgung dadurch begrenzt. Staat-
                                                                                                                 liche Eingriffe schränken die Effizienz des Mark-
Der Ausbau von Windanlagen an Land ist einer der Eckpunkte des Positionspapiers.                                 tes ein und können daher zu höheren Kosten für
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