ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine - Die Zeitschrift für Allgemeinmedizin
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ZFA 2 I 2020 96. JAHRGANG Zeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine Qualifizierungs- bedarf von MFA SEITE 77 EbM: Herpes-zoster-Impfung SEITE 51 Was ist gute Weiterbildung? SEITE 56 Patientenerfahrungen bei Einweisung und Entlassung aus dem Krankenhaus SEITE 69 This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO.
2 HERAUSGEBENDE GESELLSCHAFTEN / PUBLISHING INSTITUTIONS ZFA Organ der/des ... / Official journal of the ... Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) German College of General Practitioners and Family Physicians Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA) Society of Professors and University Lecturers of Family Medicine Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM) Lower Austrian Society of Family Medicine Österreichischen Instituts für Allgemeinmedizin (ÖIfAM) Austrian Institute of Family Medicine Salzburger Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (SAGAM) Salzburg Society of Family Medicine Steierischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM) Styrian College of Family Medicine Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM) Southern Tyrolean Society of Family Medicine Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) Tyrolean Society of Family Medicine Vorarlberger Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (VGAM) Vorarlberg Society of Family Medicine Titelbildhinweis: goodluz/stock.adobe.com © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
EDITORIAL / EDITORIAL 49 Es tut sich was in Österreich! Endlich! – Fast 30 Jahre nach der Schaffung des Facharztes für Allgemeinmedi- zin in Deutschland steht dieser nun in Österreich zumindest im unlängst publi- zierten Regierungsprogramm der neuen türkis-grünen Bundesregierung. Das Be- rufsbild soll sowohl im Medizinstudium als auch in der Weiterbildung attrak- tiver werden, um den zunehmenden Nachwuchsproblemen vor allem im länd- lichen Bereich zu begegnen. Dass all dies natürlich nicht von selbst passiert, sondern harten Einsatz und auch entsprechende finanzielle Ressourcen erfordert, zeigen die Erfahrungen der in Deutschland in den letzten Jahren entstandenen Kompetenzzentren für Allgemeinmedizin. Dass sich der Einsatz lohnt, lassen die positiven Evaluatio- nen der neuen Konzepte durch Weiterbilder und Ärzt*innen in Weiterbildung zumindest hoffen. Zwei schöne Beispiele solcher Evaluationen und Konzeptent- wicklungen finden Sie in diesem Heft der ZFA. Ob damit tatsächlich die Um- kehr des Trends geschafft werden kann, muss sich in den nächsten Jahren zei- gen, wenn die Pensionierungswelle weiter um sich greift. Auch in Deutschland hat die Politik viel zu lange geschlafen. Zumindest auf Österreich wirkt das deutsche Angebot attraktiv. Nach einer jüngsten Umfrage des Bildungsministeriums unter Absolventen der staatlichen Medizinuniversitäten, haben 26 % der Absolvent*innen österreichischer Medi- zinischer Universitäten vor, das Land für die Aufnahme der beruflichen Tätig- keit zu verlassen. Selbst die Österreich-Stämmigen zieht es zu 15 % ins Ausland, überwiegend nach Deutschland und in die Schweiz. Als Hauptgründe werden eine bessere Ausbildung im Zielland und die Vermeidung der häufig als unsin- nig empfundenen neunmonatigen „Basisausbildung“ genannt, in der der Aus- zubildende oft nichts anderes macht als im „Praktischen Jahr“ des Medizinstu- diums. Österreich mit ca. 1200 Medizinabsolventen pro Jahr ist freilich zu klein, um die Lücken in Deutschland zu schließen, aber hierzulande schmerzt der Ver- lust und veranlasst die Politik, über Ursachen nachzudenken und gegenzusteu- ern. Zumindest einmal auf dem Papier, dem hoffentlich in nächster Zeit Taten folgen werden. Es macht Spaß, über die Erfolge der Train-the-Trainer-Seminare in Hessen zu lesen, und es animiert zur Nachahmung. Aber es setzt natürlich voraus, dass zum einen die erforderlichen finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden und zum anderen allgemeinmedizinische Aus- und Weiterbildung auch da stattfin- det, wo sie hingehört: in der allgemeinmedizinischen, hausärztlichen Praxis. Auch hier hinkt Österreich mit gerade mal sechs Monaten Lehrpraxis in einer dreieinhalbjährigen Ausbildung hinterher, die ansonsten zwischen Drei- und Sechsmonatsabschnitten diverser Spezialfächer „zerfleddert“ ist, sodass der Arzt in Weiterbildung die Abteilung schon wieder verlässt bevor er richtig einge- arbeitet ist. So besteht auch wenig Motivation bei den Chefärzten, in allgemein- medizinische Ausbildungsassistentinnen zu investieren. Aber auch hier hat sich die neue Bundesregierung eine „Arztausbildung NEU“ auf die Fahnen geschrieben und man darf gespannt sein, mit welchen konkreten Inhalten die Ankündigungen gefüllt werden. Drücken Sie uns die Daumen! Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und grüße Sie herzlich Ihr Andreas Sönnichsen © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
50 INHALTSANGABE / TABLE OF CONTENTS EDITORIAL / EDITORIAL Andreas Sönnichsen 49 Es tut sich was in Österreich! EBM-SERVICE / EBM SERVICE Mahmoud Moussa, Andreas Sönnichsen 51 Herpes-zoster-Impfung: Tot-Impfstoff, Lebend-Impfstoff oder gar nicht impfen? Herpes Zoster Vaccination: Live or Inactivated Vaccines? Or no Vaccination at All? ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE Katharina Dippell, Lia Pauscher, Anne Messemaker, Armin Wunder, Alexander Graafen, Ferdinand M. Gerlach, Monika Sennekamp 56 Was braucht es für eine gute Weiterbildung? Bedarfsanalyse zu erweiterten Fortbildungsangeboten und Feedbackkultur im Rahmen von Train-the-Trainer-Seminaren für Weiterbilder/innen What is Good Specialist Training? Needs Analysis of Enhanced Training Courses and Feedback Culture in the Context of Train-the-Trainer Seminars Lia Pauscher, Katharina Dippell, Anne Messemaker, Armin Wunder, Felix Sebastian Wicke, Ferdinand M. Gerlach, Monika Sennekamp 62 Train-the-Trainer-Aufbauseminare für Weiterbilder/innen in Hessen: Konzept, Durchführung und Evaluationsergebnisse Advanced Train the Trainer Seminars for Specialist Trainers in Hesse: Design, Implementation and Evaluation Cornelia Straßner, Johanna Forstner, Joachim Szecsenyi, Michel Wensing, Petra Kaufmann-Kolle, Wolfram Günther 69 Patientenerfahrungen bezüglich Einweisung, Entlassung und Weiterversorgung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung Patient Experiences Regarding Admission, Discharge and Follow-up within the Scope of a Hospital Treatment Regina Poß-Doering, Frank Peters-Klimm, Stefan Nöst 77 Qualifizierungsbedarf aus Sicht von medizinischen Fachangestellten Medical Assistants’ Perspectives on their Training Needs DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE Johannes Siegrist 83 Wie kann hausärztliche Arbeit zur Gesundheit der Bevölkerung beitragen? Herausforderungen an die ärztliche Professionalität The Contribution of Primary Care Physicians to Population Health – Challenges of Medical Professionalism 88 BUCHBESPRECHUNG / BOOK REVIEW 89 LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR 93 DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS 94 GHA-NACHRICHTEN / GHA NEWS 95 DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND / GERMAN ASSOCIATION OF FAMILY PHYSICIANS 96 IMPRESSUM / IMPRINT © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
EBM-SERVICE / EBM SERVICE 51 Herpes-zoster-Impfung: Tot-Impfstoff, Lebend-Impfstoff oder gar nicht impfen? Herpes Zoster Vaccination: Live or Inactivated Vaccines? Or no Vaccination at All? EbM Mahmoud Moussa, Andreas Sönnichsen Frage Question Derzeit stehen zwei Impfstoffe gegen Herpes zoster zur Verfü- There are currently two types of herpes zoster vaccines avail- gung, Zostavax® als attenuierter Lebendimpfstoff und Shin- able, Zostavax® (a live attenuated vaccine), and Shingrix® (an grix® als adjuvantierter, rekombinanter Totimpfstoff. Soll über- adjuvanted recombinant subunit vaccine). Should we vacci- haupt gegen Herpes zoster geimpft werden, und wenn ja, wer, nate against herpes zoster, and if yes, who should be vacci- ab welchem Alter und mit welchem Impfstoff? nated at which age and with which vaccine? Antwort Answer Beide Impfstoffe sind effektiv in der Prävention von Herpes zoster Both vaccines are effective in preventing herpes zoster for at und postherpetischer Neuralgie (PHN), mindestens für drei bis least three to four years. For the attenuated live vaccine a rapid vier Jahre. Für den Lebendimpfstoff zeigte sich aber in Langzeit- loss of effectiveness has been demonstrated in long-term- studien ein rascher Effektivitätsverlust. Langzeitdaten für den studies. For the dead vaccine long-term-data are not yet avail- Totimpfstoff liegen noch nicht vor. In den ersten vier Jahren war able. Vaccination effectiveness of the dead vaccine was su- die Impfeffektivität des Totimpfstoffs derjenigen des Lebend- perior to the live vaccine during the first four years after vacci- impfstoffs überlegen und der Effektivitätsverlust fiel geringer aus. nation, and loss of effectiveness was less pronounced. This ad- Dieser Vorteil wird aber durch eine höhere Rate an lokalen und vantage is compromised by a higher rate of local and systemic systemischen Nebenwirkungen erkauft. In Anbetracht der eher adverse events. In the light of the frequent adverse events the schlechten Verträglichkeit der Impfung muss in einer partizipati- indication for the vaccination must be discussed in an inform- ven informierten Entscheidung mit den Patient*innen diskutiert ed shared decision making process with the patient. The Ger- werden, ob eine Impfung erfolgen soll. Die STIKO empfiehlt die man STIKO recommends vaccination with the dead vaccine Impfung mit dem Totimpfstoff ab dem 60. Lebensjahr. In above the age of 60 years. In Germany the rather expensive Deutschland wird die mit 226,80 Euro nicht ganz billige Imp- vaccination (226,80 Euro) is paid for by statutory health insur- fung durch die Sozialversicherung bezahlt, in Österreich nicht. ance, but not in Austria. Hintergrund auf EU-Ebene jedes Jahr über 1,7 Mil- bei schwerer Immunsuppression, der Das Varizellen-Zoster-Virus (VZV) ist lionen Fälle von HZ auftreten [2]. auch tödlich verlaufen kann [3]. ein hoch ansteckendes α-Herpesvi- Herpes zoster hat einen erhebli- Zudem ist Herpes zoster mit zuneh- rus. Die primäre Infektion (norma- chen Einfluss auf die Gesundheit, die mendem Alter mit einer erhöhten Mor- lerweise in der Kindheit) verursacht Lebensqualität und die Gesundheits- talität assoziiert. Hiervon sind vor allem Windpocken (Varizellen). Das Virus kosten. Die akute Erkrankung führt hochbetagte Patient*innen und Multi- persistiert aber nach Ausheilung der nicht nur zu lokalen Schmerzen, morbide betroffen [4]. Der Prävention Varizellen in den sensorischen Ner- Wundinfektionen und einer Beein- von HZ kommt daher eine große Be- venganglien. Aufgrund einer nach- trächtigung des Allgemeinbefindens, deutung zu, vor allem für die erwähn- lassenden zellulären Immunität ge- sondern verursacht auch nicht selten ten Risikogruppen. Momentan werden gen VZV z.B. im höheren Lebens- erhebliche Komplikationen. Die häu- zwei Zoster-Impfstoffe angeboten: alter oder bei Immunsuppression figste Komplikation ist die postherpe- können die Viren reaktiviert werden tische Neuralgie, die bis zu 90 Tage Live zoster vaccine und eine Gürtelrose (Herpes zoster oder länger nach Abheilung der Haut- (LZV, Zostavax®) [HZ]) auslösen [1, 2]. läsionen auftreten kann. Andere Kom- Die LZV-Impfung wurde 2006 von Angesichts des demografischen plikationen sind sekundäre bakterielle der FDA zugelassen und steht seit Wandels der Bevölkerung wird eine Infektionen, Augenkomplikationen 2009 in Europa zur Verfügung. Es deutliche Zunahme der Inzidenz er- bei Befall des Nervus Trigeminus so- handelt sich um einen attenuierten wartet. So wird z.B. geschätzt, dass wie ein schwerer generalisierter Befall Lebendimpfstoff, der hauptsächlich Abteilung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien, Wien DOI 10.3238/zfa.2020.0051–0055 © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
52 EBM-SERVICE / EBM SERVICE die spezifische T-Zell-Produktion akti- Suchstrategie (Relatives Risiko [RR] 0,49; 95%-Kon- viert und so die zelluläre Immunität Wir gingen mittels nicht systemati- fidenzintervall [KI] 0,43–0,56; Abso- steigert. Hierdurch wird die Reaktivie- scher Literaturrecherche der Frage lute Risikoreduktion [ARR] 1,77%; rung der in den neuronalen Gan- nach, ob die beiden Impfstoffe hal- NNT nach drei Jahren Beobachtungs- glienzellen persistierenden VZV ver- ten, was sie versprechen, ob es also zeit 57). Bei den Studienteilnehmern hindert und die Virusreplikation un- durch eine Impfung gegen VZV zu ei- über 70 Jahre war die Impfeffektivität terdrückt. Die Impfung erfolgt als ner Verminderung von Erkrankungs- deutlich schlechter (RR 0,63; 95%-KI einmalige s.c. Injektion in den Ober- fällen und vor allem auch zu einer 0,53–0,75, ARR 1,29 %, NNT 77). arm. Zostavax enthält eine 14-fach Verminderung postherpetischer Neu- Die Inzidenz der postherpeti- höhere Viruskonzentration als der für ralgien (PHN) kommt. Hierzu durch- schen Neuralgie (PHN) wurde in der die Kinderimpfung vorgesehene Vari- suchten wir die Pubmed/Medline-Da- Studie von Oxman ebenfalls signifi- zellen-Impfstoff Varivax [5]. tenbank und die Cochrane Database kant gesenkt (RR 0,34; 95%-KI of Systematic Reviews nach Systema- 0,22–0,52; ARR 0,28; NNT 363). Hier Recombinant zoster dead vaccine tic Reviews/Metaanalysen sowie Ein- fiel der Effekt für die über 70-Jährigen (RZV, Shingrix®) zelstudien unter Verwendung des absolut betrachtet wegen der höhe- RZV ist ein Totimpfstoff, der 2017 von Suchterminus „herpes zoster and vacci- ren Inzidenz der PHN im höheren Le- der FDA zugelassen wurde. Er enthält nation and (systematic review or meta- bensalter etwas deutlicher aus (RR nur eine rekombinant hergestellte analysis or randomised controlled trial)“. 0,33; 95%-KI 0,20–0,56; ARR 0,43%; Untereinheit des Virus, die selbst Sodann konsultierten wir aktuelle NNT 233). nicht replikationsfähig ist. Es handelt Leitlinien. In der Sicherheits-Substudie von sich um das antigen wirkende Glyko- Oxman [9] zeigte sich eine leicht hö- protein E, das auf der Oberfläche von Ergebnisse here Rate an schwerwiegenden Ne- VZV vorkommt und das Hauptziel für benwirkungen zwischen den beiden die VZV-spezifische CD4+-T-Zell-Ant- Cochrane Review Gruppen (wobei in der Arbeit nicht wort ist. Zudem enthält der Impfstoff In der Cochrane Database fand sich ausgeführt wird, welche Nebenwir- ein Adjuvans, das eine rasche, starke ein aktueller Cochrane Review aus kungen als schwerwiegend eingestuft und langanhaltende Immunantwort dem Jahr 2019 (Update eines Reviews wurden) (RR 1,53; 95%-KI 1,03–2,25; mit weniger Antigen hervorruft. So von 2016) [8]. In diesem Review wur- ARZ 0,66 %; NNH 152). Auch hin- wird die spezifische Immunreaktion den die Impfstoffe gegen Herpes zos- sichtlich aller lokalen und systemi- gegen VZV stimuliert. Die Impfung ter bei älteren Erwachsenen hinsicht- schen Nebenwirkungen zusammen wird zweimal als intramuskuläre In- lich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit wies die geimpfte Gruppe eine höhere jektion im Abstand von zwei bis sechs untersucht. Es wurden 24 Studien Inzidenz auf (RR 1,69; 95%-KI Monaten verabreicht [6]. mit 88.531 Teilnehmern mit einem 1,59–1,79; ARZ 23,5 %; NNH 4). Im Durchschnittsalter von 68 Jahren ein- Dropout-Vergleich gab es keinen Un- Bezüglich des Lebendimpfstoffes LZV geschlossen. 15 Studien untersuchten terschied zwischen den zwei Gruppen. (Zostavax®), der seit über zehn Jahren LZV (nur zwei placebokontrollierte Unter Einbeziehung von fünf wei- auf dem Markt ist, besteht weitgehend Studien untersuchten die Effektivität teren Sicherheitsstudien konnte der Einigkeit, dass der Impfstoff zwar die der Impfung hinsichtlich der Herpes- Cochrane-Review die höhere Anzahl Inzidenz des Herpes zoster und in ge- zoster-Inzidenz, vier weitere placebo- schwerwiegender unerwünschter Wir- ringerem Ausmaß auch der postherpe- kontrollierte Studien betrachteten kungen durch LZV in der SPS nicht tischen Neuralgie senkt, dass der Impf- ausschließlich Sicherheitsdaten) und bestätigen (RR 1,08; 95%-KI 0,95– stoff jedoch relativ schlecht verträg- neun Studien analysierten die Effekti- 1,21) [8]. Alle Studien mit Ausnahme lich ist und oft zu lokalen, seltener zu vität und Sicherheit von RZV (nur einer Sicherheitsstudie wurden von systemischen Nebenwirkungen führt. zwei Studien verglichen die Effektivi- der Herstellerfirma finanziert. Zudem nimmt die Effektivität offen- tät von RZV mit Placebo) [8]. bar bereits wenige Jahre nach der Imp- Rekombinante Totvakzine RZV fung deutlich ab [7]. Der erst vor kur- Lebendvakzine LZV Die Inzidenzergebnisse nach der RZV- zem zugelassene rekombinante Impf- Die Daten stammten hauptsächlich Impfung stammen aus zwei Studien stoff RZV (Shingrix®) soll angeblich aus der SPS (Shingles Prevention Study), mit insgesamt 29.311 Teilnehmern besser verträglich sein und möglicher- der größten randomisiert kontrollier- [10, 11], in denen die Effektivität von weise länger schützen, Langzeitdaten ten Studie zur Effektivität und Sicher- RZV über einen durchschnittlichen liegen aber bisher kaum vor [7]. heit von LZV (Oxman et al. 2005) [9], Zeitraum von 3,2 Jahren mit Placebo Es stellt sich nun die Frage, ob die die 38.564 Teilnehmer über 60 Jahre verglichen wurde. Die geimpften Stu- beiden Impfstoffe hinsichtlich der (Median 69 Jahre) umfasste und LZV dienteilnehmer wiesen nach 3,2 Jah- Reduktion der Herpes-zoster-Inzidenz mit Placebo verglich. ren eine signifikant niedrigere Inzi- vergleichbar sind, ob sie auch die Die Inzidenz von Herpes zoster denz von Herpes zoster auf (RR 0,08; postherpetische Neuralgie und ande- während der durchschnittlichen Be- 95%-KI 0,03–0,23; ARR 3 %; NNT 33). re Komplikationen verhindern und obachtungszeit von 3,1 Jahren war in Es wurde kein Unterschied in Be- über welchen Zeitraum die Impfeffek- der geimpften Gruppe signifikant zug auf schwerwiegende Nebenwir- tivität anhält. niedriger als in der Placebogruppe kungen zwischen den beiden Grup- © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
EBM-SERVICE / EBM SERVICE 53 pen festgestellt (RR 0,97; 95%-KI Jahr nach der Impfeffektivität zur Verhinderung Impfeffektivität zur Verhinde- 0,91–1,03). Vor allem lokale Neben- Impfung mit LZV von Herpes zoster in % (95%-KI) rung von PZN in % (95%-KI) wirkungen wie Rötung, Entzündung und Schmerzen an der Injektionsstel- 1 62,0 (49,6 bis 71,6) 83,4 (56,7 bis 95,0) le traten aber bei bis zu 80 % der 2 48,9 (34,7 bis 60,1) 69,8 (27,3 bis 89,1) Geimpften auf (RR 6,89; 95%-KI 3 46,8 (31,1 bis 59,2) 38,3 (−44,7 bis 75,0) 6,37–7,45; NNH 1,5). Auch systemi- 4 44,6 (20,5 bis 61,8) 60,7 (−36,3 bis 91,0) sche Reaktionen wie Müdigkeit, My- algien und Kopfschmerzen waren 5 43,1 (5,1 bis 66,5) 73,8 (−37,8 bis 97,3) häufig (RR 2,23; 95%-KI 2,12–2,34; 6 30,6 (−6,0 bis 54,6) 32,0 (−100,0 bis 87,3) NNH 3). Die Dropout-Rate war höher 7 52,8 (−16,5 bis 80,5) 60,0 (−4,5 bis 97,1) in der Impfstoffgruppe. Ein direkter Vergleich zwischen Tabelle 1 Impfeffektivität hinsichtlich Inzidenz von Herpes zoster und Post-zoster-Neu- LZV und RZV in einer randomisiert ralgie [15] kontrollierten Studie ist bisher nicht erfolgt und wurde daher im Cochrane Review nicht thematisiert. 0,16–1,61 als nicht signifikant ange- Short-term-SPS-Follow-up-Studie, in Andere Systematic Reviews geben. Die Zahlen sind aber rech- der ein Teil der SPS-Studien-Teilnehmer und Metaanalysen nerisch nicht nachvollziehbar. Die Er- weiter beobachtet wurde [15]. In dieser In einer systematischen Übersicht gebnisse für RZV entsprechen den Studie wurde deutlich, dass die Impf- von Tricco 2018, die 27 Studien (nur Cochrane-Ergebnissen, da die glei- effektivität bereits in den ersten Jahren die 22 randomisiert kontrollierten chen zwei Studien analysiert wurden. nach der Impfung deutlich nachlässt. Studien sind in der Analyse enthal- In der Netzwerkmetaanalyse er- Tabelle 1 zeigt die Impfeffektivität für ten) und 2.044.504 Patienten ein- rechnen die Autoren dann einen direkt sieben Jahre hinsichtlich der Verhinde- schloss, wurden die Wirksamkeit und durch die angegebenen Zahlen eben- rung einer Herpes-zoster-Erkrankung die Nebenwirkungen beider Impfstof- falls nicht nachvollziehbaren Vorteil und hinsichtlich der Verhinderung ei- fe indirekt mithilfe einer Netzwerk- für RZV gegenüber LZV mit einer Odds ner Post-Zoster-Neuralgie (PZN). Metaanalyse verglichen [12]. Ratio von 0,15 (95%-KI 0,02–0,68). Die in den negativen Bereich rei- Zunächst analysierten die Autoren In der Analyse der Verträglichkeit chenden Konfidenzintervalle ma- den direkten Vergleich zwischen dem zeigte RZV deutlich mehr lokale Ne- chen deutlich, dass bereits ab dem Impfstoff und Placebo hinsichtlich der benwirkungen als LZV (RR 1,79; dritten Jahr kein zuverlässiger Schutz Inzidenz eines durch einen Arzt oder 95%-KI 1,05–2,34). Auch das Risiko für mehr vor PHN und ab dem sechsten Laborbefund bestätigten Herpes zoster. systemische Nebenwirkungen war für Jahr kein Schutz mehr vor der Erkran- Für LZV wurden elf randomisiert kon- RZV numerisch höher als für LZV (RR kung überhaupt besteht [15]. In einer trollierte Studien mit 61.294 Teilneh- 1,87; 95%-KI 0,88–2,96), allerdings weiteren Langzeitstudie erfolgte eine mern in die Analyse einbezogen. Hier nicht signifikant. Bezüglich schwerwie- Nachbeobachtung über elf Jahre. Ei- fällt auf, dass in den jüngeren Coch- gender Nebenwirkungen und Mortali- ne signifikante Reduktion der Herpes- rane Review nur eine dieser randomi- tät fanden sich keine Unterschiede zwi- zoster-Inzidenz war nur bis zum ach- siert kontrollierten Studien für den Ver- schen den Impfstoffen und Placebo. ten Jahr nach der Impfung mit LZV gleich aufgenommen wurde. Das liegt Die Arbeit von Tricco wurde zu beobachten [16]. daran, dass der Cochrane Review sich durch das Canadian Institutes of He- Diese Ergebnisse wurden 2015 auf ältere Erwachsene (ab 60 Jahren) alth Research Drug Safety and Effective- durch eine Metaanalyse untermauert. und immunkompetente, sonst gesunde ness Network finanziert und nicht wie Cook et al. untersuchten die Persis- Teilnehmer beschränkte. Besonders zu fast alle anderen Studien durch einen tenz der Wirksamkeit von LZV in al- erwähnen ist hier die Studie von der Hersteller. len verfügbaren klinischen Studien Schmader et al. aus 2012, in der 50- bis Auch in einem 2019 erschienenen [17]. In den Review wurden sechs 59-jährige Personen untersucht wurden Review, der allerdings von GSK, dem Studien eingeschlossen, davon drei und die ein ähnliches Ergebnis aufwies Hersteller von RZV, finanziert wurde, RCTs und drei Beobachtungsstudien, wie die SPS-Studie bei den Über-60-Jäh- wurden die zwei Impfstoffe indirekt eine davon mit einer durchschnitt- rigen [13]. Diese Studie wurde im verglichen [14]. 21 Studien und vier lichen Beobachtungszeit von 6,9 Jah- Cochrane Review wegen des Alters der Abstract-Arbeiten wurden einge- ren. Insgesamt konnte ein Zeitraum Patient*innen ausgeschlossen. schlossen. Auch dieser Review berich- von etwa elf Jahren dargestellt wer- Der LZV-Placebo-Vergleich zeigt tet eine signifikant bessere Wirksam- den. Die relative Risikoreduktion bei Tricco (trotz der anderen Studien- keit von RZV bei über-60-jährigen Pa- durch die einmalige Impfung mit zusammensetzung) eine ähnliche tienten verglichen mit LZV. LZV sank von etwa 60 % im ersten Impfeffektivität wie der Cochrane Re- Jahr auf nahezu Null nach elf Jahren. view (RR 0,47; 95%-KI 0,41–0,53; ARR Persistenz der Impfwirkung Vergleichbare Langzeitunter- 1,3; NNT 77). Allerdings wird in der Schmader et al. veröffentlichten 2012 suchungen liegen für RZV bisher Metaanalyse das 95%-KI des RR mit Follow-up-Daten aus der SPS und der nicht vor. Gepoolte Daten aus den © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
54 EBM-SERVICE / EBM SERVICE beiden publizierten randomisiert kon- gen zwar eine Abnahme der Glyko- kombinanten Totvakzine, mit der glei- trollierten Studien über einen Beob- protein-E-spezifischen CD4+-Zellen chen Argumentation wie die STIKO achtungszeitraum von vier Jahren zei- und der Anti-Glykoprotein-E-Antikör- [23]. LZV wird nicht mehr empfohlen. gen für Geimpfte über 70 Jahre eben- perkonzentration in den ersten vier In Österreich erfolgt trotz der Empfeh- falls eine Abnahme des Impfschutzes, Jahren nach der Impfung, aber keine lung keine Finanzierung der Impfung die jedoch deutlich geringer ausfällt weitere Abnahme in den folgenden durch die Sozialversicherung. als bei LZV (Tab. 2) [11]. Verlaufs- Jahren [19, 20]. daten zum Schutz vor PHN fehlen. Die STIKO weist auch darauf hin, Advisory Committee on dass der rekombinante Totimpfstoff Immunization Practices (USA) Weitere Einzelstudien im Gegensatz zur LZV bei Immun- Auch das amerikanische ACIP (Adviso- Wir suchten ausschließlich randomi- supprimierten appliziert werden kön- ry Committee on Immunization Practices) siert kontrollierte Studien. Unter Ver- ne. Abgesehen von einer Studie nach empfiehlt die rekombinante Vakzine wendung der Suchbegriffe „Herpes hämatopoetischer Stammzelltrans- ab einem Alter von ≥ 50 Jahren. Aller- zoster and (vaccination) and (rando- plantation gibt es jedoch für die ver- dings stimmten nicht alle Mitglieder mized or randomised)” fanden sich schiedenen Formen der Immunsup- des ACIP dieser Präferenzempfehlung 225 Treffer in PubMed/Medline. pression bisher nur Studien zur Im- zu (Stimmenaufteilung acht zu sieben). Die Durchsicht dieser Treffer er- munogenizität und keine klinischen Obwohl beide Impfstoffe für Patienten brachte keine zusätzlichen relevanten Wirksamkeitsstudien. Die randomi- ab 50 Jahren zugelassen sind, emp- randomisiert kontrollierten Studien, siert kontrollierte Studie bei Patien- fiehlt das ACIP wegen der kurzen die nicht in den oben dargestellten ten nach autologer Stammzelltrans- Schutzdauer sowie der niedrigen Inzi- Übersichtsarbeiten und Metaanalysen plantation wies im ersten Jahr nach denzrate gegen die LZV für Patienten bereits berücksichtigt worden waren. der Impfung eine Effektivität von im Alter von 50 bis 59 Jahren [7]. 68 % zur Verhinderung einer Herpes- Leitlinien zoster-Erkrankung und von 89 % zur Kosteneffektivität Verhinderung einer PHN nach und Neben der klinischen Effektivität STIKO liegt damit unter der Impfeffektivität spielen für ein Gesundheitssystem Die deutsche Ständige Impfkommis- bei Gesunden [21]. bei begrenzten Ressourcen auch die sion STIKO empfiehlt RZV zur Präven- Die Zosterimpfung mit RZV wird Kosten einer präventiven Interventi- tion von Herpes zoster für sonst Ge- in Deutschland seit Mai 2019 ab dem on eine wesentliche Rolle. Die Kos- sunde ab dem Alter von 60 Jahren 60. Lebensjahr durch die gesetzliche ten einer vollständigen Impfung mit und für Personen mit Risikofaktoren Krankenversicherung bezahlt. RZV belaufen sich auf 226,80 Euro (Tab. 3) ab dem 50. Lebensjahr mit In einem vorangegangenen Epi- pro Person. Die Umsetzung der STI- der Begründung, dass für RZV in den demiologischen Bulletin begründet KO-Empfehlung (Impfung aller Men- zwei vorliegenden randomisiert kon- die STIKO die Ablehnung der LZV schen > 60 Jahre) wäre also für die trollierten Studien [10, 11] eine ausrei- mit dem raschen Wirkverlust und Kassen in Deutschland mit Ausgaben chend hohe Schutzwirkung hinsicht- dem ungünstigen Wirkungs-/Neben- von ca. 3,5 Milliarden Euro verbun- lich der Inzidenz von Herpes zoster wirkungsprofil [22]. den. In einer niederländischen Mo- und PZN nachgewiesen wurde [18]. dellrechnung wurde errechnet, dass Zudem sieht die STIKO es trotz feh- Impfplan Österreich 2019 die Impfung ab dem 60. Lebensjahr lender klinischer Langzeitdaten auf- Auch die Abteilung für Impfwesen des bei einer Bereitschaft, für ein gewon- grund von Langzeituntersuchungen Bundesministeriums für Arbeit, Sozia- nenes „QALY“ (quality-adjusted life der Immunantwort als gegeben an, les, Gesundheit und Konsumenten- year) maximal 20.000 Euro auszuge- dass der Impfschutz über mindestens schutz in Österreich empfiehlt – be- ben, höchstens 104,30 Euro/Person neun Jahre bestehen bleibt. So zeigten reits für alle ab dem 50. Lebensjahr – kosten dürfte [24]. Mit anderen Wor- die immunologischen Untersuchun- die Herpes-zoster-Impfung mit der re- ten: die derzeitige Empfehlung verur- Jahr nach Impfung Impfeffektivität in % (95%-KI) Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder Immunsuppression 1 97,6 (90,9 bis 99,8) HIV-Infektion 2 92,0 (82,8 bis 96,9) Rheumatoide Arthritis 3 84,7 (69,0 bis 93,4) Systemischer Lupus erythematodes 4 87,9 (73,3 bis 95,4) Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen oder Asthma bronchiale Tabelle 2 Impfeffektivität hinsichtlich der Inzidenz von Herpes zoster bei Personen > 70 Jahren [11] Chronische Niereninsuffizienz Diabetes mellitus Tabelle 3 Personengruppen, für welche die STIKO eine RZV ab dem 50. Lebensjahr empfiehlt © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
EBM-SERVICE / EBM SERVICE 55 sacht Kosten in Höhe von fast viert werden. Hier erwarten wir weite- 13. Schmader KE, Levin MJ, Gnann JW, et 50.000 Euro pro gewonnenem QALY. re Langzeitdaten in den nächsten Jah- al. Efficacy, safety, and tolerability of ren. Auch die Kosteneffektivität muss herpes zoster vaccine in persons Fazit angesichts begrenzter Ressourcen in aged 50–59 years. Clin Infect Dis 2012; 54: 922–8 Zur Prävention der Gürtelrose und die Entscheidung mit einfließen. der postherpetischen Neuralgie ste- 14. McGirr A, Widenmaier R, Curran D, Literatur et al. The comparative efficacy and hen zwei Impfstoffe zur Verfügung, ein 2006 zugelassener Lebendimpf- 1. Arvin AM. Varicella-zoster virus. Clin safety of herpes zoster vaccines: a Microbiol Rev 1996; 9: 361–81 network meta-analysis. Vaccine 2019; stoff und ein 2017 zugelassener re- 2. Gabutti G, Bolognesi N, Sandri F, Flo- 37: 2896–909 kombinanter Totimpfstoff. Für beide rescu C, Stefanati A. Varicella zoster 15. Schmader KE, Oxman MN, Levin MJ, Impfstoffe wurde eine Impfeffektivi- virus vaccines: an update. Immuno- et al. Persistence of the efficacy of tät hinsichtlich der Prävention der Targets Ther 2019; 8: 15–28 zoster vaccine in the shingles preven- Gürtelrose und hinsichtlich posther- 3. Tseng HF, Bruxvoort K, Ackerson B, et tion study and the short-term persis- petischer Neuralgien für Menschen tence substudy. Clin Infect Dis 2012; al. The epidemiology of herpes zoster ≥ 50 Jahre nachgewiesen. Obwohl in immunocompetent, unvaccinated 55: 1320–8 bisher keine direkten Vergleichsstudi- adults ≥ 50 years old: incidence, 16. Morrison VA, Johnson GR, Schmader en durchgeführt wurden, ist aufgrund complications, hospitalization, morta- KE, et al. Long-term persistence of indirekter Vergleiche wahrscheinlich, lity, and recurrence. J Infect Dis 2019; zoster vaccine efficacy. Clin Infect Dis dass die Impfeffektivität der zweima- epub ahead of print 2015; 60: 900–9 ligen Impfung mit der Totvakzine hö- 4. Bricout H, Haugh M, Olatunde O, Gil 17. Cook SJ, Flaherty DK. Review of the her ist als diejenige der einmaligen Prieto R. Herpes zoster-associated mor- persistence of herpes zoster vaccine Impfung mit Lebendvakzine. tality in Europe: a systematic review. BMC Public Health 2015; 15: 466 efficacy in clinical trials. Clin Ther Für die Lebendvakzine wurde 2015; 37: 2388–97 durch Follow-up von bis zu elf Jahren 5. Holodniy M. Prevention of shingles by varicella zoster virus vaccination. 18. Ständige Impfkommission (STIKO). nachgewiesen, dass die Impfeffektivi- Wissenschaftliche Begründung zur Expert Rev Vaccines 2006; 5: 431–43 tät innerhalb weniger Jahre stark Empfehlung einer Impfung mit dem nachlässt. Spätestens nach sechs bis 6. Bharucha T, Ming D, Breuer J. A criti- Herpes zoster-subunit-Totimpfstoff. cal appraisal of „Shingrix“, a novel acht Jahren besteht wahrscheinlich Epid Bull 2018; 50: 541–67 herpes zoster subunit vaccine (HZ/Su kein hinreichender Schutz mehr. Im- or GSK1437173A) for varicella zoster 19. Chlibek R, Pauksens K, Rombo L, et munologische Untersuchungen lassen virus. Hum Vaccines Immunother al. Long-term immunogenicity and vermuten, dass die Totvakzine hier et- 2017; 13: 1789–97 safety of an investigational herpes was besser abschneidet. Klinische Be- 7. Dooling KL, Guo A, Patel M, et al. Re- zoster subunit vaccine in older adults. lege, die über vier Jahre nach der Imp- commendations of the Advisory Vaccine 2016; 34: 863–8 fung hinausgehen, liegen jedoch bis- Committee on Immunization Practi- 20. Schwarz TF, Volpe S, Catteau G, et al. her nicht vor. ces for use of herpes zoster vaccines. Persistence of immune response to Immunsupprimierte profitieren Am J Transplant 2018; 18: 756–62 an adjuvanted varicella-zoster virus wahrscheinlich von der Impfung mit 8. Gagliardi AM, Andriolo BN, Torloni subunit vaccine for up to year nine in der Totvakzine, allerdings mit gerin- MR, et al. Vaccines for preventing older adults. Hum Vaccines Immunot- gerer Impfeffektivität als Gesunde. herpes zoster in older adults. Cochra- her 2018; 14: 1370–7 ne Database Syst Rev 2019; Issue 11. Die Lebendvakzine ist bei dieser Pa- 21. Bastidas A, de la Serna J, El Idrissi M, CD008858 tientengruppe kontraindiziert. Die et al. Effect of recombinant zoster 9. Oxman MN, Levin MJ, Johnson GR, vaccine on incidence of herpes zoster klinischen Erfahrungen mit RZV bei et al. A vaccine to prevent herpes after autologous stem cell transplan- Immunsupprimierten sind noch sehr zoster and postherpetic neuralgia in tation: a randomized clinical trial. JA- begrenzt, vor allem hinsichtlich des older adults. N Engl J Med 2005; MA 2019; 322: 123–33 Wirkzeitraums. Beide Impfstoffe füh- 352: 2271–84 ren im Vergleich zu Placebo signifi- 22. Ständige Impfkommission (STIKO). 10. Lal H, Cunningham AL, Godeaux O, Wissenschaftliche Begründung für die kant häufiger zu lokalen und systemi- et al. Efficacy of an adjuvanted her- Entscheidung, die Herpes zoster Le- schen unerwünschten Wirkungen, pes zoster subunit vaccine in older bendimpfung nicht als Standardimp- wobei diese bei RZV deutlich häufiger adults. N Engl J Med 2015; 372: fung zu empfehlen. Epid Bull 2017; vorkommen als bei LZV. Schwere Ne- 2087–96 36: 391–411 benwirkungen sind sehr selten. 11. Cunningham AL, Lal H, Kovac M, et 23. Bundesministerium für Arbeit, Sozia- Die Entscheidung für die eher al. Efficacy of the herpes zoster sub- unit vaccine in adults 70 years of age les, Gesundheit und Konsumenten- schlecht verträgliche Impfung sollte schutz. Impfplan Österreich 2019 or older. N Engl J Med 2016; 375: unter Abwägen der Vor- und Nachtei- 1019–32 24. de Boer PT, van Lier A, de Melker H, le gemeinsam mit dem Patienten ge- 12. Tricco AC, Zarin W, Cardoso R, et al. et al. Cost-effectiveness of vaccinati- troffen werden. Die derzeitige Daten- Efficacy, effectiveness, and safety of on of immunocompetent older adults lage lässt Vorteile hinsichtlich der Ef- against herpes zoster in the Nether- herpes zoster vaccines in adults aged fektivität für den rekombinanten Tot- 50 and older: systematic review and lands: a comparison between the ad- impfstoff erkennen, die aber durch network meta-analysis. BMJ 2018; juvanted subunit and live-attenuated die schlechtere Verträglichkeit relati- 363: k4029 vaccines. BMC Med 2018; 16: 228 © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
56 ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE Was braucht es für eine gute Weiterbildung? Bedarfsanalyse zu erweiterten Fortbildungsangeboten und Feedbackkultur im Rahmen von Train-the-Trainer-Seminaren für Weiterbilder/innen What is Good Specialist Training? Needs Analysis of Enhanced Training Courses and Feedback Culture in the Context of Train-the-Trainer Seminars Katharina Dippell, Lia Pauscher, Anne Messemaker, Armin Wunder, Alexander Graafen, Ferdinand M. Gerlach, Monika Sennekamp Hintergrund Background Zur Entwicklung eines vertiefenden Train-the-Trainer-Semina- A needs analysis was conducted among trainers in family res (TTT-Aufbauseminar) wurde eine Bedarfsanalyse unter Wei- medicine (ST) and physicians undergoing specialist training terbilderinnen und Weiterbildern (WB) sowie Ärztinnen und (PST) in family medicine in the state of Hesse, with the aim of Ärzten in Weiterbildung (ÄiW) im Fach Allgemeinmedizin in developing an advanced train-the-trainer seminar (advanced Hessen durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf TTT seminar) – tailored, as far as possible, to meet the needs of einer subjektiven Einschätzung der eigenen Feedbackkultur both groups. Additionally, a special focus was placed on how von ÄiWs und WBs im Weiterbildungskontext. ST and PST viewed their feedback culture in a training context. Methoden Methods Neben einer Onlinebefragung der bisherigen Teilnehmenden The final evaluation of the four advanced TTT seminars carried und einer Abschlussevaluation der vier bereits durchgeführten out in 2016/2017 (N = 87), an online survey of former partici- TTT-Basisseminare 2016/2017 (N = 87) wurde eine Onlinebe- pants, and an online survey of PST attending the Hesse Com- fragung der teilnehmenden ÄiW des Kompetenzzentrums petence Center for Specialist Training served as a basis for the Weiterbildung Hessen (N = 143) durchgeführt. Daran nah- development of the advanced TTT seminars. 54 ST and 44 PST men 54 WB und 44 ÄiW teil. participated in the online surveys. Ergebnisse Results Die Evaluationsergebnisse verdeutlichen das große Interesse An analysis of the evaluation results revealed that ST had a sig- der WB an einem erweiterten und vertiefendenden TTT-Semi- nificant interest in broad-based and advanced TTT seminars. narangebot mit konkreten Präferenzen zu den Schulungsinhal- Preferred training content and training methods could also be ten und -methoden. Im Vergleich zum Feedback der WB zeig- determined. Comments made by PST and ST on feedback ten sich deutliche Unterschiede in den Angaben der ÄiW zur were different in terms of frequency and in the duration of dis- Gesprächshäufigkeit und -dauer. Die ÄiW schätzen diese ins- cussions, with lower PST estimates. The majority of PST would gesamt niedriger ein. Die Mehrzahl der ÄiW wünscht sich da- prefer to receive feedback more often. rüber hinaus noch häufiger Feedback. Conclusions Schlussfolgerungen Our results provide a good starting point for the design of an Die Ergebnisse bieten eine gute Ausgangslage zur Konzeption advanced TTT seminar which should focus on the following eines TTT-Aufbauseminars, das schwerpunktmäßig folgende topics: teaching formal and professional specialist training Themen behandeln sollte: die Vermittlung von formalen und content, advanced feedback training and the didactic capabil- fachlichen Weiterbildungsinhalten sowie die Vertiefung des ities of the ST. Feedbacktrainings und der didaktischen Fähigkeiten der WB. Keywords Schlüsselwörter advanced train-the-trainer seminars; specialist trainers in Train-the-Trainer-Aufbauseminare; Weiterbildung Allgemein- family medicine; training content; competences medizin; Schulungsinhalte; Kompetenzen; Feedback Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main Peer reviewed article eingereicht: 12.06.2019, akzeptiert: 02.07.2019 DOI 10.3238/zfa.2020.0056–0061 © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
Dippell et al.: Was braucht es für eine gute Weiterbildung? What is Good Specialist Training? 57 Hintergrund • die Abschlussevaluationen vier be- nierten Likert-Skala (1 = stimme Das Angebot von sog. Train- the-Trai- reits durchgeführter TTT-Basissemi- voll und ganz zu/6 = stimme über- ner-Fortbildungsprogrammen (TTT- nare 2016/17 (N = 87) haupt nicht zu) gebeten. Zudem Basisseminaren) ist seit dem 1. Juli • eine gezielte Onlinebefragung bis- wurde die subjektive Einschätzung 2017 obligatorischer Bestandteil der heriger Teilnehmer der TTT-Basisse- der WB bezüglich der Häufigkeit Kompetenzzentren Weiterbildung minare (N = 87) und des Umfangs der von ihnen Allgemeinmedizin nach § 75a SGB V, • eine gezielte Onlinebefragung der durchgeführten strukturierten Feed- Anlage IV. Das Kompetenzzentrum teilnehmenden ÄiW des Kom- backgespräche erfasst. Weiterbildung Baden-Württemberg petenzzentrums Weiterbildung Hes- bietet TTT-Basisseminare bereits seit sen (N = 143) zu gewünschten Kom- Inhalte der Onlinebefragung 2014 an. In Hessen finden TTT-Basis- petenzen und Schulungsinhalten der ÄiW seminare für Weiterbilder/innen eines TTT-Aufbauseminars. Die Onlinebefragung an die ÄiW be- (WB) im Fach Allgemeinmedizin seit stand aus neun geschlossenen und 2016 statt [1]. Im Rahmen der Kon- Abschlussevaluationen der drei offenen Fragen. Erfragt wurden zeption der TTT-Basisseminare in TTT-Basisseminare gewünschte Kompetenzen der WB Hessen erwies sich eine Hospitation Die TTT-Basisseminare wurden mit- und potenzielle Schulungsinhalte, bei den Seminartagen in Heidelberg tels eines anonymisierten, standardi- die ein TTT-Aufbauseminar beinhal- als hilfreich, da hier auf gute Erfah- sierten Fragebogens mit 76 geschlos- ten sollte. Die Wünsche der ÄiW rungen und Evaluationsergebnisse senen und 36 offenen Fragen nach wurden per Freitexteingabe abge- zurückgegriffen werden konnte [2]. Abschluss des Seminars evaluiert. fragt. Die ÄiW wurden gebeten, die In den Seminaren werden Mög- Zwei dieser Fragen bezogen sich auf Häufigkeit und Dauer der Feedback- lichkeiten für die attraktive Gestaltung das Interesse an vertiefenden Semina- gespräche in ihrer Weiterbildung der Weiterbildung vorgestellt sowie ren sowie die mögliche Ausgestal- einzuschätzen. Zudem wurde erfragt, rechtliche und organisatorische Fra- tung. Insgesamt wurde der Evaluati- ob die Teilnehmenden das Feedback gen bearbeitet [3]. Ein Schwerpunkt onsbogen an 87 WB ausgegeben. als eine realistische Einschätzung der liegt auf der Implementierung von eigenen Arbeit ansahen und ob es Feedbackgesprächen, deren positiver Entwicklung der für ihre berufliche Weiterentwick- Effekt sich in der Aus- und Weiterbil- Onlinebefragung lung hilfreich war. Zur Einschätzung dung auf nationaler [4] und interna- Im zweiten Schritt wurden zwei On- wurde ebenfalls eine sechsstufige tionaler Ebene als elementar gezeigt linebefragungen entwickelt und mit- endpunktdefinierte Likert-Skala ge- hat [5]. Die Seminare sind zweitägig tels des Tools „LimeSurvey“ umge- nutzt. und finden in einem Seminarhotel setzt. Der Link zur Onlinebefragung Die Auswertung erfolgte deskrip- statt, wo die Möglichkeit zur Über- wurde am 5.6.2017 per E-Mail ver- tiv mithilfe des Statistik-Programmes nachtung und zum kollegialen Aus- sandt und war insgesamt vier Wo- SPSS (IBM statistics, Version 22). Auf tausch beim Abendessen gegeben ist. chen freigeschaltet. Empfänger/innen Basis der Aussagen der WB und der In der mündlichen Abschlussrun- der Einladungs-E-Mail waren alle WB, ÄiW in den Freitextfeldern wurden de bzw. der schriftlichen Abschluss- die bis dahin an TTT-Seminaren teil- anhand eines induktiven Vorgehens evaluation der TTT-Basisseminare in genommen hatten (N =87), sowie verschiedene Kategorien bestimmt Hessen wurde mehrfach der Wunsch 143 ÄiW, die bis zum 1.6.2017 aktiv und, da die Antworten der einzelnen nach vertiefenden Train-the-Trainer- Teilnehmende im Kompetenzzen- Teilnehmer oft mehrere Aspekte einer Seminaren geäußert (TTT-Aufbause- trum Weiterbildung Hessen waren. Kategorie beinhalteten, nach Nen- minar) [6]. Der Bedarf zeigt sich auch nung/Personen ausgezählt [9]. in Untersuchungen europäischer Inhalte der Onlinebefragung Nachbarländer [7]. Aus diesem Grund der WB Ergebnisse wurde zur konkreten Entwicklung ei- Die Onlinebefragung für die WB be- nes solchen Seminars eine Bedarfs- stand aus acht geschlossenen und Evaluationsergebnisse der analyse unter WB und Ärztinnen und zwei offenen Fragen. In einer Frei- TTT-Basisseminare Ärzten in Weiterbildung (ÄiW) im texteingabe wurde nach Anregun- Insgesamt konnten 85 Evaluationsbö- Fach Allgemeinmedizin in Hessen gen und Wünschen für ein Aufbau- gen der Abschlussevaluation der TTT- durchgeführt. Ziel war , das Seminar TTT-Seminar gefragt. Danach wur- Basisseminare ausgewertet werden sowohl von den Rahmenbedingun- den die Themenvorschläge der DE- (Rücklauf von 98 %). Das Geschlech- gen als auch in Hinblick auf spezi- GAM-Checkliste TTT [8] zur Aus- terverhältnis war annähernd aus- fische Themenbereiche an die Bedürf- wahl gestellt. Auch die zeitlichen geglichen (45,9 % weiblich). Das ent- nisse sowohl der WB als auch der Rahmenbedingungen und das Inte- spricht der Verteilung von männ- ÄiW anzupassen. resse an regionalen, regelmäßigen lichen und weiblichen Hausärzten Treffen der WB wurde erhoben. Da- und Hausärztinnen in Hessen und ist Methoden rüber hinaus wurde um eine Ein- somit repräsentativ [10]. Im Schnitt Die Grundlage für die Entwicklung schätzung der eigenen Kompetenz hatten die Teilnehmenden seit 8,4 des TTT-Aufbauseminares bilden fol- bei Feedbackgesprächen mithilfe ei- Jahren ihre Weiterbildungsermächti- gende Untersuchungen: ner sechsstufigen, endpunktdefi- gung (Min = 0; Max = 33) inne und © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
58 Weiterbilder/innen (n = 54) Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (n = 44) Gewünschte Personen Nennungen Themenwünsche Personen Gewünschte Personen Nennungen Schulungsinhalte Personen Nennungen Schulungsinhalte anhand der Kompetenzen im im Freitext im Freitext DEGAM-Checkliste Freitext Dippell et al.: Praktische Ausrich- 20 24 Entwicklung von 38 Didaktik (z.B. Basics, Fra- 17 22 Didaktik 9 10 tung des Seminars Weiterbildungsinhalten gen beantworten, Erklä- (interaktiv, Gedanken- ren, Fortbildungen) austausch, Übungen, praktischer Austausch der Lehrinhalte) Fachliche Kompetenz 17 15 Kollegialer Austausch 30 Soziale Kompetenz 15 28 Medizinisches Fachwissen 7 14 (z.B. Sprache der (z.B. Empathie, Medizin, Inhalte ge- Wertschätzung, Offenheit, What is Good Specialist Training? mäß Musterweiterbil- Kritikfähigkeit) dungsordnung, Wei- terbildungszeugnis, Nebenfächer der ÄiWs, Multimorbidi- tät) Was braucht es für eine gute Weiterbildung? Didaktik (z.B. anhand 14 14 Mitarbeiterführung 29 Fachliche Kompetenz (z.B. 11 16 Soziale Kompetenz 6 9 verschiedener inhaltli- Leitlinien, evidenzbasierte (z.B. Selbstreflexion, cher Themen, Einbe- Entscheidungen, WB) Aufmerksamkeiot, Offen- © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2) ziehung ins Arzt-Pa- heit) tienten-Gespräch, Un- terstützung bei der Prüfungsvorberei- tung) Feedback 11 9 Vertiefung 26 Feedback 11 12 Feedback 5 7 Feedbacktraining (z.B. Feedbackgespräche, Fallbesprechungen) Rollenspiele 10 7 Einbindung der ÄiW in die 24 Sonstiges (z.B. Urlaubsver- 2 2 Organisation/Rechtliches 5 6 Praxis tretung, Vergleich zu Kli- nik) Soziale Kompetenz 8 7 Neues zur Weiterbildungs- 23 Praxisnähe 1 1 Motivation 2 3 (z.B. Kommunikation organisation allgemein, Konflikt- management) Rechtliches (z.B. Pra- 8 7 Fehlerkultur 19 Motivation 1 1 Finanzielles Fachwissen 1 3 xisübernahme, Bezü- ge) Erfahrungsaustausch 7 7 Ausgewählte medizinische 9 Zeitmanagement 1 1 Themen Sonstiges (z.B. Ta- 4 4 Weiterbildung im 7 gungsort, Jobbörse al- (europäischen) Ausland le 6 Monate auf Ak- tualität prüfen, Pro- bleme bei Training an bestimmten Geräten – da häufig nicht vor- handen) Tabelle 1 Gegenüberstellung der gewünschten Schulungsinhalte und Themenwünsche anhand der DEGAM-Checkliste der Weiterbilder/innen und der gewünschten Schulungsinhalte und Kompeten- zen der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (Mehrfachnennungen möglich)
Dippell et al.: Was braucht es für eine gute Weiterbildung? What is Good Specialist Training? 59 Abbildung 1 Anzahl der Feedbackgespräche im Quartal durchschnittlich bisher 2 ÄiW weiter- ein zweitägiges Seminar. In dem Zu- Umfrage befanden sich 77,3 % der gebildet (Min = 0; Max = 11). sammenhang wurde die Möglich- ÄiW in der Praxis und 20,5 % in der Von den Teilnehmenden (N = keit der Übernachtung am Ver- Klinik. Fast ein Drittel der ÄiW 64), die die Frage nach dem Wunsch anstaltungsort hervorgehoben so- (29,5 %) gab an, dass ihr/e WB bereits eines Aufbau-TTT beantworteten, äu- wie der kollegiale Austausch beim an einem TTT-Seminar teilgenom- ßerten sich 95,5 % positiv. Bei der gemeinsamen Abendessen (10/10) men habe. Die gewünschten Kom- Auswahl der Themen für ein TTT- sehr positiv bewertet. Über drei petenzen und potenzielle Schulungs- Aufbauseminar wurden am häufigs- Viertel aller befragten WB (76,2 %) inhalte sind in der Tabelle 1 dar- ten das Feedbackgespräch (44,2 %), wünschten sich regelmäßige regio- gestellt. die Fehlerkultur (33,7 %) und die nale Treffen mit Kollegen und Kol- Die Frequenz der Gespräche und Strukturierung der Weiterbildung leginnen. deren Dauer sind in Abbildung 1 und (31,4 %) ausgewählt. Bei der Frage nach der Kom- 2 dargestellt. Etwas mehr als die Hälf- petenzsteigerung gaben 97 %, an, te der ÄiW (56,8 %) wünscht sich Ergebnisse der Bedarfsanalyse sich in ihrer Rolle als Weiterbilder/ mehr Feedbackgespräche, dabei wur- unter den WB in nach dem TTT-Basisseminar kom- de der Umfang des Mehrbedarfs nicht Von den 87 angeschriebenen WB petenter zu fühlen. Bezüglich der erhoben. Die meisten ÄiW schätzten nahmen 54 an der Umfrage teil (62 % Feedbackgespräche gaben fast zwei das Feedback als Gewinn für die be- Rücklauf). Die Geschlechtervertei- Drittel der WB (61,9 %) an, ihren rufliche Entwicklung ein (65,9 %), lung war etwa ausgeglichen (43 % ÄiW seit dem TTT-Basisseminar ein Teil sah wenig oder gar keinen weiblich). häufiger Feedback zu geben. Die Nutzen für die berufliche Weiterent- Bei dieser Bedarfsanalyse gaben Frequenz der Gespräche und deren wicklung (18,2 %). Ähnliche Ergeb- 92,6 % der Teilnehmenden an, dass Dauer sind in den Abbildungen 1 nisse zeigten sich bei der Frage, ob sie an einem weiterführenden TTT- und 2 dargestellt. die ÄiW das Feedback der WB als rea- Aufbauseminar teilnehmen würden. listische Einschätzung der Qualität In den Freitextantworten für mögli- ÄiW ihrer Arbeit ansehen. che Inhalte wurden am häufigsten Von den angeschriebenen ÄiW nah- Themen im Bereich der fachlichen men insgesamt 44 an der Umfrage Diskussion und sozialen Kompetenz genannt. teil (30,7 % Rücklauf). Die Geschlech- Bei der Auswertung der Evaluations- Bei den Auswahlmöglichkeiten ba- terverteilung zeigte eine deutliche ergebnisse wurde das große Interesse sierend auf der TTT-Checkliste zei- Mehrheit der weiblichen Teilnehmer der WB an einem erweiterten und gen sich ähnliche Ergebnisse (s. (79,5 %). Damit liegt die Anzahl von vertiefendenden TTT-Seminarangebot Tab. 1). weiblichen ÄiWs leicht über dem deutlich. Erste mögliche Themenfel- Bei den Rahmenbedingungen deutschlandweiten Durchschnitt der konnten identifiziert werden. wünschten sich mehr als die Hälfte (weibliche ÄiW für Allgemeinmedi- Anhand der Online-Umfrage der Teilnehmenden (54,8 %) erneut zin: 72 %) [11]. Zum Zeitpunkt der konnten konkrete Präferenzen zu den © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
Dippell et al.: Was braucht es für eine gute Weiterbildung? 60 What is Good Specialist Training? Abbildung 2 Dauer der Feedbackgespräche Schulungsinhalten und den Metho- teil für die Sicherstellung einer hoch- die didaktische Vermittlung von den erhoben werden. Die häufige wertigen und strukturierten Weiterbil- Fachwissen, vor allem in den Alltag Nennung des Feedbacktrainings und dung. eingebettet. Gleichbedeutend dazu des Rollenspiels unterstreicht die Prä- Aus der Befragung der ÄiW wird werden Wertschätzung, Empathie ferenz für die praktisch orientierte deutlich, dass sie konkrete Wünsche und Offenheit betont. Diese Aspekte Ausrichtung des Seminars. Zeit für und Vorstellungen an ihre WB ha- sollten sich in den TTT- Seminaren den Erfahrungsaustausch scheint von ben. Die ÄiW legen vor allem großen wiederfinden. elementarer Bedeutung zu sein. In Wert auf deren soziale und didakti- Wenn man die Angaben zum der Abfrage der vorgeschlagenen The- sche Kompetenzen. Dies spiegelt sich Feedback betrachtet, unterscheiden men aus der DEGAM-Checkliste wird auch in den Wünschen potenzieller sich die Angaben zur Häufigkeit bei deutlich, dass sich die WB darin wie- Schulungsthemen. In Zentrum steht ÄiW und WB. ÄiW nehmen sowohl derfinden. Diese Ergebnisse decken die Frequenz als auch die Dauer der sich mit internationalen Studien zur Feedbackgespräche als deutlich ge- Evaluation von medizinischen Schu- ringer bzw. kürzer wahr. Hinzu lungen [12]. kommt, dass sich die Mehrzahl der Für einen positiven Effekt des TTT- ÄiW noch häufiger Feedback Basisseminars spricht auch, dass sich wünscht. Vergleicht man die Zufrie- ein Großteil der WB in ihrer Rolle nach denheit innerhalb der Weiterbildung dem TTT-Seminar kompetenter fühlt. und die Wünsche an den berufli- Unter Berücksichtigung der Studie von chen Werdegang mit anderen Befra- Garman et al., (zeigt, dass Menschen, gungen von ÄiW zu diesem Thema, die sich in einem Bereich besser ein- finden sich ähnliche Ergebnisse [14]. schätzen, sich diesbezüglich wesentlich Dies sollte bei zukünftigen Schulun- mehr Mühe geben und hartnäckiger ei- Dr. med. Katharina Dippell ... gen für WB bedacht werden. Die gro- ner Herausforderung stellen [12]), er- ... ist Ärztin in Weiterbildung für ße Zustimmung der ÄiW zum Nut- langt dieses Ergebnis weitere praktische Allgemeinmedizin. Aktuell ist sie am zen eines Feedbacks für ihre berufli- Relevanz auch für die Weiterbildung Institut für Allgemeinmedizin der che Weiterentwicklung, bekräftigt Goethe-Universität in Frankfurt vor Ort. Die TTT-Seminare scheinen im Bereich der Weiterbildung die Bedeutung des Feedback- hierbei eine sinnvolle Unterstützung (Kompetenzzentrum Weiterbildung gesprächs in der Praxis. Die Verbrei- zu sein und sind ein wichtiger Bestand- Hessen) tätig. tung und die Diskussion dieser Stu- © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
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