ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine - Die Zeitschrift für Allgemeinmedizin

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ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine - Die Zeitschrift für Allgemeinmedizin
ZFA
                                                                                             2 I 2020
                                                                                             96. JAHRGANG

           Zeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine

Qualifizierungs-
bedarf von MFA
SEITE 77

EbM: Herpes-zoster-Impfung
SEITE 51

Was ist gute Weiterbildung?
SEITE 56

Patientenerfahrungen bei
Einweisung und Entlassung
aus dem Krankenhaus
SEITE 69

                                                    This journal is regularly listed in
                                          EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO.
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2   HERAUSGEBENDE GESELLSCHAFTEN / PUBLISHING INSTITUTIONS

    ZFA
    Organ der/des ... / Official journal of the ...

    Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
    German College of General Practitioners and Family Physicians
    Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA)
    Society of Professors and University Lecturers of Family Medicine
    Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM)
    Lower Austrian Society of Family Medicine
    Österreichischen Instituts für Allgemeinmedizin (ÖIfAM)
    Austrian Institute of Family Medicine
    Salzburger Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (SAGAM)
    Salzburg Society of Family Medicine
    Steierischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM)
    Styrian College of Family Medicine
    Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM)
    Southern Tyrolean Society of Family Medicine
    Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM)
    Tyrolean Society of Family Medicine
    Vorarlberger Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (VGAM)
    Vorarlberg Society of Family Medicine

                                                                                      Titelbildhinweis: goodluz/stock.adobe.com

    © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine - Die Zeitschrift für Allgemeinmedizin
EDITORIAL / EDITORIAL                                                                                                                                  49

Es tut sich was in Österreich!
Endlich! – Fast 30 Jahre nach der Schaffung des Facharztes für Allgemeinmedi-
zin in Deutschland steht dieser nun in Österreich zumindest im unlängst publi-
zierten Regierungsprogramm der neuen türkis-grünen Bundesregierung. Das Be-
rufsbild soll sowohl im Medizinstudium als auch in der Weiterbildung attrak-
tiver werden, um den zunehmenden Nachwuchsproblemen vor allem im länd-
lichen Bereich zu begegnen.
    Dass all dies natürlich nicht von selbst passiert, sondern harten Einsatz und
auch entsprechende finanzielle Ressourcen erfordert, zeigen die Erfahrungen
der in Deutschland in den letzten Jahren entstandenen Kompetenzzentren für
Allgemeinmedizin. Dass sich der Einsatz lohnt, lassen die positiven Evaluatio-
nen der neuen Konzepte durch Weiterbilder und Ärzt*innen in Weiterbildung
zumindest hoffen. Zwei schöne Beispiele solcher Evaluationen und Konzeptent-
wicklungen finden Sie in diesem Heft der ZFA. Ob damit tatsächlich die Um-
kehr des Trends geschafft werden kann, muss sich in den nächsten Jahren zei-
gen, wenn die Pensionierungswelle weiter um sich greift. Auch in Deutschland
hat die Politik viel zu lange geschlafen.
    Zumindest auf Österreich wirkt das deutsche Angebot attraktiv. Nach einer
jüngsten Umfrage des Bildungsministeriums unter Absolventen der staatlichen
Medizinuniversitäten, haben 26 % der Absolvent*innen österreichischer Medi-
zinischer Universitäten vor, das Land für die Aufnahme der beruflichen Tätig-
keit zu verlassen. Selbst die Österreich-Stämmigen zieht es zu 15 % ins Ausland,
überwiegend nach Deutschland und in die Schweiz. Als Hauptgründe werden
eine bessere Ausbildung im Zielland und die Vermeidung der häufig als unsin-
nig empfundenen neunmonatigen „Basisausbildung“ genannt, in der der Aus-
zubildende oft nichts anderes macht als im „Praktischen Jahr“ des Medizinstu-
diums.
    Österreich mit ca. 1200 Medizinabsolventen pro Jahr ist freilich zu klein,
um die Lücken in Deutschland zu schließen, aber hierzulande schmerzt der Ver-
lust und veranlasst die Politik, über Ursachen nachzudenken und gegenzusteu-
ern. Zumindest einmal auf dem Papier, dem hoffentlich in nächster Zeit Taten
folgen werden.
    Es macht Spaß, über die Erfolge der Train-the-Trainer-Seminare in Hessen zu
lesen, und es animiert zur Nachahmung. Aber es setzt natürlich voraus, dass
zum einen die erforderlichen finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden und
zum anderen allgemeinmedizinische Aus- und Weiterbildung auch da stattfin-
det, wo sie hingehört: in der allgemeinmedizinischen, hausärztlichen Praxis.
Auch hier hinkt Österreich mit gerade mal sechs Monaten Lehrpraxis in einer
dreieinhalbjährigen Ausbildung hinterher, die ansonsten zwischen Drei- und
Sechsmonatsabschnitten diverser Spezialfächer „zerfleddert“ ist, sodass der Arzt
in Weiterbildung die Abteilung schon wieder verlässt bevor er richtig einge-
arbeitet ist. So besteht auch wenig Motivation bei den Chefärzten, in allgemein-
medizinische Ausbildungsassistentinnen zu investieren.
    Aber auch hier hat sich die neue Bundesregierung eine „Arztausbildung
NEU“ auf die Fahnen geschrieben und man darf gespannt sein, mit welchen
konkreten Inhalten die Ankündigungen gefüllt werden. Drücken Sie uns die
Daumen!
    Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und grüße Sie herzlich

                                                                                Ihr
                                                             Andreas Sönnichsen

                                                                     © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
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50   INHALTSANGABE / TABLE OF CONTENTS

     EDITORIAL / EDITORIAL
                     Andreas Sönnichsen
     49              Es tut sich was in Österreich!

     EBM-SERVICE / EBM SERVICE
                     Mahmoud Moussa, Andreas Sönnichsen
     51              Herpes-zoster-Impfung: Tot-Impfstoff, Lebend-Impfstoff oder gar nicht impfen?
                     Herpes Zoster Vaccination: Live or Inactivated Vaccines? Or no Vaccination at All?

     ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE
                     Katharina Dippell, Lia Pauscher, Anne Messemaker, Armin Wunder, Alexander Graafen,
                     Ferdinand M. Gerlach, Monika Sennekamp
     56              Was braucht es für eine gute Weiterbildung? Bedarfsanalyse zu erweiterten
                     Fortbildungsangeboten und Feedbackkultur im Rahmen von
                     Train-the-Trainer-Seminaren für Weiterbilder/innen
                     What is Good Specialist Training? Needs Analysis of Enhanced Training Courses and Feedback Culture
                     in the Context of Train-the-Trainer Seminars
                     Lia Pauscher, Katharina Dippell, Anne Messemaker, Armin Wunder, Felix Sebastian Wicke,
                     Ferdinand M. Gerlach, Monika Sennekamp
     62              Train-the-Trainer-Aufbauseminare für Weiterbilder/innen in Hessen:
                     Konzept, Durchführung und Evaluationsergebnisse
                     Advanced Train the Trainer Seminars for Specialist Trainers in Hesse: Design, Implementation and Evaluation
                     Cornelia Straßner, Johanna Forstner, Joachim Szecsenyi, Michel Wensing, Petra Kaufmann-Kolle, Wolfram Günther
     69              Patientenerfahrungen bezüglich Einweisung, Entlassung und Weiterversorgung
                     im Rahmen einer Krankenhausbehandlung
                     Patient Experiences Regarding Admission, Discharge and Follow-up within the Scope of a Hospital Treatment
                     Regina Poß-Doering, Frank Peters-Klimm, Stefan Nöst
     77              Qualifizierungsbedarf aus Sicht von medizinischen Fachangestellten
                     Medical Assistants’ Perspectives on their Training Needs

     DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE
                     Johannes Siegrist
     83              Wie kann hausärztliche Arbeit zur Gesundheit der Bevölkerung beitragen?
                     Herausforderungen an die ärztliche Professionalität
                     The Contribution of Primary Care Physicians to Population Health – Challenges of Medical Professionalism

     88              BUCHBESPRECHUNG / BOOK REVIEW

     89              LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

     93              DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

     94              GHA-NACHRICHTEN / GHA NEWS

     95              DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND / GERMAN ASSOCIATION OF FAMILY PHYSICIANS

     96              IMPRESSUM / IMPRINT

     © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
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EBM-SERVICE / EBM SERVICE                                                                                                                                                   51

Herpes-zoster-Impfung: Tot-Impfstoff,
Lebend-Impfstoff oder gar nicht impfen?
Herpes Zoster Vaccination:
Live or Inactivated Vaccines?
Or no Vaccination at All?                                                                                                             EbM
Mahmoud Moussa, Andreas Sönnichsen

Frage                                                                             Question
Derzeit stehen zwei Impfstoffe gegen Herpes zoster zur Verfü-                     There are currently two types of herpes zoster vaccines avail-
gung, Zostavax® als attenuierter Lebendimpfstoff und Shin-                        able, Zostavax® (a live attenuated vaccine), and Shingrix® (an
grix® als adjuvantierter, rekombinanter Totimpfstoff. Soll über-                  adjuvanted recombinant subunit vaccine). Should we vacci-
haupt gegen Herpes zoster geimpft werden, und wenn ja, wer,                       nate against herpes zoster, and if yes, who should be vacci-
ab welchem Alter und mit welchem Impfstoff?                                       nated at which age and with which vaccine?
Antwort                                                                           Answer
Beide Impfstoffe sind effektiv in der Prävention von Herpes zoster                Both vaccines are effective in preventing herpes zoster for at
und postherpetischer Neuralgie (PHN), mindestens für drei bis                     least three to four years. For the attenuated live vaccine a rapid
vier Jahre. Für den Lebendimpfstoff zeigte sich aber in Langzeit-                 loss of effectiveness has been demonstrated in long-term-
studien ein rascher Effektivitätsverlust. Langzeitdaten für den                   studies. For the dead vaccine long-term-data are not yet avail-
Totimpfstoff liegen noch nicht vor. In den ersten vier Jahren war                 able. Vaccination effectiveness of the dead vaccine was su-
die Impfeffektivität des Totimpfstoffs derjenigen des Lebend-                     perior to the live vaccine during the first four years after vacci-
impfstoffs überlegen und der Effektivitätsverlust fiel geringer aus.              nation, and loss of effectiveness was less pronounced. This ad-
Dieser Vorteil wird aber durch eine höhere Rate an lokalen und                    vantage is compromised by a higher rate of local and systemic
systemischen Nebenwirkungen erkauft. In Anbetracht der eher                       adverse events. In the light of the frequent adverse events the
schlechten Verträglichkeit der Impfung muss in einer partizipati-                 indication for the vaccination must be discussed in an inform-
ven informierten Entscheidung mit den Patient*innen diskutiert                    ed shared decision making process with the patient. The Ger-
werden, ob eine Impfung erfolgen soll. Die STIKO empfiehlt die                    man STIKO recommends vaccination with the dead vaccine
Impfung mit dem Totimpfstoff ab dem 60. Lebensjahr. In                            above the age of 60 years. In Germany the rather expensive
Deutschland wird die mit 226,80 Euro nicht ganz billige Imp-                      vaccination (226,80 Euro) is paid for by statutory health insur-
fung durch die Sozialversicherung bezahlt, in Österreich nicht.                   ance, but not in Austria.

Hintergrund                                            auf EU-Ebene jedes Jahr über 1,7 Mil-                    bei schwerer Immunsuppression, der
Das Varizellen-Zoster-Virus (VZV) ist                  lionen Fälle von HZ auftreten [2].                       auch tödlich verlaufen kann [3].
ein hoch ansteckendes α-Herpesvi-                          Herpes zoster hat einen erhebli-                          Zudem ist Herpes zoster mit zuneh-
rus. Die primäre Infektion (norma-                     chen Einfluss auf die Gesundheit, die                    mendem Alter mit einer erhöhten Mor-
lerweise in der Kindheit) verursacht                   Lebensqualität und die Gesundheits-                      talität assoziiert. Hiervon sind vor allem
Windpocken (Varizellen). Das Virus                     kosten. Die akute Erkrankung führt                       hochbetagte Patient*innen und Multi-
persistiert aber nach Ausheilung der                   nicht nur zu lokalen Schmerzen,                          morbide betroffen [4]. Der Prävention
Varizellen in den sensorischen Ner-                    Wundinfektionen und einer Beein-                         von HZ kommt daher eine große Be-
venganglien. Aufgrund einer nach-                      trächtigung des Allgemeinbefindens,                      deutung zu, vor allem für die erwähn-
lassenden zellulären Immunität ge-                     sondern verursacht auch nicht selten                     ten Risikogruppen. Momentan werden
gen VZV z.B. im höheren Lebens-                        erhebliche Komplikationen. Die häu-                      zwei Zoster-Impfstoffe angeboten:
alter oder bei Immunsuppression                        figste Komplikation ist die postherpe-
können die Viren reaktiviert werden                    tische Neuralgie, die bis zu 90 Tage                     Live zoster vaccine
und eine Gürtelrose (Herpes zoster                     oder länger nach Abheilung der Haut-                     (LZV, Zostavax®)
[HZ]) auslösen [1, 2].                                 läsionen auftreten kann. Andere Kom-                     Die LZV-Impfung wurde 2006 von
    Angesichts des demografischen                      plikationen sind sekundäre bakterielle                   der FDA zugelassen und steht seit
Wandels der Bevölkerung wird eine                      Infektionen, Augenkomplikationen                         2009 in Europa zur Verfügung. Es
deutliche Zunahme der Inzidenz er-                     bei Befall des Nervus Trigeminus so-                     handelt sich um einen attenuierten
wartet. So wird z.B. geschätzt, dass                   wie ein schwerer generalisierter Befall                  Lebendimpfstoff, der hauptsächlich

Abteilung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien, Wien
DOI 10.3238/zfa.2020.0051–0055

                                                                                          © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
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52   EBM-SERVICE / EBM SERVICE

     die spezifische T-Zell-Produktion akti-                       Suchstrategie                                (Relatives Risiko [RR] 0,49; 95%-Kon-
     viert und so die zelluläre Immunität                          Wir gingen mittels nicht systemati-          fidenzintervall [KI] 0,43–0,56; Abso-
     steigert. Hierdurch wird die Reaktivie-                       scher Literaturrecherche der Frage           lute Risikoreduktion [ARR] 1,77%;
     rung der in den neuronalen Gan-                               nach, ob die beiden Impfstoffe hal-          NNT nach drei Jahren Beobachtungs-
     glienzellen persistierenden VZV ver-                          ten, was sie versprechen, ob es also         zeit 57). Bei den Studienteilnehmern
     hindert und die Virusreplikation un-                          durch eine Impfung gegen VZV zu ei-          über 70 Jahre war die Impfeffektivität
     terdrückt. Die Impfung erfolgt als                            ner Verminderung von Erkrankungs-            deutlich schlechter (RR 0,63; 95%-KI
     einmalige s.c. Injektion in den Ober-                         fällen und vor allem auch zu einer           0,53–0,75, ARR 1,29 %, NNT 77).
     arm. Zostavax enthält eine 14-fach                            Verminderung postherpetischer Neu-                Die Inzidenz der postherpeti-
     höhere Viruskonzentration als der für                         ralgien (PHN) kommt. Hierzu durch-           schen Neuralgie (PHN) wurde in der
     die Kinderimpfung vorgesehene Vari-                           suchten wir die Pubmed/Medline-Da-           Studie von Oxman ebenfalls signifi-
     zellen-Impfstoff Varivax [5].                                 tenbank und die Cochrane Database            kant gesenkt (RR 0,34; 95%-KI
                                                                   of Systematic Reviews nach Systema-          0,22–0,52; ARR 0,28; NNT 363). Hier
     Recombinant zoster dead vaccine                               tic Reviews/Metaanalysen sowie Ein-          fiel der Effekt für die über 70-Jährigen
     (RZV, Shingrix®)                                              zelstudien unter Verwendung des              absolut betrachtet wegen der höhe-
     RZV ist ein Totimpfstoff, der 2017 von                        Suchterminus „herpes zoster and vacci-       ren Inzidenz der PHN im höheren Le-
     der FDA zugelassen wurde. Er enthält                          nation and (systematic review or meta-       bensalter etwas deutlicher aus (RR
     nur eine rekombinant hergestellte                             analysis or randomised controlled trial)“.   0,33; 95%-KI 0,20–0,56; ARR 0,43%;
     Untereinheit des Virus, die selbst                            Sodann konsultierten wir aktuelle            NNT 233).
     nicht replikationsfähig ist. Es handelt                       Leitlinien.                                       In der Sicherheits-Substudie von
     sich um das antigen wirkende Glyko-                                                                        Oxman [9] zeigte sich eine leicht hö-
     protein E, das auf der Oberfläche von                         Ergebnisse                                   here Rate an schwerwiegenden Ne-
     VZV vorkommt und das Hauptziel für                                                                         benwirkungen zwischen den beiden
     die VZV-spezifische CD4+-T-Zell-Ant-                          Cochrane Review                              Gruppen (wobei in der Arbeit nicht
     wort ist. Zudem enthält der Impfstoff                         In der Cochrane Database fand sich           ausgeführt wird, welche Nebenwir-
     ein Adjuvans, das eine rasche, starke                         ein aktueller Cochrane Review aus            kungen als schwerwiegend eingestuft
     und langanhaltende Immunantwort                               dem Jahr 2019 (Update eines Reviews          wurden) (RR 1,53; 95%-KI 1,03–2,25;
     mit weniger Antigen hervorruft. So                            von 2016) [8]. In diesem Review wur-         ARZ 0,66 %; NNH 152). Auch hin-
     wird die spezifische Immunreaktion                            den die Impfstoffe gegen Herpes zos-         sichtlich aller lokalen und systemi-
     gegen VZV stimuliert. Die Impfung                             ter bei älteren Erwachsenen hinsicht-        schen Nebenwirkungen zusammen
     wird zweimal als intramuskuläre In-                           lich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit        wies die geimpfte Gruppe eine höhere
     jektion im Abstand von zwei bis sechs                         untersucht. Es wurden 24 Studien             Inzidenz auf (RR 1,69; 95%-KI
     Monaten verabreicht [6].                                      mit 88.531 Teilnehmern mit einem             1,59–1,79; ARZ 23,5 %; NNH 4). Im
                                                                   Durchschnittsalter von 68 Jahren ein-        Dropout-Vergleich gab es keinen Un-
     Bezüglich des Lebendimpfstoffes LZV                           geschlossen. 15 Studien untersuchten         terschied zwischen den zwei Gruppen.
     (Zostavax®), der seit über zehn Jahren                        LZV (nur zwei placebokontrollierte                Unter Einbeziehung von fünf wei-
     auf dem Markt ist, besteht weitgehend                         Studien untersuchten die Effektivität        teren Sicherheitsstudien konnte der
     Einigkeit, dass der Impfstoff zwar die                        der Impfung hinsichtlich der Herpes-         Cochrane-Review die höhere Anzahl
     Inzidenz des Herpes zoster und in ge-                         zoster-Inzidenz, vier weitere placebo-       schwerwiegender unerwünschter Wir-
     ringerem Ausmaß auch der postherpe-                           kontrollierte Studien betrachteten           kungen durch LZV in der SPS nicht
     tischen Neuralgie senkt, dass der Impf-                       ausschließlich Sicherheitsdaten) und         bestätigen (RR 1,08; 95%-KI 0,95–
     stoff jedoch relativ schlecht verträg-                        neun Studien analysierten die Effekti-       1,21) [8]. Alle Studien mit Ausnahme
     lich ist und oft zu lokalen, seltener zu                      vität und Sicherheit von RZV (nur            einer Sicherheitsstudie wurden von
     systemischen Nebenwirkungen führt.                            zwei Studien verglichen die Effektivi-       der Herstellerfirma finanziert.
     Zudem nimmt die Effektivität offen-                           tät von RZV mit Placebo) [8].
     bar bereits wenige Jahre nach der Imp-                                                                     Rekombinante Totvakzine RZV
     fung deutlich ab [7]. Der erst vor kur-                       Lebendvakzine LZV                            Die Inzidenzergebnisse nach der RZV-
     zem zugelassene rekombinante Impf-                            Die Daten stammten hauptsächlich             Impfung stammen aus zwei Studien
     stoff RZV (Shingrix®) soll angeblich                          aus der SPS (Shingles Prevention Study),     mit insgesamt 29.311 Teilnehmern
     besser verträglich sein und möglicher-                        der größten randomisiert kontrollier-        [10, 11], in denen die Effektivität von
     weise länger schützen, Langzeitdaten                          ten Studie zur Effektivität und Sicher-      RZV über einen durchschnittlichen
     liegen aber bisher kaum vor [7].                              heit von LZV (Oxman et al. 2005) [9],        Zeitraum von 3,2 Jahren mit Placebo
         Es stellt sich nun die Frage, ob die                      die 38.564 Teilnehmer über 60 Jahre          verglichen wurde. Die geimpften Stu-
     beiden Impfstoffe hinsichtlich der                            (Median 69 Jahre) umfasste und LZV           dienteilnehmer wiesen nach 3,2 Jah-
     Reduktion der Herpes-zoster-Inzidenz                          mit Placebo verglich.                        ren eine signifikant niedrigere Inzi-
     vergleichbar sind, ob sie auch die                                Die Inzidenz von Herpes zoster           denz von Herpes zoster auf (RR 0,08;
     postherpetische Neuralgie und ande-                           während der durchschnittlichen Be-           95%-KI 0,03–0,23; ARR 3 %; NNT 33).
     re Komplikationen verhindern und                              obachtungszeit von 3,1 Jahren war in             Es wurde kein Unterschied in Be-
     über welchen Zeitraum die Impfeffek-                          der geimpften Gruppe signifikant             zug auf schwerwiegende Nebenwir-
     tivität anhält.                                               niedriger als in der Placebogruppe           kungen zwischen den beiden Grup-

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pen festgestellt (RR 0,97; 95%-KI
                                             Jahr nach der         Impfeffektivität zur Verhinderung          Impfeffektivität zur Verhinde-
0,91–1,03). Vor allem lokale Neben-          Impfung mit LZV       von Herpes zoster in % (95%-KI)            rung von PZN in % (95%-KI)
wirkungen wie Rötung, Entzündung
und Schmerzen an der Injektionsstel-         1                     62,0 (49,6 bis 71,6)                       83,4 (56,7 bis 95,0)
le traten aber bei bis zu 80 % der           2                     48,9 (34,7 bis 60,1)                       69,8 (27,3 bis 89,1)
Geimpften auf (RR 6,89; 95%-KI               3                     46,8 (31,1 bis 59,2)                       38,3 (−44,7 bis 75,0)
6,37–7,45; NNH 1,5). Auch systemi-
                                             4                     44,6 (20,5 bis 61,8)                       60,7 (−36,3 bis 91,0)
sche Reaktionen wie Müdigkeit, My-
algien und Kopfschmerzen waren               5                     43,1 (5,1 bis 66,5)                        73,8 (−37,8 bis 97,3)
häufig (RR 2,23; 95%-KI 2,12–2,34;           6                     30,6 (−6,0 bis 54,6)                       32,0 (−100,0 bis 87,3)
NNH 3). Die Dropout-Rate war höher
                                             7                     52,8 (−16,5 bis 80,5)                      60,0 (−4,5 bis 97,1)
in der Impfstoffgruppe.
    Ein direkter Vergleich zwischen         Tabelle 1 Impfeffektivität hinsichtlich Inzidenz von Herpes zoster und Post-zoster-Neu-
LZV und RZV in einer randomisiert           ralgie [15]
kontrollierten Studie ist bisher nicht
erfolgt und wurde daher im Cochrane
Review nicht thematisiert.
                                            0,16–1,61 als nicht signifikant ange-              Short-term-SPS-Follow-up-Studie, in
Andere Systematic Reviews                   geben. Die Zahlen sind aber rech-                  der ein Teil der SPS-Studien-Teilnehmer
und Metaanalysen                            nerisch nicht nachvollziehbar. Die Er-             weiter beobachtet wurde [15]. In dieser
In einer systematischen Übersicht           gebnisse für RZV entsprechen den                   Studie wurde deutlich, dass die Impf-
von Tricco 2018, die 27 Studien (nur        Cochrane-Ergebnissen, da die glei-                 effektivität bereits in den ersten Jahren
die 22 randomisiert kontrollierten          chen zwei Studien analysiert wurden.               nach der Impfung deutlich nachlässt.
Studien sind in der Analyse enthal-              In der Netzwerkmetaanalyse er-                Tabelle 1 zeigt die Impfeffektivität für
ten) und 2.044.504 Patienten ein-           rechnen die Autoren dann einen direkt              sieben Jahre hinsichtlich der Verhinde-
schloss, wurden die Wirksamkeit und         durch die angegebenen Zahlen eben-                 rung einer Herpes-zoster-Erkrankung
die Nebenwirkungen beider Impfstof-         falls nicht nachvollziehbaren Vorteil              und hinsichtlich der Verhinderung ei-
fe indirekt mithilfe einer Netzwerk-        für RZV gegenüber LZV mit einer Odds               ner Post-Zoster-Neuralgie (PZN).
Metaanalyse verglichen [12].                Ratio von 0,15 (95%-KI 0,02–0,68).                     Die in den negativen Bereich rei-
     Zunächst analysierten die Autoren           In der Analyse der Verträglichkeit            chenden Konfidenzintervalle ma-
den direkten Vergleich zwischen dem         zeigte RZV deutlich mehr lokale Ne-                chen deutlich, dass bereits ab dem
Impfstoff und Placebo hinsichtlich der      benwirkungen als LZV (RR 1,79;                     dritten Jahr kein zuverlässiger Schutz
Inzidenz eines durch einen Arzt oder        95%-KI 1,05–2,34). Auch das Risiko für             mehr vor PHN und ab dem sechsten
Laborbefund bestätigten Herpes zoster.      systemische Nebenwirkungen war für                 Jahr kein Schutz mehr vor der Erkran-
Für LZV wurden elf randomisiert kon-        RZV numerisch höher als für LZV (RR                kung überhaupt besteht [15]. In einer
trollierte Studien mit 61.294 Teilneh-      1,87; 95%-KI 0,88–2,96), allerdings                weiteren Langzeitstudie erfolgte eine
mern in die Analyse einbezogen. Hier        nicht signifikant. Bezüglich schwerwie-            Nachbeobachtung über elf Jahre. Ei-
fällt auf, dass in den jüngeren Coch-       gender Nebenwirkungen und Mortali-                 ne signifikante Reduktion der Herpes-
rane Review nur eine dieser randomi-        tät fanden sich keine Unterschiede zwi-            zoster-Inzidenz war nur bis zum ach-
siert kontrollierten Studien für den Ver-   schen den Impfstoffen und Placebo.                 ten Jahr nach der Impfung mit LZV
gleich aufgenommen wurde. Das liegt              Die Arbeit von Tricco wurde                   zu beobachten [16].
daran, dass der Cochrane Review sich        durch das Canadian Institutes of He-                   Diese Ergebnisse wurden 2015
auf ältere Erwachsene (ab 60 Jahren)        alth Research Drug Safety and Effective-           durch eine Metaanalyse untermauert.
und immunkompetente, sonst gesunde          ness Network finanziert und nicht wie              Cook et al. untersuchten die Persis-
Teilnehmer beschränkte. Besonders zu        fast alle anderen Studien durch einen              tenz der Wirksamkeit von LZV in al-
erwähnen ist hier die Studie von            der Hersteller.                                    len verfügbaren klinischen Studien
Schmader et al. aus 2012, in der 50- bis         Auch in einem 2019 erschienenen               [17]. In den Review wurden sechs
59-jährige Personen untersucht wurden       Review, der allerdings von GSK, dem                Studien eingeschlossen, davon drei
und die ein ähnliches Ergebnis aufwies      Hersteller von RZV, finanziert wurde,              RCTs und drei Beobachtungsstudien,
wie die SPS-Studie bei den Über-60-Jäh-     wurden die zwei Impfstoffe indirekt                eine davon mit einer durchschnitt-
rigen [13]. Diese Studie wurde im           verglichen [14]. 21 Studien und vier               lichen Beobachtungszeit von 6,9 Jah-
Cochrane Review wegen des Alters der        Abstract-Arbeiten wurden einge-                    ren. Insgesamt konnte ein Zeitraum
Patient*innen ausgeschlossen.               schlossen. Auch dieser Review berich-              von etwa elf Jahren dargestellt wer-
     Der LZV-Placebo-Vergleich zeigt        tet eine signifikant bessere Wirksam-              den. Die relative Risikoreduktion
bei Tricco (trotz der anderen Studien-      keit von RZV bei über-60-jährigen Pa-              durch die einmalige Impfung mit
zusammensetzung) eine ähnliche              tienten verglichen mit LZV.                        LZV sank von etwa 60 % im ersten
Impfeffektivität wie der Cochrane Re-                                                          Jahr auf nahezu Null nach elf Jahren.
view (RR 0,47; 95%-KI 0,41–0,53; ARR        Persistenz der Impfwirkung                             Vergleichbare         Langzeitunter-
1,3; NNT 77). Allerdings wird in der        Schmader et al. veröffentlichten 2012              suchungen liegen für RZV bisher
Metaanalyse das 95%-KI des RR mit           Follow-up-Daten aus der SPS und der                nicht vor. Gepoolte Daten aus den

                                                                         © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
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54   EBM-SERVICE / EBM SERVICE

     beiden publizierten randomisiert kon-                         gen zwar eine Abnahme der Glyko-                     kombinanten Totvakzine, mit der glei-
     trollierten Studien über einen Beob-                          protein-E-spezifischen CD4+-Zellen                   chen Argumentation wie die STIKO
     achtungszeitraum von vier Jahren zei-                         und der Anti-Glykoprotein-E-Antikör-                 [23]. LZV wird nicht mehr empfohlen.
     gen für Geimpfte über 70 Jahre eben-                          perkonzentration in den ersten vier                  In Österreich erfolgt trotz der Empfeh-
     falls eine Abnahme des Impfschutzes,                          Jahren nach der Impfung, aber keine                  lung keine Finanzierung der Impfung
     die jedoch deutlich geringer ausfällt                         weitere Abnahme in den folgenden                     durch die Sozialversicherung.
     als bei LZV (Tab. 2) [11]. Verlaufs-                          Jahren [19, 20].
     daten zum Schutz vor PHN fehlen.                                  Die STIKO weist auch darauf hin,                 Advisory Committee on
                                                                   dass der rekombinante Totimpfstoff                   Immunization Practices (USA)
     Weitere Einzelstudien                                         im Gegensatz zur LZV bei Immun-                      Auch das amerikanische ACIP (Adviso-
     Wir suchten ausschließlich randomi-                           supprimierten appliziert werden kön-                 ry Committee on Immunization Practices)
     siert kontrollierte Studien. Unter Ver-                       ne. Abgesehen von einer Studie nach                  empfiehlt die rekombinante Vakzine
     wendung der Suchbegriffe „Herpes                              hämatopoetischer Stammzelltrans-                     ab einem Alter von ≥ 50 Jahren. Aller-
     zoster and (vaccination) and (rando-                          plantation gibt es jedoch für die ver-               dings stimmten nicht alle Mitglieder
     mized or randomised)” fanden sich                             schiedenen Formen der Immunsup-                      des ACIP dieser Präferenzempfehlung
     225 Treffer in PubMed/Medline.                                pression bisher nur Studien zur Im-                  zu (Stimmenaufteilung acht zu sieben).
         Die Durchsicht dieser Treffer er-                         munogenizität und keine klinischen                   Obwohl beide Impfstoffe für Patienten
     brachte keine zusätzlichen relevanten                         Wirksamkeitsstudien. Die randomi-                    ab 50 Jahren zugelassen sind, emp-
     randomisiert kontrollierten Studien,                          siert kontrollierte Studie bei Patien-               fiehlt das ACIP wegen der kurzen
     die nicht in den oben dargestellten                           ten nach autologer Stammzelltrans-                   Schutzdauer sowie der niedrigen Inzi-
     Übersichtsarbeiten und Metaanalysen                           plantation wies im ersten Jahr nach                  denzrate gegen die LZV für Patienten
     bereits berücksichtigt worden waren.                          der Impfung eine Effektivität von                    im Alter von 50 bis 59 Jahren [7].
                                                                   68 % zur Verhinderung einer Herpes-
     Leitlinien                                                    zoster-Erkrankung und von 89 % zur                   Kosteneffektivität
                                                                   Verhinderung einer PHN nach und                      Neben der klinischen Effektivität
     STIKO                                                         liegt damit unter der Impfeffektivität               spielen für ein Gesundheitssystem
     Die deutsche Ständige Impfkommis-                             bei Gesunden [21].                                   bei begrenzten Ressourcen auch die
     sion STIKO empfiehlt RZV zur Präven-                              Die Zosterimpfung mit RZV wird                   Kosten einer präventiven Interventi-
     tion von Herpes zoster für sonst Ge-                          in Deutschland seit Mai 2019 ab dem                  on eine wesentliche Rolle. Die Kos-
     sunde ab dem Alter von 60 Jahren                              60. Lebensjahr durch die gesetzliche                 ten einer vollständigen Impfung mit
     und für Personen mit Risikofaktoren                           Krankenversicherung bezahlt.                         RZV belaufen sich auf 226,80 Euro
     (Tab. 3) ab dem 50. Lebensjahr mit                                In einem vorangegangenen Epi-                    pro Person. Die Umsetzung der STI-
     der Begründung, dass für RZV in den                           demiologischen Bulletin begründet                    KO-Empfehlung (Impfung aller Men-
     zwei vorliegenden randomisiert kon-                           die STIKO die Ablehnung der LZV                      schen > 60 Jahre) wäre also für die
     trollierten Studien [10, 11] eine ausrei-                     mit dem raschen Wirkverlust und                      Kassen in Deutschland mit Ausgaben
     chend hohe Schutzwirkung hinsicht-                            dem ungünstigen Wirkungs-/Neben-                     von ca. 3,5 Milliarden Euro verbun-
     lich der Inzidenz von Herpes zoster                           wirkungsprofil [22].                                 den. In einer niederländischen Mo-
     und PZN nachgewiesen wurde [18].                                                                                   dellrechnung wurde errechnet, dass
     Zudem sieht die STIKO es trotz feh-                           Impfplan Österreich 2019                             die Impfung ab dem 60. Lebensjahr
     lender klinischer Langzeitdaten auf-                          Auch die Abteilung für Impfwesen des                 bei einer Bereitschaft, für ein gewon-
     grund von Langzeituntersuchungen                              Bundesministeriums für Arbeit, Sozia-                nenes „QALY“ (quality-adjusted life
     der Immunantwort als gegeben an,                              les, Gesundheit und Konsumenten-                     year) maximal 20.000 Euro auszuge-
     dass der Impfschutz über mindestens                           schutz in Österreich empfiehlt – be-                 ben, höchstens 104,30 Euro/Person
     neun Jahre bestehen bleibt. So zeigten                        reits für alle ab dem 50. Lebensjahr –               kosten dürfte [24]. Mit anderen Wor-
     die immunologischen Untersuchun-                              die Herpes-zoster-Impfung mit der re-                ten: die derzeitige Empfehlung verur-

       Jahr nach Impfung                Impfeffektivität in % (95%-KI)                  Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder Immunsuppression

       1                                97,6 (90,9 bis 99,8)                            HIV-Infektion

       2                                92,0 (82,8 bis 96,9)                            Rheumatoide Arthritis
       3                                84,7 (69,0 bis 93,4)                            Systemischer Lupus erythematodes
       4                                87,9 (73,3 bis 95,4)                            Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

                                                                                        Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen oder Asthma bronchiale
     Tabelle 2 Impfeffektivität hinsichtlich der Inzidenz von
     Herpes zoster bei Personen > 70 Jahren [11]                                        Chronische Niereninsuffizienz
                                                                                        Diabetes mellitus

                                                                                       Tabelle 3 Personengruppen, für welche die STIKO eine RZV ab dem
                                                                                       50. Lebensjahr empfiehlt

     © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
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sacht Kosten in Höhe von fast              viert werden. Hier erwarten wir weite-              13. Schmader KE, Levin MJ, Gnann JW, et
50.000 Euro pro gewonnenem QALY.           re Langzeitdaten in den nächsten Jah-                   al. Efficacy, safety, and tolerability of
                                           ren. Auch die Kosteneffektivität muss                   herpes zoster vaccine in persons
Fazit                                      angesichts begrenzter Ressourcen in                     aged 50–59 years. Clin Infect Dis
                                                                                                   2012; 54: 922–8
Zur Prävention der Gürtelrose und          die Entscheidung mit einfließen.
der postherpetischen Neuralgie ste-                                                            14. McGirr A, Widenmaier R, Curran D,
                                           Literatur                                               et al. The comparative efficacy and
hen zwei Impfstoffe zur Verfügung,
ein 2006 zugelassener Lebendimpf-          1. Arvin AM. Varicella-zoster virus. Clin               safety of herpes zoster vaccines: a
                                              Microbiol Rev 1996; 9: 361–81                        network meta-analysis. Vaccine 2019;
stoff und ein 2017 zugelassener re-
                                           2. Gabutti G, Bolognesi N, Sandri F, Flo-               37: 2896–909
kombinanter Totimpfstoff. Für beide
                                              rescu C, Stefanati A. Varicella zoster           15. Schmader KE, Oxman MN, Levin MJ,
Impfstoffe wurde eine Impfeffektivi-
                                              virus vaccines: an update. Immuno-                   et al. Persistence of the efficacy of
tät hinsichtlich der Prävention der
                                              Targets Ther 2019; 8: 15–28                          zoster vaccine in the shingles preven-
Gürtelrose und hinsichtlich posther-
                                           3. Tseng HF, Bruxvoort K, Ackerson B, et                tion study and the short-term persis-
petischer Neuralgien für Menschen                                                                  tence substudy. Clin Infect Dis 2012;
                                              al. The epidemiology of herpes zoster
≥ 50 Jahre nachgewiesen. Obwohl               in immunocompetent, unvaccinated                     55: 1320–8
bisher keine direkten Vergleichsstudi-        adults ≥ 50 years old: incidence,                16. Morrison VA, Johnson GR, Schmader
en durchgeführt wurden, ist aufgrund          complications, hospitalization, morta-
                                                                                                   KE, et al. Long-term persistence of
indirekter Vergleiche wahrscheinlich,         lity, and recurrence. J Infect Dis 2019;
                                                                                                   zoster vaccine efficacy. Clin Infect Dis
dass die Impfeffektivität der zweima-         epub ahead of print
                                                                                                   2015; 60: 900–9
ligen Impfung mit der Totvakzine hö-       4. Bricout H, Haugh M, Olatunde O, Gil
                                                                                               17. Cook SJ, Flaherty DK. Review of the
her ist als diejenige der einmaligen          Prieto R. Herpes zoster-associated mor-
                                                                                                   persistence of herpes zoster vaccine
Impfung mit Lebendvakzine.                    tality in Europe: a systematic review.
                                              BMC Public Health 2015; 15: 466                      efficacy in clinical trials. Clin Ther
    Für die Lebendvakzine wurde                                                                    2015; 37: 2388–97
durch Follow-up von bis zu elf Jahren      5. Holodniy M. Prevention of shingles
                                              by varicella zoster virus vaccination.           18. Ständige Impfkommission (STIKO).
nachgewiesen, dass die Impfeffektivi-                                                              Wissenschaftliche Begründung zur
                                              Expert Rev Vaccines 2006; 5: 431–43
tät innerhalb weniger Jahre stark                                                                  Empfehlung einer Impfung mit dem
nachlässt. Spätestens nach sechs bis       6. Bharucha T, Ming D, Breuer J. A criti-
                                                                                                   Herpes zoster-subunit-Totimpfstoff.
                                              cal appraisal of „Shingrix“, a novel
acht Jahren besteht wahrscheinlich                                                                 Epid Bull 2018; 50: 541–67
                                              herpes zoster subunit vaccine (HZ/Su
kein hinreichender Schutz mehr. Im-           or GSK1437173A) for varicella zoster             19. Chlibek R, Pauksens K, Rombo L, et
munologische Untersuchungen lassen            virus. Hum Vaccines Immunother                       al. Long-term immunogenicity and
vermuten, dass die Totvakzine hier et-        2017; 13: 1789–97                                    safety of an investigational herpes
was besser abschneidet. Klinische Be-      7. Dooling KL, Guo A, Patel M, et al. Re-               zoster subunit vaccine in older adults.
lege, die über vier Jahre nach der Imp-       commendations of the Advisory                        Vaccine 2016; 34: 863–8
fung hinausgehen, liegen jedoch bis-          Committee on Immunization Practi-                20. Schwarz TF, Volpe S, Catteau G, et al.
her nicht vor.                                ces for use of herpes zoster vaccines.               Persistence of immune response to
    Immunsupprimierte profitieren             Am J Transplant 2018; 18: 756–62                     an adjuvanted varicella-zoster virus
wahrscheinlich von der Impfung mit         8. Gagliardi AM, Andriolo BN, Torloni                   subunit vaccine for up to year nine in
der Totvakzine, allerdings mit gerin-         MR, et al. Vaccines for preventing                   older adults. Hum Vaccines Immunot-
gerer Impfeffektivität als Gesunde.           herpes zoster in older adults. Cochra-               her 2018; 14: 1370–7
                                              ne Database Syst Rev 2019; Issue 11.
Die Lebendvakzine ist bei dieser Pa-                                                           21. Bastidas A, de la Serna J, El Idrissi M,
                                              CD008858
tientengruppe kontraindiziert. Die                                                                 et al. Effect of recombinant zoster
                                           9. Oxman MN, Levin MJ, Johnson GR,                      vaccine on incidence of herpes zoster
klinischen Erfahrungen mit RZV bei
                                              et al. A vaccine to prevent herpes                   after autologous stem cell transplan-
Immunsupprimierten sind noch sehr
                                              zoster and postherpetic neuralgia in                 tation: a randomized clinical trial. JA-
begrenzt, vor allem hinsichtlich des          older adults. N Engl J Med 2005;                     MA 2019; 322: 123–33
Wirkzeitraums. Beide Impfstoffe füh-          352: 2271–84
ren im Vergleich zu Placebo signifi-                                                           22. Ständige Impfkommission (STIKO).
                                           10. Lal H, Cunningham AL, Godeaux O,                    Wissenschaftliche Begründung für die
kant häufiger zu lokalen und systemi-          et al. Efficacy of an adjuvanted her-
                                                                                                   Entscheidung, die Herpes zoster Le-
schen unerwünschten Wirkungen,                 pes zoster subunit vaccine in older
                                                                                                   bendimpfung nicht als Standardimp-
wobei diese bei RZV deutlich häufiger          adults. N Engl J Med 2015; 372:
                                                                                                   fung zu empfehlen. Epid Bull 2017;
vorkommen als bei LZV. Schwere Ne-             2087–96
                                                                                                   36: 391–411
benwirkungen sind sehr selten.             11. Cunningham AL, Lal H, Kovac M, et
                                                                                               23. Bundesministerium für Arbeit, Sozia-
    Die Entscheidung für die eher              al. Efficacy of the herpes zoster sub-
                                               unit vaccine in adults 70 years of age              les, Gesundheit und Konsumenten-
schlecht verträgliche Impfung sollte                                                               schutz. Impfplan Österreich 2019
                                               or older. N Engl J Med 2016; 375:
unter Abwägen der Vor- und Nachtei-
                                               1019–32                                         24. de Boer PT, van Lier A, de Melker H,
le gemeinsam mit dem Patienten ge-
                                           12. Tricco AC, Zarin W, Cardoso R, et al.               et al. Cost-effectiveness of vaccinati-
troffen werden. Die derzeitige Daten-
                                               Efficacy, effectiveness, and safety of              on of immunocompetent older adults
lage lässt Vorteile hinsichtlich der Ef-                                                           against herpes zoster in the Nether-
                                               herpes zoster vaccines in adults aged
fektivität für den rekombinanten Tot-          50 and older: systematic review and                 lands: a comparison between the ad-
impfstoff erkennen, die aber durch             network meta-analysis. BMJ 2018;                    juvanted subunit and live-attenuated
die schlechtere Verträglichkeit relati-        363: k4029                                          vaccines. BMC Med 2018; 16: 228

                                                                         © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin / German Journal of Family Medicine - Die Zeitschrift für Allgemeinmedizin
56   ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE

     Was braucht es für eine gute
     Weiterbildung?
     Bedarfsanalyse zu erweiterten Fortbildungsangeboten und
     Feedbackkultur im Rahmen von Train-the-Trainer-Seminaren für
     Weiterbilder/innen

     What is Good Specialist Training?
     Needs Analysis of Enhanced Training Courses and Feedback Culture in
     the Context of Train-the-Trainer Seminars
     Katharina Dippell, Lia Pauscher, Anne Messemaker, Armin Wunder, Alexander Graafen,
     Ferdinand M. Gerlach, Monika Sennekamp

     Hintergrund                                                                       Background
     Zur Entwicklung eines vertiefenden Train-the-Trainer-Semina-                      A needs analysis was conducted among trainers in family
     res (TTT-Aufbauseminar) wurde eine Bedarfsanalyse unter Wei-                      medicine (ST) and physicians undergoing specialist training
     terbilderinnen und Weiterbildern (WB) sowie Ärztinnen und                         (PST) in family medicine in the state of Hesse, with the aim of
     Ärzten in Weiterbildung (ÄiW) im Fach Allgemeinmedizin in                         developing an advanced train-the-trainer seminar (advanced
     Hessen durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf                       TTT seminar) – tailored, as far as possible, to meet the needs of
     einer subjektiven Einschätzung der eigenen Feedbackkultur                         both groups. Additionally, a special focus was placed on how
     von ÄiWs und WBs im Weiterbildungskontext.                                        ST and PST viewed their feedback culture in a training context.
     Methoden                                                                          Methods
     Neben einer Onlinebefragung der bisherigen Teilnehmenden                          The final evaluation of the four advanced TTT seminars carried
     und einer Abschlussevaluation der vier bereits durchgeführten                     out in 2016/2017 (N = 87), an online survey of former partici-
     TTT-Basisseminare 2016/2017 (N = 87) wurde eine Onlinebe-                         pants, and an online survey of PST attending the Hesse Com-
     fragung der teilnehmenden ÄiW des Kompetenzzentrums                               petence Center for Specialist Training served as a basis for the
     Weiterbildung Hessen (N = 143) durchgeführt. Daran nah-                           development of the advanced TTT seminars. 54 ST and 44 PST
     men 54 WB und 44 ÄiW teil.                                                        participated in the online surveys.
     Ergebnisse                                                                        Results
     Die Evaluationsergebnisse verdeutlichen das große Interesse                       An analysis of the evaluation results revealed that ST had a sig-
     der WB an einem erweiterten und vertiefendenden TTT-Semi-                         nificant interest in broad-based and advanced TTT seminars.
     narangebot mit konkreten Präferenzen zu den Schulungsinhal-                       Preferred training content and training methods could also be
     ten und -methoden. Im Vergleich zum Feedback der WB zeig-                         determined. Comments made by PST and ST on feedback
     ten sich deutliche Unterschiede in den Angaben der ÄiW zur                        were different in terms of frequency and in the duration of dis-
     Gesprächshäufigkeit und -dauer. Die ÄiW schätzen diese ins-                       cussions, with lower PST estimates. The majority of PST would
     gesamt niedriger ein. Die Mehrzahl der ÄiW wünscht sich da-                       prefer to receive feedback more often.
     rüber hinaus noch häufiger Feedback.                                              Conclusions
     Schlussfolgerungen                                                                Our results provide a good starting point for the design of an
     Die Ergebnisse bieten eine gute Ausgangslage zur Konzeption                       advanced TTT seminar which should focus on the following
     eines TTT-Aufbauseminars, das schwerpunktmäßig folgende                           topics: teaching formal and professional specialist training
     Themen behandeln sollte: die Vermittlung von formalen und                         content, advanced feedback training and the didactic capabil-
     fachlichen Weiterbildungsinhalten sowie die Vertiefung des                        ities of the ST.
     Feedbacktrainings und der didaktischen Fähigkeiten der WB.                        Keywords
     Schlüsselwörter                                                                   advanced train-the-trainer seminars; specialist trainers in
     Train-the-Trainer-Aufbauseminare; Weiterbildung Allgemein-                        family medicine; training content; competences
     medizin; Schulungsinhalte; Kompetenzen; Feedback

     Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main
     Peer reviewed article eingereicht: 12.06.2019, akzeptiert: 02.07.2019
     DOI 10.3238/zfa.2020.0056–0061

     © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
Dippell et al.:
Was braucht es für eine gute Weiterbildung?
What is Good Specialist Training?                                                                                                                      57

Hintergrund                                • die Abschlussevaluationen vier be-            nierten Likert-Skala (1 = stimme
Das Angebot von sog. Train- the-Trai-        reits durchgeführter TTT-Basissemi-           voll und ganz zu/6 = stimme über-
ner-Fortbildungsprogrammen (TTT-             nare 2016/17 (N = 87)                         haupt nicht zu) gebeten. Zudem
Basisseminaren) ist seit dem 1. Juli       • eine gezielte Onlinebefragung bis-            wurde die subjektive Einschätzung
2017 obligatorischer Bestandteil der         heriger Teilnehmer der TTT-Basisse-           der WB bezüglich der Häufigkeit
Kompetenzzentren         Weiterbildung       minare (N = 87)                               und des Umfangs der von ihnen
Allgemeinmedizin nach § 75a SGB V,         • eine gezielte Onlinebefragung der             durchgeführten strukturierten Feed-
Anlage IV. Das Kompetenzzentrum              teilnehmenden ÄiW des Kom-                    backgespräche erfasst.
Weiterbildung Baden-Württemberg              petenzzentrums Weiterbildung Hes-
bietet TTT-Basisseminare bereits seit        sen (N = 143) zu gewünschten Kom-             Inhalte der Onlinebefragung
2014 an. In Hessen finden TTT-Basis-         petenzen und Schulungsinhalten                der ÄiW
seminare für Weiterbilder/innen              eines TTT-Aufbauseminars.                     Die Onlinebefragung an die ÄiW be-
(WB) im Fach Allgemeinmedizin seit                                                         stand aus neun geschlossenen und
2016 statt [1]. Im Rahmen der Kon-         Abschlussevaluationen der                       drei offenen Fragen. Erfragt wurden
zeption der TTT-Basisseminare in           TTT-Basisseminare                               gewünschte Kompetenzen der WB
Hessen erwies sich eine Hospitation        Die TTT-Basisseminare wurden mit-               und potenzielle Schulungsinhalte,
bei den Seminartagen in Heidelberg         tels eines anonymisierten, standardi-           die ein TTT-Aufbauseminar beinhal-
als hilfreich, da hier auf gute Erfah-     sierten Fragebogens mit 76 geschlos-            ten sollte. Die Wünsche der ÄiW
rungen und Evaluationsergebnisse           senen und 36 offenen Fragen nach                wurden per Freitexteingabe abge-
zurückgegriffen werden konnte [2].         Abschluss des Seminars evaluiert.               fragt. Die ÄiW wurden gebeten, die
    In den Seminaren werden Mög-           Zwei dieser Fragen bezogen sich auf             Häufigkeit und Dauer der Feedback-
lichkeiten für die attraktive Gestaltung   das Interesse an vertiefenden Semina-           gespräche in ihrer Weiterbildung
der Weiterbildung vorgestellt sowie        ren sowie die mögliche Ausgestal-               einzuschätzen. Zudem wurde erfragt,
rechtliche und organisatorische Fra-       tung. Insgesamt wurde der Evaluati-             ob die Teilnehmenden das Feedback
gen bearbeitet [3]. Ein Schwerpunkt        onsbogen an 87 WB ausgegeben.                   als eine realistische Einschätzung der
liegt auf der Implementierung von                                                          eigenen Arbeit ansahen und ob es
Feedbackgesprächen, deren positiver        Entwicklung der                                 für ihre berufliche Weiterentwick-
Effekt sich in der Aus- und Weiterbil-     Onlinebefragung                                 lung hilfreich war. Zur Einschätzung
dung auf nationaler [4] und interna-       Im zweiten Schritt wurden zwei On-              wurde ebenfalls eine sechsstufige
tionaler Ebene als elementar gezeigt       linebefragungen entwickelt und mit-             endpunktdefinierte Likert-Skala ge-
hat [5]. Die Seminare sind zweitägig       tels des Tools „LimeSurvey“ umge-               nutzt.
und finden in einem Seminarhotel           setzt. Der Link zur Onlinebefragung                 Die Auswertung erfolgte deskrip-
statt, wo die Möglichkeit zur Über-        wurde am 5.6.2017 per E-Mail ver-               tiv mithilfe des Statistik-Programmes
nachtung und zum kollegialen Aus-          sandt und war insgesamt vier Wo-                SPSS (IBM statistics, Version 22). Auf
tausch beim Abendessen gegeben ist.        chen freigeschaltet. Empfänger/innen            Basis der Aussagen der WB und der
    In der mündlichen Abschlussrun-        der Einladungs-E-Mail waren alle WB,            ÄiW in den Freitextfeldern wurden
de bzw. der schriftlichen Abschluss-       die bis dahin an TTT-Seminaren teil-            anhand eines induktiven Vorgehens
evaluation der TTT-Basisseminare in        genommen hatten (N =87), sowie                  verschiedene Kategorien bestimmt
Hessen wurde mehrfach der Wunsch           143 ÄiW, die bis zum 1.6.2017 aktiv             und, da die Antworten der einzelnen
nach vertiefenden Train-the-Trainer-       Teilnehmende im Kompetenzzen-                   Teilnehmer oft mehrere Aspekte einer
Seminaren geäußert (TTT-Aufbause-          trum Weiterbildung Hessen waren.                Kategorie beinhalteten, nach Nen-
minar) [6]. Der Bedarf zeigt sich auch                                                     nung/Personen ausgezählt [9].
in Untersuchungen europäischer             Inhalte der Onlinebefragung
Nachbarländer [7]. Aus diesem Grund        der WB                                          Ergebnisse
wurde zur konkreten Entwicklung ei-        Die Onlinebefragung für die WB be-
nes solchen Seminars eine Bedarfs-         stand aus acht geschlossenen und                Evaluationsergebnisse der
analyse unter WB und Ärztinnen und         zwei offenen Fragen. In einer Frei-             TTT-Basisseminare
Ärzten in Weiterbildung (ÄiW) im           texteingabe wurde nach Anregun-                 Insgesamt konnten 85 Evaluationsbö-
Fach Allgemeinmedizin in Hessen            gen und Wünschen für ein Aufbau-                gen der Abschlussevaluation der TTT-
durchgeführt. Ziel war , das Seminar       TTT-Seminar gefragt. Danach wur-                Basisseminare ausgewertet werden
sowohl von den Rahmenbedingun-             den die Themenvorschläge der DE-                (Rücklauf von 98 %). Das Geschlech-
gen als auch in Hinblick auf spezi-        GAM-Checkliste TTT [8] zur Aus-                 terverhältnis war annähernd aus-
fische Themenbereiche an die Bedürf-       wahl gestellt. Auch die zeitlichen              geglichen (45,9 % weiblich). Das ent-
nisse sowohl der WB als auch der           Rahmenbedingungen und das Inte-                 spricht der Verteilung von männ-
ÄiW anzupassen.                            resse an regionalen, regelmäßigen               lichen und weiblichen Hausärzten
                                           Treffen der WB wurde erhoben. Da-               und Hausärztinnen in Hessen und ist
Methoden                                   rüber hinaus wurde um eine Ein-                 somit repräsentativ [10]. Im Schnitt
Die Grundlage für die Entwicklung          schätzung der eigenen Kompetenz                 hatten die Teilnehmenden seit 8,4
des TTT-Aufbauseminares bilden fol-        bei Feedbackgesprächen mithilfe ei-             Jahren ihre Weiterbildungsermächti-
gende Untersuchungen:                      ner sechsstufigen, endpunktdefi-                gung (Min = 0; Max = 33) inne und

                                                                     © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
58

                                                                                   Weiterbilder/innen (n = 54)                                                             Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (n = 44)

                                                                                   Gewünschte                Personen   Nennungen   Themenwünsche               Personen   Gewünschte                    Personen   Nennungen   Schulungsinhalte           Personen   Nennungen
                                                                                   Schulungsinhalte                                 anhand der                             Kompetenzen im                                       im Freitext
                                                                                   im Freitext                                      DEGAM-Checkliste                       Freitext
                                                                                                                                                                                                                                                                                  Dippell et al.:

                                                                                   Praktische Ausrich-          20         24       Entwicklung von                38      Didaktik (z.B. Basics, Fra-      17         22       Didaktik                      9          10
                                                                                   tung des Seminars                                Weiterbildungsinhalten                 gen beantworten, Erklä-
                                                                                   (interaktiv, Gedanken-                                                                  ren, Fortbildungen)
                                                                                   austausch, Übungen,
                                                                                   praktischer Austausch
                                                                                   der Lehrinhalte)
                                                                                   Fachliche Kompetenz          17         15       Kollegialer Austausch          30      Soziale Kompetenz                15         28       Medizinisches Fachwissen      7          14
                                                                                   (z.B. Sprache der                                                                       (z.B. Empathie,
                                                                                   Medizin, Inhalte ge-                                                                    Wertschätzung, Offenheit,
                                                                                                                                                                                                                                                                                  What is Good Specialist Training?

                                                                                   mäß Musterweiterbil-                                                                    Kritikfähigkeit)
                                                                                   dungsordnung, Wei-
                                                                                   terbildungszeugnis,
                                                                                   Nebenfächer der
                                                                                   ÄiWs, Multimorbidi-
                                                                                   tät)
                                                                                                                                                                                                                                                                                  Was braucht es für eine gute Weiterbildung?

                                                                                   Didaktik (z.B. anhand        14         14       Mitarbeiterführung             29      Fachliche Kompetenz (z.B.        11         16       Soziale Kompetenz             6           9
                                                                                   verschiedener inhaltli-                                                                 Leitlinien, evidenzbasierte                          (z.B. Selbstreflexion,
                                                                                   cher Themen, Einbe-                                                                     Entscheidungen, WB)                                  Aufmerksamkeiot, Offen-

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
                                                                                   ziehung ins Arzt-Pa-                                                                                                                         heit)
                                                                                   tienten-Gespräch, Un-
                                                                                   terstützung bei der
                                                                                   Prüfungsvorberei-
                                                                                   tung)
                                                                                   Feedback                     11          9       Vertiefung                     26      Feedback                         11         12       Feedback                      5           7
                                                                                                                                    Feedbacktraining                       (z.B. Feedbackgespräche,
                                                                                                                                                                           Fallbesprechungen)
                                                                                   Rollenspiele                 10          7       Einbindung der ÄiW in die      24      Sonstiges (z.B. Urlaubsver-      2           2       Organisation/Rechtliches      5           6
                                                                                                                                    Praxis                                 tretung, Vergleich zu Kli-
                                                                                                                                                                           nik)
                                                                                   Soziale Kompetenz            8           7       Neues zur Weiterbildungs-      23      Praxisnähe                       1           1       Motivation                    2           3
                                                                                   (z.B. Kommunikation                              organisation
                                                                                   allgemein, Konflikt-
                                                                                   management)
                                                                                   Rechtliches (z.B. Pra-       8           7       Fehlerkultur                   19      Motivation                       1           1       Finanzielles Fachwissen       1           3
                                                                                   xisübernahme, Bezü-
                                                                                   ge)
                                                                                   Erfahrungsaustausch          7           7       Ausgewählte medizinische       9                                                            Zeitmanagement                1           1
                                                                                                                                    Themen
                                                                                   Sonstiges (z.B. Ta-          4           4       Weiterbildung im               7
                                                                                   gungsort, Jobbörse al-                           (europäischen) Ausland
                                                                                   le 6 Monate auf Ak-
                                                                                   tualität prüfen, Pro-
                                                                                   bleme bei Training an
                                                                                   bestimmten Geräten
                                                                                   – da häufig nicht vor-
                                                                                   handen)

                                                                                  Tabelle 1 Gegenüberstellung der gewünschten Schulungsinhalte und Themenwünsche anhand der DEGAM-Checkliste der Weiterbilder/innen und der gewünschten Schulungsinhalte und Kompeten-
                                                                                  zen der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (Mehrfachnennungen möglich)
Dippell et al.:
Was braucht es für eine gute Weiterbildung?
What is Good Specialist Training?                                                                                                                    59

Abbildung 1 Anzahl der Feedbackgespräche im Quartal

durchschnittlich bisher 2 ÄiW weiter-    ein zweitägiges Seminar. In dem Zu-             Umfrage befanden sich 77,3 % der
gebildet (Min = 0; Max = 11).            sammenhang wurde die Möglich-                   ÄiW in der Praxis und 20,5 % in der
    Von den Teilnehmenden (N =           keit der Übernachtung am Ver-                   Klinik. Fast ein Drittel der ÄiW
64), die die Frage nach dem Wunsch       anstaltungsort hervorgehoben so-                (29,5 %) gab an, dass ihr/e WB bereits
eines Aufbau-TTT beantworteten, äu-      wie der kollegiale Austausch beim               an einem TTT-Seminar teilgenom-
ßerten sich 95,5 % positiv. Bei der      gemeinsamen Abendessen (10/10)                  men habe. Die gewünschten Kom-
Auswahl der Themen für ein TTT-          sehr positiv bewertet. Über drei                petenzen und potenzielle Schulungs-
Aufbauseminar wurden am häufigs-         Viertel aller befragten WB (76,2 %)             inhalte sind in der Tabelle 1 dar-
ten das Feedbackgespräch (44,2 %),       wünschten sich regelmäßige regio-               gestellt.
die Fehlerkultur (33,7 %) und die        nale Treffen mit Kollegen und Kol-                   Die Frequenz der Gespräche und
Strukturierung der Weiterbildung         leginnen.                                       deren Dauer sind in Abbildung 1 und
(31,4 %) ausgewählt.                         Bei der Frage nach der Kom-                 2 dargestellt. Etwas mehr als die Hälf-
                                         petenzsteigerung gaben 97 %, an,                te der ÄiW (56,8 %) wünscht sich
Ergebnisse der Bedarfsanalyse            sich in ihrer Rolle als Weiterbilder/           mehr Feedbackgespräche, dabei wur-
unter den WB                             in nach dem TTT-Basisseminar kom-               de der Umfang des Mehrbedarfs nicht
Von den 87 angeschriebenen WB            petenter zu fühlen. Bezüglich der               erhoben. Die meisten ÄiW schätzten
nahmen 54 an der Umfrage teil (62 %      Feedbackgespräche gaben fast zwei               das Feedback als Gewinn für die be-
Rücklauf). Die Geschlechtervertei-       Drittel der WB (61,9 %) an, ihren               rufliche Entwicklung ein (65,9 %),
lung war etwa ausgeglichen (43 %         ÄiW seit dem TTT-Basisseminar                   ein Teil sah wenig oder gar keinen
weiblich).                               häufiger Feedback zu geben. Die                 Nutzen für die berufliche Weiterent-
    Bei dieser Bedarfsanalyse gaben      Frequenz der Gespräche und deren                wicklung (18,2 %). Ähnliche Ergeb-
92,6 % der Teilnehmenden an, dass        Dauer sind in den Abbildungen 1                 nisse zeigten sich bei der Frage, ob
sie an einem weiterführenden TTT-        und 2 dargestellt.                              die ÄiW das Feedback der WB als rea-
Aufbauseminar teilnehmen würden.                                                         listische Einschätzung der Qualität
In den Freitextantworten für mögli-      ÄiW                                             ihrer Arbeit ansehen.
che Inhalte wurden am häufigsten         Von den angeschriebenen ÄiW nah-
Themen im Bereich der fachlichen         men insgesamt 44 an der Umfrage                 Diskussion
und sozialen Kompetenz genannt.          teil (30,7 % Rücklauf). Die Geschlech-          Bei der Auswertung der Evaluations-
Bei den Auswahlmöglichkeiten ba-         terverteilung zeigte eine deutliche             ergebnisse wurde das große Interesse
sierend auf der TTT-Checkliste zei-      Mehrheit der weiblichen Teilnehmer              der WB an einem erweiterten und
gen sich ähnliche Ergebnisse (s.         (79,5 %). Damit liegt die Anzahl von            vertiefendenden TTT-Seminarangebot
Tab. 1).                                 weiblichen ÄiWs leicht über dem                 deutlich. Erste mögliche Themenfel-
    Bei den Rahmenbedingungen            deutschlandweiten        Durchschnitt           der konnten identifiziert werden.
wünschten sich mehr als die Hälfte       (weibliche ÄiW für Allgemeinmedi-                   Anhand der Online-Umfrage
der Teilnehmenden (54,8 %) erneut        zin: 72 %) [11]. Zum Zeitpunkt der              konnten konkrete Präferenzen zu den

                                                                   © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
Dippell et al.:
     Was braucht es für eine gute Weiterbildung?
60   What is Good Specialist Training?

     Abbildung 2 Dauer der Feedbackgespräche

     Schulungsinhalten und den Metho-                              teil für die Sicherstellung einer hoch-   die didaktische Vermittlung von
     den erhoben werden. Die häufige                               wertigen und strukturierten Weiterbil-    Fachwissen, vor allem in den Alltag
     Nennung des Feedbacktrainings und                             dung.                                     eingebettet. Gleichbedeutend dazu
     des Rollenspiels unterstreicht die Prä-                            Aus der Befragung der ÄiW wird       werden Wertschätzung, Empathie
     ferenz für die praktisch orientierte                          deutlich, dass sie konkrete Wünsche       und Offenheit betont. Diese Aspekte
     Ausrichtung des Seminars. Zeit für                            und Vorstellungen an ihre WB ha-          sollten sich in den TTT- Seminaren
     den Erfahrungsaustausch scheint von                           ben. Die ÄiW legen vor allem großen       wiederfinden.
     elementarer Bedeutung zu sein. In                             Wert auf deren soziale und didakti-           Wenn man die Angaben zum
     der Abfrage der vorgeschlagenen The-                          sche Kompetenzen. Dies spiegelt sich      Feedback betrachtet, unterscheiden
     men aus der DEGAM-Checkliste wird                             auch in den Wünschen potenzieller         sich die Angaben zur Häufigkeit bei
     deutlich, dass sich die WB darin wie-                         Schulungsthemen. In Zentrum steht         ÄiW und WB. ÄiW nehmen sowohl
     derfinden. Diese Ergebnisse decken                                                                      die Frequenz als auch die Dauer der
     sich mit internationalen Studien zur                                                                    Feedbackgespräche als deutlich ge-
     Evaluation von medizinischen Schu-                                                                      ringer bzw. kürzer wahr. Hinzu
     lungen [12].                                                                                            kommt, dass sich die Mehrzahl der
         Für einen positiven Effekt des TTT-                                                                 ÄiW     noch     häufiger   Feedback
     Basisseminars spricht auch, dass sich                                                                   wünscht. Vergleicht man die Zufrie-
     ein Großteil der WB in ihrer Rolle nach                                                                 denheit innerhalb der Weiterbildung
     dem TTT-Seminar kompetenter fühlt.                                                                      und die Wünsche an den berufli-
     Unter Berücksichtigung der Studie von                                                                   chen Werdegang mit anderen Befra-
     Garman et al., (zeigt, dass Menschen,                                                                   gungen von ÄiW zu diesem Thema,
     die sich in einem Bereich besser ein-                                                                   finden sich ähnliche Ergebnisse [14].
     schätzen, sich diesbezüglich wesentlich                                                                 Dies sollte bei zukünftigen Schulun-
     mehr Mühe geben und hartnäckiger ei-                          Dr. med. Katharina Dippell ...            gen für WB bedacht werden. Die gro-
     ner Herausforderung stellen [12]), er-                        ... ist Ärztin in Weiterbildung für       ße Zustimmung der ÄiW zum Nut-
     langt dieses Ergebnis weitere praktische                      Allgemeinmedizin. Aktuell ist sie am      zen eines Feedbacks für ihre berufli-
     Relevanz auch für die Weiterbildung                           Institut für Allgemeinmedizin der         che Weiterentwicklung, bekräftigt
                                                                   Goethe-Universität in Frankfurt
     vor Ort. Die TTT-Seminare scheinen                            im Bereich der Weiterbildung
                                                                                                             die    Bedeutung     des   Feedback-
     hierbei eine sinnvolle Unterstützung                          (Kompetenzzentrum Weiterbildung           gesprächs in der Praxis. Die Verbrei-
     zu sein und sind ein wichtiger Bestand-                       Hessen) tätig.                            tung und die Diskussion dieser Stu-

     © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Zeitschrift für Allgemeinmedizin | 2020; 96 (2)
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