Zivilklausel an der Universität Tübingen - Dokumentation Juli 2011
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Zivilklausel an der Universität Tübingen Dokumentation Juli 2011 „Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenle- ben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Erhaltung der natür- lichen Lebensgrundlagen erfolgen.“ (Grundordnung der Universität Tübingen) Wo beginnt der Krieg? - Der Wissenschaftsbetrieb muss in DOK: Offener Brief der Marxistische Aktion an das Rekto- die Verantwortung genommen werden - Christoph Marisch- rat der Universität Tübingen – 13 ka - 2 DOK: Zivilklausel für die Hochschulen - Dietrich Schulze Ein Zivilkläuselchen - Zur Rüstungsforschung an der Uni- – 14 versität Tübingen - Andreas Seifert – 6 DOK: Neues zu Zivilklausel und Rüstungsforschung – 15 Es lebe der Dialog! - Andreas Seifert - 7 DOK Tagblatt: Heute Antrittsvorlesung: Sicherheitspartner Krieg ist Frieden, Unwissenheit ist Stärke und die Zivilklau- Russland – Am Reden gehindert – 17 sel … eine Farce? - Christoph Marischka – 9 „Es gibt keine gerechten Kriege – aber notwendige“ - Wolf- DOK: Offener Brief zum Seminar „Angewandte Ethnologie gang Ischinger wird Honorarprofessor in Tübingen - Jürgen und Militär“ - 11 Wagner – 18 DOK: Erklärung des DGB-AK Tübingen zum Bruch der Zi- DOK: Einsatzgebiet Hochschule - Michael Billig - 24 vilklausel an der Universität Tübingen – 12 1
28.7.2010 - IMI-Analyse 2010/029 ebenfalls in: AUSDRUCK (August 2010) Wo beginnt der Krieg? Der Wissenschaftsbetrieb muss in die Verantwortung genommen werden Christoph Marischka Armee im Einsatz tungsindustrie, in jüngster Zeit ihre Zusammenarbeit mit den Hochschulen auszubauen, waren Anlass für die „Na- Über die aktuelle Militarisierung von Forschung und Leh- turwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frie- re kann nicht gesprochen werden, ohne den Kontext zu be- den und Zukunftsfühigkeit e.V.“ (Natwiss), am 9.7.2010 in schreiben, in dem sie stattfindet. Wir befinden uns hochoffi- Braunschweig zu einem Vernetzungstreffen zum Thema Zi- ziell in einer Phase der „Transformation der Bundeswehr“ zu vilklauseln einzuladen. Zivilklauseln gibt es nach aktuellem einer „Armee im Einsatz“. Knapp 10.000 Bundeswehrsolda- Kenntnisstand an der Technische Universität Berlin und den ten sind gegenwärtig in über 15 Ländern der Welt im Einsatz. Hochschulen in Konstanz, Bremen, Dortmund, Oldenburg, Etwas weniger als die Hälfte davon beteiligen sich in Afgha- Kassel, am mittlerweile im Karlsruher Institute of Techno- nistan an einem regelrechten Krieg, wo auch die Bundeswehr logy (KIT) aufgegangenen Kernforschungszentrum Karlsru- etwa alle zwei Tage in handfeste Gefechte verwickelt ist und he und nun auch in Tübingen.3 Dabei handelt es sich um regelmäßig Luftnahunterstützung anfordert. Von dort reicht Formulierungen – meist in den Satzungen der Universitä- das Spektrum der Einsätze über Stabilisierungsmissionen ten – welche in unterschiedlicher Deutlichkeit die Ziele von auf dem Balkan hin zu Beobachter- und Ausbildungsmis- Forschung und/oder Lehre auf „friedliche“ und/oder „zivile“ sionen, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt und auch Zwecke beschränken. Bei dem Treffen wurde aber schnell vom Bundestag nicht mandatiert sind, wie gegenwärtig in klar, dass die bloße Existenz einer solchen Zivilklausel oft Uganda oder zuvor auch im Jemen. Bei stetig wachsendem keinerlei Effekt hat und Wehrforschung oder rüstungsnahe Etat des Verteidigungsministeriums werden diese neuen Auf- Forschung keineswegs unterbindet. Eine Zivilklausel kann gaben mit einer immer geringeren Zahl von Soldaten erfüllt aber ein fruchtbarer Anlass sein, um die Auseinandersetzung und nun wird auch noch eine Abschaffung der Wehrpflicht darum zu beginnen, welche Forschung und welche Lehrver- ernsthaft in Erwägung gezogen. anstaltungen die Verantwortung der Wissenschaft gegenüber Möglich wird dies einerseits durch eine Technisierung des der Gesellschaft verletzen. Deshalb wurde auf dem Treffen Krieges und andererseits durch eine Spezialisierung der in Braunschweig festgestellt, dass die Forderung nach Zivil- Bundeswehr auf die eigentliche Kriegsführung. Nahezu alle klauseln bzw. deren Einhaltung stets auch mit Debatten, Ak- Aufgabenbereiche, die den Alltag einer Verteidigungsarmee tionen und möglicherweise auch Institutionen einhergehen in Vorbereitung auf den Verteidigungsfall geprägt haben – müssen. Als Voraussetzung hierfür wurde eine erste Katego- Instandhaltung, Ausbildung, Lagerhaltung und Logistik – risierung von potentieller „Kriegsforschung“ vorgenommen, werden gegenwärtig an private Unternehmen ausgegliedert.1 die im Folgenden am Beispiel Tübingen mit möglichen Fall- Aber auch in den eigentlichen Einsätzen – insbesondere stricken und Ansatzpunkten für Protest vorgestellt werden sog. Sicherheitssektorreformen - wird verstärkt auf Vertrags- soll. arbeitnehmer_innen und Polizist_innen zurückgegriffen sowie – gerade bei handfesteren Kriegen – einheimisches Rüstungsforschung Personal rekrutiert oder über die UN auf Infanteristen aus Unter Rüstungsforschung ist naturwissenschaftlich-techni- Entwicklungs- und Schwellenländer zurückgegriffen.2 Zwei sche Forschung zu verstehen, die unmittelbar vom Verteidi- weitere Bereiche, die mit dem neuen Einsatzprofil der Bun- gungsministerium und/oder der Rüstung bezuschusst wer- deswehr exorbitant gewachsen sind, ohne dass sie von der den und deren Ergebnisse absehbar in die Entwicklung und Bundeswehr eigenständig zu bewältigen wären, ist die welt- Verbesserung von Waffensystemen im weiteren Sinne – also weite Aufklärung – insbesondere Human Intelligence - und auch Aufklärungssysteme und Panzerungen – eingehen sol- Strategieentwicklung; Schließlich reicht es nicht mehr, eine len. Die staatliche Rüstungsforschung wurde bislang zu gro- Front und einen Gegner zu beobachten, heute müssen hun- ßen Teilen über die Bundeswehr selbst und ihre Universitä- derte potentielle Einsatzgebiete überwacht und jeweils Kon- ten oder Institutionen wie das Deutsche Zentrum Luft- und zepte für Interventionen ausgearbeitet werden. Das ist der Raumfahrt (DLR) oder die Fraunhofer-Gesellschaft (und die „sicherheits“politisch-strategische Hintergrund der aktuellen mittlerweile in dieser aufgegangenen Forschungsgesellschaft Militarisierung der Hochschulen, der zugleich auf begüns- für Angewandte Naturwissenschaften e.V.) durchgeführt. Al- tigende Entwicklungen durch die Bologna-Reformen (Ab- lerdings kommt es häufig zu oft undurchsichtigen Koopera- hängigkeit von Drittmitteln, Anwendungsorientierung) und tionen dieser Institutionen mit zivilen Universitäten. Ein ak- eine schlechte Arbeitsmarktlage für Akademiker_innen trifft. tuelles und herausragendes Beispiel hierfür ist die Gründung der Fakultät Munich Aerospace, die offiziell am 9.7.2010 Ansatzpunkte für Auseinandersetzungen – dem Tag des Braunschweiger Treffens – vollzogen wurde. Die massiven Bemühungen der Bundeswehr und der Rüs- Dabei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt der Tech- 2
nischen Universität München, der Bundeswehruniversität Bundeswehrsoldaten in Afghanistan und auch jenseits des München, des DLR sowie des „Bauhaus Luftfahrt“. Beim konkreten Kriegseinsatzes leiden viele Soldaten wegen ihres „Bauhaus Luftfahrt“ handelt es sich um einen gemeinnützi- unmittelbaren Umgangs mit Gewehren, Explosionswaffen, gen Verein, der von den drei Rüstungsunternehmen EADS, Flugzeugen und Hubschraubern unter chronischen Hör- Liebherr Aerospace und MTU Aero Engines gemeinsam mit schäden. Am zur Universität gehörenden Tübingen Hearing dem Bayerischen Wirtschaftsministerium gegründet wur- Research Centre auf dem Gelände der Universitätsklinik de. Unter Förderung durch das Wirtschafts- und das Wis- wird bzw. wurden im Auftrag des Verteidigungsministerium senschaftsministerium sollen mit insgesamt 55 Professuren der Haarzellverlust infolge von Schalldruck und mögliche „Forschungs- und Fertigungskompetenzen“ integriert, der Behandlungsmöglichkeiten untersucht. Als Grundlage der „Forschungs- und Technologiestandort München“ gestärkt Forschung diente die experimentelle Beschallung und an- und „die Potenziale von universitären und außeruniversitä- schließende Untersuchung von Meerschweinchen. Ob diese ren Partnern sowie Partnern aus der Wirtschaft konstruktiv Tierversuche selbst in Tübingen stattfanden und weiter statt- und zielorientiert zusammengeführt werden können“. Ge- finden, ist jedoch bislang nicht eindeutig geklärt. forscht werden soll zunächst u.a. zu unbemannten Flugsyste- In mehrfacher Hinsicht schwerer einzuschätzen ist – ins- men – sog. Drohnen – und Raketenantriebssystemen.4 besondere für medizinische Laien – die Forschung zu Or- Während die Gründung der Fakultät Munich Aerospace ganophosphaten. Mehrere an der Universität Tübingen öffentlich zelebriert wurde, ist man bei vielen anderen Ko- Beschäftigte haben zu diesem Thema gemeinsam mit Bun- operationsprojekten – gerade wenn diese ohne öffentliche deswehrangehörigen Artikel veröffentlicht – darunter u.a. Förderung stattfinden – auf Zufallsfunde in Pressemitteilun- Angestellte der Sektion für Experimentelle Anaesthesiologie gen, der Lokalpresse oder auch Aushängen in der Universität an der Universitätsklinik sowie der Zoologie. Eine bundes- angewiesen. So wurde auch bekannt, dass einer der größten weit führende Rolle bei der wehrmedizinischen Forschung Hersteller von Militärhubschraubern weltweit, Eurocopter, zu Organophosphaten scheint das Institut für Pharmakolo- mit der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik und Geo- gie und Toxikologie der Bundeswehr in München zu spie- däsie der Universität Stuttgart ein Partnerschaftsabkommen len. Möglicherweise lassen sich über Kooperationsprojekte geschlossen hat. „Ziel ist die Zusammenarbeit bei techno- dieses Instituts mit der Universität Tübingen Rückschlüsse logischen Themen sowie bei der Ausbildung künftiger In- über die Inhalte der wehrmedizinischen Forschung zu Orga- genieure. Geplant ist eine Vorlesungsreihe mit Eurocopter- nophosphaten in Tübingen ziehen. Bis dahin ist eine weite Ingenieuren als Referenten über Hubschraubertechnologie, Bandbreite von militärischen Bezügen in Betracht zu ziehen: Firmenbesichtigungen für Studierende und das Angebot zahlreiche chemische Kampfstoffe gehören dieser Stoffgrup- von Praktikums- und Diplomandenstellen... Konkrete An- pe an, zugleich werden Organophosphate als Ursache des wendungsbereiche sind die Herstellung von Rotorblättern, sog. Golfkriegssyndroms diskutiert und können diese Stof- Hubschrauberstrukturen sowie die Fertigung von Airbus- fe bei der Bombardierung von oder Unfällen in chemischen Türen.“5 Fabriken in großen Mengen freigesetzt werden und tödliche Vergiftungen bei den eingesetzten Soldaten und der Bevöl- In Tübingen findet laut Antwort der Bundesregierung auf kerung verursachen. Ob die Forschung in Tübingen jedoch eine Kleine Anfrage der Linksfraktion keine durch den Bund eher darauf abzielt, eigene Soldaten zu schützen, Kollate- finanzierte wehrtechnische Forschung statt6 und sind bislang ralschäden bei zukünftigen Angriffskriegen zu reduzieren auch keine Kooperationsprojekte mit der Rüstung bekannt. oder dem Schutz von Zivilisten im Inland dienen soll, ist Sicherlich können die Ergebnisse zahlreicher naturwissen- somit bislang unklar. Keinesfalls ist die Organophosphatfor- schaftlicher Forschungsprojekte auf die eine oder andere schung pauschal zu verurteilen, da sie auch wichtig für den Weise von der Rüstung genutzt werden, nur wo Rüstungs- Bevölkerungsschutz ist. Zu kritisieren ist jedoch in jedem unternehmen aber an deren Konzeption, Durchführung Falle, dass diese Forschung intransparent und im Auftrag des oder Finanzierung beteiligt sind, dürften diese jedoch auf der Verteidigungsministeriums durchgeführt wird – womöglich Grundlage der Tübinger Zivilklausel angreifbar sein. sogar unter Geheimhaltung steht und damit die Forschungs- Wehrmedizinische Forschung ergebnisse nicht öffentlich gemacht werden. Dasselbe gilt Wehrmedizinische Forschung findet, finanziert durch das auch für die Strahlenforschung, die womöglich durchaus Verteidigungsministerium, an den Bundeswehrkrankenhäu- notwendig und nutzbringend ist, jedoch besser im Dienste sern, den Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und eines zivilen Bevölkerungsschutzes aufgehoben wäre. München sowie an zahlreichen deutschen Hochschulen statt, „Zivile“ Sicherheitsforschung darunter auch in Tübingen. Hier wird im Auftrag des Vertei- Sowohl auf nationaler, wie auch auf europäischer Ebene wur- digungsministeriums zu Lärmtraumata, zu Organophospha- den in den vergangenen Jahren massive Programme zur För- ten und zur Wirkung nuklearer Strahlung auf Körperzellen derung von Sicherheitsforschung ins Leben gerufen. Dem geforscht. Mittels Internetrecherche konnte bislang nur das vorangegangen war eine intensive Lobbyarbeit der europä- Projekt zur Erforschung von Lärmtraumata identifiziert wer- ischen Rüstungsindustrie und das erklärte Ziel dieser For- den, das auch die offensichtlichsten Bezüge zur Einsatzreali- schungsförderung besteht auch neben dem vermeintlichen tät der Bundeswehr aufweist. So sind Lärm- und Knalltrau- „Schutz der Bürger“ in einer „Stärkung der Wettbewerbs- mata unter den häufigsten Formen von Verletzungen von fähigkeit“ der deutschen und europäischen Rüstungs- und 3
Sicherheitsindustrie, die zunehmend zur Deckung kom- den. In der Zwischenzeit waren Bundesinnenministerium men.7 Rüstungsunternehmen sind und waren sowohl an der und Bundespolizei gemeinsam mit dem DLR damit beschäf- Konzeption der Forschungsprogramme beteiligt wie sie auch tigt, juristische Probleme technisch auszuräumen. So könn- – gemeinsam etwa mit der europäischen Rüstungsagentur ten Angehörige einzelner Religionen oder Menschen mit EDA – im Gutachterkreis des europäischen Forschungspro- Implantaten sich durch die Abbildung ihres nackten Körpers gramms vertreten sind, der letztlich über die Förderung im oder die Offenlegung etwaiger Behinderungen diskriminiert Einzelnen entscheidet. Entsprechend sind sie auch an den fühlen und erfolgreich hiergegen klagen. Deshalb wird ge- meisten der geförderten Projekte beteiligt. genwärtig an Software gearbeitet, die bei Nacktscannern nur das zum Vorschein kommen lassen soll, was wirklich ent- Dies ist auch deshalb naheliegend, weil im Rahmen der For- deckt werden soll, wobei auf die Arbeit des IZEW zurückge- schungsprogramme überwiegend „Dual-Use-Forschung“ be- griffen werden kann, das in einem zweiten Projekt des IZEW trieben wird, die Ergebnisse also sowohl für zivile als auch zur Teraherz-Technologie, TERASEC, auch unmittelbar mit für militärische Anwendungen genutzt werden können. So dem DLR zusammenarbeitet. Wird diese Technologie aber lässt sich eine deutliche Schwerpunktsetzung auf die Berei- erst einmal großflächig eingeführt, wird dies absehbar auch che Sensorik und Robotik erkennen. Hochauflösende und eine gesellschaftliche Enttabuisierung und sinkende Stück- „intelligente“ Kameras werden sowohl entwickelt, um im kosten zur Folge haben, woraus sich weitere Anwendungs- Inland belebte Plätze oder kritische Infrastrukturen zu beob- möglichkeiten im privaten, öffentlichen und militärischen achten als auch, um in den Einsatzgebieten der Bundeswehr Bereich ergeben. Eine antimilitaristische Kritik an den Pro- verdächtige Personengruppen oder plötzliche Menschenan- jekten des IZEW scheint deshalb durchaus angebracht, kann sammlungen aufzuklären. Montiert werden diese auch an aber in diesem Falle vielleicht auch mit den beteiligten Wis- unbemannten Fahrzeugen und Flugkörpern, die im Rahmen senschaftler_innen gemeinsam entwickelt werden. der Sicherheitsforschung für den Grenzschutz entwickelt und zugleich in Afghanistan für die Feindaufklärung ein- „Anwendungsorientierte“ Sozialwissenschaften gesetzt werden. Mit der technischen Fokussierung geht ein Mit der Transformation der Bundeswehr zu einer Armee im eindimensionaler Sicherheitsbegriff einher, der die Existenz Einsatz hat sich das außenpolitische Repertoire der Bundes- verschiedener Bedrohungen voraussetzt und diese eindäm- republik um die militärische Komponente erweitert, rund men oder abwehren will. So befassen sich zahlreiche geför- die Hälfte des Globus ist zum potentiellen Einsatzgebiet derte Projekte mit der Verhinderung oder der Schadensbe- geworden, es sind neue Beschäftigungsfelder für Sozialwis- grenzung im Falle eines terroristischen Anschlages, ohne senschaftler_innen entstanden und haben sich alte einer dass ein Projekt erkennbar etwa den Einfluss der deutschen militärischen Logik geöffnet. Die Möglichkeit einer militä- Kriegführung in Afghanistan auf die Wahrscheinlichkeit ei- rischen Intervention weckt häufig bei Lehrenden wie Ler- nes solchen Anschlagsversuches einbeziehen würde. Letztlich nenden übersteigerte Erwartungen an damit einhergehende stehen somit selbst die Projekte, die lediglich einen verbes- Gestaltungsmöglichkeiten, die Beschäftigung mit fernen serten Schutz der Bevölkerung gegen Anschläge ermöglichen Konflikten betrifft weniger deren langfristigen Ursachen als sollen, in dem Verdacht, dass sie primär die „Durchhalte- kurzfristige „Lösungsvorschläge“ und das Interesse an frem- fähigkeit“ der Bevölkerung in einem eskalierenden „Krieg den Kulturen lässt sich in den Dienst der Sicherheitspolitik gegen den Terror“ gewährleisten sollen. stellen. Nicht immer muss dies so offensichtlich stattfinden, In Tübingen findet im Rahmen des „Forschungsprogramms wie beim an der Uni Oldenburg angesiedelten „Forschungs- für die zivile Sicherheit“ des Bundesministeriums hingegen verbund Interventionskultur“, der die „sozialen Auswirkun- eines der wenigen Projekte sozialwissenschtlicher Begleitfor- gen von militärisch gestützten humanitären Interventionen“ schung statt. Unter dem Projekttitel „THEBEN, Terahertz- untersuchen will und zwar sowohl in den „Zielgesellschaften Detektionssysteme: Ethische Begleitung, Evaluation und der Intervention“ als auch in den Gesellschaften, aus denen Normenfindung“ sollen ethische Fragestellungen im Be- die intervenierenden Soldaten stammen.9 Es besteht kein zug auf den Einsatz sog. „Nacktscanner“, beispielsweise an Zweifel, dass die Untersuchungen darüber, wie Entwick- Flughäfen, untersucht werden – allerdings durchaus anhand lungsprojekte oder ein bestimmtes Auftreten der Soldaten „konkreter Anwendungsfragen“ und mit dem Ziel von „An- die Akzeptanz von Besatzungstruppen erhöhen oder darü- wendungsempfehlungen“. Dabei sollen die Forschergrup- ber, wie der Umgang mit getöteten Soldaten den „Heimat- pen, welche sich um die technische Umsetzung kümmern, diskurs“ verändern kann, für eine Armee im Einsatz und die „begleitet“ und „Betroffene“ befragt werden.8 Selbst wenn dahinter stehende Politik von großem Nutzen sein kann. man den beteiligten Wissenschaftlern des Internationalen Die Studierenden gleich mit denjenigen Fragen zu kon- Zentrums für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Uni- frontieren, die später für sie von ganz praktischer Relevanz versität Tübingen eine kritische Haltung gegenüber dieser – sein können, ist auch Ziel des neuen Masterstudienganges ebenfalls im Militärischen einsetzbaren – Technologie unter- „Military Studies“ an der Unversität Potsdam, den die In- stellt, leisten sie dennoch einen Beitrag zu deren Einführung. stitute für Soziologie und Geschichte gemeinsam mit dem So steht spätestens seit Januar 2010 fest, dass deutsche Flug- Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr und häfen zukünftig mit „Nacktscannern“ ausgerüstet werden dem Sozialwissenschaften Institut der Bundeswehr anbieten. sollen und vorgesehen ist, dass die ersten dieser Systeme bis Offensichtliches Ziel des Studiengangs ist der Aufbau einer Ende des Jahres installiert und in Betrieb genommen wer- größeren „Strategischen Gemeinschaft“ in Deutschland und 4
entsprechend gehört auch ein Vollzeit-Praktikum bei NGOs, Frieden“ und etwa auch des Krieges in Afghanistan als „frie- Ministerien, der Bundeswehr oder anderen Stellen zum Stu- densstabilisierender“ Einsatz, wie er eben auch in der Poli- diengang. Auf diese Weise sollen auch Personen mit militä- tikwissenschaft / Friedens- und Konfliktforschung diskutiert rischem Fachwissen in zivile Behörden und Organisationen wird. Große Teile des wissenschaftlichen Betriebs haben of- vermittelt werden. Um den „vernetzten Ansatz“ deutscher fenbar mit der Transformation der Bundeswehr Schritt ge- Außenpolitik umsetzen zu können, ist es eben auch notwen- halten und eilig die entsprechenden Neudefinitionen von dig, dass auch die Mitarbeiter etwa des BMZ oder des Wirt- „Frieden“ und „Konfliktlösung“ vorgenommen. schaftsministeriums, Angestellte von internationalen NGOs Die Frage, wann der Krieg beginnt, ist keine wissen- oder Organisationen der Technischen Zusammenarbeit ein Wissen über militärische Abläufe und Möglichkeiten besit- schaftliche! zen. Wenn die Bundeswehr nach herrschender Auffassung in Af- Dies ist einer der Hintergründe, weshalb Jugendoffiziere ghanistan „im Einsatz für den Frieden“ ist, Krieg also dem und andere Bundeswehrangehörige in den letzten Jahren an Frieden dient, dann hilft auch eine Zivilklausel wie in Tübin- zahlreichen Universitäten selbst Seminare anboten, Seminare gen alleine nicht weiter, wenn sie festhält: „Lehre, Forschung begleitet oder durch das bundeswehreigene Simulationsspiel und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken „Politik und internationale Sicherheit“ (Pol&IS) geführt ha- dienen“. Selbst unmittelbare Rüstungsforschung ließe sich ben. Betroffen sind hiervon u.a. die Wirtschafts- und Kul- somit – überspitzt gesagt – damit legitimieren, dass verbes- turwissenschaftlichen Institute sowie die Friedens- und Kon- serte Waffensysteme der Bundeswehr ihren „Einsatz für den fliktforschung, die sich explizit an Studierende richtet, die Frieden“ erleichtern und somit selbst dem Frieden dienen anschließend in den „Gebieten der Krisenprävention, Kon- würden. fliktbearbeitung, Friedensförderung und des Weltregierens“ Auf dem Treffen in Braunschweig wurde hingegen festgehal- tätig sein möchten.10 ten, dass es sich bei der Forderung nach Zivilklauseln und Mit der Universität Tübingen bestehen nach Angaben der der Auseinandersetzung um deren Geltung nicht um einen Jugendoffiziere „erfreulich intensive Kooperationen“. Zwar (reinen) Abwehrkampf, sondern um eine positive Forderung haben hier Jugendoffiziere nach Angaben der Bundesregie- handele, die Forderung nach einer zivilen Forschung und rung bis Ende 2008 noch keine eigenen Seminare ange- Lehre, nach zivilen Hochschulen. Diese Auseinandersetzung boten, wohl aber begleitete ein Jugendoffizier im Rahmen muss angesichts orwellscher Friedensbegriffe, wie sie inner- des Seminars „Internationale Sicherheitspolitik in Europa“, halb der wissenschaftlichen Eliten vorherrschen, um die angeboten durch Dr. Nielebock, eine zehntägige Exkursi- Frage geführt werden, was zivil eigentlich bedeutet und wo on „zu den ‚Schaltzentren der Macht‘ … bei einschlägigen der Krieg anfängt. Eine Debatte, die angesichts der Trans- internationalen Organisationen und Nichtregierungsor- formation der Bundeswehr mehr als überfällig ist und of- ganisationen in Brüssel, Straßburg und Wien“.11 Mittler- fensichtlich nicht der Wissenschaft überlassen werden darf. weile hat jedoch auch an der Abteilung für Ethnologie ein Vielmehr muss wieder verstärkt die Gesamtgesellschaft ihre vollwertiges Hauptseminar stattgefunden, das durch eine Forderungen an die Wissenschaft formulieren und diese in Angestellte des Zentrums für Geoinformationswesen der die Verantwortung nehmen, nicht nur die politischen und Bundeswehr gehalten wurde und sich explizit mit den Be- wirtschaftlichen Eliten als Geld- und Arbeitgeber. Denn die schäftigungsmöglichkeiten und -inhalten von Ethnolog_in- Wissenschaft erforscht und ermöglicht Technologien und nen beim Militär beschäftigte. Auch das Tübinger Institut Praktiken, die unseren Alltag bestimmen: ob wir zu einer für Politikwissenschaft hat kürzlich im Rahmen der von den „Interventionsgesellschaft“ werden, in einem kriegführen- Gleichstellungsbeauftragten des Instituts organisierten Reihe den Staat leben und einer erhöhten Bedrohung durch den „Frauen im Politikfeld Sicherheitspolitik“ eine Mitarbeiterin Terrorismus ausgesetzt sind, wie weit der (Informations-) der Bundeswehruniversität zu einem Vortrag mit dem Titel Zugriff durch staatliche Stellen und (deren) private Sicher- „Die Bundeswehr als potenzieller Arbeitgeber: Frauen in der heitsdienstleister auf unsere Leben und unsere Körper geht Minderheit “ eingeladen. und wie dieser legitimiert wird und wer im Falle einer Ka- tastrophe den Bevölkerungsschutz übernimmt, im Ausnah- Dies sind zweifellos Indizien dafür, dass das Militär in den mezustand souverän wird. Das sind Fragen, die auch wissen- Universitäten durchaus als ganz normaler Arbeitgeber und schaftlich im wissenschaftlichen Betrieb diskutiert werden auch als ganz normales Mittel der Außenpolitik bewertet können, wobei die hier stets beanspruchte „Objektivität“ wird. Dieselbe Auffassung wurde auch von der Bundesregie- jedoch aufgrund der Interessenlagen – erinnert sei nur bei- rung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage hinsichtlich spielhaft an die Geldgeber – zweifelhaft erscheint. Die Frage, des Simulationsspiels Pol&IS zum Ausdruck gebracht. Die wo der Krieg beginnt und was als Kriegsforschung anzuse- Frage, ob in diesem „Militäreinsätze ... als legitimes Mittel hen ist, welche Forschung der Verantwortung der Wissen- der Politik dargestellt“ würden, wurde lapidar beantwortet schaft für die Gesellschaft gerecht wird und welche dieser mit dem Satz: „Als Abbildung der weltweiten sicherheits- schadet, muss hingegen von der gesamten Gesellschaft auf politischen Realität berücksichtigt POL&IS alle Konfliktlö- vielfältige Weise gestellt werden. Das bedeutet auch, dass sungsstrategien“.12 Die Darstellung von Militäreinsätzen als wir nicht ewig nach „Verbündeten“ innerhalb der jeweiligen „Konfliktlösungsstrategie“ entspricht der offiziellen Darstel- Institutionen suchen dürfen, sondern auch von außen mit lung der Bundeswehr als einer Armee „im Einsatz für den Protesten an diese Institutionen herantreten müssen. 5
Anmerkungen 7) Ben Hayes: Arming Big Brother - The EU‘s Security Research 1) Christoph Marischka: Die privatwirtschaftliche Basis einer Armee im Programme, Transnational Institute Briefing Series No. 2006/1, Einsatz, IMI-Studie 2009/11, http://imi-online.de/download/CM-privat- TNI&Statewatch, 2006, http://www.statewatch.org/analyses/bigbrother. wirtschaft-Studie.pdf pdf 2) Jonna Schürkes: Boots on the Ground – Ausbildung und Ausrüstung 8) „THEBEN“, www.izew.uni-tuebingen.de, 13.7.2010. von Sicherheitskräften in Drittstaaten, in: IMI: Krisenmanagement - 9) Michael Daxner u.a.: Interventionskultur - Zur Soziologie von Inter- „Sicherheitsarchitektur“ im globalen Ausnahmezustand, http://www.imi- ventionsgesellschaften, VS-Verlag, 2010. online.de/download/Kongressdoku-2009-web.pdf 10) Thomas Nielebock: Universität Tübingen - Masterstudiengang ‚Frie- 3) Natascha Bisbis: Zivilklausel für alle Hochschulen, in: Wissenschaft & densforschung und Internationale Politik‘, in: „Frieden studieren“, Dos- Frieden 3/2010. sier Nr. 48, Wissenschaft & Frieden 1/2005. 4) „Internationale Adresse der Luft- und Raumfahrt: Fakultät Munich 11) Konstanze Jüngling: „Vom Politikinstitut direkt in die sicherheitspo- Aerospace startet“, Pressemitteilung der TU München vom 09.07.2010, litische Praxis“, Tübinger Universitätsnachrichten (TUN Nr. 142) vom http://portal.mytum.de 24.11.2008, www.uni-tuebingen.de. 5) „Partnerschaftsabkommen mit Eurocopter“, Meldung des „Uni-Kurier“ 12) Bundestags-Drucksache 16/11015. auf www.uni-stuttgart.de/uni-kurier/. 6) Bundestags-Drucksache 16/10157. IMI-Standpunkt 2010/001 - in AUSDRUCK (Februar 2010) Ein Zivilkläuselchen - Zur Rüstungsforschung an der Universität Tübingen Andreas Seifert Verschwiegenheit über die Inhalte laufender Forschung gilt Der verwendete Begriff der „friedlichen Zwecke“ ist hier das als Tugend an Universitäten - Verschwiegenheit über die Be- Gummiband möglicher Interpretationen: es ist eben keine schlüsse, die zentrale Gremien fassen ebenfalls. Hier nimmt „Zivil“-Klausel, die von „militärisch“ relevanter Forschung es nicht Wunder, dass es die studentischen Fachschaften abgrenzt. Was im Einzelnen „friedlich“ oder „un-friedlich“ sind, die darauf verweisen müssen, dass der akademische Se- ist, bleibt dem Betrachter überlassen. Das ist angesichts einer nat sich zu einer Änderung in seiner Grundordnung hat hin- zusehenden Verwischung der Grenzen „ziviler“ und militä- reißen lassen, die - möglicherweise - entscheidend werden rischer Sicherheit ein fataler Fehler. In dem Maße, in dem kann, wozu die Universität forscht. Zwar ist die auf Druck das Militär dazu herangezogen wird, zivile Konflikte mithilfe der Studierenden zustande gekommene Entscheidung im militärischer Gewalt zu „befrieden“ und militärische Inter- Dezember 2009 in der Grundordnung der Universität Tü- vention als Bestandteil „friedlicher Konfliktlösungen“ in der bingen die „Friedlichkeit“ der eigenen Forschung festzu- öffentlichen Diskussion als zusehends zwingend betrachtet schreiben vordergründig keine große Sache: schließlich sind werden, erscheint sogar die forschungsmäßige Zuarbeit für wir doch alle immer „friedlich“. das Militär teilweise als „friedlich“! Der nächste Schritt muss also sein, zu diskutieren, was es denn eigentlich bedeutet, Umgekehrt hat die Diskussion um die Formulierung einer „friedliche Forschung und Lehre“ zu betreiben und wie man so genannten Zivilklausel eine lange Geschichte - auch an dies zu kontrollieren gedenkt. der Uni Tübingen. Bereits in den 1980er Jahren spitzte sich der Streit angesichts der Integration externer Forschungs- Ein oftmals verwendeter Ansatz ist es dann, den Finanzier einrichtungen in die Universität zu, die klassische Wehrfor- der konkreten Forschung zum Kriterium zu erheben. Ist es schung betrieben und mündete sogar in die Aussage eines das Militär, vertreten durch das Bundesverteidigungsminis- baden-württembergischen Ministers, eine Zivilklausel sei terium, die NATO oder auch ein großes Rüstungsunterneh- prinzipiell „verfassungswidrig“, da sie das Recht auf Freiheit men, so sollte man auf eine militärische Nutzung der For- Forschung tangiere und überdies den Staat gefährde, indem schungsergebnisse schließen können. Mitnichten, wird die sie ihn von der Nutzung von Forschungsergebnissen für die Antwort vieler Universitätsverantwortlichen lauten: ist nicht Verteidigung abhalten würde. Das sich mit dem Verfassungs- die Erforschung der zivil-militärischen Zusammenarbeit mit argument eine Zivilklausel verbieten lässt, ist allerdings in- dem Ziel, die Koordination „unterschiedlicher außenpoliti- zwischen schon durch ein juristisches Gutachten durch Er- scher Instrumente“ zu verbessern ein originär „friedliches“ hard Denninger widerlegt. Bestreben - auch dann, wenn es die Bundeswehr finanziert? Klares Ziel muss es aber sein, Militär von der Universität zu Aber bewirkt die Existenz einer Zivilklausel tatsächlich, dass verweisen, egal unter welchem Deckmäntelchen es auftritt. sich Hochschulen der Forschung für den Krieg enthalten oder ist es eine bloße Absichtserklärung ohne reale Folgen? Sogar klassische „Wehrforschung“ ist mitunter nicht als sol- Was besagt sie eigentlich? „Lehre, Forschung und Studium che zu erkennen, wenn die militärische Endnutzung sich als an der Universität [Tübingen] sollen friedlichen Zwecken kleinteilige, an Spezialbereichen orientierte Forschungsfrage dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im hinter regulärer Auftragsforschung eines X-beliebigen Zulie- Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundla- ferers zur Kriegsindustrie verbirgt - hier noch nachvollzieh- gen erfolgen.“ (Grundordnung der Universität Tübingen) bar für den Forschungsleiter einer Einrichtung, aber viel- leicht nicht für den konkreten Forscher an seinen Geräten. 6
Von „Außen“ ist eine solche Forschung kaum als militärisch lich nach dem Ziel konkreter Projekte fragt. Auch mit dieser relevant zu erkennen - höchstens daran, dass die Ergebnisse schwachen Formulierung können die Gremien der Universi- keiner wissenschaftlichen Community zugänglich gemacht tät dazu gezwungen werden, die an der Universität und den werden. Der ungehinderte Austausch über Inhalte und Me- assoziierten Einrichtungen betriebenen Forschungsprojekte thoden der Forschung sind Kernpunkte jeder Forschung an und Lehrmethoden dahingehend zu überprüfen, ob sie mit der öffentlichen Einrichtung Universität: die Reduktion des dem Grundsatz der Friedlichkeit vereinbar sind. Die Diskus- Austausches über das Argument „geheimer“ Forschung muss sion über die Inhalte der Forschung und ihre Friedfertigkeit verhindert werden. darf dabei nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden, sondern sollte auch in die Öffentlichkeit getragen werden. Es sind aber nicht nur diese klassischen Fälle, in denen es Der allgemeinen Festlegung in der Grundordnung sollte in schwer fällt, ein Kriterium zu finden. Gerade der häufig regelmäßigen Abständen die Berichterstattung zum Beispiel verwendete aber schwammige Begriff der „Sicherheit“ trägt im Rechenschaftsbericht des Rektorats folgen, der „wehrrele- zum weiteren verschwimmen möglicher Abgrenzungskri- vante“ und „militärisch-relevante“ Forschung ausweist. terien bei. Der „zivile“ Auftraggeber Europäische Union etwa räumt in seinem Forschungsrahmenprogramm der Im Fazit bedeutet dies, dass die Formulierung einer „Zivil- „Sicherheitsforschung“ besonderen Raum ein und betreibt klausel“ nur der Anfang einer breiten Diskussion sein kann. die technische und inhaltliche Aufrüstung für den Kriegsfall. Erst diese führt hoffentlich dazu, dass militärisch relevante Die stillschweigenden Akzeptanz ziviler Zuarbeit zu militäri- Forschung und Lehre von der Hochschule wirklich ver- schen Zielen gehört beendet. schwindet. In dem Umfang, in dem Forscher darauf angewiesen sind, Weitere Texte zum Thema: dass Forschung extern, d.h. durch Drittmittel, finanziert - Hochschulen forschen für den Krieg: http://www.imi-on- wird, schwindet auch ihr persönlicher Einfluss auf deren In- line.de/download/SN-Studie07-2009-Forschung.pdf halte - das politisch intendierte Ausloben von Forschungs- rahmen stellt eben auch einen Eingriff in die gern postulierte - Die Eroberung der Schulen -Wie die Bundeswehr in Forschungsfreiheit dar. In dem Umfang, in dem Forscher auf Bildungsstätten wirbt: http://www.imi-online.de/2010. Drittmittel zurückgreifen, schwindet aber auch die Transpa- php?id=2069 renz der Forschung an der Universität. - Prof. Dr. Dr. h. c. Erhard Denninger, Zur Zulässigkeit ei- Was, so kann man da mit einiger Begründung fragen, soll ner so genannten „Zivilklausel” im Errichtungsgesetz für das denn dann noch eine „Zivilklausel“? Die Tübingen Formu- geplante Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Gutach- lierung wird als Instrument zur Verhinderung von militä- ten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, Februar 2009, rischer Forschung kaum nützen - aber sie dient im besten www.boeckler.de. Fall dazu, einen Prozess einzuleiten, der offen und öffent- IMI-Standpunkt 2010/014 - 13.4.2010 Es lebe der Dialog! Andreas Seifert Bezeichnend an der Berichterstattung1 über die Proteste Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern für eine friedliche, militärfreie Universität ist der Umstand, und im Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebens- dass sie übersieht, dass dieser auf die Unterbindung mili- grundlagen erfolgen.“ Mit der Einführung dieser Zivilklau- tärnaher Beiträge fokussiert. Der Protest erscheint also als sel wurde eine Forderung der BesetzerInnen des Kupferbaus undemokratisch, da er „verhindere [...] Fragestellungen aus im vergangenen Jahr umgesetzt.2 dem Militär in der zivilen Gesellschaft zu diskutieren.“ Diese Wenn also die Universität Tübingen nun eine Veranstaltung Wiedergabe ist falsch, denn der Protest klagt vielmehr ein, des Reservistenverbandes unterstützt und mit ihrem Logo dass es überhaupt zu einer Auseinandersetzung über Krieg auf den entsprechenden Einladungsflugblättern vertreten und Frieden auch an der Universität kommt - aber er klagt ist, die die Welt vor allem aus der Perspektive des Militärs auch ein, dass es die zivile Perspektive sein muss, aus der die begreift, das qua Definition gewaltsame Konflikt-“Lösung“ Debatte läuft und nicht die militärische, die man mit Refe- betreibt, so darf und muss dies hinterfragt werden. Referen- renten erhält, welche von der Bundeswehr finanziert werden. ten ein Forum zu bieten, die Gewalt als die ultima ratio poli- Zum Hintergrund: Im Dezember letzten Jahres wurde durch tischen Handelns begreifen, trägt nicht unbedingt dazu bei, den Senat der Universität Tübingen eine neue Präambel zur „friedliche Zwecke“ zu fördern. Grundordnung der Uni beschlossen, in der es heißt: „Lehre, Wenn nun also das ethnologische Institut, in dem Bemühen Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen seinen Studierenden die Breite möglicher (Berufs-)Einsatz- 7
gebiete zu offenbaren, einer Dozentin der Bundeswehr ein Die Sprecherin der Uni schiebt aber noch einen Satz nach, Hauptseminar überlässt, so muss die Frage erlaubt sein, wie der das eigentlich Interessante an diesem Vorgang sein soll- das Institut eigentlich sicher stellen möchte, dass dies nicht te: „Die Zivilklausel bedeutet nur, dass alles, was auf eine zu einer Werbeveranstaltung für die Bundeswehr wird. Verherrlichung von Krieg und auf Kriegstreiberei hinaus- läuft, verhindert werden soll.“4 Dieser Satz macht deutlich, Hier greift die von der Sprecherin der Universität geäußerte wie notwendig der studentische und breite gesellschaftliche Ansicht des Rektorats „Die Zivilklausel bedeutet nicht, dass Protest gegen die Veranstaltungen war. Die Zivilklausel, über nichts diskutiert oder in eine Lehrveranstaltung eingebracht die schon in den 90er Jahren an der Uni Tübingen gestritten werden darf, das mit Konfliktfällen oder Krieg zu tun hat“3 wurde, besagt weitaus mehr, als „Kriegstreiberei“ zu verhin- zu kurz! dern. Sie fordert alle Mitglieder der Universität auf, sich da- Der Protest, der Herrn Ischinger entgegengetreten ist, ist mit auseinander zu setzen, ob ihre Forschung und ihre Lehre eine Reaktion nicht auf die „Friedlichkeit“ möglicher Aus- dem Ziel einer friedlichen Welt dienen. Ethnologen, die für sagen in dem „Sicherheitspolitischen Forum“, sondern auf das Militär arbeiten, ist diese Wahl bereits genommen - Stu- seine durchaus bekannten Positionen zu Krieg und Frieden dierenden, denen man das Berufsbild „Militär“ näher bringt, in der Welt, die Jahr für Jahr über die „Münchner Sicher- noch nicht. heitskonferenz“ verbreitet werden: Herr Ischinger ist kein Mit der Sichtweise auf die Zivilklausel als einem Lippen- Friedensengel, sondern eher ein Frontkämpfer. Eine kriti- bekenntnis gegen Kriegshetze, wie es in den Aussagen der sche Analyse hierzu ist von den Veranstaltern in Tübingen Uni zum Ausdruck kommt, versucht man wohl zu verhin- nicht zu erwarten. dern, dass die tatsächliche Diskussion, wie die Universität Ähnlich - und doch ganz anders - ist es mit Bezug zur Ver- Tübingen bereits heute für das Militär und andere unfriedli- anstaltung von Frau Lanik bei der Ethnologie. Der Protest che Zwecke forscht, öffentlich geführt wird. Die Auslegung möchte nicht, dass „kritische Stimmen“ mit „eingebunden“ der Zivilklausel ist nicht Sache des Rektorats, sondern aller werden, sondern hinterfragt den Grundaufbau des Seminars Beteiligter innerhalb und außerhalb der Universität. Die mit dieser Referentin. Auch sie steht für eine(!) Position, die Universität muss in einen Prozess finden, wie sie der Ver- sie ungeachtet ihrer eigenen Reflektiertheit wiedergibt. Dies antwortung, derer sie sich mit der neuen Grundordnung ist sogar ihre Aufgabe, geht es doch um das Berufsbild Eth- annimmt, gerecht wird - ein Anfang sollte es sein, öffent- nologe beim Militär: ihrem Arbeitgeber. lich die Forschungsprojekte, die mit Mitteln des Militärs, Oder anders: es geht in diesem Protest nicht darum, die Aus- des Verteidigungsministeriums oder aus dem Bereich der einandersetzung mit dem Thema „Ethnologie beim Militär“ „Sicherheitsforschung“ der EU finanziert werden, auf ihren (Lanik) oder gar „Atomare Abrüstung“ (Ischinger) zu unter- Beitrag zur Friedlichkeit der Welt hin zu überprüfen. Auf binden - es geht darum, wer diese Themen behandelt und in diesen „breiten Dialog“ freuen sich unter anderem all dieje- welcher Form. Bundeswehrangehörige sind ungeeignet, die nigen Protestierer, die einseitigen Äußerungen von Figuren notwendige inhaltliche Debatte zu moderieren. wie Herrn Ischinger entschieden entgegen getreten sind. In den oben genannten Fällen ist die Universitätsleitung hin- ter den Erwartungen zurück geblieben und stempelt damit ihre eigene Zivilklausel zu Makulatur. Für die Universität Tübingen wäre es angezeigt gewesen, sich von der Veranstaltung des „Bundesverbandes Sicherheitspo- litik“ zu distanzieren und nicht Mitveranstalter oder Sponsor zu sein. Es wäre auch angezeigt gewesen, das Institut für Eth- nologie aufzufordern, das Seminar zu Ethnologen im Mili- tär mit einem Seminarleiter aus dem Institut zu veranstalten und (wenn sie es für fruchtbar halten) Frau Lanik mit einem Beitrag darin einzubinden. Demokratie war noch nie eine Stärke der Hochschule - der Frieden wird es wohl auch nicht. 1) Tagblatt 16. und 21. April 2010. 2) http://imi-online.de/2010.php?id=2072. 3) Tagblatt, 21.4.2010. 4) ebenda. 8
IMI-Standpunkt 2010/013 - 13.4.2010 Krieg ist Frieden, Unwissenheit ist Stärke und die Zivilklausel … eine Farce? Christoph Marischka Im Dezember letzten Jahres wurde durch den Senat der Uni- gung und der Friedensbewegung provoziert fühlten. Ein versität Tübingen eine neue Präambel zur Grundordnung offener Brief, den die Gruppe „Marxistische Aktion Tü- der Uni beschlossen, in der es heißt: „Lehre, Forschung und bingen“ an das Rektorat der Uni gerichtet hatte, blieb un- Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken die- beantwortet und offensichtlich wurde er nicht einmal zur nen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Be- Kenntnis genommen (http://www.jpberlin.de/tueinfo/cms/ wusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen node/19082). In ihm wurden bereits beide Veranstaltungen erfolgen.“ Mit der Einführung dieser Zivilklausel wurde, so und insbesondere die Unterstützung der Universität für das schien es, eine Forderung der Besetzer_innen des Kupferbaus „Sicherheitspolitische Forum“ kritisiert. Am Morgen des im vergangenen Jahr umgesetzt (http://imi-online.de/2010. 15.4.2010 – noch bevor die Nachricht von vier weiteren ge- php?id=2072). fallenen und zahlreichen verwundeten Soldaten der Bundes- wehr öffentlich wurde – veröffentlichte die Informationsstel- Bereits zu Beginn des folgenden Semesters waren jedoch zwei le Militarisierung einen offenen Brief, der von zahlreichen Veranstaltungen vorgesehen, die eklatant gegen die oben zi- Mitgliedern des Runden Tischs der Friedensbewegung in tierte Zielsetzung wiedersprechen. Der Bundesverband Si- Tübingen unterzeichnet wurde und in dem die Verantwort- cherheitspolitik an Hochschulen, Nachfolgeorganisation der lichen der Universität aufgefordert wurden, „zu intervenie- Bundesarbeitsgemeinschaft Studierender Reservisten, veran- ren, damit dieses Seminar [‚Angewandte Ethnologie und staltete am 15.4.2010 gemeinsam mit der Gesellschaft für Militär‘] nicht stattfindet“. „Sollte dieses Seminar tatsächlich Wehr- und Sicherheitspolitik im großen Senat – den wohl stattfinden“, so heißt es in dem Brief, „würde die Universität repräsentativsten Räumlichkeiten der Universität – sein Si- jegliche Glaubwürdigkeit hinsichtlich ihrer neuen Präambel cherheitspolitisches Forum. Als Unterstützer wurden auf den verspielen. Das wäre eine traurige Konsequenz. Für schlicht Einladungen und den Programmheften unmittelbar neben unerträglich halten wir die Tatsache, dass das Seminar ganz dem vom Verteidigungsministerium finanzierten Reservis- unabhängig von Zivilklausel, Forschung und Lehre auch tenverband auch die Universität Tübingen angegeben. deutliche Züge einer Rekrutierungsveranstaltung trägt, mit Eine gute Woche später sollte am Institut für Ethnologie der- der EthnologInnen für den Dienst für das ‚umgangssprach- selben Universität ein Seminar mit dem Titel „Angewandte lich Krieg‘ führende Verteidigungsministerium gewonnen Ethnologie und Militär“ stattfinden. Ebenso wie die einzigen werden können...“. beiden anderen Seminare des Instituts im Hauptstudium, Am selben Tag störten Student_innen und Friedensbeweg- die sich mit Ethnologie in der Medizin und in Museen be- te den Auftritt des Organisators der Münchner Sicherheits- schäftigten, sollte hier auch ein Berufsfeld für Ethnolog_in- konferenz, Wolfgang Ischinger, beim Sicherheitspolitischen nen vorgestellt und ob der außergewöhnlichen Brisanz auch Forum und zogen, nachdem die Polizei eintraf, weiter zum unter ethischen Gesichtspunkten diskutiert werden. Das Se- Rektorat, um die Uni-Leitung zur Rede zu stellen (http:// minar wird jedoch geleitet von Frau Dr. Monika Lanik, die www.jungewelt.de/2010/04-20/038.php). In der Diskussi- selbst für die Bundeswehr tätig ist und unter anderem Ma- on gab sich Rektor Engler überrascht, dass die Universität terialien erstellt, mit denen Soldat_innen auf ihren Einsatz das Sicherheitspolitische Forum unterstützt hat und kündig- in Afghanistan vorbereitet werden und die den deutschen te an, dies zu prüfen. Auch das Ethnologie-Seminar bewer- Streitkräften dabei helfen sollen, Stammesloyalitäten, Ver- tete er als kritisch, konnte jedoch im Vorfeld keine Anhalts- wandtschaftsbeziehungen usw. für ihre Zwecke nutzbar zu punkte für eine Rekrutierungsveranstaltung erkennen. Eine machen (http://www.jpberlin.de/tueinfo/cms/node/19105). solche halte er für nicht verienbar mit der Zivilklausel, eine Dass Frau Lanik also die ethischen Fragen nach dem Ein- kritische, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Rol- satz von Ethnolog_innen für die umgangssprachliche Krieg- le der Ethnologie in Konflikten wie in Afghanistan hingegen führung bereits beantwortet hat wird auch daran klar, dass schon, auch wenn diese studienrelevant sei und geleitet wür- sie dieses bereits als „neues Berufsfeld“ für EthnologInnen de von einer Angestellten der Bundeswehr. Ein anderer Ver- bewirbt. Wenn Ethnolog_innen nicht die Aufgabe der „in- treter der Universität gab hierzu noch die etwas unpassende terkulturellen Einsatzberatung“ übernähmen, so Lanik, Bemerkung ab, die Student_innen sollten sich doch freuen, bestünde die Gefahr, „dass das Wissen um kulturelle Gege- dass der Uni für dieses Seminar keine Kosten entstünden. benheiten von Fachfremden ohne entsprechende Expertise Rektor Engler berief sich auf den Grundsatz „im Zweifel abgedeckt werde“ (http://www.antropologi.info/blog/ethno- für den Angeklagten“ und wollte vorerste nicht eingreifen, logie/2010/bundeswehr-werbung-im-ethnologie-seminar). sich aber weiter über die Dozentin Lanik kundig machen Kein Wunder also, dass sich Teile der Student_innenbewe- 9
und sicherstellen, dass Vertreter_innen der Universitätslei- Welche friedliche Lösung er hiermit meinte - das jeweilige tung dem Seminar beiwohnen und dieses „gegebenenfalls NATO-Bombardement, die andauernde militärische Besat- abbrechen, falls es Züge einer Rekrutierungsveranstaltung zung beider Gebilde mit heute noch insgesamt fast 20.000 annimmt oder unwissenschtlich wird“. Soldaten oder die seither regelmäßigen Eruptionen nationa- listischer Gewalt und ungelöster Territorialkonflikte – führ- Am folgenden Dienstag jedoch ließ der Rektor bereits über te das Tagblatt jedoch nicht aus. Stattdessen diffamierte es die Sprecherin der Universität mitteilen, das Seminar finde kampagnenartig insbesondere das Tübinger Friedensple- statt. Als Maßstab der Auseinandersetzung verwies sie dabei num/Antikriegsbündnis mit der mehrmals wiederkehrenden laut „Schwäbischem Tagblatt“ auf das Grundgesetz, der Ar- Behauptung, dessen Mitglieder hätten Ischinger „niederge- beitgeber Frau Laniks, das Amt für Geoinformationswesen brüllt“ oder „niedergeschrien“. Eine Behauptung, die entwe- der Bundeswehr, sei eine demokratisch legitimierte Einrich- der belegt, oder aber richtig gestellt werden sollte! tung der Bundesrepublik. Eine Zensur finde nicht statt. Zu- gleich wird Frau Dr. Lanik mit der Auffassung zitiert, wer Wenn freilich die Bombardierung und Teilung Jugoslawi- das Seminar verhindere, verhindere damit auch die „Trans- ens ebenso als „friedliche Lösung“ gilt, wie der gegenwärtige parenz, Fragestellungen aus dem Militär in der zivilen Ge- „umgangssprachliche Krieg“ in Afghanistan, die Nutzbarma- sellschaft zu diskutieren“. „Die Zivilklausel bedeute nur, dass chung ethnologischer Forschung und Lehre und die Rekru- alles, was auf die Verherrlichung von Krieg und Kriegstrei- tierung von Student_innen für diesen einem vermeintlichen berei hinausläuft, verhindert werden soll“, so die Sprecherin „friedlichen Zweck“ dienen, dann gerät die Zivilklausel zur der Universität. Farce, zur inhaltsleeren Beruhigungspille für die protestie- rende Studierendenschaft. Tatsächlich muss ein offener und Damit knüpfte die Uni-Leitung an die Argumentati- pluralistischer Dialog über die „Armee im Einsatz“ gerade on rechts-konservativer Kreise in Tübingen und auch des jetzt, wo diese Armee immer offener Krieg führt und „Ge- Schwäbischen Tagblatts an, welche die Störaktion beim „Si- fallene“ beklagt, geführt werden und die Zivilklausel bietet cherheitspolitischen Forum“ und auch den Offenen Brief hierfür einen geeigneten Anlass. Dass dieser „offene Dialog“ wiederholt als Zensur und einem „kritischen“ oder „breiten jedoch nicht durch von der Bundeswehr bzw. dem so ge- Dialog“ entgegenstehend geißelten. Von „Linksfaschismus“ nannten „Verteidigungsministerium“ finanzierte Personen war auf dem Verteiler der Studierenden der Ethnologie die und Organisationen moderiert werden kann entzieht sich in Rede, von Zensur, dass „die DDR da nicht mehr weit“ sei orwellscher Manier nicht nur der Presse und der Universität, und davon, dass „man DEUTSCHEN Studenten sicherlich sondern auch so genannten Friedens- und Konfliktforschern. einen kritischen Blick auf die Welt und auch die Inhalte Diese stellten sich beim Sicherheitspolitischen Forum offen der Lehre bescheinigen kann“ (Hervorhebung durch den auf die Seite der Veranstalter und überzogen die Protestie- Verfasser). Auch das Schwäbische Tagblatt meinte, Wolf- renden mit minutenlangen Tiraden (womit sie sich – unfrei- gang Ischingers „Redefreiheit“ wiederherstellen zu müssen. willig – in die zugegebenermaßen nicht besonders kreativen Deshalb protraitierte es ihn in der Ausgabe vom 17.4.2010 und niveauvollen aber vielfältigen Versuche der Störung der ausführlich und wohlwollend als einen, der die Atomwaffen Veranstaltung einbrachten). abschaffen wolle und der „[a]uf dem Balkan unter anderem, in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo ...zu friedlichen Eine Wissenschaft, die sich in den Dienst des Krieges Lösungen beitragen konnte“. stellt, gehört abgeschafft! In den USA ist die Einbindung von Etthnologen in die Kriegsplanung be- reits weit fortgeschritten. Prominen- tes Beispiel ist der Ethnologe David Killcullen, der ein ganzes Kapiutel des US-Handbuchs für Aufstandbekämp- fung (Field Manual 3-24) verfasste. 10
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