Kulturland 0ldenburg - Oldenburgische Landschaft

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Kulturland 0ldenburg - Oldenburgische Landschaft
Zeitschrift der
                                                                           Oldenburgischen

  kulturland
                                                                                 Landschaft

                                                                    Ausgabe 4.2018 | Nr. 178

0ldenburg                                                                oldenburgische
                                                                             landschaft

Me, Myself and Fürst         Das Groninger Forum            Aus der Natur wächst das Leben
Von Selfies und den Ersten   Umgestaltung der guten Stube   Paul Dierkes Werk
Kulturland 0ldenburg - Oldenburgische Landschaft
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Inhalt
Inhalt                                                                                       4
 2 Heimat gestalten, Zusammenhalt          30 Gröschler-Haus in Jever
   stärken und Zukunft sichern                 Lackprofil zeigt den Zerstörungshori­
   Die 80. Landschaftsversammlung der          zont der Jeverschen Synagoge
   Oldenburgischen Landschaft              31 FrauenORT Ruth Müller in
 4 „Weihnachten in Oldenburg damals            Delmenhorst
   und heute“                              32 Herzogin Amalie von Oldenburg
   Ausstellung informiert über 150 Jahre      „Die schönste Königin Griechenlands“

                                                                                            18
   sich wandelnden Zeitgeist               33 Busreise nach Tauberbischofsheim –
 8 Me, Myself and Fürst                        Würzburg – Bamberg
   Von Selfies und den Ersten              34 Heimatdichter, Humorist, Humanist
10 Unterwegs im Auftrag des Groß­              Der erste Emder Komiker Fritz Gerhard
   herzogs                                     Lottmann
   Der Oldenburger Landschaftsmaler        36 Plattsounds rockt dör Ostfreesland
   Ernst Willers                           37 Dor büst platt! – Plattdüütsch Orts­
12 Eine Petruspforte für die Schloss­          schiller sett’t sik dör!
   kirche in Varel
   Wunsch oder Wirklichkeit?
                                           37 Dor kummp een Schipp –
                                               Gedanken to de Wiehnacht                     32
14 Ein Wort wie Licht in der Nacht         38 Tageskulturfahrt nach Friedland zum
15 Sprakendag in’t Museumsdörp                 Museum
   in Cloppenborg                              Bericht der Arbeitsgemeinschaft
16 Das Groninger Forum                         Vertriebene in der Oldenburgischen
   Umgestaltung der „guten Stube               Landschaft
   Groningens“                             39 Heimat- und Bürgervereine tagten
18 Durchbruch in die Moderne                   in Delmenhorst
   Avantgardegeschichte des Olden­         40 Springkraut, Waschbären und
   burger Landes                               Dreiecksmuscheln
22 Neue Sammlung historischer                  Invasive Arten im Oldenburger Land
   Landkarten in der Landesbibliothek      44 Das ArchäoVisbek
   329 Karten vom IJsselmeer bis zur           Vom partizipativen Konzept zum
   Weser
25 Olympisches Schwimmen und
                                               gelungenen Projekt
                                           47 Die rote Fahne auf dem Schloss
                                                                                       34
   farbenreiche Objekte
   Erinnerung an Helga Neuber
                                           47 Neuerscheinungen
                                           48 Mit dem Messer erzählen                       40
26 „Maria mit Kind“ von Paul Dierkes           Holzskulpturen von Roman led
   Bildbetrachtung zur Skulptur            50 Ein Oldenburger im Ostpreußischen
27 „Aus der Natur wächst das Leben“            Landesmuseum
   Zum künstlerischen Werk von                 Burchard Christoph von Münnich
   Paul Dierkes                            51 Ausschreibung Kunstpreis und
28 Ein Angebot, das stetig wächst              Jugend­kunstpreis der Gemeinde
29 Neue Mitarbeiter der Oldenburgischen        Rastede 2019
   Landschaft stellen sich vor             51 Vermittlung der Kultur und Geschichte
                                               des Oldenburger Landes
                                           52 Zukunftsgerichtete Alternativen
                                               KOSTBAR 2019 ist Gutscheinbuch und
                                               Einkaufsführer
                                           53 Oldenburger spielen sich selbst
Titelbild:                                 54 Straßenfotografie
Herrliche Winterlandschaft                 57 Neuerscheinungen
am Flötenteich in Oldenburg.               57 Impressum
Foto: Elke Syassen
                                           58 kurz notiert

   Inhalt
Kulturland 0ldenburg - Oldenburgische Landschaft
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                                                                                                                               4|18

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                                                                                                                          Flötenteich.
                                                                                                                          Foto:
                                                                                                                          Elke Syassen

Liebe Leserin, lieber Leser,

 ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende zu.
     Auf der Landschaftsversammlung haben wir die vielen Pro-
  jekte und Aktivitäten der Landschaft im letzten Jahr noch
 einmal Revue passieren lassen; auch im neuen Jahr wollen wir
 gemeinsam mit den Arbeitsgemeinschaften und den Fach-
 gruppen im Oldenburger Land entsprechend unserer Devise
„Kultur fördern, Tradition pflegen und Natur schützen“ aktiv
 bleiben.
     Das neue Jahr bietet manches spannende Datum, das zum Erinnern, aber auch zum Zukunftplanen, Anlass gibt:
Wir wollen – mit der Evangelischen Kirche gemeinsam – über den Oldenburger Theologen Rudolf Bultmann
 ­sprechen, der im nächsten Jahr seinen 135. Geburtstag gefeiert hätte.
     Mit einer besonderen Aktion wollen wir auch an Cäcilie von Oldenburg an ihrem 175. Todestag denken und
 Karl Jaspers, der vor über 50 Jahren sein Buch „Wohin treibt die Bundesrepublik?“ geschrieben hat, wird uns in einer
 gemeinsamen Aktivität mit der Karl-Jaspers-Gesellschaft beschäftigen.
     Die „Zukunftswerkstatt“ für das Oldenburger Land, unser Projekt „Oldenburg 2050“, wird uns hoffentlich eine
 Reihe von Veranstaltungen bescheren, die uns einen Blick in die Zukunft des Oldenburger Landes erlaubt. Dabei
 wird es natürlich um die Kultur gehen, aber auch die Natur und das Klima werden uns beschäftigen, genauso wie
 die zunehmende Rolle der Digitalisierung im Oldenburger Land.
     Sie sehen, wir haben viele Angebote zur Mitarbeit für die Einzelmitglieder, für unsere Pflichtmitglieder und
 darüber hinaus für alle, die sich um die Zukunft des Oldenburger Landes kümmern wollen. Mit unserer Arbeit
 wollen wir die Heimat gestalten, den Zusammenhalt stärken und die Zukunft sichern.
     Zum Schluss möchten wir all denen Dank sagen, die uns bei der Arbeit im letzten Jahr unterstützt haben. Die
 Arbeitsgemeinschaftsleiter und die Mitglieder unserer Arbeitsgemeinschaften, ohne die eine lebendige Arbeit der
 Oldenburgischen Landschaft kaum möglich wäre. Das Gleiche gilt natürlich für die Fachgruppen der Oldenbur­
 gischen Landschaft, die in hervorragender Art und Weise im letzten Jahr dazu beigetragen haben, dass wichtige
 Themen im Oldenburger Land angesprochen worden sind.
     Den Unterstützern aus der Wirtschaft im Oldenburger Land, aber auch den privaten Förderern unserer Aktivitä-
 ten gebührt unser Dank!
     Und selbstverständlich geht auch ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unse-
 rer Geschäftsstelle, die oft zu ungünstigen Arbeitszeiten (abends und am Wochenende) engagiert dazu beigetragen
 haben, dass die Oldenburgische Landschaft ihrem Auftrag gerecht werden kann.
     Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünschen wir ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue
 Jahr! Wir freuen uns auf eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit!

Thomas Kossendey                                               Dr. Michael Br andt
Präsident                                                      Geschäftsführer

                                                                                                                  Editorial | 1
Kulturland 0ldenburg - Oldenburgische Landschaft
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Heimat gestalten, Zusammenhalt stärken
und Zukunft sichern
Die 80. Landschaftsversammlung der Oldenburgischen Landschaft

 Red. Unter dem Motto „Die Heimat gestalten, den                                      In seinem Jahresbericht informierte Geschäfts-
 Zusammenhalt stärken und die Zukunft sichern“                                     führer Dr. Michael Brandt die Landschaftsver-
 hat die Oldenburgische Landschaft am 16. Novem-                                   sammlung über die Tätigkeiten der Oldenburgi-
 ber ihre 80. Landschaftsversammlung im Alten                                      schen Landschaft im abgelaufenen Jahr. Neben
 Landtag in Oldenburg abgehalten.                                                  einer Nennung der vielfältigen Aktivitäten der
    In seiner Ansprache sagte Landschaftspräsi-                                    Oldenburgischen Landschaft ging er dabei vor
 dent Thomas Kossendey, Kultur könne auch                                          allem auch auf die durch die Oldenburgische Land-
 ein Mittel sein, den gesellschaftlichen Wandel                                    schaft geleistete Kulturförderung im Oldenbur-
 vor Ort besser zu bewältigen und zu gestalten.                                    ger Land ein.
„Sie ist nicht das ‚Sahnehäubchen‘ auf einem kom-

                                                                                   Präsentation
 munalen, Landes- oder Bundeshaushalt, wenn
 noch etwas Geld übrigbleiben sollte“, betonte
 er nachdrücklich. „Nein: Kultur gehört zur Da­-                                   Die umfang- und erfolgreichen Projekte der Olden-
 seinsvorsorge!“                                                                   burgischen Landschaft im Bereich Plattdeutsch
    Der Oldenburgischen Landschaft liege die Kul-                                  stellte Plattdeutschreferent Stefan Meyer der Ver-
 turförderung in der Fläche jenseits der Städte                                    sammlung vor. Das Plattdeutschbüro ist sehr
 besonders am Herzen. „Aus diesem Grund unter-                                     stark in der Netzwerkarbeit, so werden beispiels-
 stützen wir auch intensiv den Vorschlag, an der                                   weise der plattdeutsche Bandwettbewerb „Platt-
 Universität Vechta einen Studiengang ‚Verände-       Von oben: Dr. Michael        sounds“, eine Imagekampagne an Schulen „Platt
 rungsprozesse im ländlichen Raum‘ einzurich-         Brandt, Stefan Meyer.        is cool“, der zweijährige „Lääswettstriet“ in Ko-
                                                      Fotos: Jörgen Welp, Olden-
 ten“, erklärte der Landschaftspräsident.             burgische Landschaft
                                                                                   operation und das Festival für neue niederdeut-
    Die Redebeiträge finden Sie unter www.olden-                                   sche Kultur „PLATTart“ mit anderen Landschaf-
 burgische-landschaft.de – Service – Presse Presse-                                ten und Landschaftsverbänden durchgeführt.
 mitteilung Nr. 39 vom 16.11.2018.

                                                      Vorstand                                  Beirat
                                                       Im Vorstand der Oldenburgischen          Neues Beiratsmitglied ist Jürgen
                                                       Landschaft wurden durch das Aus-         Müllender, Vorstandsmitglied der
                                                       scheiden zweier Mitglieder Nach-         Öffentlichen Versicherungen Olden-
                                                       wahlen erforderlich.                     burg. Mit der Berufung von Jürgen
                                                           Prof. Dr. Uwe Meiners, langjäh-      Müllender in den Beirat der Olden-
                                                       riger Direktor des Museumsdorfs          burgischen Landschaft ist jetzt
Andreas Tensfeldt. Foto:   Prof. Dr. Meiners (rechts)  Cloppenburg und seit Kurzem im           wieder ein Vorstandsmitglied der
Stadt Delmenhorst          im Gespräch mit dem         Ruhestand, vertritt jetzt die Einzel-    Öffentlichen Versicherungen Olden-
                           Gegenkandidaten Günter
                           Brüning. Foto: Jörgen Welp,
                                                       mitglieder der Oldenburgischen Land-     burg in diesem Gremium vertreten.
                           Oldenburgische Landschaft schaft im Vorstand.
                                                          Für die Stadt Delmenhorst ist jetzt
                                                       Andreas Tensfeldt, Fachbereichs­
                                                       leiter bei der Stadt Delmenhorst,
                                                       Mitglied im Vorstand der Olden-
                                                       burgischen Landschaft.

  2 | Aus der Landschaft
Kulturland 0ldenburg - Oldenburgische Landschaft
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                                                                                                                                  4|18

Ehrungen
                                                            Dr. Hans-Ulrich Minke

                                                            Der mit der Landschaftsmedaille ausgezeichnete Landespfarrer i. R. Dr.
                                                            Hans-Ulrich Minke stand der 2002 neu gegründeten Arbeitsgemeinschaft
                                                            Vertriebene der Oldenburgischen Landschaft als deren erster Leiter bis
                                                            zum Frühjahr 2018 vor. Unter seiner Federführung entstanden zahleiche
                                                            Publikationen zu Schicksal und Verdiensten der Vertriebenen im Olden-
                                                            burger Land. „Nicht seine schlesische Heimat stand im Vordergrund seiner
                                                            Arbeit für die Oldenburgische Landschaft, sondern die Einflüsse der Hei-
                                                            matvertriebenen in Oldenburg und dem Oldenburger Land“, charakterisierte
                                                            Dr. Gisela Borchers, Nachfolgerin Dr. Minkes in der Leitung der Arbeits-
Dr. Minke hier im Gespräch mit Sabrina Kolata. Foto: Jör-   gemeinschaft, das Wirken ihres Vorgängers in ihrer Laudatio.
gen Welp, Oldenburgische Landschaft

                                                            Die Falkenaugen

                                                            „Die Falkenaugen“, die Jugendgruppe des Hegerings Rastede Nord und För-
                                                             derpreisträger der Oldenburgischen Landschaft, gibt es seit 2016. Sie sind
                                                             die erste Jugendgruppe eines Hegerings überhaupt und setzen sich in viel-
                                                             fältigen Projekten für Nachhaltigkeit und Naturschutz ein. „Es ist vorbild-
                                                             lich, schon junge Menschen mit dem Naturschutzgedanken vertraut zu
                                                             machen und dies nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch“, so
                                                            Vorstandsmitglied Barbara Woltmann in ihrer Laudatio.

Die Falkenaugen mit Landschaftspräsident Thomas Kos-
sendey (2. von links) und Laudatorin Barbara Woltmann
(5. von links, hinten). Foto: Jörgen Welp, Oldenburgische
Landschaft

                                                            Tim Ruben Morgenstern

                                                            Den anderen Förderpreisträger, den Nachwuchstänzer Tim Ruben Morgen-
                                                            stern aus Wilhelmshaven, der nicht anwesend sein konnte, stellte Vor-
                                                            standsmitglied Ursula Glaser der Landschaftsversammlung vor. Der junge
                                                            Nachwuchstänzer hat, schon seit er sieben Jahre alt war, eine profunde
                                                            Tanzausbildung absolviert. Er hat sich darüber hinaus auch in benachbarten
                                                            Disziplinen fortgebildet und sich vielseitige Fähigkeiten erworben. „Er
                                                            verfolgt sehr engagiert und diszipliniert das Ziel, professioneller Tänzer
                                                            zu werden“, so Glaser in ihrer Laudatio, die sie nach der Preisverleihung
                                                            in Wilhelmshaven noch einmal verlas. Die Preisverleihung an Tim Morgen-
                                                            stern fand bereits am 2. November in Wilhelmshaven statt.
Mitglied des Vorstands der Oldenburgischen Landschaft
Ursula Glaser, Preisträger Tim Ruben Morgenstern, Land-
schaftspräsident Thomas Kossendey (von links). Foto:
Katharina Kück, Landesbühne Niedersachsen Nord

                                                                                                           Aus der Landschaft | 3
Kulturland 0ldenburg - Oldenburgische Landschaft
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„Weihnachten in Oldenburg
 damals und heute“
Ausstellung informiert über 150 Jahre
sich wandelnden Zeitgeist
Von Katrin Zempel-Bley

                              U
Im Uhrzeigersinn: Kurator                       nabhängig davon, ob es schneit
Marcus Kenzler zeigt eini-                      oder eher frühlingshaft ist, in
ge der zehn erhaltenen
Figuren einer Weihnachts-
                                                Oldenburg läutet der Lamberti-
krippe, die um 1740 vom                         Markt die Advents- und Weih-
nordwestdeutschen                               nachtszeit ein und die Einkaufs-
Barockbildhauer Thomas                          straßen der Fußgängerzone
Simon Jöllemann für die
katholische Pfarrkirche der
                              sind entsprechend festlich beleuchtet. Der Weih-
Gemeinde St. Johannes         nachtsmarkt, erst in den 1970er-Jahren in seiner
Baptist in Molbergen im       heutigen Form ins Leben gerufen, wird eingerahmt
Landkreis Cloppenburg         vom Rathaus, der St.-Lamberti-Kirche und dem
geschaffen wurde. Foto:
Katrin Zempel-Bley
                              Schloss, und diese schöne historische Kulisse
                              verleiht ihm eine besondere weihnachtliche Stim-
Tannenbaumschmuck aus         mung. Blickt man in die Geschichte zurück, so
den 1950er-Jahren. Foto:      spielte das Weihnachtsfest auch im Großherzog-
Landesmuseum für Kunst
und Kulturgeschichte
                              tum eine besondere Rolle. Grund genug für das
                              Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte,         gen zahlreiche kunst- und kulturhistorische Ex-
Nussknacker aus Holz,         zurückzublicken und in den eigenen Sammlun-          ponate aus allen Sammlungsbereichen, die christ-
Anfang 19. Jahrhundert.       gen Weihnachtliches aufzuspüren. „Alles sieht        liche Ursprünge und Bedeutungen beleuchten
Foto: Landesmuseum
für Kunst und Kulturge-       so festlich aus – Weihnachten in Oldenburg da-       und ein eindrucksvolles Bild von weihnachtli-
schichte                      mals und heute“ lautet der Titel einer Kabinett-     chem Brauchtum aus mehreren Jahrhunderten
                              ausstellung im Prinzenpalais, die vom 6. Novem-      und gesellschaftliche Traditionen zeichnen“, be-
                              ber bis zum 6. Januar 2019 zu sehen ist.             richtet er.
                                 Kurator Dr. Marcus Kenzler hat in Vorbereitung       So lädt das Museum passend zur Weihnachts-
                              der Ausstellung allerhand Sehenswertes und Auf-      zeit zu einem Ausflug in die weihnachtliche
                              schlussreiches in den hauseigenen Sammlungen         Huntestadt der vergangenen 150 Jahre ein. Präsen-
                              entdeckt und festgestellt, dass das Thema Weih-      tiert werden in zwei Räumen zahlreiche Exponate
                              nachten für das Landesmuseum mit seiner hun-         wie zum Beispiel Weihnachtskarten, alte Weih-
                              dertjährigen Geschichte durchaus eine Rolle ge-      nachtsbücher, historisches Mobiliar, Spielzeug,
                              spielt hat. „Dass sich unser Haus immer wieder       Gemälde, Zeichnungen, Tannenbaumschmuck,
                              mit dem Thema Weihnachten befasst hat, bezeu-        eindrucksvolle Fotos und Aufzeichnungen be-

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kannter Persönlichkeiten aus den eigenen Sammlungen, aber
auch von privaten Leihgebern. Sie wollen die Geschichte rund
ums Weihnachtsfest näherbringen und die Besucher emotio-
nal anrühren. Zudem wird ein Rahmenprogramm angeboten.
So gibt es Führungen mit Gesang, Lesungen mit schwarzem
Humor und normale Führungen. Außerdem werden Kinder-
führungen mit dem Weihnachtsmann und Bastelaktionen an-
geboten, bei denen Weihnachtskugeln nach dem Geschmack
der Kinder entstehen.
   Tannenbaumschmuck gehört auch zu den Traditionen und
ist aus verschiedenen Jahrzehnten in der Ausstellung zu sehen.
Der war ursprünglich dezenter. Knallig farbige Kugeln und
aufflackernde Lichterketten sowie ein peppiger Weihnachts-
mann, der in Weiß-Rot daherkommt, kannten die Menschen
vor 150 Jahren nicht. „Er sah eher aus wie ein Jäger, und Weih-
nachten war ein durch und durch besinnliches Fest“, sagt
Marcus Kenzler. „Regionale Gebräuche werden jedoch im Laufe
der Zeit weniger und von der zunehmenden Kommerzialisie-
rung abgelöst.“ So sind heute vermutlich nur noch in wenigen
Weihnachtszimmern Weihnachtskrippen anzutreffen.
   Eine besondere, erschaffen um 1740 vom nordwestdeutschen
Barockbildhauer Thomas Simon Jöllemann, zeigt die Ausstel-
lung. Er fertigte sie für die katholische Pfarrkirche der Ge-
meinde St. Johannes Baptist in Molbergen im Landkreis Clop-
penburg an. „Erhalten sind zehn bis zu 35 Zentimeter hohe,
kunstvoll aus Holz geschnitzte Figuren der Krippe, die im Jahr
1889 von dem Vikar der Gemeinde Dr. Gisbert Meistermann
als Schenkung in die Sammlungen des Großherzogs gegeben
wurden. Die einst farbig gefassten Figuren sind individuell ge-
staltet und weisen eine hohe Detailgenauigkeit auf“, berichtet

                                                                  Museum und Ausstellung | 5
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Im Uhrzeigersinn: Auch        der Kurator. „Gestaltung und Größe der Figuren     Kenzler, der darauf hinweist, dass sich erst in der
Kinderspielzeug – wie         legen nahe, dass die Krippe einst im Altarraum     Übergangszeit vom 18. zum 19. Jahrhundert das
Dackel Alexander – aus
den 1930er-Jahren prä­
                              der Pfarrkirche aufgebaut war und der weih-        Rodeln als beliebte Volksbelustigung in den Win-
sentiert die Ausstellung.     nachtlichen Dekoration diente.“                    termonaten etablierte.
Der Hund stammt aus              Ein in der Ausstellung aufgebauter Gabentisch      Und was wäre Weihnachten ohne gutes Essen.
der Handweberei Hohen-        zeigt, dass Spielzeug sich bis heute behauptet.    So präsentiert die Ausstellung historisch über-
hagen.
                              Zwar kommt es in einem anderen Design daher,       lieferte Weihnachtsrezepte und bis zu 200 Jahre
Ostfriesischer Stuhlschlit-   aber damals wie heute mögen Kinder Stofftiere,     alte Lebkuchenformen. Weihnachtsgebäck wie
ten für Kinder, um 1850,      Puppenstuben und auch Schlitten, sofern mal        der Lebkuchen haben ihre ganz eigene Kultur-
Holz.                         Schnee liegt. Ein wirklich schönes Exemplar ei-    geschichte, die bis heute fortgeführt wird. „In
Bernhard Winter: „Die
                              nes ostfriesischen Kinderschlittens, der um 1850   unseren Sammlungen befinden sich zahlreiche
heiligen drei Könige im       im ostfriesischen Esens gebaut wurde und in        historische Lebkuchenformen, die aus dem frühen
Ammerland“, 1920, Öl          leuchtendem Rot mit weißen Schmucklinien ver-      19. Jahrhundert stammen und als zweiteilige
auf Leinwand.                 ziert ist, gelangte 1938 als Geschenk aus Olden-   Hohlform aus Holz geschnitzt sind. Gefertigt
Georg Bernhard Müller
                              burger Privatbesitz in die Sammlungen des Lan-     wurden hiermit dreidimensionale Lebkuchen­
vom Siel: „Die Produktion     desmuseums. „Während entsprechende Gefährte        figuren, die zunächst als Zierde dienten und dann
der Koithdarstellung/Der      im 17. und 18. Jahrhundert noch ein Privileg des   verspeist wurden“, klärt Marcus Kenzler auf.
Weihnachtsbaum“, um           Adels waren und dem höfischen Amüsement               Auch für die Großherzoge hatte das Weih-
1914/36, Gouache, Aqua-
rell, Bleistift.
                              dienten, kam später auch das Bürgertum in den      nachtsfest eine große Bedeutung. Der Kurator
Fotos: Landesmuseum           Genuss einer Schlittenfahrt“, berichtet Marcus     berichtet, „dass die Großherzogin die obligato­
für Kunst und Kulturge-
schichte
                               Alles sieht so festlich aus – Weihnachten in Oldenburg damals und heute
                               Dauer der Ausstellung: 6. November 2018 bis 6. Januar 2019
                               Ausstellungsort: Prinzenpalais, Damm 1, 26135 Oldenburg
                               Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag: 10–18 Uhr
                               Eintritt: 6 Euro

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rischen Weihnachtsbescherungen in den Olden-
burger Krankenhäusern begleitete, die Diener-
schaft im großen Schlosssaal beschenkt wurde,
während die Großherzogliche Familie selbst den
Weihnachtstag im Elisabeth-Anna-Palais beging.“
Es existiert sogar eine schriftliche Anweisung
von Gr0ßherzog Friedrich August, die eine Auf-
listung enthält, aus der hervorgeht, dass ein Bra-
ten zum Weihnachtsfest ebenso wenig fehlen
darf wie Süßigkeiten. Und Helene Lange (1848–
1930), Pädagogin, Politikerin, Frauenrechtlerin
und Ehrenbürgerin von Oldenburg, steuert ihre
Weihnachtserinnerungen bei.
   Der Oldenburger Heimatmaler Bernhard Win-
ter (1871–1964) bereichert die Weihnachtsausstel-
lung mit seinem Gemälde „Die heiligen drei Kö­
nige im Ammerland“, das er 1920 gemalt hat. Er
verlegt die Geburt Jesu kurzerhand von Bethle-
hem in den Nordwesten. „Das Kind kommt nicht
in einer Krippe in einem kärglichen Stall zur
Welt, sondern vor einem typischen reetgedeckten
Ammerländer Bauernhof aus Backstein und Ei-
chenfachwerk, neugierig beäugt von der authen-
tisch gekleideten Landbevölkerung“, berichtet
Marcus Kenzler.
   Die Ausstellung macht deutlich, wie sich der
Zeitgeist gewandelt hat und welche bedeutende
Rolle heute die Weihnachtsindustrie spielt. So
wissen wohl nur noch wenige, dass der heute rot-
weiß gestylte Weihnachtsmann einst eine Wer-
befigur von Coca-Cola war und uns seither als
Weihnachtsmann dient. „Der Tannenbaum ist
viel älter und taucht erstmals im mitteleuropäi-
schen Raum im 15. Jahrhundert auf“, berichtet
Marcus Kenzler. „Etablieren tut er sich aber erst
gegen Ende des 19. Jahrhunderts.“ Weih-
nachtsschmuck ist nicht mehr wegzu-
denken, allerdings präsentiert er
sich heute in ganz anderer Form.
Und ein gutes Essen, Weih-
nachtsbäckerei und manche
Schlickerei können sich heute
viel mehr Menschen leisten
als vor 150 Jahren.

                                                     Museum und Ausstellung | 7
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Me, Myself and Fürst                                                                    Heute gibt es natürlich auch noch den „first“,
                                                                                     aber so viele, dass man dem Gedränge besser fern
                                                                                     bleibt. Trumps Forderung „America first“ steht

Von Selfies und den Ersten                                                    de r t im Zeichen der Selfie-Generation. Es ist Helene von
                                                                    geförh die
                                                                         r c
                                                                     du rgische      Oldenburg zu danken, dass sie auf diesen Para-
                                                                             u
                                                                    oldenb chaf t
                                                                       la n d s      digmen-Wechsel aufmerksam macht.
Von Jürgen Weichardt                                                                    Aber zusätzlich sind an dem Paar Selfie und Por-
                                                                                     trät noch Beobachtungen zu machen, die zu den

O
                                                                                     allgemeinen Zeiterscheinungen quer stehen. Was
                                                                                     bietet das Fürsten-Porträt? Was kann das Selfie
            rt der eigentümlichen Ausstellung „Me, Myself and Fürst“ (6. Juli bieten? Die Galerie zeigt zwei Reihen von Bildnis-
            bis 2. September 2018) von Helene von Oldenburg war die Fürsten- sen Jeveraner Fürsten und ihrer Verwandten. Die
            galerie im Schlossmuseum Jever. Das Publikum war angeregt,               Porträts sind meist auf Kopf und Schulterpartie
            sich mit dem Handy in der Porträtgalerie zu fotografieren und da- beschränkt. Da rückt ihnen das Selfie schon recht
mit das hierarchische Prinzip des Ersten (First) im Lande umzukehren.                nahe. Nur in drei Fällen sind Hände zu sehen:
   Die Ausstellung stellte mit Ölmalerei und Fotografie Historie und Gegen- Maria von Jever hat die Hände in den Schoß gelegt,
wart und zugleich Fürsten und Bürger einander gegenüber. Sie war eine Aus- ein Ausdruck der Stille und Demut. Auf dem Bild
stellung „in progress“, das heißt am Anfang wusste niemand, wie sie am               darunter ist ein Fürstenpaar im Profil zu sehen, wie
Ende aussehen wird, nicht zuletzt weil sie eine unbekannte Zahl von Auto- die anderen auch mit wenig Lebendigkeit. Nur die
rinnen und Autoren enthalten würde, einmal die Künstler, die die Ölporträts linke Hand der First Lady hält ein Schmuckstück an
gemalt haben, zum anderen die Fotografierenden, die sich angestrengt hat- ihr Dekolleté – eine Geste, die befremdet, aber
ten, ihre Selfies im Fürstensaal zu platzieren. Sowohl Porträt als auch Selfie menschlich ist: „Guck mal, was ich hier habe!“ wür-
sind eine Fundgrube an Beziehungen zu ihrer jeweiligen Zeit, aber sie ha-            de jemand sagen, wenn der Schmuck eigene Be-
ben unterschiedliche Vergangenheitswerte: Das Porträt hat Jahrhunderte               deutung hat. Unter Fürsten ein Hinweis für Kon-
überdauert, es suggeriert die gute alte Zeit, als jeder noch wusste, was oben        kurrentinnen auf den Fürstenstühlen.
und unten ist, der Fürst war der first, und jeder Bürger stand auf einer Stufe.
Der Selfie-Aufnahme gebe ich ein Jahrzehnt, wenn es hoch kommt.

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    Die Gemälde erlauben auch einen Blick auf die             Die Ausstellung steht unter dem Begriff „Parti-    Linke Seite: Viele Selfies
 Kleidung, die zu den Insignien eines Fürsten-Por-         zipation“, eine von Helene von Oldenburg und dem      wurden in der Gemälde-
                                                                                                                 galerie aufgenommen.
 träts gehört, wobei auffällt, dass zur selben Zeit die   Frauen-Labor thealit in Bremen gepflegte Form von
 Oldenburger Fürsten sich mit einer fast schlichten       Veranstaltung, die dazu dient, die Schwelle vor        Unten: Im Gegensatz zu
 Uniform zufrieden gaben, während Zar Peter III.           Kunstausstellungen zu schleifen und die Diskre-       historischen Portraits
– der Jüngste unter den Porträtierten – sich in ei-        panz zwischen Ausstellungsmachern und Publi-          wird auf Selfies heute
                                                                                                                 immer gelächelt.
 ner Ritterrüstung zeigt, in tragbar leichter Form,        kum durch dessen Teilnahme aufzufüllen.               Fotos: Schlossmuseum
 aber dennoch anachronistisch. Sie verdeutlicht               Diese Teilhabe am Kunstprozess hatte Helene        Jever
 den Abstand zum Volk.                                     von Oldenburg in früheren Aktionen schon thema-
    Die zwanzig Bildnisse zeigen kein Lächeln, viel-       tisiert: Eine Zeitlang hatte sie sich mit dem Thema
 leicht einmal einen Zug heiterer Sinn und ein            „Netze“ beschäftigt und von der Natur mit dem
 freundliches Gesicht, alle anderen sind ernst und         Spinnennetz bis zum Begriff Vernetzung durchge-
 sich der Situation bewusst, gemalt zu werden als          arbeitet. Im Netz haben alle Menschen schon lange
 Erste in ihrem Reich und als Fürst des Volkes.            gehangen. Dann hat sie nach Möglichkeiten ge-
    Seit Kurzem wird in der modernen Gesellschaft          sucht, außenstehende Menschen emotional und
 an einer neuen Galerie gebastelt – eine Galerie der       handelnd in den Kunstsektor einzubeziehen.
 Selfies der da unten mit denen da oben. Nicht das            So hat sie Werke von Horst Janssen auseinan-
 Selfie jener da oben, das will eigentlich keiner          dergenommen und an einer einzelnen Stelle in
 sehen – sondern das mit ihnen, wenn man sie denn          einem seiner Bilder sichtbar gemacht, wie der
 zu fassen kriegt. „Ha – ich und Angela“ – wer ist         Künstler gearbeitet hat. Und in einem separaten
 denn da nun „the first“?                                 Raum kon­nte das Publikum mit dem
    Das Selfie entsteht oft vor besonderer Architek-       Stift solchen Stellen in den Bildern
 tur, Persönlichkeit, Ereignis. Gewöhnlich zeigt           von Horst Janssen nachgehen und
 es einen Ausschnitt, meist nur Kopf, gerade so viel,      zeichnen. Praxis ist Voraussetzung,
 dass das Ich erkannt und das Objekt dahinter ge-          eigene Kreativität zu entdecken.
 sehen werden kann. Die Selfisten lächeln meistens            Aber das ist ein klassischer Weg.
 oder grinsen vor Glück, das besondere Objekt ent-        Die Kunst hat längst das Atelier ver-
 deckt oder die Politikerin erwischt zu haben. Das         lassen und die Natur erobert. Auch
 momentane Verhältnis zum Motiv – zum Louvre               dabei hat Helene von Oldenburg zu-
 oder zur ersten Politikerin – kann die Selfisten für      sammen mit Claudia Reiche im vori-
 Momente bis auf höchste Ränge schleudern; der             gen Jahr ein Projekt initiiert, bei dem
 Alltag sorgt dafür, dass sie wieder herunterkom-          Bewohnern vorgeführt wird, welche
 men.                                                      Haltungen sie gegenüber einem be-
    Bezeichnend ist der Standort: Die Fotografieren-       liebigen Stück Natur einnehmen kön­
 den stehen anders als üblich vor der Kamera und           nen: Die beiden Künstlerinnen nann-
 mit dem Rücken zum Objekt und bei wichtigsten             ten ihr Projekt „Civil Wilderness“
 Personen auf gleicher Höhe, Wange an Wange.               und ließen Menschen Stücke aus der
 Der Blick auf das ins Bild genommene Motiv wird          Natur auswählen, die sie als wild
 der Kamera überlassen, wird an das Handy und              bezeichnen und nach drei Gesichts-
 später an jene, die das Motiv im Handy betrachten         punkten beobachten oder pflegen sollten:
 dürfen, delegiert.                                       1. Das Gewohnte darf nicht verändert werden,
    Natürlich ermöglicht auch der Spielraum eines             freier Wildwuchs bei sanfter Pflege, um die
 Handys, kreativ zu werden, und die Selfies zeigen            durch Naturkraft hervorgerufenen Verände-
 den Grad der Kreativität an. Dazu gehört, dass das           rungen zu minimalisieren;
 Selfie die Rangfolge vertauscht: first me, myself,       2. das Stück Natur darf nicht betreten werden, also
 dann das Objekt, auch wenn es das ursprüngliche              freier Wildwuchs; und
 Ziel der fotografischen Aktion war. Das Ich –„me,        3. das Stück Natur ist dem Willen der Menschen
 myself, I“ schiebt sich in den Vordergrund –, „I             ausgeliefert.
 first“ war früher: Ich, der Fürst. Und um das noch        Bleibt die Frage, bezogen auf die Ausstellung im
 deutlicher vom Volk abzuheben, folgte der Zusatz:         Schlossmuseum: Was würden Sie tun, wenn Sie
„Von Gottes Gnaden“. Jetzt ist der/die Fotografie-         heute Herrscher in Jever wären? Die Antwort wird
 rende „first“, und alle anderen, alles andere second.     den Leserinnen und Lesern überlassen.
 Das Ich behauptet sich – ein Zeichen des Selbst­-
 bewusstseins.

                                                                                                   Museum und Ausstellung | 9
kulturland
  4|18

Unterwegs im Auftrag des Großherzogs
Der Oldenburger Landschaftsmaler Ernst Willers
Von Anna Heinze

F
             ür einen Künstler des 19. Jahrhunderts    dort – mit einigen Unterbrechungen         dem allerdings 1837 Amalie von Ol-
             war die aufklärerische Bildungsreise      – 26 Jahre. In Italien wurde er zu je-     denburg den ersten griechischen
             in den Süden eine Pflichtveranstaltung.   nem Landschaftsmaler, als den wir          König Otto von Wittelsbach heiratete
             Vor allem in Italien konnte man sich      ihn heute wahrnehmen, dort bilde-          und die neuen Beziehungen zu Grie-
             sowohl an den Werken der Antike als       ten sich die für ihn charakteristischen,   chenland langfristig auch im öffent-
             auch der Alten Meister schulen sowie      künstlerischen Eigenschaften aus:          lichen Bewusstsein verankert wer-
Landschaftsstudien betreiben. Auch der Oldenbur-       ein ausdrucksstarkes Kolorit und eine      den sollten, wurde Willers 1843 vom
ger Maler Ernst Willers sollte mit Anfang dreißig      kraftvolle Form, die bei allem Natu-       Großherzog damit beauftragt, nach
in das Land, „wo die Zitronen blühn“, reisen, um       ralismus eine ganz eigene atmosphä-        Griechenland zu reisen, die dortigen
dort – ausgestattet mit einem Stipendium des           rische Qualität entwickeln.                Eindrücke malerisch festzuhalten
Oldenburger Großherzogs Paul Friedrich August             Das Ölgemälde „Blick auf Terraci-       und zurück nach Oldenburg zu brin-
– die Landschaft Latiums in zahlreichen Zeich-         na“ im Landesmuseum für Kunst und          gen. Aus dieser ersten Reise resul-
nungen und Ölskizzen festzuhalten.                     Kulturgeschichte Oldenburg aus dem         tierten jedoch nur wenige Werke, da-
   Angefangen hatte der 1802 auf der Hofstelle         Jahr 1843 zeugt von dieser Atmosphä-       runter zwei Akropolis-Ansichten, von
Vegesack in der Bauerschaft Jeddeloh im Herzogtum      re: Wie fast alle Werke von Willers        denen sich eine in Privatbesitz und
Oldenburg geborene Willers allerdings in Varel,        lässt sich auch dieses geografisch ge-     eine im Landesmuseum Oldenburg
wo er eine Malerlehre bei einem Anstreicher absol-     nau lokalisieren. Der Künstler er-         befindet.
viert hatte. Anschließend ging er nach Düssel-         fasst die topografischen Merkmale             Eine zweite Reise führte den
dorf und besuchte dort als einer der Ersten die        der Landschaft mit ihren Bodenbe-          Künstler 1857 bis 1859 erneut nach
gerade gegründete Kunstakademie, an der er sich        schaffenheiten und Hügelketten bis         Griechenland. Willers klagte über
erstmals mit der Landschaftsmalerei beschäftigte.      zum Horizont, ebenso die sich im           die Strapazen der Unternehmung,
Ein Stipendium von Großherzog Peter Friedrich          Bildvordergrund befindende Wasser-         Italien halte er dagegen „für ein
Ludwig ermöglichte es ihm, nach Dresden überzu-        quelle sowie Bäume und Sträucher.          ganz civilisiertes Land“, und er war
siedeln, wo es an der Akademie zwei Lehrer für         Die Vedute der kleinen Hafenstadt          froh, „mit dem Leben davonge-
Landschaftsmalerei gab. Der eine war Caspar David      Terracina bildet das architektonische      kommen zu sein, ohne von Räubern
Friedrich, der als Vertreter der romantischen,         Gegengewicht zu dieser Landschaft,         ausgeplündert zu werden“. Doch
symbolgeladenen Landschaftsmalerei Willers aller-      die ihre Wirkung vor allem durch           künstlerisch war die Erfahrung der
dings weniger zuzusagen schien, denn der Stu-          die Lichtsituation und die Rhythmi-        griechischen Landschaft vor allem
dent entschied sich, bei dem norwegischen Meister      sierung von hellen und schattigen          für Willers’ Spätwerk prägend: Ab
Johann Christian Dahl zu lernen, dessen Darstel-       Arealen entfaltet. Die kleinen Figuren     1860 überwogen die Darstellungen
lungen eher naturalistisch-monumentalen Charak-        im Vordergrund mögen noch als              Griechenlands, Italien spielte eine
ter hatten. Dahl war es auch, der ihn an die Praxis    letzter Nachklang der idealen Histo-       untergeordnete Rolle. Willers wandte
der Ölskizze heranführte, die zu Willers’ bevorzug-    rien-Landschaft begriffen werden,          die Ölstudien-Technik auch in Grie-
ter Maltechnik wurde.                                  Willers sollte sich aber zukünftig den     chenland an, und seine zahlreichen
   Zurück im Nordwesten entstanden die ersten          menschenleeren Großlandschaften            Zeichnungen und Skizzen münde-
Studien im Neuenburger Urwald bei Varel und im         hinwenden und damit zu den Erneu-          ten, zurück in seinem Atelier in Ol-
Hasbruch bei Hude. Doch hielt es Willers nicht         erern gehören, die eine erhabene           denburg, in dem vier Gemälde um-
lange in seiner Heimat. 1835 siedelte er nach Rom      Landschaftsmalerei vertraten, bei der      fassenden Griechenland-Zyklus, den
über, wo er sich eine Wohnung nahm und die ita-        sich das Heroische allein aus dem          Willers 1867 für das Oldenburger
lienische Landschaft bei Exkursionen nach Oleva-       Formgehalt der Komposition ergibt.         Schloss vollendete. Die menschen-
no Romano, Civitella in Val di Chiana, Cervara di         So viele, vor allem aus Deutschland     leeren, kargen und fast baumlosen
Roma, Tivoli etc., also den einschlägigen Orten, an    kommende Campagna-Maler sich in            Landschaften markieren die end-
denen die deutschen Landschaftsmaler ihre künst-       Italien tummelten, so wenige Künst-        gültige Abkehr von der historisch
lerischen Studien betrieben, erkundete. Er blieb       ler erkundeten Griechenland. Nach-         aufgeladenen Ideal-Landschaft mit

  10 | Kunst
kulturland
                                                                                                                                   4|18

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                                                                                                    Arthur Fitger im Nachruf auf Willers
                                                                                                    fiel zweischneidig aus. Einerseits
                                                                                                    lobte er die künstlerische Qualität vor
                                                                                                    allem der Zeichnungen: „In ganzen
                                                                                                    Haufen haben wir die herrlichsten
                                                                                                    Studien in Kohle und Blei bei ihm ge-
                                                                                                    sehen, Studien von großen­t heils so
                                                                                                    künstlerischer Durchbildung, dass sie
                                                                                                    ein minder strenger Kritiker gar
                                                                                                    wohl für fertige Kunstwerke passie-
                                                                                                    ren lassen könnte. Keiner hat viel-
                                                                                                    leicht mit solcher Meisterschaft die
                                                                                                    Zeichnung beherrscht wie er.“ Auf
                                                                                                    der anderen Seite rügte er das verhält-
                                                                                                    nismäßig kleine Œuvre von etwa 50
                                                                                                    bis 60 ausgeführten Gemälden und
                                                                                                    200 Zeichnungen und Ölstudien:
                                                                                                   „Willers war einer von den Künstlern,
                                                                                                    die für die Welt unglaublich unpro-
                                                                                                    duktiv sind.“ Tragischerweise wurde
                                                                                                   Willers in der weiteren Rezension
                                                                                                    von namhaften Kunstkritikern wie
                                                                                                    Adolf Rosenberg vorgeworfen, kein
                                                                                                    Erneuerer in seinem Fach gewesen zu
                                                                                                    sein. So geriet er schnell in Verges-
                                                                                                    senheit. Es ist daher nur zu begrüßen,
                                                                                                    dass Willers seit einigen Jahren als
                                                                                                    Landschaftsmaler wiederentdeckt,
                                                                                                    die Qualität seiner Werke erkannt
                                                                                                    und dies in zahlreichen Ausstellungen
                                                                                                    und Publikationen gewürdigt wird.
                                                                                                    Zuletzt erschien die Schrift „Ernst
                                                                                                   Willers. Ein Beitrag zur Geschichte
                                                                                                    der Landschaftsmalerei“ von Jörg
                                                                                                    Deuter (Laugwitz Verlag, Buchholz
                                                                                                    in der Nordheide 2017, 52 S., Abb.,
                                                                                                    ISBN 978-3-933077-50-9).
Die Volkserberge von Civi-
tella aus, 1837, Ölfarbe auf   Figuren. Willers monumentale Szenerien bergen jegliche in-          Dr. Anna Heinze ist Kuratorin für die
farbigem Papier auf Lein-
                               haltliche Dimension in sich selbst.                                 Abteilungen Bildende Kunst und
wand, Landesmuseum für
Kunst und Kulturgeschich-         Nach Jahren der Unterstützung und der Aufträge durch den         Kunstgewerbe/Design am Landes-
te Oldenburg.                  Großherzog wurde Willers offiziell zum Hofmaler erklärt.            museum für Kunst und Kulturge-
                               Diese Rolle behagte ihm offenbar weniger. Der Marschendichter       schichte Oldenburg.
Blick auf Terracina, 1843,
Öl auf Leinwand, Landes-
                               Hermann Allmers schrieb 1862 in einem Brief: „Der alte, wa-
museum für Kunst und           ckere Kerl – denken Sie sich welch tragisches Geschick – der gute
Kulturgeschichte Olden-        Kerl ist neulich Großherzoglich Oldenburgischer Wirklicher
burg, Leihgabe der Stif-       Hofmaler geworden; er muss sich seinen Bart stutzen […] und
tung Niedersachsen.
                               hat zum Atelier einen Saal im Schloße erhalten, wo er nicht
Fotos: Sven Adelaide, Lan-     mal rauchen darf. Er soll sehr betrübt ob solch harten Schlägen
desmuseum für Kunst und        sein.“ Dieser Zustand währte allerdings nicht lange, denn Wil-
Kulturgeschichte Olden-        lers‘ Oldenburger Zeit endete 1863, als ihm vom Großherzog die
burg
                               Übersiedlung nach München genehmigt wurde. Dort lebte
                               und wirkte er in Künstlerkreisen bis zu seinem Tod im Jahr 1880.

                                                                                                                            Kunst | 11
kulturland
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Eine Petruspforte für
die Schlosskirche in Varel
Wunsch oder Wirklichkeit?
Von Marianne Janssen

U
                  nübersehbar mitten in Varel steht auf einer           Bedeutende Kirchen und Gebäude präsentieren sich mit
                  leichten Anhöhe die Schlosskirche St. Petri.       entsprechenden Portalen. Doch daran mangelt es der Schloss-
                  Sie prägt das Bild der Stadt und ist seit vielen   kirche, denn der neoromanisch gestaltete Haupteingang
                  Jahrhunderten ihr Wahrzeichen. Aus einer           an der Westfassade kam bei den jahrhundertelangen Umbau­
                  Granitkirche des Jahres 1150 wuchs im Laufe        arbeiten regelmäßig zu kurz und zeigt sich daher wenig ein­
                  der Geschichte ein beeindruckendes Bauwerk         ladend. Tympanon (Schmuckfläche im Bogenfeld) und breiter
mit einer einmaligen und unverwechselbaren Westfassade.              Kämpfer (lasttragender Stein im Bogen) sind durch glatte Gra-
Als Turm und Hauptschiff wegen akuter Einsturzgefahr von             nitplatten angedeutet, die Holztür besteht aus einfach gefüg-
1984 bis 1994 grundlegend saniert wurden, waren nicht nur            ten Brettern.

                                                                     Bronzeportal gewünscht
die Kirchengemeinde, sondern auch Vareler Bürger mit gro-
ßem Engagement und finanzieller Hilfe unterstützend zur
Stelle.                                                              Ein Provisorium also, bis heute. Das soll sich ändern, findet
   Die Vareler lieben ihre Schlosskirche vielleicht auch deshalb,    der Förderverein der Schlosskirche, sprach Künstler an und
weil das trutzige, fast abweisende Gebäudeäußere nur die raue        warb um Ideen für eine repräsentative Portalgestaltung, die
Schale eines weichen Kernes sichtbar macht. Beim Betreten            dem Namenspatron der Kirche, Petrus, gerecht werden soll-
der Kirche entfaltet sie ihren ganzen Charme, auch und vor al-       ten. Der Vorschlag des Potsdamer Bildhauers Professor Carl
lem weil hier einige herausragende Arbeiten des Bildhauers           Constantin Weber überzeugt mit einer bronzenen „Petruspforte“,
Ludwig Münstermann aus dem 17. Jahrhundert in Staunen ver-           auf der Episoden aus dem Leben Petrus eindrucksvoll sichtbar
setzen. Neben Taufstein und Kanzel kann man sich nicht satt          werden.
sehen an der Farbigkeit und dem Detailreichtum des Altars.              Der Stil ist eher expressiv als realistisch, erfordert genaues
Hier hat ein manieristischer Meister aus dem Vollen geschöpft        Hinsehen, wirft Fragen auf. Besondere Wirkung erzielt Weber
und ein großartiges Werk geschaffen, dessen kunsthistori-            mit der Plastizität des Tympanons: Die Figuren lösen sich vom
sche Bedeutung unumstritten ist. Auch Zeitgenossen, die der          Hintergrund und fallen beinahe aus dem Rahmen. Ein Hahn,
überschäumenden christlichen Symbolik nicht mächtig sind,            fast freischwebend im vorderen Bildzentrum, erinnert an Ver-
können versucht sein, die Bildergeschichten zu enträtseln.           rat und Schwäche des Petrus (Matthäus 16, 24–25). Die Tür-
Wer an diesem Ort nicht betet, der meditiert oder staunt zu-         flächen sind in acht plastischen Bildern den vier Evangelien
mindest. Ganz sicher dann, wenn sich der visuelle Eindruck           vorbehalten und zeigen das Leben des Petrus an der Seite Jesu
mit dem auditiven Genuss der imposanten Schuke-Orgel                 in seiner ganzen charakterlichen Ambivalenz: Liebe, Verrat,
verbindet.                                                           Angst, Vertrauen. Der Betrachter der Bronzetür entdeckt in den

Seltene Kirchenanlage
                                                                     biblischen Bildergeschichten zutiefst aktuelle, menschliche
                                                                     Eigenschaften, die versöhnlich stimmen und einladen, die
Eine Kirche wie ein spannendes Lesebuch, mit Architektur-            Kirche zu betreten.
und Heimatgeschichte, die weit über den regionalen Horizont             Leider steht der Realisierung des großartigen Portalentwur-
hinausweist. Als eine der vier Sendkirchen des Bistums Bre-          fes bislang noch eine „Kleinigkeit“ im Wege: die Finanzierung.
men war sie wichtiger Ausgangspunkt für die Christianisie-           Natürlich hofft der engagierte Förderverein, dass mit verein-
rung des Landes. Die rekonstruierte Baugeschichte zeigt die          ten Kräften von Kirche, Stiftungen und Sponsoren die Petrus-
Kirche als Teil einer Gesamtanlage mit Stifterbau und Herr-          pforte Wirklichkeit wird.
schersitz, die bis zum Abbruch der Schlossgebäude im Jahr
1870 in räumlicher Nähe zueinander standen. Solche Anlagen           Marianne Janssen ist Kunsthistorikerin und
sind in Norddeutschland selten.                                      ist im Vorstand des Förderkreises der Schlosskirche.

  12 | Bauwerk
kulturland
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Linke Seite: Die Computer-
simulation des Eingangs-
portals der Schlosskirche
Varel. Foto: Architekt J.
Boner

Das Eingangsportal heute
mit Blick in das Kirchen-
schiff auf den Münster-
mann-Altar. Fotos: Rosen-
dahl Fotografie, Varel

       Bauwerk | 13
kulturland
  4|18

Ein Wort wie
Licht in der Nacht
Von Bischof Thomas Adomeit

N
             icht gerade weihnachtlich erscheint dieses Fenster: keine Krippe,
             kein Stern, keine Hirten oder Könige, nicht einmal ein Kind.
             Die weiß-blauen Schlieren auf der linken Seite muten zwar wie
             eine Schneelandschaft an, und die grauen Wolken oben rechts
erinnern an manch diesigen Winterhimmel über dem Oldenburg Land.
Aber weihnachtlich ist das doch nicht?
   Das Kirchenfenster schmückt erst seit acht Jahren die Heppenser Kirche
in Wilhelmshaven. Als man dort vor ungefähr fünfzehn Jahren die längst
verloren geglaubten Fenster aus dem 19. Jahrhundert wiederentdeckte, ent-
schloss sich die Kirchengemeinde zu einem bemerkenswerten Schritt.
Zum einen sollten die vorhandenen alten Fensterteile restauriert und wieder
eingebaut werden. Zum anderen sollten die fehlenden Teile nach dem alten
Vorbild rekonstruiert und neu gefertigt werden. Schließlich aber sollten –
um nicht einem erneuten Historismus zu verfallen – zwei der vier Fenster
im Altarraum von einem Künstler vollkommen neu geschaffen werden. Den
Auftrag erhielt der Wilhelmshavener Maler und bildende Künstler Hartmut
Wiesner. Er schuf ein Stille-Fenster über dem Taufstein und eben dieses
Wort-Fenster neben der Kanzel.
   Eine Verbindung, ein Brückenschlag zwischen Erde und Himmel. Eine
Leiter, die nicht auf festem Grund steht, sondern die aus dem Winterhimmel
herabgereicht wird. Dort, oben zwischen den Wolken, sind die Sprossen            Wort-Fenster des Wilhelmshavener
am stabilsten, während sie bei uns Menschen unten am brüchigsten sind.           Malers und Künstlers Hartmut Wiesner
                                                                                 neben der Kanzel der Heppenser Kirche.
Was aber da vom Himmel herab auf die Erde kommt, ist eigenartig. Es ist          Foto: Ev.-luth. Kirchengemeinde Heppens
ein Wort und merkwürdigerweise auch noch das Wort „Wort“.
   „Denn als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht in ihrem Gang
die Mitte erreichte, fuhr dein allmächtiges Wort vom Himmel herab, vom           geschieht. Dieses machtvolle Wort wird nun zu
königlichen Thron.“ (Die Bibel, Weisheit 18,14–15a)                              einem Menschen. Ja, Gott selbst wird als Mensch
   Mitten im Winter, wenn die Nacht am längsten ist, feiern wir das Fest der     geboren und kommt auf die Erde.
Geburt Jesu Christi – Weihnachten. In tiefster Dunkelheit kommt das Licht           In Heppens sieht man, was passiert, wenn
der Welt zur Welt. Gott wird Mensch und kommt dorthin, wo es am dun-             Gottes Wort in der Nacht vom Himmel herab-
kelsten ist, wo die Finsternis am meisten schmerzt. Am Heiligen Abend hö-        kommt: Ein Feuerwerk bricht auf der Erde aus.
ren wir in unseren Kirchen, wie der Evangelist Lukas dieses wundersame           Funken sprühen, Kraft und Lebendigkeit strah-
Geschehen in seiner Weihnachtsgeschichte ausmalt: ein unscheinbares              len auf.
Dorf mit einem armseligen Stall und einfachen Schafhirten. Gott kommt               Und tatsächlich schaffte es der Mensch Jesus,
nicht in die Paläste der Reichen und Mächtigen, sondern dorthin, wo es am        unzählige Menschen für Gott und seine Liebe
dunkelsten ist. So vertraut und fast romantisch die Bilder aus der Weih-         zu begeistern. Aus den Jüngern wurden Apostel,
nachtsgeschichte des Lukas sind, so spröde klingen die Worte beim Evan-          aus den Freunden wurden Gemeinden.
gelisten Johannes, die wir am ersten Weihnachtsfeiertag in den Gottes-              Und so feiern wir noch heute, im Jahr 2018
diensten hören:                                                                  nach Christi Geburt, eben diese Geburt, das Wort
   „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. (…) Und das Wort          vom Himmel, das Licht in tiefster Nacht: „Weil
ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“ (Die       Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre
Bibel, Johannes 1,1.14a)                                                         Nacht nicht traurig sein.“ (Ev. Gesangbuch 56)
   Durch das Wort schuf Gott das Licht und die Welt. Denn Gottes Wort ist
nicht einfach nur ein Wort, es hat Kraft und Macht. Gott spricht – und es

  14 | Kunstbetrachtung
kulturland
                                                                                                             4|18

Sprakendag in’t Museumsdörp
in Cloppenborg
Van Christiane Ehlers

                          I
                                n Europa sünd en Barg Spraken tohuus: Kloor, dat gifft de groten Spraken, man
                                ok vele, vele lütte Spraken. Se all maakt de ünnerscheedlichen Klören vun Europa ut.
                                Üm to wiesen, wo wichtig dat is Spraken to lehren, hett de Europaraat den Euro-
                                pääschen Sprakendag inricht. To düssen Akschoonsdag laadt de Bundesraat för Ned-
                            derdüütsch (Bf N) eenmal in’t Johr Plattsnackers ut all acht Bunnslänner in. Düt Johr
                            stünn de Dag ünner dat Motto „Brüchen slaan – Sprache als Brücke“. De Bf N hett in’t
                            Museumsdörp in Cloppenborg en interessant Programm op de Been stellt.
                               Dr. Julia Schulte to Bühne, de Direktersche vun dat Museum, hett mit Vertreders ut
                            de Region över de Bedüden vun Plattdüütsch för de Minschen in de Region snackt un na
                            dat „beste Produkt“ op Platt fraagt. Dorbi is düütlich worrn, in wat för ünnerscheed­
                            liche Delen vun de Gesellschop Platt to finnen is. Allerwegens funkschoneert Spraak as
Baven: De Musikkoppel       Brüch. Dorvun kunnen sik de Besökers bi’t „Speed-Dating“ op Platt övertügen. Fachlüüd
„De Grup“ maakt en          hebbt en Inblick geven to Plattdüütsch un Mehrsprakigkeit in de School, bi de Pleeg,
musaklisch Reis över de
Grenz twüschen Düütsch-
                            in To­samenhang mit Arbeit un Tourismus, bi’t Schrieven vun literarische Texten un bi’t
land un de Nedderlanden.    Översetten.
Musikers ut beide Länner       En heel wichtige Rull speelt de Regionalspraak in’t kulturelle Feld, dat kunnen de
wiest, dat de plattdüüt-    Tokiekers bi dree besünnere Projekten wies warrn. „Ritter Trenk op Platt“, de eerste
sche Spraak twüschen
beide Länner ok en Brüch
                            plattdüütsche Kinofilm för Kinner, hett groten Indruck op dat Publikum maakt. De
ween kann.                  düütsch-nedderlannsche Musikgrupp „De Grup“ hett wiest, dat Spraak ok över Länner-
                            grenzen weg Brüchen boen kann. Un wo goot Musik hölpt, Kinner an Spraken ranto­
Ünnen: In enkelte Koppels   föhren, hett dat Kinnerbook „Kinderleicht & Grenzenlos. Kinderlieder auf Platt, Deutsch
sünd de Besökers bi’t
„Speed-Dating“ wies worrn,
                            und Niederländisch“, rutgeven vun de Emsländische Landschop, düütlich maakt.
wo Spraak en Brüch ween        Dr. Saskia Luther un Heinrich Siefer, de Sprekers vun den BfN freit sik, dat so vele
kann. De Översetter Hart-   Minschen na Cloppenborg kamen sünd: Plattsnackers, man ok Lüüd, de sik för de Regi­o­
mut Cyriacks hett en        nalspraak interesseert. Stütt geven för de Veranstalten hett de Beopdragde vun de
Inblick in sien Wark geven.
Fotos: Bundesraat för Ned-
                            Bunnsregeren    för Kultur un Medien.
derdüütsch
                          Christiane Ehlers, se hett dat Leit vun’t
                          Nedderdüütschsekretariat.

                                                                                            Platt:düütsch | 15
kulturland
  4|18

Das Groninger Forum
Umgestaltung der „guten Stube Groningens“
Von Wolfgang Stelljes (Text und Fotos)

W
                       er in diesen Tagen nach längerer Zeit        Mitgestaltungsmöglichkeiten
                       mal wieder Groningen besucht, der            Ein Ort für Ausstellungen und Filme, Dokumentationen und
                       wundert sich über einen Berg aus Stein       Debatten, Lesungen und Talkshows soll es werden. Offiziell
                       und Glas, der sich mitten in der Stadt       liest sich das so: „Hier werden die Bedürfnisse und Wünsche
                       erhebt. Es ist das Groninger Forum, das      einer neuen Generation befriedigt, die nicht mehr passiv kon-
                       gerade seiner Vollendung entgegen-           sumieren möchte, sondern über die Welt von jetzt und später
strebt und im Herbst 2019 offiziell eröffnet werden soll. Gronin-   selber forschen, erleben, reden und denken möchte.“ An der
gen war schon in der Vergangenheit alles andere als zurück-         Gestaltung des Programms sollen sich auch Initiativen und
haltend, was moderne Bauten betraf, man denke nur an das            Bürgerbewegungen beteiligen können. Und schon seit längerer
Groninger Museum. Doch das Groninger Forum ist noch mal             Zeit steht fest, dass auch das Comicmuseum, jetzt noch am
ein Kapitel für sich, mit einer Höhe von 45 Metern und einer        Westerhaven, und der VVV, also das Tourismusbüro, hier ein-
Gesamtfläche von 17.000 Quadratmetern.                              ziehen werden.

  16 | Unsere Nachbarn
kulturland
                                                                                                                               4|18

   Vor dem Groninger Forum soll der „Neue Markt“
entstehen. Und darunter eine Tiefgarage für                                          Öffentliche Führungen zum Groninger Forum
380 Autos und 1200 Fahrräder. So sieht es der                                        und zur Erneuerung der Ostseite des Grote
Entwurf von NL Architects aus Amsterdam vor.                                         Markt bietet die Stadt Groningen jeweils don-
Der Neue Markt ist der dritte Markt in der Gronin-                                   nerstags um 16 Uhr an.
ger Innenstadt, neben dem Grote Markt und                                            Um vorherige Anmeldung wird gebeten,
dem Fischmarkt, die zusammen schon jetzt den                                         entweder telefonisch unter 0031-50-7600060
zweitgrößten innerstädtischen Markt in Europa                                        oder per E-Mail an
bilden – nur der in Krakau ist größer.                                               info@groningenvernieuwt.nl.

Verschönerung des Grote Markt                                                         Die Führungen starten beim Info-Zentrum
Auch der Grote Markt verändert sein Gesicht,                                          auf dem Grote Markt.
 dank einer neuen „Ostwand“, bestehend aus ei-
 nem Hotel und einem Café und Restaurant, je-
 weils mit einer Fassade aus Back- oder Naturstein
 und großen vertikalen Fenstern – Architektur-
 Fans werden sich an die Amsterdamer Schule er-
 innert fühlen.
    Es war gerade diese Ostseite des Grote Markts,
 die vielen Groningern ein Dorn im Auge war.
 Die „gute Stube Groningens“ war in den letzten
Tagen des Zweiten Weltkriegs stark in Mitleiden-
 schaft gezogen worden. Zwar hatte der „Alte Graue“,
 wie die Groninger liebevoll den Turm ihrer Mar-
 tinikirche nennen, die heftigen Kämpfe in der
 Innenstadt halbwegs unbeschadet überstanden,
 sieht man mal von ein paar Kugeleinschlägen ab.
 Nicht so viel Glück hatten dagegen die alten Gie-
 belhäuser am Markt, von denen etliche zerstört
 wurden – der ursprüngliche Charakter des Mark-
 tes ging verloren.
    Speziell die Ostseite des Marktplatzes wurde
 dann durch eine eher freudlose Nachkriegsbebau-
 ung zu einem Ort, der „eigentlich nie viel Lauf-      Oben: Mirjam de Boer
 publikum angezogen“ hat, wie es in der Broschüre      erläutert deutschsprachi-     der Rat grünes Licht, 2011/2012 wurden die alten
                                                       gen Gästen das Groninger
„Groningen erhält Facelift“ heißt. Kurzum: Es          Forum.
                                                                                     Gebäude abgerissen. Gab es anfangs „viele ableh-
 war „nicht wirklich einladend“. Durch das Gro-                                      nende Stimmen, so ändert sich jetzt die Meinung
 ninger Forum soll der Grote Markt nun „seine          Modell des Groninger          vieler Groninger“, glaubt de Boer, auch weil das
 Proportionen aus der Vorkriegszeit und die intime     Forums, zu sehen im Info-     Forum doch nicht ganz so groß sei, wie manch
                                                       Zentrum auf dem Grote
Atmosphäre zurückerlangen“, so die offizielle          Markt.
                                                                                     einer vielleicht befürchtet habe. Immerhin, zehn
 Darstellung.                                                                        Stockwerke sind es am Ende geworden. Die soll-
                                                       Linke Seite: Blick vom Mar-
Erwartungen
                                                                                     ten ursprünglich bereits 2017 eröffnet werden.
                                                       tiniturm auf das lange Zeit   Da aber die Erde in Groningen in den vergangenen
                                                       umstrittene Bauvorhaben,
Wie der Marktplatz vor dem Krieg aussah und wie        Stand März 2018.
                                                                                     Jahren wiederholt bedenklich bebte, eine Folge
in den Tagen danach, das kann man sich auf                                           der Erdgasförderung in der Region, wurde per
Fotos im provisorischen Domizil des VVV auf dem                                      Referendum entschieden, dass das Gebäude
Grote Markt ansehen. Hier starten auch die Füh-                                      erdbebensicher sein muss. Ein paar Dinge muss-
rungen, bei denen Mirjam de Boer mit ihren Gästen                                    ten also noch angepasst werden. Nun wird man
das Groninger Forum umrundet. Auch de Boer                                           die kulturellen Angebote, den „spektakulären
weiß, dass der Streit um das Groninger Forum                                         Blick“ auf die Altstadt und die Kinoabende auf
jahrelang die Gemüter erhitzt hat. Es gab kaum                                       der offenen Dachterrasse vermutlich ab 2019
ein Thema, das in den vergangenen Jahren so kon-                                     genießen können.
trovers diskutiert wurde wie die Neugestaltung
der „toten“ Ostseite des Marktes. Im Juni 2010 gab

                                                                                                          Unsere Nachbarn | 17
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