EILDIENST 6/2020 - Landkreistag NRW
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EILDIENST 6/2020 Aus dem Inhalt: ● RW-Landräte sprechen mit NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach N über Corona-Folgen ● Schwerpunkt: Interkommunale Zusammenarbeit ● Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände zur Änderung des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen
EILDIENST 6/2020 Auf ein Wort Corona-Pandemie: Testen, testen, testen? Ob jemand mit dem Corona-Virus infiziert ist oder nicht, lässt sich sicher nur nach Durchführung einer entsprechenden Laboruntersuchung sagen. Deswegen kommt den Corona-Tests in der Debatte um die richtige Bekämpfungsstrategie eine zen- trale Bedeutung zu. Die Lockerung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung im Lauf der letzten Wochen erscheint deshalb als vertretbar, weil die Neuinfektionen, also die positiven Testergebnisse, in Deutschland sehr stark zurückgegangen sind. Weil die Bedeutung der Corona-Tests aber so groß ist, ist zu fragen, ob die Heran- gehensweise, insbesondere die Frage, wer getestet wird, richtig ist. Nach einer kur- zen Phase der Knappheit stehen nun ausreichende Testkapazitäten zur Verfügung. Eine Notwendigkeit, Testungen auf Verdachtsfälle, also Fälle, in denen eine corona- typische Symptomatik vorliegt, zu begrenzen, gibt es nicht mehr. Es besteht grund- sätzlich die Möglichkeit, auch weitere Bevölkerungsgruppen, etwa Pflegebedürftige oder das Personal von Pflegeheimen, Schulkinder und Lehrkräfte, Kita-Kinder und Erzieherinnen systematisch ohne Anlass zu testen. Zum Teil wurde und wird dies bereits umgesetzt. So wurde in NRW das Personal, das in Schlachtbetrieben eingesetzt war, nach dem Auftreten entspre- chender Verdachtsfälle einem Reihentest unterzogen. Mehrere Kreise haben Reihentestungen in Pflegeheimen durchge- führt und konnten so frühzeitig Infektionen entdecken und eine Ausbreitung unterbinden. Etliche Kreise und kreisfreie Städte haben seit Mitte März in Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sogenannte Abstrich- oder Diagnosezentren eingerichtet. Diese gab und gibt es zum Teil mit mehreren Standorten, zum Teil als „Drive-In-Station“ und zum Teil mit mobilen aufsuchenden Diensten. Mit ihnen wurde ein wesentlicher Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet. Die KV übernahm grundsätzlich die Abrechnung der Kosten für Tests von Personen, die eine Symptomatik aufweisen. Zum Teil hat sich die Zusammenarbeit mit der KV vor Ort allerdings äußerst schwierig gestaltet. Vielen Kreisen wurden sogenannte Betriebsstättennummern und die erforderliche Abrechnungsausstattung zur Verfügung gestellt. In einigen Kreisen gelang dies nicht. Mitte Mai 2020 kündigte die KV Westfalen-Lippe kurzfristig die Zusammenarbeit in den Abstrichzentren und entzog den Kreisen und kreisfreien Städten die entsprechenden Abrechnungs- möglichkeiten. Erst nach massivem politischen Druck wurde signalisiert, diese Entscheidung vorerst rückgängig zu machen. Hintergrund dieses Sinneswandels könnte eine Rechtsänderung auf Bundesebene sein. Durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020 wird nämlich geregelt, dass der Bundesgesundheitsminister durch Rechtsverordnung bestimmen kann, dass sämtliche Corona-Tests von den gesetzli- chen Krankenkassen finanziert werden müssen, also auch in Fällen, in denen keine Symptome vorliegen. Es ist nicht auszu- schließen, dass im Vorfeld dieser bundespolitischen Entscheidung mit der Zerschlagung der Abstrichzentren Fakten geschaf- fen werden sollten. Die geplante Verordnung hat große Bedeutung für die Ausrichtung der Test-Strategie und damit die Pandemiekontrolle in Deutschland. Bis vor kurzem galt die Devise „Testen, testen, testen“! Dass dieser Ansatz richtig ist, wird jedoch immer mehr in Zweifel gezogen. Anlassunabhängige Tests bestimmter Bevölkerungsgruppen würden immer nur eine Momentaufnahme darstellen. Auch wenn eine solche Teststrategie auf bestimmte Einrichtungen, z.B. alle Pflegeheime konzentriert würde, wäre stets nur die Aussage zu treffen, dass zu einem Tag X in dieser Einrichtung eine bestimmte Infektionszahl vorgelegen hat oder eben nicht. Für eine schlüssige Ausrichtung der Teststrategie kommt den fachlichen Hinweisen des Robert-Koch- Instituts maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend muss sein, dass es keine finanziellen Fehlanreize geben darf. Notwendige Tests dürfen nicht unterbleiben, weil die Etats der gesetzlichen Krankenkassen geschont werden sollen. Sofern das Land die Notwendigkeit erkennt, in bestimm- ten Bevölkerungsgruppen oder Einrichtungen zu testen, müssen von diesem auch die entsprechenden Kosten übernommen werden. Dies hat das Land im Beispielsfall der Schlachtbetriebe so geregelt, was zu begrüßen ist. Auch die Krankenkassen sollten überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, bei der Frage der Finanzierung asymptomatischer Tests zu sparen. Wenn das Pandemiegeschehen sich wieder verschärft, weil etwa ein Ausbruch aufgrund unterbliebener Test nicht rechtzeitig erkannt und eingedämmt werden konnte, werden die kurativen Behandlungskosten, die die Krankenkassen zu tragen haben, sehr viel höher ausfallen. Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 269
Inhalt EILDIENST 6/2020 Kavalleriestraße 8 AUF EIN WORT 269 40213 Düsseldorf ______________________________________________________________ Telefon 0211/ 300 491-0 Telefax 02 11/ 300 491-660 E-Mail: presse@lkt-nrw.de Internet: www.lkt-nrw.de THEMA AKTUELL Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände zur Impressum Änderung des E-Government-Gesetzes Nordrhein-Westfalen 273 EILDIENST – Monatszeitschrift ______________________________________________________________ des Landkreistages Nordrhein-Westfalen Herausgeber: CORONA-KRISE Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein Covid-19 und die Finanzen – Kommunen unter Volllast 274 Redaktion: Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn ______________________________________________________________ Beigeordneter Dr. Kai-Friedrich Zentara Hauptreferent Dr. Markus Faber Referent Karim Ahajlin Ergebnisse der „Heinsberg-Studie“ veröffentlicht 275 Referentin Dr. Andrea Garrelmann Referentin Dorothée Heimann ______________________________________________________________ Pressereferentin Rosa Moya Referent Christian Müller Referent Roman Shapiro Infektionsgeschehen in Schlachtbetrieb hat Folgen für Referent Martin Stiller die Branche und den Kreis Coesfeld 277 Quelle Titelbild: Oberbergischer Kreis ______________________________________________________________ Redaktionsassistenz: Gaby Drommershausen Wie die Kreise in der Covid-19-Pandemie handeln 278 Astrid Hälker Heike Schützmann ______________________________________________________________ Herstellung: ALBERSDRUCK GMBH & CO KG Leichlinger Straße 11 AUS DEM LANDKREISTAG 40591 Düsseldorf www.albersdruck.de NRW-Landräte sprechen mit NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach über Corona-Folgen 282 ISSN 1860-3319 ______________________________________________________________ Kuratoriumssitzung des Freiherr-vom-Stein-Instituts am 6. März 2020 285 ______________________________________________________________ SCHWERPUNKT: Interkommunale Zusammenarbeit Interkommunales: NRW 289 Kreise in Nordrhein-Westfalen ______________________________________________________________ 270
EILDIENST 6/2020 Inhalt Interkommunales.NRW – In Deutschland ganz vorn! 289 ______________________________________________________________ Gemeinsam gegen den Heidebrand 291 ______________________________________________________________ Interkommunale Zusammenarbeit im Rhein-Kreis Neuss 294 ______________________________________________________________ Wissensaustausch im Kreis Paderborn – Der Kreis Paderborn unterstützt die Stadt Paderborn bei der Digitalisierung ihrer Bauakten 295 ______________________________________________________________ Nachwuchsförderung goes interkommunal – ein „Sieben-Meilenstein“ für echte Zusammenarbeit 297 ______________________________________________________________ 10 Jahre ServiceCenter Kreis Wesel – „Wir lieben Fragen!“ 299 ______________________________________________________________ Beihilfeabrechnung in Zeiten von ‚Corona‘ 300 ______________________________________________________________ THEMEN Pionierarbeit im nachhaltigen und digitalen Bauen 302 ______________________________________________________________ Jahres- und Eingliederungsbericht 2019 des Jobcenters Kreis Coesfeld 304 ______________________________________________________________ Auf dem Weg zum Klimaschutzkonzept für den Kreis Unna 305 ______________________________________________________________ IM FOKUS Neue App für den Ennepe-Ruhr-Kreis 307 ______________________________________________________________ 271
Inhalt EILDIENST 6/2020 MEDIENSPEKTRUM 308 ______________________________________________________________ KURZNACHRICHTEN 310 ______________________________________________________________ HINWEISE AUF VERÖFFENTLICHUNGEN 314 ______________________________________________________________ 272
EILDIENST 6/2020 Thema aktuell Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände zur Änderung des E-Government-Gesetzes Nordrhein- Westfalen D as E-Government-Gesetz 08.07.2016 legt die rechtliche vom Grundlage für die Digitalisierung in Nord- die entstehenden Mehrbelastungen auszu- gleichen. das Land hier zentrale Vorgaben für alle staatlichen Schulämter erlässt und eine entsprechende Infrastruktur bereitstellt. rhein-Westfalen. Im Zuge der fortschrei- Dass – entgegen der Ausführungen in der Zum anderen könnte aufgrund der Beson- tenden Digitalisierung in Gesellschaft und Begründung des Gesetzentwurfs – insbe- derheit der staatlichen Schulämter ver- Verwaltung sollen die gesetzlichen Rege- sondere durch die beabsichtigten Neure- mutet werden, dass hier die Kommunen lungen an die geänderten Rahmenbedin- gelungen in §§ 1, 9, 12 EGovG NRW ein verpflichtet werden sollen, die Prozesse gungen angepasst werden. Dazu hat die zusätzlicher, durchaus erheblicher Auf- zu überprüfen und ein geeignetes E-Akte- Landesregierung einen Gesetzentwurf wand entstehen würde, steht für uns außer System einzuführen. Je nach gewähltem in den Landtag eingebracht (Drucksache Frage. Zwar arbeiten viele Kommunen z. B. Ansatz ergeben sich unterschiedliche Aus- 17/8795), zu dem die kommunalen Spit- schon an der Einführung einer elektroni- wirkungen und Kosten für die kommuna- zenverbände folgende Stellungnahme schen Aktenführung, eines entsprechen- le Ebene. Dies sollte dringend klargestellt abgegeben haben: den Dokumentenmanagementsystems werden. Darüber hinaus wird um Klar- und einer digitalen Langzeitarchivierung. stellung gebeten, ob und inwieweit durch Diese Planungen sind jedoch angesichts § 16a der Gesetzesnovelle auch die staatli- Beschleunigung der beschränkter Ressourcen und aufgrund chen Schulämter betroffen sind. Digitalisierung der damit verbundenen organisatorischen Umstellungen durchweg auf einen mehr- Das mit dem Gesetzentwurf verfolgte jährigen Umsetzungszeitraum ausgerich- Servicekonto.NRW Ziel, bis zum Jahr 2025 die Landesverwal- tet. Wenn der Gesetzgeber nunmehr für tung einschließlich der unteren staatlichen bestimmte Aufgabenbereiche einen eige- Zur kostenfreien Nutzung des Service- Behörden zu digitalisieren, ist sehr ambi- nen – deutlich kürzeren – Umsetzungszeit- konto.NRW wird im Gesetzentwurf keine tioniert. So könnten die im Frontend lie- raum vorgibt, müssten entweder die bishe- genaue Aussage getroffen. Es wird per- genden Benutzerschnittstellen zwar digital rigen Planungen der Kommunen vollstän- spektivisch wichtig sein, ob kurz- oder mit- angeboten werden (vgl. hierzu auch die dig überarbeitet und angepasst oder eine telfristig Kosten für dessen Nutzung ent- Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes – parallele Umsetzungsplanung für einzelne stehen. Für eine möglichst flächendecken- OZG), die im Hintergrund laufenden Ver- Bereiche eingeleitet werden. Das wäre de Nutzung ist ein kostenfreies Angebot waltungsprozesse sind aber häufig so kom- nicht nur wenig sinnvoll, sondern erforder- für Kommunen und Infrastrukturträger, plex und vielschichtig, dass eine vollstän- te in jedem Fall zusätzliche finanzielle und wie z.B. Stadtwerke, wichtig. dige Digitalisierung bis 2025 nur schwer personelle Kapazitäten, über die aber die vorstellbar ist. Kommunen in aller Regel nicht verfügen. Weiterhin wird das Servicekonto.NRW Soweit dem in der Gesetzesbegründung als Beispiel für das Once-Only-Prinzip mögliche Einsparpotenziale entgegenge- beschrieben. Unabhängig davon, dass Zusätzlicher Aufwand für die halten werden, löst diese Betrachtung die wir dieses Prinzip befürworten, erlauben Kommunen erforderlichen Investitionen und personel- wir uns den Hinweis, dass das Service- len wie sächlichen Mehraufwände aus. konto aktuell lediglich als Schlüssel für Soweit der Anwendungsbereich des den Zugang zu Dienstleistungen dient. Es E-Government-Gesetzes (EGovG) NRW Es gab gute Gründe, die den Gesetzge- beinhaltet keinen Dokumentensafe und auf bestimmte kommunale Aufgabenfel- ber bei der erstmaligen Einbringung des keine Ablagemöglichkeit für Behördenin- der ausgeweitet werden soll, gehen wir E-Government-Gesetzes NRW seinerzeit formationen (Online-Postfach). Aus die- davon aus, dass den kommunalen Aufga- dazu bewogen haben, auf eine Verpflich- sem Grunde sind Online-Postfächer aktu- benträgern damit ein zusätzlicher Aufwand tung der Kommunen zur elektronischen ell (noch) in dezentralen Serviceportalen aufgebürdet wird, ohne dass wir diesen Aktenführung etc. zu verzichten. Diese hinterlegt. Bei z.B. der Nutzung von fünf derzeit genau abschätzen können. Unter Gründe gelten unverändert fort. Von der Serviceportalen liegen damit die Daten auf diesem Gesichtspunkt begrüßen wir die in mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sechs Servern verteilt - fünfmal auf einem § 26 Abs. 9 EGovG-E NRW vorgesehene beabsichtigten Ausweitung des Anwen- Serviceportal und einmal auf dem Service- Berichtspflicht, weisen aber zugleich dar- dungsbereichs des E-Government-Geset- konto. Möchte ein Nutzer sein Servicekon- auf hin, dass die Berichtspflicht nicht zu zes auf bestimmte kommunale Aufgaben- to löschen, müsste dieser an sechs Stellen einer Aushöhlung bzw. Umgehung des felder, sollte daher abgesehen werden. die Löschung beantragen und beachten, landesverfassungsrechtlich verbürgten Insbesondere mit Blick auf die staatlichen dass das Servicekonto.NRW selbst als letz- Konnexitätsprinzips führen darf. Wir sehen Schulämter geht aus dem Gesetzentwurf tes gelöscht wird, damit der Zugang zu das Land in der Pflicht, in Abstimmung nicht deutlich genug hervor, welche Ebene den dezentralen Portalen erhalten bleibt. mit den kommunalen Spitzenverbänden für die Einführung der elektronischen Akte Im Sinne von Once-Only kann nach unse- bzw. den Kommunen die Kostenfolgen der und die Durchführung der Geschäfts- rer Auffassung das Servicekonto.NRW erst beabsichtigten Gesetzesänderungen zeit- prozessoptimierung verantwortlich ist. Es genutzt werden, wenn über Schnittstellen nah zu klären und in Abhängigkeit hiervon besteht zum einen die Möglichkeit, dass Serviceportale und Verfahren auf dort hin- 273
Thema aktuell • Corona-Krise EILDIENST 6/2020 terlegte Daten, freigegebene Dokumente, zessen beteiligt und ihnen Informationen, Partizipation und Wirtschaftsfreundlich- Online-Postfächer u.ä. zugreifen können. Statistiken und Daten zu allen Lebensbe- keit. Dies erachten wir als wichtigen Schritt. reichen angeboten. In diesem Sinne haben sich die Kommunen im Rahmen des mit Einer gesetzlichen Verpflichtung zur Bereit- dem Land abgeschlossen Open Govern- stellung offener Daten bedarf es vor die- Open Data ment Pakts die Selbstverpflichtung aufer- sem Hintergrund nicht. Dass der vorliegen- legt, eigene Daten unter näher bestimmten de Gesetzentwurf darauf verzichtet (vgl. Die kommunalen Gebietskörperschaften Voraussetzungen frei zugänglich bereitzu- §16a E-GovG-E NRW), ist konsequent und unterstützen die Bereitstellung offener stellen. Damit leisten Kommunen unter ausdrücklich zu begrüßen. Daten (Open Data). Seit langem werden Berücksichtigung ihrer jeweiligen Gege- Bürgerinnen und Bürger sowie Unterneh- benheiten und Möglichkeiten ihren Beitrag EILDIENST LKT NRW men an kommunalen Entscheidungspro- zur demokratischen Teilhabe, Bürgernähe, Nr. 6/Juni 2020 10.55.03 Covid-19 und die Finanzen – Kommunen unter Volllast Die Covid-19-Pandemie hat massive finanzielle Auswirkungen auf die Kommunen: Starken Ausgabenaufwüchsen z.B. im Gesundheitsbereich stehen schmerzende Einnahmerückgänge entgegen. Es bedarf einer detaillierten Diagnose der Mehraufwendungen und tragfähiger Unterstützungsmaßnahmen durch Bund und Land. Ausgangslage Diesen Zahlen liegt eine düstere Progno- lich. Der LKT NRW hatte dazu bereits im se der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung März eine Blitzumfrage unter den Kreisen Die Covid-19-Pandemie nimmt die Finan- zu Grunde: Die Bundesregierung erwartet gestartet. Naturgemäß ergab diese kein zen der Kreise in NRW derzeit aus zwei Sei- für dieses Jahr einen Rückgang des realen vollständiges Bild, einzelne Rückschlüsse ten in die Zange. Einerseits entstehen den Bruttoinlandsprodukts um -6,3 %. Neben ließen sich allerdings ziehen. So äußer- Kreisen zur Bewältigung der Krise zusätzli- den Steuerrückgängen müssen die Kreise ten viele Kreise, dass sie insbesondere che Ausgaben: Vor allem die Gesundheits- sinkende Erträge u.a. bei den ausfallenden durch ausfallende Kita-Elternbeiträge und ämter sind mit kurzfristig dazugewonne- Kitagebühren, den Beiträgen für Musik- ansteigende KdU-Kosten gefordert seien. nen Kräften im Dauer-(wochenend-)ein- schulen und Volkshochschulen sowie im Die Umfrage belegte, dass die wenigsten satz, führen eine Vielzahl von kosteninten- ÖPNV konstatieren. Die geringere Nach- Kreise in aktuellen Liquiditätsengpässen siven Tests durch und kaufen umfangreich frage nach Verwaltungsleistungen wäh- stecken und aktuell nicht prognostizier- Schutzausrüstung. Daneben beteiligen sich rend der Krise (z.B. KFZ-Zulassung) führt bar ist, in welchem Umfang zukünftig die Kommunen zur Hälfte an den Kita- zu einem weiteren Minus. Liquidität benötigt wird. Das MHKBG Elternbeiträgen, um Eltern angesichts der bereitet gerade eine Abfrage zur Kosten- weitgehenden Schließung von Kindergär- Die Covid-19-Pandemie trifft die nord- entwicklung (Personal- und Sachkosten) ten zu entlasten und die Einrichtungsträger rhein-westfälischen Kommunen in einer im öffentlichen Gesundheitswesen in zu unterstützen. Im sozialen Bereich fan- bereits seit langem finanziell angespann- Folge der Pandemie bei den Kommunen gen die Kreise die wirtschaftlichen Folgen ten Situation. Die Städte, Gemeinden und in NRW vor. Die Geschäftsstelle hat die der Pandemie auf, indem sie die – in NRW Kreise tragen aufgrund ihrer jahrelangen Erarbeitung des Fragebogens mit Anre- zwischen Februar und April um 6,3 % strukturellen Unterfinanzierung einen gro- gungen begleitet. gestiegenen – Kosten der Unterkunft nach ßen Berg an Schulden vor sich her, der sie dem SGB II tragen. unter Druck setzt und die Gestaltungsspiel- räume stark einschränkt. Die Kassenkredite Unterstützung durch Land und Dem stehen die wegbrechenden Kommu- der Kommunen in NRW belaufen sich auf Bund naleinnahmen durch geringere Steuer-, etwa 23 Mrd. Euro (Stand 2018, Quelle: Gebühren- und Beitragserträge entgegen. IT.NRW). Vor dem Hintergrund der immensen finan- Die Steuerschätzung vom 14. Mai 2020 ziellen Belastungen richtet sich der Blick prognostiziert die voraussichtlichen Steu- der Kommunen auf Land und Bund. Wie in ereinnahmen für den kommunalen Bereich Datenerhebung der letzten Ausgabe des Eildienstes berich- in 2020 gegenüber den Erwartungswerten tet (vgl. EILDIENST LKT NRW Nr. 5/Mai der Steuerschätzung vom Oktober 2019 Um ein möglichst präzises Bild davon zu 2020, S. 217 ff), haben beide staatlichen um insgesamt -15,6 Mrd. Euro. Gemessen haben, wie stark die Folgen der Covid- Ebenen bereits umfangreiche Rettungs- am Ist-Aufkommen des Jahres 2019 ver- 19-Pandemie auf die Kommunen in NRW schirme gespannt, die Kommunen dabei mindert sich das Steueraufkommen für die ausfallen, sind genaue Daten über die bisher aber weitestgehend im Regen ste- kommunale Ebene um -12,7 Mrd. Euro. krisenveränderte Finanzlage erforder- hen lassen. 274
EILDIENST 6/2020 Corona-Krise Anzuerkennen ist, dass NRW mit der hälf- rung noch mit den Ländern abgestimmten größenordnung von ca. 45 Mrd. Euro an. tigen Übernahme der Kita-Elternbeiträge – Vorschlag für eine kommunale Unter- In ersten Reaktionen haben die gemeind- in Höhe von 156 Mio. Euro mittelbar auch stützung unterbreitet. Der Plan sieht eine lichen Spitzenverbände auf Bundesebene die Kommunen unterstützt hat. Die Lan- Kompensation der Gewerbesteuermin- und die kommunalen Spitzenverbände in desregierung hat darüber hinaus in Aus- dereinahmen von Städten und Gemein- NRW das Konzept als wichtigen Beitrag sicht gestellt, dass sie den im Stärkungs- den i.H.v. 11,8 Mrd. Euro in 2020 durch zur Lösung der ad hoc ausfallenden Steu- pakt Stadtfinanzen befindlichen Kom- hälftig von Bund und Ländern getragenen ereinnahmen sowie der langfristigen Alt- munen insgesamt 342 Millionen Euro zur pauschalierten Zuweisungen vor. Darüber schuldenproblematik begrüßt. Eine detail- Verfügung stellen will. hinaus bietet er eine hälftig durch den lierte Prüfung der Initiative des Bundesfi- Bund und die betroffenen Länder getra- nanzministers wird noch erfolgen. Auf Bundesebene hat Finanzminister Olaf gene Übernahme der kommunalen Liqui- Scholz Mitte Mai 2020 einen grundlegen- ditätskredite ab einem Sockelbetrag von EILDIENST LKT NRW den – jedoch weder in der Bundesregie- 100 Euro pro Einwohner in einer Gesamt- Nr. 6/Juni 2020 20.30.75 Ergebnisse der „Heinsberg-Studie“ veröffentlicht Der Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen war einer der ersten Hotspots des neuartigen Coronavirus‘ SARS-CoV-2. Nach einer Karnevalssitzung Mitte Februar 2020 kam es dort zu einer der ersten massenhaften Ausbreitung des Erregers. Im Rahmen der Studie hatte ein Forschungsteam um Prof. Dr. Hendrik Streeck und Prof. Dr. Gunther Hartmann von der Universität Bonn in der Ortschaft Gangelt eine große Zahl von Einwohnern befragt, Proben genommen und analysiert. Nach einem umstrittenen Zwischenbericht haben die Forscher nun die Ergebnisse der Studie veröffentlicht. Probennahme. Quelle: Oberbergischer Kreis Im Zentrum der Studie steht die Sterblich- keitsrate der Infektion, die den Anteil der Todesfälle unter den tatsächlich Infizierten ersten Mal sehr gut geschätzt werden, wie viele Menschen nach einem Ausbruchs- ereignis infiziert wurden. In unserer Studie Gangelt. Mit der Gesamtzahl aller Infi- zierter kann die Infektionssterblichkeit (IFR) bestimmt werden. Sie liegt für SARS- angibt. „Mit unseren Daten kann nun zum waren das 15 Prozent für die Gemeinde CoV-2 für den Ausbruch in der Gemeinde 275
Corona-Krise EILDIENST 6/2020 Gangelt bei 0,37 Prozent“, sagt Studienlei- bare Krankheitssymptome verläuft, legt sen können. So steht zum Beispiel in Frage, ter Prof. Dr. Hendrik Streeck, Direktor des nahe, dass man Infizierte, die das Virus ob die Studie hinreichend zwischen einer Instituts für Virologie am Universitätsklini- ausscheiden und damit andere anstecken Infektion mit Sars-CoV-2 oder anderen kum Bonn. Mit der IFR lässt sich nach Ein- können, nicht sicher auf der Basis erkenn- Coronaviren unterscheiden konnte und schätzung des Forschungsteams anhand barer Krankheitserscheinungen identifizie- ob eine überstandene Infektion dauerhaf- der Zahl der Verstorbenen auch für andere ren kann“, meint Prof. Martin Exner, Leiter te Immunität bedeutet. Das Infektions- Orte mit anderen Infektionsraten abschät- des Instituts für Hygiene und öffentliche geschehen in Gangelt sei möglicherweise zen, wie viele Menschen dort insgesamt Gesundheit und Co-Autor der Studie. Dies auch nur dadurch positiv beeinflusst wor- infiziert sind. Der Abgleich dieser Zahl mit bestätige die Wichtigkeit der allgemei- den, da schnell Maßnahmen zur Eindäm- der Zahl der offiziell gemeldeten Infizierten nen Abstands- und Hygieneregeln in der mung der Infektionen getroffen wurden. führt zur sogenannten Dunkelziffer. Diese Corona-Pandemie. „Jeder vermeintlich Ebenso sei eine Hochrechnung auf größere ist in Gangelt laut der Studie rund 5-fach Gesunde, der uns begegnet, kann unwis- Bevölkerungsgruppen bei einem Basiswert höher als die offiziell berichtete Zahl der sentlich das Virus tragen. Das müssen wir von nur sieben gemeldeten Todesfällen im positiv getesteten Personen. Legt man für uns bewusstmachen und uns auch so ver- Erhebungsgebiet potentiell fehlerbehaftet. eine Hochrechnung etwa die Zahl von fast halten“, erklärt der Hygiene-Experte. Ebenso kritisch werden die Schlussfolge- 6.700 SARS-CoV-2-assoziierten Todesfäl- rungen zur Infektiosität von Kindern in der len in Deutschland zugrunde, so ergäbe In den untersuchten Mehrpersonen- Gangelt-Studie betrachtet, da die Zahl der sich eine geschätzte Gesamtzahl von rund Haushalten war das Risiko für die Anstec- untersuchten Kinder relativ gering war. 1,8 Millionen Infizierten. Diese Dunkelzif- kung einer weiteren Person überraschend fer ist um den Faktor Zehn größer als die gering. „Die Infektionsraten sind bei Kin- Auch Prof. Hendrik Streeck räumte selbst Gesamtzahl der zum Veröffentlichungs- dern, Erwachsenen und Älteren sehr ähn- ein, dass es sich in Gangelt um ein Mas- zeitraum der Studie offiziell gemeldeten lich und hängen offenbar nicht vom Alter senausbreitungsereignis (ein sogenanntes Fälle. ab“, sagt Prof. Streeck. Es gebe auch keine „superspreading event“) handele, das nur signifikanten Unterschiede zwischen den eingeschränkt auf ganz Deutschland oder Ob die Infektionssterblichkeit, die die Stu- Geschlechtern. andere Länder übertragen werden kann. die für die Gemeinde Gangelt ermitteln Trotzdem würden die nun vorliegenden konnte, bundesweit übertragbar ist, gilt Insgesamt 600 zufällig ausgewählte Haus- Daten zu diesem Ereignis wichtige wis- aufgrund der besonderen Gegenbenheiten halte in Gangelt wurden angeschrieben senschaftliche Ansatzpunkte bieten, weil in Gangelt allerdings als umstritten. Prof. und gebeten, an der Studie teilzunehmen. es sich in Gangelt um ein sehr frühes und Dr. Gunther Hartmann, Co-Autor der Stu- 919 Studienteilnehmer aus 405 Haushal- sehr intensives Infektionsgeschehen in die und Leiter des Instituts für Klinische ten wurden vom 30. März bis 6. April sechs Deutschland handelte. Mit den Zahlen lie- Chemie und Klinische Pharmakologie am Wochen nach dem Ausbruch der Infektion ßen sich zum Beispiel Simulationsmodelle Universitätsklinikum Bonn und Sprecher in Gangelt befragt und getestet. Die Wis- zur Ausbreitung des Virus verbessern. des Exzellenzclusters ImmunoSensation, senschaftler nahmen Rachenabstriche und sagt dazu: „Die Ergebnisse können dazu Blutproben. In der Akutphase der Infek- „Welche Schlüsse aus den Studienergeb- dienen, Modellrechnungen zum Ausbrei- tion in den ersten ein oder zwei Wochen nissen gezogen werden, hängt von vielen tungsverhalten des Virus weiter zu verbes- ist nach Einschätzung der Wissenschaftlier Faktoren ab, die über eine rein wissen- sern – bislang ist hierzu die Datengrundla- der PCR-Test, der den „genetischen Dau- schaftliche Betrachtung hinausgehen“, ge vergleichsweise unsicher.“ menabdruck“ von SARS-CoV-2 erfasst, sagt Prof. Streeck. „Die Bewertung der sehr zuverlässig. Zwei oder drei Wochen Erkenntnisse und die Schlussfolgerungen Die Studie gibt wichtige Hinweise für wei- nach der Infektion bildet das Immunsy- für konkrete Entscheidungen obliegen der terführende Forschung zu SARS-CoV-2, stem sogenannte Antikörper gegen das Gesellschaft und der Politik.“ etwa zum Infektionsrisiko in Abhängig- Virus, die der ELISA-Test erkennt. „Durch keit von Alter, Geschlecht und Vorerkran- die Kombination von PCR- und ELISA- Die maßgebliche Größe zur Beurteilung kungen, zum höheren Schweregrad der Test können wir sowohl akute als auch der Gefährlichkeit kann nicht ausschließ- Erkrankung unter den besonderen Bedin- abgelaufene Infektionen erfassen“, sagt lich an der Zahl der Infektionssterblich- gungen eines massiven Infektionsereignis- Hartmann. Vorstudien zeigten, dass der keit, die als die Zahl der an einer Krankheit ses wie in Gangelt, oder zum Infektionsrisi- ELISA-Test sich in etwa einem Prozent der verstorbenen Patienten geteilt durch die ko innerhalb von Familien. durchgeführten Untersuchungen „irrt“ Zahl der tatsächlich Infizierten definiert und fälschlicherweise eine durchgemach- ist, festgemacht werden. Letztere Zahl ist Auch bei der Symptombeschreibung te Infektion anzeigt. Bei aktuell geplan- wegen der hohen Dunkelziffer unbekannt. konnte die Studie bisherige Erkenntnisse ten deutschlandweiten Studien mit einer Die Gesundheitsbehörden kennen nur die bestätigen und sogar erweiteren. In Gan- geschätzten Infektionsrate von etwa ein Fallsterblichkeit. Sie ist definiert als Zahl gelt zeigten demnach insgesamt 22 Pro- bis zwei Prozent sei dieser messtechnische der verstorbenen Patienten geteilt durch zent aller Infizierten gar keine Symptome; Unsicherheitsfaktor jedoch ein Problem. die Zahl der durch Tests bestätigten Pati- jedoch hatten Personen, die körperliche enten. Die „wahre“ Infektionssterblichkeit Nähe zu anderen hatten oder einer erhöh- Führende Virologen wie Professor Michael lässt sich folglich möglicherweise erst am te Tröpfchenbildung z.B. durch lautes Hallek von der Uniklinik Köln und Profes- Ende der Pandemie zuverlässig bestimmen. Sprechen ausgesetzt waren, einen stär- sor Christian Drosten von der Berliner Cha- Doch ist sie maßgebliche Größe zur Beur- keren Krankheitsverlauf mit häufigeren rité halten die Ergebnisse für nicht reprä- teilung der Gefährlichkeit der Pandemie. Symptomen. Weitere Untersuchungen in sentativ. Sie betonen, dass man einfach Denn nur sie lässt abschätzen, welche Bela- Kooperation mit Spezialisten für Hygie- noch zu wenig über das neue Virus weiß, stungen dem Gesundheitssystem drohen. ne sind nach Auffassung von Prof. Hart- um daraus Rückschlüsse ziehen zu können, mann dringend geboten. „Dass offenbar ob sich die Zahlen aus Gangelt auf NRW EILDIENST LKT NRW jede fünfte Infektion ohne wahrnehm- oder gar ganz Deutschland übertragen las- Nr. 6/Juni 2020 53.40.01 276
EILDIENST 6/2020 Corona-Krise Infektionsgeschehen in Schlachtbetrieb hat Folgen für die Branche und den Kreis Coesfeld Der Kreis Coesfeld musste eine Woche länger als alle anderen NRW-Kreise auf Lockerungen der Corona-Maßnahmen warten. Grund dafür waren eine deutlich erhöhte Anzahl positiver Testungen in einem fleischverarbeitenden Betrieb im Kreisgebiet. K urz nach der Ankündigung weitrei- chender Lockerungen der Corona- Maßnahmen für NRW stiegen die Zahlen nungen, die auch im Kreis Coesfeld ab dem 11. Mai starteten. zu begehen und auf den Infektionsschutz hin zu untersuchen. Bei Fleischbetrieben besteht aufgrund der vielen dort beschäf- der Neuinfizierten im Kreis Coesfeld stark Der Kreis ordnete in Absprache mit dem tigten Werksarbeiter aus dem Ausland an. Am 6. Mai 2020 meldete der Kreis NRW-Gesundheitsministerium und der ein erhöhtes Infektionsrisiko, da diese insgesamt 79 Infizierte bei einem fleisch- Bezirksregierung Münster die sofortige in Gemeinschaftsunterkünften vor Ort verarbeitenden Betrieb in Coesfeld. Die Schließung des Schlachtbetriebs an, dort untergebracht sind. Bereits im April waren Sorge, dass sich die Zunahme der Corona- wurden bis zum Zeitpunkt der Schließung bei einem Fleischproduzenten in Baden- Fälle im Kreis negativ auf die geplanten mehr als 100 Beschäftigte positiv auf Coro- Württemberg rund 150 Mitarbeiter posi- Lockerungen auswirken könne, wuchs. na getestet. Alle Mitarbeiterinnen und Mit- tiv auf Corona getestet worden. NRW- Die Bundesregierung hatte als Vorausset- arbeiter des Betriebs, die überwiegend bei Umweltministerin Ursula Heinen-Esser zung für weitere Lockerungen eine Maxi- Subunternehmen beschäftigt sind, sollten kündigte zudem an, auch die Unterbrin- malgrenze für aktuelle Neuansteckungen getestet werden. Der Kreis hatte bereits gung von saisonalen Erntehelfern zu kon- vorgesehen: Demnach soll die Zahl von damit begonnen und über 650 Abstriche trollieren. Für die Unterkünfte gelten auch 50 Neuansteckungen pro 100.000 Ein- genommen. Bereits nach den ersten Hin- nach der vorgeschriebenen zweiwöchigen wohner über sieben Tage hinweg nicht weisen hatte das Kreisgesundheitsamt eine Quarantäne die gleichen coronabedingten überschritten werden. „Diese statistische aktive Fallsuche betrieben. Hygienevorschriften. Seit April dürfen Ern- Grenze werden wir in diesen Tagen durch tehelfer aus dem Ausland unter strengen das Ausweiten der Testungen wohl über- Um das Infektionsgeschehen in der Beleg- Corona-Auflagen in Deutschland arbeiten. schreiten“, befürchtete Landrat Dr. Chri- schaft und der Bevölkerung einzudämmen, stian Schulze Pellengahr am 7. Mai. Noch wurden Infizierte und direkte Kontaktper- Am 15. Mai 2020 teilte NRW-Gesund- ging der Kreis davon aus, dass die vielen sonen den Vorgaben des Robert-Koch- heitsminister Laumann mit, dass die Lan- Corona-Fälle in einem Betrieb nicht für Instituts entsprechend unter Quarantäne desregierung die bestehenden landeswei- das gesamte Kreisgebiet Konsequenzen gestellt. Zudem wurden Gemeinschaftsun- ten Lockerungen ab dem 18. Mai auch für haben würde. terkünfte überprüft. Das fleischverarbeiten- den Kreis Coesfeld vorsehe. Insgesamt sei de Unternehmen musste einen Hygieneplan die Zahl der Neuinfektionen innerhalb von Einen Tag später war der Grenzwert von aufstellen. Mehr als 250 Mitarbeiter waren sieben Tagen bei 67,3. Rechne man die 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner bei der ersten Testung positiv auf Coro- Mitarbeiter des betroffenen Schlachtbe- innerhalb einer Woche bereits überschrit- na getestet worden. Eine zweite Testreihe triebs heraus, liege der Wert für den Kreis ten und NRW-Gesundheitsminister Karl- wurde initiiert, um die negativ Getesteten Coesfeld bei 7,3. Laumann sprach daher Josef Laumann teilte mit: Die Corona- ein weiteres Mal zu überprüfen. von einem begrenzten lokalen Ausbruchs- Lockerungen, die für den 11. Mai 2020 geschehen. Die Infektionslage beziehe sich NRW-weit geplant waren, sollten im Kreis Der Ausbruch im Coesfelder Betrieb auf die Mitarbeiter eines einzelnen Betriebs Coesfeld um eine Woche verschoben wer- hatte aber auch weitere Konsequenzen und sei nicht auf die restliche Bevölkerung den. Die Gastronomie, Geschäfte mit einer für die gesamte Branche. Bereits am 8. im Kreis Coesfeld übergesprungen. Daher Fläche von mehr als 800 Quadratmetern Mai kündigte Gesundheitsminister Lau- trete dort ab 18. Mai die gleiche Rechtsla- sowie Fitnessstudios durften im Kreisgebiet mann an, alle bis zu 20.000 Mitarbeiter ge ein wie im Rest des Landes. nicht wie geplant öffnen. Auch die Auswei- von Schlachthöfen auf Corona zu testen. tung der Kontaktregeln wurde verschoben. Auch seien die Gesundheitsämter ange- EILDIENST LKT NRW Einzige Ausnahme: die Kita- und Schulöff- wiesen worden, alle Sammelunterkünfte Nr. 6/Juni 2020 53.40.01 277
Corona-Krise EILDIENST 6/2020 Wie die Kreise in der Covid-19-Pandemie handeln Testung aller Mitarbeitenden in Pflegeeinrichtungen schafft Sicherheit: (vorn) Anna Scheer (Arztpraxis Dr. Michael Scheer) und Ralf Wilberg (Vorstand des Westphalenhofes) sowie (hinten, von links) Dr. Ulrich Polenz (Kassenärztliche Vereinigung), Landrat Manfred Müller; Dr. Rudolf Jopen (Praxisnetz), Thomas Schlecking (Betriebsrat Westphalenhof), Ulrike Kahler (Pflegedienst) und Thomas Kintzen (Westphalenhof). Bild: Kreis Paderborn, Bernhard Schaefer ausreichende Zahl von Ärztinnen und Ärz- Daniel Sieveke, beim Gesundheitsmini- Testserie für Pflegeheim- ten für die erforderliche Vornahme von sterium sehr dafür ein, aus der Paderbor- personal im Kreis Paderborn Abstrichen gemeldet. Da Teströhrchen ner Initiative ein permanentes Projekt zu erfolgreich angelaufen und Laborkapazitäten zur Verfügung ste- machen, also kreisweit alle in Pflege- und hen, konnten weit über 1.000 Tests bei Seniorenheimen Beschäftigten, in kurzem Acht Menschen waren im Kreisgebiet nach den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Abstand regelmäßig zu testen“, schließt einer Infizierung mit dem Corona-Virus einer Großzahl von Einrichtungen vorge- Landrat Müller. verstorben. „Alle diese Menschen haben nommen werden“, zeigt Jopen sich sehr sich in einem Seniorenheim infiziert“, kon- angetan. statierte Landrat Manfred Müller. „Ange- Landfrauen spenden Masken sichts des besonders großen Risikos Hoch- Die Hälfte der Testergebnisse liegt bereits betagter ist es unsere gemeinsame Aufga- vor und bislang wurde nur eine Erkrankung Die Corona-Pandemie bedeutet eine her- be, diese zu schützen!“ festgestellt. „Trotzdem stellt unser Perso- ausfordernde Zeit für viele Menschen. nal, das unter voller Anspannung Groß- Die Landfrauen haben ihre Antwort auf Trotz des lang praktizierten Besuchs- artiges leistet, auch eine mögliche Infekti- diese Herausforderung gefunden und tun verbotes „kommt die Gefahr weiterhin onsquelle für die Menschen dar, um die sie das, was sie am besten können: Sich für von außen“ so Manfred Müllers drastische sich aufopferungsvoll kümmern“, ergänzt ihre Mitmenschen einsetzen. Über 5.000 Formulierung. In einer beispiellosen Ralph Wilberg, Vorstand des Pflegeheims Mund-Nasen-Masken haben 200 Land- Zusammenarbeit zwischen Kreis und dem Westphalenhof und Kooperationspartner rauen in nur einer Woche genäht und an Praxisnetz Paderborn konnte kurzfristig des Praxisnetzes. Betriebsratsvorsitzender den Landrat des Kreises Paderborn über- eine Testaktion für Mitarbeiterinnen und Thomas Schlecking und Pflegedienstlei- geben. Mitarbeitern von Senioreneinrichtungen terin Ulrike Kahler bekräftigen, dass man im gesamten Kreisgebiet initiiert werden. aber auch den Kolleginnen und Kolle- „Wir Landfrauen möchten dazu beitra- Dr. Rudolf Jopen vom Praxisnetzwerk gen zum Eigenschutz die entsprechenden gen, dass die Menschen sich und andere Paderborn und Dr. Ulrich Polenz, Kassen- Materialien schuldig sei. schützen und dass das Corona-Virus nicht ärztliche Vereinigung, zeigten sich von weiterverbreitet“, mit diesen Worten über- den Rückmeldungen begeistert. „Binnen „Dr. Jopen und ich setzen uns, zusam- brachte Kornelia Wegener, Kreisvorsitzen- weniger Stunden hatte sich mit 25 eine men mit unserem Landtagsabgeordneten; de des Kreislandfrauenverbandes Pader- 278
EILDIENST 6/2020 Corona-Krise born-Büren, die Masken direkt ins Kreis- haus. Dort wurde er freudig empfangen, denn auch solche selbstgenähten Behelfs- Mundschutze sind zurzeit sehr gefragt. Wie sehr gefragt, erfuhren die Landfrauen schon bei ihrer Materialbeschaffung: „Wir stoßen inzwischen schon auf Materialeng- pässe“, so Kornelia Wegener. „Gummi- bänder sind beispielsweise schon Mangel- ware.“ „In guten Zeiten habe ich immer schon gesagt, dass ich mich auf ´meine Land- frauen` verlassen kann. Und auch in die- sen stürmischen Zeiten sind die Land- frauen ein fester Halt für die Menschen unserer Heimat. Mein Dank geht an alle, die sich im Kreis für ihre Mitmenschen engagieren, beispielhaft aber heute den Landfrauen. Ihr lasst Worten Taten fol- gen!“, kommentierte Manfred Müller die Übergabe. „Da die knappe medizinische Schutzaus- rüstung dem medizinischen Personal Mehrere hundert Tüten mit Teststäbchen und Röhrchen bereiten Andreas Thol, Annika und der Pflege von Corona-Infizierten Muthmann und Vanessa Vahle im Gesundheitsamt des Kreishauses für die Aktion vor. vorbehalten bleiben soll, sind wir sicher, Quelle: Ennepe-Ruhr-Kreis dass unsere Masken helfen, auch in der zweiten Linie Lücken zu schließen. Denn Ennepe-Ruhr-Kreis nahm schnell zu unterbrechen”, betont Michael der Bedarf ist riesig, insbesondere in Schäfer, Leiter des Krisenstabs. den Altenheimen zum Schutz beson- vorsorglich hunderte Proben in ders gefährdeter Bevölkerungsgruppen“, drei Pflegeheimen Der Krisenstab hat sich für die materi- erklärt Landrat Müller. Die von den Land- al- und zeitintensiven Tests entschieden, frauen gespendeten Masken verteilt der Andreas Thol, Vannessa Vahle und Anni- auch, weil die mobile und stationäre Coro- Kreis an Pflege- und Senioreneinrichtun- ka Muthmann standen in aller Frühe im na-Diagnostik des Ennepe-Ruhr-Kreises gen im Kreisgebiet. Wartebereich des Gesundheitsamts im freie Kapazitäten hatte. Schwelmer Kreishaus vor großen Kartons mit Teststäben, Röhrchen und Plastiktü- „Wenn es tatsächlich zu einem Ausbruch ten. Der Mitarbeiter der Personalabteilung in einem Pflegeheim kommen sollte, müs- und die beiden Auszubildenden packten sen wir dort umgehend jeden testen. Dann Stäbchen in Röhrchen, Röhrchen in Tüten, sollten Planung und Abläufe sowie das Tüten in Kisten. Die Kisten wanderten in Zusammenspiel zwischen Gesundheits- DRK-Einsatzfahrzeuge, bestimmt waren amt, ehrenamtlichen Helfern der Hilfsor- sie für drei Seniorenzentren. ganisationen und Einrichtung stimmen. Je sicherer jeder Handgriff, je weniger Sand Weil es in diesen drei Pflegeeinrichtungen im Getriebe, desto höher die Chance, das im Ennepe-Ruhr-Kreis einen bestätigten Infektionsrisiko für alle Beteiligten zu mini- Fall beziehungsweise zwei begründete mieren. Die entsprechenden Erfahrungen, Verdachtsfälle mit negativen Testergeb- wie was im Detail am besten funktioniert, nissen auf eine Infektion mit dem Corona- sollen und können alle Beteiligten jetzt Virus gegeben hatte, ließ der Kreis dort sammeln”, erklärt Schäfer. jetzt sämtliche Mitarbeiter und Bewohner testen. Mit der Aktion verfolgte die Kreis- Während Thol, Vahle und Muthmann verwaltung zwei Ziele: Zum einen soll eine noch packen, besprechen DRK-Mitarbeiter nach wie vor durchaus denkbare Verbrei- auf dem Parkdeck des Kreishauses bereits tung in den Einrichtungen ausgeschlossen die letzten offenen Fragen. Ihre Aufgabe werden, zum anderen dienen die Tests als an Tag 1 der Aktion: Alle Beschäftigten der Übung für den Ernstfall. drei Einrichtungen müssen einen Abstrich erhalten. Dazu zählen neben den Pflege- „Notwendige Quarantäne und Todesfälle kräften unter anderem auch Mitarbeiter in Pflegeheimen in Würzburg, Wolfsburg der Verwaltung, der Haustechnik, der und vielen anderen Städten haben in den Cafés und der Waschküchen. Die Pflege- letzten Tagen sehr eindrucksvoll gezeigt, kräfte wurden geschult, denn sie sollten Landfrauen helfen der Region durch die wie ungemein wichtig es ist, gerade in an Tag 2 die Abstriche bei den Bewohnern Corona-Krise Quelle: Kreis Paderborn solchen Einrichtungen Infektionsketten nehmen. 279
Corona-Krise EILDIENST 6/2020 „Unsere Teams sind normalerweise in Wirtschaftsförderung Oberberg ent – wie kann ich mich schützen? Fragen der stationären Diagnostik am Kreishaus wie diese hören Aranmolate und Szekely beschäftigt”, erklärt Michael Emmert vom und „Das Bergische" unterstüt- zigmal am Tag. Wenn sie um 7.30 Uhr DRK. „Sie haben bereits Erfahrung im zen ortsansässige Gastronomie- ihre Schicht im Gesundheitsamt beginnen, Umgang mit den Corona-Abstrichen und betriebe blinkt der Anrufbeantworter meist schon. wissen, welche Vorsichtsmaßnahmen ein- Schnell sind die beiden Experten geworden, zuhalten sind.” Das gemeinsame Angebot der Wirt- was die Richtlinien des Robert-Koch-Insti- schaftsförderung des Oberbergischen tuts (RKI) betrifft. „Es gibt klare Vorgaben, Die wichtigste Maßnahme: Direkter Kon- Kreises und des Tourismusverbandes nach denen wir entscheiden können, ob takt ist unbedingt zu vermeiden. Die „Das Bergische" haben die ortsansässigen zum Beispiel ein Abstrich genommen wer- Rachenabstriche nehmen die Beschäftig- Gastronomiebetriebe sehr gut angenom- den muss oder eine Quarantäne nötig ist", ten in den Pflegeheimen deshalb selbst men. „Unserem Aufruf, den Kreis über sagt Aranmolate, der im vierten Master- und übergeben die Röhrchen mit den ihre Abhol- und Lieferangebote zu infor- semester Psychologie studiert. In solchen Teststäbchen anschließend einem DRK- mieren sind sehr viele Hotels, Restaurants, Fällen erklären sie den Anrufern, was auf Mitarbeiter in Schutzkleidung. Die Röhr- Gaststätten und Imbisse gefolgt", sagt sie zukommt und nehmen ihre Daten zur chen werden in Kühlboxen zwischenge- Landrat Jochen Hagt. „Die Servicelei- weiteren Bearbeitung ins System auf. lagert. Ist eine Kühlbox voll, fährt eine stungen der Gastronomiebetriebe haben weitere Einsatzkraft sie sofort zur Analyse wir jetzt zusammengestellt, um Bürgerin- Schwieriger wird es beizeiten, wenn sie ins Labor. nen und Bürger darüber zu informieren einem Anrufer den Corona-Test verwei- insbesondere aufgrund der anhaltenden gern müssen, zum Beispiel, weil dieser An Tag 2 haben geschulten Pflegekräfte Einschränkungen durch die Corona-Pan- keinerlei Symptome aufweist, die RKI-Kri- bei den insgesamt rund 400 Bewohnern demie.” terien also nicht erfüllt. „Manche reagieren der drei Einrichtungen Proben genommen. dann erstmal sehr ungehalten", sagt Aran- Mitarbeiter des DRK koordinierten die Eine Übersicht und Informationen des molate. „Ich kann das gut verstehen. Die Aktion vor Ort, nahmen die Proben entge- Gastronomie-Services im Oberbergischen Menschen haben Angst und fühlen sich gen und brachten sie ins Labor. Kreis ist auf www.obk.de/coronavirus allein gelassen." Dann sei es wichtig, die (Rubrik „Gastronomie”) verfügbar. Gründe für die Richtlinien zu erklären und Verständnis dafür zu wecken. Der Märkische Kreis sucht Restaurants, Bars und Cafés bleiben zum Helfer für medizinischen und Teil weiterhin geschlossen. „Auch unse- Auch wenn die Kriterien auf den ersten pflegerischen Bereich re heimische Gastronomie wird durch Blick glasklar erscheinen, helfen sie nicht die Corona-Pandemie auf eine harte immer weiter: „Die Richtlinien können Mit einer neuen Plattform will der Märki- Probe gestellt”, sagt Planungsdezernent noch so gut durchdacht sein, in der Pra- sche Kreis Helfer an Einrichtungen vermit- Frank Herhaus. „Lediglich Lieferservices, xis gibt es trotzdem Einzelfälle, die nicht teln, die personellen Bedarf haben. Das To-Go- oder Drivein-Angebote dürfen ihre ins Schema passen", hat Aranmolate fest- Angebot richtet sich zunächst an Personen Geschäfte fortführen. Mit diesen Konzep- gestellt. Solche Fälle und andere Fragen, mit Qualifikationen in den Bereichen Pfle- ten können jetzt viele heimische Gastro- die sie nicht selbst beantworten können, ge sowie Gesundheit und soll auch mögli- nomiebetriebe ihre gute Küche am Laufen besprechen die beiden Studenten mit den chen Engpässen vorbeugen. halten, ihre Kundinnen und Kunden wei- Mitarbeitern des Bereichs Gesundheitsauf- terhin zufrieden stellen und vielleicht sogar sicht und gesundheitlicher Umweltschutz. Das Coronavirus fordert in vielen Berei- neue Gäste gewinnen.” „Das macht die Arbeit hier sehr span- chen großen personellen Einsatz. Daher nend", findet der 27-Jährige. „Zum einen werden aktuell und zukünftig Personen ist der Überblick über das große Ganze benötigt, um Einrichtungen der gesund- Zwischen Richtlinien und gefragt, zum Anderen auch Kreativität in heitlichen und pflegerischen Versorgung Menschlichkeit: Studenten der Praxis." zu unterstützen oder bei der Kontaktper- sonennachverfolgung im Gesundheitsamt beraten in Corona-Fragen Die Kompetenz im Team Gesundheitsauf- zu helfen. Darüber hinaus gibt es viele Zuhause warten Prüfungsvorbereitun- sicht sei beeindruckend, sagen beide Stu- Mitmenschen, die sich in dieser Zeit enga- gen und eine Masterarbeit auf sie, aber in denten übereinstimmend. Ebenso wie der gieren wollen. Auf der Homepage des Corona-Krisenzeiten wollen Kristof Szeke- Umgang mit den Menschen. Das sei ihnen Kreises finden Interessierte eine Plattform, ly (25) und Lanre Aranmolate (27) noch schon an ihrem ersten Tag in der Kreis- falls sie sich zur Verfügung stellen möch- mehr leisten: Die beiden Studenten der verwaltung aufgefallen, als sie den Kolle- ten. Einrichtungen haben die Möglichkeit Universität Witten/Herdecke arbeiten täg- gen beim Beantworten von Bürgerfragen Unterstützungsbedarf zu melden. Die Ver- lich im Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr- zuhörten. „Es hat mir sehr gut gefallen, mittlung zielt ab auf Personen mit pflegeri- Kreises und beraten Bürger in Corona-Fra- dass die Mitarbeiter hier versuchen, bei schen und medizinischen Qualifikationen. gen. Dabei haben sie schnell festgestellt: allen Richtlinien auch die Situation der Neben fachlicher Kompetenz ist bei den Menschen zu sehen und darauf einzuge- Auf eine Meldung folgt nicht unmittelbar Gesprächen vor allem Einfühlungsvermö- hen”, sagt Aranmolate. eine Antwort oder wird direkt in Anspruch gen gefragt. genommen. Aber: jede Anfrage wird ange- Weil dies auch den beiden Studenten nommen und bearbeitet. Das Angebot soll Ich fühle mich krank – kann ich einen selbst sehr gut gelingt, weil sie sich als außerdem Vorsorge treffen für mögliche Abstrich bekommen? Ich war in Holland äußerst engagiert und zuverlässig erwie- personelle Engpässe durch das Coronavirus – muss ich jetzt in Quarantäne? Ich habe sen haben, sind sie für das Gesundheitsamt und richtet sich ausdrücklich nicht nur an eine Physiotherapie-Praxis – wie komme des Ennepe-Ruhr-Kreises ein Glücksgriff. ehrenamtliche Helfer. ich an Schutzmaterial? Ich bin Risikopati- „Weil sie ganz am Ende ihres Studiums ste- 280
EILDIENST 6/2020 Corona-Krise hen und bereits umfangreiche Fachkennt- Der Rhein-Sieg-Kreis hat das System ins nicht zur Existenzsicherung ausreichen. nisse haben, können sie unsere Arbeit sehr Medienzentrum integriert und dem Bedarf Die bislang vorliegenden Anträge kom- gut unterstützen. Das ist im Moment viel der Schulen angepasst. Als Alternative zu men aus allen 16 Kommunen im Kreisge- wert”, sagt Astrid Hinterthür, Leiterin des kommerziellen Videokonferenzsystemen biet. Bei der Soforthilfe handelt es sich um Fachbereichs Soziales und Gesundheit läuft es auf der Basis einer Open-Source- einen einmaligen, nicht zurückzahlbaren sowie des Krisenstabs. Und weil die Verun- Software, liegt auf deutschen Servern und Zuschuss von bis zu 7.500 Euro pro Unter- sicherung in der Bevölkerung noch immer ist datenschutzrechtlich unbedenklich. nehmen oder Freiberufler aus dem Kreis groß ist, wird das Team ab der nächsten Lehrkräfte, die das neue System für ihren Kleve. Die Antragstellerinnen und Antrag- Woche noch einmal aufgestockt. Dann Unterricht nutzen wollen, werden seit steller kommen verstärkt aus den Berei- unterstützen zwei weitere Studentin- Anfang dieser Woche in insgesamt zehn chen Handel, Dienstleistungen, Gastrono- nen der Universität Witten/Herdecke das Online-Seminaren mit der Handhabung mie, Landwirtschaft und Gartenbau. Auf Gesundheitsamt. vertraut gemacht. der Homepage des Kreises Kleve (www. kreis-kleve.de) gibt es einen Direktlink zum Für Aranmolate und Szekely ist derweil Von den 200 Schulen im Rhein-Sieg-Kreis Soforthilfeprogramm. klar: Sie bleiben, solange sie gebraucht mit über 75.000 Schülerinnen und Schü- werden. „Jeder kann sich in dieser Situa- lern nutzen bereits viele Einrichtungen die tion irgendwie einbringen. Als Medizin- kostenlosen Angebote des Medienzen- Gemeinsame Aktion gegen student halte ich es für selbstverständlich, trums. Die Lehrkräfte haben einen persön- „Häusliche Gewalt“: Apothe- dass ich meine Hilfe an einer Stelle anbiete, lichen Zugang zu tausenden Lerninhalten, ken im Rhein-Sieg-Kreis helfen an der meine medizinischen Vorkenntnisse wie z.B. Videos, Grafiken oder Arbeitsblät- gut eingesetzt werden können”, sagt Sze- tern. Diese Inhalte sind speziell für den Mit den Ausgangsbeschränkungen in der kely. Und Aranmolate ergänzt: „Um die Unterricht produzierte Medien, für die Corona-Krise steigt das Risiko, dass Frau- Krise besser zu bewältigen, brauchen wir der Rhein-Sieg-Kreis Lizenzen erwirbt und en Opfer häuslicher Gewalt werden. Die einfach an vielen Stellen Freiwillige.” ebenfalls rechtssicher zur Verfügung stellt. Frauenberatungsstellen im Rhein-Sieg- Lehrerinnen und Lehrer stellen aus den Kreis und der Runde Tisch gegen häusliche Stichwort: CoronAid unterschiedlichen Modulen Lernlisten Gewalt haben jetzt mit Unterstützung hie- Wenige Tage nachdem Mitte März alle zusammen, bereiten sie für ihre Klasse, siger Apotheken eine neue Informations- Schulen und Universitäten geschlossen Lerngruppe oder einen kompletten Jahr- kampagne gestartet. wurden, gründete Dr. Christian Scheffer, gang auf und leiten den Schülerinnen und Oberarzt am Gemeinschaftskrankenhaus Schülern einen Zugangscode weiter. Über Bei den Anlaufstellen ist die Befürchtung Herdecke und Dozent an der Universität ihre eigenen Geräte (Tablet, PC, Smart- groß, dass durch die Ausgangbeschränkun- Witten/Herdecke, die Initiative CoronAid. phone) greifen die zu Hause auf die Inhalte gen und die unfreiwillige Nähe in Familien Freiwillige Studierende sollen je nach Qua- zu und lernen den Stoff. und Beziehungen die Fälle von häuslicher lifikation an verschiedenen Stellen einge- Gewalt zunehmen. Zudem können die setzt werden, um bei der Bewältigung der Kontaktbeschränkungen erst recht dazu Corona-Krise mitzuhelfen. Innerhalb kür- Weitere 2 Mio. Euro für das zester Zeit meldeten sich 300 Studierende. Corona-Soforthilfeprogramm Sie arbeiten zum Teil in Krankenhäusern des Kreises Kleve und Notfallambulanzen, unterstützen aber – wie beim Gesundheitsamt der Kreisver- Das Corona-Soforthilfeprogramm des waltung – auch in der Beratung. Kreises Kleve war am 1. April 2020 mit einem Fördervolumen von 2 Mio. Euro gestartet (vgl. EILDIENST LKT NRW Nr. Lernen per Videokonferenz: 5/Mai 2020, S 234). Die Unternehmerin- Rhein-Sieg-Kreis erweitert Ser- nen und Unternehmer aus dem Kreisgebiet vice des Medienzentrums für fragten und fragen dieses Programm nach wie vor sehr stark nach. Da die ausgezahl- alle Schulen ten Hilfen bereits jetzt ein Gesamtvolumen Als erster Kreis in Nordrhein-Westfalen von 1.749.339 Euro haben, wurde ein wei- stellt der Rhein-Sieg-Kreis allen Schulen terer Dringlichkeitsbeschluss erforderlich. im Kreisgebiet ein neues datenschutzkon- Landrat Wolfgang Spreen und die sechs formes Modul zur Videokommunikation Vorsitzenden der im Kreistag vertretenen zur Verfügung. Lehrkräfte können über Fraktionen beschlossen heute ein weiteres das Medienzentrum des Kreises den Dis- Hilfspaket von 2 Mio. Euro, sodass das Pro- tanzunterricht um ein wichtiges Instrument gramm des Kreises Kleve nun ein Gesamt- erweitern. volumen von 4 Mio. Euro aufweist. Die zusätzlichen Mittel werden über den lau- „Dieses zusätzliche Angebot des Medien- fenden Haushalt bereitgestellt. „Die wei- zentrums bedeutet eine erhebliche Erleich- teren Hilfen sind notwendig, um weiteren terung für den Online-Unterricht der Schu- gefährdeten Betrieben und Freiberuflern len”, sagt Kreis-Schuldezernent Thomas im Kreis Kleve schnell helfen zu können“, Wagner. „Damit ist es möglich, innerhalb so Landrat Wolfgang Spreen. Das Hilfspro- der Lerngruppe nicht nur auf bestimmte gramm des Kreises Kleve greift weiterhin Flyer mit Informationen zu Anlaufstellen Medien zurückzugreifen, sondern auch nachrangig und erst dann, wenn andere für Opfer von häuslicher Gewalt. miteinander zu kommunizieren.” Hilfsprogramme von EU, Bund und Land Quelle: Rhein-Sieg-Kreis 281
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