Innovationen Forschendes Lernen Innovation Communities Zukunftsfeld Bionik - EPub Bayreuth
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12. Jahrgang . Ausgabe 1 . Juli 2016 Impulsgeber UniversitAt Forschendes Lernen Seiten 14-17 Wirtschaft & Recht Innovation Communities Seiten 42-45 Mensch Natur & Technik Thema Zukunftsfeld Bionik Seiten 54-57 Innovationen
Grusswort Liebe Leserinnen und Leser, U nsere neue SPEKTRUM-Ausgabe möchte Ihnen einen Eindruck davon vermitteln, welche zentrale Bedeutung das Thema „Innovatio- Besonders wichtig ist es für uns, den Innovations- geist von Studierenden, Lehrenden und Forschen- den anzuspornen, ihnen Freude und Begeisterung nen“ für die Universität Bayreuth hat. Und ich darf am Neuen zu vermitteln. „Ich weiss nicht, ob es Ihnen gleich versichern: Was Sie auf den folgen- besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss den Seiten sehen werden, ist nur eine kleine Aus- anders werden, wenn es besser werden soll“, hat wahl aus den innovativen Ideen, Entwicklungen Georg Christoph Lichtenberg, Experimentalphy- und Zukunftsprojekten, die Sie bei einem persönli- siker in Zeiten der Aufklärung, erklärt. Damit es chen Besuch auf unserem Campus erleben können. tatsächlich besser wird, sind heute überall starke Fachkompetenzen, wissenschaftliche Kreativität Die Universität Bayreuth befasst sich in ihrer For- und Verantwortungsbewusstsein gefragt. Innova- schung unter vielen Aspekten mit der Frage, wie tiv daran mitwirken zu wollen, dass sich die Welt Innovationen entstehen und wie sie nachhaltig zum Besseren entwickelt: Das ist keine gut gemein- Prof. Dr. Stefan Leible, erfolgreich sind. Dabei ist sie selbst seit vier Jahr- te Schwärmerei, sondern eine ebenso fordernde Präsident der Universität zehnten hochinnovativ: Mit zukunftsweisenden wie spannende Zukunftsaufgabe. Bayreuth. Studienprogrammen im Bachelor- und Masterbe- reich, neuen Strukturen in der Graduiertenausbil- Diese Herausforderung mit Vernunft, frischen dung und exzellenten Forschungskompetenzen Ideen und einem Blick auf künftige Generationen besitzt sie eine große Anziehungskraft für junge anzugehen – wer könnte dies besser als eine junge Talente aus dem In- und Ausland. Zudem ist sie Campus-Universität? ein vielgefragter Partner für die Industrie und die mittelständische Wirtschaft. Gerade weil sich die Viel Freude bei der Lektüre wünscht Ihnen Universität Bayreuth international an Top-Stan- dards orientiert, kann sie nachhaltig in der eige- Ihr nen Region wirken. Prof. Dr. Stefan Leible Präsident der Universität Bayreuth Weitere SPEKTRUM-Ausgaben Auf der Homepage der Universität Bayreuth finden Sie unter anderem auch die vorigen SPEKTRUM-Ausgaben zu den folgenden Themen: 2/2015: Digitalisierung 1/2015: Kulturbegegnungen und transkulturelle Prozesse 2/2014: Energie 1/2014: Recht und Moral 1/2013: Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften • www.uni-bayreuth.de/de/universitaet/presse/spektrum 2 Ausgabe 1 . 2016
Editorial D ie Campus-Universität Bayreuth hat sich in den letzten 40 Jahren zu einer der führen- den Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland wesentlichen Beitrag zur Entstehung von Wissen, Innovationen und Wirtschaftskraft in und für Ober- franken zu leisten. entwickelt und belegt auch in internationalen Ran- kings immer wieder Spitzenpositionen. Forschung Die nachhaltige Umsetzung von Wissen und Inven- und Lehre sind nach wie vor ihre Kernaufgaben. tionen in Innovationen setzt unternehmerisches Gleichzeitig aber sind wichtige zusätzliche Tätig- Denken und Handeln voraus. Ziel muss es sein, keitsfelder im Bereich des Wissens- und Techno- kreative Köpfe und junge Unternehmen nach ih- logietransfers hinzugekommen, die allgemein als rer Ausbildung bzw. ersten Gründungsphase durch „dritte Mission“ bezeichnet werden. Hier entfaltet attraktive Karriereangebote bzw. durch attraktive die Universität Bayreuth bereits seit Jahrzehnten Beratungs- und Ansiedlungsoptionen zu binden. zahlreiche Aktivitäten. Zudem haben sich auf dem Daran wird die Universität Bayreuth in Zukunft Campus und in direkter Nachbarschaft zur Universi- verstärkt arbeiten. Eine Innovationswerkstatt auf tät neue Forschungseinrichtungen und Kompetenz- dem Campus und ein Regionales Innovationszent- Prof. Dr. Torsten Eymann cluster etabliert. Durch Forschungskooperationen rum könnten wichtige Schritte sein. ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der können Unternehmen von ihnen unmittelbar pro- Universität Bayreuth. fitieren und eigene Wettbewerbsvorteile sichern. Mit besten Grüßen Diese Erweiterung des Aufgabenspektrums ist auf- Ihr grund der demographischen Entwicklungen von zentraler Bedeutung. Während deutschlandweit Großstädte und Verdichtungsräume an Bevölke- rung gewinnen, verlieren die ländlichen Räume Prof. Dr. Torsten Eymann vielerorts junge erwerbstätige Einwohner. Der Vizepräsident der Universität Bayreuth Universität Bayreuth ist es ein zentrales Anliegen, für den Bereich Informationstechnologie dieser Entwicklung entgegenzuwirken und einen und Entrepreneurship Impressum Spektrum-Magazin der Universität Bayreuth Auflage: Redaktionsleitung: 2.000 Stück Christian Wißler (V.i.S.d.P.) Herausgeber: Druck: Universität Bayreuth bonitasprint gmbh, Würzburg Zentrale Servicestelle Presse, Satz und Layout: Marketing und Kommunikation GAUBE media agentur, Bayreuth 95440 Bayreuth Telefon (09 21) 5 07 14 41 Christian Wißler M.A., Titelseite: Durch Walzenpressen Telefon (09 21) 55 - 53 56 / - 53 24 spektrum@gaube-media.de Fachwirt Public Relations hergestellte Glaskugeln (Foto: (BAW), Zentrale Servicestelle Lehrstuhl für Werkstoffverarbeitung, Telefax (09 21) 55 - 53 25 Bildquellen-Kennzeichnung: PMK der Universität Bayreuth, Universität Bayreuth). pressestelle@uni-bayreuth.de Abb. links: Ausschnitt aus der ‚Sonnen- sst: www.shutterstock.com Wissenschaftskommunikation. scheibe‘ des Glaskünstlers Florian Lech- ner vor der Fakultät für Ingenieurwis- Alle Beiträge sind bei Quellenangaben und Belegexemplaren frei zur Veröffentlichung. senschaften (Foto: Christian Wißler). Ausgabe 1 . 2016 3
Thema Innovationen 2 Grußwort Prof. Dr. Stefan Leible Präsident der Universität Bayreuth 3 Editorial Prof. Dr. Torsten Eymann, Vizeprä- sident der Universität Bayreuth für 18 Flitterwochen, Krise, Sieg den Bereich Informationstechnolo- Internationale Studierendenteams gie und Entrepreneurship entwickeln innovative 3 Impressum Geschäftsideen 4 Inhaltsverzeichnis 22 Innovative Konzepte in der Weiterbildung Akademische Weiterbildung Impulsgeber Universität als Innovationsfaktor der 18 Universität Bayreuth 6 Innovative Universitäten Wettstreit und interkulturelle Zusammenarbeit las- Wie und warum Universitäten sen neue Geschäftsideen entstehen (Foto: J. Quarton). die Welt verändern können 10 Kreativ durch Vernetzung: 14 Forschendes Lernen Die Campus-Universität Bayreuth Die Universität Bayreuth – Interview mit Prof. Dr. ein Innovationszentrum für Claas Christian Germelmann das Bildungssystem 22 Innovationsfaktor Weiterbildung: Graduiertenfeier der Campus-Akademie (Foto: Christian Wißler). 26 TechnologieAllianzOberfranken Innovationen durch Hochschulkooperationen 30 Innovationen für den Mittelstand 10 Eine Anwenderfabrik demonstriert Das Campusrondell der Universität Bayreuth: Treffpunkt für kreativen Austausch (Foto: Lili Nahapetian). neue ,Industrie 4.0‘-Technologien 4 Ausgabe 1 . 2016
Inhaltsverzeichnis In einem Chemielabor auf dem Bay- reuther Campus (Foto: Lili Nahapetian). Mensch, Natur & Technik 54 Zukunftsfeld Bionik Innovative Materialforschung made in Bayreuth „Man muss etwas 58 Polymere: Werkstoffe der Zukunft Neues machen, Industrienahe Forschung für maßgeschneiderte Kunststoffe um etwas Neues 62 Energieeffiziente Gebäude zu sehen.“ Von materialwissenschaftlichen Konzepten zu innovativen Georg Christoph Lichtenberg Produkten 58 Polymerschäume bieten eine hohes Potenzial zur Energieeinsparung (Foto: Christian Wißler). 66 Ökologie innovativ Im Fokus: Lebensqualität und 66 ökologische Dienstleistungen Von Satelliten gelieferte Messdaten werden im EU-Projekt ECOPOTENTIAL mit Messdaten in Schutzgebieten Europas aus der Geländeforschung abgeglichen (Fotomontage mit dem © ESA–Pierre Carril). 70 Innovationen in afrikanischen Gesundheitssystemen Wirtschaft & Recht Die Einführung von 50 Exzellente diagnostischen Schnelltests Forschungstechnologie in der Malariakontrolle 34 Familienunternehmen Mit magnetischer Kernresonanz- Chancen durch Innovationen spektroskopie zu innovativen Produkten und Dienstleistungen Kunst jenseits von neuen Technologien 38 Corporate Digital Responsibility Den digitalen Wandel von 74 Afrikanische Kunst Unternehmen und Gesellschaft als innovative Kraft erfolgreich gestalten Interview mit Prof. Dr. Bernd Kleine-Gunk 42 Innovation Communities Neue Forschungsergebnisse zu den 79 Artists in Residence Erfolgsfaktoren von Innovationen Kreativität im Iwalewahaus 46 Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung 46 Gesetzliche Regelungen im Patentämter: öffentlich zugängliche Archive des Fort- Holzfigur des tansanischen Zeitalter der Digitalisierung schritts (Foto: Beek100 / Wikimedia / CC-BY-SA-3.0). Künstlers George Lilanga. Ausgabe 1 . 2016 5
Impulsgeber Universitat Matthew Braham Innovative Universitäten Wie und warum Universitäten die Welt verändern können Interdisziplinäre Spring School in Mumbai/Indien zum Thema „Individual Choices and Collective Decisions“ im Mai 2016. Der Bayreuther Master-Studiengang „Philosophy & Economics“ hat die Veranstaltung, die von der Wissen- schaftsstiftung Oberfranken gefördert wurde, gemeinsam mit niederländischen und indischen Partnern organisiert (Foto: Mariam Haydeyan).
E unsere gesamte Persönlichkeit prägt. Sie bezieht ine innovative Universität – was ist das? Es individuelle und soziale Aspekte unseres Lebens gibt viele Wege, an diese Frage heranzu- aufeinander und befähigt uns, innovative Ideen gehen. Zunächst einmal liegt es nahe, Strukturen, zu entwickeln und umzusetzen. Wer sich in der Aktivitäten und Leistungen einer Universität unter Philosophie- und Bildungsgeschichte des 20. Jahr- die Lupe zu nehmen: die Organisation, das For- hunderts auskennt, merkt schon: Dieser Vorschlag schungsprofil, die Studienprogramme, die Beru- steht in der Tradition des bedeutenden U.S.-ame- fungspraxis oder auch die Kooperationen mit der rikanischen Philosophen und Bildungsreformers Industrie. Steht die Universität mit ihrer Forschung John Dewey. Was aber ist reflektierende Vernunft? an der Spitze des technologischen Fortschritts? Sehen wir genauer hin, können wir vier Aspekte Autor Wendet sie sich drängenden Problemen in der Ge- unterscheiden: sellschaft zu? Was tut sie für ihre Studierenden und ihre Beschäftigten? Aufspüren von Möglichkeiten: Reflektierende Ver- nunft hält uns immer wieder dazu an, den Blick Doch wir können die Frage, was eine innovative nicht allein auf das zu richten, was ist. Sie lässt uns Universität ist, auch aus einem anderen Blickwin- Möglichkeiten bedenken, wie das, was ist, anders kel betrachten. Statt nur darauf zu achten, was an sein könnte oder sollte – und macht uns damit kre- sichtbaren Ergebnissen aus einer Universität ‚her- ativ in allen Lebensbereichen. Wir öffnen uns für auskommt‘, können wir uns ihrem innersten Kern Neues und bemerken, dass der Fortschritt des Wis- zuwenden, genauer: ihren Werten, ihren Grundsät- sens nie abgeschlossen ist. Mit dieser Offenheit, zen, ihrer Strategie. Ähnlich verfahren wir ja auch, die mögliche Alternativen stets in Betracht zieht, wenn wir uns ein Bild vom Charakter einer Person verhilft uns reflektierende Vernunft zu gut begrün- machen wollen: Dann interessieren uns nicht (nur) deten Urteilen und Entscheidungen. Sie schärft das Prof. Dr. Matthew Braham ist Professor für Politische einzelne Handlungen, viel wichtiger erscheint uns Bewusstsein für die Qualität von Argumenten und Philosophie und Moderator des Stu- die moralische Integrität der Person insgesamt. ist damit weit entfernt von einer bloßen „Anything diengangs „Philosophy & Economics“ goes“-Attitüde. an der Universität Bayreuth. In vergleichbarer Weise können wir fragen, wofür eine Universität steht, was die eigentliche Quelle Thematisierung von Wissen: Wenn wir vertiefte Übersetzung des Beitrags aus dem ihrer Aktivitäten in Forschung und Lehre ist. An- Fachkenntnisse in einer wissenschaftlichen Diszip- Englischen: Christian Wißler. knüpfend an moralphilosophische Traditionen, lin erworben haben, sind wir mit deren Inhalten, können wir von der „Maxime“ einer Universi- Methoden und Zielen vertraut. Aber machen wir tät sprechen. Oder, mit einer modernen Rede- sie im akademischen Alltag zum Gegenstand be- wendung, von ihrem „Mission statement“. Viele wusster Überlegungen? Erst wenn wir reflektieren- Hochschulen sind heute mit solchen „Mission de Vernunft entwickelt haben, weitet sich unser statements“ unterwegs und sprechen diesem Zu- Horizont: Wir beginnen zu verstehen, was Wissen- sammenhang beispielsweise von einer „Steigerung schaft ist. Zugleich lernen wir, unser Fachwissen im der Absolventenzahlen“ oder einer „Verringerung Spektrum der verschiedenen Disziplinen einzuord- der Studiendauer. nen. So werden wir uns der erklärenden und pro- gnostischen Kraft, aber auch der Grenzen unserer Fachkompetenzen bewusst. Mehr noch: Wir entwi- Reflektierende Vernunft: ckeln ein Gespür dafür, welche wissenschaftlichen Ein strategischer Ansatz und welche praktischen Folgen es für unsere jewei- lige Disziplin hat, wenn wir darin grundlegende Worin also besteht der Charakter einer innovativen Voraussetzungen ändern oder neu etablieren. Universität? Der Antwortvorschlag, der im folgen- den weiter ausgeführt und begründet werden soll, Integration von Wissen: Reflektierende Vernunft mag zunächst überraschen: befähigt uns, besser zu verstehen, wie sich unsere eigene wissenschaftliche Disziplin zu benachbarten Eine Universität ist innovativ, wenn sie sich Disziplinen verhält. Wir schauen über die Grenzen eine grundlegende Maxime zu eigen macht: des eigenen Faches hinaus und überlegen: Wo reflektierende Vernunft zu fördern. gibt es Überlappungen mit anderen Fächern, wo greifen Forschungsaktivitäten in benachbarte Fä- Das Ziel ist damit die Herausbildung einer Weise cher aus? Je klarer das Bild ist, das wir von sol- zu denken, zu argumentieren und zu urteilen, die chen Wechselbeziehungen zwischen den Fächern Ausgabe 1 . 2016 7
Impulsgeber Universitat gewinnen, desto besser gelingt es uns, Wissen sam: Sie bewirkt, dass wir mit dem intellektuellen und Methoden aus einer benachbarten Disziplin Habitus, den wir uns als Wissenschaftler und Stu- zu übernehmen und in die eigenen Fachkompe- dierende im Rahmen einer bestimmten Disziplin tenzen zu integrieren. Und desto besser sind wir angeeignet haben, einen Platz in der Gesellschaft auch imstande, eigenes Fachwissen und eigene finden, wo wir uns sozialen und politischen Fra- methodische Erfahrung in benachbarte Diszipli- gen öffnen. Nur so ist gewährleistet, dass unsere nen einzubringen. Reflektierende Venunft ist, so ‚wissenschaftliche Mentalität‘ nicht zur bloßen At- gesehen, grundsätzlich interdisziplinär ausgerich- titüde verkommt, sondern zu einer konstruktiven tet. Sie befähigt uns, Wissen aus unterschiedlichen Veränderung von Politik und Gesellschaft beiträgt. Disziplinen aufeinander zu beziehen und zusam- Es sind gerade solche Veränderungen, die uns den menzuführen. Genau dies aber ist eine zentrale Idealen einer freien und demokratischen Gesell- Voraussetzung, um zu neuen Erkenntnissen vorzu- schaft näherbringen. dringen, welche den Ausgangspunkt für Innova- tionen in Forschung, Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft bilden. Die Welt der eigenen Disziplin Universitäre Bildung ist nicht genug, um die Welt, in der wir leben, zum für eine demokratische Gesellschaft Besseren zu verändern. Wie ist das zu erklären? Es sind gerade die Merk- Kommunikation von Wissen: Damit wir mit dieser male reflektierender Vernunft, die eine ‚demo- weltoffenen Einstellung Innovationen auf den kratische Persönlichkeit‘ ausmachen. Mit diesem Weg bringen können, verleiht uns reflektierende Begriff können wir ein modernes Bildungs- und Abb. 1: Der U.S.-amerikanische Philosoph und Bildungsreformer Vernunft aber noch eine weitere Fähigkeit, auf Erziehungsideal charakterisieren, das in den Ge- John Dewey, 1859-1952 (Foto: Library die wir dabei angewiesen sind: kommunikative danken der Aufklärung wurzelt. Reflektierende of Congress, Washington D.C.). Kompetenz. Diese versetzt uns zunächst einmal in Vernunft macht uns gegen jedwede autoritäre die Lage, am Wissens- und Erfahrungsaustausch Versuchung immun. Denn sobald wir sie erwor- innerhalb der eigenen Disziplin teilzunehmen. Da- ben haben, sind wir gleichsam darin trainiert, uns rüber hinaus befähigt sie uns, in einen lebhaften im Denken und Handeln über soziale, ethnische Austausch mit Experten aus anderen Disziplinen und nationale Grenzen hinwegzusetzen – oder all- einzutreten und fächerübergreifende Kooperatio- gemein gesagt: Barrieren zu überwinden, die von nen voranzubringen. Und schließlich verhilft uns externen Autoritäten aufrechterhalten werden (sei kommunikative Kompetenz dazu, die aus diesen es von der Kirche, vom Staat, von einer sozialen Wechselbeziehungen hervorgehenden Erkenntnis- Klasse oder einer politische Partei). Dies sind die se in die Gesellschaft hineinzutragen, wo sie den Ideale der Aufklärung, des „Age of Reason“. Bedürfnissen der Menschen entsprechend anzu- wenden sind. Reflektierende Vernunft hat für solche Autoritä- ten keine Sympathien. Sie macht uns misstrauisch Insofern reflektierende Vernunft uns also auf eine ‚Bildungsreise‘ schickt, die aus den Beschränkun- gen des eigenen Fachwissens heraus- und letztlich mitten in die soziale Welt hineinführt, könnte man sagen: Sie ist genau diejenige kognitive Kraft, die Wissenschaft und Technik humaner werden lässt. Oder, um es ein wenig pathetisch auszudrücken: Sie ermöglicht Wissenschaft mit menschlichem Antlitz. Reflektierende Vernunft erweist sich damit als eine unabdingbare Voraussetzung für gesellschaftli- chen Fortschritt – und zwar zunächst auf direktem Weg: Sie spornt uns an, die Horizonte des eige- Abb. 2: Reflexion über Grundlagenfor- nen Wissens auszuweiten; und es ist das so entste- schung und Angewandte Forschung in der Bayreuth International Graduate School of hende neue Wissen, das aus der Welt, wie sie ist, African Studies, die aus der Exzellenzinitiative eine bessere Welt machen kann. Darüber hinaus gefördert wird (Foto: Lili Nahapetian). ist reflektierende Vernunft aber auch indirekt wirk- 8 Ausgabe 1 . 2016
gegenüber jeder einseitigen, unüberlegten Par- teinahme. Die einzige Fahne, die sie hochhält, ist das Ideal einer freien denkenden Persönlichkeit. Und so wird die Maxime, reflektierende Vernunft zu fördern, wegweisend für eine Universität, die Bildung in und für eine demokratische Gesellschaft vermittelt. Aber ist dieses Ideal überhaupt realisierbar? Ja, und zwar aus einem einfachen Grund. Damit wir es als Lehrende und Forschende in einer Universität ver- wirklichen können, sind keine neuen Gesetze und erst recht keine anderen Institutionen nötig (schon Immanuel Kant wusste: Tugend kann nicht erzwun- gen werden). Wie für alle regulativen Prinzipien, Wissen aus benachbarten Disziplinen anzu- Abb. 3: Erfolg einer breiten interdis- ziplinären Zusammenarbeit: Sechs gilt auch für die Maxime, reflektierende Vernunft eignen? Oder ist uns nur daran gelegen, ei- Bayreuther Forschergruppen aus verschiedenen zu fördern: Ob und wie wir sie anwenden, beruht nen Wissenskanon abzuarbeiten, der keine natur- und ingenieurwissenschaftlichen Diszi- allein auf unserer persönlichen Entscheidung. interdisziplinären Grenzüberschreitungen zu- plinen haben Grundlagen für einen komplett optischen Speicher entdeckt (Foto: Christian lässt und ‚experimentierendes Denken‘ mehr Wißler). behindert als fördert? Praktische Konsequenzen Und schließlich: Fordern wir unsere Studie- renden in dem erforderlichen Maß heraus, Für das Herzstück unseres universitären Alltags, sich engagiert den praktischen Problemen zu- die wissenschaftliche Lehre, ergeben sich daraus zuwenden, mit denen sich unsere Gesellschaft ganz praktische Konsequenzen: Wenn wir Curricu- heute konfrontiert sieht? Werden sie von uns la konzipieren und neue Studienprogramme auf hinreichend dazu ermutigt, für die Welt, in den Weg bringen, müssen wir immer bedenken, der wir leben, neue zukunftsweisende Lö- ob wir den Studierenden damit tatsächlich die sungsvorschläge zu entwickeln und alternati- Chance eröffnen, reflektierende Vernunft zu ent- ve Konzepte zu prüfen? wickeln – und zwar genau unter den vier Aspek- ten des Aufspürens von Möglichkeiten sowie der Allen diesen Fragen müssen wir uns stellen, wenn Thematisierung, Integration und Kommunikation wir eine Wissenschaftskultur etablieren wollen, in von Wissen. der reflektierende Vernunft gedeihen kann. Die Antworten sind nicht in organisatorischen Struk- Fördern wir in unseren Lehrveranstaltungen turen zu finden. Und auch nicht in Zusatzqualifi- ein Reflexionsvermögen, das die Studieren- kationen, die wir gewohnt sind, als „Softskills“ zu den in die Lage versetzt, vorgegebene Tat- bezeichnen. Im Gegenteil, es geht um ein Ver- sachen auf methodisch bewusste Weise in ständnis wissenschaftlicher Bildung, das für die eine Beziehung zu möglichen Alternativen Organisation aller Studiengänge konstitutiv sein zu setzen? Tun wir genug, um in ihnen die sollte – und für alle Aktivitäten, die wir als Lehren- Freude am Aufspüren solcher Alternativen zu de darin entfalten. wecken? Sind unsere Curricula geeignet, um Studie- Vertrauen wir also unserer Maxime, reflektierende rende – sei es in Bachelor-, Master- oder Vernunft zu fördern: Dann werden wissenschaft- Promotionsprogrammen – an ein grundsätz- liche und soziale Innovationen – als Bestandteile liches Verständnis von Wissenschaft und ihrer einer vernunftgeleiteten Neugestaltung unserer jeweiligen Disziplin heranzuführen? Sind wir Welt – wie von selbst folgen. Weshalb? Weil wir als Lehrende hinreichend bescheiden und kreative, ja sogar moralische Kräfte freisetzen, die selbstkritisch in Bezug auf die Wissens- und in jedem einzelnen Menschen auf ihre Chance Forschungsgebiete, die unseren akademi- warten. Eine Universität mit dieser Strategie wird schen Alltag prägen? die innovativsten Köpfe für sich gewinnen, die nur Geben wir den Studierenden genügend Frei- darauf brennen, sich entfalten zu können. Gibt es räume, um eigene Ideen an den Grenzen ih- etwas Besseres, was wir uns von einer Universität res jeweiligen Faches zu erproben und sich wünschen können? Ausgabe 1 . 2016 9
Impulsgeber Universitat Claas Christian Germelmann Christian Wissler Kreativ durch Vernetzung: Die Campus-Universität Bayreuth Interview mit Prof. Dr. Claas Christian Germelmann Blick auf das Campusrondell der Universität Bayreuth (Foto: Pressestelle Universität Bayreuth). 10
H Ja durchaus, denn unsere Absolventinnen und Ab- err Professor Germelmann, die Universität solventen werden ihr Leben gerade dann erfolg- Bayreuth ist in diesem Jahr Gastgeber des reich in die Hand nehmen können, wenn eigener Wissenschaftstags der Europäischen Metropolregion Innovationsgeist sie anspornt, neue Möglichkeiten Nürnberg, der unter dem Motto steht: „Innovations- für sich zu entdecken und unerwartete Entwick- faktor Hochschule“. Wohl jede Hochschule nimmt lungen mitzugestalten. Eine junge Musikwissen- heute für sich in Anspruch, innovativ zu sein, wäh- schaftlerin, die vielleicht einmal Theatermanage- rend sich gleichzeitig die Profile der Hochschulen in rin werden möchte, wird sich überlegen müssen, Deutschland immer stärker ausdifferenzieren. In wel- wie Theater heute zu denken ist. Wird hier noch cher Weise ist speziell die Universität Bayreuth in der etabliertes Kulturgut bewahrt und vermittelt? Oder Lage, innovative Impulse für Wissenschaft, Wirtschaft ist das Theater nicht vielmehr eine Plattform, die und Gesellschaft zu setzen? neue Ideen zusammenbringt, um wie in einem La- bor im Zusammenwirken mit dem Publikum mo- Zunächst einmal hat bei uns das Thema „Innova- derne Gesellschaftsprozesse sichtbar zu machen? tionen“ quer durch alle Wissenschaftsbereiche ei- Eine angehende Chemikerin wird sich überlegen, nen hohen Stellenwert in der Forschung. So gibt ob ihre Zukunft noch in der klassischen Medika- es in der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen mentenentwicklung liegt oder ob es zum Beispiel Fakultät eine ganze Reihe von Forschergruppen, ökologische Serviceleistungen gibt, für die sie mit die sich bereits dem Namen nach mit dieser The- ihren Fachkompetenzen viel besser qualifiziert ist. matik befassen, zum Beispiel an den Lehrstühlen Die Kette der Beispiele ließe sich beliebig fortset- für ‚Technologie- und Innovationsmanagement‘, zen. In allen verantwortungsvollen Positionen ist ‚Innovation und Dialogmarketing‘ oder ‚Strategi- heute individuelle Kreativität gefragt. sches Management und Organisation‘. Zugleich wollen wir unsere Studierenden vom ersten Semes- ter an dafür sensibilisieren, welche Relevanz Inno- Den Unternehmergeist fördern vationen für die Gesellschaft haben und wie stark sie das Leben jedes Einzelnen beeinflussen können. Gehört zu einem solchen ‚innovative mindset‘ auch In wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen Unternehmergeist, also die Bereitschaft, mit neuen Zur Person vermitteln wir die Kompetenzen, die erforderlich Ideen ein Geschäftsmodell zu entwickeln und im eige- sind, um Prozesse der Innovationsentwicklung zu nen Unternehmen zu realisieren? managen und die Umsetzung im Markt steuernd zu begleiten. Viele Studierende bringen ein sehr Heute entfaltet sich Unternehmergeist keineswegs technisch geprägtes Verständnis von Innovationen nur beim Sprung in die Selbständigkeit. Techno- mit. Aber indem wir sie mit neuen Erkenntnissen logiestarke Unternehmen, die auf internationalen aus der Innovationsforschung vertraut machen, Märkten ihren Vorsprung behaupten müssen, for- wird deutlich: Je grundlegender eine Innovation dern von ihren Beschäftigten ein hohes Engage- ist, desto stärker ist ihre Breitenwirkung in Wissen- ment als „Unternehmer im Unternehmen“. Es wird schaft, Wirtschaft und Kultur. erwartet, dass man selbständig Aufgaben angeht und Neues entwickelt. Global Player wie General Es geht aber nicht allein darum, Wissen über In- Electrics, IBM oder Mannesmann sehen heute novationen zu vermitteln. Als Forschenden und ganz anders aus als noch vor zehn Jahren, auch Lehrenden an der Universität Bayreuth ist uns dar- weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Prof. Dr. Claas Christian an gelegen, dass die Studierenden möglichst früh eigenen Innovationen zur Unternehmensentwick- Germelmann ist Inhaber des beginnen, selbst innovativ zu denken – also Pio- lung beigetragen haben. Lehrstuhls für Marketing an der Universität Bayreuth. niergeist, Kreativität und Lust an der Umsetzung neuer Ideen entwickeln. Junge Menschen auszubilden, die das Potenzial ha- ben, technologische und wirtschaftliche Fortschrit- Damit aber entstehen Brücken von einem rein fach- te voranzubringen und so die Welt zu verändern bezogenen Wissenstransfer zur Persönlichkeitsent- – dies ist auch unser Ziel an der Universität Bay- wicklung der Studierenden. Werden hier Bildungsziele reuth. Mir scheint, dies gelingt hier umso besser, aktuell, die im Kern in europäischen Universitätstra- als eine Reihe von Wissenschaftlern mit eigenen ditionen wurzeln, aber aus dem Blick geraten, wenn Firmengründungen erfolgreich waren und sind. man Hochschulen einseitig aus einer technokratischen Sie geben damit ein Beispiel für die Freude am Perspektive betrachtet? Neuen, die sie den Studierenden vermitteln wol- Ausgabe 1 . 2016 11
Impulsgeber Universitat len. Darüber hinaus haben auch Serviceangebote Offenheit, Interdisziplinarität, kreativen Austausch wie der KarriereService oder die Gründerberatung und Innovationskraft. sowie Business Plan-Wettbewerbe ihren Anteil da- ran, Studierende für das Thema ‚Innovation‘ zu Ohne diese räumlichen Strukturen wären ja auch die begeistern. zahlreichen interdisziplinären Studiengänge und Fä- cherkombinationen nicht realisierbar, die hier in Bay- reuth – und in manchen Fällen nirgendwo sonst in Interdisziplinarität als Inkubator Deutschland – angeboten werden ... Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht der fächerübergrei- Ja, es ist kein Zufall, dass die Universität Bayreuth fende Austausch von Wissen und Erfahrung, wenn es seit ihrer Gründung immer wieder Vorreiter bei darum geht, ein vertieftes Verständnis für Innovatio- der Einrichtung innovativer Studienprogramme nen zu fördern? war. Sportökonomie, Geoökologie, Philosophy & Economics sind nur einige Stichworte. Ganz neu Innovationen haben immer eine starke Tendenz zu sind englischsprachige Master-Studiengänge wie Grenzüberschreitungen. Sie setzen sich über Län- etwa History & Economics, Environmental Geogra- dergrenzen hinweg, und sie verschmelzen Techno- phy oder Biofabrication, die zum Wintersemester logien, von denen man überhaupt nicht gedacht 2016/17 erstmals angeboten werden. Das Rück- hat, dass sie etwas miteinander zu tun haben grat all dieser Angebote sind unsere universitä- könnten. Damit entfallen auch tradierte Abgren- ren Profilfelder, von denen eine starke Dynamik zungen zwischen den Disziplinen. Umso mehr sind ausgeht – sei es zum Beispiel in der Polymerfor- wir auf Leitplanken angewiesen, wenn wir Innova- schung, in den Afrikastudien oder in den mitein- tionen verantwortungsvoll gestalten wollen. Hier- ander vernetzten Lebensmittel- und Gesundheits- für bedarf es der Expertise aus unterschiedlichen wissenschaften. Forschungsfeldern: Im Dialog mit den Rechtswis- senschaften gilt es auszuloten, welcher gesetzliche Rahmen nötig ist, damit Innovationen keinen Scha- Innovation und Verbraucherschutz: den anrichten – oder auch, wie geistiges Eigentum ein neues Profilfeld für Zukunftsfragen im Interesse der Entrepreneure geschützt werden kann. Auf der anderen Seite können die Kulturwis- Sie selbst sind Sprecher des noch jungen Profilfelds senschaften wichtige Beiträge leisten, etwa beim „Innovation und Verbraucherschutz“, das thematisch Umgang mit ethischen Problemen, die durch Inno- geradezu an der Schnittstelle von neuen Technologi- vationen aufgeworfen werden. Auch Fragen nach en, ökonomischen Potenzialen und gesellschaftlichen der kulturellen Identität stellen sich plötzlich, wenn Erwartungen angesiedelt ist. Spiegeln sich die daraus sich eine Gesellschaft im Zeitalter des Internets so resultierenden Spannungen und Chancen auch in den dynamisch verändert, dass Traditionen verblassen. Aktivitäten des Profilfelds? Die Universität Bayreuth hat den großen Vorzug, Ja, denn eine Reihe sehr engagierter Forscher- dass ihre räumliche Struktur den alltäglichen, in- gruppen aus verschiedenen Fächern sind hier mit- formellen Austausch über solche Fragen entschei- einander im Gespräch. Wichtige Kernfragen, wie dend fördert. Erlauben Sie mir einen Vergleich: etwa das Verbraucherverhalten in digitalen Um- Junge Start-ups wollen gern in der Mitte ihres welten oder die öffentliche Kommunikation von Unternehmens einen großen Raum haben, wo Innovationen, fallen nicht in die alleinige Zustän- man sich kurzfristig verabreden und offene Fragen digkeit einzelner ‚Ressorts‘. Über Innovationen zu diskutieren kann, wo man im Gespräch bleibt und forschen und dabei selbst innovativ zu sein, das sich persönlich kennenlernt. Genau diese Funkti- ist nur mit offenen Netzwerkstrukturen möglich. on hat an unserer Universität das Campusrondell Diese wiederum entwickeln sich nicht selten zum inmitten der Fakultäten und Serviceeinrichtungen. Ausgangspunkt für große Forschungsprojekte. Ich Abb. 1-3: Der Bayreuther Campus bietet Hier begegnen wir uns als Studierende, Lehrende selbst finde es immer wieder spannend, wenn bei Raum für Teamwork in kleinen Gruppen, und Forschende täglich, hier können wir die Ideen Diskussionen in unserem Profilfeld gerade aus der innovative Projekte, wie etwa den Bau eines anderer aufgreifen und in unser eigenes Denken Unterschiedlichkeit der Denkmuster Funken ge- Rennwagens, und eine enge Verknüpfung von Lernen und Forschen (Fotos: Lili Nahapetian). hineinnehmen. So könnte man unseren Campus schlagen werden. Alle gehen aus solchen Gesprä- geradezu als großen Inkubator bezeichnen – das chen mit neuen Impulsen heraus. Campusrondell ist gewissermaßen ein Symbol für 12 Ausgabe 1 . 2016
Impulsgeber Universitat Gibt es thematische Schwerpunkte, die derzeit im Vor- unser Verständnis mit den digitalen Technologien dergrund stehen? überhaupt noch Schritt? Oder sind wir in immer kürzeren Zeitabschnitten mit Neuem konfrontiert, Ein hochaktuelles Thema ist die Sharing Economy, so dass wir die Auswirkungen auf die Gesellschaft die auf der Basis des Internets völlig neue Ge- immer weniger begreifen? schäftsmodelle hervorbringt. Dabei erwerben die Konsumenten kein individuelles Eigentum, son- Auch die Weiterentwicklung des Rechts ist durch diese dern sie treten auf elektronischen Plattformen in Prozesse herausgefordert – zum Beispiel wenn rechts- Austauschprozesse ein, die dazu dienen, sich die staatliche Gesetzgebungsverfahren nicht so schnell Nutzung von Gütern im wechselseitigen Einver- ablaufen, wie man es sich wünschen würde, damit im ständnis zu teilen. Dies geschieht häufig kommer- Interesse des Gemeinwohls ein passender Rechtsrah- ziell, wie etwa beim Car-Sharing oder der Nutzung men entsteht … von Wohnraum. Aber immer öfter haben solche Prozesse keinen kommerziellen Hintergrund. Als Ja, auch dies ist eine wichtige Herausforderung. Ökonomen finden wir diese Entwicklungen sehr In vielen Fällen wird man sagen können, dass das faszinierend, weil sie unser klassisches Verständnis bestehende Recht gut ausgearbeitet und hinrei- von Märkten berühren. Ist eine betriebswirtschaft- chend allgemein ist, um innovative Entwicklungen liche Logik noch zeitgemäß, wonach Güter geron- abzubilden. Aber umgekehrt könnte man auch nene Werte sind, deren Wert durch Konsumenten dafür argumentieren, dass geltendes Recht in quasi verzehrt und vernichtet wird? Oder müssen Zukunft fluider sein und von den Bürgern im Zu- wir uns auf innovative Modelle einstellen, wonach sammenwirken mit der Judikative stets aufs Neue der Wert von Gütern und Dienstleistungen allererst ausgehandelt werden müsse – ähnlich den Prozes- durch „Ko-Kreation“ erzeugt wird – also dadurch, sen der ‚Ko-Kreation‘, wie wir sie im Bereich der dass verschiedene Akteure im Markt zusammen- Sharing Economy erleben. Man denke hier z.B. an wirken? Vor kurzem haben wir eine vielbeachtete die Ideen der Digitalen Demokratie. Das alles sind Tagung zu diesen Fragen veranstaltet. Zukunftsfragen, mit denen wir uns wissenschaftlich auseinandersetzen müssen. Hier in Bayreuth ist der Ein anderes großes Thema ist natürlich die Digi- Ort, wo wir dies tun können und gemeinsam mit talisierung. Nur wenige Menschen fragen sich, unseren Studierenden schon heute erfolgreich tun. welche persönlichen Informationen über sie in der Welt verbreitet sind. Sie sind sich des Markt- Herr Professor Germelmann, haben Sie vielen Dank Abb. 4: Luftaufnahme des Bayreuther Campus (Foto: Herbert Popp). werts dieser Informationen kaum bewusst. Hält für dieses Gespräch! Ausgabe 1 . 2016 13
Impulsgeber Universitat Franz X. Bogner Volker Ulm Forschendes Lernen Die Universität Bayreuth – ein Innovationszentrum für das Bildungssystem Im Schülerlabor zur Bio- und Gentechnik der Universität Bayreuth: Schülerinnen machen erste Erfahrungen mit den Pipetten (Foto: Thomas Zuber). 14
Die Universität Bayreuth und Primar- und Sekundarstufe als wirksame Methode Bildungspolitik in Europa erwiesen, um das Interesse und den Kenntnisstand W der Schüler zu steigern, und dabei gleichzeitig elche wirksamen Strategien gibt es in auch noch die Motivation der Lehrkräfte zu för- Europa, um Innovationen nachhaltig dern.“ Der Bericht hebt hervor, dass forschendes in die Schule zu bringen? Dieser Frage ging 2007 Lernen bei schwachen wie bei starken Schülerin- eine Expertengruppe der Europäischen Kommis- nen und Schülern erfolgreich und mit dem Streben sion nach, um auf der Grundlage bestehender nach Bestleistungen vereinbar sei. Zudem wirke Erfahrungen Empfehlungen für eine europäische es sich positiv auf das Interesse von Mädchen an Bildungspolitik zu erarbeiten. Der daraus resul- den Naturwissenschaften aus. Forschendes Lernen tierende Rocard-Report entwickelte erheblichen und herkömmliche deduktive Unterrichtskonzepte Einfluss auf die Bildungspolitik in Europa. Explizit schließen sich – so der Bericht – keineswegs aus wurde darin das deutschlandweite Projekt ‚SINUS- und sollten daher im naturwissenschaftlichen Un- Transfer‘ als Leuchtturmprojekt hervorgehoben. terricht kombiniert werden, um unterschiedlichen Dieses Projekt war als großer und langfristiger Denkarten und Altersgruppen gerecht zu werden.2 Innovationsprozess des mathematisch-naturwis- senschaftlichen Unterrichts angelegt. Die Leitung Beim forschenden Lernen sind die Schülerinnen im Bereich der Mathematik lag bei der Universität und Schüler in hohem Maße selbst aktiv. Sie ar- Bayreuth: „Sinus-Transfer zeichnet sich durch ein beiten sich eigenständig und kooperativ in ein für langfristiges, in den Schulen durch Zusammen- sie unbekanntes Phänomen ein, das sie subjektiv Autoren arbeit entwickeltes Konzept aus, das sich beson- als komplex wahrnehmen. Dabei geht es nicht um ders auf das Lernen der Schüler konzentriert. Das das Erlernen vorgegebener Fakten. Vielmehr wird Konzept behandelt didaktische Schwierigkeiten der Lernprozess in ähnlicher Weise organisiert und im naturwissenschaftlichen Unterricht und regt strukturiert, wie es auch für universitäres Forschen Lehrer zum Nachdenken und zur Bewertung des charakteristisch ist. In der amerikanischen Literatur eigenen Unterrichts an, um dessen Qualität stän- ist von den 5E die Rede: „Engage, Explore, Explain, dig zu verbessern. Eine starke Zusammenarbeit Elaborate, Evaluate“. Typische Phasen forschenden zwischen Lehrern der eigenen Schule und anderen Lernens im mathematisch-naturwissenschaftlichen Schulen sowie Forschern und Praktikern wird her- Unterricht sind daher: gestellt. Sinus-Transfer hat sehr positive Ergebnisse gebracht.” 1 onfrontation mit einem Phänomen: Es K gehört zur professionellen Kompetenz der Lehrkraft, Schülerinnen und Schüler auf ein Prof. Dr. Franz X. Bogner ist In der Folge förderte die Europäische Union eine Inhaber des Lehrstuhls für ganze Reihe von Unterrichtsentwicklungsprojekten, mathematisches oder naturwissenschaftliches Didaktik der Biologie und Direktor vor allem an der Universität Bayreuth, die ähnliche Phänomen aufmerksam zu machen und ein des Zentrums zur Förderung des ma- Forschungsfeld zu umreißen. thematisch-naturwissenschaftlichen Strukturmerkmale wie ‚SINUS-Transfer‘ aufweisen Unterrichts (Z-MNU) der Universität sollten. Beispielsweise wurden oder werden die Erkunden eines Phänomens: Die Schülerin- Bayreuth. Projekte ‚PATHWAY‘, ‚KeyCoMath‘, ‚CREATIONS‘ nen und Schüler entwickeln Fragen, stellen Hy- von Bayreuth aus koordiniert. In den Projekten pothesen auf, planen Experimente und führen ‚Open Discovery Space‘, ‚GreeNET‘ oder ‚Inspiring diese durch, machen Beobachtungen, formu- Science Education‘ war bzw. ist die Universität Bay- lieren Vermutungen und suchen nach Begrün- reuth federführender Workpackage-Leader. dungen. Strukturieren des Themenfelds: Die Ler- nenden ordnen und strukturieren ihre Erkun- Forschendes Lernen dungen, stellen Querverbindungen – auch für tiefgreifendes Verständnis zu ihrem Vorwissen – her, suchen zugrunde liegende Muster und Gesetzmäßigkeiten. Alle genannten EU-Projekte zielen darauf ab, in- Fixieren von Ergebnissen: Die Resultate der novative pädagogisch-didaktische Konzepte im Forschungsarbeiten werden schriftlich fixiert Schulsystem zu verankern. Sie setzen auf „for- (zum Beispiel im Heft oder auf einem Plakat). schendes Lernen“– im Englischen: „Inquiry-based Beim Aufschreiben wird das Themenfeld weiter Prof. Dr. Volker Ulm ist Inhaber kognitiv durchdrungen. des Lehrstuhls für Mathematik Science Education (IBSE)“. Im Rocard-Report heißt und ihre Didaktik und Direktor des es dazu: “Naturwissenschaftlicher Unterricht durch Präsentieren und Diskutieren von Ergeb- Zentrums für Lehrerbildung (ZLB) der Inquiry-based Science Education … hat sich in der nissen: Die Überlegungen und Resultate der Universität Bayreuth. Ausgabe 1 . 2016 15
Impulsgeber Universitat Schülerinnen und Schüler werden im Klassen- und erproben. Die dabei gewonnenen Erfahrun- plenum vorgestellt und gemeinsam diskutiert. gen werden im kollegialen Netzwerk ausgetauscht Unter der fachkundigen Leitung der Lehrkraft und reflektiert. Auf dieser Basis werden die Unter- werden die Resultate zusammengeführt. Es richtsmaterialien und -konzepte gemeinsam über- werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede arbeitet und ggf. verbessert. Insgesamt dient das herausgearbeitet und dabei ein Gesamtergeb- Arbeiten an und mit konkreten Unterrichtsmateria- nis der Forschungen fixiert. lien für den Schulalltag dazu, grundlegende didaktische Ideen zu vermit- teln, Lehrerfortbildung als Schlüssel Entwicklungen auf der Ebene der unterrichts- zur Unterrichtsentwicklung bezogenen Überzeugungen und Haltungen der Lehrkräfte anzustoßen Die Schlüsselpersonen für Innovationen des Un- und somit das Handeln in ihrer beruflichen terrichts sind zweifelsohne die Lehrkräfte. Ihre Praxis zu verändern. Überzeugungen, Haltungen und professionellen Kompetenzen sind maßgeblich für den Unterricht Im Zuge der genannten europäischen Projekte war und damit das individuelle Lernen der Schülerin- und ist die Universität Bayreuth gemeinsam mit Abb. 1: Jonas Landgraf aus Weiden war nen und Schüler verantwortlich. Systematische, zahlreichen europäischen Partnerinstitutionen Im- ‚Kapitän‘ des deutschen Schülerteams, langfristig konzipierte Lehrerfortbildung hat daher pulsgeber und Begleiter für Entwicklungsprozesse das im Juli 2016 in Jekaterinburg/Russland am Physik-Weltcup IYPT teilnahm und Vize- in den erwähnten nationalen und internationalen im Schulsystem. Weltmeister wurde. Zusammen mit einem Projekten der Universität Bayreuth eine zentrale weiteren Teammitglied konnte er sich im Rolle. Schülerforschungszentrum Oberfranken auf den Wettbewerb vorbereiten (Foto: Felix Innovationen im Lehramtsstudium Wechsler). Typischerweise werden für die Projektarbeit Netz- werke von Schulen gebildet, teilnehmende Lehr- Die universitätstypische Einheit von Forschung und kräfte sind über einen längeren Zeitraum einge- Lehre gibt es an der Universität Bayreuth auch im bunden. Die Lehrkräfte werden in regelmäßigen Bereich der Lehrerbildung. Forschungsergebnisse Treffen mit innovativen didaktischen Konzepten finden unmittelbar Eingang in Lehrveranstaltun- – wie zum Beispiel forschendem Lernen – vertraut gen, Seminare und Praktika werden direkt in aktu- gemacht. Eine Herausforderung besteht dabei dar- elle Forschungsprojekte eingebettet. in, den Lehrkräften nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern ihre Handlungskompetenzen im Unter- So ist beispielsweise das Schülerlabor zur Bio- und richt weiterzuentwickeln. Um diese Brücke zwi- Gentechnik (Lehrstuhl Didaktik der Biologie) mit schen Theorie und Praxis zu schlagen, erarbeiten der Lehramtsausbildung gekoppelt. Basierend auf die Lehrkräfte im Fortbildungsnetzwerk kooperativ der Theorie des fachdidaktischen Wissens ist das Abb. 2: Arbeit an der Tischzentrifuge: Schüler bereiten Proben für die Elektro- Unterrichtsmaterialien, mit denen sie innovative Lehramtsmodul Lernen und Lehren im Lernort Labor phorese vor (Foto: Thomas Zuber). Konzepte in ihren Klassen im Unterricht umsetzen mit dem Schülermodul Genetischer Fingerabdruck verknüpft.3 Das Lehramtsmodul bereitet fachliches Vorwissen auf und setzt sich mit wesentlichen Kom- ponenten des fachdidaktischen Lehrerwissens (Pe- dagogical Content Knowledge, PCK) auseinander – zum Beispiel mit bekannten, alternativen Schü- lervorstellungen.4 Innerhalb einer Woche lernen Kleingruppen mit jeweils vier Studierenden inner- halb des innovativen Ansatzes einen Rollenwech- sel. Dies geschieht dadurch, dass sie innerhalb einer Unterrichtswoche mit jeweils immer neuen Schülerkursen von der Schüler- über die Tutor- in die Lehrerrolle hineinwachsen. Zunächst führen sie als zusätzliche Schülergruppe die Experimente selbst durch, um mögliche Lernschwierigkeiten aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern wahrzu- nehmen. In den kommenden Tagen betreuen sie zwei Schülergruppen als Tutoreninnen und Tuto- 16 Ausgabe 1 . 2016
ren, und schließlich unterrichten sie als Lehrkraft einen Unterrichtsabschnitt. Hier können sie aus den zu Beginn wahrgenommenen Lernschwierig- keiten eigene instruktionale Änderungen umset- zen, um derartige Schwierigkeiten zu vermeiden. Eine begleitende Studie stellte die wesentlichen Ergebnisse dieses einmaligen Moduls dem inter- nationalen Publikum vor.5 Die Universität Bayreuth setzt aber nicht nur in Bezug auf Studieninhalte, sondern auch bei der Organisationsform der Lehramtsstudiengänge Maßstäbe. Als eine der beiden ersten Universitä- ten in Bayern führte sie bereits 2006 Bachelor-und Master-Strukturen im Lehramtsstudium ein. Das Bayreuther Lehrerbildungsprofil weist dabei eine Reihe charakteristischer Strukturmerkmale auf: studierende ein. Der Studiengang „MINT-Lehramt Abb. 3: „Campus erleben“: Bei dieser öffentlichen Veranstaltung auf dem PLUS“ richtet sich an besonders begabte und Bayreuther Universitätsgelände erhalten Der Bachelorabschluss ist polyvalent zu fach- leistungsfähige Studierende der Fächer Biologie, Kinder und Jugendliche – und ihre Eltern – wissenschaftlichen Bachelorabschlüssen. Dies Chemie, Informatik, Mathematik und Physik für spannende Einblicke in Themen der naturwis- senschaftlichen Forschung, hier mit Prof. Dr. bedeutet, dass Studierende ein fachwissen- das Lehramt an Gymnasien. Er bietet ihnen Bil- Christian Laforsch (re.) vor einem Becken mit schaftliches Masterstudium aufnehmen kön- dungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, die über Unterwasserflöhen (Foto: Peter Kolb). nen, wenn sie etwa nach sechs Semestern die Angebote der regulären Lehramtsstudiengän- den Beruf des Lehrers nicht weiter anstreben ge substanziell hinausgehen. Die Studierenden möchten. können ihre fachlichen Kompetenzen im MINT- In der Masterphase des Lehramtsstudiums liegt Bereich erweitern, indem sie das breite Angebot ein deutliches Gewicht im Bereich der Fachdi- fachwissenschaftlicher Masterstudiengänge nutzen daktik und der Vernetzung mit der Schulpraxis. und zudem anhand speziell eingerichteter Lehrfor- Die Masterarbeit kann mit dem Referendariat men in aktuelle Forschungsgebiete der Fachwis- vernetzt werden. senschaften und der Fachdidaktiken vordringen. Charakteristisch sind dabei der interdisziplinäre Austausch und eine Einbettung in internationale Elitestudiengang Forschung mit vielfältigen Freiräumen für persön- für Lehramtsstudierende liche Schwerpunktsetzungen. Begabtenförderung im Lehramtsstudium – dies ist der neueste Innovationsimpuls, den die Universi- tät Bayreuth in der Lehrerbildung setzt. Zum Win- 1 „Sinus-Transfer is characterized by a long-term, school-based and collaborative approach that is focused on students’ learning. tersemester 2016/17 richtet sie im Elitenetzwerk It relates to didactical problems in science classrooms and stimulates teachers to evaluate and reflect their teaching in a pro- cess of continuous quality development. During the process a strong cooperation is established between teachers within and Bayern den ersten Elitestudiengang für Lehramts- between schools as well as between researchers and practitioners. The impact of Sinus-Transfer is very positive”, in: European Commission: Science Education Now – A Renewed Pedagogy for the Future of Europe. European Communities. Brüssel 2007 (Rocard-Report), S. 15. Vgl. die deutsche Übersetzung unter dem Titel “Naturwissenschaftliche Erziehung jetzt: Eine erneuerte Linktipps Erziehung für die Zukunft Europas”: http://ec.europa.eu/research/science-society/document_library/pdf_06/report-rocard- on-science-education_de.pdf, S.15. Rocard-Bericht der Europäischen Kommission, 2 „Inquiry-based science education (IBSE) has proved its efficacy at both primary and secondary levels in increasing children’s Science Education Now – A Renewed Pedagogy for and students’ interest and attainments levels while at the same time stimulating teacher motivation. IBSE is effective with all the Future of Europe: kinds of students from the weakest to the most able and is fully compatible with the ambition of excellence. Moreover IBSE is beneficial to promoting girls’ interest and participation in science activities. Finally, IBSE and traditional deductive approaches • http://ec.europa.eu/research/science-society/ are not mutually exclusive and they should be combined in any science classroom to accommodate different mindsets and document_library/pdf_06/report-rocard-on- age-group preferences.” (Rocard-Report, ebd., S. 2). 3 Franz-Josef Scharfenberg und Franz X. Bogner, Instructional efficiency of changing cognitive load in an out-of-school laborato- science-education_en.pdf ry. In: International Journal of Science Education, 32(6), S. 829-844 (2010); Franz-Josef Scharfenberg und Franz X. Bogner, A new two-step approach for hands-on teaching of gene technology: Effects on students‘ activities during experimentation in an Elite-Programm „MINT-Lehramt PLUS“ im Elite- outreach gene technology lab. In: Research in Science Education, 41(4), 505-523 (2011). 4 Franz-Josef Scharfenberg und Franz X. Bogner: Investigation of Students’ Alternative Conceptions of Terms and Processes of netzwerk Bayern: Gene Technology, International Scholarly Research Network Education (2013), (Article ID 741807). • www.mint-lehramt-plus.bayern 5 Franz-Josef Scharfenberg und Franz X. Bogner: A New Role-Change Approach in Pre-service Teacher Education for Developing Pedagogical Content Knowledge in the Context of a Student Outreach, in: Lab. Research in Science Education (2015, online first). Ausgabe 1 . 2016 17
Impulsgeber Universitat Sascha Schweitzer Stefan Seifert Flitterwochen, Krise, Sieg Internationale Studierendenteams entwickeln innovative Geschäftsideen Gemeinsames Lernen durch interkulturelle Herausforderungen: Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wettbewerbs 2016 in São Carlos (Foto: Volker Altstädt). 18
D an der eigenen Kultur schätzt und vermisst, ie International Business Plan Competition ohne sich dessen zuvor bewusst gewesen zu ist eine gemeinsame Lehrveranstaltung sein. Unweigerlich sammelt man auch erste der Universität Bayreuth mit Spitzenuniversitäten negative Erfahrungen. So kommt es zu sprach- in Hongkong, Brasilien und den USA. Alljährlich lichen oder gedanklichen Missverständnissen, treffen sich ausgewählte Studierendenteams der die sich häufig nicht auf einfache Art auflösen Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften an ei- lassen und zu gelegentlichen Frustrationen ner der Partneruniversitäten, um in internationa- führen können. len Gruppen zukunftsweisende Geschäftsideen zu Auf die Krisen-Phase folgen die Phasen der konzipieren und entsprechende Businesspläne zu Erholung und der Anpassung. Man befreit entwickeln. Gleichzeitig bietet der Wettbewerb sich aus dem vorherigen emotionalen Tief spannende Einblicke in den Mikrokosmos inter- und geht dank neuerlernter Fähigkeiten ge- nationaler Zusammenarbeit. Dies ist insbesondere stärkt daraus hervor. „Erholung“ bezeichnet der durchdachten und systematischen Planung zu in diesem Zusammenhang das Erkennen und verdanken, die den Wettbewerb zu einem faszinie- die Reflexion der kulturellen Unterschiede, renden Experiment des interkulturellen Austauschs während „Anpassung“ in der Annahme von macht. Lösungsstrategien und Umgangsformen be- steht, die den Unterschieden Rechnung tra- Ein Schlüsselelement, durch das die Veranstaltung gen. an Reichtum und Tiefe gewinnt, liegt in der Zu- sammenstellung der studentischen Teams, die im Eine herausfordernde Besonderheit der Internatio- Vorfeld nach unterschiedlichen Kriterien – wie nal Business Plan Competition besteht darin, dass beispielsweise Studienfach, Studienabschnitt (Ba- die vier Erfahrungsphasen – verglichen mit einem chelor bzw. Master), außercurricularen Interessen und Alter – gebildet werden. Jedes Team besteht aus sechs Studierenden, jede Partneruniversität ist dabei vertreten. Im Vorfeld des Wettbewerbs Kreativität von Rio bis Hongkong besuchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Die International Business Plan Competition ist ein gemeinsames Projekt, das von der Universi- Vorbereitungskurse an ihren Heimatuniversitäten, dade de São Paulo (USP), der University of Illinois (UI) und der Hong Kong University of Science so dass sie die Mitglieder ihres Teams erst am Aus- and Technology (HKUST) seit mehreren Jahren an wechselnden Orten angeboten wird. Im Jahr tragungsort kennenlernen. 2014 fand die Competition in Bayreuth statt, im Jahr 2015 im Silicon Valley in Kalifornien, in die- sem Jahr in São Carlos und Rio de Janeiro. Im kommenden Jahr wird Hongkong als Gastgeber fungieren und den Studierenden die Aufgabe stellen, innovative Geschäftsideen im Bereich Persönlichkeitsentwicklung im Zeitraffer Health-Care vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung zu erarbeiten. Hier werden ins- besondere die Bayreuther Studierenden des Studiengangs Gesundheitsökonomie ihre speziel- Die Zusammenarbeit der Studierenden in diesen len Kompetenzen einbringen können. multinational zusammengesetzten Teams ist ein komplexer Prozess, der mit interkulturellen Her- Die Competition zielt darauf ab, junge Menschen anzuleiten, in einem internationalen Umfeld ausforderungen verbunden ist. Die dabei auftre- gemeinsam an neuen Ideen zu arbeiten, gemeinsam zu forschen und Anstöße zur Vernetzung tenden Schwierigkeiten und Erfolge lassen sich zu schaffen. Seitens der Universität Bayreuth wird der Wettbewerb koordiniert von: mit dem „U-Modell“ des schwedischen Soziologen Sverre Lysgaard beschreiben, der vier typische P rof. Dr.-Ing. Volker Altstädt, Inhaber des Lehrstuhls für Polymere Werkstoffe und Geschäfts- Phasen unterscheidet: führer der Neue Materialien Bayreuth GmbH Prof. Dr. Stefan Seifert, Inhaber des Lehrstuhls für Technologie- und Innovationsmanagement ie erste Phase, auch „Flitterwochenphase“ D D r. Sascha Schweitzer, Mitarbeiter des Lehrstuhls für Technologie- und Innovationsmanage- genannt, ist gekennzeichnet durch Vorfreude ment in der Vorbereitung auf die Reise und erste aufregende Entdeckungen vor dem Hinter- Als Mentoren der Universität Bayreuth stehen sie den Studierenden am jeweiligen Wettbe- grund einer gewissen romantischen Verklä- werbsort mit ihrer Expertise zur Verfügung. rung in der Anfangszeit. In der zweiten Phase legt man die Rolle des Über die Competition hinaus bieten sich der Universität Bayreuth weitere Anknüpfungspunkte Gasts ab. Nach und nach realisiert man die in Forschung und Lehre. So bestehen zum Beispiel Kooperationsabkommen mit den Partneruni- Schwierigkeiten, die sich aus der fremden versitäten in Brasilien und Hongkong. Umgebung ergeben, und bemerkt, was man Ausgabe 1 . 2016 19
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