Mitteilungen - DFN-Verein
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Deutsches Forschungsnetz | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | www.dfn.de mitteilungen Kinder, wie die Zeit vergeht! die 100. Ausgabe zum Advent Auf die Verlässlichkeit Neue Strukturen für die Wissenschaft das Vertrauensniveau in der DFN-AAI NHR & NFDI im Gespräch
Impressum Herausgeber: Verein zur Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes e. V. DFN-Verein Alexanderplatz 1, 10178 Berlin Tel.: 030 - 88 42 99 - 0 Fax: 030 - 88 42 99 - 370 Mail: presse@dfn.de Web: www.dfn.de ISSN 0177-6894 Redaktion: Maimona Id, Nina Bark Lektorat: Angela Lenz Mitarbeit an dieser Ausgabe: Stella Lenz Gestaltung: Labor3 | www.labor3.com Druck: Druckerei Rüss, Potsdam © DFN-Verein 11/2021 Fotonachweis Titel: michaklootwijk / Adobe Stock Rückseite: michaklootwijk / Adobe Stock
DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 3 Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller Professor für Informatik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Vorsitzender des Direktoriums des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (LRZ) W ie wollen wir gemeinsam die Zukunft von Forschung und Wissenschaft gestalten? In der Beantwortung dieser essenziellen Frage ist eine Aufbruchstimmung in der deut- schen Wissenschaftscommunity zu spüren: Innerhalb von zwölf Monaten sind aus ihrer Mitte nach Jahren der Vorbereitung gleich zwei neue nationale Player auf dem öffentlichen Parkett erschienen: die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und das Nationale Hochleis- tungsrechnen (NHR). Sie sind angetreten, den Umgang mit Forschungsdaten in Deutschland neu zu formieren, zu strukturieren und neue Wege der fächerübergreifenden Zusammenarbeit zu beschreiten. Nicht zufällig sind beide als Verein organisiert – nach dem Vorbild des Gauss Centre for Supercomputing e. V., der Gauß-Allianz e. V. und nicht zuletzt des DFN-Vereins, salopp gesagt, der Mutter aller E-Infrastrukturen hierzulande. NFDI und NHR bauen beide auf streng wissenschaftsgeleiteten Prozessen auf und setzen auf bedarfsgerechte Lösungen. Beide haben ein kompetitives Ausschreibungsverfahren ange- strengt, um die innovativsten Ideen und Konzepte aus der Community zu vereinen. Der Verein Nationale Forschungsdateninfrastruktur hat es sich auf die Fahne geschrieben, für das Forschungsdatenmanagement in der Wissenschaft disziplinübergreifend eine gemeinsame Sprache zu finden sowie einheitliche Standards zu schaffen. Er möchte Forschenden in nie ge- kannter Weise ermöglichen, ihren Wissensschatz auszutauschen und Daten gemäß den FAIR- Prinzipien nachzunutzen. Der Verein für Nationales Hochleistungsrechnen ist mit dem Ziel an den Start gegangen, kostbare HPC-Ressourcen der Ebene 2 zu koordinieren, gerecht zu vergeben und damit verteilte Infrastrukturen effizient zu nutzen. Darüber hinaus möchte er fächerübergreifendes Community-Building fördern. Beide sehen einen wichtigen Aspekt im Aufbau und der Ausbildung von Nachwuchskräften, um die Strukturen für kommende Generationen nachhaltig zu festigen. Nicht umsonst sind die För- derperioden mit jeweils zehn Jahren hoch angesetzt. Wie aufregend der Aufbau eines Vereins besonders in unserer Wissenschaftscommunity ist, können Sie in dieser Ausgabe der DFN-Mitteilungen – der Nummer 100 – anhand der Titelcover aus 37 Jahren nachvollziehen. Das eine oder andere kommt Ihnen bestimmt noch bekannt vor. Mit den beiden neuen Vereinen ist die Wissenschaftslandschaft in Deutschland wieder ein Stück reicher geworden, ganz nach dem Motto: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ – sehr viel mehr, wie ich finde! Herzlichst Ihr Dieter Kranzlmüller
4 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 Inhalt 2019 6 8 34 2020 Im Spiegel der Zeit – Rechnen verbindet – Startschuss Quantennetze – zwischen Realität Die DFN-Mitteilungen für den NHR-Verein und Zukunft Titel sagen mehr als tausend Worte – in Fair, einfach und transparent: Ein neues Der Weg zu Quantennetzen im Produkti- hundert Ausgaben durch das Deutsche Antragsverfahren erleichtert Forschen- onsbetrieb ist nicht mehr allzu weit: Die Forschungsnetz (DFN). den den Zugang zu Rechenzeit. Anwendungsmöglichkeiten sind breit gefächert. DFN-Verein International Sicherheit Im Spiegel der Zeit – BELLA – Das Licht am Ende des Kabels Worauf wir uns verlassen können Die DFN-Mitteilungen von Jakob Tendel ......................................... 23 von Wolfgang Pempe................................. 42 von Maimona Id .............................................. 6 Have you heard of the GÉANT Weiterentwicklung der DFN-PKI Emerging NREN Programme? mit GÉANT TCS Wissenschaftsnetz von Leila Dekkar .......................................... 28 von Jürgen Brauckmann........................... 46 Rechnen verbindet – Startschuss i RENALA – Research and Education EasyRoam4Edu – der kurze Weg zu für den NHR-Verein Network for Academic and Learning eduroam Interview von Maimona Id.......................... 8 Activities von Ralf Paffrath ......................................... 50 von Harinaina R. Ravelomanantsoa .... 30 NFDI – ein effizienteres Sicherheit aktuell ........................................ 52 Forschungsdatenmanagement für die Wissenschaft Forschung Interview von Maimona Id ....................... 14 Campus Quantennetze – zwischen Realität 25 Jahre Technikgeschichte und Zukunft Proctored Exams – vom Piloten zur – DFN-WiNShuttle von Peter Kaufmann und Susanne „neuen“ Normalität von Andrea Wardzichowski ..................... 19 Naegele-Jackson .......................................... 34 von Matthias Baume und Nina Muris-Wendt ................................................. 56 Kurzmeldungen............................................ 22 Durch dick und dünn – mit den Proctorio-Buddies von Mizuki Ando ......................................... 60
DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 5 Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe im Überblick 46 1 2 3 4 Weiterentwicklung der DFN-PKI 5 6 7 8 mit GÉANT TCS Besser automatisiert und komfortabel: Mit TCS ist die Ausstellung von Zertifika- ten nun über die DFN-AAI möglich. 9 10 11 12 Recht Habemus Reform von Justin Rennert...................................... 62 13 14 15 16 Lass’ das mal die Forscher machen! von Owen Mc Grath.................................... 67 1 Maimona Id, DFN-Verein (id@dfn.de); 2 Andrea Wardzichowski, DFN-Verein (wardzichowski@dfn.de); 3 Dr. Jakob Tendel, DFN-Verein (tendel@dfn.de); DFN-Verein 4 Leila Dekkar, GÉANT Association (leila.dekkar@geant.org); 5 Harinaina R. Ravelomanantsoa, i RENALA (harinaina.ravelomanantsoa@irenala.edu.mg); DFN Live........................................................... 70 6 Dr. Peter Kaufmann, 17 DFN-Verein (kaufmann@dfn.de); 7 Dr.-Ing. Susanne Naegele-Jackson, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (susanne.naegele-jackson@fau.de); 8 Wolfgang Pempe, DFN-Verein (pempe@dfn.de); Überblick DFN-Verein................................. 74 9 Jürgen Brauckmann; DFN-CERT Services GmbH (brauckmann@dfn-cert.de); 10 Ralf Paffrath, DFN-Verein (paffrath@dfn.de); 11 Dr. Matthias Baume, Technische Universität Die Mitgliedseinrichtungen.................... 76 München (matthias.baume@tum.de); 12 Nina Muris-Wendt, Technische Universität München (nina.muris-wendt@prolehre.tum.de); 13 Mizuki Ando, Technische Universität München (mizuki.ando@tum.de); 14 Justin Rennert, Forschungsstelle Recht im DFN (j_renn05@uni-muenster.de); 15 Owen Mc Grath, Forschungsstelle Recht im DFN (o.mcgrath@uni-muenster.de)
6 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | DFN-VEREIN Im Spiegel der Zeit – Die DFN-Mitteilungen 100 Ausgaben, 37 Jahre, 901 Artikel und 3757 Seiten: Prall gefüllt mit dem Wissen und den Erfahrungen unserer Mitglieder und Teilnehmer, sind die DFN- Mitteilungen ein Zeitzeugnis für die rasante Entwicklung des Internets im Allgemeinen und des Wissenschaftsnetzes im Besonderen. 1985 Text: Maimona Id (DFN-Verein) Beim Durchstöbern der alten Ausgaben haben wir oft gestaunt, das eine oder andere Mal gelacht und nicht wenige Male wa- ren wir beeindruckt, was die Gemeinschaft unseres Vereins – das Fundament für ein stabiles Deutsches Forschungsnetz – in 37 Jahren nachhaltig aufgebaut hat. Aufregend muss es in den Pionierjahren gewesen sein: von der Vereinsgründung über die Wiedervereinigung Deutschlands und dem lang ersehnten, herzlichen Empfang der ostdeutschen Wissenschaftseinrichtungen bis in die Gegenwart. Aus der Mitte der Wissenschaft gründete sich am 12. Januar 1984 das Deutsche Forschungsnetz (DFN). Die erste Ausgabe der DFN-Mitteilungen erschien etwa ein Jahr später im Februar 1985. Darin berichtete Gründungsvorstand Prof. Dr. Karl Zander über die bewegten ersten Wochen des Vereins. O-Ton zur ers- ten im März 1982 am DESY (Deutsches Elektronen-Synchrot- ron) stattfindenden „Diskussionsversammlung der an einem Rechnerverbund Interessierten“: „Die Optimisten überwogen, Pessimisten leisteten wertvolle kritische Beiträge; eine wenn auch noch kleine Gemeinschaft von motivierten Verbundideo- logen war entstanden“. Heute bildet das Deutsche Forschungs- netz eine große Gemeinschaft aus 351 Vereinsmitgliedern und 1000 Teilnehmern in ganz Deutschland.
DFN-VEREIN | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 7 DFM Mitteilungen I Ausgaben 2 - 20 1986 1987 D0ppelheft 9/10 Ziel der DFN-Mitteilungen war, die zunächst formal zusammengeschlossenen Instituti- Alle bisherigen Aus- onen und Einrichtungen dabei zu unterstützen, eine lebendige Gemeinschaft zu bilden, gaben der DFN-Mit- die die gewaltige Aufgabe hatte, das zur damaligen Zeit größte deutsche Verbundprojekt teilungen finden Sie auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik zu errichten und zu betreiben. Außerdem unter: sollte die Zeitschrift ein Ort sein, an dem die DFN-Community sich über ihre Erfahrungen, https://www.dfn. Ideen und Vorstellungen zum Aufbau einer fortschrittlichen und leistungsfähigen Infra- de/publikationen/ struktur austauschen kann. dfnmitteilungen/ Mit den 100 Covern unserer Vereinszeitschrift nehmen wir Sie in dieser Ausgabe mit auf eine Zeitreise durch die Jahrzehnte: von den 80er Jahren mit den Anfängen und Entwick- lungen des Internets bis in die 20er Jahre des neuen Jahrtausends. Wie sich die Mitteilun- gen dabei auch optisch verändert haben, können Sie anhand der Titelbilder und beim Stö- bern in den alten Ausgaben auf unserer Webseite entdecken. Wir danken allen Autorinnen und Autoren, externen wie internen, die die DFN-Mitteilun- gen mit ihren informativen und fundierten Artikeln über die Jahre bereichert haben. Und natürlich geht ein ganz großer Dank an unsere treuen Leserinnen und Leser, denen wir in jeder Ausgabe einen spannenden Einblick in die Welt des Deutschen Forschungsnetzes geben möchten. Bleiben Sie uns gewogen, viel Spaß beim Stöbern!
8 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ Rechnen verbindet – Start- schuss für den NHR-Verein Mit einem weinenden, aber auch einem lachenden Auge verabschiedet der DFN-Verein das Projekt „Geschäftsstelle für den Strategieausschuss in der Gründungsphase des NHR“. Am 23. August 2021 wurde der Verein für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR) nach gut zweijähriger Projektphase mit dem Ziel gegründet, die Rechenzentren der Ebene 2 in einer gemeinsamen zukunftsfähigen Struktur zusammenzufassen. Damit ist die NHR-Geschäftsstelle jetzt im neuen Verein angesiedelt. Begleitet wurde der Prozess vom NHR-Strategieausschuss, einem von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) eingesetzten Expertengremium. Der Vorsitzende Prof. Dr. Rolf Krause und die stellvertretende Vorsitzende Prof. Dr. Miriam Schulte erzählen, welche Vorteile und Synergien sich nun aus NHR ergeben. Wir beim DFN-Verein haben hautnah die sorgt, dass der Zugang zu Rechenzeit Gibt es weitere Vorteile für Forschende? aufregende und intensive zweijährige fair, einfach und transparent ist. Dadurch Miriam Schulte: Die NHR-Zentren sind Projektphase miterlebt, an deren Ende wird den Forschenden die tägliche Arbeit an inhaltlichen Forschungsthemen aus- jetzt der neu gegründete NHR-Verein erleichtert. Bisher war das in den einzel- gerichtet, jedes hat seinen fachlichen steht. Was ist die zentrale Idee hinter nen Zentren und Landesinitiativen sehr Fokus. Dadurch habe ich als Nutzerin dem Verbund? unübersichtlich. Zum ersten Mal wird jetzt die Möglichkeit, die richtige Fach- Rolf Krause: Eine wesentliche Idee ist, damit eine deutschlandweit einheitliche community zu finden. NHR macht mich dass die Ressourcen der Rechenzentren Vergabe realisiert. unabhängig davon, welche Forschungs- einheitlich und zentral vergeben werden. schwerpunkte es an meinem Heimat- Der Zugriff auf die Rechenzeit und die Wie funktioniert die Verteilung der rechenzentrum gibt. Bisher haben die damit verbundenen fachlichen Kompe- Rechenzeit denn konkret? Leute in ihren Heimatrechenzentren ein tenzen erfolgen also nicht mehr ortsab- Rolf Krause: Dazu gab es eine Arbeits- Stück weit isoliert gearbeitet und Dinge hängig, sondern wissenschaftsgeleitet. gruppe im Strategieausschuss, die Ideen für sich entwickelt. Über NHR kommen Das heißt, ich kann auf verschiedene entwickelt hat, wie der Zugriff auf Re- sie nun an das thematisch zuständige Rechenzentren zugreifen, ganz egal wo chenzeit bestmöglich gestaltet werden Zentrum und finden dort entsprechende sie sind. kann. Das war mit erheblichen Diskussio- Partner mit ähnlichem Forschungsfokus. nen verbunden. Aber jetzt sind wir einen Da entstehen Synergien, die wir bisher Als Forscher habe ich damit nicht nur großen Schritt weiter: Die NHR-Zentren noch gar nicht erahnen können. eine wesentlich größere Chance, Rechen- haben auf Grundlage unserer Empfehlun- zeit zu erhalten. Ich kann auch auf viel gen eine gemeinsame Vergabeordnung Rolf Krause: Mit einem breiten Angebot mehr und auf unterschiedliche Hardware entwickelt, welche zukünftig über ein an gemeinsamen Veranstaltungen, Work- zugreifen. Dadurch wird das deutsch- gemeinsames Antragsportal realisiert shops und Trainingsangeboten werden landweite NHR-System mit seinen Res- wird. Die technischen Möglichkeiten zur die Nutzer zusammengebracht und es sourcen viel besser ausgenutzt. Umsetzung sind da. Die Kolleginnen und entsteht eine hervorragend vernetzte Kollegen arbeiten daran, das Portal auf- und gut funktionierende Community. Miriam Schulte: Eine der ersten Auf- zubauen. Das Ganze muss sich im Alltag Das ist die große Stärke von NHR. gaben des Strategieausschusses war bewähren und soll anschließend kom- die Entwicklung eines neuen und ein- plett aufgebaut werden. Miriam Schulte: Meine große Hoffnung heitlichen Antragsverfahrens, das dafür ist darüber hinaus, dass wir es mit NHR
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 9 Prof. Dr. Miriam Schulte, Leiterin des Instituts für Parallele und Verteilte Systeme (IPVS), Lehrstuhl für „Simulation großer Systeme“ im Fachbereich Informatik der Universität Stuttgart Forschungsschwerpunkte: gekoppelte Simulationen, massiv parallele Gleichungssystemlöser, effiziente Datenstrukturen, biomechanische Systeme und Umweltsysteme schaffen werden, wissenschaftliche Soft- Mit NHR haben wir zum ersten Mal Es ist überaus wichtig, dass Zuwendungs- ware besser zur Verfügung zu stellen. die Chance, auf nationaler Ebene einen geber und Forscher offen miteinander Ich meine damit Hilfsbibliotheken, die Verbund zu schaffen, der künftig genug reden können, ohne dass sich die Fronten bei einer Rechnung allgemeine Aufga- Know-how und Ressourcen zur Verfü- verhärten. Leute mit unterschiedlichem ben übernehmen und vielleicht auf den gung stellt, um auf internationaler Background treffen zusammen, die Sach- Rechnern schon vorinstalliert sind. Wenn Ebene – auch im Softwarebereich – verhalte teils völlig anders interpretie- ich mir solche Programme selbst her- mitzuspielen. ren. Das klingt trivial, aber es ist schon unterladen und mit allen Abhängigkeiten eine Herausforderung, wenn Politik und installieren oder sogar selbst schreiben Miriam Schulte: In Deutschland gibt es Wissenschaft an einem Tisch sitzen. Hier muss, ist das ein ziemlicher Aufwand. Wir viele clevere Detaillösungen, aber es ist hat das Team der NHR-Geschäftsstelle sollten hier auch ganz speziell Software gar nicht so einfach, diese in die Breite hervorragende Arbeit geleistet und die aus Deutschland fördern, bisher kommen zu bringen. Mit NHR haben wir eine In- Treffen organisatorisch und inhaltlich solche Bibliotheken meist aus den Natio- frastruktur, die das ermöglicht und die so vorbereitet, dass wir gemeinsam sehr nal Labs in den USA. deutsche Entwickler-Community stärkt. gute Ergebnisse erzielen konnten. Es geht darum, die vorhandenen Res- Rolf Krause: Wenn wir uns mit den USA sourcen zu koordinieren. Wenn wir das Das klingt, als ob es im Strategieaus- vergleichen, wo sehr viel Entwicklung im schaffen, bringt uns das sicherlich auch schuss auch mal ans Eingemachte geht. HPC-Bereich stattfindet, muss man fest- auf internationaler Ebene weiter. Rolf Krause: Ja, vielleicht rumpelt es mal, stellen, dass die Forschung in Deutsch- aber es macht auch Spaß. Wir diskutieren land ziemlich zersplittert ist. Lediglich in Was waren die größten Herausforde viel. NHR hat nun einmal zwei Dimen- bestimmten Bereichen wie Performance rungen, welche Lektionen haben Sie sionen: eine wissenschaftliche und eine Monitoring, speziellen Algorithmen oder gelernt? politisch-strategische. Die Herausforde- Anpassungen an besondere Hardware, Rolf Krause: Die allergrößte Herausforde- rung bestand letztlich darin, gemeinsam GPUs etc. spielen wir ganz vorne mit. rung war es, den politisch formulierten die richtigen Zentren auszuwählen Geht es jedoch um Softwarebibliotheken, Willen zur Kooperation in ein wissen- und sie beim Aufbau des Verbundes zu dann greifen wir sehr häufig auf Entwick schaftlich schlüssiges Konzept umzu- unterstützen. lungen der National Labs in den USA zu- setzen, welches allen beteiligten Zentren rück. Etwas Vergleichbares wie die Natio- eine gute Struktur bietet, in der sie er- Miriam Schulte: Ich bin noch ziemlich nal Labs haben wir in Deutschland nicht. folgreich miteinander arbeiten können. neu im Strategieausschuss. Ich habe
10 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ die letzten zwei Jahre aber als Teil der Gutachterkommission erlebt und den Entstehungsprozess genau beobachten können. Die Anträge waren zum Teil so heterogen, dass sie schwer zu verglei- chen waren. Da stellt sich die Frage, ob man exaktere Vorgaben hätte machen müssen, weil die Begutachtung doch sehr schwierig war. Mein Fazit ist aber, dass wir von den vielen tollen Ideen aus den Anträgen eher profitiert und beim Lesen eine Menge gelernt haben. Rolf Krause: Unbedingt. Wie Du schon sagst, die Zentren haben in ihren Anträ- gen vielfältige und teils sehr verschiede- ne Ideen dargestellt. Natürlich war eine inhaltliche Abstimmung in dem kompeti- tiven Auswahlverfahren nicht zu erwar- ten. Wir haben versucht, die innovativen Ideen aus den Anträgen zu sortieren und gebündelt als Empfehlung an den NHR- Verbund zurückzugeben. Prof. Dr. Rolf Krause, Direktor des Euler Institute an der Università della Svizzera italiana, Lehrstuhl für Wissenschaftliches Rechnen an der Fakultät für Informatik, Miriam Schulte: Eine weitere Herausfor- Kodirektor des „Center for Computational Medicine in Cardiology“. Forschungs- derung: Außerhalb der klassischen High schwerpunkte: Computional Medicine, Computational Engineering, High Performance Performance Computing-Community wis- Computing, Machine Learning, Mathematical optimization, Scientific Software sen viele Forschende noch gar nicht, dass es NHR gibt. Deutschlandweit gibt es vie- le Nutzer, die auf die größeren Maschinen sind es die Menschen, die die Gemein- auch die soziale. Spielt das eine Rolle im gehen wollen, aber noch davor zurück- schaft bilden und den Verein lebendig NHR-Verbund? schrecken, weil das Know-how fehlt. An machen. Es gibt bereits erste vielverspre- Rolf Krause: Diversität ist ein gutes Stich- dieser Stelle sollen sie jetzt durch NHR chende gemeinsame Projekte zwischen wort. Im Hinblick auf Internationalität unterstützt werden. Mit der Stärkung den beteiligten NHR-Zentren. haben wir kein großes Problem. Mit der der methodischen Kompetenzen und künftigen Graduiertenschule bekommt einem sinnvollen und effizienten Einsatz Ein ganz zentraler Punkt ist die För- NHR hoffentlich ein sehr internationales der Methoden erreichen wir, dass die derung des wissenschaftlichen Nach- Publikum. In Bezug auf den Frauenanteil teure Infrastruktur energie- und kosten- wuchses. Eines der ersten Projekte sehe ich jedoch nach wie vor die klassi- effizient genutzt wird. Natürlich müssen des NHR-Vereins ist der Aufbau einer sche Geschlechterverteilung in den ver- die NHR-Zentren auf die Leute zugehen Graduiertenschule. Damit wird nicht nur schiedenen Disziplinen. In der Informatik und auch außerhalb der eigenen lokalen die zukünftige Basis der HPC-Forschung gibt es weiterhin relativ wenige Frauen, Nutzerkreise neue Nutzer akquirieren. gestärkt – durch das gemeinsame Aus- auch wenn das in den vergangenen Jah- Es braucht noch viel mehr Aufklärungs- bildungsprogramm entsteht auch eine ren etwas besser geworden ist. arbeit und ein gutes Angebot an Schulun- gemeinsame Community und die Zusam- gen, die aber auch Teil der Anträge waren. mengehörigkeit wird gefördert. Der An- Miriam Schulte: Gerade bei den Anträgen satz lautet: gemeinsame Struktur, partiell hatten wir schon ein Gender-Problem. Was macht den NHR lebendig neben der gemeinsame Forschung und gemeinsame Mit den internationalen Gutachtern – das Infrastruktur? Ausbildung. muss ehrlich gesagt werden – haben wir Rolf Krause: Ganz einfach, das sind die gekämpft. Deren Tenor war, dass sie das Menschen. Wir reden immer von Infra- Zu einer lebendigen Gemeinschaft aufgrund der Männerüberzahl unter den struktur und Hardware, aber am Ende gehört neben der fachlichen Diversität Antragstellern eigentlich nicht befür-
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 11 worten können. Da waren vielleicht zwei müssen wir über Schulungen oder Work- des Hochleistungsrechnens ist ja letzten Frauen darunter. shops in dieser Richtung nachdenken. Endes, den Forschenden aller möglichen Fachdisziplinen geeignete Werkzeuge Rolf Krause: Tatsächlich gibt es unter Rolf Krause: Wir haben gewisse Rollen- zur Verfügung zu stellen, mit denen sie den Rechenzentrumsleitungen keine bilder und Verhaltensweisen, die wir schnell zu ihren Ergebnissen kommen. einzige Frau. Erst auf Ebene der Projekt- irgendwie aufbrechen müssen. Im Hoch- Und diese sind in den seltensten Fällen leitungen findet man einige wenige. leistungsrechnen könnten wir vielleicht Informatiker, da ist vielleicht jemand Dennoch bleibt der Anteil deutlich unter mehr die Anwendungsseite und weniger aus der Medizin oder aus der Biologie, 20 Prozent. Dementsprechend müssen die rein technische Seite beleuchten. der nicht weiß, was eine GPU oder eine wir bei den kommenden Generationen Wenn eine sinnvolle Anwendung dazu CPU ist. Die brauchen Unterstützung ansetzen. Mit der Graduiertenschule hat kommt, sieht das Geschlechterverhält- bei der Beantwortung der Frage, welche der NHR-Verbund die Möglichkeit, das nis schon wieder anders aus, ist mein Hardware am besten zu ihrer Anwendung Geschlechterverhältnis zu beeinflussen. Eindruck. passt und wie sie ihre Programme am effizientesten auf einem Hochleistungs- Miriam Schulte: Wir haben alle, sowohl Miriam Schulte: Das stimmt. Wenn Du rechner zum Laufen bringen. Wir müssen Männer als auch Frauen, einen unheimli- den Studiengang Informatik zum Beispiel kooperativ denken, im Sinne des Gesamt- chen Bias (Anm. Red. geschlechtsbezoge- mit zehn Prozent anderen Inhalten anrei- bildes. Um mal in der Mathematik zu ner Verzerrungseffekt). Frauen schrecken cherst und dann Medieninformatik bleiben, am Ende sind wir vor der Tafel vor der Technik zurück und werden aber nennst, dann hast Du auf einmal 50 Pro- alle gleich. auch von der männlichen Community oft zent Studentinnen, obwohl es zum größ- auf unpassende Weise behandelt. Den ten Teil die gleichen Inhalte geblieben Zu guter Letzt: Was wünschen Sie dem Männern ist das oft gar nicht bewusst. sind. NHR-Verein für die nächsten zehn Jahre? Wahrscheinlich müssen wir in unserem Rolf Krause: Ich wünsche mir, dass wir es Umfeld bei den Rechenzentren anfangen. Rolf Krause: Wir assoziieren Hochleis- schaffen, möglichst viele Leute anzuspre- Ich habe bisher immer gedacht, dass wir tungsrechnen immer mit Informatik. Ich chen und Nutzer zu gewinnen, die sich so etwas nicht brauchen, aber vielleicht denke, das ist zu eng gefasst. Die Idee im interdisziplinären Bereich zu Hause fühlen. Gerade der wissenschaftliche Nachwuchs spielt hier eine große Rolle. Und natürlich, dass wir weiterhin so gut NHR-ECKDATEN zusammenarbeiten. Dieser großartige ʃ Gemeinsame Förderung durch Bund und Länder im Verhältnis 50/50 Start und diese positive Grundstimmung ʃ Fördervolumen insgesamt: bis zu 62,5 Mio. Euro/Jahr sind nicht selbstverständlich! ʃ Laufzeit der Förderung: zunächst zehn Jahre ʃ Dem NHR-Verbund gehören folgende Hochschulen/Rechenzentren der Miriam Schulte: Dem kann ich nur zu- Ebene 2 an: stimmen. Ich glaube, dass wir gerade • NHR4CES@RWTH – IT Center – RWTH Aachen mit den Ebene-2-Zentren im NHR die • NHR@ZIB – Zuse-Institut Berlin – Berlin University Alliance Chance haben, die Grenzen zwischen der • NHR4CES@TUDa – Hochschulrechenzentrum (HRZ) – Technische Universität Informatik und den Anwendungen zu öff- Darmstadt nen – vielleicht sogar besser als auf der • NHR@TUD – ZIH – Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen obersten HPC-Ebene-1. Ich wünsche mir – Technische Universität Dresden für unsere NHR-Communities ein großes • NHR@FAU – Regionales Rechenzentrum Erlangen - Universität Plus an Synergien und Effizienz. Aber Erlangen-Nürnberg vor allem wünsche ich allen Beteiligten • NHR@GWDG – Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH viel Spaß und Freude daran, im Hochleis- Göttingen – Universität Göttingen tungsrechnen etwas zu bewegen. • NHR@KIT – Steinbuch Centre for Computing (SCC) – Karlsruher Institut für Technologie Die Fragen stellte Maimona Id • PC2 – Paderborn Center for Parallel Computing – Universität Paderborn (DFN-Verein) • NHR Süd-West – Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Technische Universi- tät Kaiserslautern, Goethe-Universität Frankfurt und Universität des Saarlandes
12 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ Dr. Heide Ahrens Auf dem Weg zum Verein – Generalsekretärin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Mit dem Aufbau des NHR-Verbundes leisten Bund Mit der Gründung des NHR-Vereins wird in Deutsch- und Länder einen wesentlichen Beitrag zur Bereit- land das Hochleistungsrechnen der Ebene 2 an den stellung von Hochleistungsrechnerkapazität für Hochschulen, das bisher auf Länderebene organi- deutsche Hochschulen. Durch die Finanzierung auch siert war, in der Wissenschaft neu strukturiert. von Betrieb und Personal wird eine effektive Nutzung sichergestellt. Die Der NHR-Verein besteht aus mehreren NHR-Zen- DFG unterstützt die eingeschlagene Linie sehr, neben der Investition auch tren, die sowohl die Hochleistungsrechner betrei- langfristig die operativen Kosten aus einer Hand zu finanzieren. Wir ben als auch ein koordiniertes Beratungsangebot erwarten davon Signalwirkungen auch für weitere Technologiegebiete. zur Methodenkompetenz des wissenschaftlichen Hochleistungsrechnens anbieten. Ziel ist es, Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftlern der deutschen Prof. Dr. Hans-Joachim Bungartz Hochschulen bedarfsgerecht die für ihre Forschung Professor für Informatik und Mathematik an der TU benötigte Rechenkapazität zur Verfügung zu stellen München, Mitglied des Direktoriums des Leibniz- und ihre Kompetenzen zur effizienten Nutzung die- Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wis- ser Ressource zu stärken. senschaften (LRZ) Bei den Diskussionen in der Arbeitsgruppe des Wis- senschaftsrats war es zunächst nur um die Zielstruk- tur und deren institutionelle Aufhängung gegangen. Mit zunehmender Konkretheit des Ganzen wurde die Frage „Und wie kommt man da hin?“ Dr. Babett Gläser immer virulenter. Und auch wenn wir die Anfrage an den DFN-Verein, sich Abteilungsleiterin für die NHR-Gründungsphase einer Geschäftsstelle anzunehmen, nicht auf Forschung, Sächsisches dem Schirm hatten, so kam sie doch im Nachhinein nicht wirklich überra- Staatsministerium für schend: So häufig ist die Kombination aus technischer Kompetenz, organi- Wissenschaft, Kultur satorischer Erfahrung sowie enger Einbindung in die Landschaft bei gleich- und Tourismus zeitiger institutioneller Unabhängigkeit und Neutralität nun auch wieder nicht. Schnell war klar, dass ein Ablehnen (etwa via Verstecken hinter ver- Mit neun Hochleistungsrechenzentren in ganz einspolitische Bedenken – das geht immer) keine Option war, dass sich der Deutschland stellt der NHR-Verein Forschenden DFN-Verein trotz aller Risiken (wenn’s schiefging, würden die vereinten bundesweit Kapazitäten und Kompetenzen zur Finger natürlich mit Vehemenz auf uns zeigen, das war klar …) hier einbrin- Verfügung. Die leistungsfähige Infrastruktur bie- gen musste. Und dies auf eine unternehmerische Art, die alles andere als tet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern frei von Herausforderungen war und durchaus das eine oder andere Mal großartige neue Möglichkeiten zur Vernetzung. bei der Obrigkeit ein „So geht das aber nicht!“ auslöste, die allerdings für Aufgrund der großen Bedeutung für die deutsche die Einhaltung von vorgegebenem Ziel und Zeitrahmen unabdingbar war. Wissenschaftslandschaft wird die Förderung des Schlüssel zum Erfolg waren wie so oft die Menschen: schnell und breit su- NHR-Verbundes von Bund und allen Ländern ge- chen, die richtigen finden, und die dann werkeln lassen. Und so trat das meinsam getragen. Persönlich freue ich mich, ein, wofür der DFN-Verein ja schon ein bisschen steht (wir wurden ja nicht dass auch die Technische Universität Dresden ohne Grund gefragt): Es funktioniert, und zwar ziemlich gut. (ZIH) dabei ist. Peter Wenzel-Constabel Referat Infrastrukturen für die Wissenschaft, Bundes- ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Das Besondere am NHR-Verbund ist, dass er für For- schende aus allen deutschen Hochschulen Kapazi- täten im Hochleistungsrechnen bereitstellt – bun- desweit und unabhängig vom Standort. Durch Aus- und Weiterbildung im Hochleistungsrechnen, durch die Weiterentwicklung des wissenschaftli- chen Rechnens trägt das NHR entscheidend dazu bei, die Qualität der deut- schen Hochschulforschung zu sichern und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Möglichkeiten in ihrer Forschung zu eröffnen.
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 13 Nationales Hochleistungsrechnen (NHR) in Deutschland NHR-CHRONOLOGIE Januar 2012 Wissenschaftsrat (WR) veröffentlicht Positionspapier „Strategische Weiterentwicklung des Hoch- und Höchstleistungsrechnens in Deutschland“: High Performance Computing (HPC) ist unverzichtbar für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, die Forschungsin frastruktur ist jedoch nicht ausreichend. Wissenschaftsrat setzt Arbeitsgruppe ein und veröffentlicht „Empfehlungen zur Finanzie- April 2015 rung des Nationalen Hoch- und Höchstleistungsrechnens in Deutschland“ – als Grundlage für eine langfristig stabile und kosteneffiziente Weiterentwicklung und Finanzierung des Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) Hoch- und Höchstleistungsrechnens. stellt Anfrage beim DFN-Verein – für die Übernah- me des Projekts „Einrichtung einer vorläufigen NHR-Geschäftsstelle“. Einen Tag später stimmt August 2018 der DFN-Vorstand der Aufnahme des Projekts zu. GWK beschließt Abkommen über die gemeinsame Förderung von Forschungsbauten, November 2018 Großgeräten und des Nationalen Hochleistungsrechnens an Hochschulen (Verabschie- dung AV-FGH). Geschäftsstelle des Strategieausschusses für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR) April 2019 nimmt ihre Arbeit auf – betreut vom DFN-Verein, der als einer der zentralen Akteure der nationalen Forschungsinfrastrukturen den Aufbau begleitet. Das gemeinsam vom BMBF GWK setzt den Strategieausschuss ein. Das un- und dem DFN-Verein initiierte Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren. abhängige Gremium der GWK hat die Aufgabe, Empfehlungen zu NHR auszusprechen und ist mit acht Wissenschaftler*innen, dem Bund und acht Ländern als Vertretung der GWK besetzt. Mai 2019 Juni 2019 Konstituierende Sitzung des Strategieausschusses in der Geschäftsstelle des DFN-Vereins Der Strategieausschuss verabschiedet ein Ausschreibungskonzept zur Aufnahme von September 2019 Rechenzentren in die Förderung. Die GWK beschließt das Ausschreibungskonzept. Dezember 2019 Ausschreibung der NHR-Förderung durch die DFG Januar 2020 2020 Empfehlung des Strategieausschusses zur Aufnahme von acht Rechenzentren in die August Förderung des NHR auf Basis eines wettbewerblichen und wissenschaftsgeleiteten Auswahlverfahrens November 2020 Mit dem GWK-Beschluss werden die acht empfohlenen Rechenzentren in die Förderung aufgenommen. Beginn der Förderung Januar 2021 August 2021 Gründung des NHR-Vereins in Berlin: Die Übernahme der Geschäftsstelle durch den NHR- Verein ist zum 1. Januar 2022 geplant. Oktober 2021 GWK beschließt die Aufnahme des Konsortiums Süd-West als neunten Partner in die Förderung.
14 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ NFDI – ein effizienteres Forschungsdatenmanagement für die Wissenschaft Nach Jahren der Vorbereitung wurde im Oktober 2020 der Verein Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) e. V. gegründet. Dieser ist mit dem hehren Ziel angetreten, in Deutschland ein Forschungsdatenmanagement mit einheitlichen Standards zu etablieren, um Forschende aus allen Wissenschaftsdisziplinen besser bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Welche Herausforderungen es dabei zu meistern gilt, erzählt NFDI-Direktor Prof. Dr. York Sure-Vetter im Interview. Wozu brauchen wir in Deutschland eine nationale Das Ziel von NFDI ist, ein nachhaltiges Forschungs- Forschungsdateninfrastruktur? datenmanagement mit einheitlichen Standards zu Wir verfügen in Deutschland über einen gewaltigen, etablieren und in die Breite der Wissenschaftsdis- stetig wachsenden Schatz an unterschiedlichsten ziplinen zu tragen. Dafür müssen Datenbestände wissenschaftlichen Daten. Die meisten dieser Daten systematisch erschlossen, langfristig gesichert und werden heute nur noch digital erzeugt. Die Wissen- gemäß den FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible, schaft und die Wissenschaftsinfrastruktur stehen Interoperable und Re-usable) über Disziplinen- und dabei vor völlig neuen Herausforderungen wie bei- Ländergrenzen hinaus zur Verfügung gestellt wer- spielsweise der datenschutzkonformen Nutzung den. Dieses Ziel ist nur durch eine interdisziplinäre von privaten Gesundheitsdaten oder der hochska- Zusammenarbeit von allen Wissenschaftsbereichen lierbaren Nutzung von extrem großen Mengen von und Infrastruktureinrichtungen erreichbar. Klimadaten. Wie soll diese Infrastruktur aufgebaut werden und Zudem ist der Umgang mit Forschungsdaten in den wer hat das Know-how? verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen heute noch Das Besondere an NFDI ist, dass wir einen Ort des sehr heterogen. Dabei ist die Erkenntnis darüber, Austauschs für alle Wissenschaftsdisziplinen schaf- welche Chancen und Risiken das Teilen von Daten fen, an dem sie miteinander das Forschungsdaten- in einer Disziplin jeweils mit sich bringt, bei vielen management der Zukunft gestalten und dabei ihre Forschenden noch gar nicht angekommen. Das führt unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen beispielsweise dazu, dass ein Laborexperiment für einbringen. Dritte nicht reproduzierbar ist, oder dass Rohdaten für die Beantwortung neuer Forschungsfragen nicht So besteht jedes Konsortium nicht nur aus Wissen- nachnutzbar sind. Das ist insgesamt sehr ineffizient schaftlerinnen und Wissenschaftlern mit ausge- und auf Dauer gesehen unbefriedigend. prägter fachlicher Expertise, sondern auch aus Infra- strukturfachleuten mit großer Kompetenz für die
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 15 notwendigen Infrastruktur-Komponenten. Wie beim DFN-Verein kennen sich diese mit den Services aus, die für die Wissenschaft benötigt werden. Darüber hinaus bauen wir Kompetenzprofile wie das des neu- en Berufsbilds Data Stewart auf. Diese fachliche Du- alität ist ein ganz wichtiger Pfeiler bei NFDI und in jedem Konsortium tief verankert: Fachwissenschaft plus Infrastruktur. Die Services wiederum sollen an bereits bestehende technische Infrastrukturen andocken. Von vorne- herein war klar, dass NFDI sich auf der reinen An- wendungsebene bewegt: kein „Blech“, so lautete die Devise bei der Ausarbeitung der Empfehlung für den Aufbau der NFDI – weder finanziert noch aufgebaut oder betrieben. Für diesen Teil sind wir auf starke Partner angewiesen und haben sie teilweise auch schon mit an Bord: Infrastrukturinstitute aus dem außeruniversitären Forschungsbereich, Rechenzent- ren, Archive und Bibliotheken, die z. B. die Hardware und die Prozesse, um das „Blech“ am Laufen zu halten, betreiben oder die Datensätze sammeln, aufarbeiten und archivieren. Was ist das Neue an der Idee einer NFDI? Neu ist der Anspruch, alle Wissenschaftsdiszipli- nen in Deutschland an einen Tisch zu bringen, um das Forschungsdatenmanagement ganzheitlich zu verbessern. In NFDI sind die einzelnen Fach-Com- munities darum disziplinabhängig in eigeninitiativ agierenden Konsortien organisiert. Jede hat ihre eigenen Datensätze mit teilweise individuellen An- forderungen wie beispielsweise speziellen Daten- Prof. Dr. York Sure-Vetter: Direktor der Nationalen formaten. Gleichzeitig gibt es viele generalisierbare Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und Professor Herausforderungen und Lösungsansätze, die jeweils am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) für viele oder sogar für alle gleich sind. In NFDI profi- tieren alle Wissenschaften davon, dass wir die Forschungsschwerpunkte: Künstliche Intelligenz (KI) Herausforderungen gemeinsam meistern und dabei und Data Science, Semantic Web, Linked Data, aus verschiedenen Erfahrungen lernen. Data and Text Mining, Service Science (Foto: NFDI) Die einzelnen Communities sind auf einem sehr un- terschiedlichen Entwicklungsstand. Es war sozusa- gen eine Art Hausaufgabe für Wissenschaftsdiszipli- nen, im Rahmen der Antragstellung bei der DFG auch eine Bestandsaufnahme zu machen und sodann zu entscheiden, was der jeweils nächste sinnvolle Schritt für eine Verbesserung im Umgang mit digita- len Forschungsdaten ist. Jede Disziplin hat ihre spe- zifischen Herausforderungen und demnach unter- schiedliche Schritte, die sie in NFDI gehen will. In den Lebenswissenschaften sind ethische Fragen und
16 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ Fragen des Datenschutzes besonders wichtig. In den ture: Hier arbeiten wir an technischen Lösungen Naturwissenschaften geht es unter anderem darum, für eine gemeinsame Infrastruktur auf Basis der An- Rohdaten aus Laborexperimenten mit Metadaten forderungen, die aus den verschiedenen Konsortien anzureichern und besser zur Verfügung zu stellen. gesammelt werden. Synergien zu nutzen und diesen Schatz an unter- Gehören zur Common Infrastructure auch die schiedlichen Kompetenzen allen zur Verfügung zu Basisdienste wie zum Beispiel zur Authentifizie- stellen, das war ursprünglich der Anspruch des Rats rung und Autorisierung? für Informationsinfrastrukturen (RfII), der mit sei- Basisdienste können aus allen Sektionen kommen. nem Positionspapier „Leistung aus Vielfalt“ den ers- Ihr genanntes Beispiel zur Authentifizierung und Au- ten Aufschlag zur NFDI gemacht hat. Konsequent torisierung passt natürlich sehr gut zur Sektion Com- weitergedacht bedeutet dieser Anspruch heute, dass mon Infrastructure. Ursprünglich wurde die dritte die Communities ihre Schritte nicht allein, sondern Runde für die Basisdienste geöffnet. Sehr schnell folgte die Erkenntnis, dass eine Vorbereitungsphase notwendig ist, um wichtige Akteure frühzeitig mit einzubeziehen bei der Definition des Vorgehens zur Etablierung von Basisdiensten. So geht es in der Hauptsache darum sicherzustellen, dass der Prozess anforderungsgetrieben ist und daher aus den Reihen der Konsortien und der Sektionen mitgestaltet wird. Weitere Akteure wie beispielsweise der Wissen- schaftliche Senat des NFDI-Vereins können unter- stützen, indem die strategische Perspektive für Ba- sisdienste vorausgedacht wird. Eine einheitliche Authen- tifizierung und Autorisie- rung ermöglicht einen Effizienzgewinn bei der täglichen Arbeit. Mehr Raum für Daten: Eröffnung der NFDI-Geschäftsstelle am 15.10.2020 in Karlsruhe (von links nach rechts) Sabine Brünger-Weilandt (FIZ Karlsruhe), Holger Hanselka (KIT), Die Querschnittsthemen und zugehörige Dienste Eva Lübke (NFDI-Direktorat), York Sure-Vetter (NFDI-Direktorat) und Frank Mentrup sind eben nicht domänenspezifisch, sondern sie (Oberbürgermeister Karlsruhe) Foto: Cynthia Ruf/KIT werden, vereinfacht gesagt, „von allen“ benötigt. Die Bereitstellung einer einheitlichen Authentifizierung gemeinsam gehen und dabei voneinander lernen und Autorisierung durch ein geeignetes Identitäts- und fächerübergreifend zusammenarbeiten. management ist ein gutes Beispiel für einen Dienst, der allen Konsortien einen Effizienzgewinn bei der Wie stellen Sie den Erfahrungsaustausch zwischen täglichen Arbeit ermöglicht. den Konsortien sicher? Wie erreichen Sie die fächer- übergreifende Zusammenarbeit? Es ist bereits jetzt abzusehen, dass die Finanzaus- Um den Austausch über die Konsortialgrenzen hin- stattung der geförderten Konsortien es nicht her- weg zu fördern, bauen wir momentan sogenannte gibt, die strukturell notwendigen Basisdienste aus Sektionen auf. Die ersten vier Sektionskonzepte wur- eigener Kraft nachhaltig zu erbringen. Das wirft eini- den bereits Ende September eingerichtet und haben ge sehr grundlegende Fragen auf. Insgesamt erfor- ihre Arbeit aufgenommen. In den Sektionen treffen dern Basisdienste zwingend eine langfristige Kalku- sich Personen aus unterschiedlichen Konsortien und lation der Entwicklungs- und Wartungsaufwände. diskutieren über ausgewählte Querschnittsthemen. Ein Beispiel ist die Sektion zur Common Infrastruc-
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 17 GESCHICHTE Wo sehen Sie momentan die größten Herausforde- rungen beim Aufbau der NFDI? Wir sind ein ganz neuer Verein, uns gibt es erst seit 03.05.2016 Der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) Oktober vergangenen Jahres. Und es ist tatsächlich verabschiedet das Papier „Leistung aus Viel- die Aufbauarbeit auf allen Ebenen, die uns dieses falt“ mit Empfehlungen für die Zukunft des Jahr sehr stark prägt. Neben den benötigten Informa- Forschungsdatenmanagements in Deutsch- tionsinfrastrukturen und den entsprechenden Ab- land. Darin wird der Aufbau einer Nationalen stimmungsprozessen ist es vor allem der Aufbau der Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) angeraten. Vereins- und Governance-Strukturen sowie der Ge- schäftsstelle, mit der wir uns derzeit befassen. Unser 16.11.2018 Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) jüngstes Erfolgserlebnis ist, dass wir die Konsortial- einigt sich darauf, eine NFDI aufzubauen. Bund versammlung ins Leben gerufen haben. Als eine der und Länder sollen dafür bis Ende 2028 Fördermit- ersten Entscheidungen hat die Konsortialversamm- tel bereitstellen. lung sodann Mitglieder in den Wissenschaftlichen Senat entsendet, der damit vollständig besetzt ist. 26.11.2018 Die Bundesregierung und die Regierungen der Wir befinden uns in der dritten und letzten Aus- Länder beschließen den Aufbau und die Förde- schreibungsrunde für die Konsortien – ein durchaus rung einer NFDI. Die Bund-Länder-Vereinbarung kompetitives Verfahren mit hohen Ansprüchen, aber umfasst die wesentlichen Eckpunkte zu Zielen eben auch mit einer langfristigen Förderung von bis und Struktur. zu zehn Jahren. 03.05.2019 Die GWK beschließt, das Direktorat der NFDI in Bereits integriert in alle Organisations- und Infor- Karlsruhe anzusiedeln und die FIZ Karlsruhe – mationsflüsse sind die Konsortien aus der ersten Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur Runde. Die ersten Sektionen über diese Konsortien GmbH sowie das Karlsruher Institut für Techno- hinweg wurden bereits geschaffen. Weitere zehn logie (KIT) mit den Aufgaben der Gründungs- Konsortien, die in diesem Jahr dazu gekommen sind, phase zu betrauen. Dies umfasst den Aufbau der werden aktuell integriert. Dabei müssen wir die Geschäftsstelle und die Überführung der NFDI in initialen Schritte so gestalten, dass die zweite und eine eigene Rechtspersönlichkeit. später die dritte Runde ihre Themen und Anforde- rungen einbringen können, sodass wir keine Silos 01.10.2020 Die Förderung der neun Konsortien der ersten aufmachen. Dieser Integrationsaspekt ist sicherlich Runde beginnt. Dazu gehören DataPLANT, GHGA, eine der wesentlichen Herausforderungen, die wir KonsortSWD, NFDI4BioDiversity, NFDI4Cat, aktuell adressieren müssen. NFDI4Chem, NFDI4Culture, NFDI4Health und NFDI4Ing. Der enge Zeitrahmen ist 12.10.2020 Bund und Länder gründen den Verein Nationale extrem sportlich und eine Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) e. V. in große Herausforderung für Hannover. alle Beteiligten. 02.07.2021 Die GWK beschließt die Förderung weiterer zehn Konsortien in der zweiten Runde. Diese sind Der gesamte NFDI-Prozess ist geprägt von der zeitli- BERD@NFDI, DAPHNE4NFDI, FAIRmat, MaRDI, chen Überlappung der drei Phasen des Aufbaus, des NFDI4DataScience, NFDI4Earth, NFDI4Microbio- Wirkens und der Evaluation. Die ersten Ergebnisse ta, NFDI-MatWerk, PUNCH4NFDI und Text+. können definitionsgemäß erst nach dem Abschluss der Aufbauphase generiert werden: voraussichtlich 01.10.2021 Die Förderung der zehn Konsortien der zweiten ab Anfang 2023, wenn alle 30 Konsortien an Bord Runde beginnt. sind. Wir werden jedoch bereits 2025 durch den Wis- senschaftsrat begutachtet. Die Grundlage für diese Begutachtung ist ein Bericht, der 2024 einzureichen ist. Das heißt, dass wir eigentlich schon ab 2023 mit
18 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ NFDI IN ZAHLEN 194 Mitglieder 19 Konsortien werden von Bund und Ländern gefördert hat der Verein Nationale Forschungs- oder haben eine Förderzusage erhalten dateninfrastruktur (NFDI) e. V.: z. B. Uni- (Stand: August 2021). versitäten, Hochschulen, Forschungsein- In jedem Konsortium engagieren sich richtungen sowie Ministerien (Stand: zahlreiche Einrichtungen. November 2021). 12 Personen 30 Fachkonsortien können im Rahmen von NFDI eine arbeiten in der Geschäftsstelle Förderung erhalten. des Direktorats in Karlsruhe (Stand: November 2021). 1 Ziel vereint alle Vereinsmitglieder und Konsortien: das Forschungsdatenmanagement der Zukunft effektiver gestalten. den Vorbereitungen der Evaluation beschäftigt bereichernd. Denn es ist spannend mitzuerleben, sein werden. Dieser enge Zeitrahmen ist extrem was gerade in der Wissenschaft passiert und Informationen zum sportlich und eine große Herausforderung für welche Rolle Forschungsdaten dabei spielen. NFDI-Verein finden alle Beteiligten. NFDI ist einfach ein cooler Arbeitsplatz! Sie unter: https://www.nfdi.de Was treibt Sie persönlich an als Direktor Wo steht die NFDI in zehn Jahren? der NFDI? NFDI ist ein lebendiges Netzwerk aus engagier- Es ist eine sinnstiftende Tätigkeit und eine in- ten Partnern, die das gemeinsame Ziel verfolgen, teressante Aufgabe. Da bringe ich mich gerne Forschungsdaten gemäß den FAIR-Prinzipien mit meinen Kompetenzen ein. Ich bin ausgebil- bereitzustellen. Alle Wissenschaftsdisziplinen deter Wirtschaftsingenieur mit Promotion und sowie alle benötigten Infrastruktureinrichtun- Forschungsinteressen in der Informatik, habe gen bringen sich entlang ihrer Kompetenzen ein großes sozialwissenschaftliches Forschungs und Leistungsfähigkeiten in den NFDI-Prozess infrastruktur-Institut geleitet, war aber auch in ein. Forschende und Infrastrukturmitarbeitende der Industrie bei einem großen deutschen IT- profitieren von den Chancen, die sich aus einer Unternehmen tätig. Kultur des Datenteilens in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen jeweils ergeben, und Das, was mich schon immer am meisten begeis- sie tragen zur Erkennung und Minimierung von tert hat – sozusagen der emotionale Teil –, ist, deren Risiken bei. ganz verschiedene Menschen mit sehr unter- schiedlichen Blickwinkeln kennenzulernen. In Die Fragen stellte Maimona Id (DFN-Verein) der NFDI ist das die nächsthöhere Stufe: Mit bis zu 30 verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen in engem Austausch zu arbeiten, finde ich sehr
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | 19 25 Jahre Technikgeschichte: DFN-WiNShuttle Der kleine Zugang ins große Wissenschaftsnetz – vor 26 Jahren ging der Dienst WiNShuttle in Betrieb. Der DFN-Verein gehörte zu den ersten Anbietern, die einen bundeseinheitlichen Telefonzugang praktisch zum Ortstarif ermöglichten. Insbesondere der Bildungssektor sollte von der Innovation profitieren. Mit WiNShuttle bekamen Schulen, Volkshochschulen, Lehrende und die Schülerschaft die Möglichkeit, rechnergestützte elektronische Kommunikation zu nutzen. An die Anfänge des Dienstes bis hin zu seiner Stilllegung erinnert sich unsere Kollegin Andrea Wardzichowski mit etwas Wehmut. Text: Andrea Wardzichowski (DFN-Verein) E s war im Herbst 1996, als ich mich zu Be- ginn meiner beruflichen Laufbahn am Rechenzentrum Universität Stuttgart (RUS) es gab einen Zeittakt, nach dem Telefonate abgerechnet wurden. An den Einwahlkno- ten kamen die Einwahlrouter MAX4000 von und News per UUCP, DNS. Wir hatten außer- dem die Idee, die Nutzer nach Kfz-Kennzei- chen gleichmäßig über diese vier Server zu wiederfand: im Projekt „DFN-WiNShuttle“. Ascend zum Einsatz. Je nach Größe des Or- verteilen. Der DFN-Verein war mir schon lange ein Be- tes mit einer oder zwei S2M-Leitungen, die griff und ich hatte die DFN-Mitteilungen jeweils 30 Telefonkanäle beinhalteten. Un- Die Zielgruppe auch schon eine Weile bezogen. Geleitet vergessen der Moment, in dem wir 30 Kar- wurde das Projekt von Karin Schauerham- ten zur Abholung von Telefonbüchern er- Der Dienst DFN-WiNShuttle erhielt seinen mer vom DFN-Verein in Berlin, am RUS be- hielten. ISDN-Karten im Ascend MAX4000 Namen von Klaus Ullmann. Er sah in dem Be- treute uns Barbara Burr. Gesucht wurde eine ermöglichten die ISDN-Einwahl, sogar mit griff „WiNShuttle“ das Shuttle als „kleinen Person, die Unix (noch nicht wirklich Linux!)- zwei Kanälen gleichzeitig. Zubringer“ zum großen Wissenschaftsnetz. Systemadministrationskenntnisse mitbrach- Der Wunsch nach einem solchen Zugang te sowie Geschick an der Hotline, vor allem kam damals aus der DFN-Community. Auch telefonisch: Es galt, einen Einwahldienst per seitens des damaligen Bundesministeriums Modem und ISDN im Forschungsnetz auf- für Bildung, Wissenschaft, Forschung und zuziehen. Das hieß aber auch: Die von uns Technologie (BMBF) bestand großes Inter- angepeilte Zielgruppe hatte noch gar kei- esse daran, insbesondere die Schulen ans nen E-Mail- und Web-Zugang und musste Internet anzubinden. Ebenso wünschten zunächst telefonisch angeleitet werden. sich kleine Einrichtungen aus Forschung und Lehre einen Zugang zum Internet, der Die Technik günstiger war als eine teure Standleitung. Wiedererkennungswert garantiert: WiNShuttle bekam ein eigenes Logo. Auch Behörden wie das Bundeskartellamt Zu diesem Zeitpunkt hatten wir etwa ein oder der Deutsche Beamtenbund waren sehr Dutzend Einwahlknoten in großen deut- In den Städten Stuttgart, Köln, München interessiert an unserem Angebot. Wir de- schen Städten bzw. Universitätsstandorten und Berlin stand je ein SUN-Server glei- finierten daher als Zielgruppe Schulen, Bi- in Betrieb. Dies deckte natürlich nur einen chen Namens. Diese hatten mannigfaltige bliotheken und Museen sowie Einrichtun- Bruchteil der Zielgruppe ab, denn wir müs- Aufgaben: das Einliefern und Abholen von gen aus Forschung und Lehre, Volkshoch- sen uns erinnern: Es wurde noch unterschie- E-Mails, ein ausreichendes Platzangebot für schulen und Vereine. Bei den Einzelperso- den zwischen Orts- und Ferngespräch und Webseiten sowie die Zustellung von E-Mails nen wollten wir sowohl Mitarbeitende von
20 | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ Hochschulen und Forschungseinrichtungen ger Schritt seitens des DFN. Allerdings hät- den und nicht mehr an das „alte“ X.25-WiN. sowie Lehrende und die Schülerschaft an- ten wir bei einem Weiterbetrieb an der Uni- Drei der Einwahlknoten hatten bereits 90 sprechen als auch Wissenschaftsjournalis- versität etwa alle fünf Jahre unser Personal Einwahlkanäle, vier Knoten 60. Wir über- ten und Vereinsmitglieder, z. B. der Gesell- auswechseln müssen, weil längere Verträge wachten auch sehr genau die Auslastung, schaft für Informatik (GI) und der German eine Festanstellung zur Folge gehabt hät- um rechtzeitig neue Leitungen bestellen, Unix User Group (GUUG). Ebenso sollten in ten. Der DFN-Verein beschloss damals, dass neue Geräte aufstellen und damit den Be- geringerem Maße kleine Ingenieurbüros an- dies für Bereiche, die letztlich „Betrieb“ ma- darf decken zu können. gesprochen werden. chen, keine gute Aussicht sei. Mail- und Webadressen Für die Mail- und Webadressen hatten wir uns etwas „Gutes“ ausgedacht: Während t-online.de und auch aol.com (die seinerzeit schon Internetzugänge anboten) nur einen „flachen“ Namensraum zur Verfügung stell- ten, bei denen die Adresse für alle Nutzer nach dem @ gleich lautete, wollten wir un- seren Nutzern individuellere Mailadressen zukommen lassen. So wollten wir bei häu- figen Namenskombinationen eine Durch- nummerierung wie bei anderen Anbietern üblich vermeiden. Der Host-Teil sollte bestehen aus „rech- nername.Kfz-Kennzeichen.shuttle.de.“ Den „Rechnernamen“ konnte der Nut- zer sich frei aussuchen. Durch die Gliede- rung in Kfz-Kennzeichen sollten Doppe- lungen vermieden werden. Passend dazu gab es eine Webadresse in folgender Form: http://www.Kfz.shuttle.de/rechnername/ Leicht gemacht mit Starter-Kit: Zum WiNShuttle-Anleitungsheft gab es vier 3,5 Zoll-Disketten mit Eigentlich doch so schön! Treibersoftware für Windows 3.11. Foto: Nina Bark, DFN Auch das Offene Deutsche Schulnetz (ODS) Mit dem Umzug setzten wir auch unsere Und wir erlebten die Öffnung des Telefon- verfolgte eine ähnliche Strategie beim Auf- steile Lernkurve in Bezug auf „Bürokommu- marktes: Es gab neue Anbieter, die bundes- bau seiner Mailadressen. Dort hieß es: @ nikation“ um. An der Uni hatten wir leicht- weite Einwahlnummern zum Ortstarif zur schulbezeichnung.Kfz.BL.schule.de. Wir ver- sinnigerweise den Nutzern auch unsere Te- Verfügung stellten. Im Juni 2000 konnten wir walteten auch diese Maildomains für Schu- lefondurchwahlen verraten. Dies führte na- einen bundesweiten Ortstarif in Zusammen- len mit und standen bis zum Schluss mit türlich in allen Störungsfällen dazu, dass arbeit mit der EWE TEL GmbH in Oldenburg dem ODS im Mailaustausch. Diese Adressen nicht die beispielsweise mit studentischen anbieten. Das war alles noch sehr kompli- konnten in Zusammenarbeit mit dem ODS Hilfskräften besetzte Hotline-Nummer die ziert: Gerade die Schulen, die den Service über WiNShuttle genutzt werden. Anfragen bekam, sondern regelmäßig Leu- nutzen wollten, mussten einen kostenfrei- te, die mit der Behebung der Störung be- en Zusatzvertrag mit EWE TEL abschließen, Die Weiterentwicklung fasst waren. Regel also fortan: Durchwah- um die Nummer anwählen zu können. Erst len bleiben vertraulich. später wurde dies deutlich einfacher und Bereits im Januar 1998 verließen wir das Pro- unbürokratischer. jekt am Rechenzentrum der Uni Stuttgart Im Dezember 1999 hatten wir bundesweit und gründeten in Stuttgart-West zusammen 56 Einwahlknoten in Betrieb. An einigen Zu diesem Zeitpunkt hatten wir auch längst mit dem DFN-NOC einen weiteren Standort Standorten waren wir schon an das Breit- das Domaingeschäft aufgenommen. Vielen der DFN-Geschäftsstelle. Das war ein muti- band-Wissenschaftsnetz B-WiN angebun- Nutzern waren die drei Punkte in der Mail
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