Mitteilungen - DFN-Verein

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Mitteilungen - DFN-Verein
Deutsches Forschungsnetz | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | www.dfn.de

                          mitteilungen
                                       Kinder, wie die Zeit vergeht!
                                                          die 100. Ausgabe zum Advent

Auf die Verlässlichkeit                           Neue Strukturen für die Wissenschaft
das Vertrauensniveau in der DFN-AAI                               NHR & NFDI im Gespräch
Mitteilungen - DFN-Verein
Impressum

Herausgeber: Verein zur Förderung
eines Deutschen Forschungsnetzes e. V.

DFN-Verein
Alexanderplatz 1, 10178 Berlin
Tel.: 030 - 88 42 99 - 0
Fax: 030 - 88 42 99 - 370
Mail: presse@dfn.de
Web: www.dfn.de

ISSN 0177-6894

Redaktion: Maimona Id, Nina Bark
Lektorat: Angela Lenz
Mitarbeit an dieser Ausgabe: Stella Lenz
Gestaltung: Labor3 | www.labor3.com
Druck: Druckerei Rüss, Potsdam
© DFN-Verein 11/2021

Fotonachweis
Titel: michaklootwijk / Adobe Stock
Rückseite: michaklootwijk / Adobe Stock
Mitteilungen - DFN-Verein
DFN Mitteilungen Ausgabe 100 |   3

                                  Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller
                                  Professor für Informatik an der
                                  Ludwig-Maximilians-Universität
                                  München (LMU), Vorsitzender
                                  des Direktoriums des
                                  Leibniz-Rechenzentrums der
                                  Bayerischen Akademie der
                                  Wissenschaften (LRZ)

W     ie wollen wir gemeinsam die Zukunft von Forschung und Wissenschaft gestalten?
      In der Beantwortung dieser essenziellen Frage ist eine Aufbruchstimmung in der deut-
schen Wissenschaftscommunity zu spüren: Innerhalb von zwölf Monaten sind aus ihrer Mitte
nach Jahren der Vorbereitung gleich zwei neue nationale Player auf dem öffentlichen Parkett
erschienen: die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und das Nationale Hochleis-
tungsrechnen (NHR). Sie sind angetreten, den Umgang mit Forschungsdaten in Deutschland
neu zu formieren, zu strukturieren und neue Wege der fächerübergreifenden Zusammenarbeit
zu beschreiten. Nicht zufällig sind beide als Verein organisiert – nach dem Vorbild des Gauss
Centre for Supercomputing e. V., der Gauß-Allianz e. V. und nicht zuletzt des DFN-Vereins, salopp
gesagt, der Mutter aller E-Infrastrukturen hierzulande.

NFDI und NHR bauen beide auf streng wissenschaftsgeleiteten Prozessen auf und setzen auf
bedarfsgerechte Lösungen. Beide haben ein kompetitives Ausschreibungsverfahren ange-
strengt, um die innovativsten Ideen und Konzepte aus der Community zu vereinen.

Der Verein Nationale Forschungsdateninfrastruktur hat es sich auf die Fahne geschrieben, für
das Forschungsdatenmanagement in der Wissenschaft disziplinübergreifend eine gemeinsame
Sprache zu finden sowie einheitliche Standards zu schaffen. Er möchte Forschenden in nie ge-
kannter Weise ermöglichen, ihren Wissensschatz auszutauschen und Daten gemäß den FAIR-
Prinzipien nachzunutzen.

Der Verein für Nationales Hochleistungsrechnen ist mit dem Ziel an den Start gegangen,
kostbare HPC-Ressourcen der Ebene 2 zu koordinieren, gerecht zu vergeben und damit
verteilte Infrastrukturen effizient zu nutzen. Darüber hinaus möchte er fächerübergreifendes
Community-Building fördern.

Beide sehen einen wichtigen Aspekt im Aufbau und der Ausbildung von Nachwuchskräften, um
die Strukturen für kommende Generationen nachhaltig zu festigen. Nicht umsonst sind die För-
derperioden mit jeweils zehn Jahren hoch angesetzt.

Wie aufregend der Aufbau eines Vereins besonders in unserer Wissenschaftscommunity ist,
können Sie in dieser Ausgabe der DFN-Mitteilungen – der Nummer 100 – anhand der Titelcover
aus 37 Jahren nachvollziehen. Das eine oder andere kommt Ihnen bestimmt noch bekannt vor.
Mit den beiden neuen Vereinen ist die Wissenschaftslandschaft in Deutschland wieder ein
Stück reicher geworden, ganz nach dem Motto: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“
– sehr viel mehr, wie ich finde!

Herzlichst Ihr
Dieter Kranzlmüller
Mitteilungen - DFN-Verein
4      | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021

Inhalt
                                                                                                         2019
    6                                                                8                                                                34
                                                                    2020

Im Spiegel der Zeit –                                             Rechnen verbindet – Startschuss                                  Quantennetze – zwischen Realität
Die DFN-Mitteilungen                                              für den NHR-Verein                                               und Zukunft
Titel sagen mehr als tausend Worte – in                           Fair, einfach und transparent: Ein neues                         Der Weg zu Quantennetzen im Produkti-
hundert Ausgaben durch das Deutsche                               Antragsverfahren erleichtert Forschen-                           onsbetrieb ist nicht mehr allzu weit: Die
Forschungsnetz (DFN).                                             den den Zugang zu Rechenzeit.                                    Anwendungsmöglichkeiten sind breit
                                                                                                                                   gefächert.

DFN-Verein                                                        International                                                    Sicherheit

Im Spiegel der Zeit –                                             BELLA – Das Licht am Ende des Kabels                             Worauf wir uns verlassen können
Die DFN-Mitteilungen                                              von Jakob Tendel ......................................... 23    von Wolfgang Pempe................................. 42
von Maimona Id .............................................. 6
                                                                  Have you heard of the GÉANT                                      Weiterentwicklung der DFN-PKI
                                                                  Emerging NREN Programme?                                         mit GÉANT TCS
Wissenschaftsnetz                                                 von Leila Dekkar .......................................... 28   von Jürgen Brauckmann........................... 46

Rechnen verbindet – Startschuss                                   i RENALA – Research and Education                                EasyRoam4Edu – der kurze Weg zu
für den NHR-Verein                                                Network for Academic and Learning                                eduroam
Interview von Maimona Id.......................... 8              Activities                                                       von Ralf Paffrath ......................................... 50
                                                                  von Harinaina R. Ravelomanantsoa .... 30
NFDI – ein effizienteres                                                                                                           Sicherheit aktuell ........................................ 52
Forschungsdatenmanagement
für die Wissenschaft                                              Forschung
Interview von Maimona Id ....................... 14                                                                                Campus
                                                                  Quantennetze – zwischen Realität
25 Jahre Technikgeschichte                                        und Zukunft                                                      Proctored Exams – vom Piloten zur
– DFN-WiNShuttle                                                  von Peter Kaufmann und Susanne                                   „neuen“ Normalität
von Andrea Wardzichowski ..................... 19                 Naegele-Jackson .......................................... 34    von Matthias Baume und Nina
                                                                                                                                   Muris-Wendt ................................................. 56
Kurzmeldungen............................................ 22
                                                                                                                                   Durch dick und dünn – mit den
                                                                                                                                   Proctorio-Buddies
                                                                                                                                   von Mizuki Ando ......................................... 60
Mitteilungen - DFN-Verein
DFN Mitteilungen Ausgabe 100 |         5

                                                                         Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe im Überblick

   46
                                                                                          1                     2                     3                     4

Weiterentwicklung der DFN-PKI                                                             5                     6                     7                     8
mit GÉANT TCS
Besser automatisiert und komfortabel:
Mit TCS ist die Ausstellung von Zertifika-
ten nun über die DFN-AAI möglich.

                                                                                          9                    10                    11                    12

Recht

Habemus Reform
von Justin Rennert...................................... 62
                                                                                         13                    14                    15                    16
Lass’ das mal die Forscher machen!
von Owen Mc Grath.................................... 67

                                                                         1 Maimona Id, DFN-Verein (id@dfn.de); 2 Andrea Wardzichowski, DFN-Verein
                                                                         (wardzichowski@dfn.de); 3 Dr. Jakob Tendel, DFN-Verein (tendel@dfn.de);
DFN-Verein                                                               4 Leila Dekkar, GÉANT Association (leila.dekkar@geant.org); 5 Harinaina R.
                                                                         Ravelomanantsoa, i RENALA (harinaina.ravelomanantsoa@irenala.edu.mg);
DFN Live........................................................... 70   6 Dr. Peter Kaufmann,
                                                                                           17 DFN-Verein (kaufmann@dfn.de); 7 Dr.-Ing. Susanne
                                                                         Naegele-Jackson, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
                                                                         (susanne.naegele-jackson@fau.de); 8 Wolfgang Pempe, DFN-Verein (pempe@dfn.de);
Überblick DFN-Verein................................. 74                 9 Jürgen Brauckmann; DFN-CERT Services GmbH (brauckmann@dfn-cert.de); 10 Ralf
                                                                         Paffrath, DFN-Verein (paffrath@dfn.de); 11 Dr. Matthias Baume, Technische Universität
Die Mitgliedseinrichtungen.................... 76                        München (matthias.baume@tum.de); 12 Nina Muris-Wendt, Technische Universität
                                                                         München (nina.muris-wendt@prolehre.tum.de); 13 Mizuki Ando, Technische Universität
                                                                         München (mizuki.ando@tum.de); 14 Justin Rennert, Forschungsstelle Recht im DFN
                                                                         (j_renn05@uni-muenster.de); 15 Owen Mc Grath, Forschungsstelle Recht im DFN
                                                                         (o.mcgrath@uni-muenster.de)
Mitteilungen - DFN-Verein
6   | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | DFN-VEREIN

Im Spiegel der Zeit –
Die DFN-Mitteilungen
100 Ausgaben, 37 Jahre, 901 Artikel und 3757 Seiten: Prall gefüllt mit dem
Wissen und den Erfahrungen unserer Mitglieder und Teilnehmer, sind die DFN-
Mitteilungen ein Zeitzeugnis für die rasante Entwicklung des Internets im
Allgemeinen und des Wissenschaftsnetzes im Besonderen.

                                                       1985
Text: Maimona Id (DFN-Verein)

       Beim Durchstöbern der alten Ausgaben haben wir oft gestaunt,
       das eine oder andere Mal gelacht und nicht wenige Male wa-
       ren wir beeindruckt, was die Gemeinschaft unseres Vereins –
       das Fundament für ein stabiles Deutsches Forschungsnetz –
       in 37 Jahren nachhaltig aufgebaut hat.

       Aufregend muss es in den Pionierjahren gewesen sein: von der
       Vereinsgründung über die Wiedervereinigung Deutschlands
       und dem lang ersehnten, herzlichen Empfang der ostdeutschen
       Wissenschaftseinrichtungen bis in die Gegenwart.

       Aus der Mitte der Wissenschaft gründete sich am 12. Januar
       1984 das Deutsche Forschungsnetz (DFN). Die erste Ausgabe
       der DFN-Mitteilungen erschien etwa ein Jahr später im Februar
       1985. Darin berichtete Gründungsvorstand Prof. Dr. Karl Zander
       über die bewegten ersten Wochen des Vereins. O-Ton zur ers-
       ten im März 1982 am DESY (Deutsches Elektronen-Synchrot-
       ron) stattfindenden „Diskussionsversammlung der an einem
       Rechnerverbund Interessierten“: „Die Optimisten überwogen,
       Pessimisten leisteten wertvolle kritische Beiträge; eine wenn
       auch noch kleine Gemeinschaft von motivierten Verbundideo-
       logen war entstanden“. Heute bildet das Deutsche Forschungs-
       netz eine große Gemeinschaft aus 351 Vereinsmitgliedern und
       1000 Teilnehmern in ganz Deutschland.
Mitteilungen - DFN-Verein
DFN-VEREIN | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 |   7

   DFM Mitteilungen I Ausgaben 2 - 20

                                                                  1986

                                                                  1987

                                                                                             D0ppelheft 9/10

Ziel der DFN-Mitteilungen war, die zunächst formal zusammengeschlossenen Instituti-               Alle bisherigen Aus-
onen und Einrichtungen dabei zu unterstützen, eine lebendige Gemeinschaft zu bilden,              gaben der DFN-Mit-
die die gewaltige Aufgabe hatte, das zur damaligen Zeit größte deutsche Verbundprojekt            teilungen finden Sie
auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik zu errichten und zu betreiben. Außerdem                  unter:
sollte die Zeitschrift ein Ort sein, an dem die DFN-Community sich über ihre Erfahrungen,         https://www.dfn.
Ideen und Vorstellungen zum Aufbau einer fortschrittlichen und leistungsfähigen Infra-            de/publikationen/
struktur austauschen kann.                                                                        dfnmitteilungen/

Mit den 100 Covern unserer Vereinszeitschrift nehmen wir Sie in dieser Ausgabe mit auf
eine Zeitreise durch die Jahrzehnte: von den 80er Jahren mit den Anfängen und Entwick-
lungen des Internets bis in die 20er Jahre des neuen Jahrtausends. Wie sich die Mitteilun-
gen dabei auch optisch verändert haben, können Sie anhand der Titelbilder und beim Stö-
bern in den alten Ausgaben auf unserer Webseite entdecken.

Wir danken allen Autorinnen und Autoren, externen wie internen, die die DFN-Mitteilun-
gen mit ihren informativen und fundierten Artikeln über die Jahre bereichert haben. Und
natürlich geht ein ganz großer Dank an unsere treuen Leserinnen und Leser, denen wir in
jeder Ausgabe einen spannenden Einblick in die Welt des Deutschen Forschungsnetzes
geben möchten. Bleiben Sie uns gewogen, viel Spaß beim Stöbern!
Mitteilungen - DFN-Verein
8   | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ

Rechnen verbindet – Start-
schuss für den NHR-Verein
Mit einem weinenden, aber auch einem lachenden Auge verabschiedet der DFN-Verein das
Projekt „Geschäftsstelle für den Strategieausschuss in der Gründungsphase des NHR“.
Am 23. August 2021 wurde der Verein für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR) nach gut
zweijähriger Projektphase mit dem Ziel gegründet, die Rechenzentren der Ebene 2 in einer
gemeinsamen zukunftsfähigen Struktur zusammenzufassen. Damit ist die NHR-Geschäftsstelle
jetzt im neuen Verein angesiedelt. Begleitet wurde der Prozess vom NHR-Strategieausschuss,
einem von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) eingesetzten Expertengremium.
Der Vorsitzende Prof. Dr. Rolf Krause und die stellvertretende Vorsitzende Prof. Dr. Miriam
Schulte erzählen, welche Vorteile und Synergien sich nun aus NHR ergeben.

Wir beim DFN-Verein haben hautnah die      sorgt, dass der Zugang zu Rechenzeit         Gibt es weitere Vorteile für Forschende?
aufregende und intensive zweijährige       fair, einfach und transparent ist. Dadurch   Miriam Schulte: Die NHR-Zentren sind
Projektphase miterlebt, an deren Ende      wird den Forschenden die tägliche Arbeit     an inhaltlichen Forschungsthemen aus-
jetzt der neu gegründete NHR-Verein        erleichtert. Bisher war das in den einzel-   gerichtet, jedes hat seinen fachlichen
steht. Was ist die zentrale Idee hinter    nen Zentren und Landesinitiativen sehr       Fokus. Dadurch habe ich als Nutzerin
dem Verbund?                               unübersichtlich. Zum ersten Mal wird         jetzt die Möglichkeit, die richtige Fach-
Rolf Krause: Eine wesentliche Idee ist,    damit eine deutschlandweit einheitliche      community zu finden. NHR macht mich
dass die Ressourcen der Rechenzentren      Vergabe realisiert.                          unabhängig davon, welche Forschungs-
einheitlich und zentral vergeben werden.                                                schwerpunkte es an meinem Heimat-
Der Zugriff auf die Rechenzeit und die     Wie funktioniert die Verteilung der          rechenzentrum gibt. Bisher haben die
damit verbundenen fachlichen Kompe-        Rechenzeit denn konkret?                     Leute in ihren Heimatrechenzentren ein
tenzen erfolgen also nicht mehr ortsab-    Rolf Krause: Dazu gab es eine Arbeits-       Stück weit isoliert gearbeitet und Dinge
hängig, sondern wissenschaftsgeleitet.     gruppe im Strategieausschuss, die Ideen      für sich entwickelt. Über NHR kommen
Das heißt, ich kann auf verschiedene       entwickelt hat, wie der Zugriff auf Re-      sie nun an das thematisch zuständige
Rechenzentren zugreifen, ganz egal wo      chenzeit bestmöglich gestaltet werden        Zentrum und finden dort entsprechende
sie sind.                                  kann. Das war mit erheblichen Diskussio-     Partner mit ähnlichem Forschungsfokus.
                                           nen verbunden. Aber jetzt sind wir einen     Da entstehen Synergien, die wir bisher
Als Forscher habe ich damit nicht nur      großen Schritt weiter: Die NHR-Zentren       noch gar nicht erahnen können.
eine wesentlich größere Chance, Rechen-    haben auf Grundlage unserer Empfehlun-
zeit zu erhalten. Ich kann auch auf viel   gen eine gemeinsame Vergabeordnung           Rolf Krause: Mit einem breiten Angebot
mehr und auf unterschiedliche Hardware     entwickelt, welche zukünftig über ein        an gemeinsamen Veranstaltungen, Work-
zugreifen. Dadurch wird das deutsch-       gemeinsames Antragsportal realisiert         shops und Trainingsangeboten werden
landweite NHR-System mit seinen Res-       wird. Die technischen Möglichkeiten zur      die Nutzer zusammengebracht und es
sourcen viel besser ausgenutzt.            Umsetzung sind da. Die Kolleginnen und       entsteht eine hervorragend vernetzte
                                           Kollegen arbeiten daran, das Portal auf-     und gut funktionierende Community.
Miriam Schulte: Eine der ersten Auf-       zubauen. Das Ganze muss sich im Alltag       Das ist die große Stärke von NHR.
gaben des Strategieausschusses war         bewähren und soll anschließend kom-
die Entwicklung eines neuen und ein-       plett aufgebaut werden.                      Miriam Schulte: Meine große Hoffnung
heitlichen Antragsverfahrens, das dafür                                                 ist darüber hinaus, dass wir es mit NHR
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                                                                                                 Prof. Dr. Miriam Schulte,
                                                                                                 Leiterin des Instituts für
                                                                                                 Parallele und Verteilte
                                                                                                 Systeme (IPVS), Lehrstuhl
                                                                                                 für „Simulation großer
                                                                                                 Systeme“ im Fachbereich
                                                                                                 Informatik der Universität
                                                                                                 Stuttgart

                                                                                                 Forschungsschwerpunkte:
                                                                                                 gekoppelte Simulationen,
                                                                                                 massiv parallele
                                                                                                 Gleichungssystemlöser,
                                                                                                 effiziente Datenstrukturen,
                                                                                                 biomechanische Systeme
                                                                                                 und Umweltsysteme

schaffen werden, wissenschaftliche Soft-       Mit NHR haben wir zum ersten Mal            Es ist überaus wichtig, dass Zuwendungs-
ware besser zur Verfügung zu stellen.          die Chance, auf nationaler Ebene einen      geber und Forscher offen miteinander
Ich meine damit Hilfsbibliotheken, die         Verbund zu schaffen, der künftig genug      reden können, ohne dass sich die Fronten
bei einer Rechnung allgemeine Aufga-           Know-how und Ressourcen zur Verfü-          verhärten. Leute mit unterschiedlichem
ben übernehmen und vielleicht auf den          gung stellt, um auf internationaler         Background treffen zusammen, die Sach-
Rechnern schon vorinstalliert sind. Wenn       Ebene – auch im Softwarebereich –           verhalte teils völlig anders interpretie-
ich mir solche Programme selbst her-           mitzuspielen.                               ren. Das klingt trivial, aber es ist schon
unterladen und mit allen Abhängigkeiten                                                    eine Herausforderung, wenn Politik und
installieren oder sogar selbst schreiben       Miriam Schulte: In Deutschland gibt es      Wissenschaft an einem Tisch sitzen. Hier
muss, ist das ein ziemlicher Aufwand. Wir      viele clevere Detaillösungen, aber es ist   hat das Team der NHR-Geschäftsstelle
sollten hier auch ganz speziell Software       gar nicht so einfach, diese in die Breite   hervorragende Arbeit geleistet und die
aus Deutschland fördern, bisher kommen         zu bringen. Mit NHR haben wir eine In-      Treffen organisatorisch und inhaltlich
solche Bibliotheken meist aus den Natio-       frastruktur, die das ermöglicht und die     so vorbereitet, dass wir gemeinsam sehr
nal Labs in den USA.                           deutsche Entwickler-Community stärkt.       gute Ergebnisse erzielen konnten.
                                               Es geht darum, die vorhandenen Res-
Rolf Krause: Wenn wir uns mit den USA          sourcen zu koordinieren. Wenn wir das       Das klingt, als ob es im Strategieaus-
vergleichen, wo sehr viel Entwicklung im       schaffen, bringt uns das sicherlich auch    schuss auch mal ans Eingemachte geht.
HPC-Bereich stattfindet, muss man fest-        auf internationaler Ebene weiter.           Rolf Krause: Ja, vielleicht rumpelt es mal,
stellen, dass die Forschung in Deutsch-                                                    aber es macht auch Spaß. Wir diskutieren
land ziemlich zersplittert ist. Lediglich in   Was waren die größten Herausforde­          viel. NHR hat nun einmal zwei Dimen-
bestimmten Bereichen wie Performance           rungen, welche Lektionen haben Sie          sionen: eine wissenschaftliche und eine
Monitoring, speziellen Algorithmen oder        gelernt?                                    politisch-strategische. Die Herausforde-
Anpassungen an besondere Hardware,             Rolf Krause: Die allergrößte Herausforde-   rung bestand letztlich darin, gemeinsam
GPUs etc. spielen wir ganz vorne mit.          rung war es, den politisch formulierten     die richtigen Zentren auszuwählen
Geht es jedoch um Softwarebibliotheken,        Willen zur Kooperation in ein wissen-       und sie beim Aufbau des Verbundes zu
dann greifen wir sehr häufig auf Entwick­      schaftlich schlüssiges Konzept umzu-        unterstützen.
lungen der National Labs in den USA zu-        setzen, welches allen beteiligten Zentren
rück. Etwas Vergleichbares wie die Natio-      eine gute Struktur bietet, in der sie er-   Miriam Schulte: Ich bin noch ziemlich
nal Labs haben wir in Deutschland nicht.       folgreich miteinander arbeiten können.      neu im Strategieausschuss. Ich habe
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die letzten zwei Jahre aber als Teil der
Gutachterkommission erlebt und den
Entstehungsprozess genau beobachten
können. Die Anträge waren zum Teil so
heterogen, dass sie schwer zu verglei-
chen waren. Da stellt sich die Frage, ob
man exaktere Vorgaben hätte machen
müssen, weil die Begutachtung doch sehr
schwierig war. Mein Fazit ist aber, dass
wir von den vielen tollen Ideen aus den
Anträgen eher profitiert und beim Lesen
eine Menge gelernt haben.

Rolf Krause: Unbedingt. Wie Du schon
sagst, die Zentren haben in ihren Anträ-
gen vielfältige und teils sehr verschiede-
ne Ideen dargestellt. Natürlich war eine
inhaltliche Abstimmung in dem kompeti-
tiven Auswahlverfahren nicht zu erwar-
ten. Wir haben versucht, die innovativen
Ideen aus den Anträgen zu sortieren und
gebündelt als Empfehlung an den NHR-
Verbund zurückzugeben.                          Prof. Dr. Rolf Krause, Direktor des Euler Institute an der Università della Svizzera
                                                italiana, Lehrstuhl für Wissenschaftliches Rechnen an der Fakultät für Informatik,
Miriam Schulte: Eine weitere Herausfor-         Kodirektor des „Center for Computational Medicine in Cardiology“. Forschungs-
derung: Außerhalb der klassischen High          schwerpunkte: Computional Medicine, Computational Engineering, High Performance
Performance Computing-Community wis-
                                                Computing, Machine Learning, Mathematical optimization, Scientific Software
sen viele Forschende noch gar nicht, dass
es NHR gibt. Deutschlandweit gibt es vie-
le Nutzer, die auf die größeren Maschinen    sind es die Menschen, die die Gemein-           auch die soziale. Spielt das eine Rolle im
gehen wollen, aber noch davor zurück-        schaft bilden und den Verein lebendig           NHR-Verbund?
schrecken, weil das Know-how fehlt. An       machen. Es gibt bereits erste vielverspre-      Rolf Krause: Diversität ist ein gutes Stich-
dieser Stelle sollen sie jetzt durch NHR     chende gemeinsame Projekte zwischen             wort. Im Hinblick auf Internationalität
unterstützt werden. Mit der Stärkung         den beteiligten NHR-Zentren.                    haben wir kein großes Problem. Mit der
der methodischen Kompetenzen und                                                             künftigen Graduiertenschule bekommt
einem sinnvollen und effizienten Einsatz     Ein ganz zentraler Punkt ist die För-           NHR hoffentlich ein sehr internationales
der Methoden erreichen wir, dass die         derung des wissenschaftlichen Nach-             Publikum. In Bezug auf den Frauenanteil
teure Infrastruktur energie- und kosten-     wuchses. Eines der ersten Projekte              sehe ich jedoch nach wie vor die klassi-
effizient genutzt wird. Natürlich müssen     des NHR-Vereins ist der Aufbau einer            sche Geschlechterverteilung in den ver-
die NHR-Zentren auf die Leute zugehen        Graduiertenschule. Damit wird nicht nur         schiedenen Disziplinen. In der Informatik
und auch außerhalb der eigenen lokalen       die zukünftige Basis der HPC-Forschung          gibt es weiterhin relativ wenige Frauen,
Nutzerkreise neue Nutzer akquirieren.        gestärkt – durch das gemeinsame Aus-            auch wenn das in den vergangenen Jah-
Es braucht noch viel mehr Aufklärungs-       bildungsprogramm entsteht auch eine             ren etwas besser geworden ist.
arbeit und ein gutes Angebot an Schulun-     gemeinsame Community und die Zusam-
gen, die aber auch Teil der Anträge waren.   mengehörigkeit wird gefördert. Der An-          Miriam Schulte: Gerade bei den Anträgen
                                             satz lautet: gemeinsame Struktur, partiell      hatten wir schon ein Gender-Problem.
Was macht den NHR lebendig neben der         gemeinsame Forschung und gemeinsame             Mit den internationalen Gutachtern – das
Infrastruktur?                               Ausbildung.                                     muss ehrlich gesagt werden – haben wir
Rolf Krause: Ganz einfach, das sind die                                                      gekämpft. Deren Tenor war, dass sie das
Menschen. Wir reden immer von Infra-         Zu einer lebendigen Gemeinschaft                aufgrund der Männerüberzahl unter den
struktur und Hardware, aber am Ende          gehört neben der fachlichen Diversität          Antragstellern eigentlich nicht befür-
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worten können. Da waren vielleicht zwei         müssen wir über Schulungen oder Work-        des Hochleistungsrechnens ist ja letzten
Frauen darunter.                                shops in dieser Richtung nachdenken.         Endes, den Forschenden aller möglichen
                                                                                             Fachdisziplinen geeignete Werkzeuge
Rolf Krause: Tatsächlich gibt es unter          Rolf Krause: Wir haben gewisse Rollen-       zur Verfügung zu stellen, mit denen sie
den Rechenzentrumsleitungen keine               bilder und Verhaltensweisen, die wir         schnell zu ihren Ergebnissen kommen.
einzige Frau. Erst auf Ebene der Projekt-       irgendwie aufbrechen müssen. Im Hoch-        Und diese sind in den seltensten Fällen
leitungen findet man einige wenige.             leistungsrechnen könnten wir vielleicht      Informatiker, da ist vielleicht jemand
Dennoch bleibt der Anteil deutlich unter        mehr die Anwendungsseite und weniger         aus der Medizin oder aus der Biologie,
20 Prozent. Dementsprechend müssen              die rein technische Seite beleuchten.        der nicht weiß, was eine GPU oder eine
wir bei den kommenden Generationen              Wenn eine sinnvolle Anwendung dazu           CPU ist. Die brauchen Unterstützung
ansetzen. Mit der Graduiertenschule hat         kommt, sieht das Geschlechterverhält-        bei der Beantwortung der Frage, welche
der NHR-Verbund die Möglichkeit, das            nis schon wieder anders aus, ist mein        Hardware am besten zu ihrer Anwendung
Geschlechterverhältnis zu beeinflussen.         Eindruck.                                    passt und wie sie ihre Programme am
                                                                                             effizientesten auf einem Hochleistungs-
Miriam Schulte: Wir haben alle, sowohl          Miriam Schulte: Das stimmt. Wenn Du          rechner zum Laufen bringen. Wir müssen
Männer als auch Frauen, einen unheimli-         den Studiengang Informatik zum Beispiel      kooperativ denken, im Sinne des Gesamt-
chen Bias (Anm. Red. geschlechtsbezoge-         mit zehn Prozent anderen Inhalten anrei-     bildes. Um mal in der Mathematik zu
ner Verzerrungseffekt). Frauen schrecken        cherst und dann Medieninformatik             bleiben, am Ende sind wir vor der Tafel
vor der Technik zurück und werden aber          nennst, dann hast Du auf einmal 50 Pro-      alle gleich.
auch von der männlichen Community oft           zent Studentinnen, obwohl es zum größ-
auf unpassende Weise behandelt. Den             ten Teil die gleichen Inhalte geblieben      Zu guter Letzt: Was wünschen Sie dem
Männern ist das oft gar nicht bewusst.          sind.                                        NHR-Verein für die nächsten zehn Jahre?
Wahrscheinlich müssen wir in unserem                                                         Rolf Krause: Ich wünsche mir, dass wir es
Umfeld bei den Rechenzentren anfangen.          Rolf Krause: Wir assoziieren Hochleis-       schaffen, möglichst viele Leute anzuspre-
Ich habe bisher immer gedacht, dass wir         tungsrechnen immer mit Informatik. Ich       chen und Nutzer zu gewinnen, die sich
so etwas nicht brauchen, aber vielleicht        denke, das ist zu eng gefasst. Die Idee      im interdisziplinären Bereich zu Hause
                                                                                             fühlen. Gerade der wissenschaftliche
                                                                                             Nachwuchs spielt hier eine große Rolle.
                                                                                             Und natürlich, dass wir weiterhin so gut
   NHR-ECKDATEN                                                                              zusammenarbeiten. Dieser großartige
    ʃ    Gemeinsame Förderung durch Bund und Länder im Verhältnis 50/50                      Start und diese positive Grundstimmung
    ʃ    Fördervolumen insgesamt: bis zu 62,5 Mio. Euro/Jahr                                 sind nicht selbstverständlich!
    ʃ    Laufzeit der Förderung: zunächst zehn Jahre
    ʃ    Dem NHR-Verbund gehören folgende Hochschulen/Rechenzentren der                      Miriam Schulte: Dem kann ich nur zu-
         Ebene 2 an:                                                                         stimmen. Ich glaube, dass wir gerade
     •   NHR4CES@RWTH – IT Center – RWTH Aachen                                              mit den Ebene-2-Zentren im NHR die
     •   NHR@ZIB – Zuse-Institut Berlin – Berlin University Alliance                         Chance haben, die Grenzen zwischen der
     •   NHR4CES@TUDa – Hochschulrechenzentrum (HRZ) – Technische Universität                Informatik und den Anwendungen zu öff-
         Darmstadt                                                                           nen – vielleicht sogar besser als auf der
     •   NHR@TUD – ZIH – Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen            obersten HPC-Ebene-1. Ich wünsche mir
         – Technische Universität Dresden                                                    für unsere NHR-Communities ein großes
     •   NHR@FAU – Regionales Rechenzentrum Erlangen - Universität                           Plus an Synergien und Effizienz. Aber
         Erlangen-Nürnberg                                                                   vor allem wünsche ich allen Beteiligten
     •   NHR@GWDG – Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH                 viel Spaß und Freude daran, im Hochleis-
         Göttingen – Universität Göttingen                                                   tungsrechnen etwas zu bewegen.
     •   NHR@KIT – Steinbuch Centre for Computing (SCC) – Karlsruher Institut für
         Technologie                                                                         Die Fragen stellte Maimona Id
     •   PC2 – Paderborn Center for Parallel Computing – Universität Paderborn               (DFN-Verein)
     •   NHR Süd-West – Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Technische Universi-
         tät Kaiserslautern, Goethe-Universität Frankfurt und Universität des Saarlandes
12   | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ

                           Dr. Heide Ahrens                                         Auf dem Weg zum Verein –
                           Generalsekretärin der Deutschen
                           Forschungsgemeinschaft (DFG)

                            Mit dem Aufbau des NHR-Verbundes leisten Bund           Mit der Gründung des NHR-Vereins wird in Deutsch-
                            und Länder einen wesentlichen Beitrag zur Bereit-       land das Hochleistungsrechnen der Ebene 2 an den
                            stellung von Hochleistungsrechnerkapazität für          Hochschulen, das bisher auf Länderebene organi-
                            deutsche Hochschulen. Durch die Finanzierung auch       siert war, in der Wissenschaft neu strukturiert.
     von Betrieb und Personal wird eine effektive Nutzung sichergestellt. Die       Der NHR-Verein besteht aus mehreren NHR-Zen-
     DFG unterstützt die eingeschlagene Linie sehr, neben der Investition auch      tren, die sowohl die Hochleistungsrechner betrei-
     langfristig die operativen Kosten aus einer Hand zu finanzieren. Wir           ben als auch ein koordiniertes Beratungsangebot
     erwarten davon Signalwirkungen auch für weitere Technologiegebiete.            zur Methodenkompetenz des wissenschaftlichen
                                                                                    Hochleistungsrechnens anbieten. Ziel ist es, Wissen-
                                                                                    schaftlerinnen und Wissenschaftlern der deutschen
                           Prof. Dr. Hans-Joachim Bungartz                          Hochschulen bedarfsgerecht die für ihre Forschung
                           Professor für Informatik und Mathematik an der TU
                                                                                    benötigte Rechenkapazität zur Verfügung zu stellen
                           München, Mitglied des Direktoriums des Leibniz-
                                                                                    und ihre Kompetenzen zur effizienten Nutzung die-
                           Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wis-
                                                                                    ser Ressource zu stärken.
                           senschaften (LRZ)

                            Bei den Diskussionen in der Arbeitsgruppe des Wis-
                            senschaftsrats war es zunächst nur um die Zielstruk-
     tur und deren institutionelle Aufhängung gegangen. Mit zunehmender
     Konkretheit des Ganzen wurde die Frage „Und wie kommt man da hin?“                                      Dr. Babett Gläser
     immer virulenter. Und auch wenn wir die Anfrage an den DFN-Verein, sich                                 Abteilungsleiterin
     für die NHR-Gründungsphase einer Geschäftsstelle anzunehmen, nicht auf                                  Forschung, Sächsisches
     dem Schirm hatten, so kam sie doch im Nachhinein nicht wirklich überra-                                 Staatsministerium für
     schend: So häufig ist die Kombination aus technischer Kompetenz, organi-                                Wissenschaft, Kultur
     satorischer Erfahrung sowie enger Einbindung in die Landschaft bei gleich-                              und Tourismus
     zeitiger institutioneller Unabhängigkeit und Neutralität nun auch wieder
     nicht. Schnell war klar, dass ein Ablehnen (etwa via Verstecken hinter ver-        Mit neun Hochleistungsrechenzentren in ganz
     einspolitische Bedenken – das geht immer) keine Option war, dass sich der          Deutschland stellt der NHR-Verein Forschenden
     DFN-Verein trotz aller Risiken (wenn’s schiefging, würden die vereinten            bundesweit Kapazitäten und Kompetenzen zur
     Finger natürlich mit Vehemenz auf uns zeigen, das war klar …) hier einbrin-        Verfügung. Die leistungsfähige Infrastruktur bie-
     gen musste. Und dies auf eine unternehmerische Art, die alles andere als           tet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
     frei von Herausforderungen war und durchaus das eine oder andere Mal               großartige neue Möglichkeiten zur Vernetzung.
     bei der Obrigkeit ein „So geht das aber nicht!“ auslöste, die allerdings für       Aufgrund der großen Bedeutung für die deutsche
     die Einhaltung von vorgegebenem Ziel und Zeitrahmen unabdingbar war.               Wissenschaftslandschaft wird die Förderung des
     Schlüssel zum Erfolg waren wie so oft die Menschen: schnell und breit su-          NHR-Verbundes von Bund und allen Ländern ge-
     chen, die richtigen finden, und die dann werkeln lassen. Und so trat das           meinsam getragen. Persönlich freue ich mich,
     ein, wofür der DFN-Verein ja schon ein bisschen steht (wir wurden ja nicht         dass auch die Technische Universität Dresden
     ohne Grund gefragt): Es funktioniert, und zwar ziemlich gut.                       (ZIH) dabei ist.

                           Peter Wenzel-Constabel
                           Referat Infrastrukturen für die Wissenschaft, Bundes-
                           ministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

                          Das Besondere am NHR-Verbund ist, dass er für For-
                          schende aus allen deutschen Hochschulen Kapazi-
                          täten im Hochleistungsrechnen bereitstellt – bun-
     desweit und unabhängig vom Standort. Durch Aus- und Weiterbildung im
     Hochleistungsrechnen, durch die Weiterentwicklung des wissenschaftli-
     chen Rechnens trägt das NHR entscheidend dazu bei, die Qualität der deut-
     schen Hochschulforschung zu sichern und den Wissenschaftlerinnen und
     Wissenschaftlern neue Möglichkeiten in ihrer Forschung zu eröffnen.
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 |          13

Nationales Hochleistungsrechnen (NHR) in Deutschland
                                                       NHR-CHRONOLOGIE

                            Januar     2012            Wissenschaftsrat (WR) veröffentlicht Positionspapier „Strategische Weiterentwicklung
                                                       des Hoch- und Höchstleistungsrechnens in Deutschland“: High Performance Computing
                                                       (HPC) ist unverzichtbar für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, die Forschungsin­
                                                       frastruktur ist jedoch nicht ausreichend.

                                                       Wissenschaftsrat setzt Arbeitsgruppe ein und veröffentlicht „Empfehlungen zur Finanzie-
                               April   2015            rung des Nationalen Hoch- und Höchstleistungsrechnens in Deutschland“ – als Grundlage
                                                       für eine langfristig stabile und kosteneffiziente Weiterentwicklung und Finanzierung des
       Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK)         Hoch- und Höchstleistungsrechnens.
  stellt Anfrage beim DFN-Verein – für die Übernah-
     me des Projekts „Einrichtung einer vorläufigen
     NHR-Geschäftsstelle“. Einen Tag später stimmt
                                                      August   2018
   der DFN-Vorstand der Aufnahme des Projekts zu.
                                                       GWK beschließt Abkommen über die gemeinsame Förderung von Forschungsbauten,

                      November         2018            Großgeräten und des Nationalen Hochleistungsrechnens an Hochschulen (Verabschie-
                                                       dung AV-FGH).

                                                       Geschäftsstelle des Strategieausschusses für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR)
                              April    2019            nimmt ihre Arbeit auf – betreut vom DFN-Verein, der als einer der zentralen Akteure der
                                                       nationalen Forschungsinfrastrukturen den Aufbau begleitet. Das gemeinsam vom BMBF
   GWK setzt den Strategieausschuss ein. Das un-       und dem DFN-Verein initiierte Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren.
   abhängige Gremium der GWK hat die Aufgabe,
    Empfehlungen zu NHR auszusprechen und ist
   mit acht Wissenschaftler*innen, dem Bund und
    acht Ländern als Vertretung der GWK besetzt.      Mai   2019
                               Juni    2019            Konstituierende Sitzung des Strategieausschusses in der Geschäftsstelle des DFN-Vereins

         Der Strategieausschuss verabschiedet ein
        Ausschreibungskonzept zur Aufnahme von        September      2019
                  Rechenzentren in die Förderung.

                           Die GWK beschließt das
                          Ausschreibungskonzept.
                                                      Dezember      2019
  Ausschreibung der NHR-Förderung durch die DFG       Januar   2020
                                       2020
                                                       Empfehlung des Strategieausschusses zur Aufnahme von acht Rechenzentren in die
                           August                      Förderung des NHR auf Basis eines wettbewerblichen und wissenschaftsgeleiteten
                                                       Auswahlverfahrens

                      November         2020            Mit dem GWK-Beschluss werden die acht empfohlenen Rechenzentren in die Förderung
                                                       aufgenommen.

                             Beginn der Förderung     Januar   2021

                           August      2021            Gründung des NHR-Vereins in Berlin: Die Übernahme der Geschäftsstelle durch den NHR-
                                                       Verein ist zum 1. Januar 2022 geplant.

                         Oktober       2021            GWK beschließt die Aufnahme des Konsortiums Süd-West als neunten Partner
                                                       in die Förderung.
14   | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ

NFDI – ein effizienteres
Forschungsdatenmanagement
für die Wissenschaft
Nach Jahren der Vorbereitung wurde im Oktober 2020 der Verein Nationale
Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) e. V. gegründet. Dieser ist mit dem hehren Ziel
angetreten, in Deutschland ein Forschungsdatenmanagement mit einheitlichen
Standards zu etablieren, um Forschende aus allen Wissenschaftsdisziplinen besser
bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Welche Herausforderungen es dabei zu meistern gilt,
erzählt NFDI-Direktor Prof. Dr. York Sure-Vetter im Interview.

                      Wozu brauchen wir in Deutschland eine nationale          Das Ziel von NFDI ist, ein nachhaltiges Forschungs-
                      Forschungsdateninfrastruktur?                            datenmanagement mit einheitlichen Standards zu
                      Wir verfügen in Deutschland über einen gewaltigen,       etablieren und in die Breite der Wissenschaftsdis-
                      stetig wachsenden Schatz an unterschiedlichsten          ziplinen zu tragen. Dafür müssen Datenbestände
                      wissenschaftlichen Daten. Die meisten dieser Daten       systematisch erschlossen, langfristig gesichert und
                      werden heute nur noch digital erzeugt. Die Wissen-       gemäß den FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible,
                      schaft und die Wissenschaftsinfrastruktur stehen         Interoperable und Re-usable) über Disziplinen- und
                      dabei vor völlig neuen Herausforderungen wie bei-        Ländergrenzen hinaus zur Verfügung gestellt wer-
                      spielsweise der datenschutzkonformen Nutzung             den. Dieses Ziel ist nur durch eine interdisziplinäre
                      von privaten Gesundheitsdaten oder der hochska-          Zusammenarbeit von allen Wissenschaftsbereichen
                      lierbaren Nutzung von extrem großen Mengen von           und Infrastruktureinrichtungen erreichbar.
                      Klimadaten.
                                                                               Wie soll diese Infrastruktur aufgebaut werden und
                      Zudem ist der Umgang mit Forschungsdaten in den          wer hat das Know-how?
                      verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen heute noch        Das Besondere an NFDI ist, dass wir einen Ort des
                      sehr heterogen. Dabei ist die Erkenntnis darüber,        Austauschs für alle Wissenschaftsdisziplinen schaf-
                      welche Chancen und Risiken das Teilen von Daten          fen, an dem sie miteinander das Forschungsdaten-
                      in einer Disziplin jeweils mit sich bringt, bei vielen   management der Zukunft gestalten und dabei ihre
                      Forschenden noch gar nicht angekommen. Das führt         unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen
                      beispielsweise dazu, dass ein Laborexperiment für        einbringen.
                      Dritte nicht reproduzierbar ist, oder dass Rohdaten
                      für die Beantwortung neuer Forschungsfragen nicht        So besteht jedes Konsortium nicht nur aus Wissen-
                      nachnutzbar sind. Das ist insgesamt sehr ineffizient     schaftlerinnen und Wissenschaftlern mit ausge-
                      und auf Dauer gesehen unbefriedigend.                    prägter fachlicher Expertise, sondern auch aus Infra-
                                                                               strukturfachleuten mit großer Kompetenz für die
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 |       15

                                                        notwendigen Infrastruktur-Komponenten. Wie beim
                                                        DFN-Verein kennen sich diese mit den Services aus,
                                                        die für die Wissenschaft benötigt werden. Darüber
                                                        hinaus bauen wir Kompetenzprofile wie das des neu-
                                                        en Berufsbilds Data Stewart auf. Diese fachliche Du-
                                                        alität ist ein ganz wichtiger Pfeiler bei NFDI und in
                                                        jedem Konsortium tief verankert: Fachwissenschaft
                                                        plus Infrastruktur.

                                                        Die Services wiederum sollen an bereits bestehende
                                                        technische Infrastrukturen andocken. Von vorne-
                                                        herein war klar, dass NFDI sich auf der reinen An-
                                                        wendungsebene bewegt: kein „Blech“, so lautete die
                                                        Devise bei der Ausarbeitung der Empfehlung für den
                                                        Aufbau der NFDI – weder finanziert noch aufgebaut
                                                        oder betrieben. Für diesen Teil sind wir auf starke
                                                        Partner angewiesen und haben sie teilweise auch
                                                        schon mit an Bord: Infrastrukturinstitute aus dem
                                                        außeruniversitären Forschungsbereich, Rechenzent-
                                                        ren, Archive und Bibliotheken, die z. B. die Hardware
                                                        und die Prozesse, um das „Blech“ am Laufen zu
                                                        halten, betreiben oder die Datensätze sammeln,
                                                        aufarbeiten und archivieren.

                                                        Was ist das Neue an der Idee einer NFDI?
                                                        Neu ist der Anspruch, alle Wissenschaftsdiszipli-
                                                        nen in Deutschland an einen Tisch zu bringen, um
                                                        das Forschungsdatenmanagement ganzheitlich zu
                                                        verbessern. In NFDI sind die einzelnen Fach-Com-
                                                        munities darum disziplinabhängig in eigeninitiativ
                                                        agierenden Konsortien organisiert. Jede hat ihre
                                                        eigenen Datensätze mit teilweise individuellen An-
                                                        forderungen wie beispielsweise speziellen Daten-
Prof. Dr. York Sure-Vetter: Direktor der Nationalen     formaten. Gleichzeitig gibt es viele generalisierbare
Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und Professor       Herausforderungen und Lösungsansätze, die jeweils
am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)            für viele oder sogar für alle gleich sind. In NFDI profi-
                                                        tieren alle Wissenschaften davon, dass wir die
Forschungsschwerpunkte: Künstliche Intelligenz (KI)     Herausforderungen gemeinsam meistern und dabei
und Data Science, Semantic Web, Linked Data,            aus verschiedenen Erfahrungen lernen.
Data and Text Mining, Service Science (Foto: NFDI)
                                                        Die einzelnen Communities sind auf einem sehr un-
                                                        terschiedlichen Entwicklungsstand. Es war sozusa-
                                                        gen eine Art Hausaufgabe für Wissenschaftsdiszipli-
                                                        nen, im Rahmen der Antragstellung bei der DFG auch
                                                        eine Bestandsaufnahme zu machen und sodann zu
                                                        entscheiden, was der jeweils nächste sinnvolle
                                                        Schritt für eine Verbesserung im Umgang mit digita-
                                                        len Forschungsdaten ist. Jede Disziplin hat ihre spe-
                                                        zifischen Herausforderungen und demnach unter-
                                                        schiedliche Schritte, die sie in NFDI gehen will. In
                                                        den Lebenswissenschaften sind ethische Fragen und
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                           Fragen des Datenschutzes besonders wichtig. In den             ture: Hier arbeiten wir an technischen Lösungen
                           Naturwissenschaften geht es unter anderem darum,               für eine gemeinsame Infrastruktur auf Basis der An-
                           Rohdaten aus Laborexperimenten mit Metadaten                   forderungen, die aus den verschiedenen Konsortien
                           anzureichern und besser zur Verfügung zu stellen.              gesammelt werden.

                           Synergien zu nutzen und diesen Schatz an unter-                Gehören zur Common Infrastructure auch die
                           schiedlichen Kompetenzen allen zur Verfügung zu                Basisdienste wie zum Beispiel zur Authentifizie-
                           stellen, das war ursprünglich der Anspruch des Rats            rung und Autorisierung?
                           für Informationsinfrastrukturen (RfII), der mit sei-           Basisdienste können aus allen Sektionen kommen.
                           nem Positionspapier „Leistung aus Vielfalt“ den ers-           Ihr genanntes Beispiel zur Authentifizierung und Au-
                           ten Aufschlag zur NFDI gemacht hat. Konsequent                 torisierung passt natürlich sehr gut zur Sektion Com-
                           weitergedacht bedeutet dieser Anspruch heute, dass             mon Infrastructure. Ursprünglich wurde die dritte
                           die Communities ihre Schritte nicht allein, sondern            Runde für die Basisdienste geöffnet. Sehr schnell
                                                                                          folgte die Erkenntnis, dass eine Vorbereitungsphase
                                                                                          notwendig ist, um wichtige Akteure frühzeitig mit
                                                                                          einzubeziehen bei der Definition des Vorgehens zur
                                                                                          Etablierung von Basisdiensten. So geht es in der
                                                                                          Hauptsache darum sicherzustellen, dass der Prozess
                                                                                          anforderungsgetrieben ist und daher aus den Reihen
                                                                                          der Konsortien und der Sektionen mitgestaltet wird.
                                                                                          Weitere Akteure wie beispielsweise der Wissen-
                                                                                          schaftliche Senat des NFDI-Vereins können unter-
                                                                                          stützen, indem die strategische Perspektive für Ba-
                                                                                          sisdienste vorausgedacht wird.

                                                                                                    Eine einheitliche Authen-
                                                                                                    tifizierung und Autorisie-
                                                                                                    rung ermöglicht einen
                                                                                                    Effizienzgewinn bei der
                                                                                                    täglichen Arbeit.
Mehr Raum für Daten: Eröffnung der NFDI-Geschäftsstelle am 15.10.2020 in Karlsruhe
(von links nach rechts) Sabine Brünger-Weilandt (FIZ Karlsruhe), Holger Hanselka (KIT),   Die Querschnittsthemen und zugehörige Dienste
Eva Lübke (NFDI-Direktorat), York Sure-Vetter (NFDI-Direktorat) und Frank Mentrup         sind eben nicht domänenspezifisch, sondern sie
(Oberbürgermeister Karlsruhe) Foto: Cynthia Ruf/KIT
                                                                                          werden, vereinfacht gesagt, „von allen“ benötigt. Die
                                                                                          Bereitstellung einer einheitlichen Authentifizierung
                           gemeinsam gehen und dabei voneinander lernen                   und Autorisierung durch ein geeignetes Identitäts-
                           und fächerübergreifend zusammenarbeiten.                       management ist ein gutes Beispiel für einen Dienst,
                                                                                          der allen Konsortien einen Effizienzgewinn bei der
                           Wie stellen Sie den Erfahrungsaustausch zwischen               täglichen Arbeit ermöglicht.
                           den Konsortien sicher? Wie erreichen Sie die fächer-
                           übergreifende Zusammenarbeit?                                  Es ist bereits jetzt abzusehen, dass die Finanzaus-
                           Um den Austausch über die Konsortialgrenzen hin-               stattung der geförderten Konsortien es nicht her-
                           weg zu fördern, bauen wir momentan sogenannte                  gibt, die strukturell notwendigen Basisdienste aus
                           Sektionen auf. Die ersten vier Sektionskonzepte wur-           eigener Kraft nachhaltig zu erbringen. Das wirft eini-
                           den bereits Ende September eingerichtet und haben              ge sehr grundlegende Fragen auf. Insgesamt erfor-
                           ihre Arbeit aufgenommen. In den Sektionen treffen              dern Basisdienste zwingend eine langfristige Kalku-
                           sich Personen aus unterschiedlichen Konsortien und             lation der Entwicklungs- und Wartungsaufwände.
                           diskutieren über ausgewählte Querschnittsthemen.
                           Ein Beispiel ist die Sektion zur Common Infrastruc-
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GESCHICHTE                                                               Wo sehen Sie momentan die größten Herausforde-
                                                                         rungen beim Aufbau der NFDI?
                                                                         Wir sind ein ganz neuer Verein, uns gibt es erst seit
03.05.2016          Der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII)      Oktober vergangenen Jahres. Und es ist tatsächlich
                    verabschiedet das Papier „Leistung aus Viel-         die Aufbauarbeit auf allen Ebenen, die uns dieses
                    falt“ mit Empfehlungen für die Zukunft des           Jahr sehr stark prägt. Neben den benötigten Informa-
                    Forschungsdatenmanagements in Deutsch-               tionsinfrastrukturen und den entsprechenden Ab-
                    land. Darin wird der Aufbau einer Nationalen         stimmungsprozessen ist es vor allem der Aufbau der
                    Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) angeraten.       Vereins- und Governance-Strukturen sowie der Ge-
                                                                         schäftsstelle, mit der wir uns derzeit befassen. Unser
16.11.2018          Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK)         jüngstes Erfolgserlebnis ist, dass wir die Konsortial-
                    einigt sich darauf, eine NFDI aufzubauen. Bund       versammlung ins Leben gerufen haben. Als eine der
                    und Länder sollen dafür bis Ende 2028 Fördermit-     ersten Entscheidungen hat die Konsortialversamm-
                    tel bereitstellen.                                   lung sodann Mitglieder in den Wissenschaftlichen
                                                                         Senat entsendet, der damit vollständig besetzt ist.
26.11.2018 	Die Bundesregierung und die Regierungen der                 Wir befinden uns in der dritten und letzten Aus-
                    Länder beschließen den Aufbau und die Förde-         schreibungsrunde für die Konsortien – ein durchaus
                    rung einer NFDI. Die Bund-Länder-Vereinbarung        kompetitives Verfahren mit hohen Ansprüchen, aber
                    umfasst die wesentlichen Eckpunkte zu Zielen         eben auch mit einer langfristigen Förderung von bis
                    und Struktur.                                        zu zehn Jahren.

03.05.2019	Die GWK beschließt, das Direktorat der NFDI in               Bereits integriert in alle Organisations- und Infor-
                    Karlsruhe anzusiedeln und die FIZ Karlsruhe –        mationsflüsse sind die Konsortien aus der ersten
                    Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur       Runde. Die ersten Sektionen über diese Konsortien
                    GmbH sowie das Karlsruher Institut für Techno-       hinweg wurden bereits geschaffen. Weitere zehn
                    logie (KIT) mit den Aufgaben der Gründungs-          Konsortien, die in diesem Jahr dazu gekommen sind,
                    phase zu betrauen. Dies umfasst den Aufbau der       werden aktuell integriert. Dabei müssen wir die
                    Geschäftsstelle und die Überführung der NFDI in      initialen Schritte so gestalten, dass die zweite und
                    eine eigene Rechtspersönlichkeit.                    später die dritte Runde ihre Themen und Anforde-
                                                                         rungen einbringen können, sodass wir keine Silos
01.10.2020	Die Förderung der neun Konsortien der ersten                 aufmachen. Dieser Integrationsaspekt ist sicherlich
                    Runde beginnt. Dazu gehören DataPLANT, GHGA,         eine der wesentlichen Herausforderungen, die wir
                    KonsortSWD, NFDI4BioDiversity, NFDI4Cat,             aktuell adressieren müssen.
                    NFDI4Chem, NFDI4Culture, NFDI4Health und
                    NFDI4Ing.
                                                                                  Der enge Zeitrahmen ist
12.10.2020	Bund und Länder gründen den Verein Nationale                          extrem sportlich und eine
                    Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) e. V. in                  große Herausforderung für
                    Hannover.
                                                                                  alle Beteiligten.

02.07.2021 	Die GWK beschließt die Förderung weiterer zehn
                    Konsortien in der zweiten Runde. Diese sind          Der gesamte NFDI-Prozess ist geprägt von der zeitli-
                    BERD@NFDI, DAPHNE4NFDI, FAIRmat, MaRDI,              chen Überlappung der drei Phasen des Aufbaus, des
                    NFDI4DataScience, NFDI4Earth, NFDI4Microbio-         Wirkens und der Evaluation. Die ersten Ergebnisse
                    ta, NFDI-MatWerk, PUNCH4NFDI und Text+.              können definitionsgemäß erst nach dem Abschluss
                                                                         der Aufbauphase generiert werden: voraussichtlich
01.10.2021 	Die Förderung der zehn Konsortien der zweiten               ab Anfang 2023, wenn alle 30 Konsortien an Bord
                    Runde beginnt.                                       sind. Wir werden jedoch bereits 2025 durch den Wis-
                                                                         senschaftsrat begutachtet. Die Grundlage für diese
                                                                         Begutachtung ist ein Bericht, der 2024 einzureichen
                                                                         ist. Das heißt, dass wir eigentlich schon ab 2023 mit
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     NFDI IN ZAHLEN

        194 Mitglieder                                                                               19 Konsortien
                                                                                                     werden von Bund und Ländern gefördert
        hat der Verein Nationale Forschungs-
                                                                                                     oder haben eine Förderzusage erhalten
        dateninfrastruktur (NFDI) e. V.: z. B. Uni-
                                                                                                     (Stand: August 2021).
        versitäten, Hochschulen, Forschungsein-
                                                                                                     In jedem Konsortium engagieren sich
        richtungen sowie Ministerien (Stand:
                                                                                                     zahlreiche Einrichtungen.
        November 2021).

     12 Personen                                                                                    30 Fachkonsortien
                                                                                                    können im Rahmen von NFDI eine
     arbeiten in der Geschäftsstelle                                                                Förderung erhalten.
     des Direktorats in Karlsruhe
     (Stand: November 2021).

                                                               1 Ziel
                                                               vereint alle Vereinsmitglieder und Konsortien:
                                                               das Forschungsdatenmanagement der Zukunft
                                                               effektiver gestalten.

den Vorbereitungen der Evaluation beschäftigt         bereichernd. Denn es ist spannend mitzuerleben,
sein werden. Dieser enge Zeitrahmen ist extrem        was gerade in der Wissenschaft passiert und                    Informationen zum
sportlich und eine große Herausforderung für          welche Rolle Forschungsdaten dabei spielen.                    NFDI-Verein finden
alle Beteiligten.                                     NFDI ist einfach ein cooler Arbeitsplatz!                      Sie unter:
                                                                                                                     https://www.nfdi.de
Was treibt Sie persönlich an als Direktor             Wo steht die NFDI in zehn Jahren?
der NFDI?                                             NFDI ist ein lebendiges Netzwerk aus engagier-
Es ist eine sinnstiftende Tätigkeit und eine in-      ten Partnern, die das gemeinsame Ziel verfolgen,
teressante Aufgabe. Da bringe ich mich gerne          Forschungsdaten gemäß den FAIR-Prinzipien
mit meinen Kompetenzen ein. Ich bin ausgebil-         bereitzustellen. Alle Wissenschaftsdisziplinen
deter Wirtschaftsingenieur mit Promotion und          sowie alle benötigten Infrastruktureinrichtun-
Forschungsinteressen in der Informatik, habe          gen bringen sich entlang ihrer Kompetenzen
ein großes sozialwissenschaftliches Forschungs­       und Leistungsfähigkeiten in den NFDI-Prozess
infrastruktur-Institut geleitet, war aber auch in     ein. Forschende und Infrastrukturmitarbeitende
der Industrie bei einem großen deutschen IT-          profitieren von den Chancen, die sich aus einer
Unternehmen tätig.                                    Kultur des Datenteilens in den verschiedenen
                                                      Wissenschaftsdisziplinen jeweils ergeben, und
Das, was mich schon immer am meisten begeis-          sie tragen zur Erkennung und Minimierung von
tert hat – sozusagen der emotionale Teil –, ist,      deren Risiken bei.
ganz verschiedene Menschen mit sehr unter-
schiedlichen Blickwinkeln kennenzulernen. In          Die Fragen stellte Maimona Id (DFN-Verein)
der NFDI ist das die nächsthöhere Stufe: Mit bis
zu 30 verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen
in engem Austausch zu arbeiten, finde ich sehr
WISSENSCHAFTSNETZ | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 |   19

25 Jahre Technikgeschichte:
DFN-WiNShuttle
Der kleine Zugang ins große Wissenschaftsnetz – vor 26 Jahren ging der Dienst WiNShuttle
in Betrieb. Der DFN-Verein gehörte zu den ersten Anbietern, die einen bundeseinheitlichen
Telefonzugang praktisch zum Ortstarif ermöglichten. Insbesondere der Bildungssektor
sollte von der Innovation profitieren. Mit WiNShuttle bekamen Schulen, Volkshochschulen,
Lehrende und die Schülerschaft die Möglichkeit, rechnergestützte elektronische
Kommunikation zu nutzen. An die Anfänge des Dienstes bis hin zu seiner Stilllegung
erinnert sich unsere Kollegin Andrea Wardzichowski mit etwas Wehmut.

Text: Andrea Wardzichowski (DFN-Verein)

E   s war im Herbst 1996, als ich mich zu Be-
    ginn meiner beruflichen Laufbahn am
Rechenzentrum Universität Stuttgart (RUS)
                                                 es gab einen Zeittakt, nach dem Telefonate
                                                 abgerechnet wurden. An den Einwahlkno-
                                                 ten kamen die Einwahlrouter MAX4000 von
                                                                                               und News per UUCP, DNS. Wir hatten außer-
                                                                                               dem die Idee, die Nutzer nach Kfz-Kennzei-
                                                                                               chen gleichmäßig über diese vier Server zu
wiederfand: im Projekt „DFN-WiNShuttle“.         Ascend zum Einsatz. Je nach Größe des Or-     verteilen.
Der DFN-Verein war mir schon lange ein Be-       tes mit einer oder zwei S2M-Leitungen, die
griff und ich hatte die DFN-Mitteilungen         jeweils 30 Telefonkanäle beinhalteten. Un-    Die Zielgruppe
auch schon eine Weile bezogen. Geleitet          vergessen der Moment, in dem wir 30 Kar-
wurde das Projekt von Karin Schauerham-          ten zur Abholung von Telefonbüchern er-       Der Dienst DFN-WiNShuttle erhielt seinen
mer vom DFN-Verein in Berlin, am RUS be-         hielten. ISDN-Karten im Ascend MAX4000        Namen von Klaus Ullmann. Er sah in dem Be-
treute uns Barbara Burr. Gesucht wurde eine      ermöglichten die ISDN-Einwahl, sogar mit      griff „WiNShuttle“ das Shuttle als „kleinen
Person, die Unix (noch nicht wirklich Linux!)-   zwei Kanälen gleichzeitig.                    Zubringer“ zum großen Wissenschaftsnetz.
Systemadministrationskenntnisse mitbrach-                                                      Der Wunsch nach einem solchen Zugang
te sowie Geschick an der Hotline, vor allem                                                    kam damals aus der DFN-Community. Auch
telefonisch: Es galt, einen Einwahldienst per                                                  seitens des damaligen Bundesministeriums
Modem und ISDN im Forschungsnetz auf-                                                          für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
zuziehen. Das hieß aber auch: Die von uns                                                      Technologie (BMBF) bestand großes Inter-
angepeilte Zielgruppe hatte noch gar kei-                                                      esse daran, insbesondere die Schulen ans
nen E-Mail- und Web-Zugang und musste                                                          Internet anzubinden. Ebenso wünschten
zunächst telefonisch angeleitet werden.                                                        sich kleine Einrichtungen aus Forschung
                                                                                               und Lehre einen Zugang zum Internet, der
Die Technik                                                                                    günstiger war als eine teure Standleitung.
                                                 Wiedererkennungswert garantiert: WiNShuttle
                                                 bekam ein eigenes Logo.                       Auch Behörden wie das Bundeskartellamt
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir etwa ein                                                        oder der Deutsche Beamtenbund waren sehr
Dutzend Einwahlknoten in großen deut-            In den Städten Stuttgart, Köln, München       interessiert an unserem Angebot. Wir de-
schen Städten bzw. Universitätsstandorten        und Berlin stand je ein SUN-Server glei-      finierten daher als Zielgruppe Schulen, Bi-
in Betrieb. Dies deckte natürlich nur einen      chen Namens. Diese hatten mannigfaltige       bliotheken und Museen sowie Einrichtun-
Bruchteil der Zielgruppe ab, denn wir müs-       Aufgaben: das Einliefern und Abholen von      gen aus Forschung und Lehre, Volkshoch-
sen uns erinnern: Es wurde noch unterschie-      E-Mails, ein ausreichendes Platzangebot für   schulen und Vereine. Bei den Einzelperso-
den zwischen Orts- und Ferngespräch und          Webseiten sowie die Zustellung von E-Mails    nen wollten wir sowohl Mitarbeitende von
20   | DFN Mitteilungen Ausgabe 100 | Dezember 2021 | WISSENSCHAFTSNETZ

Hochschulen und Forschungseinrichtungen         ger Schritt seitens des DFN. Allerdings hät-          den und nicht mehr an das „alte“ X.25-WiN.
sowie Lehrende und die Schülerschaft an-        ten wir bei einem Weiterbetrieb an der Uni-           Drei der Einwahlknoten hatten bereits 90
sprechen als auch Wissenschaftsjournalis-       versität etwa alle fünf Jahre unser Personal          Einwahlkanäle, vier Knoten 60. Wir über-
ten und Vereinsmitglieder, z. B. der Gesell-    auswechseln müssen, weil längere Verträge             wachten auch sehr genau die Auslastung,
schaft für Informatik (GI) und der German       eine Festanstellung zur Folge gehabt hät-             um rechtzeitig neue Leitungen bestellen,
Unix User Group (GUUG). Ebenso sollten in       ten. Der DFN-Verein beschloss damals, dass            neue Geräte aufstellen und damit den Be-
geringerem Maße kleine Ingenieurbüros an-       dies für Bereiche, die letztlich „Betrieb“ ma-        darf decken zu können.
gesprochen werden.                              chen, keine gute Aussicht sei.

Mail- und Webadressen
Für die Mail- und Webadressen hatten wir
uns etwas „Gutes“ ausgedacht: Während
t-online.de und auch aol.com (die seinerzeit
schon Internetzugänge anboten) nur einen
„flachen“ Namensraum zur Verfügung stell-
ten, bei denen die Adresse für alle Nutzer
nach dem @ gleich lautete, wollten wir un-
seren Nutzern individuellere Mailadressen
zukommen lassen. So wollten wir bei häu-
figen Namenskombinationen eine Durch-
nummerierung wie bei anderen Anbietern
üblich vermeiden.

Der Host-Teil sollte bestehen aus „rech-
nername.Kfz-Kennzeichen.shuttle.de.“
Den „Rechnernamen“ konnte der Nut-
zer sich frei aussuchen. Durch die Gliede-
rung in Kfz-Kennzeichen sollten Doppe-
lungen vermieden werden. Passend dazu
gab es eine Webadresse in folgender Form:
 http://www.Kfz.shuttle.de/rechnername/         Leicht gemacht mit Starter-Kit: Zum WiNShuttle-Anleitungsheft gab es vier 3,5 Zoll-Disketten mit
Eigentlich doch so schön!                       Treibersoftware für Windows 3.11. Foto: Nina Bark, DFN

Auch das Offene Deutsche Schulnetz (ODS)        Mit dem Umzug setzten wir auch unsere                 Und wir erlebten die Öffnung des Telefon-
verfolgte eine ähnliche Strategie beim Auf-     steile Lernkurve in Bezug auf „Bürokommu-             marktes: Es gab neue Anbieter, die bundes-
bau seiner Mailadressen. Dort hieß es: @        nikation“ um. An der Uni hatten wir leicht-           weite Einwahlnummern zum Ortstarif zur
schulbezeichnung.Kfz.BL.schule.de. Wir ver-     sinnigerweise den Nutzern auch unsere Te-             Verfügung stellten. Im Juni 2000 konnten wir
walteten auch diese Maildomains für Schu-       lefondurchwahlen verraten. Dies führte na-            einen bundesweiten Ortstarif in Zusammen-
len mit und standen bis zum Schluss mit         türlich in allen Störungsfällen dazu, dass            arbeit mit der EWE TEL GmbH in Oldenburg
dem ODS im Mailaustausch. Diese Adressen        nicht die beispielsweise mit studentischen            anbieten. Das war alles noch sehr kompli-
konnten in Zusammenarbeit mit dem ODS           Hilfskräften besetzte Hotline-Nummer die              ziert: Gerade die Schulen, die den Service
über WiNShuttle genutzt werden.                 Anfragen bekam, sondern regelmäßig Leu-               nutzen wollten, mussten einen kostenfrei-
                                                te, die mit der Behebung der Störung be-              en Zusatzvertrag mit EWE TEL abschließen,
Die Weiterentwicklung                           fasst waren. Regel also fortan: Durchwah-             um die Nummer anwählen zu können. Erst
                                                len bleiben vertraulich.                              später wurde dies deutlich einfacher und
Bereits im Januar 1998 verließen wir das Pro-                                                         unbürokratischer.
jekt am Rechenzentrum der Uni Stuttgart         Im Dezember 1999 hatten wir bundesweit
und gründeten in Stuttgart-West zusammen        56 Einwahlknoten in Betrieb. An einigen               Zu diesem Zeitpunkt hatten wir auch längst
mit dem DFN-NOC einen weiteren Standort         Standorten waren wir schon an das Breit-              das Domaingeschäft aufgenommen. Vielen
der DFN-Geschäftsstelle. Das war ein muti-      band-Wissenschaftsnetz B-WiN angebun-                 Nutzern waren die drei Punkte in der Mail­
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