Regierungsrat 2003? - Majorz - Nein Danke! 3/97 - die Grünen Zug
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3/97 Zeitung der Sozialistisch-Grünen Alternative Zug September 1997 Regierungsrat 2003? CVP CVP CVP CVP FDP FDP FDP Majorz – Nein Danke!
SEITE 2 Der «Arbach» ist nicht mehr... Inhaltsverzeichnis Drogenkonsum in der Schweiz «Die Illegalen sind weniger schlimm» Seite 4 Abstimmung Der unchristliche Ursprung des unfairen Majorz Seite 6 Majorz-Abstimmung Gemeinderäte: CVP/FDP- Eintopf Seite 8 Kiesabbau Die nächste Abstimmung kommt bestimmt Seite 12 Referendum « Lädele» ist nicht Einkaufen Seite 13 Zukunft Grossstadt Zug, Baar, Cham und Steinhausen Seite 14 Seufz... 10 Jahre IG BIO Schweiz als Bioland? Seite 16 Keine 4-Zimmer-Wohnungen Kantonsrat mehr für ein paar hundert Von Frigos Maulkörben und Chnuspis Polizeigeschichten Franken im Monat Seite 20 Regierungsrat 1998: Die grosse Party Seite 22 Filmtips Fast 30 Jahre lang «Trade show» statt Piazza Seite 23 Platz für alternative Lebensformen Impressum Namentlich gezeichnete Artikel unter- liegen der alleinigen Verantwortung der AutorInnen. SGA-Bulletin Nr. 3/97 September 1997; erscheint viermal jährlich. H e r a u s g e b e r : Förderverein pro SGA-Bulletin Adresse: SGA-Bulletin, c/o Martin Stuber, Bleichimattweg 5, 6300 Zug; Telefon: 711 86 33 Redaktion: Natalie Chiodi, Martin Stuber, Thomas Ulrich, Brigitte Weiss Layout: Markus Müller Belichtung und Druck: V i c t o r Hotz AG, Steinhausen Auflage: 1500 Abonnements: Fr. 20.–; Mitglie- derbeitrag Förderverein: Fr. 100.– Redaktionsschluss Nr. 4/97: Freitag, 28. Nov.; Erscheinungsda- tum: Montag, 15. Dezember1997. Bilder B.Weiss SGA-Bulletin 3/97
EDITORIAL Endlich Liberalisieren! Ein Verdienst der Ende der damit Frauen eben nicht abtrei- 60er Jahre entstandenen Neuen ben, sind es genau die gleichen Frauenbewegung war es, das Kreise, die seit Jahrzehnten poli- Tabu-Thema Schwanger- tisch die Macht hätten, diese An- schaftsabbruch zu einem öffent- liegen zu erfüllen. lichen Thema gemacht zu ha- Während die CVP die gesell- ben. Mit Slogans wie «Mein schaftlichen Realitäten bezüg- Bauch gehört mir» oder «Kinder lich Schwangerschaftsabbruch oder keine, entscheiden wir allei- langsam zu respektieren beginnt, ne» kämpften viele Frauen für ei- ist genau diese Realität schon ne Liberalisierung des Schwan- wieder um einige wichtige gerschaftsabbruchs und das Schritte weiter: Selbstbestimmungsrecht der Die pränatale Diagnostik ver- Frau. Doch die damals gültige scher Beratung ausgesprochen. langt den Frauen immer mehr ei- (medizinische) Indikationenlö- Danach wäre der Abbruch nach nen Entscheid für oder gegen ih- sung ist immer noch in Kraft. Die der Beratung innerhalb der er- re Schwangerschaft ab. Eine Abstimmung über die Fristenlö- sten 12 Wochen nach der Emp- Schwangere über 35 Jahre oder sungs-Initiative im September fängnis straffrei. Mit der Bera- eine Schwangere mit Risikofak- 1977 wurde verloren, die Initia- tungspflicht soll versucht wer- toren in der Familie wird mit der tive «Recht auf Leben» (der Geg- den, die betroffenen Frauen zum Möglichkeit der vorgeburtlichen nerInnen einer Liberalisierung) Austragen des Kindes zu bewe- Tests konfrontiert. Sie ermögli- im Juni 1985 zum Glück klar ab- gen. chen, gewisse Fehlbildungen, gelehnt. Dieser «historische Kompro- Krankheiten oder Behinderun- Zwanzig Jahre später ist so- miss» ist zwar ein Schritt vor- gen am Fötus festzustellen. Bei eben die Vernehmlassung des wärts, aber mit dem CVP-Modell einem positiven Befund steht die Entwurfs der Rechtskommission wird das alleinige Entschei- Frau/das Paar vor der schwieri- des Nationalrates zu einer Fri- dungsrecht der Frau oder des gen Entscheidung, ein behinder- stenlösung innerhalb der ersten Paares weiterhin verhindert. tes Kind zu akzeptieren oder die 14 Wochen abgeschlossen wor- Wenn das Kind dann aber auf Schwangerschaft abzubrechen. den. Alle gesellschaftlich rele- der Welt ist, darf die Frau ver- Bei diesem Entscheid sind die vanten Kreise sprechen sich für antwortlich für Betreuung und meisten Frauen und Paare allein eine Liberalisierung des Erziehung sein. Für die meisten gelassen. Sie stehen einem gesell- Schwangerschaftsabbruchs aus. von ihnen gibt es noch immer schaftlichen Druck gegenüber, Die Debatte im eidgenössischen keinen ausreichenden Mutter- der behindertes Leben als ver- Parlament wird sich deshalb vor schaftsschutz (obwohl der Auf- meidbar ansieht und in letzter allem um die Frage drehen, ob trag seit 1945 in der Bundesver- Konsequenz zu einem Schwan- ein straffreier Abbruch mit oder fassung steht), es gibt nicht gerschaftsabbruch führt. ohne Beratungspflicht der be- genügend Krippenplätze, Job- Eine neutrale Beratung und troffenen Frau möglich sein soll Sharing und Teilzeit-Arbeits- Hilfsangebote zugunsten von Be- und innerhalb welcher Frist. plätze sind Mangelware, es hat troffenen ist notwendiger denn Die CVP, bis vor kurzem noch zuwenig Tagesschulen und die je. klar gegen jegliche Liberalisie- Aussen- und Umwelt wird immer Wo sind die entsprechenden rung, hat sich unter dem Druck kinderfeindlicher. Initiativen der "Lebensschützer- zahlreicher Frauen und der öf- Wenn jetzt wieder betont 00Innen"? fentlichen Meinung für ein wird, dass diese Forderungen ■Arlene Wyttenbach «Schutz»modell mit obligatori- endlich erfüllt werden müssten, SGA-Bulletin3/97 3
DROGENKONSUM IN DER SCHWEIZ Die Illegalen sind weniger schlimm Der kürzlich im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheitswesen erschienene Bericht «Alkohol, Tabak und illegale Drogen in der Schweiz 1994-1996» steht ganz im Zeichen derjenigen Debatte, die uns einen heissen Herbst beschert. Mit dem Einbezug der häufigsten und schädlichsten aller Drogen, Alkohol und Tabak, sprengen die Bundesfachleute bewusst die verengte Optik der «Jugend ohne Drogen»-InitiantInnen. Fazit: die Anzahl Abhängiger harter Drogen ist konstant und die Repression kostet uns ca. 1/2 Milliarde Franken im Jahr. hat von 15 bis 39jährig sicher einmal zeilichen Verfolgung oder von ge- Gisela Hürlimann illegale Drogen konsumiert, und sundheitlichem und sozialem Ab- zwar allermeistens und mit grossem stieg aussetzen würde. Sie nehmen Den jetzt besonders umtriebigen Abstand Cannabis. Die am zweit- wegen der Illegalität ihres Tuns in KämpferInnen wider das «Rausch- häufigsten konsumierte Droge ist der Regel nicht an Befragungen teil. gift» muss schon das Inhaltsver- Kokain, das von 2.7% dieser Alters- Doch ihre Zahl wird auf ebenfalls et- zeichnis der Publikation sauer auf- gruppe schon mal probiert wurde. wa 60'000 geschätzt. stossen: Statt die Besseren ins Kröpf- Und erst nach den halluzinogenen chen und die Schlechteren ins Töpf- Drogen, die im Neo-Seventies-Boom ...300'000 AlkoholikerInnen chen auszubeineln, behandeln die der 90er ein kleines Revival erleben, AutorInnen legale und illegale Dro- folgt Heroin mit 1.3%. Schon jetzt Den polizeilich erfassten und in die gen gleichberechtigt nebeneinander wird klar, dass die Aufmerksamkeit, Repressions- und Therapiemühlen in Kapiteln wie «Produktion und welche Politik und Medien den geratenen 30'000 Drogenabhängi- Handel», «Konsum», «Soziale Ko- Heroinkonsumierenden schenken, gen stehen 700'000 starke Rauche- sten» etc.. Sowohl in der Form als nicht ihrem objektiven Anteil am rInnen sowie 300'000 süchtige Trin- auch im Inhalt will man also die Fol- Total der DrogenkonsumentInnen kerInnen gegenüber. Der Drogen- gen von Alkohol- und Tabakkon- entspricht. Schätzungen gehen von konsum hat sich - ganz im Trend der sum, die «umfangmässig viel bedeu- einer seit 1993 konstant gebliebe- Zeit - inhaltlich und geografisch di- tender sind» aus dem «Schatten des nen, tendenziell sogar leicht rück- versifiziert: Designerdrogen wie Ec- politischen Interesses» holen, wie es läufigen Zahl von 30'000 Abhängi- stasy sind neu aufgetaucht und wer- im Vorwort heisst. Und es wird fest- gen «harter» Drogen (Opiate und den von einem harten Kern im Um- gehalten: die Zahl der Konsumen- Kokain) aus. Dazu werden weitere feld der Technoszene regelmässig tInnen illegaler Drogen in der 30'000 gelegentliche KonsumentIn- geschluckt. Der vermehrte Griff zu Schweiz sei «sehr beschränkt.» So nen gezählt, was zu einer Gesamt- Drogen mit Speed-Effekt, wie neben prägnant hat man das noch selten zahl von schätzungsweise 60'000 Ecstasy Kokaincocktails oder Auf- aus Bundesbern gehört wie jetzt, wo BenützerInnen harter Drogen führt, putschmitteln, wird von den Fach- es darum geht, die Geister, die der von denen es die Behörden wissen. leuten ebenfalls dem Zeitgeist zuge- «Jugend ohne Drogen»-Kult herauf- Solche Daten wurden aus der schrieben. Haschisch und Marihua- beschwört, wieder zu vertreiben. Im Schweizerischen Gesundheitsbefra- na sind seit einigen Jahren regelrecht folgenden einige erhellende Daten zu gung 1992/93, aus polizeilichen am Boomen und haben sich den Sta- illegalen Drogen und legalen «Ge- Verzeigungen sowie aus den Thera- tus eines «Genussmittels» erobert. nussmitteln». pie- und Beratungsstatistiken ge- Und: «Eine schweizerische Region, wonnen. in der keine Drogen gehandelt wer- Hasch erst 1975 illegal den, gibt es nicht mehr». 60'000 «Integrierte»... In die Illegalität ist der Konsum der Kontraproduktive Repression heute als «Drogen» bezeichneten Zunehmend wecken aber auch die Substanzen übrigens erst 1975 ge- «integrierten» Drogenabhängigen Die Repression, welche sich jährlich drängt worden - die Idee dazu kam das Interesse der SuchtexpertInnen: auf circa 1/2 Milliarde Franken und den Behörden bezeichnenderweise die Leute also, die verdeckt harte damit auf das Zehnfache an den während den StudentInnenunruhen Drogen konsumieren und alles ver- Aufwendungen für Prävention und von 1968/69. Jeder und jede Sechste meiden, was sie dem Risiko der poli- Forschung sowie das Doppelte der 4 SGA-Bulletin3/97
DROGENKONSUM IN DER SCHWEIZ Kosten für Therapie und Beratung fach «schneller» und «hektischer» als tionären und ambulanten Therapie- beläuft, hat seit 1993 nicht ab-, son- früher. Man wird den Eindruck einrichtungen unter steigendem Ko- dern zugenommen und ist für die nicht los, dass im Rahmen der «Vier- sten- und Legitimationsdruck - steigende Zahl von Mehrfachverzei- Säulen-Politik» (Therapie, Präventi- Stichwort «Qualitätskontrolle» - der gungen wegen Drogenkonsums ver- on, Überlebenshilfe, Repression) die zu sinnvollen Zusammenlegungsak- antwortlich. Jene Jugendlichen, wel- Situation der Drogenabhängigen tionen im Stil einer gesamtheitlichen che zu Gründen für ihren Drogen- nicht dank, sondern trotz der Re- Suchtmittelberatung, aber auch zur verzicht befragt wurden, kümmert pression sich nicht verschlechtert, Gefahr der Verheizung von Abhän- die Polizei allerdings wenig: an er- sondern eher verbessert. gigen in Billigtherapien führen ster Stelle sorgen sie sich um ihre Ge- kann. Die sozialen Kosten, die der sundheit, haben Angst vor Abhän- Lebensrettende Hilfsangebote Gesellschaft aus dem illegalen Dro- gigkeit und scheuen die Kosten. Erst genkonsum erwachsen, werden auf an 7. Stelle nennen sie die Illegalität Vor allem die Angebote in Therapie knapp 1 Mia. Franken geschätzt, als Grund für Abstinenz. Die Repres- und Beratung, die unter dem Motto während man sie für den Alkohol auf sion mag zusammen mit dem Aus- der Überlebenshilfe, Schadensver- 3 Mia. Franken beziffert. bau ambulanter Beratungsstellen minderung und Reintegration lau- dazu geführt haben, dass «Junkies» fen, haben das Leben für manche Teuer: Alkoholismus und Rauchen ihren Stoff jetzt kontrollierter und «Illegalen» erträglicher gemacht. sauberer konsumieren. Sie hat je- Gerade die von den Drogenrestrik- Die Mär vom volkswirtschaftlich doch – genausowenig wie die Zwangs- tionistInnen am schärfsten anvisier- nützlichen Alkoholkonsum ist mit massnahmen im Ausländerrecht – ten Methadon- und Heroinabgabe- der Tatsache, dass jedes vierte Akut- den Handel nicht eingeschränkt, im programme führten bei den Bezüge- spitalbett von einem direkten oder Gegenteil: Das Angebot an fast allen rInnen in jeder Hinsicht zu einer indirekten Opfer des Alkoholismus Drogen wird von den meisten Kanto- Verbesserung, weil die aus der Ille- belegt ist und dass mindestens jeder nen, auf deren Daten der Bericht be- galität entstehenden negativen Fol- 20. Todesfall im Zusammenhang ruht, als steigend bei gleichzeitig fal- gen des Drogenkonsums verringert mit Alkohol steht, hinlänglich wi- lenden Preisen und teilweise werden konnten. Die ärztlich über- derlegt. Am Rauchen sterben jähr- schlechterer Qualität beurteilt. Ge- wachte Drogenabgabe betraf 1994 lich 15mal mehr Personen als infol- handelt wird heute vorzugsweise in etwa 15'000 Personen, davon waren ge des Missbrauchs illegaler Drogen. Privatwohnungen, aber auch nach bis 1996 1000 HeroinbezügerInnen. Und immerhin halb soviele Tote wie wie vor im öffentlichen Raum, ein- Allerdings stehen die meisten sta- Drogen fordert das Passivrauchen. Die Verteufelung der illegalen Dro- gen wie auch ihrer KonsumentInnen hat, das zeigen die Daten aus dem aktuellen Bericht über legalen und illegalen Drogenkonsum, den Cha- rakter eines ausgemachten Kults, dessen AnhängerInnen hochprozen- tig selektive Wahrnehmung predi- gen .■ Quelle: Müller, Richard u.a. (Hrsg.) Alkohol, Tabak und andere Drogen in der Schweiz 1994-1996. Schweizerische Fachstelle für Alkoho l- un d an dere Drogenprobleme im Auftrag des Bundes- amtes für Gesundheitswesen. Lausanne 1997 Hinweis: Ich habe nicht nach Geschlecht differenziert, obwohl fast immer deutlich Kampf gegen dieVolksdroge Alkohol. 1. Mai Kundgebung1912 in Zürich mehr Männer abhängig sind als Frauen. Bild Drogenmagazin SGA-Bulletin 3/97 5
Der unchristliche Ursprung des unfairen Majorz Was wir schon lange vermuteten, bekamen wir kürzlich bestätigt: Das auslösende Moment der Majorz-Initiative war Hanspeter Usters Weigerung, Zuger Polizisten für die Ausschaffung der Flüeli-Ranft-Kurden einzusetzen. strapazierte sie gerade jene rechts- gedanke, dass die fähigsten Frauen Josef Lang* staatlichen Grundsätze, die norma- und Männer an die Spitze von Ge- lerweise zum festen Repertoire ihrer meinwesen gewählt werden sollen.» Mit schwerem Geschütz fuhr die Partei gehören. Die Kritik an Uster (9.1.1993) Mit anderen Worten: CVP des Kantons Zug am 9. Juni steht einsam im Raum.» (15.6.91) Hofmann begründet sein eigentli- 1991 gegen Hanspeter Uster auf. Hanspeter Uster verfügte aller- ches Ziel, die Abwahl des fähigsten «Kein Verständnis» hätte sie für des- dings über eine grosse Glaubwürdig- Regierungsrates, mit dem Argu- sen Weigerung, dem «Gesuch eines keit, weil er im Frühjahr in weiser ment, die «Fähigsten» gehören «an Obwaldner Amtskollegen» nachzu- Voraussicht Kurdistan selber be- die Spitze». kommen, «im Zusammenhang mit sucht und danach über die katastro- der Ausschaffung der Obwaldner phale Menschenrechtssituation und Die «fähige» CVP Kurden Hilfe zu leisten». Zwar lasse die verheerenden Folgen von Aus- sich Usters Absage juristisch recht- schaffungen berichtet hatte. Wie «fähig» die Partei mit den fertigen, hingegen sei die abschlägi- vielen (Wirtschafts-)Juristen ist, ge Antwort politisch «als grober Machtpolitik vor Menschenrechten zeigte sich bei der Prüfung der Ini- Fehler zu werten». tiative. Wegen eines schwerwiegen- Diese Berichte hatten den Partei- den juristischen Formfehlers musste Zuger Sonntags- gegen Obwaldner «Christen» keinen Eindruck ge- sie für ungültig erklärt werden. Kurz Werktags-Christen macht. Vor allem dem damaligen darauf schob der profilierte Gleich- Kantonalpräsidenten und Majorz- berechtigungs-Gegner Urs B. Wyss Interessant ist der von der CVP Hauptinitianten Peter Hofmann lag eine Majorz-Motion nach. Diese selber benützte Begriff «Obwaldner die Abwahl des SGA-Vertreters wurde am 8. November 1993 von Kurden». Im Halbkanton hatte sich mehr am Herzen als das Schicksal der Regierung (im knappen Verhält- eine derart breite Asyl-Bewegung kurdischer Menschen. Für ihn war nis von 4:3) dem Kantonsrat zur An- gegen die Ausweisung der gefährde- Usters «Fehler» laut Aussagen eines nahme empfohlen. Allerdings war ten Frauen, Männer und Kinder ent- damaligen CVP-Kantonsrates die inzwischen zu viel Zeit verloren ge- wickelt, dass es zu einer starken «Initialzündung» für die 11 Monate gangen, die 94er Wahlen fanden Identifizierung von ObwaldnerIn- später lancierte Majorz-Initiative. noch im Proporz statt. nen mit KurdInnen kam. Getragen Dann aber harzte es beim Sammeln. Wenn heute CVP-VertreterIn- war die aktive Solidarität vor allem Erst am 8. Januar 1993 konnte die nen behaupten, das beweise, dass von kirchlichen Kreisen. Die Stel- CVP bloss 2076 Unterschriften, 76 der Majorz nicht gegen Uster gerich- lungnahme der Zuger Wort- und mehr als das nötige Quorum, einrei- tet sei, verfehlen sie gleich doppelt Sonntags-«Christen» war indirekt chen. gegen das achte Gebot. Erstens weil auch gegen die Obwaldner Tat- und Auf die Frage von Zuger-Zei- die Initiative wegen und gegen Uster Werktags-Christen gerichtet.Vor al- tungs-Redaktor Cäsar Rossi, ob die gestartet wurde. Und zweitens weil lem aber zielte sie auf Hanspeter CVP «mit der Einführung des Ma- Uster nur dank Proporz majorzfähig Uster. In einem Kommentar schrieb jorzverfahrens Gegensteuer gegen wurde. ■ die LNN: «Es bleibt deshalb der Ein- einen allfälligen Sitzverlust geben» druck, dass die Zuger CVP in erster wolle, brachte Peter Hofmann das Linie dem Regierungsvertreter der Sprüchlein, das wir seither unzähli- Sozialistisch-Grünen Alternative ge Male gehört haben. Anlass zum 'eins auswischen' wollte. Und dazu Majorz sei «ganz einfach der Grund- * Kantonsrat SGA Zug 6 SGA-Bulletin 3/97
Majorz unterdrückt Minderheiten Das Schweizer Staatskundelexikon (hgg. von Alfred Huber, 1996) spricht beim Stichwort «Majorz» Klartext: «Nachteilig ist, dass grosse Parteien bevorzugt und Minderheiten unterdrückt werden.» Warum das so ist, erklärt der folgende Artikel Falle, dass er den Linken einen Sitz von einem Beiblatt der alphabetisch Josef Lang gewährt, einen bestimmenden Ein- aufgeführten Kandidierenden), son- fluss auf die Auswahl der Kandida- dern Majorz-Parteilisten mit vorge- Beim Proporz-System werden tIn. Beispielsweise hätten die Bür- druckten Namen. Und das segelt un- die Sitze proportional zur Listen- gerlichen 1978 Othmar Romer ter dem Motto «Personen vor Partei- stärke verteilt. Beim Majorz-System kaum akzeptiert, weil er zu eng mit en»! zählen allein die persönlichen Stim- dem linken SP-Flügel verbunden men. Um beim Zuger Majorz ge- war. Unsinniger Nationalratsproporz wählt zu werden, brauchen die Kan- didierenden das absolute Mehr aller Parteilisten trotz Majorz Die zweite Vorlage schlägt den gültigen Stimmen und müssen unter Übergang vom bisherigen Listen- den ersten Sieben, bzw. Fünf sein. Diese enge Abhängigkeit der proporz zum Nationalratsproporz Entscheidend für die Wahlchancen Wahlchancen von der Parteistärke bei den Parlamentswahlen vor. Beim ist die relative Stärke der Parteien. ist beim Zuger Majorz noch grösser. heute gültigen Listenproporz zählt KandidatInnen der CVP haben Die Stimmberechtigten erhalten zur Verteilung der Sitze allein die eine Grundbasis von 30 - 35, die der nämlich nicht, wie ich es in der Kom- Anzahl der Listen. Beim National- FDP von 30, die der SP von 15 - 20, mission und im Kantonsrat vorge- ratsproporz zählt hingegen jede ein- die der Alternativen und SVP von je schlagen habe, eine leere Wahlliste zelne Linie auf der Liste. Wird bei- 10 -15 Prozent. Ein CVP-Kandidat ohne Parteibezeichnung (begleitet spielsweise der CVP-Kantonsrat braucht zum absoluten Mehr nicht Andreas Bossard auf die städtische nur viel weniger Fremdhilfe als eine Kantonsratsliste der SGA geschrie- SP-Kandidatin. Seine bürgerlichen ben, nimmt er dieser einen Zwanzig- BündnispartnerInnen sind auch viel stel der Stimmkraft weg und stärkt stärker als die alternativen der SP. umgekehrt die CVP. Selbst wenn er ein unbeliebter Kan- Damit die eigenen WählerInnen didat ist und bloss die Hälfte der weniger in Versuchung kommen, FDP- und SVP-Stimmen kriegt, «fremde» KandidatInnen auf die ei- liegt er immer noch weit über dem gene Liste zu setzen, sind die Partei- absoluten Mehr. en gezwungen, ihre Listen zu füllen. Das bedeutet, dass in der Stadt Zug Bürgerblock mit 70% die sechs Parteien für die Gemeinde- ratswahlen je 40 und für die Kan- Diese Fremdhilfe spielt fast auto- tonsratswahlen je 20 KandidatInnen matisch, wenn sich die Parteien zu finden müssen. Selbst mit Kumulie- Blöcken zusammenschliessen. Ein ren, dh. dem Zweifach-Stimmen für zugerischer Bürgerblock, der für den eine Person, bedeutet das, dass in der Fall einer Änderung des Wahlver- Stadt Zug 6mal 30 KandidatInnen fahrens bereits angekündigt ist, hat allein für Gemeinde- und Kantons- eine Stimmkraft von 70%. Damit rat gefunden werden müssen, was kann er erstens allein bestimmen, «Wenn der Majorz kommt, unweigerlich zu einer Vervielfa- wie viele Sitze er einnehmen will. schmeiss ich mich vom Sockel!» chung der Alibi-Kandidaturen Zweitens hat der Bürgerblock im Bild: B. Weiss führen würde . ■ SGA-Bulletin3/97 7
Gemeinderäte: CVP/FDP-Eintopf FdP und CVP sind in praktisch allen Gemeinden die beiden grössten Parteien nach WählerInnenstimmen. Im Proporz spiegelt sich dies wider, indem sie in allen Zuger Gemeinderäten zusammen jeweils eine Mehrheit stellen. Was aber passiert, wenn die gemeindlichen Regierungen in Zukunft im Majorz gewählt würden? Eine Analyse, welche die Wahlresultate von 1994 und 1990 berücksichtigt, liefert die Antwort. Martin Stuber persönlichen Stimmen – dazu fehlt einfach der Platz. Generell kann Was wäre, wenn? Die Wahlresultate aber gesagt werden, dass CVP- und Zug umrechnen auf den Ausgang mit FDP-KandidatInnen bei der jeweils Majorzwahlrecht ist nicht ganz un- anderen Partei mehr Stimmen holen problematisch. Es liegt auf der als KandidatInnen von alternativen Hand, dass die persönlichen Stim- Gruppierungen oder der SP. Das be- Wahlen1990 men der KandidatInnen auf den deutet, dass die Stimmverhältnisse Othmar Romer* SP Parteilisten nicht einfach tel quel zwischen den einzelnen KandidatIn- Ernst Moos* FDP dem Resultat entsprechen, das die nen auch bei Majorzwahlen im gros- Othmar Kamer* CVP jeweiligen «Persönlichkeiten» bei sen und ganzen dem Muster, wie es Hansjörg Werder* CVP Majorzwahlen machen würden. Un- sich heute darstellt, folgen würde. Christoph Straub FDP ter den herrschenden politischen Nicht gewählt worden wäre: Kräfteverhältnissen im Zugerland Zug: Sonderfall Romer Eusebius Spescha SP ist die Übung aber dennoch aussage- kräftig. Auf den ersten Blick gibt es schein- Wahlen1994 Parteitreue WählerInnen sind bei bar wenig Unterschiede zwischen Ma- Othmar Romer* SP Majorzwahlen gerade in den Ge- jorz und Proporz bezüglich Zusam- meinden nämlich weniger geneigt, mensetzung der Zuger Stadtregie- Christoph Luchsinger FDP Stimmen zu «verschenken», als rung. Auf den zweiten Blick fällt die Toni Gügler CVP beim Listenstimmen-Proporz. Da- spezielle Stellung des altgedienten SP- 2. Wahlgang nötig: mit verschiebt sich das Stimmenver- Stadtrates Othmar Romer auf, der aus hältnis noch stärker in Richtung allen politischen Lagern von Wahl zu Wenn Romer abtritt und CVP und grosse Parteien. Das Abstimmungs- Wahl bis 1990 mehr persönliche FDP mit drei Bisherigen und zwei oder verhalten der weniger parteigebun- Stimmen erhalten hat. Ein Blick in die drei Mitte- bis Mitte-rechts-Kandida- denen WählerInnen dürfte sich we- Archive zeigt dann allerdings, dass er tInnen antreten, dann könnte Majorz nig ändern, dort wurde bisher schon bei seiner ersten Wahl 1978 nicht den in der Stadt Zug gleichbedeutend mit fleissig panaschiert und kumuliert. Hauch einer Chance gehabt hätte, wä- einem rein bürgerlichen Stadtrat sein. Nicht direkt in die Analyse mit ein- re nach dem Majorzsystem gewählt bezogen wurde die Herkunft der worden. Baar: absolute CVP-Mehrheit Dies ist ein generelles Muster: heu- Zur Erklärung der Tabellen: te majorzfähige Bisherige aus dem Beim Studium der Baarer Resulta- Ein * hinter dem Namen weist auf ei- linksgrünen Lager wären bei Majorz- te wird plötzlich klar, weshalb Baar in ne(n) Bisherige(n) hin. Grau unterlegt wahlen gar nie gewählt worden und der Abstimmung vom 8. Juni überra- bedeutet, dass diese Person bei der sind erst im Regierungsamt so be- schend deutlich Ja zum Majorz gesagt Proporzwahl durchgefallen ist, aber kannt und populär geworden, dass sie hat: Die CVP hat nämlich 1990 die bei einer Majorzwahl gewählt wor- es nachher auch bei Majorzwahlen absolute Mehrheit im Gemeinderat den wäre. Als «Nicht Gewählt wä- re» werden entsprechend die im Pro- schaffen würden. Auch das ist aber dank dem Proporzsystem verloren. porz erfolgreichen KandidatInnen nicht sicher, wie das Resultat von Bau- Im Majorz hätte diese absolute CVP- aufgelistet, die bei einer Major- chef Eusebius Spescha zeigt. Er wäre Mehrheit angedauert, im jetzigen Ge- zwahl nicht reüssiert hätten. 1990 im Majorz nicht gewählt worden meinderat würde sie sogar 5 von 7 Ge- Die Listen sind sortiert nach Anzahl und hätte 1994 wegen Verfehlen des meinderätInnen stellen. So stark ist persönlicher Stimmen. absoluten Mehrs in der Nachwahl ei- die CVP-Stellung in Baar, dass trotz nen schweren Stand gehabt. der markant tieferen persönlichen 8 SGA-Bulletin 3/97
Baar Cham Steinhausen Wahlen 1990 Wahlen1990 Wahlen1990 Jules Binzegger* CVP Karl Bienz* CVP Josef Küng CVP Urs Perner* CVP Heinz Wyss* CVP Niklaus Limacher* CVP Alfred Heer* FDP André Landtwing CVP Max Gisler FDP Hans Krieger CVP Susi Kuhn-Gassmann* FDP Urs Marti FDP Jürg Dübendorfer* FDP Heinz Schmid* SP Rolf Gerber* FriBri Annelies Stebler CVP Nicht gewählt worden wäre: Nicht gewählt worden wäre: Walter Ineichen SP Jitka Röthlisberger KriFo Ernst Ineichen SP Nicht gewählt worden wäre: Ruedi Hug SP Wahlen 1994 Wahlen 1994 Heinz Wyss* CVP Josef Küng* CVP Wahlen1994 Susi Kuhn-Gassmann* FDP Max Gisler* FDP Urs Perner* CVP Esther Britschgi CVP Hans Peter Baggenstos CVP Hans Krieger* CVP André Landtwing* CVP Urs Marti FDP Paul Langenegger CVP Toni Käppeli CVP Ernst Ineichen* SP Jürg Dübendorfer* FDP Nicht gewählt worden wären: Walter Ineichen* SP Toni Stadelmann FDP 1994 mit einer gemeinsamen Liste Edith Hotz CVP Hans Schaufelberger SPDP angetreten sind, sehr eng werden. Maria-Pia Kuhn CVP Tendenziell wäre auch hier mit einer Nicht gewählt worden wären: CVP ihre jahrzehntealte absolute absoluten Mehrheit der CVP zu rech- Ruedi Hug* SP Mehrheit im Gemeinderat. Auch hier nen, wenn sie drei KandidatInnen Ernst Schwerzmann FDP gilt: ohne Proporz-Wahlrecht hätte aufstellt, zumal der FDP-Gemeinde- die CVP 1994 ihre absolute Mehrheit präsident Urs Marti mit seinem Kon- Stimmen der jeweiligen CVP-Frauen sogar noch ausbauen können! Im Ma- frontationskurs gegenüber FriBri und diese trotzdem gewählt worden jorz dürften FDP und CVP sich den SP den Kandidaten seiner Partei wären. Gemeinderat in Zukunft unter sich kaum zum nötigen Stimmenzuwachs Nicht nachvollziehbar ist die Hal- aufteilen, wie das Resultat des als verhelfen könnte. So gesehen müsste tung Pro-Majorz der Baarer SVP Ex- Kantonsrat bekannten und profilier- die FDP eigentlich auch in Steinhau- ponenten. Die Baarer SVP hat mit ten Hans Schaufelberger zeigt: Der sen dem Proporz zuneigen. 10% Listenstimmen ein relativ gutes Stimmenabstand ist einfach zu gross Resultat gemacht und könnte mit Pro- und könnte selbst mit einer gemeinsa- Hünenberg: die CVP... porz bei den nächsten Wahlen auf ei- men Liste KriFo/SP nicht wettge- nen Sitz hoffen. Im Majorz ist sie ohne macht werden, wie die Analyse der Li- Es wird langsam langweilig - auch jede Chance: Spitzenkandidat Stein- stenstimmen zeigt! in Hünenberg dasselbe Lied: mit Ma- mann lag 600 Stimmen hinter Ernst Angesichts der starken Stellung jorz absolute CVP-Mehrheit, ohne Schwerzmann. Und eine gemeinsame der CVP müsste eigentlich die Cha- Majorz ist 94 die absolute CVP-Mehr- bürgerliche Liste hat die CVP nicht mer FDP alles Interesse haben, am heit verlorengegangen. Die Stimmen- nötig... Proporz festzuhalten. verhältnisse sind so klar, dass es bei Wie viele Sitze die gemeinsame Li- der SP wohl die Kandidatur des in Hü- ste SP/SGA halten könnte, hängt in Steinhausen: knappe Verhältnisse nenberg wohnhaften Urs Birchler Baar stark von der Konstellation ab - brauchte, um unter dem Majorz den fast sicher scheint aber mindestens der Etwas speziell sind die Verhältnis- Gemeinderatssitz zu verteidigen. Verlust eines Sitzes. se in Steinhausen, weil FDP und CVP Typisch: die im Proporz nicht ge- jeweils nicht mehr als je vier Kandida- wählte und nachher für den Ständerat Cham: absolute CVP-Mehrheit ten aufgestellt haben (auch 1986). gewordenen Peter Bieri nachge- Würden sie unter dem Majorz diese rutschte CVP-Gemeinderätin Alma Ähnlich wie in Baar sind die Ver- Praxis ändern, dürfte es für SP und Leuenberger engagiert sich vehement hältnisse in Cham: 1994 verliert die Frische Brise, die ja schon 1990 und für den Majorz... SGA-Bulletin3/97 9
Kanton Zug - dank dem Proporz! Die Hünenberg gute Arbeit des Gleis 3 und Kumperas wurde 1990 mit einem sehr guten Re- Unterägeri Wahlen 1990 sultat für Daniel Zülle honoriert, der Wahlen1990 Peter Bieri* CVP aber trotzdem im Majorzsystem in ei- Hansruedi Iten FDP Max Bütler CVP ne Nachwahl hätte gehen müssen. Adolf Weingartner* FDP Bruno Briner FDP Dies alles verschweigt der CVP Willy Schilling* SP Ruth Odermatt* CVP Kantonsrat Willi Wismer in einem Le- Franz Steiner* CVP Markus Baumann FDP serbrief wohlweislich. Seinen Majorz- Karl Iten* CVP Grosseinsatz erklärt nicht nur die wei- Nicht gewählt worden wäre: terhin unverdaute Abwahl des bishe- Hansruedi Bigler SP Wahlen 1994 rigen Bruno Uhr bei den 90er-Wah- Hansruedi Iten* FDP len, sondern wohl auch die Tatsache, Wahlen 1994 Jolanda Aschwanden FDP dass die CVP mit Majorzwahlen ihre Max Bütler* CVP Josef Ribary FDP absolute Mehrheit 1994 auf Kosten Bruno Briner* FDP Max Toggenburger* SP der FDP zurückgewonnen hätte. Peter Bieri* CVP Markus Häusler CVP Nach einem Rücktritt von Zülle Alma Leuenberger CVP wird das Gleis 3 unter Majorzrecht Hans Gysin FDP Proporz sprengt Filz in Oberägeri den Sitz nicht halten können. Nicht gewählt worden wäre: Verständlich ist auch, dass die Ri- Hansruedi Bigler* SP scher FDP den Proporz unterstützt! Wie absurd der Majorz ist, zeigt Oberägeri exemplarisch: 1990 wurde FDP-Hochburg Unterägeri das FORUM listenstärkste Partei - Risch: Gleis3 nur dank Proporz und hätte im Majorz trotzdem keinen Wundert sich jemand, weshalb die Sitz im Gemeinderat erhalten. Dank Wer erinnert sich? 1986 eroberte Unterägerer FDP so vehement für den Proporz wurde dem jahrzehntealten das völlig unbekannte Gleis 3 mit dem Majorz eintritt? Nein, es ist nicht nur OberägererFilzein Ende gesetzt. jungen Thomas Kumpera überra- die Regierungsratsaspiration von Im Majorzsystem hätten neben der schend den ersten Gemeinderatssitz FDP-Schwergewicht Joachim Eder, CVP die beiden anderen Parteien einer alternativen Gruppierung im auch die starke Stellung der FDP in nichts zu bestellen, wären mehr oder Unterägeri ist ein wichtiger Grund. So wie die CVP in Baar oder Cham könn- Risch te unter dem Majorz die FDP in Un- Oberägeri terägeri mehr oder weniger nach Be- Wahlen 1990 lieben schalten und walten. Wahlen 1990 Richard Knüsel* CVP Der Einwand, dass sie dies dank Hans Letter CVP Rudolf Schicker* CVP absoluter Mehrheit heute schon kann, Edy Iten-Schneider* FDP Bruno Uhr* CVP ist richtig - bloss sind im Majorz die Josef Iten-Fischlin* CVP Bruno Huwiler FDP Aussichten für eine allfällige opposi- Josef Iten-Hürlimann* FDP Für 5. Sitz Nachwahl nötig: tionelle Liste gleich Null, während im Peter Meier CVP Daniel Zülle Gleis 3 Proporz ein ähnlicher Effekt wie in Nicht gewählt worden wären: Nelly Mendler FDP Oberägeri oder Menzingen möglich Werner Odermatt FORUM wäre. In Unterägeri ist die Mehrheit Irene Bilang-Iten FORUM Wahlen 1994 der FDP «präventiv» für den Majorz. Rudolf Schicker* CVP Unterägeri ist die einzige Gemeinde, Wahlen 1994 Bruno Huwiler* FDP wo der Majorz klar der FDP nützt. Hans Letter* CVP Daniel Zülle* Gleis 3 Trotz der Schwäche der CVP hat Gustav Iten-Matter CVP Anton Wismer CVP die SP im Majorz gemäss eigener Ein- Angelika Iten-Blattmann CVP Vreni de Beaufort CVP schätzung nach dem Rücktritt ihres Peter Hürlimann FDP Nicht gewählt worden wäre: Bisherigen keine Chance. Max Tog- Margot Blattmann FDP Maria Wyss FDP genburger, der 91 für den verstorbe- Nicht gewählt worden wäre: Plus zwei Nachwahlen nen Willy Schilling gewählt wurde, Irene Bilang-Iten* FORUM konnte 94 als Bisheriger kandidieren. 10 SGA-Bulletin 3/97
weniger davon abhängig, wieviele Sit- Jahre später als Bisheriger die Wahl CVP forever? ze die CVP übriglässt. Fast unmöglich auch im Majorz spielend geschafft. scheint die Verteidigung des FORUM- Damals war noch nichts über seine Ziehen wir Bilanz: In 8 von 11 Ge- Sitzes nicht nur wegen des angekün- Zugehörigkeit zur Universalen Kirche meinden würde das Majorzsystem der digten Rücktrittes von Irene Bilang- bekannt. CVP die absolute Mehrheit entweder Iten, sondern auch wegen des notwen- Dass im Proporz Fehlleistungen in sichern oder wieder zurückgeben. digen absoluten Mehrs, das für das der Amtsführung sich eher auswir- Ausnahme ist Unterägeri, wo der Ma- FORUM ausser Reichweite ist. ken, zeigt 1990 die Abwahl von Peter jorz die absolute Mehrheit der FDP ze- Moll, dessen Personalentscheide die mentiert. Unsicher wären die Konse- Menzingen: frischer Wind dank Proporz Gemeinde einiges an Geld kosteten. quenzen eigentlich nur in der Stadt Der 1994 erst im zweiten Wahl- Zug und in Steinhausen. Sitzverluste Was dem FORUM Oberägeri gang gewählte Karl Obrist musste als der SP sind vorprogrammiert in vier 1990 gelungen ist, nämlich die abso- Folge das Amt des Bauvorstehers ab- Gemeinden und drohen in zwei Ge- luten Mehrheitsverhältnisse zu spren- geben - im Majorz wäre er im ersten meinden. Sitzverluste der alternati- gen, schafften die Freien Wähler 1994 Wahlgang gewählt worden und trotz ven Gruppierung sind fast sicher in zwei Gemeinden, kaum zu halten sind Menzingen Neuheim die Sitze über kurz oder lang in zwei weiteren Gemeinden. Ebenso schwer wiegt aber die Aussicht, in drei weite- Wahlen 1990 Wahlen1990 ren Gemeinden kaum Sitze zurückzu- stille Wahlen (4 CVP, 1 FDP ) Gregor Kupper* CVP gewinnen oder neu zu erobern. Hans Sidler* FDP Majorz bedeutet konkret in einer Wahlen 1994 Karl Obrist* CVP Mehrheit der Gemeinden eine reine Agata Köpfli* CVP Peter Moll CVP CVP/FDP-Zusammensetzung. Im Annemarie Staub* FDP Bruno Deuber FDP schlimmsten Fall bleiben in 5 Jahren Urs Zahner* CVP Nicht gewählt worden wäre: noch zwei oder drei kommunale Re- Josef Christen CVP Daniel Schillig FW gierungen mit alternativer oder SP- Hans Barmet CVP Mitwirkung. Für den Rest gibt es Nicht gewählt worden wären: Wahlen 1994 CVP/FDP-Eintopf. Herbert Zürcher FW Gregor Kupper* CVP Das muss im kurzen, heftigen Ab- SebyElsener FW Daniel Schillig* FW stimmungskampf klar gemacht wer- Anton Keiser CVP den, denn dass eine Mehrheit der Zu- in Menzingen - dank dem Proporz! Karl Obrist* CVP gerInnen diesen Eintopf wirklich will, Im Majorzsystem würde die abso- Theres Arnet FDP mag ich nicht glauben. lute Mehrheit der CVP weiter andau- ern. Gerade in einer Gemeinde wie Interessenkollisionen wohl Bauchef Und die SVP? Menzingen müssten die Neuzuzüge- geblieben. Moll und Obrist engagieren rInnen also ein eminentes Interesse an sich übrigens für den Majorz... Schwierig nachzuvollziehen ist der Verteidigung des Proporzes ha- die unentschiedene Haltung der ben. Das völlig überraschend knappe Stilles Walchwil SVP. Die Analyse der SVP-Resultate Menzinger Ergebnis der Abstimmung in den Gemeinden zeigt klar, dass sie vom 8. Juni weist darauf hin, dass ge- Hier gilt es das Gleiche anzumer- als kleine Partei nämlich derselben nau dieses Bewusstsein dank des nicht ken wie in Unterägeri: Falls sich ir- elektoralen Gesetzmässigkeit unter- weit zurückliegenden Wahlsieges der gendwann einmal eine oppositionelle liegt wie alle anderen kleineren Par- Freien Wähler noch wach ist und vie- Gruppierung in Walchwil bei Wahlen teien. Ohne Proporz hat die SVP in le Neinstimmen mobilisiert hat. zu Wort melden würde, hätte sie nur absehbarer Zeit in keiner einzigen im Proporz eine Chance. Gemeinde die Chance, ins Rathaus Reinigender Proporz in Neuheim einzuziehen, selbst wenn sie stim- menmässig zulegen könnte. Neuheim, ein schönes Beispiel für Walchwil Ob der Traum von der bürgerli- den Bisherigen-Effekt. 1990 unter chen Einheitsliste der Grund ist? Der dem Majorzsystem klar nicht gewählt, Wahlen1990/1994 dürfte im Majorz wohl über kurz oder hätte der Biobauer Daniel Schillig vier stille Wahlen lang zum Alptraum werden. ■ SGA-Bulletin 3/97 11
KIESABBAU Die nächste Abstimmung kommt bestimmt! Ende August bewilligte der Kantonsrat in 1. Lesung den Teilrichtplan Abbau- und Rekultivierungsgebiete 1997. Damit sagte er ja zu zwei umstrittenen Kiesabbaugebieten in der Moränenlandschaft Menzingen-Neuheim. Der folgende Artikel zeigt auf, warum auf eine Erweiterung dieser Abbaugebiete verzichtet werden kann und muss. ben. Selbst die Regierung hegt in der nale Kiesversorgung auf mindestens Reto Hunziker* Vorlage vom 18. März 1997 Zweifel zwei Jahrzehnte hinaus sicherge- und fragt sich, «ob die Erweiterung stellt. Doch für die BefürworterIn- Der Teilrichtplan Abbau- und Re- überhaupt generell oder im vorgese- nen auf der bürgerlichen Seite ist ein kultivierungsgebiete legt für den henen Umfange möglich ist». Vor anderes Argument ausschlagge- Kanton Zug vier Kiesabbaugebiete diesem Hintergrund ist eine Erwei- bend. Falls der Kantonsrat die Ge- fest: Die bestehenden Abbaugebiete terung nicht zu verantworten. biete Bethlehem und Hintertann- Äbnetwald (Cham), Hintertann- Winzenbach aus dem Teilrichtpan Winzenbach (Neuheim) und Bethle- Bedarf nicht ausgewiesen streichen würde, hätte die Firma Ge- hem (Menzingen) sollen erweitert br. Risi AG in wenigen Jahren ein und in Hatwil (Cham) soll ein neues Das Moränenschutzgesetz, das dank Abbaumonopol im Kanton Zug. Wie Abbaugebiet ausgeschieden werden. der 1988 von den Zuger Stimmbür- unangenehm dies auch sein mag, Unbestritten ist nur das Gebiet Äb- gerInnen angenommenen Moränen- doch die Verhinderung eines Kies- netwald. schutzinitiative in Kraft trat, hält abbaumonopols ist kein überwie- fest, dass nur bei Vorliegen eines gendes öffentliches Interesse im Sin- Landschafts- und Gewässerschutz «überwiegenden öffentlichen Inter- ne des Moränenschutzgesetzes. spricht gegen Kiesabbau esses» der Kantonsrat eine Ausnah- Auch das Bundesgericht bewertete mebewilligung für einen weiteren den Landschaftsschutz höher als die Die Abbaugebiete Hintertann-Win- Kiesabbau in der Moränenland- Abbaupläne der Sand AG. zenbach und Bethlehem befinden schaft Menzingen-Neuheim erteilen Hält der Kantonsrat in zweiter Le- sich in einer Landschaft von natio- darf. Im Klartext heisst das, dass nur sung an seinem Entscheid fest, ist das naler Bedeutung (BLN), in der im Falle eines «Kiesnotstandes» eine Referendum der Umweltorganisatio- Moränenlandschaft Menzingen- Ausnahmebewilligung gerechtfer- nen (Pro Natura Zug, WWF Zug, Zu- Neuheim. Sie ist eine voralpine tigt wäre. Doch von einem Kiesnot- ger Heimatschutz, Stiftung naturna- Flusslandschaft von «ursprüngli- stand kann keine Rede sein; auch oh- hes Zugerland) so gut wie sicher.■ cher Schönheit» und gilt als die ne einen weiteren Kiesabbau in der «grossartigste Moränenlandschaft Moränenlandschaft bleibt die regio- *Reto Hunziker WWF-Regionalkoordinator der Schweiz» (aus: BLN-Inventar- beschreibung Objektblatt Nr. 1307). Durch die geplanten Erwei- terungen würde es zu einer weiteren Beeinträchtigung dieser einmaligen Moränenlandschaft kommen. Ein Abbau könnte die Grundwasservor- kommen und damit die Wasserver- sorgung für die Zuger und Zürcher Bevölkerung beeinträchtigen. Ins- besondere das Gebiet Bethlehem ist für den Kanton Zug von grosser Be- deutung, da gleich unterhalb von Bethlehem die Wasserwerke Zug Von einem Kiesnotstand kann keine Rede sein (WWZ) eine Quellfassung betrei- Bild R. Hunziker 12 SGA-Bulletin 3/97
REFERENDUM «Lädele» ist nicht Einkaufen! «Zwe Obigverchäuf ond am Samschtig bes am siebni - Jessesnei, wie söll so öppis räntiere!» «D'Chunde schnöiggid nur e chli länger, aber chaufe tönd's ned meh.» «Am liebschte würd ech au i mim Metalli-Lade scho am Vieri zuotue, aber d'Migros zwengt öis, am Samschtig bes am Föifi offezha.» «Wo find ech dänn no qualifizierts Personal, wenn's am Samschtig erscht am halbi Achti heichunnt? Säged Sie mer, we do s'Familieläbe no sell fonktioniere!» Das Volk kann am 23. Nov. zu Grossverteiler wären Gewinner Toni Kleimann* den Ladenöffnungszeiten Stellung nehmen. Ich erhoffe mir nebst der Viele kleine Geschäfte könnten es So oder ähnlich tönte es auf mei- Diskussion um die Liberalisierung sich aus wirtschaftlichen und perso- ner Runde durch die Detailläden. eine starke Sensibilisierung für die nellen Gründen gar nicht leisten, ih- Mindestens 90% der direkt betroffe- Anliegen der kleineren Geschäfte. re Geschäfte länger offen zu halten. nen Inhaber und ihrer Angestellten Daneben wird es möglich, coram pu- Dieses Abseitsstehen erbrächte für rissen sich um die Unterschriftenbo- blico die Arbeitsbedingungen der sie einen weiteren Konkurrenznach- gen des Referendums gegen unsinnig Verkäuferinnen und Verkäufer zu teil. Die unmittelbaren Profiteure ei- lange Ladenöffnungszeiten auf Ko- thematisieren. Wer weiss, vielleicht ner Ausweitung der Ladenöffnungs- sten von Verkaufspersonal und De- wird dieser Abstimmungskampf zum zeiten wären die Grossverteiler Mi- tailhandel. Je länger ich unterwegs Beginn einer sich organisierenden gros, Coop, Manor, EPA u.a. Eine war, um so mehr fragte ich mich, wie Bewegung der direkt betroffenen Umsatzsteigerung dieser 'Grossen' die Geschäftsführerin des Gewerbe- VerkäuferInnen. im Verkaufskonzert ginge mit abso- verbandes des Kantons Zug, Kan- luter Sicherheit wieder einmal mehr tonsrätin Andrea Hodel (FdP), der zu Lasten der kleineren Geschäfte. Idee verfallen konnte, mittels Motion Und gerade für diese kleinen Ge- die Ladenöffnungszeiten liberalisie- schäfte gilt es einzustehen. Sie garan- ren zu wollen. Ihr Anliegen steht etwa tieren die Versorgung auch draussen gleich schräg in der Landschaft, wie in den Dörfern, bieten Arbeits- und wenn der Gewerkschaftsbund des Ausbildungsplätze. Kantons Zug für seine Mitglieder län- Nicht selten wurden gerade in gere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn letzter Zeit bei den bürgerlichen Par- verlangen würde. teien Thesen zur Stärkung der «Klei- nen und mittleren Unternehmen Volk kann Stellung nehmen (KMU)» entwickelt. Ich frage mich ernsthaft, wie ehrlich solche Arbeits- Unsere anfängliche Skepsis, papiere oder Lippenbekenntnisse ge- während der Sommerferienzeit die meint sind, wenn die praktische Poli- nötige Anzahl Unterschriften zu tik im bürgerlich dominierten Kan- sammeln, erwies sich bei weitem als tonsrat das pure Gegenteil bewirkt. unbegründet. Der Mut wurde mit ca. 3'000 Unterschriften belohnt. Das Angst grosse Engagement vieler Detailli- sten, allen voran die Drogerie Dahin- Schockiert war ich von Reaktio- den in Rotkreuz, die Papeterie Seeli- nen einiger Verkäuferinnen bei ger im Herti Zug und die Käserei Du- Grossverteilern. Bei der Konfrontati- bach in der Neustadtpassage, war für on mit dem Referendumsanliegen diesen Erfolg Voraussetzung. Aber wich die anfänglich spontane Be- auch den Gewerkschaftern um Nick KundInnen wollt Ihr ewig shop- geisterung einem erschreckten 'Um- Limacher und um Bruno Bollinger pen? sich-blicken'. Mit Angst in der Stim- gehört ein spezieller Dank. Bild B. Weiss me wurde ich gebeten, mich von ihnen SGA-Bulletin 3/97 13
ZUKUNFT «Grossstadt» Baar, Zug, Cham und Steinhausen? Reto Nussbaumer hat es in der Neuen ZZ vom 17. Mai 97 auf den Punkt gebracht: «Im ganzen Kanton gibt es gemeind- licheNahtstellen:beispielsweiseliegtdas Arbachgebiet, wel- ches neu überbaut wird, auf Baarer Boden, die Zubringer- strassen jedoch auf Zuger Boden. Genauso sind die neuen Büro- und Geschäftshäuser inderBaarermatte Baarer Gemein- degebiet, die Verkehrserschliessung liegt aber momentan zu einem guten Teil in Zuger Hand, hier wurde verpasst, genü- gend früh die vorher schon bekannten Probleme zu lösen.» zu entfernen. Der bisher unsichtbare Jean-Baptiste Huber das Jahr 2020 bestellt. Die Studie Chef schien in Orwellscher Grösse stellte drei Szenarien mit unter- hinter jedem Regal aufzutauchen. schiedlicher Entwicklung (Stagnati- Ich empfand Verständnis für diese Cham und Steinhausen sind im on, gemässigtes Wachstum, Expan- Angst, und trotzdem machte mich Industrie- und Gewerbegebiet zwi- sion) dar. Der Regierungsrat hat be- die mangelnde Zivilcourage traurig. schen dem Einkaufszentrum «Zu- schlossen, der weiteren Planung im Einmal mehr wurde mir schmerzlich gerland» und der Kreuzung Alpen- Kanton Zug das Szenario «gemäs- bewusst, dass sehr oft Mutlosigkeit blick bereits zusammengewachsen. sigtes Wachstum» zugrunde zu le- gesellschaftliche Fehlentwicklungen Zug und Steinhausen berühren sich gen. Dieses erwartet eine Erhöhung erst ermöglicht. im Gebiet Ammannsmatt, während der Einwohnerzahl von 90'200 sich gleichzeitig die Industriegebiete (1994) auf 99'300 im Jahr 2020. Welche Bedürfnisse? Sumpfstrasse (Zug), Kollermühle (Zug/Cham) und Hinterbergstrasse Geplante Grossstadt... Je länger ich mich mit dem Anlie- (Cham/Steinhausen) einander gen längerer Ladenöffnungszeiten annähern. In der Vergangenheit ist Gestützt auf dieses Szenario um- auseinandersetze, desto mehr habe die Entwicklung dabei im Regelfall schreibt der verantwortliche Raum- ich den Verdacht, mich mit einem nicht langsam und kontinuierlich, planer, Andres Nydegger, in einem 'unechten Bedürfnis' konfrontiert zu sondern schubweise und nur be- Interview mit Reto Nussbaumer die sehen. Natürlich wird es einige schränkt kontrolliert verlaufen. Ein raumplanerischen Vorstellungen KundInnen geben, die von amerika- sichtbares Beispiel dafür ist das In- der kantonalen Baudirektion wie nischen Grossstadt-Verhältnissen dustrie- und Gewerbegebiet Hinter- folgt: «Die weitere Zunahme der Ar- träumen und das 'Rund-um-die- bergstrasse zwischen dem Einkaufs- beitsplätze und der Wohnbevölke- Uhr-Einkaufen'schätzen. Das mu- zentrum «Zugerland» und der Kreu- rung wird das optische Erschei- seumsähnliche Flanieren von Schau- zung Alpenblick, das sich nach all- nungsbild der Siedlungen verän- fenster zu Schaufenster, von der mählicher Bebauung im Laufe der dern. Wie stark diese Veränderun- Latzhose zum Deux - Pièces und 80er Jahre explosionsartig ausdehn- gen ausfallen werden, hängt unter wieder zurück mag auch an zwei te und verdichtete. Jüngstes Beispiel anderem davon ab, ob es gelingt, das Abenden pro Woche einen gewissen ist die Entwicklung entlang der Baa- Ziel der haushälterischen Bodennut- Reiz haben. Aber wenn dadurch die rer- bzw. Zugerstrasse zwischen Zug zungen (z.B. durch die Erneuerung Lebensqualität des Verkaufsperso- und Baar. Die SGA-Gemeinderätin des Landis & Gyr-Areals) konse- nals eingeschränkt und die Existenz Ivana Calovic hat für die stürmische quent umzusetzen beziehungsweise der kleineren Läden bedroht wird, und nur beschränkt geplante Ent- die konsequente Trennung von Bau- dann wird der so geforderte Kun- wicklung in diesem Gebiet den Be- gebiet und Nichtbaugebiet und die denservice relativiert. griff «Las Vegas» geprägt. traditionelle Zuger Siedlungsstruk- Soviel Solidarität mit dem Ver- tur aufrechtzuerhalten. Beispiels- kaufspersonal muss sein. Deshalb 100'000 Einwohner? weise dadurch, dass das Zusammen- sagen wir Nein zu den vorgeschlage- wachsen der traditionellen Siedlun- nen neuen Ladenöffnungszeiten. ■ Zur Abschätzung der künftigen gen durch die Festlegung von soge- Entwicklung des Kantons Zug hat nannten Siedlungstrennräumen im *Mitinitiant des Referendums gegen die Baudirektion 1995 eine Einwoh- kantonalen Richtplan verhindert längere Ladenöffnungszeiten ner- und Arbeitsplatzprognose für wird.» (Neue ZZ vom 17.Mai 1997). 14 SGA-Bulletin 3/97
ZUKUNFT Zentral und zweifellos richtig an zieht, ist eine künstliche Verknap- meinden im Kanton Zug. Die Ergeb- diesem Konzept ist, dass es auf ei- pung des Raumangebots in diesen nisse einer derartigen Entwicklung nem klaren Grundsatzentscheid ba- vier Gemeinden. Dies führt schon lassen sich im Bösch in Hünenberg siert - nämlich die traditionellen Zu- heute (zusammen mit weiteren Fak- und am Ortseingang Rotkreuz be- ger Siedlungsstrukturen zu erhalten toren) dazu, dass sich die Bautätig- sichtigen. Bezogen auf den ganzen und das Zusammenwachsen der keit schwergewichtig in die Gemein- Kanton Zug begünstigt diese Politik Siedlungen zu verhindern. den Rotkreuz und Hünenberg verla- deshalb eine Zersiedelung, die dem Inhaltlich halte ich den getroffe- gert, in denen neue Wohngebiete raumplanerischen Gebot des haus- nen Entscheid allerdings für falsch. und infrastrukturarme Industrie-, hälterischen Umgangs mit dem Bo- Er beruht auf einer zu engen Ausle- Gewerbe- und Dienstleistungsgebie- den gerade widerspricht. gung des Begriffs der haushälteri- te entstehen. Letztere ziehen schon schen Nutzung des Bodens, wie ihn aufgrund ihrer Lage und schlechten Frühzeitige Diskussion das eidgenössische Raumplanungs- Erschliessung durch öffentlichen gesetz verlangt. Bereits heute sind Verkehr vor allem Autopendler an. Für einen haushälterischen Um- die Siedlungsränder der Gemeinden gang mit dem Boden (und weiteren Baar, Zug, Cham und Steinhausen ...statt Zersiedelung Ressourcen wie der Luft etc.) ist es weitgehend zerfleddert und zumin- deshalb notwendig, die Gemeinden dest die Industrie- bzw. Gewerbege- Der - vordergründig - haushälte- Baar, Zug, Cham und Steinhausen biete dieser Gemeinden berühren rische Umgang mit dem Boden kontrolliert und geplant zu einer sich. Für eine wirkungsvolle Sied- durch eine auf die Erhaltung der tra- grösseren Stadt zusammenwachsen lungsbegrenzung zwischen diesen ditionellen Siedlungsgrenzen der zu lassen. Bereits wohnen 60'000 Gemeinden ist es deshalb zu spät. Gemeinden Baar, Zug, Cham und der 93'000 EinwohnerInnen des Die einzige - negative - Auswirkung Steinhausen gerichtete Politik be- Kantons Zug in diesen vier Gemein- einer Siedlungsbegrenzung, die sich wirkt deshalb längerfristig eine wu- den. Vereinigen wir diese Gemein- auf die einzelnen Gemeinden Baar, chernde Vergrösserung aller - auch den zu einer gegen aussen scharf be- Zug, Cham und Steinhausen be- der bislang eher ländlichen - Ge- grenzten Stadt und lenken den künf- tigen Zuwachs an Arbeitsplätzen Steinhausen und EinwohnerInnen gezielt in die- ses Gebiet, so schaffen wir ein - auch wirtschaftlich - attraktives urbanes Baar Zentrum mit kurzen Verkehrswegen und verhindern eine weitere gleich- mässige Zersiedelung des gesamten Kantonsgebiets. Fällen wir diesen Cham Entscheid heute, so steht noch genü- gend Land und Zeit zur Verfügung, um eine sinnvolle Zonenplanung festzulegen, grosszügige Grün- flächen auch im Stadtinnern auszu- scheiden und die öffentlichen Ver- Zug kehrsverbindungen (Bus, Stadt- Zugersee bahn) optimal festzulegen. Auch wer sich nicht für die «Grossstadt» Zug erwärmen kann: Wichtig ist, dass wir die grundsätzli- che Frage, wie die weitere Entwick- lung verlaufen soll, unter allen alter- nativen Gruppierungen im Kanton Zug frühzeitig, d.h. noch vor der be- vorstehenden Revision des kantona- Die Agglomeration Zug 1948 (Dunkelgrau) und 1997 (Hellgrau) len Richtplans, diskutieren. ■ Plan R. Nussbaumer SGA-Bulletin 3/97 15
10 JAH RE IG BIO Schweiz als Bioland? Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Interessengemeinschaft für eine biologische Zuger Landwirtschaft haben wir ein Gespräch geführt mit Hanni Frey, 60, Primarlehrerin, Finstersee, Naturschützerin, ehemaliges Vorstandsmitglied WWF Zug, Vorstandsmitglied IG Bio, und mirt Toni Niederberger, 36, Biobauer, Zug, Präsident der Zuger Biobauern, Gründungsmitglied der IG Bio, Vorstandsmitglied der VSBLO (Vereinigung schweizerischer biologischer Landbau-Organisationen) lende Mitglieder haben wir in der IG Ausland mehr Aufsehen erregt und Natalie Chiodi und Bio heute ca. 150. Wir sind und blei- mehr bewirkt als im Kanton Zug. Martin Stuber* ben eine kleine Gruppierung. Toni Niederberger: Heute - 10 Jahre später - hat die Praxis die Um- Bulletin: Wie habt ihr in der IG Bulletin: Richtig bekannt ge- stellungsstudie eigentlich eingeholt. Bio den runden Geburtstag gefeiert? worden ist die IG Bio aber mit der Im Kanton Graubünden z.B. hat das Hanni Frey: Wir haben eine GV Umstellungsstudie? ganze Hinterrheintal auf biologische ohne Referat abgehalten und an- Landwirtschaft umgestellt. Insoweit schliessend allen Anwesenden ein hat man heute auch den Praxisbe- Essen mit Zuger Bioprodukten offe- weis dafür, dass diese Studie seriös rieren können... war. Toni Niederberger:...dazu gab es einen Presserückblick, den Dani Bulletin: Wie hatte die Bevölke- Brunner gehalten hat. rung auf die Gründung der IG Bio reagiert? Bulletin: Wie ist es zur Entste- Toni Niederberger: Weil die hung der IG Bio gekommen? Mitglieder mehrheitlich aus der um- Hanni Frey: Den Anstoss gege- weltbewegten Szene, WWF und SGA ben hat das Grossprojekt «Zugersee- stammten, wurde die IG Bio schnell Sanierung» der Zuger Baudirektion, ins links-grüne Spektrum abgescho- bei dem mit zwei Stollen der Zuger- ben. Es ging relativ lange, bis sie aus see mit Wasser des Vierwaldstätter- dieser Ecke herausgekommen ist. sees hätte durchspült werden sollen. Und da die Mehrheit der Bäuerinnen Toni Niederberger: Denn diese und Bauern konservativ-liberal ein- «Zugersee-Sanierung» hätte an den «Mich ärgert (...) die Politik der gestellt ist, erstaunt es nicht, dass die Ursachen nichts geändert. Die Haus- Migros.» Bild Bulletin grosse Mehrheit sich nichts sagen haltsabwässer waren zu diesem Zeit- oder erklären lassen wollte von Grü- punkt schon fast alle gefasst und nen. deshalb war es klar, dass die Über- Hanni Frey: Ja, zwei Agrono- Hanni Frey: Dabei geht es auch düngung zum grossen Teil aus der men erstellten sie, indem sie um Machterhaltung. Man wollte die Landwirtschaft kommen musste. während fast einem Jahr landwirt- vielen Vorteile, die man im alten Sy- Mit der Überzeugung, dass man mit schaftliche Betriebe abklapperten, stem hatte, nicht einfach so aufge- dem biologischen Landbau den begutachteten und abklärten, ob es ben. Aber was noch schmerzlicher Nährstoffeintrag in den See in den überhaupt machbar wäre, den war, dass auch die Biobauern keine Griff bekommen kann, wurde im ganzen Kanton auf biologischen grosse Freude an der Arbeit der IG Frühling 1987 die IG Bio mit ca. 40 Landbau umzustellen. Und die Stu- Bio hatten. Als ich feststellen muss- Mitgliedern gegründet. die besagte dann auch klar, dass drei te, dass auch die Biobauern sich von Viertel aller Bauern im Kanton Zug uns distanzierten, war ich zeitweise Bulletin: Wie hat sich die Mit- ohne übermässig grossen Aufwand nahe daran, meine Arbeit bei der IG gliederzahl seither entwickelt? umstellen könnten, vor allem im Bio aufzugeben. Hanni Frey: Der Rundbrief wird Berggebiet. Leider hat die Studie in Toni Niederberger: Es ging halt an ca. 500 Personen verschickt, zah- der ganzen Schweiz und sogar im einfach sehr lange, bis man sachlich 16 SGA-Bulletin3/97
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