Rückblick Fußball WM = ATC WM Info und Ergebnisse Schlichtungsverfahren ATC International Die FAB-Konferenz

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Rückblick Fußball WM = ATC WM Info und Ergebnisse Schlichtungsverfahren ATC International Die FAB-Konferenz
4/2006

Rückblick
Fußball WM = ATC WM

Info und Ergebnisse
Schlichtungsverfahren
                               ATC International
                              Die FAB-Konferenz
Praxis
Turn left right now

Incidents
Ein ganz „normaler“ Notfall
                                             AI t
                                                 ?
                                           OS s is
                                               C“
                                         „M Wa
Inhalt

                                                         Editorial von Klaus Berchtold-Nicholls
                                                         Kapitalprivatisierung und Single European Sky –
                                                         keine Sommerpause in Sicht! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                     4
                                                         Bericht aus dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                      6
                                                         Die Ehemaligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              8
                                                         ATC+ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    8
                                                         Tarif
                                                         Die neuen Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . .                       9
                                                         Recht
                                                         10 FAQ’s zur Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             12
                                                         Steuervorteile bei Unterhaltszahlung nutzen . . . . . . . . .                          13
                                                         Das Arbeitszeugnis – es kommt auf Kleinigkeiten an . . .                               14

Fußball-WM = ATC-WM                           ab S. 19   Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      14
                                                         ATC International
                                                         Was ist MOSAIC? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .          15
                                                         FAB-Conference in Rom, Bericht zur italienischen
                                                         Federazione Italiana Transporti-CISL . . . . . . . . . . . . . . .                     30
                                                         Intern
                                                         Es geht nicht um die Wurst.
                                                         Wozu eigentlich Kapitalprivatisierung? . . . . . . . . . . . . .                       16
                                                         TUFKAR – Eine 500-Tage Bilanz nach dem Umzug
                                                         der Berliner ins Badener Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                  32
                                                         Schlechtes Klima – Neues aus der ÖMV Rhein-Main . .                                    34
                                                         Fußball WM
                                                         Fußball ist unser Leben,
                                                         König Fußball regiert die Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                 19
                                                         Berliner Luft – gesättigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            21
                                                         Wieder ‘mal Tempelhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              24
                                                         Denn fang’ wa mal jleich an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                26
                                                         Technik
                                                         Fußball-WM und die DLR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                 28
Ein ganz „normaler“ Notfall?                    S. 42    FOGS – oder Wie aus dem Versuch einer
                                                         Entlastung eine Belastung wurde . . . . . . . . . . . . . . . . .                      35
                                                         Drohungen ja – Verhandlungsbereitschaft nein . . . . . .                               37
                                                         Cluster-Frust in der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .               38
                                                         Joes Corner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        39
                                                         Gegendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .               40
                                                         Safety
                                                         Die Englische Sprache: Ein Sicherheitsaspekt! . . . . . . .                            41
                                                         Incidents
                                                         Ein ganz „normaler“ Notfall? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .               42
                                                         Reportage
                                                         Kanada:
                                                         Sechshundertfünfzig Meter Anlauf bis zum Himmel . . .                                  46
                                                         Alltag
                                                         Turn left right now . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        48
                                                         Historie
In Long Beach gehen die Lichter aus             S. 52    Wegweiser des Luftverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                 50
                                                         In Long Beach gehen die Lichter aus . . . . . . . . . . . . . . .                      52
                                                         Leserbrief
                                                         Hypokritischer Eid oder: VAFORIT wird verschoben . . . .                               74
                                                         Döntjes
                                                         A propos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   77
                                                         Airlines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   55
                                                         Airplanes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      58
                                                         Airports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     60
                                                         Short Final . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      68
                                                         Für Sie gelesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .          72
                                                         Bücherboard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .          73
                                                         Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        73
Fliegender Wechsel beim DLR in Braunschweig     S. 58    Last Call . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    78
                                                         Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        78

                                                                                                                                                     3   der flugleiter 2006/04
GDF-Vorstand

                             GdF endgültig anerkannt
                             Auch die vergangenen acht Wochen, die seit dem Erscheinen
                             des letzten „flugleiter“ vergangen sind, waren für den Bun-
                             desvorstand der GdF wieder mit einer Vielzahl von Terminen        nationale Alternativ-Projekt zu unterstützen
                             und Entscheidungen gefüllt, die, aufgrund ihrer Dringlichkeit     und weiter voran zu treiben. Dies zumindest
                             oder ihrer grundsätzlichen Bedeutung keinerlei Aufschub           ergab ein ganztägiges Treffen der Spitzen-
                             duldeten.                                                         vertreter aller drei Vorstände zu diesem
                                                                                               Thema. Auf zwei Treffen der Mosaic-Gruppe,
             von             Dies führte sogar dazu, daß die in diesem Zeitraum       die außerdem aus den Flugsicherungsgewerkschaften
          Marek              erfolgte, endgültige Anerkennung der GdF als Ge-         Frankreichs, der Niederlande, Italiens, der Schweiz,
        Kluzniak             werkschaft, eher beiläufig und schon beinahe wie         Belgiens sowie der Kollegen von Eurocontrol besteht,
                             selbstverständlich zur Kenntnis genommen wurde.          wurden die Ergebnisse der GdF-internen Beratungen
                             Wer hätte dies wohl vor zwei Jahren oder selbst noch     vorgestellt und letztlich allseits akzeptiert.
                             vor einem Jahr gedacht? Damals wurde diese, mitt-
                             lerweile feststehende, Tatsache noch erbittert und       Tarifarbeit
                             vehement bestritten. Erneut ist die Auffassung der       Ein weiterer, bereits sehr viel konkreterer Schwerpunkt
                             GdF bestätigt worden, wieder hatten weder der Vor-       der Vorstandsarbeit war natürlich die Tarifarbeit, bei
                             stand noch unsere juristischen Berater im Vorfeld        der gleich vier Themen gleichzeitig zu verhandeln
                             Zweifel an dieser Entwicklung, zum wiederholten          waren. Neben den beiden, mittlerweile aus Sicht des
                             Male haben unsere Gegner mit ihren Argumenten            GdF-Vorstandes ganz hervorragend abgeschlossenen
                             kein Gehör und erst recht kein Verständnis gefunden.     Schlichtungen zu den Themen „Kastner“ und „Alters-
                             Was in weniger bewegten Zeiten sicherlich mit der ei-    versorgung“, war vor allem der geplante Tarifvertrag
                             nen oder anderen Flaschen Champagner gebührend           zum Thema „Rationalisierungsschutz“ ein Schwer-
                             gefeiert worden wäre, wurde aufgrund der anstehen-       punkt der vergangenen Wochen. Um mögliche schäd-
                             den Arbeit lediglich in einer nüchternen Info an die     liche Folgen des geplanten Verkaufs der Flugsicherung
                             Mitglieder bekannt gegeben. Trotzdem bin ich mir         an private Investoren, sowohl bezüglich der Sicher-
                             sicher, daß jeder, der an der Gründungszeit der GdF      heit des Luftverkehrs wie auch der sozialen Folgen für
                             engagiert oder interessiert teilgenommen hat, sich in    die Mitarbeiter abzumildern, ist unsere Tarifabteilung
                             ein paar Jahren gerne an die aufregende, anstrengen-     darum bemüht, einen entsprechend weit reichenden
                             de aber letztlich doch vor allem sehr erfolgreiche       Tarifvertrag abzuschließen. Die ersten Termine mit der
                             Gründungsphase unserer jungen Gewerkschaft zurück        DFS haben jedoch bereits gezeigt, wie weit die Vor-
                             erinnern wird. Diese Phase ist nun vorbei, jetzt heißt   stellungen der beiden Parteien voneinander entfernt
                             es mit voller Kraft den eingeschlagenen Weg fortzu-      sind. Es wird ein Stück extrem harter Arbeit sein, diese
                             setzen und in diesem so entscheidenden Moment für        diametral entgegen gesetzten Positionen friedlich mit-
                             die Zukunft der Flugsicherung - in Europa genauso wie    einander zu vereinen. Und schließlich gab es auch noch
                             in Deutschland - darauf zu achten, daß nicht Techno-     mehrere Treffen mit den Arbeitnehmervertretern un-
                             kraten, Politiker oder Manager mit ihren sachfremden     serer „jüngsten“ Mitglieder, nämlich der Kollegen der
                             Überlegungen dafür sorgen, daß es bald nur noch          Vorfeldkontrollen in Frankfurt und München. Auch
                             eine „Flugsicherung Light“ gibt.                         diese Auftaktveranstaltungen gaben nicht gerade
                                                                                      Anlass zur Hoffnung, daß man sich respektvoll, wie
                             Das Mosaic-Projekt                                       unter vernünftigen Menschen üblich, auf gangbare
                             Eine möglicherweise entscheidende Rolle könnte hier-     Wege verständigen können wird. Die hierbei insbe-
                             bei das Projekt „Mosaic“ spielen, das in den vergan-     sondere von den Vertretern der FRAPORT gezeigte
                             genen Monaten eine fulminante Anlaufphase hatte und      Borniertheit und Arroganz im Auftreten, gepaart mit
                             nun dabei ist, von einem bloßen Hirngespinst, einer      schlechtem Stil, lassen jedenfalls zum jetzigen Zeit-
                             anfangs vielleicht sogar naiven Träumerei von einer      punkt, eine einvernehmliche Lösung relativ unwahr-
                             perfekten Flugsicherung in Europa, zu einem detail-      scheinlich erscheinen.
                             lierten und konkreten Zukunftskonzept zu werden.         Die jeweiligen Details, so sie denn bereits veröffentlicht
                             „Mosaic“ kann eine echte Alternative zu den Konkur-      werden können, sind den entsprechenden Tarifinfos
                             renzgelüsten und Großmachtsphantasien einiger            zu entnehmen. Allein der bloßen Anzahl an Themen
                             Flugsicherungschefs darstellen. Was es mit diesem        kann entnommen werden, welch riesige Aufgabe von
                             Projekt en detail auf sich hat, wird an anderer Stelle   unseren Tarifverantwortlichen in den vergangenen
                             in diesem Heft vorgestellt werden. Der Vorstand der      Wochen und Monaten geschultert wurde und immer
                             GdF hat sich jedenfalls zusammen mit den Vorständen      noch wird. In Anbetracht des bisher Erreichten soll je-
                             der beiden Fachbereiche FSBD und FSTD nach aus-          doch an dieser Stelle die Gelegenheit wahrgenommen
                             führlicher Diskussion dafür entschieden, dieses inter-   werden, der Tarif- sowie der Verhandlungskommission

der flugleiter 2006/04   6
GDF-Vorstand

auch im Namen des Vorstandes für ihr großartiges        schaftskritische Wirtschaftspresse verwundert fest,
Engagement zu danken. Die bisherigen Ergebnisse         wie trefflich die GdF bereits vor Monaten all diese
können sich wahrlich sehen lassen und machen Mut        Probleme vorhergesagt hat, und wie genau diese
für die Zukunft.                                        Prognosen nun eintreffen. Diese präzisen Analysen,
                                                        gepaart mit unserer undogmatischen und praxisori-
Privatisierung gerät ins Stocken                        entierten Haltung zu all diesen Fragen hat uns zumin-
Wie ein Damokles-Schwert schwebte natürlich auch        dest auf Seiten der Presse einen noch besseren Ruf
in den vergangenen Wochen der drohende Verkauf          beschert, als dies in der Vergangenheit bereits der
der Deutschen Flugsicherung an private Investoren       Fall war. Wenn sich eine derartige Erkenntnis nun
über allen in diesem Bereich tätigen Angestellten und   noch bei den Verantwortlichen in der Politik einstel-
beschäftigte selbstverständlich auch den Vorstand der   len würde, könnten wir den Privatisierungsgelüsten
GdF in höchstem Maße. Mit einer gewissen Genug-         der selbsternannten „Flugsicherungsexperten“ rela-
tuung konnten wir dabei beobachten, daß die Be-         tiv gelassen entgegen sehen.
mühungen um den Verkauf zumindest in ein sehr
raues Fahrwasser gekommen sind, wenn nicht sogar        Allein die bisher stets gezeigte Unfähigkeit der politi-
momentan gerade stocken. Vieles, was die GdF be-        schen Klasse zur Selbstkritik lässt in diesem Punkt je-
reits im Vorfeld prophezeit hatte, wie z.B. die         doch leider relativ wenig Hoffnung aufkommen.
Deckungslücke bei den Rückstellungen für die Al-
tersversorgung in Höhe von 780 Millionen Euro oder      Allein anhand der Länge dieses Tätigkeitsberichts
aber die verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich      über die vergangenen acht Wochen ist zu ersehen,
der hoheitlichen Aufgaben der Flugsicherung, haben      wie viele Aufgaben momentan von den Verantwortli-
sich bewahrheitet. Das Zögern des Bundespräsiden-       chen der GdF gleichzeitig zu bewältigen sind. Dabei
ten, das vom Bundestag beschlossene FS-Gesetz zu        sind hier lediglich die wichtigsten und einschneidend-
unterzeichnen, sowie das Urteil des Landgerichts        sten Ereignisse genannt worden. Viele kleinere
Konstanz zum Thema Staatshaftung für das Unglück        Themen finden an dieser Stelle gar keine Erwähnung.
von Überlingen und die darin enthaltenen Passagen       Einige Ziele wurden mittlerweile erreicht, viele Themen
zum Thema „hoheitliche Aufgabe Flugsicherung“ be-       liegen aber derzeit noch vor uns. Wir werden sie en-
stätigen den Vorstand in seiner Haltung und zeigen      gagiert und entschlossen angehen, denn wir wollen
uns, daß wir anscheinend nicht die einzigen sind, die   selber über unser Schicksal mitentscheiden können.
diese Fragen derart kritisch betrachten. Wenn dann      Dies setzt ein gehöriges Maß an Selbstdisziplin,
noch das Konsortium aus Fluggesellschaften und          Durchsetzungswillen und Verantwortung voraus. Wir
Flughäfen sich damit schwer tut, das benötigte Geld     möchten uns an dieser Stelle jedenfalls auch bei un-
zum Erwerb der DFS zusammen zu bekommen und             seren Mitgliedern für die bisher gezeigte Unterstüt-
gleichzeitig die Politik der Nötigung bezichtigt und    zung bedanken und hoffen, daß wir mit ihrer Hilfe
für die schlechte Vorbereitung der Privatisierung ta-   auch zukünftig das in uns gesetzte Vertrauen recht-
delt, stellt selbst die traditionell eher gewerk-       fertigen können.

                                                                                    Quelle: FAZ

                                                                                                                   7   der flugleiter 2006/04
ATC International

Was ist MOSAIC?
Im Editorial der letzten Ausgabe des flugleiter haben wir be-
reits angeschnitten, dass sich die GdF, zusammen mit den
Gewerkschaften und Berufsverbänden aus den Beneluxlän-
dern, Frankreich, Italien und der Schweiz, mit einer alternati-
ven Initiative zu den Projekten der Air Navigation Service
Provider (ANSPs) der einzelnen Länder beschäftigt.

Das Projekt MOSAIC existiert seit Ende 2005 und wurde    Wo liegen also die eigentlichen Unterschiede zwi-              von
ins Leben gerufen, nachdem die Abstimmung der            schen den Planungen einzelner Staatengruppen zu                Klaus
vom FAB Central betroffenen Verbände in mehreren         verschiedenen FABs und der MOSAIC zu Grunde lie-               Berchtold-
Meetings etabliert worden war.                           genden Idee?                                                   Nicholls,

Die Gewerkschaften der vier Länder (D, B, L, NL) be-     Wettbewerb oder Kooperation?
schlossen, zusammen mit der französischen Fluglot-       Der FAB Central (ursprünglich eine Initiative der DFS)
sengewerkschaft SNCTA an einer Alternative zu ei-        fußt ebenso wie der FAB Alps (F-CH) oder der FAB
nem FAB zu arbeiten, der vor allem von einem zukünf-     Ireland-UK und andere auf der Interpretation von
tig privatisierten ANSP, der DFS, voran getriebenen      SES, dass es in Zukunft einen Wettbewerb zwischen
wurde. Kernziel von MOSAIC ist es, die Flugsicherung     verschiedenen Gruppen von ANSPs geben wird (und
in allen beteiligten Ländern in staatlichem Besitz und   soll), die wiederum in sich Kooperationen eingehen,
staatlicher Verantwortung zu belassen und dabei          um die notwendige Größe und Wettbewerbsposition
gleichzeitig einen großen Schritt (in Form eines         zu erlangen. Die anfänglichen Harmonisierungsbe-
großen Functional Airspace Block/FAB) in Richtung        strebungen und die nachfolgende Konsolidierung
Umsetzung von Single European Sky (SES) zu machen.       (jeweils innerhalb der FABs) können sich in zwei ver-
Fernziel ist es, eine gemeinsame europäische Flug-       schiedenen Formen fortsetzen: entweder 1. weiterge-
sicherung zu etablieren, nicht viel anders, als es die   hende Kooperation und Konsolidierung zwischen den
einstmalige Zielsetzung von Eurocontrol in den späten    FAB-Gruppen untereinander oder 2. Ausschaltung der
60er Jahren war.                                         Wettbewerber und Übernahme von deren Geschäft
                                                         durch die Benennung der betroffenen Staaten auf
Die Organisationsform sollte so weit offen bleiben,      Grund des besseren Angebots für die „Bewirtschaf-
dass man alle derzeitigen ANSPs mit einbeziehen          tung“ von deren Luftraum.
kann. Innerhalb der Projektgruppe kam es bereits
des Öfteren zu heftigen Diskussionen, da sich eine der   Diese Variante basiert auf mehreren Annahmen: der
Gewerkschaften bisher als Ziel (und Alternative zur      Markt wird automatisch für den nötigen Konsolidie-
Privatisierung) nur eine Behörde nach europäischem       rungsdruck sorgen und die dann in allen europäischen
Recht vorstellen konnte. Die GdF und andere drängen      Staaten eingerichteten Aufsichtsbehörden sind hin-
mit Vehemenz (und wie es scheint mit Erfolg) darauf,     reichend mit Ressourcen und Erfahrung ausgestattet,
zumindest die Möglichkeit einer privatrechtlichen        um für faire Wettbewerbsbedingungen bei gleichzei-
Organisationsform in gemeinsamem Staatseigentum,         tig harmonisierten Sicherheits- und Qualitätsstan-
analog der zurzeit am meisten verbreiteten Form auf      dards zu sorgen. Daneben wird sich langfristig eine
nationaler Ebene, zuzulassen. Ziel der GdF ist es, die   interessante neue Aufgabe für den europäischen
Organisationsform bis zur Phase einer Zusammen-          Wettbewerbskommissar ergeben, wenn eine markt-
führung der einzelnen ANSPs völlig offen zu lassen,      beherrschende Stellung einiger weniger, verbliebener
da es unsinnig ist, sich über solch ungelegte Eier in    ANSPs droht. Dies alles unter der Voraussetzung, dass
diesem frühen Stadium schon den Kopf zu zerbrechen.      jeder der Staaten für sich dafür verantwortlich bleibt,
                                                         dass die hoheitliche Aufgabe der Flugsicherung in
Während derzeit das nötige Informationsmaterial zu-      seinem Gebiet ordnungsgemäß durchgeführt wird –
sammengestellt und intensiv bei nationalen und eu-       bei einem staatlichen Anteil von gerade einmal 25,1%
ropäischen Politikern, sowie bei anderen Stakeholdern    an dem jeweiligen nationalen Provider (oder schlimm-
in der Luftfahrt (z. B. Airlines, Pilotenverbände) für   stenfalls genauso wenig an den jeweiligen multina-
diese Variante geworben wird, läuft die Mitarbeit der    tionalen ANSPs) keine leichte Aufgabe. Dass es sich
kleineren Gruppe der vom FAB Central (D-Benelux)         bei der Flugsicherung im Kern um eine staatliche Auf-
betroffenen Verbände an den Vorbereitungen dazu          gabe der Daseinsfürsorge handelt, darüber gibt es in
weiter. Dieselben Vorarbeiten verlören ihre Berechti-    keinem europäischen Land Zweifel. Meine Meinung,
gung nicht, wenn ein größerer FAB unter Einschluss       wie sich Wettbewerb auf die Sicherheitsstandards
des geplanten FAB Central Wirklichkeit werden sollte.    auswirkt, habe ich bereits hinreichend in mehreren

                                                                                                                   15   der flugleiter 2006/04
ATC International / Intern

                              Editorials dargestellt. Die Tatsache, dass das deutsche   sich bei MOSAIC um ein Gewerkschaftsprojekt handelt,
                              Flugsicherungsgesetz die deutschen Standards auf          sind die Vorstellungen naturgemäß anders als bei
                              die europäischen Mindestanforderungen reduziert hat,      marktwirtschaftlich orientierten Vorhaben. Und die
                              um die DFS wettbewerbsfähig zu machen, bestätigt          beteiligten Gewerkschaften und Berufsverbände ha-
                              diese Meinung ebenso wie die Forderungen der DFS          ben darüber hinaus andere Ideen davon, wie viel Per-
                              GmbH zur Flexibilisierung des Personaleinsatzes (mit      sonal überhaupt abgebaut werden soll und darf. Wir
                              derselben Begründung).                                    gehen gemeinsam vom Primat der Sicherheit aus. Und
                                                                                        das bezieht sich nicht ausschließlich auf die Sicherheit
                              MOSAIC hingegen macht den Charakter der Flugsi-           unserer „Kunden“, sondern schließt soziale Sicherheit
                              cherung als hoheitliche Aufgabe zum Dreh- und An-         mit ein.
                              gelpunkt. Um höchstmögliche, und nicht nach unten
                              nivellierte, Sicherheitsstandards bei gleichzeitiger      Die Entscheidungsträger in der Politik und die Nutzer
                              Verbesserung der Effizienz (und damit Vorhaltung der      der Flugsicherung (über ihre politische Einflussnahme)
                              nachgefragten Kapazität) und der Dienstleistungsqua-      haben es in der Hand, ob sich die Flugsicherung in
                              lität zu gewährleisten, muss der Staat/müssen die         Europa zukünftig primär marktwirtschaftlichen Ge-
                              Staaten die uneingeschränkte Kontrolle über die (auch     setzmäßigkeiten unterwirft oder vor allem inhaltliche,
                              multinationale) Flugsicherung behalten. Die Interessen    qualitative Ansprüche bestmöglich zu erfüllen ver-
                              privater Investoren kollidieren automatisch mit den       sucht. Und dazu gehört auch die Verpflichtung jeder
                              zuvor genannten Prioritäten. MOSAIC sieht den Wett-       Regierung, nach bestem Wissen und Gewissen für die
                              bewerb als Hindernis für eine weitreichende Harmo-        Sicherheit der Reisenden und der Bevölkerung am
                              nisierung, da die verschiedenen FABs im Wettbewerb        Boden zu sorgen.
                              um zusätzliche Marktanteile (=Lufträume) um die
                              überzeugendsten und effizientesten Verfahren, aber        Bundesvorstand und Fachbereichsvorstände begleiten
                              auch um Systeme konkurrieren werden.                      das Projekt intensiv und werden im flugleiter und
                                                                                        durch andere Mitteilungen über die Bestrebungen
                              Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: bei MOSAIC      der GdF, aktiv eine moderne, sicherheitsorientierte
                              werden (wie bei FAB Projekten, die von den ANSPs,         Flugsicherung für Europa voran zu treiben, auf dem
                              also vom Management, betrieben werden) in vielen          Laufenden halten.
                              Bereichen, durch z. B. Reduzierung der Anzahl von
                              Flugsicherungsschulen oder der Anzahl der unter-          Weitere Informationen kann man auf der ganz jungen
                              schiedlichen FS-Systeme, langfristig Arbeitsplätze ab-    und teilweise noch im Aufbau befindlichen Website
                              gebaut werden. Die große Frage ist nur: wie? Da es        einholen: www.project-mosaic.eu

                              Es geht nicht um die Wurst.
                              Wozu eigentlich Kapitalprivatisierung?
         von                  Wie hinlänglich bekannt ist, wird die Deutsche Flugsicherung
 Thomas Seng                  bald (kapital)privatisiert. Es soll an dieser Stelle in einem
                              allgemeineren Kontext erörtert werden, welche Veränderun-
                              gen eine Privatisierung hervorruft und warum sie eigentlich          bei war und anscheinend Geschmack daran
                              durchgeführt wird.                                                   gefunden hatte, folgten weitere Privatisie-
                                                                                                   rungen aus dem Bestand der alten Bundes-
                              Was bedeutet (Kapital)privatisierung?                     republik (z.B. Telekom, Krankenhäuser etc.). Was
                              Grundsätzlich wird bei einer Privatisierung gegen die     verändert sich für diese Unternehmen nach einer
                              Entrichtung eines mehr oder weniger bedeutenden           Privatisierung? Ganz allgemein gesprochen werden
                              Obolus’ Gemeineigentum in Privateigentum transfe-         sie (z.T. schrittweise) in vollem Umfang den Gesetz-
                              riert. Die größte Privatisierung in der Geschichte der    mäßigkeiten des Marktes ausgesetzt. Bei diesen Ge-
                              Bundesrepublik Deutschland fand nach der deut-            setzmäßigkeiten handelt es sich selbstverständlich
                              schen Einheit statt, woran sich sicher viele Bürger       nicht um unveränderbare Naturgesetze, auch wenn in
                              aus den neuen Bundesländern noch erinnern werden.         der veröffentlichten Meinung gewöhnlich dieser Ein-
                              Durch die dafür gegründete Treuhandanstalt wurden         druck vermittelt wird. Vielmehr sind darin Verhaltens-
                              die Produktionsstätten und Betriebe der ehemaligen        muster zu sehen, denen die Marktteilnehmer unter
                              DDR an private Investoren, teilweise für eher symbo-      den gegebenen Bedingungen mehr oder weniger
                              lische Beträge, verkauft. Da man nun schon mal da-        zwangsläufig folgen.

der flugleiter 2006/04   16
Intern

Diese Bedingungen, das so genannte Marktumfeld,           In der Privatwirtschaft bekommt die angebotene Lei-
können sehr unterschiedlich sein. So hatten z.B. die      stung endgültig den Charakter einer Ware. Dagegen
privatisierten Betriebe in Russland ein völlig anderes    könnte man einwenden, dass es prinzipiell gleichgül-
Marktumfeld, als die Betriebe in der ehemaligen DDR,      tig ist, ob eine Leistung von einem staatlichen Dienst
die sofort in vollem Ausmaß der Konkurrenz der west-      oder von unabhängigen Marktteilnehmern ver- bzw.
deutschen Unternehmen ausgesetzt waren. Sicherlich        gekauft wird, es bleibt so oder so eine Dienstleistung.
würden auch die meisten Sportartikelhersteller nicht      Das ist auch richtig, doch die Leistung bekommt ein
unbedingt in Asien produzieren, wenn sie in Europa        zusätzliches Merkmal, nämlich das einer Ware und
oder in den USA ein Marktumfeld hätten, in dem sie        dieses Merkmal kann den Umgang mit dieser Dienst-
Kinder anstellen könnten, die am Tag zwölf Stunden        leistung auf erstaunliche Weise verändern. Um das zu
für einen Stundenlohn von bspw. 1€ arbeiten, und          veranschaulichen, ist es hilfreich, Beispiele aus der
sich nicht mit lästigen Gewerkschaften herumschla-        Entwicklung der EU heranzuziehen. Im ersten Beispiel
gen müssten. Es hängt also auch sehr stark von den        geht es um Filme.
jeweiligen Rahmenbedingungen ab, welche konkreten
Folgen eine Privatisierung für das betroffene Unter-      Ein Gremium war mit der Frage beschäftigt, wie die
nehmen hat. Was sich jedoch für alle Unternehmen          kulturelle Identität und Vielfalt der europäischen Län-
ändert, ist ihr eigentlicher Daseinszweck. Die Aufgabe    der erhalten und gefördert werden kann. Man wollte
von Unternehmen der öffentlichen Hand ist es, eine        Quotenregelungen für das Fernsehen einführen, so
bestimmte Leistung zu erbringen, also z.B. den Luft-      dass z.B. 50% aller dort ausgestrahlten Filme aus
verkehr zu regeln und dies nach Möglichkeit wirtschaft-   Europa kommen müssten. Damit sollte eine völlige
lich. Natürlich besteht diese Aufgabe auch weiterhin,     Überflutung der Programme mit amerikanischen Filmen
wenn sich dieses Unternehmen in Privatbesitz befindet.    verhindert und der Fortbestand europäischer Filmpro-
Allerdings ist sie nun nur noch Mittel zum Zweck,         duktionen ermöglicht werden. Es wurde kolportiert,
denn das Hauptziel eines privaten Unternehmens ist        dass ein damaliger, sehr einflussreicher Regierungs-
die Mehrung des Reichtums seiner Eigentümer. Es           chef gegen diese Regelung intervenieren ließ. Die
kommt also zu einer Verschiebung der Prioritäten,         Neufassung der Regelung besagte dann, dass sich
die Profitmaximierung steht im Vordergrund.               mindestens 50% aller im Fernsehen gezeigten Filme
                                                          in europäischem Besitz befinden müssen. Diese Um-
Welche Konsequenzen hat eine Privatisierung?              gestaltung stellte sich als großer Vorteil für den Be-
Neben der Zielorientierung des Unternehmens resul-        sitzer von einigen hundert amerikanischen Filmlizen-
tieren aus einer Privatisierung weitere Veränderungen.    zen und mehreren Fernsehsendern aus dem gleichen

         ✈ „Beim Gründungsakt der DFS 1992
            war von einer Kapitalprivatisierung
            noch keine Rede“

                                                                                                       Photo: DFS

                                                                                                                    17   der flugleiter 2006/04
Intern

                              Land heraus, der zufälligerweise ein sehr guter Be-        verdienen. Das alles sind ebenso plausible wie hin-
                              kannter des intervenierenden Regierungschefs war.          terfragbare Erklärungen. Doch bilden die Triebkräfte
                              Indem man nicht die Filme an sich und ihre Substanz,       einzelner Akteure zwar notwendige, aber alleine
                              also Inhalte, Schauspieler, Regisseure und Produzen-       nicht hinreichende Bedingungen in diesem Spiel. Ent-
                              ten etc. als Bewertungskriterium heranzog, sondern         scheidend ist der Kontext, in dem das Spiel stattfin-
                              die Eigentumsrechte, wurden die Filme zu einer reinen      det oder, wenn man so will, der Zeitgeist. Der herr-
                              Ware, völlig losgelöst von ihrem Inhalt. Auf diese Weise   schende Zeitgeist besteht in der Durchsetzung der
                              können also z.B. „Stirb langsam“, „Rambo III“ oder         marktwirtschaftlichen Ideologie in möglichst allen Le-
                              auch „Easy Rider“ sowie alle Ronald Reagan-Filme zu        bensbereichen. Diese Ideologie springt täglich aus
                              europäischem Kulturgut mutieren.                           dem Fernseher und den Printmedien. Ihre Hoheprie-
                                                                                         ster kann man z.B. wöchentlich in diversen Sendun-
                              In einem anderen Beispiel geht es um die Wurst. Eine       gen bewundern, eine davon geleitet von einer Mode-
                              spanische Wurst begehrte Einlass nach Deutschland.         ratorin, die mit der Luftfahrt einmal vertraut war - wo-
                              Das war aber nach deutscher Lebensmittelgesetzge-          von sie heute aber absolut nichts mehr hören will.
                              bung nicht statthaft. Die Wurst wurde abgewiesen.          Dabei werden meist auf sechs Stühlen zwei Meinun-
                              Der Hersteller der Wurst war empört und unterstellte       gen präsentiert. Wahlweise werden dazu, in der Rolle
                              nationalistischen Protektionismus. Er intervenierte        der sozialpolitischen Exoten, Oskar Lafontaine, Gre-
                              bei der EU und bekam Recht; die Wurst durfte einrei-       gor Gysi oder ein DGB-Vertreter eingeladen, um einen
                              sen. Europäisches Wirtschaftsrecht schlug deutsche         Rest von Meinungsvielfalt zu suggerieren. Generell
                              Lebensmittelgesetze. Es ging also nicht um die Wurst,      gilt ansonsten: Nichts ist gut und nichts darf Bestand
                              nicht darum, ob ihr Verzehr vielleicht nässenden Haut-     haben, was nicht nach marktwirtschaftlichen
                              ausschlag, Magengeschwüre oder langfristig Krebs           Prämissen organisiert wird. Die Anbetung von markt-
                              hervorruft (was wir dieser spanischen Wurst nicht un-      wirtschaftlichen Regelungen hat schon religiösen
                              bedingt unterstellen wollen); es ging um den freien und    Charakter. Und sie ist ungemein praktisch für unsere
                              uneingeschränkten Handel mit Waren, also um Profit.        politische Elite. Denn genau wie in der Religion Pro-
                                                                                         blemlösungen im Zweifel in den jenseitigen Sektor
                              Was hat nun die Flugsicherung mit Filmen und Wür-          verschoben und damit einer höheren Gerechtigkeit
                              sten zu tun? Substanziell gesehen nichts - sobald sie      übergeben werden, so entledigt sich die Kaste unse-
                              jedoch den Charakter einer Ware bekommt, werden            rer so genannten Volksvertreter zunehmend ihrer Ver-
                              die Unterschiede peripher. Es geht dann in erster          antwortung, indem sie immer mehr Bereiche dem
                              Linie darum, Profit zu erzielen. Wie maximiert man         freien Spiel der Märkte überlässt.
                              heutzutage die Profite? Indem man die Produktions-
                              kosten senkt. Wie senkt man am leichtesten die Pro-        Sie wollen einmal eine Rente? Kümmern Sie sich
                              duktionskosten? Indem man das Personal reduziert.          doch selbst darum. Sie wollen Kündigungsschutz?
                              Natürlich unter heftigsten Beteuerungen, dass die          Damit behindern sie nur den Bürokratieabbau und
                              Qualität des Produkts, in diesem Fall also u.a. die        die freie Entfaltung der segnungsreichen Marktkräfte.
                              Sicherheit des Luftverkehrs, in keiner Hinsicht leiden     Sie wollen einen Arbeitsplatz? Dann gründen Sie
                              werde. Wer diesen Beteuerungen Glauben schenkt,            doch eine Ich-AG. Werden Sie selbständiger Markt-
                              sollte sich vielleicht ein wenig mit der Entwicklung       teilnehmer und verzichten Sie auf die weitere Bela-
                              der englischen Eisenbahn beschäftigen.                     stung unserer Statistik. Im Zuge des herrschenden
                                                                                         Zeitgeistes werden gesellschaftliche Probleme indivi-
                              Warum wird die Kapitalprivatisierung eigentlich            dualisiert und privatisiert. Du bist Deutschland!
                              durchgeführt?                                              Schließlich können sich unsere Politiker nicht um
                              Nun bleibt die Frage: „Warum eigentlich das Ganze?“        alles kümmern. Sie haben genug damit zu tun,
                              Weshalb zerschlägt man ein System, das eigentlich          mindestens einmal in der Woche im Fernsehen zu
                              recht gut funktioniert und kostendeckend arbeitet?         erscheinen, über Arbeitslose und Gewerkschaften zu
                              Hierzu sind vereinzelte Begründungen im Angebot. Man       schimpfen und vor allem wieder gewählt zu werden.
                              hört, dass der Finanzminister Geld braucht. Das holt
                              er sich bekanntermaßen am liebsten von der arbeiten-       Im Rahmen dieser angestrebten und breit angelegten
                              den und konsumierenden Bevölkerung. Und wenn er            Entsolidarisierung ist die Kapitalprivatisierung der
                              nicht genug von den einzelnen bekommt, holt er es          Flugsicherung - mit Verlaub - eher eine Petitesse.
                              sich eben, indem er Gemeineigentum verscherbelt. An-       Zumindest solange, bis es mal richtig kracht.
                              geblich steht das mehrheitliche Bundeseigentum an          Aber dann war mit Sicherheit der Pilot oder der Lotse
                              der Flugsicherung zukünftigen Beteiligungen – also         schuld.
                              der Expansion – im Wege. Möglicherweise wollen
                              sich auch Führungskräfte einen goldenen Handschlag         Gute Reise.

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ATC International

                              FAB-Conference in Rom,
                              Bericht zur italienischen Federazione
                              Italiana Transporti-CISL
                              Am 05./06.Juni hatte der FSBD-Vorstand - vertreten durch            Fortschritts entscheidende Punkte noch immer
                              W.Wörz und mich - die Gelegenheit, sich auf der von der             nicht behandelt wurden. Exemplarisch sollen
                              italienischen Gewerkschaft FIT-CISL in Rom veranstalteten           erwähnt werden: Haftungsfragen bei Vor-
                              Konferenz ein Bild über den aktuellen Stand der Functional          kommnissen bis hin zu midair collisions im
                              Airspace Block (FAB)-Entwicklung zu machen.                         grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb
                                                                                                  eines FAB, mögliche Abschuss-Szenarien
                              Auf dieser zweitägigen Konferenz, bei der sämtliche       nach 9/11, die in den Staaten sehr unterschiedlich
         von Jens             hochrangigen Entscheidungsträger der italienischen        geregelt sind, single charge gegenüber different social
        Lehmann               Zivil- und Militärluftfahrt vertreten waren, wurden in    costs; oder Fragen wie: Können unterschiedliche
                              ausgiebigen Präsentationen die aktuellen Fortschrit-      Gebühren in den unterschiedlich stark beflogenen Luft-
                              te, aber auch die auftretenden Probleme diskutiert.       räumen innerhalb eines FABs erhoben werden? Gibt
                              Neben den sehr interessanten Präsentationen und           es „billigere“ Routen innerhalb eines FAB? Wie soll
                              Vorträgen ist leider zu bemängeln, dass die Qualität      gemeinsames Training aussehen? Wie soll in die unter-
                              der Simultanübersetzung der nicht-englischen Vor-         schiedlichen Rentenkassen eingezahlt werden? Was
                              träge so schlecht war, dass es zum Teil fast unmöglich    passiert, wenn ein ANSP innerhalb eines FAB „pleite“
                              war, diesen Vorträgen zu folgen – die Informationen       geht? Wie können unterschiedliche Kostenstrukturen
                              konnten über weite Strecken hinweg nur aus den            der einzelnen ANSPs ausgeglichen werden? Welche Art
                              PPT-Präsentationen entnommen werden.                      „Airspace Design“ wird im FAB angewandt, sofern eine
                                  Einer Eröffnungsrede des FIT-CISL ATM National        unterschiedliche Vorschriftenlage besteht? Wie wer-
                              Secretary F.Persi folgte ein interessanter Vortrag des    den Gebühren umverteilt, wenn sich Verkehrsflüsse
                              Repräsentanten der Europäischen Kommission, Koon          ändern? Klare Antworten blieb auch diese Konferenz
                              de Vos, der die aktuelle Entwicklung aus deren Sicht      schuldig. Im folgenden sollen die Sachstände der ein-
                              darstellte. Zunächst erklärte er, dass es sich bei dem    zelnen FABs in Zentraleuropa erläutert werden:
                              so oft beschworenen „bottom-up-APP“ um eine in-
                              tensive Zusammenarbeit der Staaten mit den ANSPs,         FAB UK-Irland:
                              den Luftraumnutzern und „selbstverständlich auch          Das „Grüne Licht“ für ein klares „go“ erfolgte im Fe-
                              mit dem Personal“ handelt. Demnach „brauchen wir          bruar 2006. Es wurde erklärt, dass es durch einen
                              FABs, um die Verspätungen zu reduzieren, um die Luft-     UK-IRL-FAB zu beträchtlichen Kosteneinsparungen
                              raumfragmentierungen endlich wirksam bekämpfen            kommen wird, zum gegenwärtigen Zeitpunkt es aber
                              zu können und um die Konsolidierung der ANSPs vor-        unmöglich sei, die Höhe zu beziffern. Beschlossen ist
                              anzutreiben“. Die EC wird 5 Jahre nach Gründung eines     jedoch schon, dass es zu einer Konsolidierung bei NATS
                              FAB evaluieren, ob es sich um einen „FAB in deren Sinn“   bis zum Jahr 2010 von 4 ACCs auf 2 kommen wird. In
                              handelt. Es bleibt dem geneigten Leser vorbehalten,       der aktuellen Betrachung ist TWR Ops nicht vorgese-
                              sich selbst ein Bild zu machen, wenn man die folgen-      hen. Die anfallende Arbeitslast wird in 5 verschiedene
                              den Ausführungen gelesen hat.                             Teams aufgeteilt: Coordination, Legal Issues, Opera-
                                  In einer vielbeachteten Rede erläuterte J.Magee,      tions and Airspace, Charging and Economic Regulation
                              ITF/ETF Advisor, dass wir keineswegs in einer „schönen    sowie Human Resources. Die englischen Gewerkschaf-
Photo: Fit-CISL               Neuen Welt“ leben, sondern dass auch nach Jahren des      ten sind an den Entscheidungsprozessen nicht

der flugleiter 2006/04   30
ATC International

beteiligt, werden jedoch in regelmäßigen Abständen       raumdesign Europas“ spielen möchten. Leider stellte
unterrichtet. Noch im Juni wird es ein High Level -      sich die „DFS Italiens“, die ENAV, in einem ganz an-
Memorandum of Understanding, MoU, geben, bei dem         deren Lichte dar: man ist zwar nach dem Ende von
in Grundzügen das weitere Vorgehen beschlossen           CEATS an drei verschiedenen FAB-Projekten als „Be-
werden soll. Als Problem bleibt z.B. die stark unter-    obachter“ beteiligt, weiß aber immer noch nicht, für
schiedlichen Kostenstrukturen der beiden ANSPs be-       welche Seite man sich entscheiden will oder sollte.
stehen. Soll IRL einen Teil der Einnahmen nach UK        Zur „Auswahl“ stehen Frankreich-Italien“FAB Alps“,
überweisen? Sehr unwahrscheinlich. Oder soll UK die      SEE-FABA (South Eastern Europe mit Albanien, etc.)
Kosten auf „irisches Niveau“ noch weiter drücken, was    oder sogar „Blue med“, einem möglichen FAB Italiens
NATS bereits als unmöglich bezeichnet hat? Lösung        mit verschiedenen Mittelmeeranrainerstaaten Nord-
unbekannt.                                               afrikas, Griechenlands etc. Es werden überall viele Pro-
                                                         bleme gesehen, die man erst einmal „gründlich unter-
NUAC Programme:                                          suchen müsse“. So müsse man zwar dies alles „global“
Nach dem Ausscheiden Norwegens und Finnlands aus         und sehr „europäisch“ sehen, doch dabei die „Wich-
dem NUAC Projekt, wurde das„Northern Upper Area          tigkeit“ für das italienische Volk nicht unterschätzen.
Control Center, NUAC, Project“ jetzt in „Programme“
umbenannt, um dem nun dänisch-schwedischen Pro-          Bulgarien – Rumänien, BULROM-FAB:
jekt die notwendige Bedeutung zu geben und um es         Die FAB-Working group besteht aus 7 Untergruppen,
über den Status eines „Projekts“ zu erheben. Der         die hier aus Platzgründen unerwähnt bleiben sollen.
Hauptgrund dieser engen Zusammenarbeit besteht           Die Verfahren und Regeln in einem solchen FAB sind
nach wie vor in dem Ziel der Kostenreduzierung. Da       bereits in einem „Overall Action Plan“ festgelegt wor-
die TWR in DK von verschiedenen Organisationen be-       den, der mit einem „safety case“ hinterlegt wurde,
trieben werden, werden diese nicht einbezogen. Um        um den optimalen Nutzen aus diesen beiden Lufträu-
den „Implementation Plan“ bis 2010-2012 zu schaffen,     men ziehen zu können. Es wird ein gemeinsames
wurde eine „coordination group“ gegründet, die sich      Training für ATCOs geben. Beide Staaten werden die
mit einem „virtual model of cooperation“ beschäftigen    Anzahl ihre ACCs von 2 auf jeweils eines reduzieren
soll. Drei mögliche „Zusammenarbeits-Szenarien“          (Sofia und Bukarest) wobei betont wurde, dass dies
werden zur Zeit evaluiert. Der von der dänischen         schon vor den FAB-Planungen beschlossen war. Bis
Naviair favorisierte „merger“ der beiden ANSPs wird      März 2008 soll es eine study phase“ geben, die dann
aber von den Gewerkschaften kategorisch abgelehnt.       im Jahre 2009 zur „implementation phase“ wird. Zur
Die Einbindung der Gewerkschaften ist hervorragend       Zeit wird bereits an der Hamonisierung der Pensionen,
und auf allen Ebenen garantiert. Die Frage wurde auf-    der Schichtlängen und der Anzahl der Arbeitsstunden
geworfen, ob es sich dann überhaupt um einen „FAB“       pro Tag/Woche gearbeitet. Auch dieser FAB soll wei-
handelt.                                                 terhin offen sein für weitere, interessierte Staaten.
                                                              Marie Desseaux, CANSO Director European Affairs,
Frankreich-Schweiz:                                      erläuterte, dass das neue und entscheidende Wort
Von der bereits 40 Jahre bestehenden engen Koope-        dieses ganzen Prozesses „Kooperation“ sei und nicht
ration der beiden Staaten, erhofft man sich in einem     mehr das böse Wort „Konkurrenz“ - und es habe sich
FAB noch weitere operationelle Vorteile. Schon im Jahr   herausgestellt, dass „one size fits all“ kontraproduk-
2005 wurde eine Feasibility Study durchgeführt, deren    tiv sei, um eine „win-win“-Situation zu schaffen, da
Final Report im März 2006 präsentiert wurde. Dieser      dies alles auch eine „positive Grundhaltung aller“
befindet sich nun auf Regierungsebene zur weiteren       voraussetze. F.Ballestero, ETF Politial Secretary, be-
Abstimmung. Der FAB „Alps“ soll bereits in 2008 im-      tonte in seiner Rede, dass Single European Sky, SES,
plementierbar sein und von beiden ANSPs gemeinsam        nicht zu weiteren Privatisierungen und Konsolidierun-
betrieben werden. Eines der Hauptziele ist die Weiter-   gen von ANSPs führen dürfe. Dies sei für die ETF kein
entwicklung der Flughäfen, der FAB wird sich deshalb     akzeptables Modell und würde bekämpft.
von GND-UNL erstrecken. Zwar verwies man auf die              Bei all den Reden und Präsentationen wurde klar,
Möglichkeit einer dann bestehenden erhöhten Mobi-        dass der oben erwähnte „bottom-up“ APP sehr unter-
lität der Lotsen, was jedoch sehr kritisch aufgenommen   schiedlich interpretiert wird. So heißt er für die Arbeit-
wurde, da es sich nur um den französisch-sprechenden     geber, die ANSPs, dass sie die Gelegenheit haben, sich
Teil der Schweiz handelt. Die Gewerkschaften wurden,     mit ihren Vorstellungen bei der EC durchzusetzen und
französisch traditionell, sehr früh in die Planungen     nichts „von oben“ aufgezwungen zu bekommen. Für
eingebunden. Betont wurde auch, dass dieser FAB          die Gewerkschaften und das Betriebspersonal bedeu-
natürlich auch für andere offen sei.                     tet es dagegen, dass auch sie an der zukünftigen Ent-
                                                         wicklung mitreden, mitarbeiten dürfen. Klar wurde
Italien:                                                 auch, dass niemand so richtig weiß, was eigentlich ein
Unsere italienischen Gastgeber wurden in allen ihren     „FAB“ so ganz genau sei. Auf meine diesbezügliche
Präsentationen und Vorträgen (die ausschließlich in      Frage an den EC Repräsentanten Koon de Vos antwor-
Italienisch gehalten wurden) nicht müde zu betonen,      tete dieser: „Er könne mir/uns das nur so sagen: Ein
dass auch sie eine „entscheidende Rolle im neuen Luft-   FAB ist es dann, wenn es funktioniert“. Na dann.

                                                                                                                      31   der flugleiter 2006/04
Apron

FOGS – oder
Wie aus dem Versuch einer
Entlastung eine Belastung wurde.

Bei FOGS (Followe-Me Guidance Support) handelt es sich um
ein Tool zum drahtlosen Informationsaustausch zwischen
den Follow-Me Fahrern auf der einen und Apron Control auf             Dabei ist es selbstverständlich, dass er stän-        von
der anderen Seite.                                                    dig die Position eines jeden Inbounds beob-           Frank
                                                                      achten und kennen muss, um ggf. eingreifen            Marshall
Um zu verstehen, wofür FOGS gut ist und welche              zu können. Die zweite wichtige Aufgabe ist die Abar-
Probleme es mit sich bringt, muss man zunächst die          beitung des gesamten Schleppverkehrs. Dazu melden
Arbeitsabläufe am Follow-Me Arbeitsplatz (AC3) der          sich die Schlepper auf der Frequenz mit ihrem Rufzei-
Vorfeldkontrolle kennen.                                    chen und melden das Flugzeug schleppbereit. Ist ein
    Wie schon in einer früheren Ausgabe des Flugleiter      Pushback nötig oder muss der Schlepp sogar gelotst
beschrieben, muss am Frankfurter Flughafen, bevor ein       werden, schickt der Controller einen Fahrer vorbei, der
Flugzeug auf Position rollt, ein Follow-Me diese auf        den Pushback Vorgang überwacht oder den Schlepper
etwaige Hindernisse überprüft haben. Der gesamte            zur Zielposition lotst. Abschließend muss der Schlepp
Flughafen ist dafür in zwölf Bereiche aufgeteilt, denen     durch einen Einwinker noch korrekt auf der Zielposition
bestimmte Positionen und pro Schicht ein Follow-Me          abgestellt werden. Die Kunst besteht nun darin, den
(„Viktor XY“) zugeordnet sind. Die Arbeitsaufträge mit      Schlepp möglichst reibungslos in den laufenden Ver-
den Details, wie Position, Flugzeugtyp und ggf. Stand-      kehr einzufädeln. Um den Koordinationsaufwand auf
ort (z.B.: “Viktor 75, für A24 ein Lufthansa A321, landet   ein Mindestmaß zu beschränken, muss der Controller
gerade auf der Nordbahn“) werden dafür über Funk an         dafür den gesamten rollenden Verkehr im Blick haben.
den Fahrer übermittelt.                                     Zudem gilt es noch eine Menge anderer kleiner Aufga-
    Nachdem der Einwinker sich von der Hindernisfrei-       ben zu bewältigen, die aber in das Thema FOGS nur
heit überzeugt hat, meldet er dem Lotsen die Position       geringfügig einspielen und deshalb hier getrost unter-
frei, der dann die AGNIS (automatische visuelle Einroll-    schlagen werden können.
hilfe) einschaltet - falls keine AGNIS vorhanden ist,
wird noch mit Kellen eingewunken. Ist das Luftfahr-         Das System FOGS
zeug auf Position, übermittelt der Einwinker zum Da-        Durch FOGS werden nun den Fahrern alle für ihren und
tenabgleich die Registration und der Lotse setzt den        die Nachbarbereiche relevanten Daten per WLAN auf
Flug on-block, der damit auch als Datensatz von den         ein Display in den Fahrzeugen übermittelt. Die Mitar-
Bildschirmen verschwindet.                                  beiter erhalten so Informationen über Zielpositionen,
    Im Idealfall arbeitet der Fahrer so die für seinen      Flugzeugtyp, Umschleppvorgänge, Landebahn, Lande-
Bereich ankommenden Flugzeuge nacheinander ab.              zeiten und letztlich einen Überblick über den bevor-
Sind die anfallenden Aufgaben vom Bereichsfahrer            stehenden Verkehr in ihrem Bereich. Von der Über-
nicht alleine zu bewältigen - was eher die Regel als die    nahme des Fluges, über das Aktivieren der Einrollhilfe
Ausnahme darstellt - ist es die Aufgabe des Lotsen,         AGNIS, bis zum Registration-Abgleich und on-block
Fahrer aus den Nachbarbereichen zur Verstärkung hin-        Nehmen, könnten die Fahrer nun weitgehend selbst-
zu zu holen. Es obliegt dabei allein der Pflicht des hier   ständig handeln. Dem zuständigen Controller werden
eingesetzten Controllers, bei nicht vorhandener Frei-       diese Schritte auf seinem Bildschirm farblich darge-
meldung das Flugzeug vor der Position anzuhalten.           stellt. Grau bedeutet, dass der Flug übernommen

                                                                                                                       35   der flugleiter 2006/04
Apron

                              wurde, grün: die AGNIS wurde aktiviert und wenn der       Verkehrsaufkommen zu sehr die Aufmerksamkeit der
                              Datensatz verschwindet, wurde die Maschine on-block       Lotsen. Sie waren zum Teil mehr mit der Systembe-
                              gesetzt. In Reinform angewendet, wird der Funkver-        dienung und -beobachtung, als mit ihrer eigentlichen
                              kehr so auf ein Minimum reduziert.                        Aufgabe beschäftigt.
                                                                                             In einem ersten Lotsenworkshop wurden diese
                              Die Probleme                                              Probleme aufgegriffen und in einer geänderten Ver-
                              Ziel der Einführung des Systems FOGS war und ist es,      fahrensanweisung umgesetzt. So wird heute ein Ver-
                              eine deutliche Arbeitserleichterung am Arbeitsplatz       fahren angewandt, das (mit Ausnahme des Registration-
                              AC3 zu erreichen - im besonderen durch die Entlastung     Abgleichs) über weite Strecken mit der Arbeit ohne
                              des Funkkreises Viktor. Grundproblem ist, dass die        FOGS identisch ist. Das heißt, es werden Aufträge
                              visuelle Aufnahmekapazität durch die ständige Beob-       weiterhin verbal erteilt und bestätigt. Freimeldungen
                              achtung des Verkehrsgeschehens schon nahezu aus-          erfolgen ebenfalls verbal. Neben der Arbeit im alten
                              gereizt ist. Nun setzt aber FOGS eine ständige Bild-      Stil muss der Controller nach wie vor das ja in der Test-
                              schirmüberwachung seitens des Controllers voraus.         phase befindliche System FOGS überwachen und
                              D. h. bspw.: Hat der Fahrer den Auftrag übernommen?       kontrollieren.
                              Ist die AGNIS aktiviert worden? Ist der Flug on-block?         Die Grundidee, Informationen nur via Datenfunk
                              Wichtig ist diese Frage vor allem für die weitere Ein-    auszutauschen, ist sicherlich begrüßenswert, jedoch
                              setzbarkeit des Fahrers.                                  muss sichergestellt sein, dass sich ein solches Ver-
                                  Was früher alles akustisch wahrgenommen wurde,        fahren am AC3 umsetzen lässt. Zur Zeit sieht es so aus,
                              soll nun das Auge leisten. Hinzu kommt, dass jede         dass die visuelle Kapazität des Controllers, besonders
                              neue Zuweisung von Aufträgen mühsam eingegeben            zu verkehrsstarken Zeiten, beinahe vollständig durch
                              werden muss. Was früher einfach und schnell per Funk      die notwendige Beobachtung/Kontrolle des Verkehrs
                              abgewickelt wurde, nimmt nun die volle Konzentration      gebunden sind. Die zusätzliche Überwachung eines
                              des Lotsen in Anspruch. Es ist wohl einleuchtend, dass    Systems ist daher nicht zumutbar und auch nicht zu
                              dies bei mittlerem bis hohem Verkehrsaufkommen eine       verantworten. Das Prinzip „Sehen statt Hören“ funk-
                              deutliche Mehrbelastung für die Controller bedeutet.      tioniert nur, solange eine visuelle Aufnahme möglich
                                  Nach einem Testbetrieb im Bereich der Rampe Ost,      ist. Unumstritten dürfte sein, dass die Aufnahmemög-
                              in dem erste technische Probleme ausgemerzt wurden,       lichkeiten mit Sehen und Hören vielseitiger sind.
                              folgte ein Testbetrieb in der Hauptstelle. Dabei zeigte        Angesichts dieser bisherigen Ergebnisse scheint
                              sich, dass der Einsatz von FOGS an diesem Arbeits-        es dringend notwendig, das System FOGS grundle-
                              platz in „Reinform“ nur schlecht möglich ist. Da die      gend zu überdenken und gegebenenfalls andere
                              Follow-Me Fahrer nur die Positionsfreimeldung über        Möglichkeiten zur Entlastung des Arbeitsplatzes AC3
                              Funk durchgaben, band das System bei steigendem           zu finden.

der flugleiter 2006/04   36
Reportage / Alltag

                                                                                       Wenn Tania in die kleine Maschine klettert, die ein
                                                                                       paar Jahre älter ist als sie selber, dann sieht selbst
                                                                                       das elegant aus. Wenn sie die Haare zum Pferde-
                                                                                       schwanz bindet. Erst wenn sie den Kopfhörer auf-
                                                                                       setzt, das Mikro vor den Mund klemmt, konzentriert
                                                                                       schaut, ernst und älter, dann ist sie plötzlich nicht
                                                                                       mehr das Mädchen, sondern die Buschpilotin. Wenn
                                                                                       sie noch vorm Start den ersten Funkspruch absetzt,
                                                                                       einen Blick auf den Wetterbericht wirft und ihre Brille
                                                                                       aufsetzt, die im Cockpit bereit lag. Draußen hatte sie
                                                                                       sie nicht getragen. Sie mag sie nicht. Sie mag sich
                                                                                       damit nicht, und Robert hatte diesmal Fotos von den
                                                                                       Startvorbereitungen gemacht. „Einen Traum fern vom
                                                                                       Buschpilotenleben habe ich“, ruft Tania plötzlich
                                                                                       durchs geöffnete Seitenfenster der Cessna-Cockpit-
                                                                                       tür, ehe sie 350 Meter Anlauf Richtung Trout Lake
                                                                                       nimmt. „Ein Foto von mir in der italienischen Vogue!
                                                                                       Das wäre das Größte!“ Robert drückt auf den Auslöser.
                                                                                       Für alle Fälle.

                              Turn left right now
            von               Heute wieder einmal eine Folge aus der losen Reihe mit
          Ralph               dem Titel „turn left right now“, meinem ATC Lieblingsspruch.       Eine andere Besonderheit war die Cleverness
      Reinwarth               (Thanks to Cpt. Col.MY/ FVK14/15). Jeder hat so seinen Lieb-       britischer Airline-Profis, die genau wussten,
                              lingsspruch.                                                       wie man ATC bescheisst. Die sind hinterein-
                                                                                                 ander an der Runway gestanden, haben die
                              Der eine schwört auf „climb on Runway-Heading, der       gleiche Destination, fliegen beide das gleiche Muster,
                              andere auf „whichever requires the lesser bank“, mein    wollen beide den gleichen level, sehen den anderen
                              Alternate-Lieblingsspruch wäre „acknowledge by           vor sich fliegen und haben dennoch nichts besseres
                              rocking your wings“, alles callouts, die für einen so-   zu tun, als bei jedem Frequenzwechsel den level des
                              genannten Dünnluftcontroller so richtig Sinn machen.     anderen zu requesten. Irgendeine Kollege wurde dann
                              Am Anfang der Serie habe ich die beiden großen Illu-     trotzdem immer weichgeklopft und zeigte seinen gut-
                              sionen der Flugsicherung beschrieben, die da wären       en Willen, indem er den ersten nach der Machnumber
                              Parallel Headings und Same Speed. Aus aktuellem          fragte. Die hörte der hinten natürlich mit und reporte-
                              Anlass bedürfen diese beiden Phänomene eines             te prompt die gleiche, regardless of real speed. (Das
                              Amendments.                                              wurde dann untereinander auf der 123.45 glattgezo-
                                                                                       gen, die internationale Cockpit-Schwafel Frequenz,
                              Mach-Number                                              lange Zeit die Frequenz von Speyer-Tower, meinem
                              In unseren Gefilden arbeitet man mit Machzahlen, was     langjährigen Wohnort, da konnte man sowas mit-
                              die Speeds betrifft. Die Kommunikation war bis jetzt     hören).
                              fast immer eindeutig, was die „Machnumber“ betraf,           Aus jener Zeit stammt die Regel, dass, wenn man
                              bis auf die paar Ausfälle mit den „Reach“, die ja vor-   die ehrlichere Antwort hören will, den hinteren zuerst
                              mals „MAC“ hiessen, für „Military Airlift Command“,      fragt. Dessen hat sich wohl jetzt einer bei der ICAO
                              gefolgt von einer Tripnumber. Da konnte die eigent-      mal erinnert, und hat die „True Machnumber“ einge-
                              lich harmlose Frage „what is your Machnumber“            führt, die ungelogene. Einen anderen Sinn kann das
                              schonmal falsch gedeutet werden, und der hat einem       nicht haben, Machzahl ist immer eine Größe der True
                              in zunehmender Verzweiflung die Tripnumber erzählt       Airspeed und es gibt nur die eine. Man hat das bis
                              statt der gefragten Speed in Mach.“MAC 2841, what        jetzt keinem schlüssig erklären können, ähnlich der
                              is your Machnumber?“ Antwort: „MAC 2841“ höchst-         Reduktion unseres Arbeitsbereiches von unlimited auf
                              wahrscheinlich gefolgt von der Mikro-zu-Frage an sei-    FL660, ebenso ein Mythos wie die Änderung der climb/
                              nen Co: „Why the hell is this Kraut asking us?“ Das      descent-Rates von „or more“ auf „or greater“. Da ver-
                              konnte dann schon mal länger dauern.                     selbstständigt sich irgendwas im Bürokratendschungel

der flugleiter 2006/04   48
Alltag

und man findet keine kompetente Erklärung. Die wird         worauf mir nichts besseres einfiel als zu sagen: „Ich
natürlich auch nicht mitgeliefert, weil unsere Unter-       glaube, der hat ein Estimate für Dich!“ Ich habe mich
nehmenszentrale ja keinen Support für die Niederlas-        dann erbarmt, im Sinne des zügigen Produktionspro-
sungen leistet, sondern im Gegenteil die Niederlas-         zesses und habe es aufgenommen, schließlich kam
sungen immer mehr damit beschäftigt sind (zusätzlich)       der Trainee frisch von der Akademie, ich meine - wo-
Alimentation für die Abteilungen der Zentrale zu liefern,   her soll der wissen, was ein Estimate ist - das lernt
so scheint es.                                              man halt im OJT. Kann aber auch danebengehen,
                                                            wenn man auf erfahrene Leute trifft. Das ging mir mal
Parallelen                                                  so mit einem ganz erfahrenen Flight Data Assistant,
Zu der Überschrift fällt mir immer der Wetterlehrer         dem ich ein TGO-Estimate durchgeben wollte. Klar,
Ittner ein, der nie wusste, wo bei dem Wort die l´s         sagte er, go ahead! Also ging ich „ahead“ und sagte
hinkommen, aber es gibt noch andere Besonderheiten,         „Estimate Tango F-O-G-S-I“, was er augenblicklich
wie die parallel Headings, oft gebraucht um die Kun-        konterte mit den wissenden (und seinerzeit korrek-
denzufriedenheit zu erhöhen, manchmal auch unsin-           ten) Worten: „Dös gibts net, a Registräischen mit 6
nig im guten Glauben, dass …                                Buchstobn!“ Wohl wahr, aber so war es ja eigentlich
    Meine ursprüngliche Ausführung zum Thema gip-           nicht. Wir konnten das dann friedlich aufklären.
felte in der Erkenntnis, dass entgegengesetzt der in
der Schule gelernten Behauptung, parallele Geraden          New Destination
schneiden sich erst in der Unendlichkeit, das bei par-      Aufklärung verlangte auch ein Pilot von uns, als er ei-
allelen Headings schon viel früher der Fall sein kann,      nen Level wollte, der sichtbar von einem vor ihm flie-
im hier und jetzt und immer überraschend. Neulich           genden Jumbo besetzt war, von dem er aber glaubte,
durfte ich einer neuen Variante zuhören, wahrschein-        ihn demnächst haben zu können, weil er mit seiner 737
lich die Antwort auf meine Frage, was denn wird,            um einiges langsamer war. „What is the Destination
wenn Proficiency-Check auf PISA-Studie trifft.              of that 747 ahead of us?“ war seine Frage. Die Antwort
                                                            kam prompt, als Trainee will man sein Fachwissen ja
Die gestellte Koordinationsfrage:                           auch mal anbringen, es handelte sich um LLBG, also
„Reference A-line 123 and B-line 234“ „go ahead!“           „Tel Aviv Le Bourget“. Na dann - aber fragt mal Nanda
„nimmste die beiden parallel?“                              nach ihrer Geschichte mit dieser Destination, die ist
Gegenfrage: „wer ist denn vorne?“                           noch schöner! Take Care!

Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, gibt
es jetzt so eine Art von serieller Parallelität, aber ich
hatte keinen Leistungskurs Geometrie belegt, wer weiß?

Schriftergonomie
Einen Leistungskurs in Ergonomie könnten unsere
Schriftendesigner mal besuchen, diese vielen ver-
schiedenen Fonts können auch zu Irritationen führen;
so wurde der vom Coordinator zwecks einer „Revision“
mit „Five Oskar India India India“ titulierte Flieger vom
Radaristen mit „SAM zero triple-one“ angesprochen,
wodrauf der auch artig hörte. Und es war kein Früh-
dienst, wie früher in dem ähnlich gelagerten Fall des
„Papa Alpha Oskar Oskar India“, der nicht hörte, weil
es sich laut glaubhafter Aussage eines ganz nüchter-
nen Kollegen um den „Clipper 1“ handelte.

Estimates
Aber da gab es schon immer krasse Gegensätze, was
das Zugeben eines Fauxpas betrifft. Ich erinnere mich
an den sehr schönen Spruch „jetzt haste mir mein
Estimate kaputtgevectored“ als Ausdruck der Empö-
rung eines Co´s gegen seinen Radaristen, weil sein
Estimate nicht passte. Das ist aber auch eine ausster-
bende Kunst. „Ich hab´n Estimate für Dich“ sagte neu-
lich der Frankfurter Kollege am Telefon (Who the hell
is Langen?), mein Trainee schaute mich ungläubig und
mit waidwundem Blick an und fragte: „Was will der?“,

                                                                                                                      49   der flugleiter 2006/04
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