TOP 12 Märkte Manager innovationen - report.at
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P. b. b. Verlagspostamt 1160 Wien, Vertriebskennzahl GZ 02Z034501, Einzelheftpreis: EUR 4,− TOP 12 Märkte Manager innovationen 01 Ausgabe mehrwert für Manager 2023 20. Jahrgang
Mit einem blauen Auge Energieknappheit, Inflation, Zinserhöhungen, Rezessionsgefahr, Krieg, Klimawende – Krisen und Konflikte, wohin man schaut. Nach drei Jah- ren voller Unwägbarkeiten hat viele der Mut ver- lassen. Nur noch ein Viertel der Österreicher*in- nen blickt mit Zuversicht in die Zukunft, darunter mehrheitlich die jüngere Bevölkerung. Kann 2023 angesichts der vielen Bedrohun- gen ein gutes Jahr werden? Durchaus. Als die Coronawelle über die Kontinente schwappte, war die Unsicherheit so groß wie nie zuvor. Doch sie- he da: Wirtschaft, Politik und Gesellschaft lernten mit der Situation umzugehen und bekamen die Pandemie in den Griff – wenngleich das »Gieß- kannenprinzip«, nach dem die Regierung Förde- rungen verteilte, freilich Kritik verdient. Auch angesichts der aktuellen Herausforde- rungen ist Resignation fehl am Platz. Österreich dürfte laut WIFO-Chef Gabriel Felbermayr wieder »mit einem blauen Auge« davonkommen. Statt im Krisenmodus zu verharren, sollte nun endlich die Klimawende ernsthaft in den Fokus rücken. Denn obwohl neun von zehn Befragten dem The- ma einen hohen Stellenwert beimessen, haben 61 Prozent der mittelständischen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitspläne reduziert oder völlig auf Eis gelegt. Bis 2040 sollten Wirtschaft, Ver- kehr und Haushalte klimaneutral sein. Von die- sem Ziel ist man in allen Sektoren weit entfernt, wenn nicht sehr rasch sehr viel mehr passiert. Die Zeit drängt. Angela Heissenberger Redakteurin Report(+)PLUS www.report.at 01 - 2023 3
INHALT Report Plus | Mehrwert für Manager 12 Persönlichkeiten Wer Österreich prägt. 06 32 Themen Was Österreich bewegt. 48 Innovationen Was die Zukunft bringt. Ausblick 2023: Die Unternehmen starten deutlich pessimistischer ins neue Jahr. 16 70 E-Mail aus Übersee 26 Es geht um mehr als nur die Ukraine. 18 Zukunft Fünf Forscher blicken in die Glaskugel. Infrastruktur: Investitionen in 24 Brücken, Tunnel und Schulen als Rückgrat der heimischen Wirtschaft. 82 Leadership Durch die Krise führen – klar und transparent. Börsenblick: Wo sich Investments Blackout: Wie sich Österreich mit 86 noch lohnen – die Anlagetipps von Krisensimulationen für den Ernstfall Cool Stuff Österreichs Top-Analyst*innen. vorbereitet. Die Technik-Trends der CES 2023. 40 64 90 Telematik Digitalisierung Satire Smarte Beziehung auf der Smarte Workflows und Alles Konvention. Ein Straße. altes Handwerk. Schlachtruf von Rainer Sigl. Herausgeber/Chefredakteur: Dr. Alfons Flatscher [flatscher@report.at] Verlagsleitung: Mag. Gerda Platzer [platzer@ report.at] Chef vom Dienst: Mag. Bernd Affenzeller [affenzeller@report.at] Redaktion: Mag. Angela Heissenberger [heissenberger@ report.at], Martin Szelgrad [szelgrad@report.at] Autor*innen: Sarah Bloos M.A., Mag. Rainer Sigl Layout: Anita Troger Produktion: Report Media LLC Lektorat: Johannes Fiebich, MA Druck: Styria Medieninhaber: Report Verlag GmbH & Co KG, Lienfeldergasse 58/3, A-1160 Wien Telefon: (01) 902 99 E-Mail: office@report.at Web: www.report.at 4 01 - 2023 www.report.at
Unter Druck Text | ANGELA HEISSENBERGER Wirtschaft und Gesellschaft sind inzwischen in der Krisen- bewältigung geübt, starten aber im Vergleich zum Vorjahr deutlich pessimistischer in die Zukunft. Die Unternehmen sehen sich laufend mit neuen Herausforderungen konfrontiert – leichter wird es auch 2023 wohl nicht. kepsis und Sorge prägen zum dritten Mal in Folge den Jahres- wechsel. Nur noch 26 Prozent der Österreicher*innen blicken mit Zuversicht in die Zukunft. Eine so lange negative Phase habe es seit 1972 nicht gegeben, resümierte das IMAS-Institut. Das Gallup-Institut sieht die globale Stimmung gar auf dem tiefsten Stand seit dem Krisenjahr 2008. Die Österreicher*in- nen sind im internationalen Vergleich – befragt wurden Perso- nen in 34 Ländern – überdurchschnittlich pessimistisch. Nur noch ein Drittel der Bevölkerung glaubt laut einer market-Um- frage, dass es der Wirtschaft heuer besser oder zumindest un- verändert gut gehen wird. Vor einem Jahr, als Corona sich neuerlich zu einer Sturzwelle aufbäumte, zeigten sich immerhin 69 Prozent der Befragten zuversichtlich. Als hätte die Pandemie nicht schon genügend Probleme verur- sacht, stellt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine tatsäch- lich eine Zäsur in der jüngeren Geschichte Europas dar. Noch deu- tet wenig auf einen fundamentalen Wirtschaftsabschwung hin, die www.report.at 01 - 2023 7
ausblick sorgen. Doch bei aller Euphorie empfiehlt es sich, noch vor Vertragsabschluss die Bonität zu prüfen und selbiges auch während einer Geschäftsbeziehung regelmäßig zu tun. 4 Risikoprüfung Zwar ist die Durchführung von Know-Your-Customer- Prozessen gesetzlich nicht für alle Unternehmen bzw. Ricardo-José Vybiral, KSV1870, gibt acht Tipps Branchen verpflichtend, im Sinne der Risikoprüfung aber zur Stärkung der Finanzen. empfohlen, um Unternehmen vor Betrug und illegalen Trans- aktionen zu schützen. Diese Prüfungen sind kaum ohne exter- Worauf Unternehmen ne Unterstützung zu managen. Der KSV1870 bietet mit dem »ComplianceCheck« eine rechtskonforme Risikoprüfung an. 2023 achten sollten 5 Obwohl Österreich zu den Ländern mit der besten Zahlungs- moral in der EU zählt, erwarten heuer laut »Austrian Business Digitalisierung Check« die Hälfte der befragten Unternehmen eine spürbare Kursierte früher die Angst, dass Digitalisierung und Automati- Verschlechterung. »Das Management rund um den Themen- sierung Arbeitsplätze vernichten, so bieten sie nun die Chance, cluster Kosten, Cashflow und Liquidität wird erfolgsbestim- den Personalmangel teilweise abzufedern. Die Firmen kämp- mend sein«, ist Ricardo-José Vybiral, Vorstand der KSV1870 fen nicht mehr um die besten Köpfe, sondern um Personal Holding, überzeugt. Er empfiehlt, sich auf folgende Aspekte zu generell. Und daran wird sich so schnell nichts ändern. konzentrieren: 6 1 Investitionen Forderungen In schwierigen Zeiten zu investieren, mag absurd klingen. Fakt Offene Forderungen liegen wie Blei in den Bilanzen. Lassen ist, dass Investitionen die mittelfristige Zukunft der Unter- Sie kein Geld auf der Straße liegen, das sie einbringlich nehmen sichern, und daher sollten sie jetzt klug ausgewählt machen könnten, denn heuer zählt jeder Cent. Wenn Ihre werden: Welche Produkte werden mittelfristig gefragt sein? Kund*innen nicht zahlen, mahnen Sie sie konsequent. Inkasso- unternehmen sorgen für schnelle und tragfähige Lösungen zwischen den Parteien. 7 Cyberrisiken 2 Angriffe aus dem Netz sind kein Nischenprogramm mehr. Wer heute überlegt, die IT-Systeme für einen Geschäftspartner zu Kostenüberwachung öffnen, sollte vorher ein paar Checks durchführen. Das CMS ist Die hohen Kosten sind aus heutiger Sicht der Dreh- und häufig das Einfallstor Nummer eins. Wer einen Check auf Herz Angelpunkt. Sie machen regelmäßige Profitabilitätschecks der und Nieren möchte, kann ein »CyberRisk Rating« in Auftrag Produkte zum »Must«. Es gibt einen Zeitpunkt, an dem es ohne geben. Preiserhöhungen nicht mehr geht. KMU mit ihren persönli- chen, regionalen Beziehungen tun sich damit oft schwerer. Der Ton macht in diesem Fall die Musik: Offenheit und Ehrlichkeit 8 werden eher akzeptiert als hohle Phrasen. Sanierung Die Insolvenzzahlen steigen. Was beunruhigt: Die Zahl der 3 mangels Masse abgewiesenen Konkursanträge ist hoch. Wer sich in der Insolvenz sanieren und damit weiterbestehen will, Bonitätsprüfung muss handeln, solange noch Geld im Unternehmen ist, um Neukund*innen beruhigen das Nervenkostüm angespannter Quoten zwischen 20 und 30 Prozent bezahlen zu können. Die Finanzchefs. Sie sind ein gängiges Mittel, um Kostensteige- Chancen auf einen Neustart sind dann gut und die Arbeits- Foto: Wilke rungen auszugleichen oder gar für zusätzliches Wachstum zu plätze gesichert. 8 01 - 2023 www.report.at
| FB12-08G | Die kompakte Lösung für komplexe Die stark gestiegenen Energiekosten wirken sich direkt auf die Signaltechnik Gewinne aus. Die Beckhoff EtherCAT Box Christina Khinast EY Österreich Verunsicherung in der Bevölkerung ist jedoch groß. Die saftigen Preiserhöhungen bei Energie, Treibstoff und Lebensmitteln sind be- reits spürbar. 41 Prozent erwarten einen weiteren Anstieg – unge- achtet der Prognosen der Wirtschaftsforscher*innen, die unisono für 2023 mit einem Rückgang der Inflation rechnen. Der Konsum – während der Pandemie eine wichtige Stütze der heimischen Wirtschaft – blieb bisher weitgehend stabil; die hohen Lohnabschlüsse und Energiezuschüsse federn ein Abschwächen der Kaufkraft ab. Durch die Abschaffung der kalten Progression mit Jahresbeginn 2023 fließen künftig zwei Drittel der bisherigen investiert wird in Photo- voltaik und sanierung, Privat und von Betrieben. Einnahmen zurück in die Taschen der Steuerzahler*innen. Durch- schnittsverdiener*innen mit rund 2.200 Euro Bruttomonatslohn profitieren von fast 300 Euro pro Jahr. »Ein richtiger Schritt, aber dabei handelt es sich nicht um eine Steuersenkung, sondern die Abschaffung einer ungerechtfertigten, automatischen Steuererhö- Extrem kompakte und robuste IP67-I/O-Module hung«, betont Dénes Kucsera, Ökonom der Agenda Austria: »Für Ideal für raue Umgebungen – wasser- und staubabweisend eine echte Entlastung braucht es mehr.« Highspeed-EtherCAT-Kommunikation bis in jeden Teilnehmer, ohne Subsystem Kosten fressen Gewinne auf Breites Signalspektrum von Standard-Digital-I/O bis zur komplexen Analogtechnik Investiert wird vor allem in Photovoltaik und thermische Sanie- rung, von privater Seite wie auch von Unternehmen. Bei anderen Investitionen stehen Betriebe auf der Bremse – die vorhandenen Mittel werden für die steigenden Energie- und Rohstoffkosten zu- rückgehalten. »Wir sehen, dass die Energiekosten zwar jetzt durch den Zuschuss abgefedert werden, aber die werden uns weiterhin Scannen und fordern«, berichtet Doris Hummer, Landesobfrau des Wirtschafts- mehr über das Signalspektrum bunds Oberösterreich. Entsprechend verhalten und vorsichtig wird der EtherCAT geplant. Der angespannte Arbeitsmarkt stellt die Unternehmen vor Box erfahren Druckluftmessung direkt zusätzliche Probleme. Noch sind die Auftragsbücher voll, Fachkräf- an der Maschine: te fehlen in nahezu allen Branchen. Hummer fordert Anreize für Die EtherCAT Box EP3744 »mehr und längeres Arbeiten« und erleichterten Zugang zur Rot- Foto: EY Österreich Weiß-Rot-Karte. Jedes zweite Unternehmen in Österreich bekommt die hohen Energiepreise schon deutlich zu spüren, vor allem durch rückläufige
ausblick Für eine echte Entlastung Bei den Unternehmens- braucht es mehr als die insolvenzen hat bereits Abschaffung der kalten weltweit eine Trend- Progression. wende eingesetzt. Dénes Kucsera Gudrun Meierschitz Agenda Austria Acredia Kreditversicherung Gewinne. In einer Umfrage des Beratungsunternehmens EY unter Projekte werden verschoben oder ganz abgesagt – eine fatale Ent- 600 mittelständischen Unternehmen gaben 52 Prozent an, starke wicklung mit weitreichenden Folgen. Das Immobilienunterneh- Auswirkungen wahrzunehmen. Besonders betroffen sind Betriebe men s Real Immobilien rechnet in den nächsten drei Jahren in ganz aus dem Transport-, Verkehrs- und Energiesektor sowie der Indus- Österreich mit weniger Fertigstellungen im Neubau-Erstbezug. trie. »Unabhängig davon, wie sich die Umsätze der Unternehmen Dass knappes Gut bei steigenden Herstellungskosten nicht billiger entwickeln, wirken sich die stark gestiegenen Energiekosten direkt wird, liegt auf der Hand. auf die Gewinne der Unternehmen aus. Das kann mittel- oder lang- fristig zum Problem werden«, meint Christina Khinast, Leiterin Nachhaltige Lieferketten des Energiesektors bei EY Österreich. Fast zwei Drittel der befrag- ten Unternehmen setzen bereits Energiesparmaßnahmen um, 37 Ungeachtet der aktuellen geopolitischen Situation bleibt die Prozent investieren in den Ausbau eigener Erzeugungskapazitäten. Energiewende quer durch alle Branchen das beherrschende The- Mit Photovoltaik können Unternehmen bis zu einem Drittel ihres ma – auch wenn noch nicht klar ist, welche Technologie sich letzt- Energiebedarfs abdecken – das senkt die Kosten und steigert somit lich durchsetzen wird, wie Stefan Hartung, Vorsitzender der Robert wieder den Gewinn. Bosch GmbH, im Vorfeld des Internationalen Motorensymposiums 2023 in Wien eingesteht: »Auf dem Weg zur Klimaneutralität im Bauwirtschaft als Barometer Jahr 2050 werden wir alle vorhandenen CO2-freien Technologien einsetzen müssen und sollten keine vorschnell ausschließen.« Der hohe Kosten- und Inflationsdruck gefährdet zunehmend Insgesamt fehlt es beim Klimaschutz noch eklatant an wirt- die Profitabilität und den Cash Flow der Unternehmen. Europa schaftspolitischen Initiativen, wie Markus Marterbauer und Daniel wird sich in den kommenden zwei Jahren auf steigende Insolvenz- Haim in der WIFO-Konjunkturbilanz vom Dezember 2022 einfor- zahlen einstellen müssen. Besonders stark sind die Bauwirtschaft, dern: »Die Klimakrise muss viel entschiedener angegangen werden, Handel und Logistik betroffen. Vornehmlich sind es kleinere Un- unter anderem durch eine rasche Ausweitung der grünen Investi- ternehmen, die mit den multiplen Herausforderungen nicht mehr tionen.« zurande kommen. In Österreich ist die Trendwende voll im Gang. »Unternehmen dürfen und wollen nicht länger nur auf ihre eige- Bis Ende September 2022 mussten 3.533 Unternehmen Insolvenz nen Emissionsquellen schauen. Sie müssen die gesamte Wertschöp- anmelden. Das entspricht einer Zunahme von 96 Prozent im Ver- gleich zum Vorjahreszeitraum und stellt den stärksten Anstieg aller europäischen Länder dar. Gudrun Meierschitz, Vorständin der ös- Pessimistischer Blick terreichischen Kreditversicherung Acredia, erwartet für 2023 das Erreichen des Vor-Pandemie-Niveaus: »Wir gehen von einem An- ins neue Jahr stieg von 13 Prozent aus, verglichen mit 2019 wäre das ein Plus von Umfrage: Zuversicht fürs kommende Jahr in Prozent acht Prozent.« In Industrie und Bauwirtschaft, die traditionell als Krisen-Baro- 62 57 60 meter fungieren, kündigt sich vor dem Hintergrund von steigenden Arbeits-, Material- und Energiekosten sowie Engpässen bei Roh- stoffen die Abflachung der Konjunktur bereits an. Für die erste Jah- 37 reshälfte erwarten die heimischen Bauunternehmen einen Rück- 34 31 gang des Auftragsvolumens von 13 Prozent. Im gewerblichen und 26 26 öffentlichen Hochbau und im Industriebau werden die Einbußen Fotos: iStock, Elke Mayr, Acredia mit minus 15 Prozent, im Tiefbau mit minus 18 Prozent geschätzt. Strengere Regeln bei der Kreditvergabe und steigende Zinsen ma- chen Wohnungseigentum insbesondere für jüngere Menschen 1980 85 90 95 00 05 10 15 2022 kaum noch leistbar. Gab es in den vergangenen Jahren noch lange Quelle: APA, IMAS Wartelisten für Wohnungen, so hat sich dies zuletzt ins Gegenteil 2022: 1.002 Befragte ab 16 Jahren in Österreich im November. gekehrt: Auf Bauträger kommen risikoreiche Zeiten zu, geplante 10 01 - 2023 www.report.at
Wir sollten alle CO2- freien Technologien einsetzen und keine ausschließen. HIER HAGELT‘S Stefan Hartung Robert Bosch GmbH SICHERHEIT! Die unschlagbare Fassadendämmung fungskette im Blick haben«, erklärt Reinhard Winkler, Head of Ma- mit Carbonschutz. nufacturing bei Capgemini Invent Austria. Eine große Herausforde- rung – vor allem angesichts der anhaltenden Versorgungsprobleme, die das Thema Nachhaltigkeit vielfach in den Hintergrund rücken ließen. So waren drei Viertel der Unternehmen in den letzten drei Jahren von Unterbrechungen ihrer Lieferketten, Standortschlie- ßungen und Personalausfällen betroffen. Weniger als 20 Prozent der Unternehmen fühlten sich laut einer Studie des Capgemini Re- search Institute auf solche Störungen des Betriebs gut vorbereitet. Der Aufbau agiler, widerstandsfähiger Lieferketten schützt jedoch nicht nur die Aufrechterhaltung der eigenen Produktion, sondern unterstützt auch andere strategische Ziele wie eben Nachhaltigkeit, der hohe KOstendruck gefährdet zunehmend die Profitabilität. ist Winkler überzeugt: »Für diese Herausforderung gibt es keine einheitliche Lösung. Grundsätzlich lässt sich sagen: Lieferketten müssen datengesteuert, technologiegestützt, skalierbar und nach- haltig sein.« Prinzip Hoffnung Jetzt auch mit Trotz der aktuell schwierigen Lage spiegeln alle Studien eine interessante Diskrepanz wider: Danach befragt, wie sich das allge- der Hanffaser meine Marktumfeld entwickeln wird, fällt die Einschätzung meist recht pessimistisch aus. Das eigene Unternehmen betreffend ist die als Dämmstoff! Stimmungslage schon deutlich positiver. Hier vertrauen die Ma- nager*innen auf ihre Führungskraft und Erfahrung, viele Widrig- keiten selbst meistern zu können. Bleiben jene Unwägbarkeiten, die nicht beeinflusst werden können. Hier greift das Prinzip Hoff- nung – oder um es mit Friedrich Mostböck, Chefanalyst der Erste Group, zu sagen: »Es ist schwer vorstellbar, dass auf ein so negatives Jahr noch ein zweites folgt.« Die gute Nachricht zum Schluss: Trotz gedämpfter Stimmungs- lage überwiegt im Privaten das Gefühl des Glücks. Eine knappe Mehrheit der Menschen empfindet ihr Leben als glücklich oder so- Foto: Bosch gar sehr glücklich. Österreich liegt nur wenig unter dem globalen www.capatect.at Durchschnitt von 54 Prozent. n
Persönlichkeiten die Österreich beweg(t)en Er mache das nur aus Neugier, gestand Anton Zeilin ger, nachdem ihm im Oktober 2022 der Nobelpreis für Physik zugesprochen worden war – als erstem Österrei cher seit 1945. Auch an Zeilingers Institut an der Uni versität Wien war lange nicht klar, »wofür das eigent lich gut sein soll«. Inzwischen kommen die Erkenntnis se der Quantenphysik in einer Vielzahl von Anwendun gen zum Einsatz – etwa in Smartphones, in der Magnet resonanztomografie oder bei Laserdruckern. Die größ te Aufmerksamkeit kommt jedoch der Entwicklung von Quantencomputern zu, die deutlich leistungsstärker und sicherer arbeiten könnten als klassische Computer. Ein riesiger Markt entsteht bereits – bis 2028 soll sich das Volumen von derzeit zehn auf 44 Milliarden Euro vervielfachen. Anton Zeilinger In der Vienna Insurance Group (VIG) werden heuer die Weichen neu gestellt. Ab 1. Juli 2023 löst Ex-Finanz minister Hartwig Löger die langjährige Vorstandsvor sitzende Elisabeth Stadler ab. Sie hatte im Vorjahr an gekündigt, ihr Mandat wegen Erreichung des Pensi onsalters nicht mehr zu verlängern. Löger ist seit Jän ner 2021 Mitglied des VIG-Vorstands. Von 2011 bis 2017 war er CEO der Uniqa Österreich, davor war er für Allianz, Grazer Wechselseitige und Donau Versi cherung tätig. Sein Ausflug in die Politik endete nach der Abberufung der Kurz-Regierung als einwöchiger Zwischenkanzler bis zur Angelobung der Regierung Bierlein. Hartwig Löger Bis vor kurzem Landeshauptmann-Stellvertreterin in Tirol trat Ingrid Felipe mit Jahresbeginn ihren neu en Job als Vorständin der DB Netz, einem Tochterun ternehmen der Deutschen Bahn, an. Die 44-jährige Betriebswirtin, als grüne Landesrätin viele Jahre für Fotos: Jaqueline Godany_ÖAW, Georg Wilke, Gerry Berge das Verkehrsressort zuständig, wird dort für große In- frastrukturprojekte verantwortlich zeichnen. In ihren Aufgabenbereich fällt etwa der Ausbau der Zulauf strecken zum Brennerbasistunnel auf deutscher Sei te. Im Zuge eines internen Streits hatte die Ex-Par teichefin sämtliche Funktionen in der Landespartei zurückgelegt und im März 2022 den vollständigen Rückzug vollzogen. Ingrid Felipe
Carmen Possnig Ein Jahr in eisiger Kälte und monatelanger Dunkelheit – für die Medizinerin Carmen Possnig ging damit 2017 ein Traum in Erfüllung. Sie verbrachte 13 Monate auf einer Forschungsstation in der Antarktis, wo sie die Auswirkungen von Isolation und ge ringem Sauerstoffgehalt auf die Crew erforschte. In einem aufwendigen Auswahlver fahren der Europäischen Weltraumorganisation setzte sich die 34-Jährige nun gegen mehr als 22.500 Bewerber*innen durch und sicherte sich einen Platz in der 17-köp figen ESA-Astronautenklasse 2022. Im Falle eines Einsatzes wäre sie die erste Öster reicherin im Weltall. Leonhard Schitter Seine zehnjährige Ära bei der Salzburg AG endete mit einem Paukenschlag. Erst 2020 war sein Vertrag als Vorstandschef vorzeitig bis 2026 verlängert worden, letzten Juli gab Leonhard Schitter bekannt, mit 1. Jänner 2023 zur Energie AG Oberösterreich zu wechseln. Er ist aber weiterhin als Aktionärsvertreter der Energie AG im Aufsichtsrat der Salzburg AG vertreten. Bei den Salzburgern wurde umgehend Michael Baminger als neuer Generaldirektor bestellt; der 38-jährige Betriebswirt wird künftig neben Brigitte Bach das Energieunternehmen leiten. Heidi Adelwöhrer Für die Industriellenvereinigung ist es ein kleines Wunder, für Heidi Adelwöhrer nur ein Detail am Rande: Die 52-jährige Managerin, CEO von Neudoerfler Büromöbel, wurde einstimmig zur neuen Präsidentin der IV Burgenland gewählt und ist damit die erste Frau an der Spitze der Interessenvertretung. Adelwöhrer bekleidete Führungs positionen in den Industrieunternehmen Rehau, Austria Haustechnik sowie Unilever. Als CFO der Domoferm Gruppe zeichnete sie für die Bereiche Finanzen, Einkauf und Personal von 15 Gesellschaften in acht Ländern verantwortlich und begleitete die In tegration in den US-Konzern Jeld-Wen. Fotos: ESA_P.Sebirot, APA_Helmut Fohringer, Neudoerfler Klemens Haselsteiner Das »Bau-Gen« hat er geerbt: Klemens Haselsteiner, einer der drei Söhne von Hans Peter Haselsteiner, leitet seit 1. Jänner 2023 offiziell den Baukonzern Strabag SE. Der bisherige CEO Thomas Birtel schied altersbedingt aus dem Vorstand aus. Haselstei ner, Jahrgang 1980, ist seit 2011 in verschiedenen Führungspositionen im Konzern, u. a. in Russland, tätig. In den vergangenen beiden Jahren baute er das Ressort Digita lisierung, Unternehmensentwicklung und Innovation auf und verantwortet die neue Nachhaltigkeitsstrategie. www.report.at 01 - 2023 13
Monika Haselbacher Holger Bonin Sabine Pfeffer Das heimische Technologieunterneh Der deutsche Wirtschaftswissenschaf Mit 1. April 2023 wird Sabine Pfeffer men Frequentis bekam mit Jahresbe ter Holger Bonin, derzeit Forschungs neues Vorstandsmitglied der Uniqa ginn 2023 einen weiteren COO. Mo direktor des Instituts zur Zukunft der und übernimmt die Leitung des Res nika Haselbacher erweitert den Vor Arbeit (IZA) in Bonn sowie Professor für sorts Kunde & Markt Bank Österreich. stand auf vier Personen und soll die Volkswirtschaftslehre an der Universi Sie folgt Klaus Pekarek, der in den Ru Agenden rund um die Kundenprojek tät Kassel, soll neuer Chef des Wiener hestand tritt. Die Diplombetriebswir te und den Bereich Operational Excel Instituts für Höhere Studien (IHS) wer tin, die auch einen Master in Legal Stu lence fokussiert steuern. Die 53-Jäh den. Der Chefposten ist seit zwei Jah dies sowie den Universitätslehrgang rige TU-Absolventin ist seit 1998 im ren, als Martin Kocher ÖVP-Arbeits Versicherungswirtschaft an der WU Unternehmen tätig, seit 2018 als Ge minister wurde, vakant. Seither leitet Executive Academy abgeschlossen hat, schäftsleiterin der Frequentis-Tochter Klaus Neusser das Institut interimis besitzt mehr als 20 Jahre Führungser PDTS. Frequentis ist in den vergange tisch. Nachdem zwei Kandidaten kurz fahrung in der Versicherungsbranche. nen Jahren durch Zukäufe deutlich ge fristig abgesagt hatten, entschied sich Zuletzt leitete sie den Verwaltungs wachsen und will die M&A-Strategie das IHS-Kuratorium für eine Neuaus bereich Personenversicherung bei der weiter fortsetzen. schreibung. Wiener Städtischen Versicherung AG. Hannes Cizek Per 1. April 2023 wird Hannes Cizek die Geschäftsführung der Raiffeisen KAG übernehmen. Der ausgewiesene Finanzexperte folgt damit auf Rainer Schnabl, der zum Jahreswechsel als CEO zur Raiffeisen Bank Bosnien-Herzegowina wech selte. Cizek ist seit 2009 in unterschiedlichen Positionen innerhalb der Raiffei sen-Bankengruppe tätig. Zuletzt leitete er den Bereich Group Strategy, davor Group Digital Banking in der Raiffeisen Bank International. Fotos: Raiffeisen_Roland Rudolph, Frequentis AG, EFI, Franz Pflügl, APA Stefan Bachmann Der Schweizer Regisseur Stefan Bachmann löst 2024 Martin Kusej als Burgthea- ter-Direktor ab. Kusej hatte seine Bewerbung zurückgezogen – seine glücklo se Ära war von Corona, Kritik an seinem Führungsstil und zuletzt der Kinderpor no-Affäre um Florian Teichtmeister überschattet. Bachmann, seit 2013 Intendant des Schauspielhaus Köln, machte sich in Wien durch einprägsame Inszenierun gen einen Namen. Auch gegen ihn wurde 2018 der Vorwurf eines »toxischen Arbeitsklimas« erhoben, seither übt sich der 56-Jährige in Selbstreflexion und steht für Teamarbeit. 14 01 - 2023 www.report.at
kommentar Was Meinung ist und wer Position bezieht Der Mensch ist nicht nur Mittel, sondern vor allem Mittelpunkt. Werner Paar ⁄ Geschäftsführer ⁄ Quality Austria (links im Bild) Christoph Mondl ⁄ Geschäftsführer ⁄ Quality Austria Zukunftsfähig bleiben: Wir haben es in der Hand Wir leben in einer Welt der Veränderung. Dynamischer, schneller, komplexer – unsere (Arbeits-)Welt dreht sich gefühlt immer rasanter. Am Markt zu bestehen bzw. diesen erfolgreich zu bedienen, ist heute herausfordernder denn je. Themen wie Digitalisierung, Industrie 4.0, Rentabilität, Gesundheit, Nachhaltigkeit oder ESG schreiben die Spielregeln erfolgrei- chen Wirtschaftens neu und stehen auch im Fokus des diesjährigen qualityaustria Forums. W ie kann man sich für eine Zukunft wappnen, in der die Karten ständig neu gemischt werden? Das Gute vorweg: Nach dem Mischen wird bekanntlich abgehoben und wir haben es in der Hand! Denn die Zukunft ergibt sich nicht – sie wird von Menschen gestaltet. Die Antwort auf die Frage »Was braucht der Markt?« reicht alleine längst nicht mehr aus. Wir müs- sen den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellen. Sei es als Mit- arbeiter*in, Kund*in, Betreiber*in von Managementsystemen oder Geschäftspartner*in – der Mensch macht den Unterschied und ist ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg. Mit offenen Karten spielen Um nicht nur für bestehende und neue Mitspieler*innen, sprich Mitarbeitende, sondern auch generell am Markt relevant und at- Dabei stehen unter anderem folgende Fotos: Fotostudio Wilke, AdobeStock.com/Looker Studio, Gestaltung Quality Austria traktiv zu bleiben, muss das Zusammenspiel zwischen systemati- Fragen im Mittelpunkt: schen Prozessen und dem Reagieren auf Bedürfnisse der Kund*in- Wie können Betriebe das Potenzial aller Generationen nutzen nen gelingen. Dabei sind auch eine zeitgemäße Unternehmenskul- und das Beste aus dem Team herausholen? tur, ein ganzheitlich-systemisches Verständnis und zukunftswei- Wie muss Leadership gestaltet werden, um den sich ändernden sende Leadership-Strategien spielentscheidend. Bedürfnissen gerecht zu werden? Wie gelingt es, geänderte Anforderungen der Kund*innen und Hochkarätiger Hybrid - Event Märkte zu bedienen bzw. vorzeitig zu erkennen? Gibt es einen »Joker« für das systematische Management der Zu- Den zuvor genannten sowie weiteren Themen widmet sich das kunft? Welchen Stellenwert nimmt das Integrierte Managementsys- 28. qualityaustria Forum, das interessierte Personen am 22. März tem dabei ein? n 2023 vor Ort in Salzburg oder bequem am Laptop oder Smartpho- ne miterleben können. Expert*innen schlagen die Brücke zwischen Ein unterhaltsamer, informativer und kurzweiliger Zukunftsfähigkeit und geänderten Spielregeln – Best Practices Event ist garantiert! über den Nutzen eines Integrierten Managementsystems, aktuelle Insights und Praxiserfahrungen inklusive. Jetzt anmelden: www.qualityaustria.com/forum2023 www.report.at 01 - 2023 15
E dward Kennedy, der 2009 verstor- wjetunion noch sonst wo. (...) Wir werden bene Senator aus Massachusetts, verhindern, dass eine feindliche Macht eine galt als der talentierteste Politiker Region dominiert.« seiner Dynastie. Als die Wolfowitz- Doktrin, die bis heute die US-Außenpolitik DAs Highlander- Motto bestimmt, 1992 veröffentlicht wurde, hatte er nur einen Begriff dafür: »Imperialistisch!« Wegen der heftigen öffentlichen Reak- Paul Wolfowitz, ehemals Demokrat, spä- tion schwächte man den Text dann ab, ver- ter Verteidigungsminister unter George W. sah ihn mit einer Reihe von Weichmachern. Bush, Weltbank-Präsident und Säulenhei- Der Kern blieb aber unverändert: Es darf nur liger der Neocons, formulierte darin, wie es einen geben! Das Highlander-Motto war nach dem Zerfall der Sowjetunion weiterge- als Prinzip der US-Außenpolitik festgelegt. hen sollte. Die »Richtlinien für die Verteidi- »Dass die Weltordnung letztlich von den gungsplanung«, wie der offizielle Titel lautet, USA aufrecht erhalten wird, trägt zur Stabili- waren zunächst nicht für die Öffentlichkeit sierung bei...« heißt es weiter, und dann: Die bestimmt, fanden aber den Weg in die Redak- USA »übernehmen die Verantwortung, jedes tion der New York Times und sorgten sofort Unrecht richtigzustellen.« für einen Sturm der Entrüstung. Damit machte sich Washington zum An- Unverblümt hatte Wolfowitz beschrie- kläger, Richter und Exekutor gleichzeitig. ben, wie man den Supermacht-Status mit Was richtig oder falsch ist, entscheidet allein allen Mitteln verteidigen werde und nicht das Weiße Haus. Zum Nahen Osten fiel den zulasse, dass eine andere Macht – und sei es US-Militärplanern folgendes ein: »… unser Fotos: iStock, wikipedia auch nur eine regionale – sich je würde ent- übergeordnetes Ziel ist es, die dominante ex- Edward Kennedy war wegen des wickeln können: »Unser oberstes Ziel ist es terne Macht zu bleiben und den Zugang der Irak-Kriegs einer der schärfsten zu verhindern, dass ein neuer Rivale entsteht, USA und des Westens zum regionalen Öl zu Kritiker der Bush-Regierung. weder auf dem Territorium der früheren So- garantieren.« 16 01 - 2023 www.report.at
e-mail aus Übersee Es kann nur Text | ALFONS fLATSCHER AUS NEW YORK einen geben… Die Spirale der Eskalation dreht sich immer schneller. Es geht um mehr als nur die Ukraine, es geht um die Hegemonie. NATO gegen Russland – bis zum bitteren Ende. 1992, zu einer Zeit, da Russland hart an der Staatspleite rung der Ukraine besteht die sehr reale Gefahr eines Atomkrieges. schrammte und knapp davor war, ein Zombie-Staat zu werden, Millionen hungern, weil Getreide- und Dünger-Exporte aus der warnte Wolfowitz: »Wir erkennen weiterhin, dass die konventio- Schwarzmeerregion unterbrochen sind. (...) Europa ist schwer ge- nellen Streitkräfte der ehemaligen Sowjetunion das größte militä- troffen, weil die natürliche komplementäre Beziehung zu Russland rische Potenzial in Eurasien haben und ein Risiko für die Stabilität zerstört und die Verbindung zum aufkommenden China ebenfalls in Europa darstellen ... durch Versuche die neuen, unabhängigen in Mitleidenschaft gezogen ist. Es ist eine offene Frage, ob Europa – Republiken Ukraine und Weißrussland wieder einzugliedern. Russ- insbesondere die deutsche Industrie – den eigenen Niedergang ak- land bleibt die stärkste militärische Macht der Region und der ein- zeptiert, indem es sich Washington unterordnet.« zige Staat, der die USA zerstören kann.« In der Wolfowitz-Doktrin ist kein Platz für eine zweite Macht, Das entsprach Anfang der 90er Jahre der Wahrheit und tut es auch nicht für eine starke Europäische Union. Indem man Russland heute noch viel mehr. Russland ist hochgerüstet, widersteht den militärisch in die Knie zwingen will, nimmt man gleich einen zwei- Sanktionen und richtet sich ein auf einen langen Konflikt ein – im ten Spieler vom Feld. Wie bequem. n Wissen: Die USA werden nicht nachgeben, weil sie nicht nachge- ben können. Die Wolfowitz-Doktrin wäre dort, wo sie schon vor Jahrzehnten hätte landen sollen, nämlich auf dem Misthaufen der Geschichte. kein platz für zwei Wenn man nur eine regionale Macht aufkommen lässt, könnten andere auch auf die Idee kommen: China, Indien, Saudi-Arabien usw. Vorbei wäre es mit einer Welt, die sich nur um einen Pol dreht, den in Washington. In einer Welt mit mehreren Kraftzentren, wer wäre dann der Ankläger, Richter und Exekutor? Noam Chomsky, 1928 geborener amerikanischer Intellektuel- Paul Wolfowitz prägte mit seiner umstrittenen Doktrin die ler, fasst die Situation so zusammen: »Abgesehen von der Zerstö- Ausrichtung der US-Außenpolitik. www.report.at 01 - 2023 17
Zukunft Der Blick in die Glas Wird 2023 das Jahr der realistischen Zukunftsplanung? Reinhold Popp ist Professor für Zukunfts- und Inno- Seit drei Jahren fordert uns die Ver- vationsforschung, leitet kettung mehrerer schwerer Krisen he- das »Institute for Futu- raus. In dieser schwierigen Phase ent- puppten sich manche früheren Analy- res Research in Human sen und Prognosen als unrealistisch. Sciences« an der Sigmund Wird 2023 das Jahr der realistische- Freud PrivatUniversität ren Vorbereitung auf ein gutes Leben in Wien und ist Gastwis- in einer sich ständig wandelnden Welt senschaftler an der Freien von morgen und übermorgen? Falls ja, Universität Berlin. Er ist sollten – ohne Anspruch auf Vollstän- Autor einer Vielzahl von digkeit – die folgenden sechs Punkte wissenschaftlichen Pub- vorausschauend beachtet werden: likationen, Berater von Text | Reinhold Popp Aus der Sicht von 2023 ist der von Politik und Wirtschaft, Menschen verursachte Klimawandel gefragter Keynote-Speaker das folgenreichste Zukunftsproblem. sowie Experte im medialen Trotz des dringenden Handlungsbe- Fotos: iStock, beigestellt darfs wäre jedoch die einseitige Zukunftsdiskurs. Durchsetzung ökologischer Maßnah- men ohne die Berücksichtigung der www.reinhold-popp.at dynamischen Entwicklung der Wirt- 18 01 - 2023 www.report.at
kugel Harry Gatterer ist Geschäftsführer des Zu- Text | Harry Gatterer Selten zuvor war der kunftsinstituts. Er steht Blick in die Zukunft für ein realistisches und zugleich kritisch-optimis- so spannend wie heu- tisches Verständnis der te. 2022 war neben Zukunft. der Pandemie geprägt von Krieg, Energie- www.zukunftsinstitut.at knappheit und einer beispiellosen Infla- tion. Report(+)PLUS Zukunft ist menschlich hat fünf renommierte »Mehr als drei Jahre nach vorne kann kunft ist unter den Bedingungen der Kom- ich nicht mehr denken. Die Zukunft ver- plexität vor allem vom Menschen her zu Zukunftsforscher um schwimmt regelrecht vor meinen Augen«, denken. Allerdings nicht in der romanti- ihre Einschätzung ge- erzählte mir kürzlich eine Leiterin für Stra- schen Idee eines »Menschen ohne Ma- tegie in einem DAX-Konzern. Wie können schinen«, oder gar dem Kampf Maschine beten, womit wir 2023 Unternehmen also ihre Entscheidungen gegen Menschen. Vielmehr geht es darum, rechnen dürfen. auf die Zukunft ausrichten, wenn sie diese dass Ihnen als Entscheider*innen in der nicht »sehen« können? Die Begriffe, mit Wirtschaft klar ist, für wen (in der Zukunft) denen wir üblicherweise versuchen Zu- Sie all ihre Entscheidungen treffen. Nicht kunft zu (er-)fassen taugen nicht dazu, un- »für was« oder »gegen was«, sondern für ser Denken mit Bildern auszustatten. Wör- wen (in der Zukunft). Im Zukunftsinstitut ter wie Künstliche Intelligenz, Stapel-Kri- nennen wir dieses Vorgehen »Future Per- sen, Resilienz, Transformation oder Mega- sona«. Über KI geleitete Datenanalyse ge- trends zeigen uns nur auf: Es ist kompli- nerieren wir Bilder, Beschreibungen und ziert. Es ist aber vor allem abstrakt. Wel- Storys von Menschen, die in der Zukunft ches Bild erzeugt zum Beispiel das Wort leben und für konkrete Fragen von größt- »digitale Transformation«? Wenn über- möglicher Bedeutung sind. haupt dann sieht man Codes und Zahlen- schaft und des sozialen Zusammen- reihen auf Bildschirmen und leere Büros. Zukunft überrascht halts ein gefährlicher Irrweg. Aber wie bekommen wir die Zukunft wie- Das Jahr ’23 überrascht viele mit einem der scharfgestellt? Tool: »chatGPT«. Und das, obwohl schon Die seit dem Beginn der Industriali- seit Jahren die KI als wesentliche Ver- sierung realisierte rasante Technisie- Es sind die Menschen änderungstechnologie postuliert wurde. rung brachte dem größten Teil der Die Antwort liegt näher, als man denkt: Ähnlich erging es uns mit dem Krieg Russ- heutigen Menschheit viele Vorteile. Menschen sind es, um die es geht. Wel- lands, oder der Pandemie. Immer wieder Allerdings sollten wir uns von tech- che Menschen gibt es in Zukunft? Was ist werden wir (trotz besseren Wissens) von nikverliebten Megatrend-Gurus nicht ihnen wichtig? Wie leben sie und was ist der Zukunft überrascht. Nicht weil uns die einreden lassen, dass es zukünftig für anders im Vergleich zu heute? Das Jahr Informationen fehlen — sondern weil uns alle Probleme technische Lösungen 2023 wird das Jahr sein, in dem wir dank die emotionale Anbindung an den Mög- geben wird. Auch 2023 – und im Rest GPT und anderen KIs noch weniger in der lichkeitsraum nicht gelingt. Denken wir des 21. Jahrhunderts – werden die Lage sein werden die Zukunft »zu sehen«. über Menschen nach, ist das anders. Wir Menschen die Verantwortung für Um- Ja, Sie lesen richtig. KIs helfen nicht auto- sind also gut beraten, ins Zentrum von si- welt, Wirtschaft und Gesellschaft matisch dabei, die Zukunft zu prognosti- gnifikanten Zukunftsdebatten oder -ent- nicht an High-Tech-Maschinen ab- zieren. Vielmehr kommt es darauf an, wie scheidungen, Bilder und umfassende Vor- schieben können. man diese Tools einsetzt und welche Bil- stellungen von Menschen zu setzen. Die Foto: Wolf Steiner der wir damit generieren. Damit sind wir Zukunft ist von Menschen gemacht — so Seit dem Ende des Zweiten Welt- mitten im Jahr 2023 angekommen: Zu- oder so! kriegs gab es global eine beachtliche www.report.at 01 - 2023 19
zukunft Klaus Kofler sucht als Zu- Zahl von grausamen Kriegen zwi- kunftsforscher, Redner und schen verfeindeten Ländern. Im fried- Autor nach Perspektiven Text || Klaus Kofler lichen Europa herrschte jedoch die und Potenzialen für neue Meinung vor, dass dieser privilegierte intelligente Zukunftsbilder. Lebensraum wegen seiner ökonomi- Er ist Mitbegründer der schen Potenz und seiner internatio- Future Design Akademie nalen Vernetzung dauerhaft von Krie- gen verschont bleibt. Der russische Überfall auf die Ukraine entlarvte www.kofler.at diese sympathische Annahme jedoch leider als Illusion. Deshalb ist spätes- tens ab 2023 eine Modifikation der EU-Außen- und Verteidigungspolitik Zukunft als Anlass unverzichtbar. Eigenartig. Blicken wir zurück, sehen wir schaffen wir es auch, wichtige Veränderun- meist nur Fortschritt, Stabilität und Wohl- gen für gemeinsame Zukünfte auf Spur zu In den Anfängen des Internet stand stand. Wagen wir aber den Blick in die Zu- bringen. der Zukunftstraum eines weltweiten kunft, verspüren wir Unsicherheit, Unge- freien Meinungsaustausches im Vor- wissheit und Angst. Wenn ich heute etwas Zukunftsresilienz dergrund. Unterdessen haben sich genauer auf unsere Welt blicke, dann er- Zukunft neu denken bedeutet gleichsam, aber manche Varianten der soge- kenne ich zwei große »Sichtbarkeiten«. sich auf eine Welt voller Komplexität, Dy- nannten sozialen Medien zu einem Erstens, dass wir uns allesamt von dem namik und Unsicherheit einzulassen. Das antisozialen Albtraum entwickelt. Ab Glauben »das kann nie passieren« ver- bedeutet aber, dass wir uns eine Art »auf- sofort hat die rechtliche Regulierung abschieden sollten, weil dieser Satz ge- merksame Anpassung« aneignen sollten, dieser menschenverachtenden Fehl- rade eine völlig neue Dimension erlangt. wenn wir als Menschheit weiterhin erfolg- entwicklung höchste Priorität. Und zweitens, dass unser gegenwärtiges reich sein wollen. Diese Art von Anpas- Menschenbild gerade beginnt, sich auf- sungsfähigkeit werden wir brauchen, um Wenn Kritiker der sozialen Markt- zulösen. Die Frage, ob wir an unseren al- mit der Veränderungsdynamik dieser Welt wirtschaft, des Sozialstaats und der ten Glaubenssätzen und Regeln festhal- Kurs halten zu können. Sozialpartnerschaft im Jahr 2023 auf ten können, ist längst keine mehr. Wir alle das Gefahrenpotenzial des seit 2020 stehen vor einer Zeitenwende, in der der Zukunftsangst anhaltenden Krisenmodus zurückbli- Blick aufs Morgen eine gemeinsame und So sehr uns der »Krisenmodus« in Beschlag cken, können sie die risikoreduzieren- übergeordnete Perspektive erfordert. nimmt, so sinnvoll ist er. Denn Krisen ma- de Wirksamkeit dieser zukunftssi- chen meist Eingefahrenes und Statisches chernden Systeme nicht bestreiten. Zukunftsempathie sichtbar. Vielleicht zeigt uns das Gegen- Dies gilt auch für ein sozial organi- Wenn diese Welt eine Bessere werden soll, wärtige ja, dass wir mit dem Zukünftigen zu siertes Gesundheitssystem, das in der dürfen wir ihr nicht durch kleinteiliges Ge- nachlässig waren und vielleicht zu früh mit Hochphase der Pandemie eine sehr dankengut begegnen, sondern sie als einen dem Denken aufgehört haben. Vielleicht harte Bewährungsprobe bestanden Gesamtorganismus verstehen lernen. Al- waren wir uns der Zukunft nur zu sicher. hat. lein die Tatsache, dass heute jeder von uns Aber nur weil wir momentan noch nicht durch seine eigenen Entscheidungen Ein- alle passenden Lösungen parat haben, In den Krisenjahren 2020 bis 2022 fluss auf das globale Ganze nimmt, spie- sollten wir uns doch nicht gleich ins Hemd sehnte sich eine wachsende Zahl von gelt sich in unserem Verantwortungsbe- machen. Immer wenn unsere alte Welt im Menschen nach weniger politischen wusstsein wider. Wenn aber die Einfluss- Sterben lag und eine neue Welt nicht sicht- Kontroversen und mehr Durchgriffs- nahme weit über unsere eigenen Grenzen bar war, war das nach Antonio Gramsci »die recht für autokratische Führer. Spä- hinausgeht, sollte sich auch unser Denken Zeit der Monster und Dämonen«. Wir alle testens 2023 sollte jedoch rückbli- darauf ausrichten. Notwendige Korrekturen erleben gerade eine solche Demontage ckend klar werden, dass demokrati- schaffen wir nicht, indem wir nur persönli- unserer Zukunft. Aber unsere Welt ist nicht sche Systeme bei der Bewältigung che Befindlichkeiten in den Fokus stellen, tot, sie erfindet sich gerade neu. Bewegen der multiplen Krisen signifikant er- sondern es zulassen, über mögliche Irrtü- wir uns raus aus diesen Angstgeschichten folgreicher waren als totalitäre Syste- mer und Veränderungen ganzheitlich nach- und tauchen ein in einen kollaborativen me. Auch zukünftig wird die bunte de- zudenken. Nur wenn es uns gelingt, dass und kooperativen Zukunftsoptimismus und mokratische Vielfalt der autoritären Foto: beigestellt Zukunftsarbeit von möglichst vielen ver- beginnen wieder, neue Geschichten für das Einfalt überlegen sein. standen und mitgetragen werden kann, Morgen zu schreiben. 20 01 - 2023 www.report.at
Andreas Reiter ist Grün- der des ZTB Zukunfts- büros und Referent und Keynote-Speaker bei internationalen Kon- Text | Andreas Reiter gressen und Tagungen sowie Lehrbeauftragter für TrendManagement an der Donau-Universität Krems und am MCI in Innsbruck. www.ztb-zukunft.com Resilienz im Doppelpack: smart und regenerativ Die multiplen Krisen der letzten Jahre und Kollaboration verlangt. Die Flüssig- design, Materialfluss und Geschäftsmo- haben uns drastisch gezeigt, dass nichts keit des Ökosystems wird noch beschleu- delle verändern sich. Wachstum und Res- mehr planbar ist – kein Wunder, dass sich nigt durch die aufkommende Kreislauf- sourcenverbrauch werden entkoppelt, z. B. das Denken in Szenarien (also in mögli- wirtschaft, die ja ein zentraler Pfeiler der durch Sharing-Modelle, Product-as-a-Ser- chen Zukünften) inzwischen in vielen Un- europäischen Klimapolitik ist und unser vice usw. Der Flughafen von Amsterdam ternehmen als Tool der Zukunftsgestal- tung etabliert hat. Zugleich haben die Kri- sen uns vor allem die Wichtigkeit der ei- genen (und kollektiven) Resilienz vorge- Nichts ist mehr planbar. Deshalb ist führt. Was aber macht eine Organisation re- Das Denken in Szenarien ein wichtiges silient, krisenfest? Neben der strategi- Tool der Zukunftsgestaltung. schen Vorausschau (auch mittels Einsatz von Künstlicher Intelligenz), neben der Pflege von kultureller Diversität sowie dem Aufbau von Redundanzen (Doppel- Wirtschaften in den nächsten Jahren dra- z. B. hat sein gesamtes Lichtsystem auf 15 strukturen, etwa bei Lieferketten) zeich- matisch verändern wird. Noch ist da viel Jahre hin gemietet (Light-as-a-Service), die nen sich zukunftsfitte Organisationen Luft nach oben – in Europa werden der- dabei installierten LED-Lampen haben ei- durch eine starke Vision aus, durch ein zeit erst rund zwölf Prozent der Materia- nen enorm verlängerten Lebenszyklus und kraftvolles Zukunftsbild. Und: resiliente lien am gesamten Materialeinsatz zirkulär gehen nach Ablauf wieder in den Kreislauf Unternehmen denken systemisch. Sie ver- verwendet. zurück. Rethink – Reuse – Recycle … Aus stehen sich als mitgestaltender Teil eines Produkten von heute erwachsen die Roh- Ökosystems, in dem jeder mit jedem in ei- Alles im Kreislauf stoffe von morgen. ner Wechselbeziehung steht. Zirkuläres Wirtschaften ist nicht nur Pfei- Die geopolitische Verwerfungen tra- ler der EU-Wachstumsstrategie, sondern gen das Ihre zum Erstarken der Kreislauf- Aufgebrochene Silos auch unverzichtbar für die Erreichung der wirtschaft und dezentraler Systeme bei. Vernetzte Systeme bringen eine andere – Klimaneutralität in den nächsten Jahren. Die Energiekrise, die Brüchigkeit der inter- partizipative – Erfolgslogik hervor. Müssen Eine radikale Transformation gewiss – sie nationalen Lieferketten in der Pandemie sie auch. Denn in der digitalen Moderne gelingt nur durch die Kombination von Di- haben uns drastisch vor Augen geführt, weichen jegliche Grenzen auf, Silos wer- gitalisierung und Dekarbonisierung. dass wir Produkte in kritischen Geschäfts- den aufgebrochen, Branchen konvergie- Die smarte Kreislaufwirtschaft bringt feldern wieder innerhalb der EU-Grenzen ren, Intermediäre fallen weg. Co-Kreativi- völlig neue Spielregeln für Akteure entlang herstellen und verstärkt regionale Kreis- tät und Open Innovation werden damit zu der Supply Chain mit sich. Aus Wertschöp- läufe bespielen müssen. So schließen sich Foto: Oliver Wolf zentralen Erfolgsfaktoren für Unterneh- fungsketten werden Wertschöpfungsnetze, die Kreise, Resilienz gibt’s nur im Doppel- men. Von Unternehmen werden Agilität aus Produkten werden Prozesse. Produkt- pack: smart und regenerativ. www.report.at 01 - 2023 21
Zukunft Zukunftsforschung ist weder Hellsehen noch Wunschkonzert Peter Zellmann ist seit Strecke. Werden die Qualitätsmedien wie- 1987 Leiter des Wiener der auf Aufklärung, Eigenverantwortung Instituts für Freizeit- und und Selbstbestimmung ihrer Konsu- Tourismusforschung (IFT). ment*innen setzen? Werden sie in Wort, Im Rahmen dieser Tä- Bild und Ton wieder verstärkt für die Frei- tigkeit widmet sich Peter heit des Individuums eintreten? Zellmann vor allem der Gesundheit: Gesundheit ist den Men- empirischen Sozial- und schen naheliegenderweise das Wichtigste Zukunftsforschung in den im Leben. Das Gesundheitssystem mehr Bereichen Lebensstile, oder weniger aller europäischen Länder Arbeit und Freizeit. Au- wurde zunehmend kommerzialisiert, die ßerdem ist er als Wirt- soziale Komponente finanziell ausge- Text | Peter Zellmann schafts- und Politikberater dünnt. Ärzte, Pflegepersonal und Patienten tätig. Im Rahmen seiner blieben dabei auf der Strecke. Die Pande- Forschungsarbeit hat Peter mie kam dabei gerade recht, um einen Zellmann zahlreiche Vor- Schuldigen zu benennen und die wahren träge gehalten und Publi- Gründe zu verschleiern. Wird es bald wie- der eine Gesundheitspolitik geben, die kationen veröffentlicht. dem Namen Sozialpolitik gerecht wird? www.zellmann.net Migration: Migration blieb auch im ver- gangenen Jahr das parteipolitische Thema Nummer 1. Faule Kompromisse um Auf- Zunächst gilt es, ein offensichtlich hart- ner dienen könnte bzw. sollte. Verwendet nahmequoten, Verschärfungen der Asylge- näckig bestehendes Missverständnis auf- man diesen Blickwinkel für die mittelfris- setze und Grenzkontrollen beherrschen zuklären. Wissenschaftlich fundierte Zu- tige Entwicklung der Gesellschaft in Euro- weiterhin den Diskurs. Konsens im Bezug kunftsforschung kann nicht voraussagen, pa, dann überwiegen aktuell die düsteren auf Menschlichkeit für alle Beteiligten, was in Zukunft sein wird. Sie analysiert Aussichten bei weitem: Konsens über Ländergrenzen hinweg und gesellschaftliche Entwicklungen der Ver- schlichte Vernunft sind nicht in Sicht. Wer- gangenheit und der Gegenwart. Die Pro- Politik: Die Demokratie steht auf dem den anstehende Wahlen nur mehr über jektionen in die Zukunft ergeben dann als Prüfstand. Totalitäre Tendenzen sind auch dieses Thema gewonnen oder verloren? Forschungsergebnisse nicht Prophezeiun- innerhalb der demokratischen Strukturen Sind jene Themen darüber hinaus, welche gen, sondern Gestaltungsspielräume, Ent- unübersehbar. Auch wenn die Demokratie die Menschen im Alltag beschäftigen, nicht scheidungsgrundlagen für Politik und Wirt- zweifellos die beste aller Staatsformen ist, wichtiger? schaft, Vorschläge für Weichenstellungen. zeigt sie Abnutzungserscheinungen. Wird Die da wären: Krieg in Europa, Ener- Selten werden diese von den »Gesetzge- es gelingen, die von einer klaren Bevölke- giepreise, Inflation, leistbarer Wohnraum, bern« auch nur annähernd übernommen. rungsmehrheit eingeforderte direkte De- Ganztagsschulen, Veränderungen auf dem Da spielen Parteiprogramme, Ideologien, mokratie, Transparenz und Korruptionsbe- Arbeitsmarkt usw. Wären diese Themen aber auch Macht- und Geldfragen eine sehr kämpfung umzusetzen? Wird die Ge- nicht vorrangig zu lösen? Die Mehrheit der große, für viele von uns eine zu große, Rol- waltenteilung endlich wieder ernst ge- Bevölkerung will dafür konkrete Konzepte le. Solche parteitaktischen Überlegungen nommen? Wird das freie Mandat der Abge- sehen. Wird ihr Wunsch erfüllt werden? sind ebenso wenig voraussehbar wie Pan- ordneten endlich den Klub- bzw. Fraktions- Es schaut nicht danach aus. Meine demien, Terroranschläge, Kriege und Natur- zwang ablösen? ganz persönliche, unwissenschaftliche katastrophen. Alles Leben bleibt letztlich Prognose: Die Regierungen werden wei- unkalkulierbar und entsprechend einem Medien: Die vierte Gewalt im Staat hat ter wurschteln. Verändern wird sich wenig. Gemeinplatz daher lebensgefährlich. Was sich von ihrer so wichtigen Kontrollfunkti- Im Großen und Ganzen gehen wir immer die Zukunftsforschung leisten kann, ist auf on weitgehend verabschiedet. Im Lichte unruhigeren Zeiten entgegen. Eine Gegen- Chancen und Gefahren hinzuweisen, die mancher Katastrophenszenarien hat sie maßnahme für den Einzelmenschen? We- sich aus der empirischen Sozialforschung, sich, scheinbar nach einem abgestimmten niger den »alles wird gut« Vertretern zu aber auch aus dem Querschnitt vieler Lehrplan, für Volkserziehung entschieden. glauben. Wie gut oder schlecht es uns im Fachwissenschaften ergeben. Sie ist eine Meistens im Sinne aktueller Regierungs- Jahr 2023 gehen wird, liegt, wenn auch Foto: beigestellt Querschnittwissenschaft, die als Grundlage vorhaben. Checks and Balances blieben, al- nicht ausschließlich, aber weitgehend in für Entscheidungen vieler Meinungsbild- len Beteuerungen zum Trotz, oft auf der unseren eigenen Händen. 22 01 - 2023 www.report.at
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