Wirtschafts spiegel 5-6|2021 - IHK Nord Westfalen
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wirtschafts 5-6|2021 spiegel Informationen der IHK Nord Westfalen K E H R R L TU ÄTS S UN DV E M OB I L N S CH I E N A DEN VERPAS S NICH T Digital Summit Euregio IHK-Bildungsprojekt ZertEx Interview mit WJ-Vorsitzenden Skills für die Zukunft 40 Leuchttürme bauen 58 19. Mai 2021 54
AUSRUFEZEICHEN „It’s the industry, stupid“ Deutschland braucht wirtschaftliche Stärke, um die Coronakrise zu bewältigen. Gut, dass die Formkurve der Industrie steil nach oben zeigt. Da war doch was? Als Deutschland vor gut meldet einen sprunghaften Anstieg der Pro- zehn Jahren wie Phönix aus der Asche der duktionserwartungen in der Industrie und des Finanzkrise stieg, rätselte mehr als die halbe dazugehörigen Indikators auf 30,4 Punkte, Welt, wie der zuvor „Kranke Mann Europas“ den höchsten Wert seit 1991! Der Bundesver- so plötzlich zur quietschfidelen band der Deutschen Industrie (BDI) prognos- Wachstumsmaschine mutieren tizierte zur Eröffnung der Messe fast zeit- konnte. gleich ein kräftiges Wachstumsplus von acht Die Antwort war schnell gefun- Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch stärker den: „It’s the industry, stupid“, werden danach die Exporte wachsen, hier er- möchte man sagen in Abwand- wartet der BDI jetzt 8,5 Prozent. lung eines Wahlkampfslogans Nord-Westfalen und die Menschen, die hier des früheren US-Präsidenten Bill arbeiten und leben, werden von dieser Ent- Clinton zur Bedeutung der Wirt- wicklung profitieren. Auch langfristig - denn schaft für die Gesellschaft insge- es wird die Industrie sein, die mit Innovatio- samt. Die deutsche Industrie war nen die nachhaltigen Produkte liefert, die für sofort lieferfähig, als die Welt- die anstehenden Herausforderungen in den konjunktur nach der Finanzkrise Bereichen Klimaschutz, Energiewende, Cir- wieder ansprang (auch dank der cular Economy und Digitalisierung gebraucht Kurzarbeiterregelung). Und sie werden. Der Green Deal ist vor allem ein In- Lars Baumgürtel war wettbewerbsfähig und hat- dustrie-Deal. Foto: IHK te die Produkte, die weltweit ge- Unser IHK-Bezirk ist eine erfolgreiche In- fragt waren, in der gewünschten Qualität zum dustrie- und Exportregion und soll es auch passenden Preis. bleiben. Dafür setzt sich die IHK Nord West- Ob sich Geschichte wiederholt, bleibt um- falen weiterhin ein. stritten. Aber wie vor rund zehn Jahren ent- puppt sich auch jetzt in der Coronakrise die Industrie als klarer Wettbewerbsvorteil für Deutschland insgesamt und Industrieregionen wie Nord-Westfalen ganz besonders. Passend zur (digitalen) Hannover-Messe, der wichtigsten und größten Industrieleis- Lars Baumgürtel tungsschau der Welt, zeigt sich das verarbei- IHK-Vizepräsident und Vorsitzender tende Gewerbe in Topform. Das ifo-Institut im IHK-Industrieausschuss
INHALT 54 Der Digital Summit 58 Interview mit Euregio setzt Impulse den WJ-Vorsitzenden Titelthema Themen 14 Den Anschluss nicht verpassen 18 Zug um Zug in die Verkehrswende 36 Höhere Leistung mit Ein Salto rückwärts in der Verkehrs- Die S-Bahn Münsterland ist ein hoch- weniger Energie wende ist keine Option, findet komplexes Projekt, das insbesondere eitrag der Wirtschaft zum B IHK-Verkehrsexperte Joachim Brendel den Berufsverkehr entlasten soll Klimaschutz 16 Mobilität im Einklang mit dem 20 Kreuzung aus Bus und Taxi 38 Prüfungen in der Coronazeit Klimaschutz Mit LOOP wird versucht, den ÖPNV Interview über die Die Position der IHK-Vollversammlung attraktiver zu gestalten - zunächst Herausforderungen im zu Verkehr und Mobilität nur in einem Stadtteil pandemischen Prüfungsalltag 22 Nachhaltig vorfahren 40 „Sensibilisieren für Wie in Münster City-Logistik mit digitale Prozesse“ Lastenrädern funktioniert Was Personalverantwortliche vom IHK-Projekt ZertEx erwarten 25 Gas geben mit Alternativen Die Brennstoffzelle für Pkw und Busse 54 IT-Gipfeltreffen Impulse für deutsche und niederländische Unternehmen 4 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
INHALT 38 8000 IHK-Prüfungen 40 ZertEx: Sensibilisieren unter erschwerten Bedingungen für Digitalisierung Rubriken VerlagsSpezial 56 Digitalisieren statt verlieren 3 AusrufeZeichen 62 Bauen, Erhalten, Klare Ansagen beim Energieversorgung 2. IHK-Kommunikationsgipfel 6 TerminBörse 72 Maschinenbau und Technik 58 Leuchttürme für die 8 BlickFang junge Wirtschaft bauen 10 Nord-Westfalen Interview mit den neuen Vorsitzenden der Wirtschaftsjunioren 27 KonsumGut Nord Westfalen Den Wirtschaftsspiegel gibt es 28 IHK-Service auch als E-Paper 32 Aus- und Weiterbildung www.ihk-nw.de/wirtschaftsspiegel 34 Recht 44 BetriebsWirtschaft IHK-Telefonnummern 60 Menschen 0251 707-0 (Münster) 0209 388-0 (Gelsenkirchen) 80 LebensWert 02871 9903-0 (Bocholt) 81 Spezialisten 82 SchlussPunkt Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021 5
TERMINBÖRSE IHK-Sprechtage Beratung zur CE-Kennzeichnung Produkte rechtskonform ausweisen Steuern Mit Sprechtagen zur CE-Kennzeichnung er- päischen Wirtschaftsraum. Sie signalisiert, Grundwissen und Tipps vom Steuerberater für Existenzgründer gänzt die IHK Nord Westfalen ihr Angebot dass ein Produkt geprüft wurde und alle für Unternehmen. Die nächsten Beratun- EU-weit gültigen Anforderungen an Sicher- 10. Mai, online gen finden online statt. In etwa 30-minüti- heit, Gesundheits- und Umweltschutz erfüllt. www.ihk-nw.de, Nr. 156144623 gen Einzelgesprächen beantwortet Ludger Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung Bruns, Leiter des Bereichs Service Consul- aber erforderlich bei Kilian Leufker, Tel. 0251 Erfinder ting der gds GmbH, Fragen zu Funktion, 707-230, oder im Internet. Tipps vom Patentanwalt über Bedeutung und rechtskonformer Anwen- gewerbliche Schutzrechte dung der CE-Kennzeichnung. Die CE-Kenn- » 10. Mai, 7. Juni, 12. Juli, 10 bis 13 Uhr 20. Mai zeichnung gewährleistet den freien Verkehr online gfw im Kreis Warendorf mbH von Waren und Dienstleistungen im euro- www.ihk-nw.de, Nr. 156141263 Vorhelmer Straße 81, Beckum 20. Mai Gründer- und Innovationspark IHK-Verkehrsforum Ruhr Steinfurt (GRIPS III), Steinfurt 20. Mai Minister Wüst IHK in Bocholt im Dialog 17. Juni wfc Wirtschaftsförderung Kreis Als Drehscheibe für Logistik Coesfeld GmbH, Dülmen kommt dem Ruhrgebiet eine gro- 17. Juni ße Bedeutung für die deutsche EWG Rheine mbH, Rheine Wirtschaft zu. Über die daraus entstehenden Anforderungen an www.ihk-nw.de, Nr. 156132381 Verkehr und Mobilität diskutiert NRW-Verkehrsminister Hend- Nachfolge rik Wüst beim Verkehrsforum Beratung zu Rechtsfragen der Ruhr-IHKs mit Vertretern aus 27. Mai Wirtschaft und Landespolitik. Vor IHK in Bocholt dem Hintergrund der Bundestags- www.ihk-nw.de, Nr. 156120521 wahl im Herbst gibt es außerdem Beratung zu Konflikten beim eine Gesprächsrunde mit den ver- Generationswechsel kehrspolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen. 10. Juni IHK in Münster » 28. Juni, 16 Uhr, online Rhein-Herne-Kanal: Wichtige Wasserstraße für die Logi- www.ihk-nw.de/ www.ihk-nw.de, Nr. 156120518 sitikdrehscheibe Ruhrgebiet. Foto: Stephan/Adobestock verkehrsforum Finanzierung Expertenrat zur Unternehmens- Workshop für Gründerinnen finanzierung und Informationen über Förderprogramme Erfolgreich verkaufen lernen 19. Mai, 23. Juni, online In einem Workshop zeigt Gabriele Reineke ratungsgespräche. Die Veranstaltung ist in www.ihk-nw.de, Nr. 156127179 von der Marketing-Agentur Reineke in Essen, Präsenz geplant, kann jedoch verkürzt auch wie Gründerinnen ihre Produkte und Dienst- digital stattfinden. Die Teilnahme ist kosten- @Alle Veranstaltungen der IHK Nord Westfalen: leistungen erfolgreich an den Markt bringen. Die Veranstaltung der Kampagne „Mutig. los, eine Anmeldung ist erforderlich. www.ihk-nw.de/termine » 16. Juni, 9.30 bis 16.30 Uhr Clever.Gründerin!“ vermittelt unter anderem IHK Nord Westfalen, Gelsenkirchen Methoden für erfolgreiche Verkaufs- und Be- www.ihk-nw.de, Nr. 156146840 6 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
TERMINBÖRSE Selbstständigkeit Nebenberuflich durchstarten In einem Workshop des STARTERCENTER NRW im Kreis Recklinghausen lernen die Teilnehmenden, wie sie ihre nebenberuf- Die Zeche Herten: Ein beliebter Touristen-Hotspot im Ruhrgebiet und Ziel für viele Radfah- liche Selbstständigkeit richtig organisie- rerinnen und Radfahrer. Bild: Jochen Tack/Ruhr Tourismus ren. Juristin und Unternehmensberaterin Constanze Brinkmann von der Coaching- Agentur ZETTELRAUM vermittelt Know- IHK-Forum: Neue Wege how zu Zeitmanagement, technischer Ausstattung und Homeoffice. Die Teil- für den Ruhr-Tourismus nahme ist kostenfrei, eine Anmeldung erforderlich. » 18./19. Mai, 16.30 bis 18.30 Uhr, online Wie die Tourismus-Branche nach der Corona-Pandemie wieder www.ihk-nw.de, Nr.156145554 Fuß fassen kann, diskutieren Politikvertreter und Unternehmen Unternehmensnachfolge beim zweiten digitalen IHK-Tourismusforum Ruhr am 2. Juni. Nach Fahrplan Das Tourismusforum ist eine Gemeinschafts- Beispiele und erläutert digitale Geschäftsmo- Die Nachfolgeexperten Britta Schulz von veranstaltung der Ruhr-IHKs. In Impulsvor- delle. Die Podiumsdiskussionen moderiert die der Handwerkskammer Münster und Mi- trägen und Podiumsdiskussionen geht es um Journalistin Jeanette Kuhn. Zu Wort kom- chael Meese von der IHK Nord Westfa- Strategien und neue Wege für die Tourismus- men dabei unter anderem Axel Biermann, len geben Tipps für den Nachfolgeplan wirtschaft. Unter anderem diskutiert NRW- Geschäftsführer der Ruhr Tourismus GmbH im Unternehmen. Sie informieren pra- Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pink- (Oberhausen) und Markus Riepe, Geschäfts- xisnah über die wichtigsten Eckpunkte wart mit Vertretern von Unternehmen und führer der Hotel Drees GmbH & Co. KG (Dort- und eventuelle Fallstricke einer Unter- Verbänden über die Chancen der Digitalisie- mund). Externe Teilnehmer haben während nehmensübernahme. Die Veranstaltung rung für die für das Ruhrgebiet so wichtige der Veranstaltung die Möglichkeit, im Chat ist Teil der Initiative #Youngstarts Müns- Tourismusbranche. Fragen zu stellen. terland. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Florian Bauhuber, Geschäftsführer der Anmeldung ist erforderlich. Agentur Tourismuszukunft aus Holzkirchen, » 2. Juni, 16 Uhr, online » 29. Juni, 17 bis 18.30 Uhr zeigt in einem Impulsvortrag Best-Practice- www.ihk-nw.de/tourismusforum www.ihk-nw.de/nachfolge DR. VON DER HARDT & PARTNER mbB Wirtschaftsprüfer · Steuerberater · Rechtsanwälte Ihr Ansprechpartner für die: ● Prüfung von Jahres- und ● Unterstützung bei steuerlichen Konzernabschlüssen Corona-Maßnahmen ● Begleitung bei der Umsetzung des Mehrwertsteuer-Digitalpakets Nevinghoff 30 · D-48147 Münster · www.vonderhardt.com Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021 7
BLICKFANG Luft-Hoheit In der hohen Kunst, Luft abzusaugen, zu filtern und zu reinigen ist die Industrie im IHK-Bezirk Nord Westfalen führend. Laut offizieller Statistik von IT.NRW wurden im vergangenen Jahr landesweit 161 000 Apparate zum Filtrieren oder Reinigen von Luft hergestellt. Sie hatten einen Wert von 186,3 Millionen Euro. Über ein Drittel (36,8 Prozent) dieses Produktionswertes wurde von Betrieben im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Re- gion erzielt. Die Kompetenz, Luft bis zur Viren- und Keimfreiheit zu säubern, ist in Corona-Zeiten besonders gefragt. Im vierten Quartal stieg die Produktionsmenge um 52,7 Prozent gegen- über dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. 8 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
NORD-WESTFALEN Homecoming-Kampagne Zahl der Erwerbsfähigen Fachkräfte zurück in die Heimat locken schrumpft bis 2040 rasant Im April hat Münsterland e.V. die Kam- Nord-Westfalen verliert bis zum Jahr 2040 rund 90 000 Einwoh- pagne Homecoming@Münsterland ge- ner – und noch deutlich mehr Menschen im Erwerbsalter. startet. Ziel ist, gut ausgebildete Fach- kräfte mit münsterländischen Wurzeln Nach neuen Berechnungen des Bundesamts Personen im Erwerbsalter - die Altersgrup- zurück in die Heimat zu locken. Die Kam- für Bauwesen und Raumordnung (BBSR, pe der 20- bis 65-Jährigen - schrumpft von pagne läuft bis Ende Dezember. März 2021) sinkt die Bevölkerungszahl von 2017 bis 2040 besonders stark, nämlich um » www.muensterland.com/homecoming 2,6 Millionen Einwohnern im Jahr 2017 auf 19 Prozent in der Emscher-Lippe-Region und 2,5 Millionen in 2040. Besonders stark be- um 14 Prozent im Münsterland. Insgesamt troffen ist die Emscher-Lippe-Region mit verliert Nord-Westfalen fast 247 000 potenzi- CO2-Kompass Metropole Ruhr einem Verlust von 84 000 Einwohnern. Das elle Erwerbstätige. Gleichzeitig steigt die Zahl Minus im Münsterland beläuft sich auf gut der über 65-Jährigen deutlich an – von über Mit Wasserstoff zur 5000. Unter den kreisfreien Städten und Krei- 530 000 auf fast 695 000. Diese Verschiebun- Klimaneutralität sen wächst allein die Stadt Münster. gen bilden sich in den Münsterlandkreisen Die Veränderungen in der Bevölkerungs- Coesfeld, Borken und Steinfurt überdurch- Wasserstoff-Technologien können den struktur haben dabei gravierende Auswir- schnittlich stark heraus. Weg zur Klimaneutralität ebnen. Zu kungen für den Arbeitsmarkt: Die Zahl von » www.ihk-nw.de, Nr. 3600048 diesem Schluss kommt der CO2-Kom- pass Metropole Ruhr, eine aktuelle Stu- Bevölkerungs die des Instituts der deutschen Wirtschaft entwicklung in Köln, die der Regionalverband Ruhr in 80 im Kreis Auftrag gegeben hat. Danach können in der Region jährlich bis zu 25,5 Millionen Steinfurt: Tonnen CO2 außerhalb der Energiewirt- Bis 2040 schrumpft 60 schaft eingespart werden, wenn konse- die Alters- quent in Wasserstoff investiert wird. gruppe » metropole.ruhr/transformation/co2- der 20- bis 65- 40 reduktion/studie Jährigen um 14,1 Prozent von 266 600 2040 20 auf 228 900 Deutschlandstipendium Personen. FH und Uni von 2017 0 Beginn an dabei 20.000 15.000 10.000 5.000 0 5.000 10.000 15.000 20.000 Mit 300 Euro monatlich unterstützen die Männlich Weiblich Deutschlandstipendien Studierende. 50 Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt -und Raumforschung Prozent des Geldes stiften Unternehmen oder Privatpersonen, die andere Hälf- te steuert der Bund bei. Das Programm Aus Modehaus Mensing wird „das macht SiNN“ wird in diesem Jahr zehn Jahre alt. Von Beginn an dabei sind die Fachhochschule 400 Arbeitsplätze gerettet (FH) und die Uni Münster. Rund elf Mil- Die Hagener Modehauskette „das macht SiNN“ (ehemals SinnLeffers) übernimmt die Unterneh- lionen Euro haben die Hochschulen dafür mensgruppe Mensing mit Stammsitz in Bottrop. Mensing hatte im vergangenen Jahr Insolvenz bisher eingeworben, mit denen über 3200 anmelden müssen. Seit April dieses Jahres laufen die sieben Filialen, darunter auch in Bottrop, Studierende gefördert wurden. Dorsten und Rheine, unter dem neuen Namen. Die neue Eigentümerin konnte die meisten der » www.deutschlandstipendium.de rund 400 Arbeitsplätze erhalten. 10 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
NORD-WESTFALEN Einzelhandel Unternehmen wollen klagen Unter der Federführung der Initiative „Händler helfen Händlern“ will eine Gruppe von Handelsunternehmen mit ei- ner Sammelklage vor dem Bundesverfas- sungsgericht gegen die staatlich angeord- nete Schließung ihrer Betriebe vorgehen. Zu den Unternehmen gehören auch Rose Elfriede Sauerwein-Braksiek erläutert IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel und IHK- Präsident Dr. Benedikt Hüffer die Einschränkungen durch die Sperrung der A 43 (v.r.). Bikes (Bocholt) und Ernsting's Family Foto: Krüdewagen/IHK (Coesfeld). Die Initiative sieht durch das Infektionsschutzgesetz „eine Ungleich- A-43-Sperrung behandlung im Wettbewerb zementiert“, heißt es in einer Pressemeldung vom 20. Unternehmen müssen erreichbar bleiben April. Einzelne Handelskategorien dürf- Die Sperrung der A 43 zwischen den Auto- weichrouten über städtische Straßen müss- ten unabhängig von den Inzidenzen ihre bahnkreuzen Recklinghausen und Herne be- ten so geplant werden, dass die Verkehre dort Geschäfte geöffnet halten, während an- trifft die Wirtschaft massiv. Aus IHK-Sicht weitgehend störungsfrei fließen können, so dere, „in Augen der Politik nicht system- ist nicht nur wichtig, die großräumige Um- die IHK-Spitze. Sauerwein-Braksiek erklärte, relevante Geschäfte“ schließen müssten, leitung der Transitverkehre sicherzustellen. dass die Autobahn Westfalen die Situation so sagte Alexander v. Preen, CEO der IN- Es komme vor allem darauf an, die Erreich- schnell als möglich lösen möchte: „Wir haben TERSPORT Deutschland eG. „Wir sind barkeit der Betriebe im Umfeld der Sperrung ein umfangreiches Umleitungskonzept aus- nicht gegen einheitliche Regelungen“, zu gewährleisten, betonten IHK-Präsident Dr. gearbeitet, prüfen aber auch die Möglichkei- sagt Marcus Diekmann, Initiator der In- Benedikt Hüffer und IHK-Hauptgeschäftsfüh- ten des Einsatzes einer Behelfsbrücke, damit itiative und CEO von Rose Bikes: „Aber rer Dr. Fritz Jaeckel im Gespräch mit der Di- Lkw bald wieder die A 43 in diesem Bereich wir sind für einen einheitlichen Rahmen, rektorin der Autobahn GmbH (Niederlassung befahren können, und überlegen, wie wir den der alle Protagonisten zu gleichen Teilen Westfalen), Elfriede Sauerwein-Braksiek, am ohnehin anstehenden Neubau der geschädig- in die Verantwortung nimmt.“ Tag nach Einrichtung der Sperrung. Aus- ten Emschertalbrücke vorziehen können.“ » www.haendler-helfen-haendlern.com E N P R O D U K T IO N O H N UN G ! S W S R O A B Ü D HALLE N WIR B A U E N ROH B A U , F E RT IG B A U & PROJEK TIERUNG T. 02501.27 900 | info@nabbe.de Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021 11
NORD-WESTFALEN Regionalplan Ruhr Industrie-Initiative: 1300 Hektar für Gewerbe Chefs treffen Studierende Der „Sachliche Teilplan Regionale Ko- Mit der Reihe „Meet the Boss“ bringen sich nord-westfälische operationsstandorte“ im Regionalplan Industrieunternehmen bei künftigen Hochschulabsolventen ins Ruhr sieht die Ausweisung von 24 Wirt- schaftsstandorten im Ruhrgebiet mit einer Gespräch. Fläche von 1300 Hektar für überregional bedeutsame Ansiedlungen vor. Sechs da- Dass die Industrie im Münsterland ein attrak- rotec Flächenheizung (Ahlen), Heinrich Jür- von liegen in der Emscher-Lippe-Region. tiver Arbeitgeber für die Absolventen der re- gens, Jüke Systemtechnik (Altenberge) und Auf Anregung von IHKs und Handwerks- gionalen Hochschulen ist, davon überzeugten Ralph Weidling von der WEICON (Münster). kammern zog der Regionalverband Ruhr sich Ende März 28 Studierende der Fach- „Meet the Boss“ ist in der Industrie-Strategie (RVR) die Aufstellung des Teilplans zeit- hochschule Münster im Gespräch mit den Ge- der IHK Nord Westfalen ein wichtiger Baustein, lich vor. Zudem wurden wesentliche An- schäftsführern von sechs Unternehmen. um dem Fachkräftemangel in der regionalen regungen der Wirtschaft aufgenommen. Als „Bosse, die sich nachdrücklich interes- Industrie entgegenzuwirken. Die IHK führt die Der Aufstellungsbeschluss durch die siert“ am Fachkräftenachwuchs zeigten, wa- Veranstaltungen der Initiative „In|du|strie – Ge- RVR-Verbandsversammlung soll am 25. ren beteiligt: Stefan Garmann von der ARM- meinsam. Zukunft. Leben.“ gemeinsam mit der Juni gefasst werden. Damit werden die ACELL Group/Ultima Holding (Münster), FH Münster und der Westfälischen Hochschule Voraussetzungen für die Kommunen ge- Marnix Lannoije von der Cargobull Telema- durch. Studierende der FH Münster haben am schaffen, Flächen für große Betriebsan- tics (Münster), Luigi Di Matteo, DI MATTEO 20. Mai die nächste Gelegenheit, Bosse zu tref- siedlungen und -verlagerungen bedarfs- Förderanlagen (Beckum), Thomas Heuser, he- fen. » w ww.ihk-nw.de/meet-the-boss gerecht zur Verfügung zu stellen. gds, Sassenberg Im TechNet Oost IHK-Industrie- referent Dr. Julian Allendorf Die gds GmbH (Sassenberg) wird als ers- organisiert für die tes deutsches Unternehmen Teil des nie- Industrie-Initiative derländischen Netzwerks TechNet Oost. die Reihe „Meet the Ziel des Expertenclusters ist die Unter- Boss“: WEICON-Ge- schäftsführer Ralph stützung von Erstausrüstern entlang Weidling (auf dem der gesamten Wertschöpfungskette. gds Laptop-Bildschirm) bringt ihre Kompetenzen in den Berei- war einer der sechs chen Technische Dokumentation, Risiko- „Bosse“, die online im Gespräch mit beurteilung und CE-Kennzeichnung in Studierenden der das Netzwerk ein. FH Münster waren. » www.gds.eu Foto: Pforr/IHK IHK-Industrieausschuss zu Smart Field Labs Niederländisches Modell mit Vorbildcharakter Der IHK-Industrieausschuss strebt eine enge sagte Lars Baumgürtel im Anschluss an die Niederlande, hatte sie zuvor als Umgebungen Zusammenarbeit mit den Smart Field Labs jüngste Sitzung. Für Baumgürtel, der Aus- beschrieben, „wo intelligente Industrielösun- der Niederlande an. „Unternehmen aus bei- schussvorsitzender und IHK-Vizepräsident gen entwickelt, getestet und implementiert den Ländern können voneinander lernen, wie ist, hat das niederländische Modell der mitt- werden, und wo Menschen lernen können, sie wir die Industrie beiderseits der Grenze zu- lerweile 45 Field Labs Vorbildcharakter. Peter anzuwenden“. Inzwischen arbeiten über 1200 kunfts- und wettbewerbsfähig aufstellen“, van Harten, Smart Industry Ambassador der Unternehmen in den Field Labs zusammen. 12 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
NORD-WESTFALEN Ludger Wissing - 65 Jahre Prägender Kopf der Industrie-Initiative Ludger Wissing, Geschäftsführer der PFREUNDT GmbH (Südlohn), ist im Ap- ril 65 Jahre alt geworden. Der Unterneh- mer ist seit 1998 Mitglied im IHK-Regionalausschuss Kreis Borken. 2003 wurde er in die Batterieforscher: IHK-Regionalsieger Steffen Benkhoff aus Saerbeck überzeugte auch die IHK-Vollversammlung ge- Jury beim Landeswettbewerb „Jugend forscht“. Foto: Grundmann/IHK wählt, in der er ohne Unter- brechung bis heute mitarbei- tet. Als einer der prägenden Mit Batterieprojekt zum Köpfe der nord-westfälischen Industrie-Initiative setzt er Ludger Wissing Bundesfinale „Jugend forscht“ sich dafür ein, das Verständ- nis der Menschen für die Be- Foto: IHK lange der produzierenden Steffen Benkhoff aus Saerbeck hat sich für das Bundesfinale Unternehmen zu stärken. Für seine Ver- dienste wurde Wissing 2016 mit der Sil- von „Jugend forscht“ qualifiziert. Sein Siegeszug begann im Fe- bernen IHK-Ehrennadel ausgezeichnet. bruar in Münster beim IHK-Regionalwettbewerb. Ruhr-Konferenz-Projekt Auch beim Landeswettbewerb „Jugend am Bundesfinale teil. „Das ist ein tolles Er- forscht“ überzeugte der Schüler der Maxi- gebnis“, freut sich IHK-Wettbewerbspate Dr. chemstars.nrw milian-Kolbe-Gesamtschule Saerbeck die Eckhard Göske. Die Qualifikation fürs Bun- Der Verband der Chemischen Industrie in Jury im Fachgebiet Chemie mit der Arbeit desfinale haben Frederik Schittny, Lukas Gra- NRW hat die Initiative chemstars.nrw ins „Untersuchung organischer Anodensubstan- ve und Lukas Haverbeck aus Münster knapp Leben gerufen, um Gründungen in der zen zur Verwendung in Redox-Flow-Syste- verpasst. Mit ihrem Projekt „parknet – Park- Chemiebranche zu fördern. Das Land be- men“. Benkhoof untersuchte Flüssigbatte- raum optimal nutzen mit autonom kooperie- zuschusst die Initiative mit 440 000 Euro. rien und testete verschiedene Substanzen auf renden, vernetzten Fahrzeugen“ landete das Eingebunden ist das Projekt in die Ruhr- ihre Nutzbarkeit in einer solchen Batterie. Als Trio beim Landeswettbewerb auf Platz 2. Konferenz. Landessieger nimmt er vom 26. bis 30. Mai » www.jufo-ms.de » www.ruhr-konferenz.nrw Generalunternehmer Bauunternehmen in den Bereichen: Telefon (0 25 64) 93 66-0 Schlüsselfertigbau in den Bereichen: Telefon (0 25 64) 9 89 89-00 Industrie- und Gewerbehallen Gewerbe-, Industrie- u. Büroobjekte Ammeloe 35 · 48691 Vreden Ammeloe 35 · 48691 Vreden ● ● ● Wohn- und Geschäftshäuser ● Wohn-/Geschäftshäuser u. Märkte ● Landwirtschaftliche Gebäude info@temmink-bau.de ● Kindertagesstätten ● Ein- u. Mehrfamilienwohnhäuser info@ht-konzeptbau.de ● Kommunale Gebäude www.temmink-bau.de ● Bauträgermaßnahmen www.ht-konzeptbau.de Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021 13
LU S S N S CH E N A DEN VERPAS S NICH T Corona hat dem Öffentlichen Personennahverkehr einen Rückschlag beschert. Wenn die Verkehrswende trotzdem gelingen soll, muss der Ausbau des ÖPNV weitergehen. » Von Joachim Brendel N och vor gut einem Jahr war die Verkehrswende auf Kurs. Manchen ging es nicht schnell genug, ande- re mahnten, Wirtschaft und Bevölkerung mitzunehmen Fahrrad/E-Bike umsteigen oder einfach mal wieder zu Fuß gehen. Und Güter? Die gehören grundsätzlich auf die Schiene oder das Binnenschiff; auf jeden Fall weg vom und nichts zu überstürzen. Aber in der grundsätzlichen Lkw und runter von den Autobahnen und Stadtstraßen, Zielsetzung war sich die Politik weitgehend einig: Die um dort mehr Platz für die umweltfreundlichen Verkehrs- Menschen sollten vom Auto auf Busse, Bahnen und das mittel zu schaffen. 14 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
MOBILITÄT UND VERKEHR Die genannten politischen Ziele sind seit dem Ende der Verhalten plötzlich ändern – vorübergehend oder auch 1970er-Jahren klar umrissen, als zunächst der Umwelt- dauerhaft. Das gilt auch für das Thema „Mobilität“ und und später der Klimaschutz zusätzliche Anforderungen stellt aktuell sowohl die Verkehrspolitik als auch Ver- an die Verkehrssysteme und die Fahrzeugtechnik stellten. kehrsplanung und Mobilitätsdienstleister vor große He- Profitiert hat bis heute vor allem die Umwelt, genauer ge- rausforderungen. Die Coronapandemie droht, zu einem sagt: die Luftqualität. In den 1980er-Jahren verschwand „Gamechanger“ der Verkehrswende zu werden und könn- das Blei aus dem Benzin, dann halfen Katalysatoren und te dazu führen, dass die ambitionierten Ziele Partikelfilter, die Abgase der Benziner und Diesel sukzes- vor allem im öffentlichen Personennahver- sive immer besser zu reinigen. Findige Marketingstrate- kehr kritisch hinterfragt und jahrelang ver- gen der Automobilindustrie preisen ihre modernsten Die- folgte Strategien möglicherweise neu justiert selaggregate gar als „fahrende Luftreiniger“ an, bei denen werden müssen. Ist die Verkehrswende so die Abgase sauberer seien als die Umgebungsluft. Die Ver- überhaupt noch zu erreichen? brenner-Technologie erscheint mittlerweile weitgehend Wer seine persönliche Mobilität in die Hän- ausgereizt - zumindest mit Blick auf die Schadstoffemis- de anderer legt, der braucht Vertrauen, vor sionen. Was bleibt, sind die Herausforderungen des Kli- allem was Zuverlässigkeit und Sicherheit maschutzes. Aber genau hier kommt eine Technologie, die betrifft. War vor Corona – vor allem beim auf der Verbrennung fossiler Kraftstoffe basiert, an ihre Bahnverkehr – oft die Zuverlässigkeit ein natürlichen Grenzen. Alternative Antriebe, die auf rege- Problem, kommt jetzt das Thema (Infekti- nerativ erzeugten und in Akkus gespeicherten Strom oder ons-)Sicherheit hinzu. Denn trotz vieler ge- auf grünen Wasserstoff setzen, sind zwar klimafreundli- genteiliger Beteuerungen wird immer deut- cher, aber mit Blick auf Effizienz und breite Alltagstaug- licher, dass der öffentliche Nahverkehr zur lichkeit zum Teil noch optimierungsbedürftig. Rush-Hour keine virusfreie Zone sein kann. Die Verkehrswende hingegen setzt nicht zuvorderst auf Die jüngsten Appelle der Virologen und Poli- den technologischen Fortschritt, sondern auf ein verän- tiker, so viele Mitarbeitende wie möglich von Joachim Brendel, IHK-Ge- schäftsbereichsleiter Handel dertes Mobilitätsverhalten der Bevölkerung - und auch zu Hause arbeiten zu lassen, zielt daher auch und Verkehr, Infrastruktur der Wirtschaft. Das individuelle Mobilitätsbedürfnis des weniger auf die Ansteckungsrisiken im Be- Foto: IHK Menschen soll im Regelfall in der Gemeinschaft mit an- trieb, sondern vor allem auf die Situation in deren – also mit Bussen, Bahnen oder Gruppentaxis (neu- gut gefüllten „Gefäßen“ des öffentlichen Personennahver- deutsch: On-Demand-Verkehre) befriedigt werden. Und kehrs. Es hat lange gedauert, bis Politik und ÖPNV-Betrei- natürlich durch Muskelkraft: zu Fuß, mit dem Fahrrad, ber die Kraft gefunden haben, diese unbequeme Wahrheit bei Bedarf batterieelektrisch unterstützt. Ähnliches gilt anzuerkennen und auszusprechen. für den Transport von Gütern, die in der umwelt- und verkehrspolitischen Theorie ebenfalls im Kollektiv auf Vertrauen zurückgewinnen Containerzügen und -schiffen durch das Land zu trans- Was bedeutet all dies nun für die Zukunft des Öffentli- portieren sind und allenfalls für die letzte Meile auf stadt- chen Nahverkehrs? Fakt ist: Ohne einen starken ÖPNV verträgliche und CO2-neutrale Transportmittel wie Car- wird die Verkehrswende nicht gelingen. Daher muss al- gobikes oder E-Scooter umgeladen werden. Jedes Jahr les darangesetzt werden, das Vertrauen der Menschen in investieren Bund, Länder und Kommunen Milliardenbe- Busse und Bahnen zurückzugewinnen - Vertrauen in die träge, um diesem Idealbild einer klima- und umweltver- Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit des öf- träglichen Mobilität über ungezählte Pilotprojekte und fentlichen Verkehrs. Dies kann gelingen, wenn die Pend- Modellvorhaben näherzukommen. Möglicherweise haben lermobilität vor allem in den Ballungsräumen stärker ent- sie dabei aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die- zerrt und das Angebot gleichzeitig spürbar ausgeweitet ser „Wirt“ ist der Faktor „Mensch“ – ein Faktor, der oft wird. Das verlangt Mut und Entschlossenheit bei den poli- nur schwer zu berechnen ist. tischen Entscheidern, die trotz der erheblichen Fahrgast- rückgänge in der Pandemie gerade jetzt in Vorleistung Zuverlässigkeit ist gefragt treten und massiv in den Ausbau des ÖPNV investieren Äußere Einflüsse wie privat oder beruflich veränderte Le- müssen. Der Salto rückwärts ist keine Option. Eine er- bensumstände, persönliche Einstellungen und Werte oder folgreiche Verkehrswende erfordert mehr denn je: „Volle auch die aktuelle Pandemie-Situation können dazu füh- Kraft voraus“ für Busse, Bahnen und innovative Mobili- ren, dass Menschen ihr Verhalten zuallererst an ihren per- tätsangebote. sönlichen Bedürfnissen orientieren beziehungsweise ihr Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021 15
MOBILITÄT UND VERKEHR Mobilität im Einklang mit dem Klimaschutz „Die Erreichbarkeit von Unternehmen und Wirtschaftsregionen gehören seit jeher zu den wichtigsten Standortfaktoren“ - auf diesem Grundsatz basiert das IHK-Leitbild Verkehr und Mobilität. » Von Daniel Janning D as am 4. März 2021 von der Vollver- sammlung der IHK Nord Westfalen verabschiedete Leitbild ist nach intensi- Klimaschutz zu leisten, ist die Weiterentwicklung und Förderung nachhaltiger Mobilitätskonzepte von großer Bedeutung“, erklärt Redemann. Hierzu zählen zum Bei- ver Diskussion in einer mit Vertretern des spiel die Förderung intermodaler Mobilitätsketten durch Ehrenamtes (IHK-Präsidium, IHK-Vollver- Mobilitätsstationen, die technologieoffene Weiterent- sammlung, IHK-Fachausschüsse Verkehr und wicklung von alternativen Antrieben (siehe Seite 25) oder Handel) besetzten Arbeitsgruppe vorbereitet die Unterstützung innovativer City-Logistik-Konzep- und vom IHK-Verkehrsausschuss mit großer te (siehe Seite 23). Diese Maßnahmen tragen dazu bei, Mehrheit beschlossen worden. dass die Erreichbarkeit und die Aufenthaltsqualität in den „Die Qualität und Zukunftsfähigkeit der Innenstädten bestmöglich in Einklang gebracht werden Verkehrsinfrastruktur sowie der Mobilitäts- kann. systeme und -angebote beeinflussen in er- Mit dem Ausbau der Angebote im Öffentlichen Perso- heblichem Maße die Wettbewerbsfähigkeit nennahverkehr (ÖPNV) und dem weiterhin prognostizier- der Unternehmen in Industrie, Dienstleis- ten Verkehrswachstum, insbesondere im Güterverkehr, Norbert Redemann, Vorsitzen- der des IHK-Verkehrsausschus- tungen und Handel“, bringt es Norbert Re- entstehen neue Anforderungen an die Verkehrsinfrastruk- ses Foto: IHK demann, Vorsitzender des IHK-Verkehrsaus- tur. Dies betrifft alle Verkehrsträger: „Eine bessere Integ- schusses, auf den Punkt. „Die Mobilität von ration der Region in das ICE- und RRX-Liniennetz, zu- Das Leitbild Verkehr und Personen und Gütern steht aktuell im Fokus sätzliche Angebote im regionalen Schienenverkehr wie Mobilität zum Download: von Klima- und Umweltschutzdebatten. Es die S-Bahn Münsterland, die Weiterentwicklung des FMO www.ihk-nw.de, Nr. 4258084 gilt daher, die Erreichbarkeit der Unterneh- zu einem nachhaltigen Verkehrsflughafen für die Region, men in Nord-Westfalen für Geschäftspartner, die Beseitigung von Engpässen im Straßennetz sowie die Kunden und Mitarbeitende sowie die Mobili- Stärkung der Binnenschifffahrt und der Häfen stehen da- tät bestmöglich mit dem Klima- und Umwelt- her weiterhin im Fokus unserer verkehrspolitischen Ak- schutz in Einklang zu bringen“, benennt Redemann eine tivitäten“, erklärt der Verkehrsausschussvorsitzende. Da- zentrale Herausforderung. rüber hinaus gilt es, die Radverkehrsinfrastruktur auch Das neue Leitbild skizziert insgesamt fünf Herausforde- außerhalb der Städte an die Anforderungen der Berufs- rungen für den IHK-Bezirk: pendler anzupassen. Das Leitbild enthält daher eine Liste » die Sicherung der überregionalen Erreichbarkeit des mit den aus Sicht der Wirtschaft prioritären Verkehrsinf- Wirtschaftsstandortes, rastrukturprojekten im IHK-Bezirk.www.ihk-nw.de » mehr Nachhaltigkeit durch mehr Busse, Bahnen und Radverkehr bei der Pendlermobilität, » eine intelligente Steuerung der Einkaufs- und Besucher- verkehre, » eine Verbesserung der Mobilität in der Fläche sowie » die Sicherung der Leistungsfähigkeit der Logistik. » IHK-Ansprechpartner zum Thema Verkehr und Mobilität: „Um attraktive Alternativen zum Motorisierten Indivi- Daniel Janning, dualverkehr (MIV) und zum Straßengütertransport zu Tel 0251 707-309, schaffen und gleichzeitig einen Beitrag zum Umwelt- und janning@ihk-nw.de 16 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
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MOBILITÄT UND VERKEHR Zug um Zug in die Verkehrswende Für die S-Bahn Münsterland gilt: Alle Wege führen ins Oberzentrum. Denken allerdings müssen die Planer in viele Richtungen. Das Projekt ist hochkomplex. » von Dominik Dopheide Projekt S-Bahn Münsterland Die Stadt Münster und die umliegenden Kreise verfolgen den Plan, in ihrer Region ein S-Bahn-Netz zu etablieren, das ÖPNV-Mobili- tät im Raum Münsterland mit der gleichen Verlässlichkeit, Fahr- plan- und Haltestellendichte verbindet wie in Ballungsräumen. Im Dezember 2019 stellte Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe dieses Projekt gemeinsam mit den Landräten und dem Zweckver- band Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) vor. Bis zum Jahr 2035 sollen neun S-Bahnlinien das Münsterland mit dem Oberzentrum im mindestens halbstündigen Takt verbinden. Dazu muss die Infrastruktur - Bahnhöfe wie auch Schienenstre- cken - optimiert werden. Der NWL ist verantwortlich für Planung, Koordination und das Finanzierungskonzept des Projektes. M ünster steht vor großen Herausforderungen“, sagt Joachim Künzel. Starkes Wachstum, zu wenig Wohnraum und, als Konsequenz, viel zu viele private Pkw, der Fläche, die mit Parkraum für Autos und Fahrräder, Ladestationen und Angeboten für Shared-Mobility jeder Art gerüstet sind: Vieles müsse auf- oder ausgebaut und die zwischen Umland und City pendeln: Der Geschäfts- alles aufeinander abgestimmt werden, wie der NWL-Chef führer des NWL sieht die Region von der Verkehrswende erklärt. noch ein gutes Stück entfernt. Dieses Ziel aber strebe der in Unna ansässige NWL, vor dem Hintergrund des Klima- Herausforderung Hauptbahnhof wandels, in seiner Arbeit konsequent an. „Wir betrachten Erweitert werden muss die Infrastruktur im Bereich des die öffentlich organisierte Mobilität als Teil der Lösung, Hauptbahnhofs Münster. „Das wird wahrscheinlich die aber das Verhalten der Menschen wird sich nur ändern, größte Baustelle des gesamten Projektes“, sagt Künzel. Es wenn wir ihnen die richtigen Angebote machen“, ist gehe darum, Kapazitäten zu schaffen, um deutlich mehr Künzel sicher. Der ÖPNV müsse und werde zulegen – an Leistung auf der Schiene bewältigen zu können – Ver- Taktung, Schnelligkeit, Komfort, Service und Zugänglich- kehre, die zudem aus allen Richtungen einlaufen, ohne keit. Die S-Bahn Münsterland soll in dem ganzen Konzept dass aktuell ausreichend Platz dafür vorhanden wäre. Da eine Basis bilden. Ein Heilsbringer im 30-Minuten-Takt der Bahnhof baulich nicht mehr entscheidend erweitert also, der im Alleingang die Verkehrswende anschiebt? „S- werden kann, muss die Betriebsführung – Weichenver- Bahn-Verkehre funktionieren nicht isoliert, sondern nur bindungen, Leit- und Sicherungstechnik – deutlich fle- in einem integrierten System, deshalb müssen wir auch xibilisiert werden. „Wir werden wahrscheinlich trotzdem die Subsysteme hinbekommen und die Verkehrsträger die beiden nicht mehr genutzten Gleise einbinden müs- zusammenbringen“, stellt Künzel klar. Knotenbahnhöfe, sen, die bei der Post liegen“, informiert Künzel. Das wer- Schnellbusse, Busanschlüsse, On-Demand-Shuttle-Diens- de kompliziert, weil ein Abschnitt in die Fußgängerque- te sowie Mobilstationen als Dreh- und Angelpunkte in rung am Bahnhof eingebaut werden müsse. Eine weitere 18 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
MOBILITÄT UND VERKEHR Projekt „ -Bahn Münsterland“ – Das Angebotszielkonzept (Bestandteil des übergeordneten Projektes „Mobiles Münsterland“) n ge ke tin Gekennzeichnet durch: ln ec et pe M R Emden ap rk RE15 te es Vehrte Rahden • (Mindest-)Angebot pro Stunde: W en RB61 n se rg en h „2-S-Bahnzüge + RE-Produkt(e)“ auf en Belm ür sc er be RB71 nb -E us W lz Hengelo n rt be r e n allen von/nach Münster laufenden Sa ha ge fu r ein sin RE60/60.2 ü te Ib l nb e e es ell st is st Schienenachsen be W W ör rg M t f) Ib Bu H ke nd Rheine es Löhne ar rt- La (W g • Korridor Münster – Dortmund: Angebot m RE7 de fu ru RE13 bf RRX6 n ch n p ein rb u he k le ele tru t H e na ad ec Es ne üh nd sc St gemäß Plänen des Deutschlandtaktes n ck ch et ro st nb er la hm En Zwolle e Bü Rheine-Mesum rü M Alt O G ng G D ge ab uc le ck ag sn Br ch • Taktung im 30- bzw. 15-Minuten-Raster rü -L S4 S6 O Kir Hasbergen ab en Emsdetten RE51 sn ür für ideale Umsteigebeziehungen im RRX7 O nb Steinfurt-Grottenkamp be Hiddenhausen-Schweicheln Taktknoten Münster Hbf. Ib Epe Reckenfeld Steinfurt-Borghorst Ahaus Nordwalde S5 Natrup-Hagen • „S-Bahn-Stammstrecke im Münsteraner Greven m Stadtgebiet“: 15-Min-Takt zwischen tr u Altenberge Herford Legden Lengerich (Westf) en Zentrum Nord, Hbf., Preußenstadion, ulz MS-Häger MS-Sprakel ch Hiltrup durch sich überlagernde Linien -S Rosendahl-Holtwick Kattenvenne n k eld eld ge MS-Kinderhaus ec RE19 RE14 RE14 sf m sin rb sf S3 oe tu • Ausgewählte zusätzliche Bahnstationen oe le üs it Ostbevern Lu MS Zentrum Nord Bil C he M C -M S Brake ei sind integrierbar en Pr Fr Maria-Veen Ein Westbevern eu er Borken RB51 Bocholt ße zig r f- Havixbeck M RE78 rf RB61 • Infrastrukturausbau an unterschied- ns do S- RE14 do an MS-Handorf- G ta en en Reken D te eis dio Dorbaum lg Marbeck-Heiden ar S ar RB71 RE70 lichen Stellen notwendig Te M RE t W W n MS-Roxel Dingden Reken-Klein Reken Lette • Kurz- bis mittelfristige Zwischenstufen RE42(S2) S7 Bielefeld Hbf Hamminkeln Rhade Lembeck Dülmen West MS-Albachten MS-Mecklenbeck Münster Hbf Halle Münsterland Beelen RRX4 je Korridor machen Verbesserungen schneller erlebbar Blumenkamp Bösensell RRX7 MS Preußenstadion Loddenheide Clarholz Wulfen • Durch Integration des S-Bahn-Systems Emmerich Deuten Nottuln-Appelhülsen MS-Amelsbüren MS Preußenstadion Herzebrock Gremmendorf in den weiteren Taktfahrplan profitie- Dülmen Buldern Brackwede Davensberg RE7 ren weitere Bereiche und Korridore Hervest-Dorsten Lüdinghausen RE7 MS-Hiltrup Wesel Selm RB50(S1) RRX3 Rinkerode Angelmodde Isselhorst-Avenwedde Gütersloh Hbf Selm-Beifang Wolbeck Dorsten Sythen Ascheberg (Westf) Bork Rheda-Wiedenbrück Drensteinfurt S8 S8 Die nächsten Schritte: Düsseldorf Haltern am See Capelle (Westf) S9 Albersloh Essen-Steele Lünen-Alstedde • Prüfung betrieblicher Auswirkungen Marl-Sinsen Werne RE13 Mersch (Westf) Sendenhorst Oelde Projekt S-Bahn bf • Ableiten des Infrastrukturbedarfs H Recklinghausen Hbf en Bockum-Hövel n Münsterland ne D e uß Lü Nordbögge • Implementieren eines (Schnell-)Bus-Ziel- r e Neubeckum -P c h er n t m n en e rn konzeptes So soll es aussehen, de d- n d- Lü Heessen Ahlen Gelsenkirchen u Kir Hamm (Westf) • Nachfrageprognoseanalyse or Kamen D das S-Bahnnetz, un RRX3 Paderborn tm • Qualitätsanalyse or Kamen-Methler D Krefeld RRX2 das Münster und Essen Dortmund-Kurl RB89 RRX2 Dortmund Hbf Dortmund-Scharnhorst die Münsterlandge- ▸ Ableiten des finalen Angebotsziel- RRX4 RE4 Regionalverkehr RRX6 Hagen Fernverkehr nicht dargestellt meinden verbindet. konzeptes möglicher neuer Halt ▸ Volkswirtschaftliche Grafik: NWL Betrachtung: Der positive Nutzen ist Voraussetzung • Außerhalb des Münsterlandes nicht alle Linien dargestellt für eine Förderung und vollständige • Ergänzende (Schnell-)Buslinien sollen das ÖV-Netz verdichten Umsetzung. Herausforderung ist im ländlichen Bereich zu lösen. Der Blick auf eine Verkehrswende strukturell unterfinanziert, Kompetenzcenter NWL – verantwortlich für Planung, Koordination und Fi- Integraler Taktfahrplan NRW mit den heutigen Mitteln können wir nicht alles bauen Stand: Dez. 2019 nanzierungskonzept des Großprojektes – will im S-Bahn- und bestellen, was wir wollen und brauchen“, sagt Kün- Netz Münsterland ausschließlich elektrische Züge und, zel. Doch stehe der NWL in Kontakt mit Bund, Land und sobald ausreichend verfügbar, grünen Strom einsetzen. EU, um jede Förderoption zu nutzen, die infrage kommt. Doch weist das System „S-Bahn Münsterland“ viele Ab- Gesichert ist bereits die Finanzierung für die Reaktivie- schnitte auf, die gar nicht elektrifiziert sind. Nicht im- rung der Personenstrecke Münster – Sendenhorst, die mer kommt, wie im Fall Münster−Gronau−Enschede seit zum Modellbeispiel einer Mobilitätsachse à la Münster- Langem geplant, eine Vollelektrifizierung per Oberleitung land werden soll. infrage. Der Plan: Batteriebetriebene Züge, die an einem Geplant sind unter Knotenbahnhof oder unterwegs an einer Oberleitung ihre anderem acht Halte- Akkus „auftanken“, sollen die stromlosen Strecken über- punkte, Anschlüsse „Das Verhalten der brücken und in den kommenden zehn Jahren die Diesel- an den Bahn-Fern- Menschen wird sich triebwagen im Münsterland ablösen. Die Ausschreibung verkehr, den Bahn- nur ändern, wenn wir für die Fahrzeuge ist derzeit in Vorbereitung, berichtet der und Bus-Regional- NWL-Geschäftsführer. Gleichzeitig muss die Vorausset- verkehr sowie den ihnen die richtigen zung geschaffen werden, damit diese Fahrzeuge – „BE- Bus-Stadtverkehr, Angebote machen“ MUs“ (Battery Electrical Multiple Units) – die notwendige zudem neue Bahn- Reichweite erzielen. Grundsätzlich werde dafür keine zu- steige mit modernen Joachim Künzel, Geschäftsführer Foto: NWL sätzliche Infrastruktur benötigt, doch gebe es eine Aus- Service-Einrich- des Zweckverbandes nahme: „Wir brauchen unbedingt Strom im Knotenpunkt tungen, vom Infor- Nahverkehr Coesfeld“, erklärt Künzel. Den „Saft“ aus Dülmen oder mationssystem bis Westfalen-Lippe (NWL) Gronau zuführen oder in Coesfeld vor Ort generieren? zum barrierefreien Noch rauchen die Köpfe im Planungsbüro und die Diesel- Zugang, sowie Mo- motoren auf den Schienen. bilstationen für den Anschluss an individuelle Verkehrs- mittel. Bis solche Strukturen im gesamten Münsterland Alte Achse, neue Ideen vollständig stehen, wird es aber wohl 2035 werden. „Es Noch ein weiteres Puzzle muss der NWL lösen: die Finan- ist einfach wahnsinnig viel zu bewältigen, aber man wird zierung. Sie ist, wie das gesamte Projekt, nur schrittwei- die Fortschritte peu à peu erleben können“, sagt Joachim se zu bewältigen. „Das Gesamtsystem Nahverkehr ist mit Künzel. Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021 19
MOBILITÄT UND VERKEHR Der Shuttle-Dienst LOOP wird per App bestellt, ist aber fast so flexibel wie ein Taxi – in einem kleinen Bereich des Stadtgebietes. Foto: Stadtwerke Münster Kreuzung aus Bus und Taxi Die Stadtwerke Münster haben den On-Demand-Shuttle-Dienst LOOP ins Rollen gebracht – (fast) so flexibel wie ein Taxi, günstig wie ein Bus. Das Projekt wird be- obachtet: von der Fachhochschule Münster und von der Taxi-Branche. » Von Dominik Dopheide E s läuft bei LOOP. Der On-Demand-Shuttle-Dienst der Stadtwerke Münster hat vom Projektstart im Sep- tember bis Jahresende 2020 bereits 57 353 Fahrgäste be- der Stadtwerke Münster für den Bereich Mobilität ver- antwortlich. Große Busse mit Elektromotor, die im Fünf- minutentakt auf den Hauptachsen fahren, Mobilstationen fördert. Anfang April 2021 ist die Zahl auf fast 100 000 in den Wohngebieten, die auf Roller, Rad oder Schusters angestiegen. Dabei ist das Bediengebiet auf den Süden Rappen schnell zu erreichen sind, dazu das verbindende Münsters begrenzt. Zudem ist die maximale Passagierzahl Element der batterieelektrisch betriebenen On-Demand- pro Fahrzeug, als Corona-Schutzmaßnahme, von sechs Shuttles: So soll der ÖPNV in Münster klimafreundlich auf vier reduziert worden. „Wir sind inmitten der Pande- und geräuscharm in die Zukunft rollen. mie gestartet und wussten, dass Fahrten wegfallen, woll- Bis 2029 wollen die Stadtwerke ihre komplette Flotte auf ten das Vorhaben aber durchziehen“, berichtet Projekt- emissionsfreie Fahrzeuge umrüsten. „ÖPNV muss sexy leiter Phil Rose. Schließlich soll der Shuttle-Service zügig werden“, lautet Gäfgens Devise. LOOP jedenfalls scheint zeigen, ob er in eine bestimmte Bresche fahren kann: für Kunden attraktiv zu sein. Knapp 40 Prozent der Fahr- „LOOP soll einen Beitrag zur Feinerschließung leisten, gäste hatten per App auf dem Handy Rückmeldung ge- es geht darum, dass Kunden nahe an ihre Haustür kom- geben und vergaben im Schnitt 4,6 von fünf möglichen men, ohne dass ein 18-Meter-Bus bis in die letzte Straße Sternen. Dem Smartphone schreibt Gäfgen ohnehin die fahren muss“, erklärt Frank Gäfgen, als Geschäftsführer Schlüsselrolle im ÖPNV zu. Es habe das Kundenverhal- 20 Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021
MOBILITÄT UND VERKEHR ten massiv verändert. „Die meisten Nutzer möchten schon docken an diesen Prozess, hält Böhm für denkbar. „Auch morgens beim Kaffee checken, wie sie den Tag über unter- wir haben kräftig digitalisiert, das Tüdelüt über Funk hat wegs sein werden“, erklärt der Geschäftsführer. „Ich muss ausgedient“, erklärt er und regt an, die Ressourcen priva- mich als Kunde registrieren können und dann mit einem ter Dienstleister in das On-Demand-Konzept einzubinden: Wisch von Loop über Bus und Bahn bis hin zum Taxi in- „Wir wollen mit der Verkehrswende ja Flotten reduzieren, klusive Ticketing alles auf dem Schirm haben“, schildert statt noch welche danebenzustellen“, sagt Böhm. Rose, wie weit die Stadtwerke den Kunden in der digita- len Welt entgegenkommen wollen – künftig. Denn noch Expansion geplant ist die Software nicht soweit. Zwar lassen sich Tickets per Bis zu zehn Shuttles der Stadtwerke Münster sind auf ei- App buchen. Aber an der großen Mobilitätsplattform, die ner Fläche von ca. 40 km2 für LOOP zeitgleich im Einsatz. alle nachhaltigen ÖPNV-Varianten der Stadtwerke und Das Gebiet, in dem rund 55 000 Einwohner leben, umfasst ihrer Partner zusammenfasst, wird wohl noch bis 2025 Ortszentren, Wohn-, Gewerbe- und Naherholungsgebiete. geschraubt. Die Fahrzeuge haben einen Range-Extender an Bord – ein Verbrennungsmotor, der bei Bedarf mehr Reichweite er- Taxis nicht ausbremsen möglicht. Das gesamte Projekt steht unter wissenschaft- Bis dahin, ist Roland Böhm überzeugt, sind auch mehr Ta- licher Beobachtung: Die Stadtwerke erheben Kennzahlen xis mit E-Antrieb unterwegs. „Wir haben ja schon 20 Hy- und leiten sie an die Fachhochschule (FH) Münster zur bridfahrzeuge in der Flotte, da gibt es keine ideologische Auswertung weiter. Dokumentiert wird beispielsweise die Blockade“, sagt der Vorstand der Taxizentrale Münster, durchschnittliche Reisezeit. Weil sie zehn bis elf Minuten die Touren vorwiegend an Einzelunternehmer vermit- beträgt, sind die Verantwortlichen sicher, dass das Projekt telt, genossenschaftlich organisiert ist und auf eine fast auf dem richtigen Kurs liegt: „Wir kannibalisieren nicht 100-jährige Geschichte zurückblickt. Böhm, der auch dem den Fahrradverkehr, sondern bieten eine nachhaltige Al- Bundesverband Taxi vorsteht, nennt drei andere Hür- ternative für die Strecken, den, die seiner Branche den Weg in die Nachhaltigkeit die sonst mit dem privaten erschweren: zu rar die Ladeinfrastruktur, zu schwach die Pkw zurückgelegt worden Akkus, zu hoch die Preise, die in der geforderten Fahr- wären“, begründet Rose. zeugklasse aufgerufen werden. Gerade jetzt, da die Bran- Knapp zweieinhalb Jah- che infolge der Corona-Krise mit dem Rücken zur Wand re noch wird der On-De- stehe, seien solche Investitionen kaum zu stemmen. Dass mand-Service erprobt und „ÖPNV muss Foto: Stadtwerke Münster ÖPNV auf Bestellung im Zuge des neuen Beförderungsge- optimiert. So soll etwa die sexy werden.“ setzes als Verkehrsform genehmigt worden ist, sieht er mit App eine Steuerungsfunk- gemischten Gefühlen. Das könne einerseits neue Perspek- tion übernehmen, um bei- Frank Gäfgen, tiven für Partnerschaft und Vernetzung eröffnen. „Warum spielsweise zu vermeiden, Geschäftsführer der Stadtwerke Münster soll ein Taxi nicht auch für den ÖPNV On-Demand-Fahr- dass ein mit Schülern ge- für den Bereich gäste mitnehmen?“, fragt Böhm, um dann den anderen fülltes Shuttle einem spär- Mobilität. Aspekt anzusprechen: die verschärfte Wettbewerbssitu- lich besetzten Linienbus ation. „Wäre LOOP ein stadtweites Angebot, würde das hinterherfährt. Bleibt die den Taximarkt nahezu zum Erliegen bringen“, ist der Un- Frage: Werden die Shuttles nach der Förderphase wie- ternehmer überzeugt. Dabei kann das Taxi immer noch der aus dem Verkehr gezogen, weil der Dienst wirtschaft- punkten, weil seine Mobilität individueller ist, wie auch lich nicht tragfähig ist? Denn momentan wird das Projekt Stadtwerke-Chef Gäfgen einräumt. „Wir versuchen darauf gefördert mit fünf Millionen Euro vom Land NRW und zu achten, dass LOOP keine Konkurrenz zum Taxi dar- drei Millionen Euro von der Stadt Münster. Für Gäfgen stellt“, versichert er. So dürfe ein Taxi Fahrgäste auf di- ist klar: „ÖPNV ist Daseinsvorsorge, die ist nie kosten- rektem Weg von Haustür zu Haustür bringen, während deckend.“ Ohnehin gehöre die Finanzierung des ÖPNV LOOP an die genehmigten Haltestellen gebunden sei und längst auf den Prüfstein, wenn die Verkehrswende von der auf der Tour noch Schleifen drehe, sodass Passagiere ei- Gesellschaft gewollt sei. LOOP jedenfalls scheint in Müns- nige Minuten Wartezeit einplanen müssen. Denn der De- ter willkommen, an der künftigen Finanzierung wird ge- mand-Service funktioniert nach dem Pooling-Prinzip: Ein feilt. „Wir denken aber nicht alleine, sondern gemeinsam Algorithmus berechnet in Echtzeit, auf welchem Kurs die mit der Stadt“, sagt Gäfgen. Soviel ist sicher: Die Shuttles Shuttles kreuzen müssen, um möglichst viele Bestellun- werden nicht das ganze Stadtgebiet bedienen. Taxis wer- gen in einem Schwung zu bedienen. Dass auch Taxis an- den also wohl weiterhin auf Touren kommen. Wirtschaftsspiegel Mai | Juni 2021 21
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