Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast

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Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast
Wirtschaftsreport
                      Juni 2022

            IHK-Jahresempfang:
            Dr. Volker Wissing
            zu Gast
Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast
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Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast
Wirtschaftsreport       Juni 22           1

                                                   Editorial
                                                                     Tschüss!
Mit der nächsten Sitzung unserer Vollversammlung am 21. Juni wird mei-
ne Amtszeit als Präsident der IHK Siegen beendet sein. Damit geht für
mich mein längstes und anspruchsvollstes Ehrenamt zu Ende: Rund
44 Jahre gehörte ich ununterbrochen der Vollversammlung der IHK Siegen
an, in den letzten acht Jahren durfte ich das Amt des Präsidenten ausüben.
Die 79 Industrie- und Handelskammern bundesweit sowie der Deutsche
Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin haben das Gesamtin-
teresse der gewerblichen Wirtschaft gegenüber Politik, öffentlicher Ver-
waltung und Öffentlichkeit wahrzunehmen. Zur Gesamtorganisation des
DIHK gehören auch die deutschen Außenhandelskammern in 92 Ländern
der Erde mit 140 Standorten, eine weltweit einmalige Organisation zur
Stärkung der deutschen Wirtschaftsinteressen im Ausland. Zu den be-
sonderen regionalen Aufgaben der IHK-Organisation zählt die duale Be-
rufsausbildung junger Menschen, die international zu einem Erfolgsmodell
geworden ist und mit dafür gesorgt hat, dass die Jugendarbeitslosigkeit
in Deutschland die niedrigste ist, die wir kennen.

Die vergangenen acht Jahre waren zunächst überwiegend durch eine
positive Entwicklung der heimischen Unternehmen geprägt. Hieraus re-
sultierten eine zunehmende Beschäftigung und stetig sinkende Arbeits-
losenquoten. Für die Stabilität dieses Gemeinwesens ist ein hoher Be-
schäftigungsgrad unverzichtbar: Ich freue mich darüber, dass mit rund
181.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in 25.000 Unterneh-
men aktuell im Kammerbezirk ein Höchststand erreicht wurde. Erfreulich
waren zudem die größtenteils guten Ertragslagen und die Fortschritte bei
der Digitalisierung in der Fläche.
                                                                               sind, gilt mein besonderer Dank. Durch ihren Einsatz, ihre Kompetenz und
Allerdings: Wo viel Licht ist, ist der Schatten nicht weit und dafür größer.   ihre Loyalität tragen sie alle dazu bei, dass die IHK Siegen in der Öffent-
In die Zeit meiner Präsidentschaft fiel leider die Corona-Pandemie, die        lichkeit einen hervorragenden Ruf genießt. Als ausgesprochen wertvoll –
große Teile der heimischen Wirtschaft, aber auch die interne Organisation      in guten wie in schlechten Zeiten – erwies sich die Zusammenarbeit mit
der Industrie- und Handelskammer vor große Herausforderungen stellte.          den anderen südwestfälischen Industrie- und Handelskammern, der SIHK
Die besonders gebeutelten Bereiche, zum Beispiel der Einzelhandel, die         Hagen und der IHK Arnsberg, wie zuletzt in Zusammenhang mit der ge-
Gastronomie und Teile der Dienstleistungen, belasteten auch das Personal       sperrten Talbrücke Rahmede.
der Industrie- und Handelskammer und mich persönlich schwer. Die Null-
Covid-Strategie in China hat weltweit negative Auswirkungen auf die            Für mich war es immer wieder eine Freude und eine Bereicherung meines
Versorgung der Industrie und der Verbraucher.                                  Lebens, mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Poli-
                                                                               tik und der Öffentlichkeit zusammenzukommen. Dabei lernte ich, dass es
Der von Putin am 24. Februar dieses Jahres begonnene völkerrechtswid-          für die täglichen Themen und Herausforderungen der heimischen Wirt-
rige Krieg gegen die Ukraine führt zusätzlich zu gebrochenen Lieferketten,     schaft häufig ganz unterschiedliche Sichtweisen gibt – und erlebte die
massiven Preiserhöhungen für Rohstoffe, Material und Lebensmittel und          Vielfalt von Entscheidungen, die für das Funktionieren unseres Gemein-
zu erheblichen Sorgen über eine nicht mehr zuverlässige Energieversor-         wesens unverzichtbar sind, ganz hautnah mit.
gung – und damit ggf. zu katastrophalen Folgen für die Existenz unserer
Wirtschaft und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.                          Für die Bewältigung der vor uns stehenden Aufgaben wünsche ich allen
                                                                               Beteiligten eine glückliche Hand! Es war mir eine Ehre, für acht Jahre der
Mehr denn je kommt es jetzt darauf an, mit der IHK über eine starke            Präsident der IHK Siegen gewesen zu sein. 
Stimme der heimischen Wirtschaft zu verfügen. Ihre Aufgaben werden
auch in Zukunft sicher anspruchsvoll, spannend und vielseitig sein und
                                                                                           In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
bleiben. Dass sie gut bewältigt werden, daran habe ich angesichts der
zahlreichen engagierten Kräfte in der IHK keinerlei Zweifel. Dabei denke
ich auch an die rund 1.600 ehrenamtlich tätigen Personen, die allein in
unserer Kammer die hauptamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter unterstützen. Allen, die Tag für Tag für die Anliegen der IHK unterwegs                            Felix G. Hensel, Präsident
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2             Juni 22       Wirtschaftsreport

                            Inhaltsverzeichnis
                                                                                                                                        IHK-Jahresempfang

                                                                                                                                                       4
                                                                                                                               „Starke Standorte brauchen
                                                                                                                             leistungsfähige Verkehrswege“
                                                                                                                            Der Neubau der A45-Talbrücke Rahmede war
                                                                                                                           eines der beherrschenden Themen beim Jahres­
                                                                                                                             empfang der IHK Siegen. Dr. Volker Wissing,
                                                                                                                              Bundesminister für Digitales und Verkehr,
                                                                                                                           zeigte den 1.000 Gästen in der Siegerlandhalle
                                                                                                                           Perspektiven auf und versicherte, er werde sich
                                                                                                                              höchstpersönlich jeden Tag für dieses so
                                                                                                                            wichtige Projekt einsetzen. Zudem sprach der
                                                                                                                           FDP-Politiker die Herausforderungen der inter-
                                                                                                                           nationalen Gemeinschaft in Zeiten des Ukraine-
                                                                                                                                Kriegs und der Corona-Pandemie an.

32           McDart GmbH
             Geschäftsidee traf                                   35          „mosja“-Clothing
                                                                              Wohlfühlmode                                 41          Café Klarfeld
                                                                                                                                       Heimatgenuss in Deuz
             ins Schwarze                                                     für Herzensprojekte

Impressum
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist das offizielle Organ der IHK Siegen     Herausgeber                                              Layout
und wird den kammerzugehörigen Unterneh­men im Rahmen             Industrie- und Handelskammer Siegen,                     Christian Reeh
ihrer beitragspflichtigen Mitgliedschaft ­ohne besonderes Be-     Hauptgeschäftsstelle, Postfach 10 04 51, 57069 Siegen,
zugsentgelt geliefert. Im freien Verkauf jährlich EURO 25,20      Koblenzer Straße 121, 57072 Siegen                       Druck, Anzeigen und Verlag
+ Porto und MwSt. Einzelheft EURO 2,10 + Porto und MwSt.          Telefon 0271 3302-0                                      Vorländer GmbH & Co. KG
Be­stel­lung nur durch den Verlag.                                Telefax 0271 3302-400                                    Buch- und Offsetdruckerei · Verlag · Werbeagentur
                                                                  E-Mail: si@siegen.ihk.de,                                Obergraben 39, 57072 Siegen
Erscheinungsweise: jeweils am 1. jedes Monats.                    Internet: http://www.ihk-siegen.de                       Telefon 0271 5940-0
Druckauflage: 22 283 Exemplare
                                                                                                                           Anzeigenannahme:
Quartal 1/2022                                                    Geschäftsstelle Olpe, Postfach 14 46, 57444 Olpe,
                                                                                                                           Michaela Hartrumpf-Schneider, Telefon 0271 5940-335
A 4791                                                            In der Trift 11, 57462 Olpe, Telefon 02761 9 44 50,
                                                                                                                           Philip Tordeur, Telefon 0271 5940-331
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung              Telefax 02761 9445-40, E-Mail: oe@siegen.ihk.de
                                                                                                                           Telefax 0271 5940-373
des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der IHK Siegen        Redaktion:                                               E-Mail: wirtschaftsreport@vorlaender.de
wieder. Nachdruck mit Genehmigung des Herausgebers und            Patrick Kohl­berger: 0271 3302-317
Quellenangabe sowie fotomechanische Vervielfältigung für                                                                   Zustellung
                                                                  Hans-Peter Langer: 0271 3302-313
inner­betrieblichen Bedarf gestattet. Für unverlangt eingesand-                                                            Für Fragen, die die Zustellung betreffen, wenden Sie sich
                                                                  E-Mail: presse@siegen.ihk.de
te Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.                                                                     bitte an zustellung@siegen.ihk.de oder 0271 3302-273.
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist keine auf Erwerb ausgerichtete          Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Veröffentlichung.                                                 Frank Steinseifer                                        Zurzeit gültige Anzeigenpreisliste Nr. 61
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Wirtschaftsreport    Juni 22      3

 IHK online
        »G       Pressemeldungen finden Sie zusätzlich zur Printausgabe auch online unter www.ihk-siegen.de.
          ekürzte
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32 | Berichte                                12 | Nachrichten                                » 54 Jubiläen/Bücher
» 32 Geschäftsidee traf ins Schwarze         » 14 Talbrücke Rahmede                          54 | Börsen
» 35 Wohlfühlmode                           » 16 Konjumktur                                 » 54 Recyclingbörse
     für Herzensprojekte                     » 18 Landtagswahl                               » 55 Unternehmensnachfolgebörse
» 38 Mehr Sicherheit im Verkehr              » 45 Energie-Award                              » 55 Handels- und
» 41 Heimatgenuss in Deuz                    » 47 Klimaschutz                                     Genossenschafts­register
                                             » 48 Mobilfunk                                  62 | Kultur
                                                                                             » 62 Sabine Helsper-Müller
                                                                                             » 64 Veranstaltungskalender

                                                                                                                  )HUWLJEDX/LQGHQEHUJ
                                                                                                               277248$67*PE+ &R.*
                                                                                                                  $QGHU$XWREDKQ
                                                                                                                   )UHXGHQEHUJ

                                                                                                                +RFKEDX

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Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast
4   Juni 22   Wirtschaftsreport

                                  IHK-JAHRESEMPFANG

„Starke Standorte
     brauchen
 leistungsfähige
 Verkehrswege“
Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast
Der Neubau der A45-Talbrücke Rahmede war eines der beherrschenden Themen beim Jahresempfang
der IHK Siegen. Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, zeigte den 1.000 Gästen
  in der Siegerlandhalle Perspektiven auf und versicherte, er werde sich höchstpersönlich jeden Tag
 für dieses so wichtige Projekt einsetzen. Zudem sprach der FDP-Politiker die Herausforderungen der
       internationalen Gemeinschaft in Zeiten des Ukraine-Kriegs und der Corona-Pandemie an.

                        Text: Patrick Kohlberger   |   Fotos: Heiner Morgenthal, Carsten Schmale
Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast
6    Juni 22   Wirtschaftsreport

                                                        Felix G. Hensel

    „Der Zeitenwende mit mehr
         Tempo begegnen“
         »     „Die Welt überschlägt sich in einem Tempo, das es schwer
               macht, mitzuhalten. Zugleich scheint es, als wären Ausnahme-
               zustände mittlerweile unser dauerhafter Begleiter“, erklärte
               Felix G. Hensel beim Jahresempfang der Industrie- und Handels-
                                                                                Nachdenklich ordnete er den bisherigen Verlauf des Ukraine-
                                                                                Konflikts ein: „Das Leid der Menschen ist unvorstellbar.“ Gleich-
                                                                                sam sei das Ausmaß der daraus resultierenden tektonischen
                                                                                Verschiebungen der internationalen Beziehungen zum jetzigen
               kammer Siegen. Der IHK-Präsident rückte die längst noch nicht    Zeitpunkt noch gar nicht in Gänze abzuschätzen. Den von Bun-
               beendete Corona-Pandemie, das Kriegsgeschehen in der Ukrai-      deskanzler Olaf Scholz geprägten Begriff der „Zeitenwende“
               ne sowie die jeweils weitreichenden Folgen für die heimische     bewertete Felix G. Hensel als zutreffend. „Es geht schließlich um
               Wirtschaft in den Blickpunkt seiner Ansprache. Dankbar zeigte    eine Neujustierung der deutschen und der internationalen Poli-
               er sich indes darüber, nach der Covid-bedingten Pause im Jahr    tik.“
               2021 nun wieder knapp 1.000 Gäste zu der Traditionsveranstal-
               tung in der Siegerlandhalle begrüßen zu können: „Wir sehnen      Steigende Preise an den Zapfsäulen oder für die eigene Heizung
               uns alle nach einem Stück Normalität. Schön, dass Sie der Ein-   seien nicht mehr als die „Spitze des Eisbergs“. Gestörte Liefer-
               ladung gefolgt sind“, brachte Hensel seine Wertschätzung ge-     ketten, fehlende Rohstoffe und Vormaterialien entwickelten
               genüber den Besuchern zum Ausdruck.                              sich immer deutlicher zu einem Hemmschuh für die heimische
                                                                                Wirtschaft – ein Ende dieser Entwicklung sei nicht in Sicht.
                                                                                Dennoch: Die ökonomischen Sanktionen gegen Russland wür-
                                                                                den bei den Unternehmen im heimischen Kammerbezirk weit
                                                                                überwiegend mit Einverständnis aufgenommen. Positiv stimme
                                                                                der Zusammenhalt der westlichen Staaten in dieser schwierigen
                                                                                Zeit: „Niemand schweißte die NATO und Europa jemals so zu-
                                                                                sammen wie Putin. Das macht Mut!“

                                                                                Für die Unternehmen in der Region zeige sich in der Krise: „Wer
                                                                                verflochten ist, der ist auch verletzlich.“ Und das längst nicht
                                                                                nur aufgrund des Ukraine-Konfliktes, sondern vor allem auch in
                                                                                Bezug auf die Auswirkungen der Pandemie. Der in China wieder-
                                                                                holt praktizierte Lockdown für Millionenstädte etwa habe die
                                                                                internationale Liefersituation massiv verschärft. Die deutsche
                                                                                Politik wiederum habe in Covid-19-Fragen aus heutiger Sicht
                                                                                auch nicht alles richtig gemacht. Hier habe in erster Linie der
                                                                                Föderalismus seine Schwachstellen offengelegt: „Die unter-
                                                                                schiedlichen staatlichen Ebenen formulierten fast im Wochen-
                                                                                takt neue Anforderungen an Wirtschaft und Gesellschaft.“ Die
                                                                                Regelungsdichte sei stetig gestiegen – und mit ihr die Unüber-
                                                                                sichtlichkeit, was nun in den einzelnen Regionen des Landes
                                                                                gelte und was nicht.

                                                                                Mit Sorge betrachte Hensel überdies die gewaltige Neuver-
                                                                                schuldung des Bundes. Diese habe sich allein in den vergange-
                                                                                nen beiden Jahren auf rund 345 Mrd. € belaufen. „Vor gar nicht
                                                                                so langer Zeit bemaß sich die Finanzpolitik der Bundesregierung
                                                                                am Ziel der ,schwarzen Null‘. Heute ruft niemand mehr nach ihr.
                                                                                Stattdessen werden die Lasten auf unsere Kinder und Enkel-
                                                                                kinder geladen“, kritisierte er.

                                                                                Als kapitale Fehlentscheidung habe sich indes auch der „nicht
                                                                                vom Ende her gedachte“ Doppelausstieg aus Kernkraft und Koh-
                                                                                le offenbart, befand Hensel. Das Resultat sei eine nicht mehr
                                                                                hinnehmbare Abhängigkeit von Erdöl, Kohle und Gas aus Russ-
Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast
Wirtschaftsreport   Juni 22   7

land. Die hohen Strom- und Energiekosten entwickelten sich
auch aus Sicht der Betriebe in Südwestfalen zu einem immer
bedrohlicheren Wettbewerbsnachteil des hiesigen Wirtschafts-
standorts. Dass nun Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
auf eine „fossile Einkaufstour“ nach Katar und in die Vereinigten
Arabischen Emirate gereist sei, verdeutliche die „wenig schmei-
chelhafte Sackgasse“, in die sich der Bund hineinmanövriert
habe.

Zu den Themen, die die Menschen in der Region zurzeit am
meisten beschäftigten, gehöre aber freilich noch eine ganz an-
dere Baustelle – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: „Mit
der Vollsperrung der A45 bei Lüdenscheid wurde die verkehrli-
che Lebensader Südwestfalens durchtrennt. Die Auswirkungen
waren und sind verheerend.“ Der volkswirtschaftliche Schaden
wird bei einer zehnjährigen Bauzeit auf 3,5 Mrd. € berechnet.
Selbst bei einer Halbierung der Bauzeit werden noch 1,8 Mrd. €
prognostiziert – ein katastrophales Szenario.

Unisono riefen die Betriebe und die Menschen in der Region
daher nach einem schnellstmöglichen Ersatzneubau. „Wir brau-
chen mehr Tempo“, appellierte Hensel direkt an Bundesver-
kehrsminister Dr. Volker Wissing, den Ehrengast des Abends.
Schnellere Genehmigungs- und Planungsverfahren sowie par-
allele Abläufe seien eine effektive Möglichkeit, den Neubau zu
beschleunigen – veränderte Vergabeverfahren ebenso.

Zudem zeige sich bei Verkehrsinfrastrukturprojekten immer
wieder das Problem, dass der Fortschritt der Arbeiten in unver-
hältnismäßiger Weise ausgebremst werde. Zu stark sei der
Fokus darauf ausgerichtet, die Habitate von Wanderfalken,
Haselmäusen, Rotmilanen oder Ameisenbläulingen zu bewah-
ren. „Tier- und Naturschutz ist uns allen wichtig – keine Frage!
Aber sollte er uns in Abwägung der schutzwürdigen Güter
wichtiger sein als die Bedürfnisse der Menschen, die hier le-
ben?“, regte Hensel zum Nachdenken an. Es sei mehr Augen-
maß vonnöten, um der „Zeitenwende mit mehr Tempo begeg-
nen“ zu können.

Im Verkehrssektor kranke das System seit vielen Jahrzehnten
massiv. Die Region fordere beispielsweise seit inzwischen 50
Jahren den Ausbau der Ruhr-Sieg-Strecke, damit Güter ver-
mehrt über die Schiene transportiert werden könnten. „Nun –
sieben Bundespräsidenten und 16 Bundesverkehrsminister spä-
ter – kommt man in der ersten Phase der Vorplanung an“,
schüttelte der Präsident den Kopf. Der durchgängig zweigleisi-
ge Ausbau der Siegstrecke zwischen Siegen und Köln lasse gar
seit fast acht Dekaden auf sich warten. Dagegen kämpfe man
„erst“ seit einem Vierteljahrhundert um die Kreuztaler Südum-
gehung als der Tor der „Route 57“ nach Wittgenstein. „Der Plan-
feststellungsbeschluss liegt seit viereinhalb Jahren vor. Gebaut
wurden bisher null Meter!“

Trotz aller Probleme formulierte Felix G. Hensel auch einen in
vielerlei Hinsicht positiven Blick in die Zukunft und nahm dabei
Bezug auf den Kammerbezirk. Viele Beispiele aus den Kreisen
Siegen-Wittgenstein und Olpe zeigten klar auf, dass die Wirt-
schaft von Mut geprägt sei und aktiv gestalten wolle. Für Inno-
Wirtschaftsreport Juni 2022 - IHK-Jahresempfang: Dr. Volker Wissing zu Gast
8   Juni 22   Wirtschaftsreport

                                  vation auf höchstem Niveau stehe etwa das vor wenigen Jahren
                                  errichtete Technologienzentrum „The Summit“ auf der Siegener
                                  Martinshardt: „Mittlerweile arbeiten hier rund 500 – überwie-
                                  gend junge – IT-Fachkräfte!“ Der Ort sei zu einer regelrechten
                                  „IT-Triebfeder“ avanciert.

                                  Die erfolgreichen Ansätze und Umsetzungen erstreckten sich
                                  aber auch ansonsten über verschiedenste Bereiche – vom Bil-
                                  dungssektor bis in die Hochtechnologie. Die Internationale
                                  Schule in Olpe etwa stelle ein „Leuchtturmprojekt“ für die ge-
                                  samte Region dar – ähnlich wie die Batterierecycling-Anlage für
                                  Lithium-Ionen-Batterien der SMS group in Hilchenbach. Die
                                  SMS-Tochter Primobius hat dort ein CO₂-armes System entwi-
                                  ckelt, mit dem hochreine Chemikalien in die Lieferkette der
                                  Batterieherstellung zurückgeführt werden können. „Damit lässt
                                  sich die Unabhängigkeit von globalen Zulieferern vergrößern.
                                  Außerdem werden wichtige endliche Ressourcen geschont“,
                                  unterstrich der IHK-Präsident.

                                  Zu beeindrucken vermöge auch das Jahrhundertprojekt „Siegen.
                                  Wissen verbindet“ – die Vision einer Stadt, die die Universität
                                  in ihre Mitte hole. „Am Ende“, prognostizierte Hensel, „könnten
                                  es bis zu 14.000 junge Menschen sein, die künftig die Siegener
                                  Innenstadt mit neuem Leben füllen.“ Die Uni, die in diesen Tagen
                                  ihr 50-jähriges Bestehen feiere, werde zum entscheidenden Zu-
                                  kunftsanker. Als ein konkretes Beispiel führte der Präsident an,
                                  dass hier der erste deutsche Quantencomputer im Einsatz sei.
                                  Zum Hintergrund: Prof. Christof Wunderlich erforscht dort, wie
                                  die Steuerung der Quantenbits verbessert werden kann. Hensel
                                  betonte, es sei zu hoffen, dass die Politik beim wichtigen Thema
                                  „Siegen.Wissen verbindet“ dauerhaft das Große und Ganze im
                                  Auge behalte, damit Stadt, Hochschule und Region zu einem
                                  echten Kraftzentrum verschmelzen können. n
Wirtschaftsreport         Juni 22   9

    Dr. Volker Wissing

    Talbrücke Rahmede zur
    „Chefsache“ erklärt

»   Er gilt als einer der „Architekten“ der Ampelkoalition und be-
    kleidet in seiner Funktion als Bundesminister für Digitales und
    Verkehr eine Schlüsselposition im Kabinett des Bundeskanzlers.
    Beim Jahresempfang der IHK Siegen stellte Dr. Volker Wissing
                                                                        de, stelle die Koalition in Berlin auf allen Ebenen die Weichen.
                                                                        Nicht nur – aber auch und gerade – vor dem Hintergrund des
                                                                        russischen Angriffs auf die Ukraine gelte es für Deutschland, in
                                                                        puncto Energieversorgung so schnell wie möglich neue Lösun-
    sein Konzept zur Bewältigung der zahlreichen Herausforderun-        gen zu finden.
    gen in seinem Verantwortungsbereich vor – nicht zuletzt mit
    einem sehr klaren Fokus auf die Situation in Südwestfalen. Der      Die Taskforce Versorgungssicherheit, die Energietransporte si-
    52-Jährige nahm Stellung zu allen Fragen rund um die nationa-       cherstelle, befinde sich stets im engen Austausch mit dem Wirt-
    le Verkehrsinfrastruktur, legte seine Ansätze zur Mobilitätswen-    schaftsministerium. Um die finanziellen Belastungen für die
    de dar und erklärte den weiteren Verlauf der Arbeiten an der        Menschen und Unternehmen abzufedern, habe die Bundesre-
    Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid zur „Chefsache“.                  gierung eine ganze Reihe von Sofortmaßnahmen auf den Weg
                                                                        gebracht – in erster Linie die Abschaffung der EEG-Umlage ab
    Mit Leidenschaft, Scharfsinn und Esprit brachte der Volljurist      dem 1. Juli und die temporäre Reduzierung der Energiesteuer.
    und ehemalige FDP-Generalsekretär in seiner Festrede zunächst       Entscheidend sei nun, dass die Mineralölwirtschaft diese Steuer-
    den Status quo der deutschen sowie der internationalen Wirt-        senkung auch an die Verbraucher weitergebe.
    schaft, Gesellschaft und Politik sowie seine Vision einer erfolg-
    versprechenden Zukunft zum Ausdruck. Freilich rückte er dabei       Um die ambitionierten Klimaschutzziele erreichen zu können,
    die zurzeit drängendsten Probleme in den Fokus – in erster Linie    sei das Thema Mobilität ganz entscheidend. Ziel müsse es sein,
    den Ukraine-Konflikt. „Der Krieg und seine Folgen werden uns        wieder deutlich mehr Menschen für den ÖPNV zu begeistern –
    noch eine ganze Weile fordern“, machte der Minister gleich zu       etwa durch das 9-€-Ticket für die Sommermonate. Eine
    Beginn klar. Die Regierung unterstütze, wo sie nur könne – un-      leistungs­-starke Verkehrsinfrastruktur sei ein absoluter Eckpfei-
    ter anderem durch eine Schienenbrücke, die Hilfsgüter per Bahn      ler für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes: „Starke Standorte
    ins Kriegsgebiet transportiere. Zudem gehe es darum, Flüchten-      brauchen moderne und leistungsfähige Verkehrswege – also
    den eine Perspektive in Deutschland zu ermöglichen.                 Schienen, Straßen und Wasserwege. Sie sind die Lebensadern
                                                                        für Wirtschaft und Gesellschaft.“ Im Entwurf für den Bundes-
    Wenn er daran denke, wie er sich die Bundesrepublik „von mor-       haushalt dieses Jahres seien daher Verkehrsinvestitionen in Hö-
    gen und übermorgen“ vorstelle, habe er eine eindeutige Vision       he von rund 19,5 Mrd. € vorgesehen.
    vor Augen, verdeutlichte Wissing: „Klimaneutral und wirt-
    schaftsstark, fortschrittlich und modern, digital und innovativ!“   Die dauerhaft erforderliche Reduzierung des CO²-Ausstoßes er-
    Damit dies kein frommer Wunsch bleibe, sondern Realität wer-        reiche man in erster Linie mithilfe der Chancen, die die Elektro-
10   Juni 22   Wirtschaftsreport

                                                                               mobilität – schon heute, vor allem aber in den kommenden
                                                                               Jahren und Jahrzehnten – biete. Sie sei die derzeit „wichtigste
                                                                               Säule für mehr Klimafreundlichkeit“ und solle langfristig zur
                                                                               „Alltagsmobilität“ avancieren, erklärte Wissing. Die Automobil-
                                                                               industrie habe inzwischen ein breites Angebot an praxistaugli-
                                                                               chen Modellen entwickelt. Um dieses zu unterstützen, setze die
                                                                               Bundesregierung konsequent darauf, den Kauf von E-Autos und
                                                                               den Aufbau der entsprechenden Ladeinfrastruktur zu fördern.
                                                                               Hier sei Tempo gefragt: „Das Laden muss so einfach wie das
                                                                               Tanken werden!“

                                                                               Notwendig sei insgesamt ein hohes Maß an Technologieoffen-
                                                                               heit: „Wir konzentrieren uns nicht nur auf den batterieelektri-
                                                                               schen Antrieb.“ Großes Potenzial sieht der Minister beispiels-
                                                                               weise in der Wasserstofftechnologie bei schweren Fahrzeugen
                                                                               – also bei Bussen und Zügen, bei Lkw oder Nutzfahrzeugen, aber
                                                                               auch im Luft- und Seeverkehr. Darüber hinaus setze er sich
                                                                               unter anderem für einen Markthochlauf erneuerbarer Kraftstof-
                                                                               fe, etwa E-Fuels, ein.

                                                                               Ausführlich ging Dr. Volker Wissing schließlich auf die von IHK-
                                                                               Präsident Felix G. Hensel angesprochene Dringlichkeit der Arbei-
                                                                               ten an der maroden Talbrücke Rahmede – und somit auf eines
                                                                               der aus Sicht der heimischen Wirtschaft wichtigsten Projekte
                                                                               der nahen Zukunft – ein. Er analysierte den Sachstand und zeig-
                                                                               te Perspektiven für den Neubau auf. Über die enormen Folgen
                                                                               der A45-Sperrung für die Menschen in der Region sei er sich im
                                                                               Klaren, versicherte der Minister dem aufmerksamen Publikum.
                                                                               Umleitungen, längere Wege, steigende Transportkosten und ge-
                                                                               störte Lieferketten stellten eine enorme Beeinträchtigung für
                                                                               Südwestfalen dar. Die Situation schränke die Wettbewerbsfä-
                                                                               higkeit vieler Betriebe massiv ein – und zwar über nahezu alle

               Jahrgangsbeste Auszubildende
               Ehrung beim Jahresempfang
               Beim Jahresempfang der IHK Siegen wurden die leistungs-         Die beste Abschlussprüfung in gewerblich-technischen Be-
               stärksten Auszubildenden des Prüfungsjahrgangs 2021 ge-         rufen im Kreis Siegen-Wittgenstein erreichte Marius Latt aus
               ehrt. IHK-Präsident Felix G. Hensel und Bundesverkehrsminis-    Bad Berleburg mit einem Gesamtergebnis von 97,6 %. Der
               ter Dr. Volker Wissing zeichneten vier Nachwuchskräfte aus      Maschinen- und Anlagenführer, Fachrichtung Metall- und
               dem Kammerbezirk aus und überreichten ihnen unter dem           Kunststofftechnik, absolvierte seine Ausbildung bei der EJOT
               großen Beifall der knapp 1.000 Gäste Weiterbildungsgut-         SE & Co. KG (Bad Berleburg) und besuchte das ebenfalls in der
               scheine im Wert von 500 € sowie Urkunden und Präsente.          Odebornstadt ansässige Berufskolleg Wittgenstein. Louis Brü-
               Das beste Ergebnis bei den kaufmännischen Berufen aus dem       ser aus Finnentrop wurde im gleichen Ausbildungsberuf als
               Kreis Siegen-Wittgenstein erzielte Lisa Feierabend aus Brach-   bester gewerblich-technischer Auszubildender im Kreis Olpe
               bach im Ausbildungsberuf Industriekauffrau mit einem            ausgezeichnet. Er schloss die Prüfung ebenfalls mit dem Ge-
               Traumergebnis von sage und schreibe 98,4 %. Sie absolvierte     samtergebnis von 97,6 % ab. Sein Ausbildungsbetrieb war die
               ihre Ausbildung bei der SMS group in Hilchenbach und be-        Heinrich Eibach GmbH (Finnentrop). Er besuchte das Berufs-
               suchte das Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung des Krei-     kolleg des Kreises Olpe in Attendorn.
               ses Siegen-Wittgenstein in Siegen. Lili-Zoé Peetz aus Lenne-
               stadt, ebenfalls Industriekauffrau, erreichte mit 95,3 % die    Mit langanhaltendem Applaus bedachten die Gäste des Emp-
               beste Abschlussprüfung aller kaufmännischen Auszubilden-        fangs den Hinweis, dass Marius Latt und Louis Brüser mit
               den im Kreis Olpe. Ihr Ausbildungsbetrieb war die GEDIA Ge-     ihren überragenden Prüfungsergebnissen zugleich die besten
               brüder Dingerkus GmbH in Attendorn. Sie besuchte das Be-        Ergebnisse von 4.739 in ganz Deutschland geprüften Auszu-
               rufskolleg des Kreises Olpe.                                    bildenden erzielt haben.
Wirtschaftsreport       Juni 22   11

Branchen hinweg. „Natürlich wird nicht zuletzt das Binden von             Für juristische Klarheit – etwa auch bei Themen wie Lärm- und
Arbeitskräften schwierig, weil die Fahrt zum Arbeitsplatz nun             Schallschutz – sorge zukünftig das modifizierte Bundesfernstra-
länger dauert.“                                                           ßengesetz. Um beim Blick auf alle bundesweit notwendigen
                                                                          Baumaßnahmen eine sinnvollere Orientierungsstütze haben zu
Deshalb sei es eminent wichtig, zügig voranzukommen. Dass die             können, setze die Bundesregierung auf neue Prioritäten. „Es geht
alte Brücke gesprengt werde, spare Zeit und beschleunige die              darum, die Modernisierung der Brücken strategisch und in der
Arbeiten am neuen Bauwerk. In diesem Kontext hob der FDP-                 sinnvollsten Reihenfolge anzugehen.“ Dabei helfe der soge-
Politiker die konstruktive und zielgerichtete Vorgehensweise der          nannte Traglastindex. Man schaue ab sofort viel stärker in das
Autobahn GmbH hervor. Die Verantwortlichen hätten längst                  Innere der Brücken, um zu erkennen, bei welchen Bauwerken ein
damit begonnen, zu vermessen und kartieren, Leitungen zu ver-             schnelles Eingreifen besonders wichtig ist.
legen und Lösungen für die Entwässerung der Brücke zu ent-
wickeln. Auch dem Natur- und Artenschutz messe man ent-                   Wissings Marschroute: „Wir wollen die Zahl der jährlich fertig
sprechende Bedeutung bei. Alle Planungsprozesse liefen auf                modernisierten Brücken auf 400 verdoppeln!“ In weniger als
Hochtouren. Die Autobahn GmbH bündle die erforderlichen                   zehn Jahren sollen sämtliche rund 4.000 Brücken verstärkt oder
Ressourcen und Mittel. Dies gelte auch für das Fernstraßen-               erneuert werden. Der finanzielle Etat werde entsprechend an-
Bundesamt, das sich um ein „rechtssicheres, einfaches und                 gepasst. Der Minister versprach: „Jede Maßnahme, die Baurecht
schnell bestandskräftiges Baurecht“ kümmere.                              erhält, wird auch finanziert.“ Immer mit im Blick: das Streben
                                                                          danach, Planungen, Verfahren sowie Abstimmungen zu be-
Das vielschichtige und komplexe Neubauvorhaben, in das viele              schleunigen und vereinfachen.
Akteure involviert seien, erfordere eine klare strategische Pla-
nung. Dafür habe er eigens einen Bürgerbeauftragten – den                 Konkreten Bezug auf die Situation der Unternehmen im heimi-
Lüdenscheider Bürgermeister Sebastian Wagemeyer – als festen              schen Kammerbezirk nahm Dr. Volker Wissing indes auch im
Bestandteil der Projekt-Lenkungsgruppe eingesetzt, verdeut-               Hinblick auf ein anderes wegweisendes Thema: die digitale Infra-
lichte Wissing. „So etwas gab es bei solchen Großvorhaben bis-            struktur. Hier sei die Region gut aufgestellt – vor allem der Kreis
her noch nicht.“ Ziel sei es, die Anliegen von Bürgern und Wirt-          Siegen-Wittgenstein. Dort kämen bereits nennenswerte Förder-
schaft schnell und unbürokratisch zu kommunizieren.                       mittel des Bundes zum Einsatz, um die Breitbandversorgung zu
Unterstützung erfahre Wagemeyer durch ein Bürgerbüro vor                  verbessern. „Wir investieren im Kreisgebiet rund 63 Mio. €. Damit
Ort, das für alle Fragen hinsichtlich des Neubaus zur Verfügung           werden mehr als 20.000 neue Anschlüsse geschaffen. Gut 3.000
stehe. Der Bundesverkehrsminister versicherte indes auch, dass            Unternehmen bekommen Glasfaser.“ Besonders erfreulich aus
er persönlich den Fortschritt der Arbeiten an der Talbrücke Rah-          Sicht des Ministers: „Die Kommunen haben sich hier in Clustern
mede kontrollieren werde. „Es vergeht kein Tag, an dem ich mich           zusammengeschlossen. So können Synergieeffekte genutzt wer-
nicht mit diesem Thema befasse.“                                          den. Das kann und sollte Vorbild für andere Regionen sein.“ n

Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (l.) und IHK-Präsident Felix G. Hensel (r.) überreichten den Prüfungsbesten die Urkunden.
12          Juni 22     Wirtschaftsreport

„Keine Zweiklassen-Beschleunigung!“
IHK erwartet hohes Tempo nicht nur bei Erdgasterminals
                                                                                                                           Hans-Peter Langer: „Wir würden uns wünschen,
                                                                                                                           dass die südwestfälischen Abgeordneten im
                                                                                                                           Bundestag ihr gesamtes Gewicht in die politi-
                                                                                                                           sche Waagschale werfen, um gemeinsam mehr
                                                                                                                           Rechtssicherheit zu schaffen und damit mehr
                                                                                                                           Tempo beim Brückenbau zu ermöglichen. Was
                                                                                                                           dem Deutschen Bundestag beim LNG recht ist,
                                                                                                                           sollte ihm auch in Lüdenscheid billig sein!“

                                                                                                                           Allerdings werfe auch das LNG-Beschleunigungs­
                                                                                                                           gesetz Fragen zur Wirksamkeit der gesetzlichen
                                                                                                                           Vorgaben auf: Manche Einschränkung lasse das
                                                                                                                           eigentlich lobenswerte Ziel einer effektiven Be-
                                                                                                                           schleunigung in die Ferne rücken, erläutert Hans-
                                                                                                                           Peter Langer weiter: „Der gesetzliche Anwen-

                                                                                                      Autobahn Westfalen
                                                                                                                           dungsbereich ist auf bestimmte LNG-Terminals
                                                                                                                           und deren Anbindungsleitungen beschränkt.
                                                                                                                           Damit sind Probleme beim weiteren Ausbau der
                                                                                                                           LNG-Infrastruktur bereits vorprogrammiert.“ Die
Beim Neubau der Talbrücke Rahmede ist aus Sicht der IHK Siegen höchstes Tempo gefragt.
                                                                                                                           Anforderungen der Zukunft gingen über die reine
„Um den Einsatz von verflüssigtem Erdgas auf           Rahmede gesetzlich absichert!“ Für IHK-Haupt-                       Erdgasversorgung hinaus: Sinnvoll könnte daher
den Weg zu bringen, legt die Bundesregierung           geschäftsführer Klaus Gräbener droht hier eine                      sein, die zukünftig geplante Infrastruktur für
vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-              „Zweiklassen-Beschleunigung“. Im Koalitions-                        Wasserstoff oder auch Glasfaser- bzw. Wasser-
Krieges ein beeindruckendes Tempo vor. In Re-          vertrag hätten sich die Regierungsparteien auf                      leitungen direkt mit zu verlegen. Die Einschrän-
kordzeit wurde das ‚LNG-Beschleunigungsge-             umfangreiche und politisch weitgehend unstrit-                      kung im Gesetzentwurf auf LNG oder Erdgas
setz‘ in die politische Beratung gebracht. Wir         tige Maßnahmen zur Beschleunigung von Infra-                        könnte dem entgegenstehen.
würden uns wünschen, dass man mit solchem              strukturvorhaben verständigt. Wenn das LNG-
Vollgas auch den Neubau der A45-Talbrücke              Beschleunigungsgesetz nun richtigerweise mit                        „Jeder Schritt zu mehr Beschleunigung ist zu
                                                       einer besonderen Dringlichkeit begründet wer-                       begrüßen. Wenn man allerdings Gas geben will,
                                                       de, stelle sich die Frage, warum dies bei nicht                     darf man nicht schon im Gesetzentwurf zu viele
                  Bahnhofstr. 15, 57072 Siegen
                                                       mehr befahrbaren Verkehrswegen mit überra-                          ‚Bremspedale‘ einbauen. Ansonsten folgt der
                  Telefon 0271 3134-130, Fax -128
                  info@ibf-siegen.de                   gender Bedeutung nicht auch erfolge.                                politischen Ankündigung einmal mehr die Ernüch­
                                                                                                                           terung auf dem Fuße“, ist sich Klaus Gräbener
                  www.ibf-siegen.de                    IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer: „Wir                         sicher. Er nennt beispielhaft die vorgesehenen
                                                       brauchen auch bei maroden Autobahnbrücken                           Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprü-
                                                       genau das Tempo, das Wirtschaftsminister Ro-                        fung mit ihren umfangreichen Berichts-, Prüf-,
                                                       bert Habeck beim Flüssiggas vorlegt. Warum                          Informations- und Beteiligungspflichten. Mo-
                                                       nur dort, nicht aber bei überregional wirkenden                     nate gingen hierfür regelmäßig ins Land. Der
                                                       Notlagen wie in Lüdenscheid?“ Die im Entwurf                        Gesetzentwurf sehe Ausnahmen nur dann vor,
                                                       des LNG-Beschleunigungsgesetzes vorgesehe-                          „wenn eine beschleunigte Zulassung des kon-
                                                       nen Maßnahmen seien zur Verkürzung der Ge-                          kreten Vorhabens geeignet ist, einen relevanten
                                                       nehmigungsverfahren grundsätzlich auf andere                        Beitrag zu leisten, eine Krise der Gasversorgung
                                                       Infrastrukturvorhaben übertragbar, betont Hans-                     zu bewältigen oder abzuwenden.“ Derlei sprach-
                                                       Peter Langer: „Verkehrsadern wie die A45 sind                       liche Auslegungs-Schlupflöcher schafften ledig­
                                                       für die Wirtschaft und die Gesellschaft von we-                     lich Unsicherheiten und öffneten neuen gericht-
                                                       sentlicher Bedeutung. Das bestreitet kein ver-                      lichen Verfahren Tür und Tor. Zudem gebe es
                                                       nünftiger Mensch. Daher: Mehr Tempo gerade                          zusätzliche Beschleunigungsmöglichkeiten, die
                                                       dort. Zeitliches Einsparpotenzial ergibt sich bei-                  leider keinen Eingang in den Gesetzentwurf ge-
                                                       spielsweise durch den Wegfall von Prüfschritten,                    funden hätten, darunter die generelle Zulässig-
                                                       kürzere Fristen für die Öffentlichkeitsbeteili-                     keit eines vorzeitigen Baubeginns oder die grund­
                                                       gung und Ausnahmen von der Umweltverträg-                           sätzliche Annahme der Zustimmung, wenn die
                                                       lichkeitsprüfung.“ Das alles ließe sich auf den                     Rückmeldung einer beteiligten Behörde ausblei-
                                                       Verkehrsbereich übertragen, wenn es denn poli-                      be. Klaus Gräbener: „Wir müssen bei der Pla-
                                                       tisch hierzu einen Konsens im Deutschen Bun-                        nungsbeschleunigung endlich alle Register zie-
                                                       destag gäbe, verdeutlichen Klaus Gräbener und                       hen! Wenn nicht jetzt, wann dann?“ 
Lars Obendorfer | Unternehmer und Gründer der Imbisskette „Best Worscht in Town“

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        die Erfahrungen von Lars Obendorfer unter www.commerzbank.de/kundengeschichten

                 Die Bank an Ihrer Seite
14           Juni 22      Wirtschaftsreport

Neubau der Talbrücke Rahmede
IHK-Arbeitskreis übt heftige Kritik an „gesetzlichen Fesseln“
                                                                                                                        stand der Umleitungsstrecken engmaschig zu
                                                                                                                        überwachen: „Wenn hier noch eine Strecke in
                                                                                                                        die Knie geht, dann gehen in der Region man-
                                                                                                                        cherorts wirklich die Lichter aus. Die jetzt noch
                                                                                                                        stärker belasteten Brücken müssen intensiv be-
                                                                                                                        obachtet werden!“ Michael Kröhl (Krombacher
                                                                                                                        Brauerei Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG)
                                                                                                                        forderte erneut mit Nachdruck Entlastungen für
                                                                                                                        den Wirtschaftsraum. „Solange es keinerlei poli-
                                                                                                                        tische Zusagen gibt, hängt das Wohl und Wehe
                                                                                                                        vieler Unternehmen in den Kreisen Siegen-Witt-
                                                                                                                        genstein und Olpe umso stärker von der Bauzeit
                                                                                                                        der Brücke ab. Planungssicherheit ist so nicht
                                                                                                                        möglich.“ Kröhl, zugleich Vorsitzender des Ar-
                                                                                                                        beitskreises Verkehrswirtschaft, warb dafür,

                                                                                                      Carsten Schmale
                                                                                                                        dass Unternehmen jede Gelegenheit nutzen
                                                                                                                        sollten, um die Folgen der Brückensperrung in
                                                                                                                        der Öffentlichkeit zu thematisieren.
Die A45 und der Ukraine-Krieg waren die bestimmenden Themen: Michael Kröhl, Burhan Demir, Benjamin Hecker
                                                                                                                        IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer gab
und Hans-Peter Langer (v.l.).
                                                                                                                        einen Überblick über den intensiven Einsatz der
„In Deutschland ist das einfach leider so.“ Dieser    Unverständnis zeigten die Sitzungsteilnehmer                      IHK für einen möglichst schnellen Neubau der
wenig ermutigende Satz war in der jüngsten            angesichts der Vielzahl an gesetzlichen Vorga-                    Brücke und für Nachteilsausgleiche, um die
Sitzung des Arbeitskreises Verkehrswirtschaft         ben und Einschränkungen, die einer schnellen                      Wettbewerbsfähigkeit im heimischen Wirt-
der IHK Siegen von mehreren Unternehmensver-          Planung entgegenstünden. „Es ist ja gut, dass                     schaftsraum aufrechtzuerhalten. Bewährt habe
tretern zu hören. Auf der Tagesordnung: ein Be-       die im Gelände gefundene Haselmaus ihren                          sich auch hier der enge Schulterschluss mit Ge-
richt der Autobahn GmbH Niederlassung West-           Winterschlaf abgeschlossen hat. Mir würde je-                     werkschaften, Arbeitgeberverbänden und dem
falen zum Stand der Arbeiten an der gesperrten        doch jedes Verständnis fehlen, wenn sich ein                      Handwerk in der Region.
A45-Talbrücke Rahmede. Eine klare Aussage zu          solch wichtiges Verkehrsprojekt wegen des
einem konkreten Zeitplan für den Ersatzneubau         Schutzes seltener Tierarten nur um einen Tag                      Weiteres Thema der Sitzung waren die Perspek-
konnte Nadja Hülsmann, Geschäftsbereichslei-          verzögern würde. Die Belange der Menschen,                        tiven aus der Ukraine geflüchteter Menschen
terin Bau und Erhaltung, nicht treffen. Aller-        der Anwohner in Lüdenscheid ebenso wie der                        auf dem heimischen Arbeitsmarkt, über die Ben-
dings machte sie deutlich, dass die Planer in den     vielen Arbeiternehmer in den Unternehmen,                         jamin Hecker vom Arbeitgeber-Service der
fünf Monaten seit der Sperrung keineswegs un-         dürfen nicht hintenanstehen. Wir leben hier mit                   Agentur für Arbeit Siegen und Burhan Demir
tätig waren.                                          einer Notsituation für die gesamte Region, so-                    (IHK Siegen) berichteten. 
                                                      dass andere Maßstäbe gelten müssen“, kritisier-
So wurden die Flächen unter der Brücke bereits        te Ferdinand Menn (Spedition Menn GmbH).
freigeschlagen und die Brücke von Gewicht be-         Denkbar sei etwa der Verzicht auf internationa-                   A45
freit. Zudem wird das Gelände auf Kampfmittel         le Ausschreibungen, um wertvolle Zeit zu spa-
untersucht. Ein Gutachten hatte bereits im Fe-        ren. Teresa Mason-Hermann (KRAH Elektroni-
                                                                                                                        Wichtiger Baustart
bruar gezeigt, dass die Brücke gesprengt werden       sche Bauelemente GmbH) kam zu dem Schluss,                        Die Autobahn Westfalen hat mit dem Bau einer
kann. Zudem wurden Abstimmungen mit Grund-            dass es bedauerlicherweise heute in Deutsch-                      neuen, provisorischen Abfahrt an der A45-An-
stückseigentümern und den Trägern öffentlicher        land offenkundig mindestens fünf Jahre dauere,                    schlussstelle Lüdenscheid begonnen. Damit wird
Belange vorgenommen. Bereits seit Mitte April         eine bestehende Brücke zu erneuern, wenn die                      eine Anregung aus der Bürgerschaft umgesetzt,
wird der Baugrund an den Widerlagern unter-           Arbeiten „störungsfrei“ liefen. „Wie lange dauert                 den Verkehr an dieser Stelle nach der Sperrung
sucht, inzwischen auch unter der Brücke. Einige       dasselbe Vorhaben dann, wenn Probleme auf-                        der Talbrücke Rahmede zu entzerren. Der Ver-
Verfahrensschritte konnten bereits simultan           tauchen oder es zu Rechtsstreitigkeiten kommt?“                   kehr aus Süden soll künftig als „Linksabbieger“
umgesetzt werden, was Zeit spart. Derzeit strebt      Die gesetzlichen Vorgaben ließen dem Gemein-                      auf der Autobahn über den Mittelstreifen und
die Autobahn Westfalen ein sogenanntes ver-           wohl kaum eine Chance.                                            eine provisorische Abfahrt auf die derzeit ge-
kürztes Verfahren an, das vom Fernstraßenbun-                                                                           sperrte Abfahrt der Fahrtrichtung Frankfurt ge-
desamt genehmigt werden muss. Die wiederholt          Sorgen bereiteten einigen Teilnehmern die un-                     führt werden. Zudem muss die Ampelanlage an
gestellte Frage von IHK-Hauptgeschäftsführer          mittelbaren Folgen der Umleitungsverkehre für                     der Anschlussstelle durch Straßen.NRW auf die
Klaus Gräbener, wann dies der Fall sein werde,        die Verkehrsinfrastruktur. IHK-Vizepräsident                      neue Situation hin angepasst und erneuert wer-
konnte die Referentin gleichwohl nicht beant-         Walter Viegener (Viega Holding GmbH & Co. KG)                     den. Die gesamten Arbeiten sollen Anfang Juli
worten.                                               appellierte eindringlich dafür, den baulichen Zu-                 abgeschlossen sein. 
Wirtschaftsreport        Juni 22       15

NRW-Wirtschaft
Zu Gast in Europas Hauptstadt Brüssel
Rund 70 Unternehmer aus den Fachausschüssen
der 16 nordrhein-westfälischen IHKs folgten der
Einladung zu einer von IHK NRW und dem En-
terprise Europe Network organisierten Fahrt
nach Brüssel. In der Vertretung des Landes NRW
bei der Europäischen Union bot sich den Teil-
nehmern die Gelegenheit zum Austausch mit
EU-Parlamentariern (Dr. Axel Voss, EVP, und
Tiemo Wölken, S&D) sowie hochrangigen Kom-
missionsmitarbeitern, beispielsweise Renate
Nikolay, der Kabinettschefin der EU-Vizepräsi-
dentin Věra Jourová.

Es waren keine leichten Themen, die diskutiert
wurden, darunter die strategischen Abhängig-

                                                                                                                                                    IHK Siegen
keiten der europäischen Wirtschaft in den glo-
balen Wertschöpfungsketten, das kommende
EU-Lieferkettengesetz und der CO2-Grenzaus-       NRW zu Gast bei der EU: Heimische Unternehmensvertreter reisten gemeinsam nach Brüssel
gleichsmechanismus (CBAM). Auch einige Un-
ternehmer aus Siegen-Wittgenstein, unter ih-      Streckmetallfabrik), brachten sich in die Bera-       mittelbar in Brüssel zu adressieren: „Gelegen-
nen IHK-Vizepräsident Axel E. Barten (Achenbach   tungen ein. Jens Brill, Leiter Außenwirtschaft bei    heiten wie diese werden umso wichtiger, als die
Buschhütten GmbH & Co. KG), Christian Baum-       der IHK Siegen, freute sich über die starke Be-       Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche wirt-
garten (Baumgarten handle systems KG) und         teiligung aus der Region und die Möglichkeit für      schaftliche Betätigung seit Jahren stetig un-
Klaus Bender (Bender GmbH Maschinenbau –          die heimischen Exporteure, ihre Anliegen un-          günstiger werden.“ 
16              Juni 22          Wirtschaftsreport

IHK-Konjunkturumfrage
Geschäftslage noch passabel, Zukunftserwartungen im Sinkflug
Endauswertung Konjunkturumfrage Frühjahr 2022 (499 Antworten)                                                                                                  tisch in die Zukunft, 37 % sind zum Teil äußerst
                                                                                                                                                               pessimistisch. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus
Konjunkturklimaindex für den Bezirk der Industrie- und Handelskammer Siegen
                                                                                                                                                               Gräbener: „Wir hatten gehofft, dass wir die lan-
                                                                                                                                                               ge Corona-Durststrecke langsam hinter uns hät-
                                                            137                                                                                                ten. Klar ist mittlerweile jedoch vielerorts in den
                                                      130          126 123                                                                                     Unternehmen: Wir kommen vom Regen in die
        122                                                                                                             118 120 120
                                 117 118 120
                    111 112                                                    112                                                                             Traufe. Schlimmer geht eben immer.“ Die Prob-
              106                                                                            106                                                  Langfr.
                                                                                       99                         100
                                                                                                                                           96     Mittel der   leme nähmen durch den gewaltigen Container-
                                                                                                             92                                   letzten 20
                                                                                                                                                  Jahre: 105   Stau in Shanghai deutlich zu. Ein Ende der Preis-
                                                                                                                                                               spirale und Materialknappheit sei nicht in Sicht.
                                                                                                   65
                                                                                                                                                               Die Unternehmen würden zudem deutlich zu-
                                                                                                                                                               rückhaltender bei Beschäftigung und Investitio-
                                                                                                                                                               nen.

                                                                                                                                                               Breite Zustimmung für Bundesregierung
        Jan   Sep   Jan    Sep    Jan   Sep   Jan     Sep    Jan   Sep   Jan   Apr     Sep   Jan Mai Sep          Jan   Apr   Sep    Jan   Apr                 84 % der Unternehmen aus Siegen-Wittgen-
        14    14    15     15     16    16    17      17     18    18    19    19      19    20 20 20             21    21    21     22    22
                                                                                                                                                               stein und Olpe sind direkt bzw. indirekt von den
                                                                                                                                                               Folgen des Krieges betroffen. Besonders starke
                                                                                                                                                               Auswirkungen spürt die heimische Industrie.
„Seit Monaten bremsen Preissteigerungen und                                      Punkte auf einen Wert von 96. Damit liegt er                                  Dennoch befürwortet die überwältigende Mehr-
Lieferengpässe bei Rohstoffen, Energie sowie                                     erstmals seit einem Jahr wieder unter dem Mit-                                heit die Sanktionen gegen Russland, unterstützt
Vorprodukten die wirtschaftliche Entwicklung.                                    telwert der letzten 20 Jahre (105). Dabei be-                                 dabei jedoch zugleich ein Vorgehen mit Augen-
Der Krieg in der Ukraine verschärft diese Pro­                                   werten weite Teile der regionalen Wirtschaft die                              maß. Klaus Gräbener: „Es kann keine Sanktionen
bleme nun deutlich. Hinzu kommen die Risiken                                     aktuelle Geschäftslage noch als passabel. Die                                 zum Nulltarif geben. Allerdings ist es auch nicht
eines vollständigen Energieembargos sowie die                                    Zukunftserwartungen brechen jedoch auf brei-                                  besonders klug, sich selbst stärker zu schwächen
Null-Covid-Strategie in China: Alles in allem                                    ter Front ein. Felix G. Hensel: „Es ist erfreulich,                           als den Gegner. Blinder Ehrgeiz schadet hier.
eine toxische Mischung. Die Unsicherheiten wa-                                   wie robust ein Großteil der heimischen Unter-                                 86 % der heimischen Betriebe unterstützen da-
ren selten größer!“ Mit diesen Worten kommen-                                    nehmen immer noch dasteht. Was die Unter-                                     her das eher behutsame Vorgehen der Bundes-
tiert IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergeb-                                   nehmen jedoch vor der Brust haben, zeigt der                                  regierung, sich nur schrittweise von der großen
nisse der neuesten IHK-Konjunkturumfrage, an                                     historische Absturz der Zukunftsaussichten, der                               russischen Energie-Abhängigkeit zu lösen.“
der sich 499 Unternehmen mit mehr als 37.000                                     sogar stärker ausfällt als zu Beginn der Corona-                              Jetzt gelte es, mit aller Kraft sämtliche Brems-
Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft,                                      Pandemie. Besonders düster fallen die Progno-                                 klötze beim Ausbau der erneuerbaren Energien
Handel und Dienstleistungsgewerbe in den Krei-                                   sen im Baugewerbe, im Großhandel und in Tei-                                  zu lösen, den Netzausbau konsequent voranzu-
sen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten.                                    len der Industrie aus.“                                                       treiben und alternative Bezugsquellen zu sichern,
                                                                                                                                                               damit schnellstmöglich eine von den russischen
Der Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus                                    Nur 11 % der Unternehmen aus Siegen-Witt-                                     Energieträgern unabhängige Grundlastsicherung
Lagebeurteilung und Erwartung – fällt um 24                                      genstein und Olpe blicken derzeit noch optimis-                               gewährleistet werden kann.

Lagebeurteilungen und Erwartung aller Unternehmen im IHK-Bezirk Siegen                                                                                         Auslastung der Industrie noch auf gutem
                                                                                                                                                               Niveau aber Auftragseingänge brechen ein
  60                                                                                                                                                           In Teilen der Industrie überwiegt derzeit noch
                      49
  50                             45     44
                                                                                                                                                               eine positive Lagebeurteilung. 38 % der Firmen
              43
                                                                                                                                                               beurteilen ihre derzeitige Geschäftslage als gut.
  40
                                                                                                                         31                                    Jeder zweite Industriebetrieb meldet eine Pro-
       27                                        27                                                               28
  30                                                                                                                                25
                                                            18      19                              19                                                         duktionsauslastung zwischen 85 und 100 %.
  20                  27
                                                                                                                                                               Felix G. Hensel: „Das ist ein sehr ordentlicher
  10 14       18                                                                                        18
                                                                                              0                   12
                                                                                                                                                 Lage          Wert, der den noch guten Auftragsbestand wi-
                                 10                                                                                     10
   0                                    5                                                                                                        Erwartung     derspiegelt. Aber: Jedes dritte Unternehmen be-
                                                                                  -5
                                                 -1                                           0
- 10
                                                                   -6
                                                                                                                                                               richtet inzwischen von geringeren Auftragsein-
                                                                                     - 12
- 20                                                                                                                                                           gängen. Entsprechend gehen große Teile der
                                                        - 16
                                                                          - 31                                                                                 Industrie von Umsatzrückgängen aus.“ Zudem
- 30
                                                                                                                                - 27
                                                                                                                                                               breche die Ertragslage förmlich ein. 41 % der
- 40
                                                            - 39                                                                                               Unternehmen berichten von einer schlechteren
- 50
   Jan 17 Sep 17 Jan 18 Sep 18 Jan 19 Apr 19 Sep 19 Jan 20 Mai 20 Sep 20 Jan 21 Apr 21 Sep 21 Jan 22 Apr 22                                                    Ertragslage. 39 %, und somit mehr als doppelt
Saldo aus positiver und negativer Einschätzung                                                                                                                 so viele Industriebetriebe wie noch zu Jahres-
Wirtschaftsreport                  Juni 22                         17

anfang, blicken pessimistisch in die Zukunft, vor   Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung (Gesamtwirtschaft)
allem im Kreis Siegen-Wittgenstein.
                                                     100
                                                      90                                                                                                                     85
Großhandel so pessimistisch wie seit                                                                                                                                    80
                                                      80
                                                                                                                                                                   72
mehr als 30 Jahren nicht mehr                         70
War in der Vergangenheit die Bauwirtschaft ein        60                 53
                                                                                                                                      57                      59
                                                                                                                                 49        48
wichtiger konjunktureller Stabilisator, schlagen      50
                                                            42
                                                                                                                                                                                  47 46
                                                                                                                                                                                               44
                                                                 37 35                                           39 41 40                                                                 37
nun die Engpässe und die exorbitant hohen Prei-       40
                                                                                                            32
                                                                                                                            35

                                                      30
se bei nahezu sämtlichen Materialien voll durch.                              20
                                                                                           24
                                                      20                           17 15
Stephan Häger, Leiter des Referates Konjunktur,                                                 8
                                                      10                                            4 6 6                                           5 3 2 3
Arbeitsmarkt und Statistik: „Zwar ist der Auf-
                                                       0
tragsbestand auch im Bausektor noch ordent-
lich. Zahlreiche Unternehmen berichten jedoch
von gestoppten oder verschobenen Bauprojek-
ten, weil die Preise durch die Decke gehen. Ein
weiteres Problem: Inzwischen hat jeder fünfte                                                           Apr 21    Sep 21    Jan 22         Apr 22

Betrieb mit Forderungsausfällen zu kämpfen,
                                                    Angaben in Prozent, Mehrfachnennung möglich
was zu Liquiditätsengpässen führt.“
                                                    gern. Stephan Häger: „Im Lebensmitteleinzel-                            schlechte Geschäfte. 42 % konnten in den ver-
Ein ähnliches Stimmungsbild zeichnet sich im        handel fällt die aktuelle Lagebeurteilung nach                          gangenen Monaten eine Umsatzsteigerung ver-
Großhandel ab. Während die aktuelle Lage wei-       wie vor am besten aus, aber auch der Textil- und                        buchen. Allerdings ist wegen der wirtschaft­
terhin so positiv bewertet wird wie zu Jahres-      der Kfz-Handel bewerten ihre derzeitigen Ge-                            lichen Rahmenbedingungen die Hoffnung auf
beginn, fallen die Zukunftserwartungen auf ei-      schäfte besser als noch zu Jahresbeginn. Aber:                          eine Erholungsphase verhalten.
nen historischen Tiefststand. Inzwischen blicken    Trotz Aufhebung der ,Corona-Zugangsbe-
41 % pessimistisch in die Zukunft. Zu Jahres-       schränkungen‘ ist der Aufholprozess noch nicht                          Dienstleistungsbranche weiterhin zufrieden,
beginn waren es nur 7 %. Insbesondere der pro-      richtig in Gang gekommen. Steigende Lebens-                             blickt aber pessimistischer in die Zukunft
duktionsnahe Großhandel geht von zukünftig          haltungskosten, gepaart mit großer Unsicher-                            Die Stimmungslage in der regionalen Dienstleis-
schlechteren Geschäften aus.                        heit der Verbraucher, belasten immer stärker das                        tungsbranche ist gedämpft. Zwar ist die Lage-
                                                    Konsumverhalten.“ Von der Kaufzurückhaltung                             bewertung nahezu unverändert – 35 % berich-
Etwas bessere Stimmung in Teilen                    besonders betroffen ist der Kfz-Einzelhandel                            ten von einer guten und 13 % von einer
des Einzelhandels und im Gastgewerbe                (62 %), den zudem starke Lieferverzögerungen                            schlechten Lage - allerdings ist der Blick auf die
Dagegen fällt die Lagebeurteilung im Einzelhan-     bei Neuwagen sowie ein Mangel an Gebraucht-                             kommenden Monate von Pessimismus geprägt,
del besser aus als zu Jahresbeginn. 28 % der        wagen belasten. Noch spürbarer verbessert sich                          wenn auch nicht so ausgeprägt wie in anderen
Händler bewerten ihre derzeitige Geschäftslage      die Geschäftslage im Gastgewerbe. Inzwischen                            Wirtschaftszweigen. Erstmals seit knapp zwei
als gut, 18 % als schlecht. Ein Viertel konnte in   bewerten 22 % der regionalen Gastronomen                                Jahren überwiegen auch hier die negativen Zu-
den vergangenen Monaten seine Umsätze stei-         ihre Lage als gut. „Nur“ noch 18 % melden                               kunftserwartungen. 

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18             Juni 22         Wirtschaftsreport

IHK-Blitzumfrage
Unternehmen erwarten mehr Tempo auf vielen Ebenen
Endauswertung IHK-Blitzumfrage zur Landtagswahl 2022 (499 Antworten)                                                                      beschäftigten die Betriebe tagtäglich. Insbeson-
                                                                                                                                          dere die nach wie vor ungelöste Energiefrage
                          Wo sehen Sie mit Blick auf den Wirtschaftsstandort NRW den größten                                              macht jedem zweiten Unternehmen zu schaffen
                                  Handlungsbedarf für die künftige Landesregierung?
                                                                                                                                          (46 %). „Für die Unternehmen in unserer indus-
   Verbesserung der Infrastruktur (u. a. Verkehr, Gewerbeflächenangebot)                                                           57,2   triestarken Region ist eine sichere Energiever-
                     Digitalisierung vorantreiben (u. a. Breitbandausbau)                                   30,2                          sorgung existenziell. Den Doppelausstieg aus
                                           Fachkräfteversorgung sichern                                  26,5                             der Kernkraft und der Kohle erkauften wir uns
                          Wettbewerbsfähige Energieversorgung sichern                                                       45,5          mit einer nicht mehr hinnehmbaren Abhängig-
                                      Rohstoff- und Lieferketten sichern                                           37,0
                                                                                                                                          keit von Erdöl, Kohle und Gas aus Russland. Das
                           Umwelt- und Klimaschutzpolitik vorantreiben              7,3
                                                                                                                                          bekommen wir jetzt schmerzhaft zu spüren!“
                                                                                                                                          Wichtiger als alles andere ist nun: Die Erneuer-
             Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation stärken           2,9
                                                                                                                                          baren Energien müssen ausgebaut, die Netze –
                                                     Bürokratie abbauen                                                   43,1
    Handlungsfähigkeit der Verwaltung verbessern (bspw. Digitalisierung,
                                                                                                                                          auch gegen Widerstände – viel stringenter
                                                                                                 15,8
                         Verfahren beschleunigen)                                                                                         durchgesetzt werden und die Grundlastsiche-
                                           Landeshaushalt konsolidieren       2,2
                                                                                                                                          rung gewährleistet sein.
       Folgen der Corona-Pandemie überwinden, Krisenfestigkeit stärken                    10,7

                        Grund- und Gewerbesteuerhebesätze reduzieren                              17,0                                    Lediglich ein Thema ist der heimischen Wirtschaft
                                                                                                                                          derzeit noch wichtiger: die Verbesserung der teil-
Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich
                                                                                                                                          weise maroden Infrastruktur. Knapp sechs von
                                                                                                                                          zehn Unternehmen (57 %) sehen hier den größten
Schon vor dem Ergebnis der NRW-Landtagswahl                                 Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen be-                Handlungsbedarf für die zukünftige Landesregie-
war klar: Die Unternehmen aus Siegen-Witt-                                  teiligten. Der IHK-Präsident verweist auf rück-               rung. IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer:
genstein und Olpe sehen auf die neue Landes-                                gängige Auslandsaufträge, die mittlerweile je-                „Das Beispiel der Talbrücke Rahmede zeigt deut-
regierung viel Arbeit zukommen. „Die Heraus-                                des dritte Industrieunternehmen melde. 41 %                   lich, dass in Nordrhein-Westfalen in der Vergan-
forderungen sowie die Handlungsbedarfe sind                                 berichteten, dass sich die Ertragslage in den                 genheit zu wenig für den Erhalt und Ausbau der
riesig. Vor allem bei der Infrastruktur und der                             letzten sechs Monaten verschlechtert habe. Fe-                Infrastruktur getan wurde. Der volkswirtschaft­
Energieversorgung braucht es entschlosseneres                               lix G. Hensel: „Jetzt – und nicht irgendwann – ist            liche Schaden in den kommenden Jahren geht in
Vorgehen und deutlich mehr Tempo. Die Wett-                                 der richtige Zeitpunkt, um zu handeln!“                       die Milliarden Euro!“ Aber nicht nur hier sei die
bewerbsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsrau-                                                                                             künftige Landesregierung gefordert, gemeinsam
mes steht unter Druck wie selten zuvor!“ So                                 „Megathemen“ Energieversorgung,                               mit dem Bund sämtliche Bremsklötze zu lösen.
fasst Felix G. Hensel die Ergebnisse einer IHK-                             Infrastruktur und Bürokratieabbau                             Auch die Schieneninfrastruktur müsse ausgebaut
Blitzumfrage zusammen, an der sich vor der                                  Die Unsicherheit steige. Der alles überschatten-              und das Gewerbeflächenangebot zielgerichtet
Landtagswahl 499 Unternehmen aus Industrie,                                 de Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen                verbessert werden, betont Hans-Peter Langer.

                                                                                                                                          Das dritte große Handlungsfeld ist für die regio-
                                                                                                                                          nale Wirtschaft der Bürokratieabbau. 43 % der
                                                                                                                                          Unternehmen sehen hierin eine wichtige Auf-
                                                                                                                                          gabe für die künftige Landesregierung. IHK-
                                                                Seite 1 von 1                                                             Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Viele
                                                                                                                                          gesetzliche Vorschriften belasten insbesondere
                                                                                                                                          kleine und mittelständische Unternehmen fi-
                                                                                                                                          nanziell und personell stark. Täglich lähmt die
                                                                                                                                          Bürokratie die Wirtschaftskraft.“ Sie sei pures
                                                                                                                                          Gift für die Wettbewerbsfähigkeit. Dabei blo-
                                                                                                                                          ckiere die Regelungswut nicht nur wirtschaft-
                                                                                                                                          liche Aktivitäten, auch der Staat selbst bremse
                                                                                                                                          sich in seiner Aufgabenwahrnehmung hiermit
                                                                                                                                          zunehmend aus. „Wenn man nach drei Jahren
                                                                                                                                          feststellt, dass von ursprünglich 5 Mrd. € För-
                                                                                                                                          dermitteln für die digitale Infrastruktur an
                                                                                                                                          Schulen gerade einmal 420 Mio. € abgeflossen
                                                                                                                                          sind, staunt man nur noch. Beim staatlichen
                                                                                                                                          Handeln weiß oftmals die linke Hand nicht, was
                                                                                                                                          die rechte tut. Wir laufen Gefahr, nur noch den
                                                                                                                                          Stillstand zu optimieren!“ 
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