USA WIE GEHT ES MIT DIGITAL HEALTH UNTER BIDEN WEITER? E-REZEPT WIRD DAS DVPMG EIN BOOSTER FÜR E-VERORDNUNGEN? INTERVIEWWIE STEHT ES UM DIE ...
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MAGAZIN FÜR HEALTH-IT, VERNETZTE MEDIZINTECHNIK UND TELEMEDIZIN www.e-health-com.de Nr. 1 | 2021 USA WIE GEHT ES MIT DIGITAL HEALTH UNTER BIDEN WEITER? E-REZEPT WIRD DAS DVPMG EIN BOOSTER FÜR E-VERORDNUNGEN? INTERVIEWWIE STEHT ES UM DIE DIGITALE AGENDA IN DER PKV? 1 / 21 EHEALTHCOM 5
COMPLEX | XXX Das News-Portal der E-HEALTH-COM Übersichtliche und tagesaktuelle Informationen für die gesamte E-Health-Community 283.000 PAGE IMPRESSIONS & KNAPP 127.000 USER P.A. Bleiben Sie aktuell und schauen Sie rein: https://e-health-com.de 6 EHEALTHCOM 1 / 21 EHEALTHCOM
EDITORIAL HELLWACH IN DER PANDEMIE E in Jahr nach Beginn der COVID-19-Pandemie dürfte es kaum jeman- den geben, der sich nicht wünschen wird, dass wieder Normalität einkehrt. Ohne Social Media und Videokonferenzen wären die letzten zwölf Monate für die meisten zwar deutlich unerträglicher gewesen. Aber dass diese Art der Sozialkontakte Gren- zen hat, das ist mittlerweile auch mehr als klar. Ich wage die Prognose, dass nicht nur der faxende Arzt, sondern auch der unkritische Digitalisierungsapostel nach dieser Pandemie Rechtfertigungsprobleme haben wird. Bei aller Pandemiemüdigkeit, die um sich greift, ist es umso beeindruckender, was in einzelnen Bereichen E-Health-technisch angeschoben wurde und weiterhin wird. Über die Fortschritte bei der semantischen Inter- Ich wage die Prog- operabilität haben wir bei E-HEALTH-COM im letzten halben Jahr mehrfach berichtet. Fast noch faszinierender nose, dass nicht nur der als diese Arbeiten im „Backend“ finde ich persönlich, was an der Front passiert, im öffentlichen Gesundheitsdienst. faxende Arzt, sondern RECHTS UNTEN: © DIRK HASSKARL, BERLIN; RECHTS OBEN: © ROBERT KNESCHKE – STOCK.ADOBE.COM; TITEL: © THE WHITE HOUSE auch der unkritische ZEHN PUNKTE FÜR EINEN BESSEREN ÖGD Klar, es könnte immer alles viel schneller gehen. Aber Hand aufs Herz: Wer Digitalisierungsapostel hätte es vor einem Jahr für möglich gehalten, dass wir Anfang 2021 nicht nur nach dieser Pandemie einen politischen Beschluss für eine harmonisierte, digitale Kontaktnachver- folgung in den Gesundheitsämtern haben, sondern auch noch einen Innovati- Rechtfertigungsprobleme onsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG), der Stiftungen und innovative Unternehmen zusammenbringt, um – oft ziemlich ehrenamtlich – dazu beizu- haben wird. tragen, dass die Ämter in künftigen Pandemiewellen oder bei künftigen Epi- demien etwas weniger alt aussehen? Kurz vor Redaktionsschluss hat der neu konstituierte InÖG ein 10-Punkte- Papier vorgelegt. Von digitaler Kontaktnachverfolgung und mehr Interoperabi- lität an den Schnittstellen zu Labor, Praxis/Krankenhaus und RKI über einen zentralen Tech-Support bis zur besseren Integration von Bürger:innen-Apps steht alles drin. Am Geld darf das nicht scheitern, und vielleicht könnten ja An- reizsysteme für Ämter dafür sorgen, dass die Landrät:innen sich ihr moderni- siertes Amt als Erfolg ans Revers heften können. Die Digitalisierung des ÖGD – sie muss zu einer nachhaltigen Erfolgsstory einer bescheidenen Zeit werden. Bleiben Sie gesund! PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ Chefredakteur E-HEALTH-COM 1 / 21 EHEALTHCOM 3
INHALT 14 20 Neue Regierung, neue Gesundheitspolitik? Biden will Obamacare Wird das Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) zum Boos- ausbauen, und es soll weiter in Richtung Value-Based Care gehen. ter für das E-Rezept und die Anbindung neuer Dienstleister:innen an die TI? COMPACT COMPLEX Nachrichten und Fakten Ereignisse & Entwicklungen 6 Meldungen 14 USA 30 Nationale Gesundheitsportale Neues rund um DiGA, Inter- US-Gesundheitssystem: Was gesund.bund.de von ande- view mit Dr. Barbara Höfgen Wie weiter unter Biden? ren Portalen lernen kann. (BfArM), Öffentlicher Gesund- Der neue US-Präsident will heitsdienst, mobiles EKG, Obamacare ausbauen. Und 34 ePA Coach Schweizer E-Patientendossier, es soll weiter in Richtung Die digitale Lernplattform ePA Wissenschaftsticker etc. Value-Based Care gehen. Coach will Ältere unterstützen. 7 Dierks antwortet 20 E-REZEPT 37 Tumorkonferenzen Die Rechts-Kolumne von Prof. DVPMG: Booster für Sektorübergreifende Vernetzung Christian Dierks aus Berlin. E-Rezept? Die elektronische auf dem Vormarsch Diesmal: KHZG – worauf müs- Verordnung wird auf der sen die Kliniken bei der Antrag- Telematikinfrastruktur für 40 Radiologie stellung achten? mehr Betrieb sorgen. Radiolog:innen sind nicht Shakespeare. 10 Köpfe & Karrieren 26 Trends Prof. Dr. Tobias Raupach, Prof. Trends der Gesundheits- 43 Klinische Messenger Dr. Alina Huldtgren, Prof. Dr. IT: Aktuelle Studien zur Für mehr Patientensicherheit Thomas Sauter, Martin Schmalz, Health-IT-Branche mit Kom- Prof. Dr. Gernot Marx, Dr. Va- mentaren von Bernhard 46 Kommunale Versorgung lerie Kirchberger, Dr. Christian Calmer, Viktoria Hasse und Kommunen als Kümmerer – Höftberger, Dr. Peter Schreiner Andreas Kassner auch in Sachen Digitalisierung 4 EHEALTHCOM 1 / 21
50 30 Die Debeka-Vorstände Annabritta Biederbick und Roland Weber im Gespräch mit Was kann gesund.bund.de von anderen Portalen lernen? Ein E-HEALTH-COM zu digitalen Strategien in der PKV-Welt. Vergleich nationaler Gesundheitsportale gibt einen Überblick. COMMUNITY COMPASS Menschen & Meinungen Markt & Service Standards 50 INTERVIEW 73 Firmenverzeichnis 03 Editorial „Wir machen aus Gesundheits- daten niemals ein Geschäftsmo- 76 Aus den Unternehmen 80 Bücher dell“: Annabritta Biederbick und 56 EHEALTHCOM 1 / 21 Roland Weber, Vorstände des 78 Termine 81 Findex/ Impressum PKV-Marktführers Debeka, im Gespräch mit E-HEALTH-COM 82 Kolumne zu digitalen Strategien in der PKV-Welt. 56 BVITG MONITOR Die aktuellen Sonderseiten des Bundesverbandes Gesundheits- IT – bvitg e. V. 62 Aus den Verbänden Beiträge der Partnerverbände Bitkom, BiM, BMC, BVMed, DGT, DGTelemed, FINSOZ, KH-IT, TMF, VdigG und ZVEI 1 / 21 EHEALTHCOM 5
COMPACT JERUSALEMA-DANCE- CHALLENGE AM UKSH Ein Fuß nach vorne, viermal auf den Boden tippen, aufs andere Bein wech- seln und den Fuß viermal auf den Boden tippen. Das ist der Grundschritt zum aktuellen Video-Trend, der „Jerusalema- Challenge“. Ende 2019 hat der südafri- kanische DJ Master KG, der mit bürger- lichem Namen Kgaogelo Moagi heißt, das offizielle Musikvideo zu „Jerusalema“ gemeinsam mit der Sängerin Nomcebo Zikode herausgebracht. Seitdem geht das Video mit mehr als 327 Millionen Aufrufen weltweit viral. Nun hat die Be- legschaft des Uniklinikums Schleswig- Holstein (UKSH) daran teilgenommen: „Bei all dem Stress, den Belastungen und Strapazen – es muss auch Zeit für Hoff- nung und Unbeschwertheit geben! Dafür haben unsere Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen Wochen ihr Herz in die Hand genommen und ein tolles Zeichen gesetzt!“, so das UKSH auf YouTube. www.youtube.com/watch?v= UBXkj2BJJes BILDER: LINKS: © SCREENSHOT UKSH; REHCT OBEN: © PROF. DR. DR. DIERKS; RECHTS UNTEN: © BIGPA – STOCK.ADOBE.COM #WIR VS BLEISTIFT von Tracing-Software Fortschritte er- kennbar sind. Antreiben will die Digi- tales Symptomtagebuch für SARS- CoV-2-Infektions- und Verdachtsfälle Der Innovationsverbund Öffentliche Gesund- talisierung des ÖGD jetzt der InÖG, ein in Isolation oder Quarantäne. heit (InÖG) will dem ÖGD helfen, digital voran- Innovationsverbund, zu dem sich eine Eher auf logistische Optimierung Reihe von IT-Projekten zusammenge- zielen Anwendungen wie „Digitales zukommen. schlossen haben, die auf den #WirVs- Wartezimmer“, das eine digitale Re- D er Öffentliche Gesundheits- Virus Hackathon der Bundesregierung gistrierung für Menschen mit Risiko- dienst (ÖGD) ist nicht gerade im Frühjahr 2020 zurückgehen. kontakten oder Aufenthalt in Risiko- das Erste, was einem einfällt, Einer der zentralen Akteure ist gebieten bietet und „LabHive“, das dia- wenn es um Speerspitzen der digitalen „IMIS“, ein Unternehmen, das mit gnostischen Labors den Zugang zu Innovation im Gesundheitswesen dem Helmholtz-Zentrum für Infekti- Ressourcen erleichtern will. „Darf ich geht. Schon früh in der COVID-19-Pan- onsforschung kooperiert und dessen das?“ ist eine Orientierungshilfe im demie war theoretisch klar, dass die Tracing-Software SORMAS weiterent- Dschungel der Corona-Verordnungen, fehlende Digitalisierung von Meldewe- wickelt, deren Rollout im ÖGD eher und „e-guest“ und „PROTANO“ sind sen und Kontakt-Tracing zum Problem schleppend vorangeht. Ebenfalls mit im Veranstaltungsbereich angesiedelt. würde. Dafür ist mehr als ein Jahr spä- an Bord sind „Coronika“, ein digitales Ersteres ist eine digitale Gästeliste, ter praktisch noch relativ wenig pas- Kontakttagebuch, das Bürger:innen Letzteres ein Tool zur Kontaktnach- siert, auch wenn sowohl bei den Mel- und Ämtern mühsame Befragungen verfolgung bei Veranstaltungen. deprozessen als auch bei der Nutzung ersparen will, und „quarano“, ein digi- www.inög.de 6 EHEALTHCOM 1 / 21
DIERKS ANTWORTET DAS EPD WIRD MOBIL Das elektronische PROF. DR. DR. Patientendossier (EPD) der Schweiz macht Fortschritte. Eine bun- C HRISTIAN DIERKS ist Rechtsanwalt und desweite Stammgemeinschaft prescht mit einer mobilen Lösung vor. Facharzt für Allgemein- medizin in Berlin. E igentlich hätten schon im April anstrebt. Zu ihren Vorteilen gehört Kommentare & Fragen: 2020 die ersten Bürger:innen der gute Draht in die Apotheken, wo christian.dierks@ der Schweiz ein EPD nutzen sol- sich die Bürger:innen fürs EPD ein- dierks.company len. Doch nicht nur in Deutschland ist schreiben sollen. Sie hat außerdem ein E-Health ein mühsames Geschäft. Weil etwas anderes Geschäftsmodell als Mit dem KHZG werden jetzt Milliarden zur es noch keine zertifizierten Stamm- andere SG: Angesprochen werden Förderung der Digitalisierung der Krankenhäu- gemeinschaften (SG) gab, wurde der Kommunen, Patientenorganisationen ser bereitgestellt – worauf müssen die Kliniken Termin gerissen. Doch jetzt kommt und Arbeitgeber, die auch White-La- bei der Antragstellung achten? (ein bisschen) Bewegung ins EPD-Ge- bel-Lösungen nutzen können, wäh- schäft. In den Wochen vor Weihnach- rend andere SG sehr stark kranken- Die Errichtung des Krankenhauszukunftsfonds ten wurden die ersten beiden SG zerti- hauszentriert agieren. ist eine erfreuliche Initiative. Für die sinnvolle fiziert, die SG Südost mit dem EPD Ende Januar hat Abilis jetzt das Umsetzung bedarf es allerdings nicht nur einer eSANITA und eHealth Aargau mit erste Schweizer Smartphone-EPD vor- guten Evaluierung der Ergebnisse dieser Inves- emedo. Allerdings: Auch die Anbieter gestellt. Es kommt zunächst als Demo- titionen, sondern zunächst einmal einer intelli- der für das EPD nötigen elektroni- version auf den Markt, bevor es im genten Auswahl der zu fördernden Maßnah- schen ID-Lösungen (eID) müssen sich März in den Produktivbetrieb geht, men. Die Förderrichtlinie sieht zwar vor, dass zertifizieren lassen. Das dürfte erst im wenn die eID-Probleme gelöst sind. das Ministerium eine Forschungseinrichtung zweiten Quartal 2021 so weit sein, zu- Federführender Dienstleister ist BINT, mal bei diesem Thema auch noch ein technisch umgesetzt wird das EPD Wo bekomme ich für den Euro die Volksbegehren ansteht. Erst dann „Health-E“ von dem Heidelberger Un- höchste Verbesserung des digitalen wird es EPD in größerer Zahl geben. ternehmen Phellow Seven und Infra- Reifegrades? Die SG bringen sich in Stellung. strukturpartner ist InterSystems. Pi- Noch nicht zertifiziert ist die schweiz- lotkunde ist die kleine Gemeinde El- mit der Entwicklung eines Tools beauftragt, das weit agierende SG Abilis, die von der sau in Winterthur, die mit dem EPD die Ergebnisse der Förderung bewerten kann. Berufsgenossenschaft der Schweizer die kommunale Gesundheitsfürsorge Wichtiger wäre es nach meiner Ansicht, ein Apotheker Ofac gegründet wurde und ausbauen will. Kosten soll das Pro- Tool zu bauen, das die bestehenden Lücken der eine Zertifizierung im Sommer 2021 dukt 48 SFr pro Person und Jahr. Digitalisierung identifiziert, bemisst und ana- lysiert, welche dieser Lücken durch die Förde- TICKER rung am effizientesten geschlossen werden kön- + + + In einer repräsenta- nen. Mit anderen Worten: Wo bekomme ich für tiven Umfrage des Meinungsforschungsinstituts den Euro die höchste Verbesserung des digita- YOUGOV für HANDELSBLATT INSIDE unter len Reifegrades? Und: Die Anforderungen der 580 Bürger:innen haben nur zwei Prozent ange- geben, sich die ePA-App ihrer Krankenkasse be- Förderrichtlinien sind hoch – sie müssen kumu- reits heruntergeladen zu haben. Allerdings pla- lativ erfüllt werden. Hinzu kommen die landes- nen 30 Prozent, das noch zu tun. 23 Prozent der rechtlichen Anforderungen an die Vorhaben, Befragten gaben an, die ePA überhaupt nicht zu sodass es insgesamt komplexe Vorhaben wer- kennen. 26 Prozent lehnen die ePA-App ab. Mehr als die Hälfte der Befragten haben Bedenken we- den. Und weil umgerechnet auf die Zahl der gen Datenschutz und -sicherheit. + + + Noch Krankenhäuser nur etwas mehr als zwei Millio- ist die Zahl von Gesundheits-Apps auf Rezept in Deutschland überschaubar. Doch viele nen Euro pro Einrichtung zur Verfügung ste- Entwickler stehen in den Startlöchern. Ein neuer Guide des IGES INSTITUTES zeigt, wie hen, sollten sich die Kliniken bei der Antragstel- dieser bisher weltweit einmalige Gesundheitsmarkt und die Zulassung digitaler Produkte funktionieren. Die 28-seitige Broschüre „Market Access and Reimbursement for Digital lung zusammentun, die Projekte bereichsüber- Health Apps“ finden Sie als Download unter www.iges.com/digital_apps/index.html#0. greifend aufeinander aufbauen und nachweisen, + + + Im neuen Horizon-2020-Projekt INTERVENE, das mit 10 Mio. Euro von der EU wie sie durch die Förderung besonders effizient gefördert wird, hat sich das Hasso-Plattner-Institut (HPI) mit weiteren 16 Forschungsein- die Umsetzung digitaler Maßnahmen erreichen richtungen zusammengeschlossen, um KI-basierte Technologien auf einen großen Pool von genomischen Gesundheitsdaten anzuwenden und so statistische Vorhersagen zum können und auch Anreize für andere Kranken- individuellen Erkrankungsrisiko und Krankheitsverläufen von Volkskrankheiten zu ma- häuser schaffen. chen. Weitere Informationen unter www.interveneproject.eu + + + 1 / 21 EHEALTHCOM 7
COMPACT DIGA-VERZEICHNIS: UND NUN? Drei Monate nach dem Start wurde die zehnte digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) in das DiGA-Verzeichnis des BfArM aufgenommen. Wie geht es jetzt weiter? Dr. Barbara Höfgen, Leiterin des Fachgebiets DiGA-Fast-Track beim BfArM, hat Antworten. Gibt es Änderungen rund um Verändern sich auch die Anforderungen an die DiGA- das DiGA-Verzeichnis mit Hersteller:innen? Beginn des neuen Jahres? Zum 1. Januar 2021 haben sich vor allem allgemein zwei Nachdem wir vor Weihnachten Anforderungen an DiGA geändert: Zum einen müssen umfangreiche Filtermöglichkei- DiGA im Sinne der Verordnung zu digitalen Gesundheits- ten im Verzeichnis ergänzt ha- anwendungen interoperabel sein. Das bedeutet, die DiGA ben, stellt das BfArM nun die muss die Gesundheitsdaten in menschen- und in maschi- Daten aus dem Verzeichnis zu- nenlesbarer Form über eine Schnittstelle zur Verfügung sätzlich auch in maschinenles- stellen. Die Schnittstelle muss im vesta-Verzeichnis der barer Form zur Verfügung. Seit gematik gelistet sein oder eine Aufnahme des eigenen Anfang des Jahres kann dazu Standards ins vesta-Verzeichnis muss beantragt werden. ein mit verschiedenen Stakehol- Zum anderen sieht die DiGAV vor, dass DiGA nun barrie- dern abgestimmter Kerndaten- refrei sind. Diese Anforderung stellt vor allem sicher, dass satz über eine FHIR-Schnitt- DiGA von einem möglichst breiten Patientenspektrum ge- stelle abgerufen werden. Das nutzt werden können. von uns schon veröffentlichte DR. BARBARA HÖFGEN ist Leiterin des Datenmodell sowie die Schnitt- Welchen Einfluss haben diese Neuerungen auf den direk- Fachgebiets DiGA-Fast-Track in der stellenspezifikation wird in die- ten Verschreibungsprozess? Abteilung 9 „Medizinprodukte“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und sem Jahr sukzessive und in Ab- Sofern die Praxisverwaltungssysteme zukünftig direkt Medizinprodukte (BfArM). stimmung mit verschiedenen über die Schnittstelle auf die Daten im DiGA-Verzeichnis Beteiligten weiterentwickelt. In zugreifen, haben Ärztinnen und Psychotherapeuten be- der Zwischenzeit können sich Berechtigte übergangswei- reits mit Aufnahme neuer DiGA in das Verzeichnis die se auch alle Daten der im DiGA-Verzeichnis veröffentlich- Möglichkeit, diese DiGA unmittelbar auch über ihr Praxis- ten DiGA über eine maschinenlesbare Datei im JSON-For- System zu sehen und zu verordnen. Unsererseits stehen mat herunterladen. die Daten nun bereit. Die Zehn, sie ist voll DIGA Wie viele digitale Gesundheitsanwendungen werden dungen sind vorläufig gelistet, müssen also im ersten Jahr eine wohl bis Ende 2020 im DiGA-Verzeichnis online stehen? Das Studie durchführen, auf deren Basis dann über die dauerhafte war im Sommer ein beliebtes Spielchen. Die abschließende Listung entschieden wird. Invirto von Sympatient sticht inso- Antwort lautet: zehn. Und sie liegt damit irgendwo in der Mitte fern hervor, als es eine App mit zusätzlicher Hardware ist, einer zwischen den Hoffnungen der Optimist:innen und den Befürch- VR-Brille für eine Expositionstherapie bei Angst- und Panikstö- tungen der Pessimist:innen. Drei der zehn Anwendungen wur- rungen. Kalmeda von mynoise zielt auf Tinnitus-Patient:innen, den unter Umgehung des Fast-Track gleich dauerhaft aufgenom- M-sense von Newsenselab ist eine Migräne-App, Rehappy des men, nämlich die Multiple-Sklerose-App elevida von GAIA, die gleichnamigen Herstellers ist im Bereich Rehabilitation ange- © NAME – BILDAGENTUR für nichtorganische Insomnie vorgesehene Anwendung somnio siedelt, bei Selfapy handelt es sich um ein Online-Programm für der mementor DE und, einmal mehr GAIA, velibra für Patient:in- Depression, Vivira zielt auf Arthrosepatient:innen und zanadio nen mit Angst- und Panikstörungen. Die übrigen sieben Anwen- von aidhere hat die Indikation Adipositas. 8 EHEALTHCOM 1 / 21
DIGA: BESSERE PREISMODELLE GESUCHT Politischer Ärger bei den digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Könnten neue Preismodelle die Diskussionen zwischen Herstellern und Krankenkassen entschärfen? D ie Krankenkassen sind mit Biesdorf brachte als Kompromiss dem DiGA-Fast-Track nicht Zuzahlungen ins Spiel, ähnlich wie glücklich. Zu teuer und zu brei- bei den Arzneimitteln. So werde ver- te Nutzenkriterien, das sind die Haupt- hindert, dass Rezepte von Patient:in- angezogen werden, vorwürfe. Wie raus aus der Sackgasse? nen eingelöst werden, die gar nicht zumal sich die gut Bei der Jahrestagung des Branchen- vorhaben, die DiGA zu nutzen. Eine messen lasse. Bei den verbands Managed Care (BMC) wies weitere Option, die bei der Tagung medizinischen Outco- Stefan Biesdorf, McKinsey, darauf hin, diskutiert wurde, waren Staffelpreis- mes wird es schwieriger: dass die DiGA-Preise teilweise um den modelle – mit sinkenden Preisen bei Halbwegs zeitnahe Analysen Faktor 5 bis 10 teurer seien als die größeren Verordnungszahlen. Die von Versorgungsdaten sind im © HAVE A NICE DAY – STOCK.ADOBE.COM Selbstzahlerversionen der jeweiligen Hersteller:innen reagierten auf beide deutschen Gesundheitswesen mit sei- Apps. Aus seiner Sicht laufe im Mo- Vorschläge zurückhaltend. ner verteilten Datenhaltung weiterhin ment eine prinzipielle Diskussion: „Es darf nicht nur über Kosten dis- kaum umsetzbar. Wie geht es nun „Die Kassen haben Sorge, dass sie für kutiert werden“, sagte Jörg Land von weiter? Unmittelbar vor Redaktions- etwas zahlen, bei dem nichts zurück- Tinnitracks, bisher noch keine BfArM- schluss wurde bekannt, dass Herstel- kommt.“ gelistete DiGA. Nutzenparameter wie ler und Krankenkassen ein Schieds- die Therapietreue müssten auch her- verfahren eingeleitet haben. ANZEIGE LAUFSTARK. IT-SPITZENLEISTUNG FÜR DIE GKV. Ihr System- und Softwarehaus für den Gesundheitsmarkt. www.aok-systems.de 1 / 21 EHEALTHCOM 9
COMPACT 1 2 3 4 5 6 7 8 KÖPFE & KARRIEREN SCHMALZ die Kommunikation der gematik nach innen und außen. 5 PROF. DR. GERNOT MARX, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care des Aachener Universitäts- 1 Seit November letzten Jahres leitet PROF. DR. TOBIAS RAUPACH klinikums, ist seit Jahresbeginn neuer Präsident der Deutschen In- das neue Institut für Medizindidaktik am Universitätsklinikum terdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin Bonn, an dem digital gestützte Lehrformate erforscht und entwi- (DIVI). 6 DR. VALERIE KIRCHBERGER ist seit Februar als Chief ckelt werden. 2 Ebenfalls seit November 2020 ist PROF. DR. ALINA Medical Officer für Heartbeat Medical tätig. Zuvor verantwortete HULDTGREN Professorin für Digitale Gesundheit und Intelligente sie den Bereich Value-Based Healthcare in der Strategieabteilung Nutzerschnittstellen am Fachbereich Medien der Hochschule Düs- der Charité – Universitätsmedizin Berlin. 7 Seit November ist seldorf mit dem Lehr- und Forschungsschwerpunkt auf der mensch- DR. CHRISTIAN HÖFTBERGER neuer Vorstandsvorsitzender der zentrierten Gestaltung digitaler Anwendungen und intuitiver RHÖN-KLINIKUM AG. Der promovierte Jurist ist bereits seit Mensch-Technik-Schnittstellen. 3 PROF. DR. MED. THOMAS 15. August 2020 Mitglied des Vorstands. 8 DR. PETER SCHREINER SAUTER, Leiter Bildung, eHealth und Telenotfallmedizin am Uni- verantwortet seit Februar die neue Stabsstelle „Digital“ von versitären Notfallzentrum des Inselspitals, Universitätsspital Bern, NOVENTI, in der er sich vor allem mit der Entwicklung und Ver- wurde im Dezember 2020 zum Stiftungsprofessor für Telenotfall- marktung von digitalen Lösungen für den Gesundheitsmarkt be- medizin gewählt. 4 Seit Mitte November verantwortet MARTIN schäftigen und die Aktivitäten von NOVENTI koordinieren wird. FOTOS: © JOHANN SABA – UK BONN; © HS DÜSSELDORF; © PASCAL TRIPONEZ; © GEMATIK; © UK AACHEN; © NELA KÖNIG; © RHÖN-KLINIKUM; © NOVENT Leicht zu täuschen Gut zu wissen TELEDERMATOLOGIE Wie zuverlässig sind Algorithmen bei der TUBERKULOSE Auch in Corona-Zeiten ist die Tuberkulose einer Hautkrebsdiagnostik? Wissenschaftler:innen des DKFZ und des der großen Killer, und sie wird es auch nach der COVID-19-Pan- Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg konnten demie bleiben. Weltweit richten sich diagnostische Anstrengun- zeigen, dass schon kleine Abweichungen bei der Bildaufnahme gen darauf, Infizierte früher zu erkennen. Dem Thorax-Röntgen Auswirkungen haben. Drei Algorithmen, die bereits klinisch ein- kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Die Befundung ist aber gesetzt werden, wurden auf 10 000 gutartige Nävi und bösartige ein Flaschenhals, und deswegen versuchen immer mehr Unter- Melanome angesetzt. In einer ersten Testreihe wurden die Bil- nehmen und Organisationen KI-Algorithmen zu entwickeln und der durch Rotation oder Zoom verändert, in einer zweiten wur- – meist über eine Webschnittstelle – zugänglich zu machen, die den unterschiedliche Aufnahmewinkel und Beleuchtungen be- eine Tuberkulose auf dem Röntgen-Thorax erkennen. Eine neue rücksichtigt. Ergebnis: Alle drei Algorithmen waren anfällig für Online-Ressource macht diese Bemühungen jetzt vorbildlich derartige Veränderungen, die einen menschlichen Untersucher transparent. Für die Zusammenstellung wurden 27 Entwickler von nicht beeindrucken. Bei jeweils rund 10 Prozent der Bilder än- KI-Tools für die Tuberkulosediagnostik angeschrieben. Elf melde- derte sich die Einschätzung. Die Heidelberger wollen ihre Daten ten sich zurück, und von diesen elf hatten acht bereits ein kom- nicht als pauschales Argument gegen KI verstanden wissen. Die merzielles Produkt einsetzbar auf dem Markt, die drei anderen Studie zeige nur, dass Computer nicht diagnostizierten, sondern waren im Stadium der Validierung. Fast alle Tools funktionieren rechneten und dass stetige Optimierung wünschenswert sei. unabhängig vom digitalen Röntgensystem. www.ai4hlth.org 10 EHEALTHCOM 1 / 21
ÄRZTINNEN SIND OFFENER Es bleibt mühsam: Ganz langsam wird die Ärzteschaft digitaler. Z um zweiten Mal nach 2017 ha- ben Bitkom und Hartmannbund eine Umfrage unter Ärzt:innen durchgeführt. „Wir sehen weiterhin einen sehr deutlichen digitalen Graben zwischen Praxis und Krankenhaus“ sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. So forderten 82 % der Klinikärzt:innen, aber nur 38 % der Niedergelassenen mehr Tempo bei der Digitalisierung. Die Vorbehalte sind auch alters- und geschlechtsabhängig: 88 % der unter 45-Jährigen, aber nur 55 % der über 44-Jährigen sehen die Digitalisierung eher als Chance denn als Risiko. 74 % der Frauen betonen die Chancen, bei Männern sind es nur 63 %. Im Vergleich zu 2017 ist die Ärzte- schaft insgesamt etwas digitaler ge- worden. 50 % sagen, dass Medikations- pläne digital erstellt würden, nach 43 % vor drei Jahren. 61 % (vorher Beratung zur 44 %) machen die Eigendokumentation digital. Zurückgegangen sind die Vor- Aktionssteuerung|ng Prozessmodellierung in behalte gegenüber der Videosprech- stunde. 6 % der Niedergelassenen ga- BITMARCK_21c|ng ben an, schon vor Corona Erfahrungen mit Videosprechstunden gemacht zu haben, 11 % kamen während der Pan- demie dazu und sind weiterhin dabei. 8 % haben Videosprechstunden ver- • Prozess- und Digitalisierungsberatung rund um die sucht, aber wieder ad acta gelegt, und Aktionssteuerung|ng 40 % wollen künftig Videosprechstun- den einsetzen. Von den 17 % aktiven • Unterstützung bei der Prozessoptimierung und Nutzern sagen 58 %, dass sie damit -automatisierung gute oder sehr gute Erfahrungen ge- • Begleitung von der Analyse über die Umsetzung bis hin macht hätten. Auch zu Gesundheits- zur Implementierung Apps erlaubt die Umfrage eine erste Einschätzung: 2 % haben schon eine • Bedarfsgerecht und individuell für jeden Kunden DiGA verordnet, 24 % wollen das bald • Schaffung von standardisierten Lösungen tun. Und in dieser Subgruppe der 26 % Ärzt:innen mit positiver Haltung zu DiGA glauben 29 %, dass es Fälle geben Noch Fragen? Dann wenden Sie sich gerne an wird, in denen die digitale Therapie vertrieb@bitmarck.de eine konventionelle ersetzen wird. 0 / 00 EHEALTHCOM 11
COMPACT Wissenschaftsticker Die TI soll schöner werden TELEMATIKINFRASTRUKTUR Eine Hardware-freie TI ist als „Zukunftskonnektor“ + + + Smartwatches als ethische Herausforderung? schon länger Teil des politischen Flurfunks. Jetzt gibt es ein gematik-Whitepaper Die Medizinethiker CHRISTOPHER PREDEL UND FLORIAN STEGER von der Universität Ulm sehen dazu. Aus der TI soll – Zielhorizont 2025 – eine „Arena für die digitale Medizin“ den Einsatz von mobilen EKGs oder Pulsmessgeräten werden, ein „modernes Olympiastadion, in dem akkreditierte Top-Athleten und zum Screening auf Vorhofflimmern aus ethischer Sicht kritisch (Front Cardiovasc Med 2021; 7:615927). Es Teams […] nach transparenten Regeln zusammenspielen.“ Zentrale Komponente gebe derzeit keine Evidenz, dass das Screening das Outcome verbessere bzw. unerwünschte Ereignisse der TI 2.0 sollen über das Internet/Apps verfügbare Fachdienste sein. Entfallen reduziere. Gleichzeitig gebe es eine hohe Zahl an sollen Hardware-Konnektoren und Hardware-VPN, um neue Akteure einfacher falsch positiven (Verdachts-)Diagnosen, die Patient:in- nen ihrerseits schaden könnten. Ein weiteres ethisches anbinden zu können und neue Dienste rascher zu etablieren. Problemfeld sehen die Ulmer beim Arzt-Patienten-Ver- Abgelöst werden sollen auch eGK und Heilberufsausweise, und zwar durch ein hältnis. Auch bestehe die Gefahr von Diskriminierung ethnischer Minderheiten sowie sozialer Schichten, die modernes eID-System, wobei hier nicht ganz klar wird, was gemeint ist. Laut sich Smartwatches nicht leisten könnten. + + + Forsch und innovativ: Niederländische HNO-Ärzt:in- Whitepaper sollen E-Health-Kartenterminals und auch die SMC-Karten künftig nen um AHMED BAYOUMI von der Universität Ams- obsolet sein. Verschlüsselungen und elektronische Signaturen würden von den terdam haben COVID-19-bedingt einen Patienten nach operativer Korrektur des Trommelfells mit einem digita- medizinischen Einrichtungen weg in Richtung Rechenzentren verlagert. Insge- len USB-Otoskop zur telemedizinisch flankierten Selbst- samt soll die TI „dem operativen Beispiel der etablierten, erfolgreichen Plattform- überwachung ausgestattet und daraus einen Fallbe- richt gemacht (J Otol 2020; 19.12.2020;doi: 10.1016 anbieter“ folgen. Was die Migration in die neue Welt angeht, wird eine schritt- /j.joto.2020.12.003). Die Geräte kosten zwischen 6 und 35 US-Dollar, und die Kurzfassung der Kasuistik lautet: Hat funktioniert. + + + Eine lesenswerte Übersicht zu Digital-Health-Interventionen bei Kindern mit ADHS geben Psychiater:innen um G AUTAM PANDIAN vom Mount Sinai Medical Center (Psychiatry Res 2021; 297:113742). Anlass ist die erste Zulassung einer digi- talen Spielintervention bei ADHS durch die FDA, die Anwendung EndeavorRx für Kinder von 8 bis 12 Jah- ren. + + + Neue Daten vom rollenden CT: MARTIN EBINGER, HEINRICH AUDEBERT UND KOLLEGEN von der Charité Berlin publizieren die Real-World-Stu- die zu ihrer mobilen Stroke Unit (JAMA 2021; 325:454- 66). Gut 1 500 Schlaganfallpatient:innen wurden entwe- der konventionell versorgt, oder es kam, nach Verfüg- barkeit, eine mobile Stroke Unit (MSU) mit, die eine CT- Diagnose vor Ort erlaubte. Nach drei Monaten hatten MSU-Patient:innen im Mittel einen die Behinderung quantifizierenden mRS Score von 1, ohne MSU lande- ten die Patient:innen im Mittel bei 2 auf einer Skala von 0 bis 3. Mit MSU verstarben 19,7 Prozent der Patienten oder hatten am Ende eine schwere Behinderung, ohne weise Überführung angestrebt, gestaffelt zum Beispiel nach Nutzergruppen. Eine MSU waren es 22,1 Prozent. Letzteres war knapp signi- fikant, Ersteres deutlich. + + + Künstliche Intelligenz relevante Frist ist dabei Mitte 2022. Das ist das „Verfallsdatum“ für die ersten in der Neurochirurgie: Kinderneurochirurg:innen um ANDREW HALE von der Universität Vanderbilt aus Konnektoren. Sie sollen durch eine „Übergangslösung“ ersetzt werden. den USA haben unterschiedliche Algorithmen evalu- Ankündigung einer neuen „Arena“ können allerdings dazu führen, dass das bishe- iert, die das Komplikationsrisiko nach Anlage eines ze- rige „Stadion“ als unattraktiv wahrgenommen wird. Dem versucht das Whitepa- BILDER: LINKS: © GEMATIK; RECHTS: © ALIVECOR rebrospinalen Shunts vorhersagen (Childs Nerv Syst 2021; 30.1.2021; doi: 10.1007/s00381-021-05061-7). Am per mit der Formulierung zu begegnen, dass ein „unterbrechungsfreier Betrieb“ besten schnitt ein neuronales Netzwerk ab, das ein (multifaktorielles und schwer prognostizierbares) für „Früh-Anwender“ gewährleistet sein werde. Das Ganze ist aber nicht nur ein Shunt-Versagen auf Basis von 38 radiologischen, chir- urgischen und klinischen Variablen mit hoher Spezifi- Migrationsthema, sondern auch ein rechtliches und behördliches Thema. Zu- tät, allerdings geringer Sensitivität vorhersagen konn- mindest im DVPMG ist die bisherige Hardware gesetzt bzw. wird sogar erweitert. te. Dies könne bei der Beratung der Familien künftig hilfreich sein, so die Autoren. + + + Auch ob und wie eine Behörde wie das BSI dem „Hardware-freien“ Konzept ihren Segen erteilt, ist offen. 12 EHEALTHCOM 1 / 21
KI KANN JETZT QT-ZEIT Im EKG eine verlängerte QT-Zeit rechtzeitig zu erkennen, kann Leben retten. Ein mobiles 6-Kanal-EKG schafft das dank künstlicher Intelligenz nun ganz ohne ärztliche Hilfe. M obile EKG-Systeme bleiben In der Fachzeitschrift „Circulati- faszinierend. Während on“ berichten KI-Experten von der Smartwatches Vorhofflim- Stanford University, die in Sachen mern erkennen können, sind kompli- EKG-Analyse seit Jahren Bahnbre- ziertere Fragestellungen die Domäne chendes leisten, jetzt über einen Algo- sein. Sie kann auch eine Folge syste- eigener mobiler Endgeräte. Zu den rithmus, der auf Basis des Kardia Mo- mischer Erkrankungen einschließlich Marktführern gehört seit Jahren das bile 6L die Länge der QT-Zeit anhand COVID-19 sein, und sie kann vor al- Unternehmen AliveCor, dessen Kardia des aufgezeichneten 6-Kanal-EKGs lem als Folge von Arzneimittelinter- Mobile 6L aus einer kleinen, Smart- adäquat messen kann. Das wiederum aktionen auftreten. Es gibt also eine phone-kompatiblen Metallplatte be- erlaube eine Abschätzung des indivi- Reihe interessanter klinischer Einsatz- steht, die auf der Vorderseite zwei duellen Risikos, einen plötzlichen szenarien. In ihrer Studie auf Basis Elektroden für jede Hand aufweist, Herztod zu erleiden, so der Kardioge- von über 1,6 Millionen EKG-Datensät- dazu auf der Rückseite eine dritte, die netiker Dr. Michael Ackermann, der zen erreichten die Stanforder eine auf das Knie gelegt werden. Damit das Projekt federführend betreut. Sensitivität von 80 Prozent und eine lässt sich ein hochwertiges 6-Kanal- Eine QT-Verlängerung von 550 ms Spezifität von 94,4 Prozent für QT-Zei- EKG ableiten. oder mehr kann genetisch verursacht ten von 500 ms oder mehr. ANZEIGE TKmessenger Schnelle Kommunikation, mit Sicherheit! + medizinische Bilder + Sprachnachrichten + Textnachrichten + DSGVO-konform Direkt und ohne Umwege. tkmed.org 1 / 21 EHEALTHCOM 13 info@tkmed.org
COMPLEX | USA US-GESUNDHEITSSYSTEM: WIE WEITER UNTER JOE BIDEN? Neue Regierung, neue Gesundheitspolitik? Der US-Präsident Biden will Obamacare, das die Trump-Ära nur mühsam überlebt hat, ausbauen. Republikaner und Demokraten sind sich zudem einig, dass es im US-amerikanischen Gesund- heitssystem weiter in Richtung Value-Based Care gehen soll. Eine Entwicklung, die uns auch in Deutschland nicht fremd ist. D TEXT: CHRISTINA CZESCHIK ie Einführung des landläufig als Obamacare be- zeichneten Affordable Care Act (ACA) 2010 war die größte Reform des US-amerikanischen Ge- sundheitssystems seit der Einführung von Me- dicare und Medicaid im Jahre 1965. Doch das Gesetz stand von Anfang an unter Beschuss vonseiten der Republikaner, für die die Einführung einer Krankenversi- cherungspflicht wie der erste Schritt auf dem Weg in den Sozialismus schien. 2017 höhlte der damalige Präsident Trump bereits diese Versicherungspflicht aus, indem er die steuerlichen Konsequenzen für Nichtversicherte kippte. © KAREN ROACH – STOCK.ADOBE.COM Und noch im November 2020 hatte die Trump-Regierung einen letzten Versuch unternommen, den ACA zu kippen. Die Entscheidung, ob eine im Jahr 2017 vorgenommene Än- derung das ganze Gesetz verfassungswidrig macht, liegt zur- zeit noch beim Surpreme Court, in dem aktuell zwei Richter und eine Richterin sitzen, die von Trump nominiert wurden. Die Entscheidung ist ausstehend. > 14 EHEALTHCOM 1 / 21
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COMPLEX | USA zum Thema Wettbewerbsstrategien in Märkten bekannt ist. Während die herkömmliche Versorgung lediglich anhand von wenigen Outcomes bewer- tet wird, die oft Worst-Case-Szenarien abbilden (wie etwa die Mortalitäts- oder Rezidivrate), soll in der Value- Based Care ein breites Spektrum von patientendienlichen Outcomes be- rücksichtigt und in ihrem Verhältnis zu den eingesetzten Ressourcen öko- nomisch bewertet werden. Nicht mehr und umfangreichere Behandlungen Ungewöhnliche Einigkeit sollen mit Anreizen versehen werden, wie im weithin üblichen Fee-for- herrscht jedoch bei Demokraten Service-Modell, sondern ein besserer Gesundheitszustand der Bevölkerung. „Value is measured by the outco- und Republikanern über die mes achieved, not the volume of ser- vices delivered […] Accountability for Notwendigkeit von Value-Based value should be shared among the providers involved. Thus, rather than ‚focused factories‘ concentrating on Care im Gesundheitssystem. narrow groups of interventions, we need integrated practice units that are accountable for the total care for a me- dical condition and its complicati- Trotz aller Anfechtungen erreichte kampf an, das Eintrittsalter für Medi- ons“. 4 Obamacare eine deutliche Verringe- care von 65 auf 60 zu senken und rung des Anteils der Nichtversicher- zusätzliche Leistungen wie Zahnersatz PATIENTENZENTRIERUNG UND MES- ten: Betrug dieser 2010 bei den 18- bis sowie Hör- und Sehhilfen erstatten zu SUNG DER PATIENTENZUFRIEDENHEIT 64-Jährigen noch 22,3 Prozent, so war lassen. Medicaid als Angelegenheit In der Value-Based Care soll das Ge- er 2016 schon auf 12,4 Prozent gesun- der einzelnen Bundesstaaten solle sundheitssystem also nicht mehr auf ken.1 In der Gruppe der Erwachsenen durch finanzielle Unterstützung aus die Leistungserbringer:innen zen ohne Kinder unterhalb der Armuts- Washington gestärkt werden. Trumps triert und entlang von Fachgrenzen grenze sank die Rate der Unversicher- Linie während seiner Regierungszeit fragmentiert, sondern patientenzen ten sogar von 45,4 Prozent auf 16,5 war dagegen prinzipiell die Senkung triert sein. Leistungserbringer:innen Prozent. Insgesamt sind heute 20 Mil- von Gesundheitsausgaben sowie die und die von ihnen erbrachte Versor- lionen US-Amerikaner:innen mehr Delegierung von gesundheitsbezoge- gung müssen sich an der erreichten krankenversichert als vor Einführung nen Entscheidungen an die einzelnen Lebensqualität der Patient:innen mes- des Gesetzes. Bundesstaaten.2 sen lassen. Der neue US-Präsident Joe Biden Ein erster Schritt in Richtung kündigte schon während des Wahl- PARTEIÜBERGREIFENDES ZIEL: Value-Based Care wurde mit dem ACA kampfes an, Obamacare weiter stär- VALUE-BASED CARE unter Obama im Jahr 2010 mit der Ein- © LOGOSTOCKIMAGES – STOCK.ADOBE.COM ken und ausbauen zu wollen. Er war Ungewöhnliche Einigkeit herrscht führung von Accountable Care Orga- als Vizepräsident unter Obama für die jedoch bei Demokraten und Republi- nizations (ACOs) gemacht: Dies sind Einführung mit zuständig gewesen. kanern über die Notwendigkeit von Zusammenschlüsse von Leistungser- Ein Programm ähnlich dem Medicare Value-Based Care im Gesundheitssys- bringer:innen (Ärzt:innen, Thera- – der Krankenversicherung für Seni- tem. Dieses Konzept wurde erstmals peut:innen, Krankenhäusern und an- or:innen in den USA – solle zu günsti- 2006 vom Ökonom Michael E. Porter deren), die ihre Versorgung miteinan- gen Beiträgen für alle verfügbar wer- vorgeschlagen3, der seit den 1970er- der koordinieren und von der Versi- den. Außerdem kündigte er im Wahl- Jahren vor allem für seine Arbeiten cherung Medicare finanziell belohnt 16 EHEALTHCOM 1 / 21
werden, wenn sie unnötige Leistungen lichst breite Beteiligung zu erreichen. demie, wurde nach Meinung der einsparen und dabei eine gute Versor- Das Standardmodell des VBP in Medi- Trump-Regierung von übertriebenen gungsqualität sicherstellen. ACOs gibt care arbeitete zunächst nur mit Bonus- Datenschutzrichtlinien behindert – so es in verschiedenen Ausprägungen – zahlungen. Die Trump-Regierung än- äußerte sich etwa im Juli 2020 der US- so werden beispielsweise Leistungser- derte das Modell dahingehend, dass Gesundheitsminister Alex Azar.9 Die bringer:innen finanziell an Einspa- alle vertraglich für fünf Jahre gebun- Trump-Regierung stieß als eines ihrer rungen beteiligt, haften aber in ande- denen Leistungserbringer:innen in- letzten Projekte eine Lockerung des ren Modellen auch für Kostensteige- nerhalb von zwei Jahren in ein Modell Gesundheitsdatenschutzgesetzes rungen im Vergleich zu vorher. wechseln mussten, das auch eine Be- HIPAA an, um die Umsetzung von teiligung bei Kostensteigerungen, ge- Value-Based Care zu vereinfachen.10 VON HMOS ZU ACOS wissermaßen als Strafzahlungen, vor- Diese könnten erst nach der Amtsein- ACOs erinnern damit vom Konzept sieht.5 Wie Biden diese Modelle weiter- führung von Joe Biden in Kraft treten. her an Health Maintenance Organiza- entwickeln wird, steht noch nicht fest. US-Kommentatoren gehen aber davon tions (HMOs), die seit den 1970er-Jah- Bekannt ist jedoch, dass er mehr Orga- aus, dass einige der Änderungen die ren in den USA existieren. Hierbei nisationen wie Krankenhäusern die Zustimmung auch der Demokraten handelt es sich um Versicherer, die Teilnahme an ACOs und VBPs ermög- finden könnten – insbesondere solche, entweder Leistungserbringer:innen lichen will – Trumps Regierung hatte die die Transparenz des Systems für direkt anstellen oder mit ihnen Ver- einen Fokus auf Modelle gelegt, die Patienten erhöhen. So sollen Arztpra- träge abschließen. Die Leistungser- unter der Leitung selbstständiger xen etwa in Zukunft innerhalb von 15 bringer:innen erhalten ein pauschales Ärzt:innen standen. statt wie bisher 30 Tagen Patient:innen Entgelt für die Versorgung der Versi- auf Anfrage ihre Akten zur Verfügung cherten und sind in der Regel restrik- MESSUNG DER PATIENT EXPERIENCE stellen, und für den elektronischen tiv, was die zur Verfügung stehenden MUSS VERBESSERT WERDEN Download soll keine Gebühr mehr an- medizinischen Leistungen angeht. Die Messung der Patientenzufrieden- fallen dürfen.11 Umgesetzt wird dies in den Value- heit mit Werkzeugen wie dem Based Payment- oder VBP-Program- HCAHPS steht allerdings zunehmend UND IN DEUTSCHLAND? men hauptsächlich durch standardi- in der Kritik – zum einen wegen der Die hier skizzierten Entwicklungen sierte Fragebögen wie das Hospital wenig evidenzbasierten Auswahl der und Probleme im Bereich Value-Based Consumer Assessment of Healthcare Fragebogen-Items6, zum anderen we- Care werden so manche Leser:innen Providers and Systems (HCAHPS). gen noch unzureichender Digitalisie- an die Integrierte Versorgung (IV) Diese erheben, wie Patient:innen die rung.7 Eine von fünf großen Kranken- hierzulande erinnern, die vor 20 Jah- Versorgung erleben, im Sinne eines hausgesellschaften durchgeführte Stu- ren in § 140a des SGB V festgeschrie- sogenannten Patient Experience Mea- die8 hatte im Jahr 2019 ergeben, dass ben wurde, aber nach einem enthusi- surement. Auf der Basis dieses Ergeb- die Rücklaufquoten des HCAHPS im- astischen Start hinter den Erwartun- nisses sowie einer Evaluation von Pro- mer geringer werden, dass für die Pa- gen zurückgeblieben ist. Zuletzt zeigte zessen und Outcomes erhalten die tient Experience wichtige Faktoren sich im Februar 2020 die Deutsche Leistungserbringer:innen Prämien. nicht abgefragt werden und dass der Gesellschaft für Integrierte Versor- Solche VBPs werden beispielsweise Fragebogen bei den Befragten eine zu gung im Gesundheitswesen (DGIV) im Rahmen der staatlichen Medicare, hohe Gesundheitskompetenz (Health enttäuscht von den Entwicklungen der aber auch von bundesstaatlichen Pro- Literacy) voraussetzt. Unter den Emp- vergangenen Jahre und hoffte auf an- grammen und privaten Versicherern fehlungen, die in der Studie gegeben gekündigte neue Gesetzesinitiativen umgesetzt. Die Patientenzufrieden- wurden, hatte die Digitalisierung des im Bereich sektorenübergreifende Ver- heit soll dabei im VBP von Medicare Surveys die höchste Priorität. US-ame- sorgung. Diese sind – auch coronabe- erstmals im Jahr 2023 genauso schwer rikanische Anbieter von Gesundheits- dingt – noch nicht weiter gediehen. wiegen wie Prozesse und Outcomes IT-Lösungen haben seither schon digi- Doch in Deutschland finden sich zusammengenommen. tale Versionen dieses und anderer Fra- die Ansätze der Value-Based Care – gebögen ins Programm genommen. Patientenzentrierung und gleichzeitig WER TRÄGT DAS FINANZIELLE RISIKO? erhoffte Einsparungen für Kostenträ- Das finanzielle Risiko für Leistungser- HIPAA SOLL ANGEPASST WERDEN ger:innen – in der Idee der innovati- bringer:innen war zum Start des ACA Die Digitalisierung der Versorgung, ven Gesundheitsregionen wieder, die im Jahr 2010 von Obama erst einmal sowohl zur Umsetzung von Value-Ba- von einer Gruppe aus Gesundheitssys- gering gehalten worden, um eine mög- sed Care als auch im Rahmen der Pan- temexpert:innen, Patientenvertre- 1 / 21 EHEALTHCOM 17
COMPLEX | USA In Deutschland finden sich die Ansätze der Value-Based Care in der Idee der innovativen Gesundheitsregionen wieder. ter:innen und Ökonom:innen um Helmut Hildebrandt (OptiMedis AG) FUSSNOTEN kürzlich in der Zeitschrift „Welt der Krankenversicherung“ veröffentlicht 1 https://www.nytimes.com/2020/03/23/health/obamacare-aca-coverage- wurde.12 Auch hier stellt sich vor allem cost-history.html die Frage der nachhaltigen Finanzie- 2 https://www.npr.org/sections/health-shots/2020/10/22/926372475/ rung und der Verteilung des finanziel- comparing-bidens-and-trump-s-different-visions-for-health-care len Risikos, die von Hildebrandt mit 3 Porter, Michael E., and Elizabeth Olmsted Teisberg. Redefining health care: dem Vorschlag eines an den Gesund- creating value-based competition on results. Harvard business press, 2006. heitsfonds gekoppelten „Zukunfts- 4 Porter, M. “What is value in health care?” The New England Journal of fonds für regionale Gesundheit“ be- Medicine. 363 26 (2010): 2477-81. antwortet wird. Sobald die gesetzgebe- rischen Notwendigkeiten der Pande- 5 https://www.hfma.org/topics/news/2020/11/big-value-based-payment- mie vorerst abgearbeitet sind – und shifts-may-come-in-biden-administration.html sobald sich die Bundesregierung nach 6 Wadhera RK, Figueroa JF, Joynt Maddox KE, Rosenbaum LS, Kazi DS, der Bundestagswahl 2021 neu aufge- Yeh RW. Quality Measure Development and Associated Spending by the stellt hat –, könnte es also auch in der Centers for Medicare & Medicaid Services. JAMA. 2020;323(16):1614–1616. doi:10.1001/jama.2020.1816 deutschen Gesundheitspolitik wieder verstärkt um Value-Based Care und 7 https://www.aha.org/press-releases/2019-07-25-new-report-shows-benefit- eine Rückkehr oder Revitalisierung modernizing-hcahps-patient-experience-survey der Integrierten Versorgung gehen. 8 https://www.aha.org/system/files/media/file/2019/07/FAH-White-Paper- Report-v18-FINAL.pdf 9 https://www.hhs.gov/about/leadership/secretary/op-eds/trump- © VEGEFOX.COM – STOCK.ADOBE.COM DR. MED. CHRISTINA administration-aims-to-keep-telehealth-revolution-here-to-stay.html CZESCHIK ist Ärztin, Medizin- 10 https://www.healthcaredive.com/news/trump-admin-proposes-easing- informatikerin und Fach- hipaa-to-foster-value-based-care-covid-19-cont/591986/ autorin für eHealth und 11 https://www.insurancejournal.com/news/national/2020/12/14/593793.htm Informationssicherheit. Kontakt: czeschik@ https://www.medhochzwei-verlag.de/Zeitschriften/WdK/Leseprobe/ 12 serapion.de Kostenlose-Ausgabe-WdK-7-8-2020.pdf 18 EHEALTHCOM 1 / 21
Think Medical! Act Digital! Neuer Termin 8.–10. Juni 2021 Messegelände Berlin Connecting Digital Health www.dmea.de GOLD Partner SILBER Partner Veranstalter Organisation In Kooperation mit Unter Mitwirkung von 1 / 21 EHEALTHCOM 19
COMPLEX | E-REZEPT DVPMG: BOOSTER FÜRS E-REZEPT? Nach den Arzneimitteln nimmt der Gesetzgeber mit dem Digitale Versorgung und Pflege-Moder- nisierungs-Gesetz (DVPMG) nun auch die Verord- nung anderer Leistungen ins digitale Visier – und damit die Anbindung neuer Leistungserbringer:in- nen an die Telematikinfrastruktur. Das E-Rezept wird auf der TI für mehr Betrieb sorgen. TEXT: ANDREAS KERZMANN M it dem Digitale Versorgung und Pflege- Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) will das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Potenzial der Digitalisierung weiter aus- schöpfen. Das Ministerium fokussiert auf die Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA), des E-Rezepts (eRp) und der digitalen Gesundheits- anwendungen (DiGA). Darüber hinaus werden die digitalen Pflegeanwendungen (DiPA) kreiert, die sich an den DiGA © SKD – STOCK.ADOBE.COM orientieren, jedoch aus den Pflegekassen finanziert werden. Neu ist außerdem die Patientenkurzakte, die einerseits grenzüberschreitend einsetzbar sein wird und andererseits die Notfalldaten auf der eGK mittelfristig ersetzen soll. > 20 EHEALTHCOM 1 / 21
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COMPLEX | E-REZEPT VERPFLICHTUNG ZUR ELEKTRONISCHEN VERORDNUNG mentationszwecken archiviert werden müssen. Auf diese Dokumentation und die strikte Limitierung der Aus- gabe von amtlichen BtM-Rezepten an Verordnende setzt die Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs auf. Wür- den dagegen die Potenziale der digita- len Welt ausgenutzt, würde der Pro- zess auf allen Seiten einfacher. Bis Ab 01.01.2023 Ab 01.07.2024 Ab 01.07.2025 Ab 01.07.2026 Ende Juni 2021 wird die gematik die Betäubungsmittel- Häusliche Soziotherapien Heil- und Hilfsmittel und T-Rezepte Krankenpflege und technische Spezifikation für BtM- und außerklinische T-Rezepte veröffentlichen. Daran wird Intensivpflege sich erkennen lassen, ob und wenn ja wie viel Bürokratieabbau mithilfe der Elektronifizierung dieser Formulare Die erforderliche Anbindung an „gewagt“ wird. Im nächsten Schritt werden die ärztlichen Verordnungen von häusli- die Telematikinfrastruktur dürfte cher Krankenpflege (HKP) und außer- klinischer Intensivpflege digital. Ab dem 1. Juli 2024 wird die elektroni- für alle Beteiligten eine enorme sche Verordnung dieser Leistungen verpflichtend. Damit löst die elektro- Herausforderung darstellen. nische Verordnung ein weiteres Ver- ordnungsmuster ab, diesmal das Mus- ter 12. Mit dieser Ablösung kommt wieder eine neue Akteurin in den Pro- NEUE ELEKTRONISCHE eben kein amtliches Formular ist. Ver- zess: die Krankenkasse. Bei Verord- VERORDNUNGEN antwortlich für BtM- und T-Rezepte nungen von Arzneimitteln erhalten Mit dem DVPMG werden elektroni- ist das dem BMG nachgeordnete Bun- Krankenkassen erst am Ende des Pro- sche Verordnungen deutlich ausge- desinstitut für Arzneimittel und Me- zesses die Rezepte, die sie wiederum weitet. Bisher sind durch das PDSG dizinprodukte (BfArM). Im Mitte Ja- als abrechnungsbegründende Unter- nur Festlegungen für verschreibungs- nuar vorliegenden Entwurf kommt lage benötigen. Bei der Verordnung pflichtige Arzneimittel getroffen wor- die Verpflichtung zur elektronischen von HKP ist die Leistungserbringung den. Für diese gilt ab 1. Januar 2022 Verschreibung von BtM- und T-Ver- jedoch an die Genehmigung durch die die Pflicht der elektronischen Verord- ordnungen zum 1. Januar 2023. Damit Krankenkasse geknüpft. nung. Dabei müssen die Dienste der wird auch das BfArM, das weiterhin Die Krankenkasse wird also viel Telematikinfrastruktur (TI) nach De- die Hoheit über diese Formulare hat, früher als im Arzneimittelprozess Zu- finition der gematik verwendet wer- in geeigneter Form in den Verschrei- griff auf relevante Daten zur Prüfung den. Ausgenommen sind Verordnun- bungsprozess eingebunden werden des Leistungsanspruchs erhalten müs- gen für Betäubungsmittel (BtM) und müssen. sen. Der Gesetzgeber spricht davon, sogenannte T-Rezepte für potenziell Dadurch entsteht, und das macht dass Versicherte diese Verordnungen erbgutschädigende („teratogene“) Arz- dieses Thema interessant, eine Chance an die Krankenkasse bei Bedarf „über- neimittel. zur Entbürokratisierung. Das BfArM mitteln“ können müssen. Spannend Diese beiden Rezepttypen sind al- hat im Kontext der BtM- und T-Ver- wird sein, wie die darunterliegende lein schon deswegen etwas anderes ordnungen eine kontrollierende und Lösung aussehen wird: Erhalten Kas- als „normale“ Verordnungen, weil es bei der BtM-Verordnung sogar eine sen für gewisse Rezepttypen direkten sich bei den eingesetzten Formularen steuernde Funktion. Aktuell passiert Zugriff auf die Verordnungen im um amtliche Vordrucke handelt – im das mithilfe einer ganzen Reihe von Fachdienst? Werden Versicherer ihrer Gegensatz zum Muster 16, das zwar Formularen, die im ärztlichen und Krankenkasse die Rezepte als elektro- von der Formularkommission der pharmazeutischen Bereich regelhaft nische Dokumente weiterleiten? Müs- Selbstverwaltung definiert wird, aber auf Papier ausgefüllt und zu Doku- sen unter Umständen neue Zugriffs- 22 EHEALTHCOM 1 / 21
regeln für Rezepte im Gesetz festge- für Hörhilfen und Muster 16 für Hilfs- ler Heilmittel-Richtline Physiothera- legt werden? Diese Fragen sind im mittel allgemein. Damit halten ganz pie, Ergotherapie, Ernährungsthera- DVPMG-Entwurf noch nicht abschlie- neue Arten von Informationen Einzug pie, Podologie sowie Stimm-, Sprech-, ßend geklärt. in die elektronischen Verordnungen, Sprach- und Schlucktherapie vollstän- Ein Jahr später werden Verordnun- beispielsweise die Dioptrie-Werte bei dig ab. Davon wird auch die elektroni- gen für Soziotherapien digital. Ab Sehhilfen oder Informationen zu Hör- sche Verordnung von Heilmitteln pro- dem 1. Juli 2025 kommt die Verpflich- verlusten nach Frequenzen bei Hörhil- fitieren. Aber auch hier wird es not- tung zur elektronischen Verschrei- fen. Darüber hinaus wird es verschie- wendig sein, dass Versicherte die Heil- bung dessen, was bisher mit Muster dene Arten der Genehmigungsverfah- mittelbehandlungen quittieren, und 26 (eigentliche Verordnung) und Mus- ren geben, die sich unter Umständen je zwar für jede einzelne Einheit und am ter 27 (Soziotherapeutischer Therapie- nach Kasse unterscheiden. Teilweise besten in der Praxis oder auch beim plan) abgebildet wird. Beide Formula- wird es wohl einheitliche, elektroni- Hausbesuch. re sind heute der Krankenkasse im sche Hilfsmittelkataloge geben wer- Original zur Genehmigung vorzule- den, die aber erst noch entstehen müs- NEUE AKTEUR:INNEN IN DER TI gen. Der zukünftige elektronische sen. Es wird also im Sinne der Digita- Die Verpflichtung zur elektronischen Prozess dürfte im Fachdienst also im lisierung noch viel Regelungsbedarf in Verordnung ist nur dann sinnvoll, Wesentlichen ähnlich zur Verord- der Selbstverwaltung und bei den wenn auch alle beteiligten Akteur:in- nung von HKP ablaufen. Partner:innen der Versorgungsverträ- nen an der TI teilnehmen. Der DVPMG- Die Überweisung zur Indikations- ge geben, bevor mit einer sinnvollen Entwurf gibt dafür einen klaren Fahr- stellung (Muster 28) ist im DVPMG- technischen Abbildung begonnen wer- plan. Jeweils ein halbes Jahr vor der nicht ausdrücklich genannt, dürfte den kann. Darüber hinaus wird der Verpflichtung zur elektronischen Ver- aber ebenfalls unter die „Verordnung Empfang von Hilfsmitteln durch Ver- ordnung müssen die Leistungserbrin- von Soziotherapien“ fallen, da maxi- sicherte oder ihre Vertreter:innen quit- ger:innen der jeweiligen Kategorie an mal fünf Einheiten von soziothera- tiert. Auch das wird elektronisch abge- die TI angeschlossen sein. peutischen Leistungen abgerechnet bildet werden müssen – möglichst in Das heißt also, dass alle ambulan- werden können. Das ist insofern rele- einer praxistauglichen Form, die auch ten Pflegedienstleister:innen bis zum vant, weil die verordnende, ärztliche bei Lieferung vor Ort von älteren Mit- 1. Januar 2024 an die TI angeschlossen Person mit dieser Überweisung sozio- menschen gehandhabt werden kann. sein müssen, alle Leistungserbrin- therapeutische Leistungserbringer:in- Im Gegensatz zur aktuellen Kom- ger:inen im Bereich Soziotherapien bis nen hinzuzieht und damit direkt „be- plexität bei Hilfsmitteln greifen für zum 1. Januar 2025 und alle Heil- und auftragt“. Das ist ein klarer Fall von Heilmittel bereits jetzt deutliche Ver- Hilfsmittelerbringer:innen bis zum Kommunikation zwischen Leistungs- einfachungen, die Genehmigungsver- 1. Januar 2026. Dies dürfte für alle Be- erbringer:innen. Hier stellt sich die fahren überflüssig machen. Außerdem teiligten eine enorme Herausforde- Frage, ob diese über „Kommunikation wurde die Zahl der Muster in diesem rung darstellen. im Medizinwesen“ („KIM“, ehemals Bereich von drei auf eins reduziert. Das liegt einerseits daran, dass die „KOM-LE“) elektronisch abgebildet Das neue Muster 13 deckt nach aktuel- schiere Anzahl der neu a nzubindenden werden wird oder über den E-Rezept- Fachdienst. Letzterer ist eine Pflicht- anwendung, was ihn eigentlich zum ELEKTRONISCHE VERORDNUNGEN: Anbindung neuer Gruppen von Leistungserbringer:innen natürlichen Kanal für diese Kommu- nikation macht. Bis 01.01.2024 Bis 01.01.2025 Bis 01.01.2026 DIE KLIMAX IM SPANNUNGSBOGEN: HEIL- UND HILFSMITTEL Richtig spannend wird es ein Jahr spä- ter mit den Verordnungen von Heil- Häusliche Krankenpflege und Soziotherapie Heil- und Hilfsmittel und Hilfsmitteln. Sie sollen ab dem außerklinische 1. Juli 2026 verpflichtend digital wer- Intensivpflege den. Im Bereich der Hilfsmittel spre- chen wir da schon von vier Mustern, die es elektronisch abzulösen gilt: Mus- ter 8 und 8A für Sehhilfen, Muster 15 1 / 21 EHEALTHCOM 23
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