Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER

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Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
№ 54
                  53 | SEPTEMBER
                       JUNI 2021 2021 Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

                                                                                           IM W
                                                                                                u nt
                                                                                                             EB
                                                                                         imp
                                                                                               act.
                                                                                                       er
                                                                                                      zha
                                                                                                            w. c
                                                                                                                 h

                                            DOSSIER

                 Was wir unbedingt
                  können sollten
   ZHAW-ALUMNUS                                                                    MENSCHEN
      Simon Stocker,                                                          Hannu Luomajoki, der
der Experte für Alters­politik                                             Fachmann für Knieschmerzen
Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
Die Komfortzone verlassen - den Horizont erweitern
Korea, Kaschmir, Kosovo: In insgesamt 19 von Kriegen und Kon-             Häufig sind Absolventinnen und Absolventen von geisteswissen-
flikten geprägten Ländern sind Schweizer Armeeangehörige für die          schaftlichen Studienrichtungen unter den Angehörigen der LMT oder
Friedensförderung derzeit im Einsatz. Das militärisch-internationale      der LOT anzutreffen.
Umfeld ist eine ideale Schule, um Auslands- und Lebenserfahrung zu        Ihr während dem Studium gesammeltes Wissen in den Bereichen der
sammeln. Aktuell leisten rund 280 Schweizer/innen einen befristeten       Politikwissenschaften, Geschichte, oder auch Ethnologie kann einen
Dienst in 15 multinationalen Missionen, die sich auf vier Kontinente      erheblichen Mehrwert für diese Beobachtungsteams darstellen, da
verteilen. Sei es als Militärbeobachter/in inmitten steil aufragender     sie die Informationen der lokalen Gesprächspartner gegebenenfalls
Bergspitzen im Kaschmir, als Datenbankspezialist/in der Minenräu-         differenzierter beurteilen können.
mung in der sandumwehten Weite der Westsahara oder als Mitglied
eines Verbindungsteams in der sommerlichen Hitze Bosnien-Herze-           Alleinstellungsmerkmal im Lebenslauf
gowinas.                                                                  Egal, in welcher Lebenssituation man sich befindet, Einsätze bei der
                                                                          Friedensförderung bereichern die Lebens- und Berufserfahrung. Sie
Abwechslung bereichert den Alltag                                         eignen sich für berufliche Neuorientierungen genauso wie für Sabba-
Als Beispiel, wie spannend die Friedensförderung ist, zeigt der Einsatz   ticals oder Zwischenjahre. Denn zusätzlich zur abwechslungsreichen
im Kosovo. Seit April 2021 ist es mit 195 Soldat/innen das personell      und fordernden Tätigkeit, kommt man auch in persönlichen und be-
grösste Engagement des seit über 20 Jahren dort stationierte SWIS-        ruflichen Austausch mit Menschen anderer Kulturen. Durch die fun-
SCOY- Kontingent. Es vereint auch die weiteste Bandbreite an Funk-        dierte Ausbildung und das internationale Arbeitsumfeld werden neue
tionen: Erbracht werden unter anderem Leistungen im Hauptquartier         Fähigkeiten erlernt und Bestehendes vertieft. Man kann Fremdspra-
der Kosovo Force (KFOR), in der medizinischen Versorgung, im ad-          chen anwenden, ein internationales Netzwerk aufbauen und gleich-
ministrativ-organisatorischen, handwerklichen und logistischen Be-        zeitig einen Beitrag für den Frieden leisten.
reich, im Strassen- und Lufttransport, in der Kampfmittelbeseitigung
sowie der Lagebeobachtung. Zentral sind dabei die Tätigkeiten der Li-     Ihr Einsatz zählt!
aison and Monitoring Teams (LMT), die den Kontakt zur Bevölkerung         Während für UNO-Missionen mindestens ein Grad als Oberleutnant
und zu Funktionstragenden aus verschiedensten Bereichen der loka-         nötig ist, besteht in den beiden Ländern im Balkan die Möglichkeit
len Gesellschaft pflegen. Dies macht sie zu den sogenannten «Augen        zu einem Einsatz bereits ab Grad Soldat. Frauen ohne absolvierte
und Ohren» der KFOR, zu einem Frühwarnsystem für das Kommando             Rekrutenschule können bei passender ziviler Qualifikation ebenfalls
der Mission. In Bosnien-Herzegowina übernehmen die Liaison and            bestimmte Funktionen übernehmen. Eine Übersicht über sämtliche
Observation Teams (LOT) an zwei Standorten eine ähnliche Funktion.        Stellenbeschriebe, Informationen zu den Missionen sowie die Mög-
                                                                          lichkeit einer Teilnahme an einer virtuellen Informationsveranstal-
                                                                          tung für einen friedensfördernden Auslandseinsatz ist auf
                                                                          www.armee.ch/peace-support zu finden.

                                                                          www.peace-support.ch
Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
IMPRESSUM                                            EDITORIAL

HERAUSGEBER:
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften, Winterthur, und ALUMNI ZHAW

KONTAKT:

                                                     Das Abc der Welt lesen,
ZHAW-Impact, Redaktion, Postfach,
8401 Winterthur; zhaw-impact@zhaw.ch

AUFLAGE: 27’000 Exemplare
ZHAW-Impact erscheint viermal jährlich.
NÄCHSTE AUSGABE: 1. Dezember 2021
ADRESSÄNDERUNGEN: info@zhaw.ch
                                                     ­verstehen und gestalten
WEITERE EXEMPLARE: zhaw-impact@zhaw.ch
                                                                                        Was genau steht in der geplan-
REDAKTIONSLEITUNG:
Patricia Faller (Chefredaktorin)
                                                                                        ten Gesetzesänderung, über
Andrea Hopmann (Leiterin CC)                                                            die ich demnächst abstim-
Jakob Bächtold (Leiter Product CC)
                                                                                        men soll? Was bedeutet das
REDAKTIONSKOMMISSION:
Christa Stocker (Angewandte Linguistik);                                                Fach­chinesisch, in dem mein
Kathrin Fink (Angewandte Psychologie);
Andrea Kleinert (Architektur, Gestaltung und
                                                                                        Zahnarzt die Behandlungen
Bauingenieur­wesen); Tobias Hänni (Gesund-                                              auf seiner Rechnung beschreibt,
heit); Cornelia Sidler (Life Sciences und Facility
Management); Matthias Kleefoot (School of Engi-                                         die ich bezahlen muss? Oder
neering); Frederic Härvelid (School of Manage-                                          was sagt der Vorsorgeausweis
ment and Law); Regula Freuler (Soziale Arbeit)
                                                                                        der Pensionskasse über meine
PRODUKTION NEWS:
Mitarbeit Andreas Engel, Julia Obst, Regula                                             Absicherung im Alter aus? Sie
Freuler, Sibylle Veigl
                                                                                        kennen das sicher auch: All-
REDAKTIONELLE MITARBEIT:
                                                                                        tagssituationen, in denen man
Sara Blaser, Regula Freuler, Sandra Hürlimann,       mit seinem Latein am Ende ist. Wie lässt sich dies ändern? Wel-
Bettina Mack, Karin Meier, Thomas Müller,
Katrin Oller, Eveline Rutz, Andrea Söldi, Christa    che Kompetenzen braucht es, um die immer komplexere Welt zu
Stocker, Sibylle Veigl, Ümit Yoker
                                                     verstehen und zu gestalten? Darum dreht sich das aktuelle
FOTOS:
                                                     Dossier «Literacy». Der englische Begriff steht im engeren Sinne
Conradin Frei, Zürich, alle ausser S. 4 r., 6–10,
12–13, 16–19, 25, 54–67; Peter Hauser S. 6;          für die Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben, in einem weiteren
Christian Schwager S. 9; Colourbox S. 16, 54;
Pixabay S. 4 r., 57, 58; Baugeschichtliches
                                                     für die Fähigkeit, sich über das Verstehen Zugang zu Fachgebie-
Archiv, Michael Wolgensinger S. 67 o.; Stefan        ten zu erarbeiten. Literacy ist grundlegend für jegliches Lernen.
Kubli S. 67 u.; zVg S. 10, 12, 13, 17–19, 25, 55,
56–66                                                Sie ist Voraussetzung dafür, dass wir die Welt um uns herum
GRAFIK/LAYOUT:                                       verstehen und mit ihr kommunizieren können. Symbolisieren
Till Martin, Zürich; Stämpf li AG, Zürich/Bern
VORSTUFE/DRUCK:
                                                     soll dies auch unser Titelbild: Literacy als Treppe zum Tor der
Stämpf li AG, Zürich/Bern                            Welt. So vielfältig die Welt, in der wir leben, ist, so kontextab-
                                                     hängig ist auch Literacy. Sie richtet sich nach der sozialen oder
INSERATE:
Fachmedien Zürichsee Werbe AG,                       beruflichen Gruppe, der wir angehören, den institutionellen
Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa,
                                                     Kontexten oder nach der Art von Aktivitäten, die wir ausüben.
Impact@fachmedien.ch, Tel. 044 928 56 53
                                                     Relevant ist die Diskussion über Grundkompetenzen aber nicht
                                                     nur für die Bildungspolitik, sondern auch für die Beschäfti-
                                                     gungs-, Gesundheits-, Sozial- und Umweltpolitik. Menschen
                                                     in ihren Bedürfnissen nach Grundbildung zu unterstützen, ist
IMPACT DIGITAL
Die aktuelle Ausgabe unter
                                                     notwendig, um sie zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu
↘ https://impact.zhaw.ch                             bilden und die Gesellschaft resilienter und inklusiver zu gestal-
Als pdf und weitere Infos:
                                                     ten. Damit ist Literacy nicht zuletzt die Basis für eine funktio-
↘ www.zhaw.ch/zhaw-impact
↘ www.zhaw.ch/socialmedia                            nierende Demokratie.          PATRICIA FALLER, Chefredaktorin
                                                                                                                          3
Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
INHALT                                                                                                            Impact | September 2021

    ALUMNI                                        MENSCHEN                                        ABSCHLUSSARBEITEN

    Für Lebensqualität im Alter engagiert         Für schmerzfreie Rücken und Knie                Für junge Jobsuchende machen sich in
    sich Alumnus Simon Stocker.        6          setzt sich Hannu Luomajoki ein. 22              Jugendtreffs Sozialarbeitende stark. 27

    6    ALUMNI                                   14 FORSCHUNG                                    22 MENSCHEN

    Der Experte für Alterspolitik                 Mit Swissnex zu den                             Selbst ein saudischer Prinz sass
    Ob mit neuen Ideen für Mitwirkung, Mobi-      Innovations-Hotspots                            bei ihm im Wartezimmer
    lität oder Wohnen: Seit seinem Praktikum      Wenn ZHAW-Forschende mit dem Swiss-             Der Physiotherapie-Professor Hannu
    auf einer Demenz­abteilung setzt sich Simon   nex-Programm in die USA, nach Indien,           Luomajoki beschäftigt sich seit 35 Jahren
    Stocker für eine bessere Lebensqualität im    China oder Brasilien reisen, dann profitieren   mit einigen der häufigsten menschlichen
    Alter ein – als Politiker oder Berater. Der   von ihren Forschungsaufenthalten auch die       Beschwerden: Knie- und Rückenschmerzen.
    Absolvent der Sozialen Arbeit wirkt auch an   Hochschule und letztlich die Gesellschaft.      Er setzt sich dafür ein, dass keine unnötigen
    der Umsetzung der Altersstrategie 2035 der    Vier Forschende der ZHAW berichten über         Operationen durchgeführt werden.
    Stadt Zürich mit.                             ihre Auslandserfahrungen. Lesen Sie die
                                                  Interviews im IMPACT-WEBMAGAZIN.                54 WEITERBILDUNG
    9    PANORAMA
                                                  17 KREIS-Haus als Praxislabor                   Mehr als der Gratisapfel
    Für eine Hochschule                           Von den Baumaterialien bis zum Abwasser         im Pausenraum
    mit Unternehmergeist                          für den Dachgarten – beim Pionierhaus der       Während der Corona-Pandemie ist das
    Der 13. Hochschultag der ZHAW stand ganz      ZHAW ist alles nach dem Kreislauf-Prinzip       betriebliche Gesundheitsmanagement in
    im Zeichen von Innovation und Entrepre-       aufgebaut. Die Bevölkerung kann selbst tes­     den Fokus gerückt. Doch welche Strategien
    neurship. Im kommenden Jahr will die ZHAW     ten, was kreislauffähiges Wohnen bedeutet.      braucht es, wenn Mitarbeitende weitgehend
    eine neue strategische Initiative für eine                                                    im Homeoffice arbeiten?
    «Entrepreneurial University» starten.         20 Wo an der ZHAW über
                                                  Hochschule geforscht wird                       67 DAMALS & HEUTE
    10 STUDIUM                                    In der Hochschulentwicklung werden die
                                                  Leitlinien für die Zukunft der ZHAW entwi-      Von der Wiese zum Campus
    11 Die Zukunft gehört                         ckelt. Eine Organisation, die lebenslanges      In der dritten Folge der Serie «Damals &
    der Blended University                        Lernen als Strategie gewählt hat, muss sich     heute», in der wir jedes Mal eine historische
    Eine polemisierende Polarisierung zwischen    selbst und das Umfeld immer wieder ana-         Fotografie einem aktuellen Bild gegenüber-
    Online- und Präsenzlehre finden Elena         lysieren und weiterentwickeln, lautet die       stellen, geht es ums Toni-Areal in Zürich, das
    Wilhelm und Christian Wassmer von der         Devise. Mit ihrer eigenständigen Hochschul-     Zuhause der Departemente Angewandte
    Hochschulentwicklung der ZHAW nicht ziel-     forschungseinheit ist die ZHAW unter den        Psychologie und Soziale Arbeit. Alle bishe-
    führend und erklären, weshalb.                Schweizer Fachhochschulen eine Pionierin.       rigen Folgen im IMPACT-WEBMAGAZIN.

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Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
3   EDITORIAL

                                                                                       4   INHALT

                                                                                       6   ALUMNI

                                                                                       9   PANORAMA

                                                                                       10 STUDIUM

                                                                                       14 FORSCHUNG

                                                                                       22 MENSCHEN

                                                                                       25 BÜCHER

                                                                                       26 ABSCHLUSSARBEITEN

                                                                                       28 DOSSIER

                                                                                       54 WEITERBILDUNG

                                                                                       57 VERANSTALTUNGEN

                                                                                       58 ALUMNI ZHAW

                                                                                       65 PERSPEKTIVENWECHSEL

                                                                                       66 MEDIEN UND
                                                                                          SOCIAL MEDIA

                                                                                       67 DAMALS & HEUTE

                                                                                       IMPACT-Webmagazin
                                                                                       https://impact.zhaw.ch

28 DOSSIER LITERACY                                                                    Bildstrecke Von der Idee bis zur
                                                                                       Prothese. Ergotherapie-Studie-
                                                                                       rende entwickeln Hilfsmittel für
Literacy ist die Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben – also grundlegend fürs Lernen
                                                                                       Klientinnen und Klienten.
überhaupt. Aber reicht das heute noch, wenn es um die Erschliessung der immer
komplexeren Welt geht? Welche Basic Skills brauchen junge Menschen heute und           Video Die ZHAW ist unterwegs

morgen? Und wie bringt man sie ihnen bei? Das wollten wir von Sprachwissen-            zu einer «Entrepreneurial Univer-
                                                                                       sity»: Absolventinnen und
schaftlerin Liana Konstantinidou, vom Mitglied der Hochschulleitung Reto Steiner
                                                                                       Absolventen geben Einblick in
und vom Zukunftsforscher Jakub Samochowiec wissen (S. 30). Sieben Skills für           ihre Startups.
die digitale Zukunft entwickelten Dozierende und Studierende am Depar­te­ment
Life Sciences und Facility Management im intensiven Austausch – zusammen­mit           Interviews «Forscht man mit
                                                                                       Personen ausserhalb des eigenen
externen Fachleuten (S. 36). Lesen Sie zudem, weshalb jede und jeder eine Ahnung
                                                                                       Kulturkreises, wird Alltägliches in
von Künstlicher Intelligenz haben sollte und wie ZHAW-Dozierende das erreichen         Frage gestellt, neue Idee entste-
wollen (S. 39). Wir zeigen, wie man sich im Informations-Dschungel zurechtfindet       hen.» Vier Forschende berichten.

und wie Chatbots das Lernen anregen (S. 38). Wir berichten, wie es um die Gesund-
                                                                                       Video Einblicke in das kreis-
heits- (S. 44), Finanz- (S. 51) oder Medienkompetenz (S. 48) in der Schweiz bestellt
                                                                                       lauffähige Wohnhaus, das als
ist und wie man sie stärken kann. Ernährungsexpertin Christine Brombach nennt          Praxislabor dient. Die Initiatorin
wichtige Gründe, weshalb wir auch das richtige Essen lernen sollten (S. 42).           erklärt, wie es funktioniert.

                                                                                                                            5
Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
Impact | September 2021                                                                                                     ALUMNI

                     SIMON STOCKER

                     Der Experte für Alterspolitik
                     Der ZHAW-Absolvent der Sozialen Arbeit Simon Stocker ist Projektleiter bei
                     GERONTOLOGIE CH für den Bereich Alterspolitik. Der frühere Schaffhauser
                     Stadtrat entwickelt Ideen für mehr Lebensqualität im Alter.
                     REGULA FREULER                          nutzen, indem man neue Formen            zen, aber dann wählte man mich

                     D
                                                             der Mitwirkung schafft.»                 ‹dummerweise› in den Schaffhau-
                               ie Mittagssonne scheint          Noch vor seinem Bachelor­             ser Stadtrat.» Simon Stocker lacht.
                               durchs Fenster, als Simon     abschluss Anfang 2008 bewarb er          Das war ironisch gemeint. Natürlich
                               Stocker die Tür öffnet, die   sich um eine Stelle bei Pro Se­nec­      sei sein Interesse am Amt ernsthaft
                               direkt in die Wohnküche       tute. «Ich hatte ein Praktikum auf       gewesen: «Wenn schon kandidieren,
                     führt. Auf dem Tisch trocknen lee-      einer Demenzabteilung gemacht.           dann richtig.» Man kann sich gut
                     re Babyschoppen: Vor einigen Mo-        Das war eine so positive Erfahrung,      vorstellen, wie er die Wählerinnen
                     naten ist der 40-Jährige Vater ge-      dass ich fortan in diesem Fach-          und Wähler überzeugt: Er spricht
                     worden. Beruflich befasst er sich       bereich tätig sein wollte und nir-       eloquent, beweist Bodenhaftung.
                     mit Menschen am anderen Ende der        gendwo anders», erzählt er. Stocker      Man spürt sein Engagement. Er
                     Lebensspanne. Stocker ist Experte       bekam die Stelle und wurde in den        wirkt nahbar.
                     für Alterspolitik. Warum dieses Be-     Bezirken Affoltern und Dietikon für
                     rufsfeld? «Ich mag alte Menschen»,      Gemeindliche Altersarbeit zustän-        Zwischen Studium und
                     begründet er seine Berufswahl. «All     dig. «Das Einzugsgebiet bietet eine      Kommunalpolitik
                     das angesammelte Wissen. Diese          spannende Kombination, von städ-         Als Politiker der Alternativen
                     Gelassenheit. Eine überzogene in-       tischer Peripherie bis zum 500-See-      Liste war er bereits bekannt in seiner
                     dividualistische Anspruchshaltung                                                Heimat. Während seines Bachelor­
                     ist den meisten von ihnen fremd»,
                     findet er. «Man verwendet dafür
                                                                  «Ich hatte ein                      studiums sass er im Grossen Stadt-
                                                                                                      rat, danach im Stadtschulrat. Nach
                     auch ein altmodisches, aber tref-         Praktikum auf einer                    der Wahl bekam er 2013 den Sitz des
                     fendes Wort: Dankbarkeit.»                 Demenzabteilung                       Sozial- und Sicherheitsreferenten –

                     Wirkt an der Umsetzung der
                                                             ­gemacht. Das war eine                   und war unter anderem zuständig
                                                                                                      für die Altersheime.
                     Altersstrategie 2035 mit                so positive Erfahrung.»                     Die politischen Gestaltungsmög-
                     Die Familienwohnung in Zürich-                                                   lichkeiten als Stadtrat seien inspi-
    «Ständig wird    Wipkingen dient auch als Stockers       len-Dorf ist alles dabei», erinnert er   rierend gewesen, sagt er: «Aber nach
      über Kosten    Büro. Er ist Projektleiter bei GERON-   sich. Auch politisch war es für ihn      einer Weile reizte mich eine fach-
      gesprochen,    TOLOGIE CH, einer Plattform für         herausfordernd in einem Umfeld,          liche Vertiefung.» Und so ging er
   dabei sind alte   Lebensqualität im Alter. Zudem          das in bürgerlichen Händen liegt.        zurück an die ZHAW für den Mas­
        Menschen     wirkt er auf Mandatsbasis bei der       Dennoch blieb ihm nebenbei genug         ter. «Sozialmanagement- und Füh-
 enorme Ressour-     Umsetzung der Altersstrategie 2035      Zeit für einen Master of Advanced        rungsfragen haben mich schon im-
       cen für das   der Stadt Zürich mit.                   Studies in Gemeinde-, Stadt- und         mer beschäftigt, und das Masterstu-
 Gemeinde­w esen.       Seit der gebürtige Schaffhauser      Regionalentwicklung an der Hoch-         dium ist die ideale Gelegenheit, sich
   Das sollte man    in den nuller Jahren an der ZHAW        schule Luzern.                           damit auseinanderzusetzen.»
   nutzen, indem     Soziale Arbeit studierte, setzt er         Schliesslich zog es ihn in die           Schon bald nach seinem Ab-
man neue Formen      sich intensiv mit Alterspolitik aus-    Selbstständigkeit. Gemeinsam mit         schluss spürte Simon Stocker er-
  der Mitwirkung     einander. «Der öffentliche Diskurs      einer Kollegin beriet er während         neut den Drang nach Veränderung.
    schafft», sagt   ist leider oftmals negativ konno-       einiger Monate im Stadtentwick-          Fast zwanzig Jahre war er nun in
   Simon Stocker,    tiert», findet er. «Ständig wird über   lungs- und Sozialbereich verschie-       Schaffhausen in verschiedenen
    Absolvent des    Kosten gesprochen, dabei sind diese     dene Schweizer Gemeinden und             Funktionen aktiv, politisch, ge-
   Departements      Menschen enorme Ressourcen für          Altersheime. «Eigentlich wollte ich      sellschaftlich, kulturell. Eine lange
   Soziale Arbeit.   das Gemeindewesen. Das sollte man       damals ganz auf diese Karte set-         Zeit. Ausserdem war seine dama-
                                                                                                                                               7
Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
ALUMNI

                                                                                    Soziale Arbeit

    lige Freundin – heute seine        sellschaft für Gerontologie
    Ehefrau – Leiterin an einem        SGG SSG genannt – ist er mit
    historischen Museum in Ber-        dem Aufbau des Programms
    lin. Der Familienwunsch sei        «Altersfreundliche Gemein-
    mitunter ein Grund dafür ge-       den» befasst.     Mittlerweile
    wesen, dass er im Herbst 2019      steht die Finanzierung, jetzt
    bekannt gab, bei den Wahlen        geht es um den Massnah-
    im folgenden Jahr nicht mehr       menkatalog, den man den
                                                                         Die ZHAW lädt im Rahmen der Veran-
    anzutreten.                        Gemeinden ab Oktober 2021         staltungsreihe «Um 6 im Kreis 5» zu
                                       zur Verfügung stellen wird.       Vorträgen und Diskussionen zu aktuellen
    Abschied von der Politik           Die Formulierung «zur Ver-
    Und dann kam Corona. Gera-         fügung stellen» ist Simon
                                                                         Themen der Sozialen Arbeit ein. Diskutie-
    de für Altersheime bedeute-        Stocker wichtig: «Wir leisten     ren Sie mit. Die Teilnahme ist kostenlos.
    te die Pandemie höchste Ver-       kein Consulting, sondern ent-
    unsicherung. «Eine Frau rief       werfen Programme, die wir
    mich an und weinte, weil sie       den Gemeinden als Instru-
    ihre sterbende Mutter nicht        mente oder Werkzeuge an-
    besuchen durfte», erinnert         bieten.» Ein zweites wich-
                                                                         Dienstag, 5. Oktober, 18 – 19 Uhr
    sich Stocker. Einer von vielen     tiges Standbein ist sein Man-     Begleitung im ergänzenden
    schwierigen Momenten für           dat bei der Altersstrategie der
    den damaligen Stadtrat. Zu-        Stadt Zürich. Diese umfasst 44    Arbeitsmarkt
    dem begann er sich für die         Massnahmen in vier verschie-
    Zeit nach der Exekutivpoli-        denen Handlungsfeldern. Es
    tik vorzubereiten und absol-       geht um Wohnen, Pflege und        Dienstag, 2. November, 18 – 19 Uhr
    vierte berufsbegleitend an der     Unterstützung, aber auch um
    School of Management and           Informationen zu Angebo-
                                                                         Dienst nach Vorschrift?
    Law der ZHAW eine Weiterbil-       ten im Quartier, Teilhabe so-     Ermessen in der Sozialhilfe
    dung in managementorien-           wie Mobilität. Mit Letzterer
    tierter BWL.                       beschäftigt sich Stocker: «Wie
       Eigentlich wollte er 2021 zu-   Seniorinnen und Senioren im       Dienstag, 7. Dezember, 18 – 19 Uhr
    nächst eine Auszeit nehmen         öffentlichen Raum unterwegs
    und reisen, aber eben: Coro-       sein können, ist essenziell       Schutz vor Machtmissbrauch
    na. Also zog die junge Fami-       für ihre Unabhängigkeit und
    lie nach Zürich. Man sieht         Lebens­qualität.»
                                                                         im Jugendheim
    dem gut sortierten Zuhau-             Er hat Quartierbegehungen
    se an, dass es noch nicht all-     entwickelt, am 1. Oktober –
    zu lange bewohnt wird – und        am Internationalen Tag der
    auch nicht ständig. Wegen der      älteren Menschen – geht es        Weitere Informationen und Anmeldung
    Museumsstelle von Stockers         los. Zudem konzeptioniert er
    Ehefrau verbringen sie viel        die erste Alterskonferenz der
                                                                         unter www.zhaw.ch/u6ik5
    Zeit in Berlin.                    Stadt Zürich mit, die Ende
                                       November stattfindet. Ab
    Aufbau «Altersfreundliche          Frühjahr 2022 wird er zudem
    Gemeinden»                         als Lehrbeauftragter an der
    Statt durch Europa zu tingeln,     ZHAW unterrichten.
    leitet Stocker also seit An-          Während Simon Stocker
    fang Jahr bei GERONTOLOGIE         erzählt, öffnet sich die Woh-
    CH den Bereich Alterspolitik.      nungstüre: Ehefrau und Söhn-
    Ein schöner terminlicher Zu-       chen kehren vom Spaziergang
    fall: Gleichzeitig hat die Welt­   zurück. Ist der Altersexperte
    gesundheitsorganisation die        bereits zum Kleinkindexper-                         Jetzt
    Dekade des guten Alterns           ten geworden? «Von älteren                        anmelden
    2021–2030 ausgerufen. Beim         Menschen verstehe ich sicher
    1953 gegründeten Netzwerk          mehr», meint er lachend. ◼
    – damals Schweizerische Ge-
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Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
Impact | September 2021                                                                                                    PANORAMA

4700 Studierende
beginnen ihr Studium
                                     «Entrepreneurial University» als Vision
an der ZHAW
 Am 20. September begannen
 rund 4700 Studentinnen und
 Studenten ihr Semester an der
 ZHAW. Damit studieren an den
 drei ZHAW-Standorten
 Winterthur, Wädenswil und
 Zürich insgesamt rund 14‘700
 Personen in 31 Bachelor- und
 19 Masterstudiengängen. Den
­grös­s­­ten Zuwachs verzeichnen
 das Departement Gesundheit
 mit 690 Neueintritten (plus 18
 Prozent) sowie das Departe-
 ment Angewandte Psychologie
 mit deren 200 (plus 32 Prozent).
 Die School of Engineering bie-
 tet erstmals den Bachelorstudi-     Für eine Hochschule mit Unternehmergeist: Rektor Jean-Marc Piveteau am 13. Hochschultag.
 engang «Data Science» an. Der
 Mas­ter of Science in «Ange-        Rektor Jean-Marc Piveteau lan-       versity» eine strategische Initi-    noch stärker in der Startup-För-
 wandter Psychologie» startet ,      cierte am 13. Hochschultag ein       ative ins Leben zu rufen, die be-    derung zu engagieren. Adrian
 ins Herbstsemester mit einem        neues strategisches Ziel der         reits ab 2022 operationell starte.   Müller, Professor für Innovati-
 erneuerten Curriculum, das un-      ZHAW: die Vision einer «Entre-       Der traditionelle Hochschultag,      onsmanagement und Entrepre-
 ter anderem Themen «Aging           preneurial University». Piveteau     der mit über 200 Gästen in der       neurship an der ZHAW, stellte
 Society», «Mensch und Digitali-     sagte in seiner Rede, die ZHAW       Halle 53 in Winterthur stattfand     aktuelle Fördermodelle vor – von
 sierung» oder «Umweltpsycho-        müsse noch stärker eine zu-          und auch online übertragen           niederschwelligen Netzwerk­
 logie» umfasst. Im Frühlings­       kunftsorientierte, unternehme-       wurde, stand im Zeichen von          anlässen über Trainings bis
 semester 2022 bietet das Depar-     rische Einstellung anstreben, die    Entrepreneurship und Innovati-       hin zu gezieltem Coaching. Mit
 tement Life Sciences und Facility   die Eigeninitiative fördere und      onsförderung. Keynote-Referen-       ­Videos und Kurz­interviews wur-
 Management neu den Master of        offen für interdisziplinäre Zu-      tin Trudi Haemmerli, Verwal-          den auch vier an der ZHAW ent-
 Science in «Preneurship for         sammenarbeit sei. Er kündigte        tungsrätin der Innosuisse, for-       standene Startups präsentiert.
 Regenerative Food Systems» an.      an, für die «Entrepreneurial Uni-    derte die Anwesenden auf, sich       ↘ www.zhaw.ch/hochschultag

International Evening: Vernetzt, nachhaltig, interkulturell
Welche interkulturellen Fähig-       Fokus. Expertinnen und Experten
keiten brauchen Studierende          aus Hochschule und Arbeitswelt
heute zwingend für den erfolg-       diskutieren beim Live­stream-
reichen Einstieg in die Berufs-      Online-Event die brennends-
welt? Welchen Mindset müssen         ten Fragen zu diesen Themen
Lehrbeauftragte mitbringen, um       auf dem Prodium, orientieren in
den Macherinnen und Machern          Break-out Sessions über Trends
von morgen internationale Fä-        und tauschen sich mit künfti-
higkeiten nachhaltig zu vermit-      gen Meinungsmacherinnen und
teln? Mit dem Motto «Building        Meinungsmachern aus. Auch
Global Bridges with You» rückt       Alumni, die es in Wirtschaft, For-
die ZHAW am International Eve-       schung und Politik weit gebracht
ning am 8. November die aktu-        haben, kommen zu Wort.
elle Dringlichkeit und den Nut-      ↘ Updates zum Programm und           «Menschen vernetzen, globale Brücken bauen», das symbolisiert
zen globaler Zusammenarbeit in       Anmeldung unter www.zhaw.ch/         das Visual von Büro4. Es verzichtet auf geografische Referenzen
Bildung und Forschung in den         internationalevening                 nach dem Grundsatz: die Welt gemeinsam weiterbringen.

                                                                                                                                                  9
Was wir unbedingt können sollten - DOSSIER
STUDIUM                                                                                                            Impact | September 2021

     ERGOTHERAPIE
     Studierende entwickeln Prothesen-
     Modelle für den 3D-Drucker
     Monika Sauerteig legt Petersilie in       sichten respektive Lösungen weiter-
     eine Klammer, die man zum Ver-            zuverfolgen. «Dabei stehen immer
     schliessen von Verpackungen braucht,      die Bedürfnisse der Kundin oder des     NACHHALTIGE LEBENSMITTEL
     klemmt sie sich unter den linken Arm      Kunden im Mittelpunkt», erklärt Jen-    Eat Grow Change – Bloggen
     und schneidet die Kräuter ab. «Moni»,
     so stellt sie sich vor, ist ohne linken
                                               nifer Bagehorn, die die Studierenden
                                               gemeinsam mit einem Kollegen von
                                                                                       für Veränderung
     Unterarm zur Welt gekommen. In ih-        der School of Management and Law        Ob Blogbeiträge über den Schweizer Agrarsektor im
     rem Alltag gibt es Situationen, die sie   und der stellvertretenden Ergothera-    Klimastreik, Humusaufbau im Boden, Fischzucht in
     erfinderisch anpacken muss. Zwar be-      pie-Forschungsleiterin, Verena Klam-    Norwegen, Heuschreckenplagen in Ostafrika oder über
     sitzt sie von der Teilnahme an einem      roth, ins Thema einführt. Danach sol-   die bio-vegane Landwirtschaft – wer den ZHAW Blog «Eat
     Forschungsprojekt einen «Adapter»         len die Studierenden Lösungsansätze     Grow Change» besucht, erhält Einblick in ein diverses
     für ihren Armstumpf, an welchem sie       entwerfen und mit Knete visualisie-     Themenfeld. Gemeinsam ist den Beiträgen, dass sie be-
     mit einem speziellen Verschluss Werk-     ren. Am Nachmittag geht es darum,       schreiben, welche Veränderungen entlang der Lebensmit-
     zeuge anbringen kann. Jedoch sind         die Knet-Prototypen in ein digitales    tel-Wertschöpfungsketten nötig wären, um einer wach-
     die Aufsätze, die sie bisher hat, nicht   CAD-Modell umzuwandeln. Getreu          senden Bevölkerung eine nachhaltige und gesunde Ernäh-
     so nützlich, wie sie es sich wünscht.     dem interdisziplinären Ansatz des       rung zu bieten. Initiiert wurde das Projekt 2020 am Depar-
     In einem Wahlpflichtunterricht im         ­Design Thinking leitet Josef Adam      tement Life Sciences und Facility Management.
     Modul «Methodisches Handeln» sol-          vom ZHAW-Institut für Ergothera-       «Einerseits wollen wir mit dem Blog die digitalen Kommu­
     len rund 50 Ergotherapie-Studierende       pie diesen Teil gemeinsam mit dem      nikationskompetenzen unserer Studierenden fördern»,
     massgeschneiderte Tools für Heraus-        Maschinenbau­ingenieur Adrian Fass-    sagt Roman Grüter, wissenschaftlicher Mitarbeiter und
     forderungen aus Monis Alltag konzi-        bind, der an der School of Enginee-    Blog-Initiator am Institut für Umwelt und Natürliche Res-
     pieren. Ziel ist dabei etwa, dass Moni     ring unterrichtet. Am Ende des Tages   sourcen. Dazu zählten der kritische Umgang mit digita­
     das Kräuterschneiden ergonomischer         präsentieren alle Studierenden-Grup-   len­Inhalten, die kreative Gestaltung von Blog-Inhalten
     gestalten kann.                            pen ihre CAD-Zeichnungen und über-     und die Fähigkeit, auf technische und kommunikative­He-
     Um in der kurzen Zeit rasch zu Lö-         raschen Moni dabei mit ihren unter-    rausforderungen zu reagieren. Andererseits wolle man ei-
     sungen zu gelangen, nutzen die             schiedlichen Ansätzen.                 nen Ort schaffen, wo Studierende und Mitarbeitende der
     Studierenden Ansätze des Design            		ANNINA DINKEL                        ZHAW ihr Wissen mit der Öffentlichkeit teilen sowie Ex-
     Thinking. Eine Besonderheit dieses                                                pertise und Meinung kombinieren können. «Der Blog soll
     Vorgehens ist, dass man in mehre-                                                 ein öffentliches Forum sein, wo über Herausforderungen
     ren Phasen bewusst den Blickwin-          IMPACT-WEBM AGAZI N Einblicke in        und Innovationen im Zusammenhang mit dem Welt­
     kel öffnet, um möglichst viele Infor-     den praxisorientierten Unterricht der   ernährungssystem diskutiert wird und wo man zum Nach-
     mationen zu sammeln, und danach           Ergotherapiestudierenden bietet eine    denken angeregt und zu kreativen Lösungen inspiriert
                                               Bildstrecke. https://impact.zhaw.ch
     fokussiert, um gezielt einzelne Ein-                                              wird.» Viele der Blogbeiträge entstehen jeweils innerhalb
                                                                                       eines Moduls. In der Gruppe erarbeiten Studierende Blog-
                                                                                       Ideen zu einem übergeordneten Thema. In einer Redakti-
                                                                                       onssitzung werden die Ideen vorgetragen, kritisch disku-
                                                                                       tiert und verfeinert oder verworfen. Bevor sich die Studie-
                                                                                       renden ans Bloggen machen, erhalten sie Schreibtrainings,
                                                                                       die sie mit dem Aufbau und den Besonderheiten eines
                                                                                       Blogbeitrages vertraut machen. «Und meistens mit der Er-
                                                                                       kenntnis, dass es gar nicht so einfach ist, ein komplexes
                                                                                       Thema in einem kurzen Beitrag auf den Punkt zu brin-
                                                                                       gen», sagt Roman Grüter. Um einen Beitrag auf «Eat Grow
                                                                                       Change» zu veröffentlichen, muss aber nicht zwingend ein
                                                                                       Modul besucht werden. Der Blog steht auch ZHAW-Mitar-
                                                                                       beitenden offen oder Studierenden, die Einblick in ihre
                                                                                       Semester- oder Bachelorarbeit geben wollen.
                                                                                                                            K ATHRIN REIMANN
     So könnte die Klientin Kräuter einfacher schneiden: Die Petersilie wird
     zwischen zwei mit Spiralfedern ausgestattete Platten eingeklemmt.                 ↘ https://blog.zhaw.ch/eat-grow-change

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Impact | September 2021                                                                                                 MEINUNG

                            Die Zukunft gehört der Blended University
                            Die Heterogenität in Lehr- und
                            Lernsettings muss als Chance für
                            den Bildungsprozess sowie die
                            Individualisierung und Flexibili-
                            sierung von Bildung betrachtet
                            werden. Eine Polarisierung zwi-
                            schen Online-Lehre und Lehre vor
                            Ort ist fehl am Platz. Ein Plädoyer
                            für die Blended University.

                            Den Medien war in den vergange-
                            nen Monaten zu entnehmen, dass        Elena Wilhelm ist Leiterin der Hochschulentwicklung der ZHAW. Christian
                            den Studierenden die Geduld aus-      Wassmer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Hochschulentwicklung
                            gehe im Home-Auditorium und sie       und Hochschulforschung der ZHAW.
                            zurück auf den Campus wollten. Die
                            Erziehungsdirektorinnen und -di-         Soziale Ordnung entsteht in digi-    de deutlich, dass Lernen ein sozialer
                            rektoren argumentierten ihrerseits    talen Netzwerken weitgehend kol-        Prozess ist und der physische Raum
                            in einem Schreiben an den Bun-        lektiv, selbstorganisiert, kooperativ   ein zentraler sozialer Bindungsfak-
                            despräsidenten, dass durch die an-    und emergent. Diese Formen des          tor. Gerade Fachhochschulen müs-
                            dauernde Online-Lehre die Qualität    Miteinanders und Nebeneinanders         sen ihrem praxisorientierten Pro-
                            des Unterrichts und damit auch die    sind zentral für alle modernen Lehr-    fil durch ihre vielfältigen anwen-
                            Werthaltigkeit der Studienabschlüs-   und Lernsettings – ob online oder       dungsbezogenen Lehr- und Lernan-
                            se zunehmend gefährdet sei.           physisch vor Ort. Sie haben zum         gebote vor Ort Sorge tragen.
                                                                  Beispiel auch in den «offenen Cur-
                            Auch online kann man virtuell         ricula», die besonders von den On-      Blended University: Online- und
                            räumlich präsent sein                 line-Erfahrungen profitieren kön-       Vorort-Settings als Einheit
                            Doch stimmt die Analyse? Ist «zu-     nen, einen bedeutenden Stellen-         Wir plädieren für eine sinnvolle
                            rück auf den Campus» die richtige     wert. In einem offenen Curriculum       Kombination von Lernen vor Ort
                            Schlussfolgerung? Sicher freuen       werden die Studieninhalte in Inter-     und Online-Lernen. Nur durch die
                            sich die Studierenden auf ihre Kom-   aktion zwischen Studierenden, Leh-      gelungene Kombination werden
                            militoninnen und Kommilitonen,        renden und Akteurinnen und Ak-          sowohl wichtige Kompetenzen
                            auf gemeinsame Lernerfahrungen,       teuren aus der Praxis fliessend und     gefördert als auch im Ideal­fall in-
                            auf Erlebnisse und Events auf dem     kooperativ festgelegt.                  frastrukturelle Ressourcen frei, die
                            physischen Campus, auf die Arbeit        Die Digitalisierung evoziert ins-    wiederum in didaktische Settings
                            an Projekten, in den Laboren, Am-     gesamt eine Pluralisierung von          reinvestiert werden können. Hier-
                            bulatorien und Werkstätten. Aber      Lehr- und Lernformen, die teils bes-    bei müssen Hochschulen reflek-
                            haben uns nicht die drei Semester     ser online und teils besser vor Ort     tieren, welche Konzepte sich in der
                            Online-Studium gezeigt, dass On-      stattfinden. Charisma, Lesbarkeit       Pandemie bewährt, welche neuen
                            line-Lernen auch Vorteile hat? Und    des Gegenübers, informelle Abstim-      Optionen sich ergeben haben und
                            haben sie uns nicht auf neue Ideen    mung über Seitengespräche sind in       welche Herausforderungen künftig
                            für die Lehre vor Ort gebracht? Das   unterschiedlichen Lehr- und Lern-       zu bewältigen sind. Ergebnis dieses
                            bestätigen zumindest diverse Um-      settings möglich, funktionieren         Prozesses ist die Schaffung der
                            fragen bei Studierenden und Leh-      aber jeweils anders. Die Heteroge-      «Blended University», die Online-
IMPACT-WEBM AGAZI N         renden im In- und Ausland.            nität muss als Chance für den Bil-      und Vorort-Settings als Einheit
Die Lernräume der              Eine polemisierende und evidenz-   dungsprozess und insbesondere für       begreift.                           ■
Zukunft sind offen und
                            befreite Polarisierung zwischen On-   die Individualisierung und Flexibili-     Christian Wassmer, Elena Wilhelm
anpassungsfähig und
ermöglichen die barriere-   line-Lehre und Präsenzlehre scheint   sierung von Bildungswegen und -in-
freie, vernetzte und kol-   uns nicht zielführend. Der Begriff    halten betrachtet werden.
laborative Wissensaneig-    Präsenzlehre ist unseres Erachtens       Der Stellenwert der physischen
nung und -herstellung.
                            überdies nicht zukunftsfähig, weil    Co-Präsenz vor Ort wird aus unserer
Lesen Sie das ausführli-
che Plädoyer unter          man auch online zeitlich und virtu-   Sicht durch vermehrte Online-Ver-
https://impact.zhaw.ch      ell räumlich präsent sein kann.       anstaltungen sogar erhöht. Es wur-
                                                                                                                                                   11
STUDIUM                                                                                                            Impact | September 2021

     Erster Schweizer Bachelorstudiengang in                                          Neu an der ZHAW: Angewandtes Recht
     Applied Digital Life Sciences                                                    Die SCHOOL OF MANAGEMENT AND LAW bietet ab Herbst
                                                                                      2022 den Bachelorstudiengang «Angewandtes Recht»
                                                                                      an. Es ist die erste juristische Grundausbildung an einer
                                                                                      staatlichen Fachhochschule in der Schweiz. Sie ermög­licht
                                                                                      insbesondere Berufsmaturandinnen und -maturanden
                                                                                      den Zugang zu einer generalistischen Rechtsausbildung
                                                                                      und bereitet auf praktische juristische Tätigkeiten in allen
                                                                                      Zweigen von Wirtschaft und Verwaltung vor. Besonderes
                                                                                      Gewicht liegt auf der Vermittlung juristischer Methoden-
                                                                                      und Sprachkompetenz. Das Studium fokussiert auf die
                                                                                      Kernbereiche des allgemeinen Rechts (Privatrecht, öffentli-
                                                                                      ches Recht und Strafrecht). Es qualifiziert Absolventinnen
                                                                                      und Absolventen für vielseitige Tätigkeiten etwa im Versi-
                                                                                      cherungs-, Finanz- oder Energiesektor oder in Behörden.
     Aufzeichnung von elektrischen Signalen der Kopfhautoberfläche und                ↘ https://bit.ly/3EfTj54
     ­B erechnung von Aktivitäten in spezifischen Gehirnarealen.

     Als erste Hochschule der Schweiz lan-    und Laborumgebungen, Automation,        Informationsdesign für Industrie 4.0
     ciert die ZHAW einen Bachelorstudi-      Künstliche Intelligenz und Simulation   «Fachkommunikation und Informationsdesign» lautet der
     engang in Applied Digital Life Scien-    ist in diesem Studiengang einzigar-     neue Name der bisherigen Vertiefung «Technikkommuni-
     ces. Der neue Studiengang am Depar-      tig. Er fokussiert auf anwendungs­      kation» im Bachelor Angewandte Sprachen. Mit der Umbe-
     tement LIFE SCIENCES UND FACILITY        orientierte Kompetenzen und auf die     nennung trägt das IUED Institut für Übersetzen und
     MANAGEMENT positioniert sich an          Verankerung in den Life Sciences mit    Dolmetschen den Veränderungen Rechnung, die mit Blick
     den Schnittstellen der Digitalisierung   den Arbeitsfeldern Biologie, Umwelt,    auf Industrie 4.0 am Studienprogramm laufend vorge-
     in den Life Sciences und der Data        Biotechnologie, Chemie, Lebensmit-      nommen werden. In der Vertiefung werden umfassende
     Science und eröffnet den Absolvie-       teltechnologie und Gesundheit. Zur      Kenntnisse für das Informationsdesign in der digitali-
     renden Perspektiven in einem rasch       Vorbereitung auf ein internationales    sierten Arbeitswelt vermittelt. Die Studierenden lernen,
     wachsenden Umfeld. Im Fokus stehen       Arbeitsumfeld erfolgt der Unterricht    komplexe Fachinhalte für verschiedene Zielgruppen und
     die Datenerfassung, -auswahl, -berei-    ab dem vierten Semester vollständig     Medien verständlich und benutzerfreundlich aufzuberei-
     nigung und -auswertung, aber auch        in Englisch. Zur Spezialisierung ste-   ten und so die Kommunikation an der Mensch-Maschi-
     die Nutzung der Daten im Labor- und      hen drei Vertiefungen zur Auswahl:      ne-Schnittstelle sowie zwischen Fachleuten und Laien zu
     Produktionsumfeld. Die Kombina-          Digital Labs and Production, Digital    optimieren. Mit der Verbindung technischer und kommu-
     tion von Themen wie Datenakquisi-        Health und Digital Environment. Das     nikativer Aspekte stellt das Angebot nach wie vor eine
     tion in verschiedenen Produktions-       Studium startet im Herbst 2022.         Innovation in der Schweizer Bildungslandschaft dar.

     Neuausrichtung des Masterstudiengangs                                            Standardisierte Kompetenzen für die
                                                                                      Gesundheitsberufe
     in Facility Management                                                           Gesundheitsfachpersonen benötigen unterschiedlichste
     Unter der neuen Bezeichnung «Real        Mit dem neuen Master «Real Estate       Kompetenzen, wollen sie den Anforderungen in ihrem Ar-
     Estate und Facility Management»          und Facility Management» qualifi-       beitsbereich und den Bedürfnissen von Patientinnen und
     (REFM) wurde der Masterstudien-          zieren sich die Absolventinnen und      Klienten gerecht werden. Mit der Publikation «Professions-
     gang am Departement LIFE SCIEN-          Absolventen für Führungsaufgaben        spezifische Kompetenzen» hat die Fachkonferenz Gesund-
     CES UND FACILITY MANAGEMENT              in Unternehmen und in der gesamt-       heit der Schweizerischen Fachhochschulen (FKG) im Som-
     mit neuen Inhalten angereichert und      en Immobilienwirtschaft. Sie sind in    mer ein Dokument veröffentlicht, das diese Kompetenzen
     dadurch noch besser auf die Zielgrup-    der Lage, nutzungsgerechte Lösungen     für sämtliche an den Schweizer Fachhochschulen ausgebil-
     pe sowie den Bedarf der Wirtschaft       und Strategien rund um den Immobi-      deten Gesundheitsberufe festhält. Es definiert jene Fähig-
     ausgerichtet. Die Neuausrichtung er-     lienlebenszyklus zu entwickeln. Das     keiten, welche die Absolvierenden beim Abschluss des Stu-
     folgte in Zusammenarbeit mit der Ab-     Real Estate und Facility Management     diums nachweisen müssen. Die Publikation der FKG, in der
     teilung Banking, Finance, Insurance      leistet einen zentralen Beitrag zum     auch das Departement GESUNDHEIT vertreten ist, dient
     der School of Management and Law.        wirtschaftlichen Erfolg, zu Nachhal-    als Richtschnur für die Lehrpläne der Studiengänge. Sie
     Der Start des konsekutiven Master­       tigkeit und strategischer Positionie-   wurde vom Bundesamt für Gesundheit in Auftrag
     studiengangs ist im Herbst 2022.         rung eines Unternehmens.                gegeben.

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Impact | September 2021                                                                                                     STUDIUM

SCHOOL OF ENGINEERING                                                               Ausgezeichnet
Fasslager 4.0: Dank Sensoren                                                      Regionaler Siemens Excellence Award
reift Whisky stromsparender                                                       für ZHAW-Absolventin
                                                                                  Mit ihrer Bachelorarbeit «Speech-to-Text Translation von
                                                                                  Schweizerdeutsch auf Hochdeutsch» gewann Bogumila
                                                                                  Dubel aus Winterthur den mit 4000 Franken dotierten re-
                                                                                  gionalen Siemens Excellence Award. Die Absolventin der
                                                                                  ZHAW SCHOOL OF ENGINEERING hat ein System entwi-
                                                                                  ckelt, das die schweizerdeutsche Sprache unabhängig vom
                                                                                  Dialekt in einen hochdeutschen Text übersetzt. Neben
                                                                                  Bogumila Dubel bewiesen zwei weitere Frauen Spitzen-
                                                                                  leistungen unter den 517 Bachelor-Absolventinnen und
                                                                                  -Absolventen: Wirtschaftsingenieurin Lea Bührer ist mit
                                                                                  einem Notendurchschnitt von 5,76 Jahrgangsbeste. Zum
                                                                                  zweiten Mal in Folge erreicht damit eine Frau den besten
                                                                                  Notendurchschnitt an der School of Engineering. Ihr folgt
                                                                                  ihre Kommilitonin Michèle Wieland (5,71).

Das drahtlose Sensorsystem zur Überwachung von Fassinhalt, Temperatur
und Luftfeuchigkeit des Raumes braucht weniger Platz und weniger Strom.

Bei der Herstellung von Spirituosen
wie Whisky, Gin oder Rum werden
rund 60 Prozent der endgültigen
Qualität dem Fass und der Reifung                                                 Simon Künzli von Siemens Schweiz überreicht Bogumila
zugeschrieben. Die Macardo Swiss                                                  Dubel die mit 4000 Franken dotierte Auszeichnung.
Distillery überlässt das nicht dem Zu-
fall, sondern überwacht Fass­inhalt,
                                                                                  Smarte Patientenglocke gewinnt
Temperatur und Luftfeuchtigkeit
neu mit Sensoren: dem Fasslager 4.0.
                                                                                  Startup Challenge
Entwickelt haben dieses System Lars                                               Mit Hilfe einer Software-basierten Patientenglocke per
Müggler und Ivan Krajinovic im Stu-                                               Tablet aus dem Spitalbett heraus dem Pflegepersonal sein
diengang Elektrotechnik an der ZHAW                                               Anliegen mitzuteilen: Das ist die Idee des Startups
SCHOOL OF ENGINEERING. In ihrer          Ivan Krajinovic (l.) und Lars Müggler.   «PATON» von drei Studierenden der ZHAW SCHOOL OF
Projektarbeit im fünften Semester                                                 ENGINEERING. Sie gewannen die diesjährige ZHAW Start­
haben die beiden zunächst den Proto­     klärt Lars Müggler. «Ausgehend von       up Challenge. Weiss das Pflegepersonal schneller, was am
typ eines Sensorsystems konzipiert.      einer Messung pro Tag müssen bei         Krankenbett gebraucht wird, spart das Wege und redu-
«Unser kabelloses System aus der         unseren Sensoren sogar nur alle sie-     ziert Leerzeiten. Laut Messungen am Unispital Zürich sind
Projektarbeit hat an sich schon funk-    ben Jahre die Batterien gewechselt       das rund 40 Minuten pro Schicht und Pflegeperson.
tioniert, aber das Sensormodul war       werden.» Die Messung kann aber auf
noch zu gross und hat zu viel Strom      Wunsch auch jederzeit vorgenommen
verbraucht», sagt Ivan Krajinovic. Die   werden, denn die Kommunikation
Absolventen haben im Rahmen ih-          zwischen Sensoren und Zentrale er-
rer Bachelorarbeit die notwendige        folgt in beide Richtungen. Angezeigt
Elektronik platzsparend verdichtet,      werden die visualisierten Messdaten
sodass das Sensormodul nun direkt        auf einer Website. Im Juli haben die
unter der Aufhängung des jeweiligen      Absolventen das Fasslager 4.0 in
Fasses platziert werden kann. Auch       Anwesenheit von rund 50 Persönlich-
den Stromverbrauch haben sie in den      keiten aus Wissenschaft, Wirtschaft
Griff bekommen: «Gefordert war eine      und Politik offiziell an die Firma       Die Gewinner der Startup Challenge: Jeremiah Agboola,
Batterielaufzeit von zwei Jahren», er-   Macardo übergeben.                       Frensi Zejnullahu und Raphael ­S chnyder (v.l.n.r.).

                                                                                                                                              13
FORSCHUNG                                                                                                          Impact | September 2021

             BOSTON, BANGALORE, SCHANGHAI

             Mit Swissnex zu den
             Innovations-Hotspots
             Das ZHAW-Swissnex-Programm ermöglicht ZHAW-Personal passgenaue
             Austauschmöglichkeiten in internationalen Forschungs-Hotspots. Das ist
             wichtig für die Forschung und eine erfolgreiche Internationalisierung.

             SANDRA HÜRLIMANN                     und Wissen der Swissnex-Stand­                            bildung am Institut für Gesund­

             D
                                                  orte profitieren. Diese unterstützen                      heitswissenschaften des ZHAW-­
                       ie Internationalisierung die Teilnehmenden bei der Vorbe­                            Departements Gesundheit, zum
                       von Hochschulen hat in reitung und Planung eines Aufent­                             Beispiel war es die Gestaltung eines
                       den vergangenen Jahren­ halts aber auch vor Ort. Sie helfen,                         neuen Studiengangs, des MAS
                       stark an Bedeutung ge­ relevante Kontaktpersonen zu iden­                            Physician Associate Skills, die im
             wonnen, so auch für die ZHAW. In tifizieren und zu vermitteln, bei der                         Zentrum ihrer Swissnex-Personal­
             der Hochschulstrategie 2015–2025 Zusammenstellung des Programms                                mobilität stand. Dass sie sich da­
             sind die Positionierung der ZHAW oder durch die Bereitstellung                                 bei für die Destination Boston ent­
             als global agierender Player und der von Arbeitsplätzen. Indem Siwssnex                        schied, hat einen bestimmten
             Forschungsaustausch, also auch die ihre regionalen Netzwerke und das                           Grund: «In den angelsächsischen
             Mobilität des wissenschaftlichen Wissen über das jeweilige Innova­                             Ländern gibt es die Funktion der
             Personals, wichtige Punkte.          tionsökosystem teilt, erfahren die                        Physician Assistant (PA) schon seit
                                                  Teilnehmenden, welche regionalen                          den 1960er Jahren. Im Kantons­
             An der Schnittstelle von Bildung,    Besonderheiten es im jeweiligen                           spital Winter­thur wurde die Funk­
             Forschung und Innovation                                                                       tion 2016 auf der Chirurgie-Abtei­
             Bereits seit 2013 arbeitet die ZHAW                                                            lung eingeführt und das Institut für
             in Sachen internationale Personal­
                                                                     «Wenn ich mit                          Gesundheitswissenschaften wurde
             mobilität mit der Initiative Swiss­                  Personen ausserhalb                       angefragt, dazu eine Weiterbildung
             nex des Staatssekretariats für Bil­                   der Schweiz forsche,                     für erfahrene Gesundheitsfachper­
             dung, Forschung und Innovation                                                                 sonen aufzubauen.»
             zusammen. Ziel von Swissnex ist es,
                                                                  wird das Alltägliche in
             Schweizer Hochschulen und indivi­                       Frage gestellt.»                       Boston und San Francisco
             duelle Forschende, aber auch Jung­                     Patrick Studer, Angewandte Linguistik   Neben Boston & New York betreibt
             unternehmen bei der internationa­                                                              Swissnex auch vier weitere Stand­
             len Vernetzung zu unterstützen. Da­                  Fach- oder Interessengebiet gibt. Die     orte in den innovativsten Regionen
             für bietet Swissnex als eine Art Wis­                Initiative agiert an der Schnittstel­     der Welt. Zwei Standorte in den USA,
             senschaftskonsulat an fünf globalen                  le von Bildung, Forschung und In­         je einen in Brasilien, China und
             Standorten Zugang zu einem brei­                     novation. Dabei konzentriert sie          Indien, und bald kommt einer in
             ten Netzwerk. Die Mobilitätspro­                     sich insbesondere darauf, ihre Part­      Japan dazu. In China ist Swissnex in
             gramme sind den Interessen oder                      ner, zum Beispiel die ZHAW, und die       Schanghai präsent. Dorthin führte
             Zielen der Institutionen angepasst.                  «Endnutzer», wie Forschende der           das Netzwerk Jan-Alexander Posth,
             Das ­heisst,­die ZHAW gestaltet mit                  ZHAW, in der frühen Forschungs-           Dozent an der Fachstelle für
             Swissnex gemeinsam Programme                         und Entwicklungs- und in der vor­         Asset Management der ZHAW
             für ihre Mitarbeitenden, insbeson­                   kommerziellen Phase zu unterstüt­         School of Management and Law,
             dere für Dozierende, Forschende                      zen. Im Mittelpunkt des Aufenthalts       im Sommer 2019. Er befasst sich in
             und wissenschaftliche Mitarbei­                      kann beispielsweise ein Forschungs­       seiner wissenschaftlichen Arbeit
             tende. Wer am ZHAW-Swissnex-                         projekt, eine Fortbildung oder            mit nachhaltiger Finanzwirtschaft.
             P e r s on a l m o b i l i t ä t s­p r o g r a m m   ein Lehrauftrag stehen. Bei Anita         «Die grossen Probleme unserer
             teilnimmt, kann vom Netzwerk                         Manser Bonnard, Leiterin Weiter­          Zeit wie der Klimawandel, die Um­
14
Impact | September 2021                                                                                                FORSCHUNG

weltverschmutzung oder der Ver­          perten beigezogen werden sollen.
lust an Bio­diversität sind global und   Indem die Teilnehmenden des Per­
als solche auch nur in einem globa­      sonalmobilitätsprogramms wäh­
len Kontext zu verstehen und zu lö­      rend ihres Auslandsaufenthaltes
sen», meint er. «Gerade im Bereich       zum Beispiel neue Kooperationen
ESG, also Environmental, Social and      zu Partnern aus der Praxis entwi­
Corporate Governance in Unterneh­        ckeln, Kontakte für Forschungspro­
men, und Sustainable Finance war         jekte knüpfen, sich mit ihren inter­
es mir daher sehr wichtig, die Per­      nationalen Scientific Communities
spektive des globalen Players China      austauschen oder Austauschmög­
aus erster Hand zu erfahren. Mein        lichkeiten für Studierende schaffen,
Swissnex-Besuch in Schanghai und         leisten sie einen Beitrag zur interna­
Beijing hat mir dabei geholfen, ein      tionalen Vernetzung ihrer Departe­
weitgehenderes und integraleres          mente oder Organisationseinheiten
Verständnis der Problematik zu er­       und schliesslich auch zur Internati­
langen», so Posth.                       onalisierung der ZHAW.
   Das Gewinnen neuer Perspekti­
ven auf die eigene Arbeit sieht auch     FHs sind international attraktiv
Patrick Studer, der den Forschungs­      Nicht zuletzt machen sie die ZHAW
bereich Sprachkompetenz und Wis­         und den Hochschultypus Fach­
sensvermittlung am ZHAW-Depar­           hochschule im Ausland bekann­
tement Angewandte Linguistik lei­        ter und helfen so, sie in einem glo­
tet, als grosses Plus eines interna­     balen akademischen Umfeld zu
tionalen Austausches. «Ich arbeite       etablieren. «Schweizer Fachhoch­
intensiv mit Kolleginnen und Kol­        schulen sind für ihre internationa­
legen aus verschiedenen Ländern          len Partner oft sehr attraktiv, da sie
in Europa und darüber hinaus zu­         nahe an der Industrie sind und sich
sammen. In der Forschung im ei­          auf eine marktnahe Ausbildung der
genen Kulturkreis ist man oft be­        Absolventinnen und Absolventen
triebsblind. Es gibt wissenschaft­       konzentrieren», so Roman Kern,           len und die Ausbildung von inter­        Profitierten von
liche und gesellschaftliche Diskurse     Interim Head of Unit bei Swiss­          nationalen Kompetenzen von deren         ihrer Forschungsrei-
zu Forschungsthemen, die die For­        nex. Die Herausforderung beste­          Mitarbeitenden, indem eine wert­         se nach China oder
schungsagenda beeinflussen. Wenn         he jedoch darin, den internationa­       volle Basis für erfolgreiche Austau­     in die USA: (v.o.)
ich mit Personen von ausserhalb der      len Partnern ein solides Verständ­       sche und gelungene Kooperationen         Jan-Alexander
Schweiz forsche, wird das Alltäg­        nis für die Stärken und die Qualität     geschaffen wird. Wenn daraus wie­        Posth, School of
liche in Frage gestellt und neu ver­     der Schweizer Fachhochschulen zu         derum neue Forschungsansätze             Management and
handelt. Das gefällt mir», meint er.     vermitteln. Denn es falle hierzulan­     und -Erkenntnisse entstehen, hat         Law, Anita Manser
Sein Forschungsaufenthalt führte         de schwer, mit Stolz und Zuversicht      dies nicht nur Relevanz für Wissen­      Bonnard, Departe-
ihn nach Boston.                         über die hervorragenden Institu­         schaftlerinnen und Wissenschaft­         ment Gesundheit,
                                         tionen zu sprechen. «Wenn die in­        ler, sondern ergibt auch einen Mehr­     und Patrick Studer,
Win-win-Situation                        ternationalen Partner jedoch direkt      wert für die ganze Gesellschaft. ■      Departement
Mit den Auslandsaufenthalten und         und eingehender mit den Schweizer                                                 Angewandte
den neuen Kontakten, die die Teil­       Fachhochschulen in Kontakt kom­                                                   Linguistik.
nehmenden knüpfen, kann auch der         men, etwa durch Forschungskoo­
                                                                                  IMPACT-WEBMAGAZI N «Die span-
Grundstein für nachhaltige Koope­        perationen, sind sie von der Exzel­      nenden­ Forschungsthemen gerade
rationen zwischen der ZHAW und           lenz dieser Institutionen überzeugt      im Finanzbereich haben heutzutage
anderen Hochschulen gelegt wer­          und sehen sie als wertvolle und ver­     alle einen internationalen Charakter.»
                                                                                  Lesen Sie im Interview, wie der ZHAW-­
den. Davon können nun beispiels­         trauenswürdige Partner.» Swissnex
                                                                                  Forscher­ Jan-Alexander Posth seinen
weise auch weitere Forschende der        leistet also mit ihrer Arbeit nicht      Aufenthalt in Schanghai erlebte und
ZHAW profitieren, aber auch die          nur als Vermittler von Netzwerken        was drei weitere ZHAW-Forschende zu
Hochschule insgesamt. Etwa dann,         einen wichtigen Beitrag als inter­       ihrem Swissnex-Aufenthalt und zur
                                                                                  Bedeutung der Internationalisierung
wenn es darum geht, die Curricula        kulturelle Brückenbauerin, sondern
                                                                                  sagen. Zudem weitere Informationen zu
weiter zu internationalisieren, und      errichtet ein Fundament für die In­      Swissnex und dazu, wie alles begann.
dazu externe Expertinnen und Ex­         ternationalisierung von Hochschu­        https://impact.zhaw.ch

                                                                                                                                             15
FORSCHUNG                                                                                                               Impact | September 2021

     BEFRAGUNG ZUR COVI D-IMPFUNG                                     JAMESFOCUS-BERICHT

     Beweggründe fürs Impfen                                          Jugendliche sind im Internet häufig
     hängen vom ­Alter ab                                             mit Hassrede konfrontiert
     Aus welchen Gründen sich jemand gegen das Corona­
     virus impfen lässt, hängt vom Alter ab. Während bei Men­
     schen über 65 Jahren der Schutz der eigenen Gesundheit
     und der Gesamtgesellschaft an erster Stelle steht, sind bei
     jüngeren Menschen bis 24 Jahre der Schutz der Risikobe­
     völkerung, die Aussicht, wieder reisen zu können, sowie
     die Beseitigung der negativen Auswirkungen der Pan­
     demie die Hauptmotive für eine Impfung. Dies zeigt die
     Schlussauswertung einer Begleitstudie zum Impfzentrum
     Winter­thur, durchgeführt von der ZHAW. Rund 9700 Per­
     sonen, die sich seit Mitte April im zweitgrössten Zentrum
     des Kantons Zürich haben impfen lassen, nahmen für die
     Studie an der Online-Befragung teil. In dieser wurden sie
     etwa zu den Beweggründen für die Impfung befragt. Über
     alle Altersgruppen gesehen ist der Schutz der eigenen
     Gesundheit der wichtigste Grund, gefolgt von der Besei­
     tigung der negativen Auswirkungen der Pandemie, wie              Drei Viertel der Mädchen geben an, dass Hasskommentare sie entsetzen oder
     weiterer Lockdowns. Die Angst vor der Pandemie wurde             traurig machen. Bei den Jungen sind es nur zwei Fünftel.
     dagegen bei sämtlichen ­Altersgruppen am wenigsten als
     Impfmotiv genannt. Dass die einzelnen Altersgruppen un­          Schweizer Jugendliche treffen im In­      Hälfte hält zudem fest, dass sie auch
     terschiedliche Beweggründe für die Impfung haben, ist für        ternet häufig auf das Phänomen der        Diskriminierungen aufgrund der se­
     Julia Dratva, Co-Studien­leiterin am ZHAW-Departement            Hassrede, ist das Fazit des neusten       xuellen Orientierung oder der Her­
     Gesundheit, wenig erstaunlich. «Die Motive entsprechen           JAMESfocus-Berichts von ZHAW und          kunft sowie Hautfarbe beobachten.
     eben dem, was der Bund in seiner Kommunikation im­               Swisscom. Rund die Hälfte der be­         Mädchen und Jungen berichten hier
     mer wieder empfiehlt:­Ältere Menschen schützen sich mit          fragten Jugendlichen trifft mehrmals      ausserdem Unterschiedliches. 81 Pro­
     der Impfung selbst, Junge vor allem die Gesellschaft.» Die       pro Woche oder häufiger auf Hass­         zent der Mädchen beobachteten, dass
     Begleitstudie zeigt, dass der gesellschaftliche Druck, sich      kommentare im Internet. Betroffen         Personen oder Gruppen im Internet
     impfen zu lassen, seit Beginn der Impfkampagne deutlich          sind besonders die 16- bis 19-Jährigen.   aufgrund ihres Aussehens beleidigt
     zugenommen hat. Lag der Durchschnitt Mitte April bei tie­        Auch in Bezug auf das Geschlecht          oder diskriminiert werden, bei den
     fen 1,9 Punkten auf einer Skala von 1 (fühlt sich überhaupt      sind die Unterschiede bemerkens­          Knaben sind es 56 Prozent.
     nicht unter Druck gesetzt) bis 10 (fühlt sich sehr stark un­     wert: 53 Prozent der Mädchen treffen      «Auch wenn das Aussehen einer Per­
     ter Druck gesetzt), ist er bis Ende August auf 6,1 angestie­     regelmässig auf Hassrede (engl. Ha­       son in vielen gesellschaftlichen Be­
     gen. Studienteilnehmende mit Kindern unter 16 Jahren             tespeech) im Internet, während dies       reichen eine grosse Rolle spielt, wird
     konnten sich zur Frage äussern, ob sie diese impfen lassen       bei 41 Prozent der Knaben der Fall ist.   paradoxerweise dieser Form der Dis­
     würden. 53,9 Prozent gaben an, dies auf jeden Fall oder          «Es ist jedoch schwierig zu beurteilen,   kriminierung von institutioneller
     wahrscheinlich zu tun, weitere 10,2 Prozent würden dage­         ob Mädchen sich tatsächlich häufiger      Seite bisher nur wenig entgegenge­
     gen noch warten, bis andere ihre Kinder geimpft haben.           mit solchen Meldungen konfrontiert        wirkt», sagt Gregor Waller, Co-Autor
     ↘ https://bit.ly/2YRApBy                                         sehen oder ob es unterschiedliche         der ZHAW-Studie. Gängiges Gleich­
                                                                      Wahrnehmungen darüber gibt, was           stellungsmanagement zielt auf Merk­
     Einstellung zur COVID-19-Impfung für Kinder
                                                                      überhaupt als Hassrede empfunden          male wie Geschlecht, Behinderung,
                                      Ja, auf jeden Fall              wird», sagt ZHAW-Medienpsycholo­          sexuelle Orientierung, religiöse Zu­
             20,1       21,5                                          gin Céline Külling. Ganz allgemein        gehörigkeit sowie nationale oder kul­
                                      Ja, wahrscheinlich
                                                                      scheint es, dass die befragten Jugend­    turelle Herkunft und vernachlässigt
      3,0                             Ja, aber erst wenn andere
                                       sich haben impfen lassen /     lichen eine gewisse Sensibilisierung      den Aspekt der physischen Attraktivi­
      12,8                             es ok zu sein scheint          für das Thema zeigen und Hasskom­         tät. Bei der Reaktion auf Hate­speech
                                      Nein, wahrscheinlich nicht     mentare im Vergleich zu anderen Phä­      unterscheiden sich Jungen und Mäd­
                        32,4                                          nomenen wie Falschinformationen           chen noch markanter. Drei Viertel der
             10,2                     Nein, auf keinen Fall
                                                                      eher als solche wahrgenommen wer­         Mädchen geben an, dass Hasskom­
                                      Es kommt darauf an / ich bin
                                       mir nicht sicher               den. Die Mehrheit der Jugendlichen        mentare sie entsetzen oder traurig
                                                                      (71 Prozent) gibt an, dass Personen       machen. Bei den Jungen sind es nur
     Studienteilnehmende mit Kindern bis 16 Jahre konnten             online vor allem aufgrund ihres Aus­      zwei Fünftel.
     sich zur Frage äussern, ob sie diese impfen lassen würden.       sehens beleidigt werden. Rund die         ↘ https://bit.ly/38pbPcy

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