MAGAZIN - Wie wünschen wir uns unsere Städte? Urbane Mobilität gestern, heute und morgen - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
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VCS mAGAZIN 4 / September 2017 F Ü R M O B I L I TÄT M I T Z U K U N F T Wie wünschen wir uns unsere Städte? Urbane Mobilität gestern, heute und morgen Seite 18
Hotelcard – das Halbtax für Hotels Hotel Bernina 1865 Samedan | Graubünden Deluxe Doppelzimmer inkl. Frühstück ab CHF 195.– statt CHF 390.– (pro Zimmer) Hotel & Spa Hannigalp Grächen | Wallis Hotelcard für 1 Jahr CHF 79.– statt CHF 99.– Doppelzimmer Nebenhaus inkl. Frühstück ab CHF 90.– Inserat statt CHF 180.– (pro Zimmer) www.hotelcard.ch/vcs02 0800 083 083 (Rabattcode vcs02 angeben) VCS-Bonus : das Plus für Mitglieder Bonus : Fr. 240.– Canon EOS 1300D Mit der EOS 1300D mit 18 Megapixeln nehmen Sie ganz einfach Fotos und Videos in einzigartiger Qualität auf. Sie können Ihre Kamera ganz einfach via NFC mit einem Mobilgerät verbinden und Ihre Bilder sofort per WLAN teilen. Ihr Vorteil Canon EOS 1300D ( inkl. Tasche und 8-GB-Karte ) für Fr. 339.– statt Fr. 579.– ( Preisliste Canon ). Angebot gültig solange Vorrat. Jetzt bestellen – Mit der Karte im Umschlag dieses Magazins – Online unter www.vcs-bonus.ch ( Rubrik Diverses ) © zvg Weitere Angebote für Mitglieder unter www.vcs-bonus.ch oder Telefon 031 328 58 58
EDITORIAL P O L I T IK 4 Kurz & bündig Nachttöpfe und Elterntaxis 7 Es stinkt zum Himmel 9000 Kilometer sind zu viel Über die Hälfte aller Men- © VCS/François Gribi schen leben mittlerweile in 8 Ökologische Motoren? Empa-Experte Thomas Bütler zu Schadstoffausstoss Städten. Und es ist wenig und Verbesserungsmöglichkeiten wahrscheinlich, dass sich 14 Lieber bequem als umweltfreundlich? plötzlich ein grosser Teil Ein Blick auf den Mikrozensus «Mobilität und Verkehr» davon entschliesst, die An- nehmlichkeiten von Migros, Coop und SBB gegen D OS SIE R ein Blockhaus in den ewigen Wäldern Schwedens 18 Wie wünschen wir © Fabian Lütolf zu tauschen. Obwohl einige Tage am Hjälmaren-See uns unsere Städte? durchaus ihren Reiz haben … Bern, Zürich, Lausanne und Bellinzona: Was hat sich in Was braucht es, damit die Städte lebenswert blei- den letzten 20 Jahren getan? ben und sich nicht in lärmende, stinkende Moloche Wie hat der VCS die Städte verwandeln? Und wie will man das Zusammenleben geprägt und was gibt es noch zu tun? gestalten? Im Mittelalter hat man den Nachttopf mit Schwung aus dem Fenster gekippt – wer freundlich war, hat sein Vorhaben immerhin vorher angekündigt. 26 MITGLIEDER ANGEBOTE Heute sind die Trottoirs deutlich hygienischer, die Luft mancherorts weniger dick als etwa im London des 19. 33 BERICHTE AUS DEN VC S-REGIONEN Jahrhunderts, als die Themse zum Himmel stank. Die Herausforderungen sind heute anders gelagert: Ob- R E I SE N wohl die Luftqualität besser ist als vor 30 Jahren, ist 42 Die alten Walser und das neue Vals Zwei Etappen des Walserwegs Graubünden im Test die Belastung durch Schadstoffe und Feinstaub viel zu hoch. Wie verhindert man, dass Wohnungen in leben- 46 Immer der grünen Linie nach Nantes ist fröhlich und digen Quartieren plötzlich für Familien unbezahlbar tiefgründig zugleich werden? Braucht es wirklich für jede Wohnung einen Parkplatz? Und ist es wirklich nötig, in einem ver- 48 Der Duft der Entschleunigung Wieso kennt niemand die Drôme? kehrsberuhigten Quartier seine Sprösslinge mit dem 51 Hoch über den Seen Auto zum Schulhaus zu karren? Viele davon sind Lu- Eine Wanderung von der Tête de Ran xusprobleme einer erfolgsverwöhnten Gesellschaft, zum Mont Racine die sich mit Respekt und Rücksichtnahme lösen las- sen. Wie sich einige Schweizer Städte verändert ha- 56 D E B AT T E ben und welchen Anteil der VCS daran hat, lesen Sie E-Mountainbike Fluch oder Segen? im Dossier ab Seite 18. Und wenn Sie erleben wollen, wie lustvoll gelungene 64 WETTBEWERB Stadtentwicklung ist, lege ich Ihnen einen Besuch in Nantes ans Herz (S. 46). 65 BITTE MITDENKEN! Ich wünsche Ihnen einen farbenfrohen Herbst! Von Geboten und Verboten Dominique Eva Rast, Redaktionsverantwortliche VCS-Magazin 66 C ARTOON Titelbild: Auf dem Hunziker-Areal in Zürich ist mit «mehr als wohnen» eine lebendige, autoarme Siedlung entstanden. (© Fabian Lütolf) VCS MAGAZIN 4/17 3
POLITIK Ein Preis, der verpflichtet Im Juni hat die Schweiz den europäischen Verkehrssicherheits- preis erhalten. Die Auszeichnung ist eine Verpflichtung, den erfolgreichen Weg weiterzugehen. «Via sicura», das Handlungsprogramm für mehr Sicherheit im Strassenverkehr, zeigt Wirkung: Das lobt auch der Europäische Verkehrssicherheitsrat und zeichnet die Schweiz deshalb mit sei- nem Preis aus. Auf den Lorbeeren ausruhen darf man sich dennoch nicht, betont die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung. «Es Die Messe des guten Geschmacks können noch mehr schwere Verletzungen und Todesfälle verhindert werden. Das geht aber nicht, wenn wir jetzt in den Bemühungen Vom 10. bis 12. November 2017 gastiert der bereits siebte Slow um die Verkehrssicherheit nachlassen und bewährte Lösungen Food Market in der Messe Zürich. Nationale und internationale nicht umsetzen», so Stefan Siegrist, stellvertretender Direktor der Lebensmittelproduzenten bieten Ihnen in gemütlicher Marktat- bfu. Der VCS ist derselben Meinung: «Via sicura» ist wirksam und mosphäre die Gelegenheit, ihre hochwertigen Produkte kennen- soll fortgesetzt werden. Der Sicherheitsgewinn war in den letzten zulernen und zu erfahren, woher diese stammen. Eine Showküche Jahren beim Auto am höchsten, es braucht aber weitere Massnah- mit Live-Kochevents, ein vielseitiges Rahmenprogramm sowie ein men zu Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer. Dazu gehören Slow-Food-Restaurant laden Sie ein zum nachhaltigen Genuss mit Investitionen in die Infrastruktur, welche sich stärker an den Be- Verantwortung. Reservieren Sie sich den Termin schon jetzt! dürfnissen von Fussgängerinnen und Velofahrern ausrichten. Auch www.slowfoodmarket.ch technisch hat sich viel verbessert, so rettet etwa das Notbrems- assistenzsystem Leben, indem es Kollisionen verhindert. In sol- chen Systemen schlummert noch grosses Sicherheitspotential für die Zukunft. ÖBB bauen Angebot für Veloreisende in Nachtzügen aus © muellerluetolf.ch ENTWICKLUNG DER TÖDLICHEN Zahlreiche Rückmeldungen enttäuschter Nachtzugreisender sowie STRASSENVERKEHRSUNFÄLLE IN DER SCHWEIZ tausend Unterschriften für mehr Velotransportplätze im Nachtzug haben gewirkt. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) kündi- 350 gen der Delegation von umverkehR bei der Übergabe der Petition 300 an, dass das Angebot für Velotransportplätze ab Ende 2018 ausge- 250 baut wird. Bereits ab Fahrplanwechsel im Dezember 2017 wird der Getötete 200 Nachtzug nach Berlin und Hamburg wieder geteilt, um Hannover 150 zu erschliessen und eine attraktivere Ankunftszeit am Zielort zu 100 ermöglichen. 50 0 umverkehR-Geschäftsleiter Silas Hobi und Daniel Costantino, 2012 2013 2014 2015 2016 Kampagnenleiter umverkehR, übergeben die Unterschriften an Kurt Bauer, Leiter Fernverkehr ÖBB (links). Seit «Via sicura» in Kraft ist, nehmen Verkehrsunfälle weiter ab. © Rudolf Lehner/ÖBB Die positive Entwicklung setzt sich fort. Zwei Volksinitiativen für besseren Schutz der Luzerner Kulturlandschaft Ein breit und überparteilich abgestütztes Initiativkomitee hat zwei Initiativen lanciert, die einer Ausdehnung von Siedlungsflächen und dem Verlust von Kulturland entgegenwirken sollen. Kanton und Gemeinden sollen demnach auch ausserhalb der Bauzonen für die Einschränkung der Zersiedelung und für die Erhaltung und Aufwer- tung des Landschaftsraumes sorgen. Besonderen Schutz sollen die Fruchtfolgeflächen erhalten. www.kulturland-luzern.ch 4 VCS MAGAZIN 4/17
POLITIK «Impulse für den Tourismus mit ÖV und Verkehrsmanagement» Bus alpin veranstaltet mit dem VCS und weiteren Partnern am 19. Oktober in Bern eine Tagung zum Tourismusverkehr. An der Tagung zeigen wir auf, wie sich die Schweizer Tourismusorte mit einem nachhaltigen Verkehrsangebot als attraktive Anbieter im naturnahen Tourismus positionieren – ganz im Sinne der aktuellen Kampagne von Schweiz Tourismus «Zurück zur Natur». Die Tagung wendet sich an Verantwortliche im Berggebiet sowie an alle Personen, welche sich mit einer nachhaltigen Verkehrspolitik beschäftigen. Teilnahmegebühr für den ganztägigen Anlass: Fr. 80.–/Person. Informationen und Anmeldung (bis 1. Oktober 2017): www.sab.ch/dienstleistungen/tagungen © Max Hugelshofer, Schweizer Berghilfe Zufrieden leben ohne Privatauto: Problemlos möglich Autofrei? Registrieren und Tipps lesen! Sind Sie VCS-Mitglied und leben ohne Privatauto? Sie können sich registrieren und erhalten dann spezifische Informationen: unseren vierteljährlich erscheinenden elektronischen «Newsletter auto- frei». Dafür stellen wir Ihnen auf Wunsch die Auto-Umweltliste des VCS nicht mehr zu. Die Registrierung erfolgt ganz einfach unter www.verkehrsclub.ch/autofrei Ein Beispiel für unsere Arbeit zum Thema «autofrei» sind die Tipps, Tricks und Links für das Leben ohne Privatauto. Sie sind auf www.autofrei-leben.ch zu finden. Die 150 Tipps sind soeben aktu- alisiert und ausgebaut worden und neu in Unterkapitel geordnet. Damit finden Menschen, die sich für ein Leben ohne eigenes Auto entschieden haben oder entscheiden wollen, für jede Lebenslage Tricks und Kniffs von Autofrei-Profis. Die französische Seite ent- steht zurzeit. Die Menschheit lebt auf Pump Der Schweizer ÖV kompakt – Am 2. August «feierte» der Planet einen düsteren Tag: den «Earth das Kursbuch 2018 Overshoot Day». Er markiert den Zeitpunkt, ab dem die Menschheit alle natürlichen und erneuerbaren Ressourcen aufgebraucht hat, Hans Meiner von der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr welche die Erde in einem Jahr erzeugen kann. Das vom Global Foot- IGöV hat es geschafft. Das Kursbuch lebt weiter. Der Schweizer ÖV- print Network errechnete Datum liegt immer weiter vorne im Jahr Pionier und Mitinitiant des Taktfahrplans des Schweizer ÖV hat mit und zeigt so deutlich den Einfluss unseres Lebensstils auf den Pla- der SBB, dem VCS und Pro Bahn jene Partner an Bord geholt, die es neten. Wie reagieren? Indem wir unsere Art des Konsums, des Bau- für das anspruchsvolle Projekt braucht: Die SBB stellt die Fahrplan- ens, der Energieproduktion und des Reisens anpassen. Die Bewe- daten kostenlos zur Verfügung und sichert die Distribution an den gung #movethedate ermuntert alle, sich neu zu besinnen, damit der 30 grössten Bahnhöfen. Der VCS leitet das Projekt und organisiert Tag in den nächsten Jahren nicht auf ein noch früheres Datum fällt. die gesamte logistische Abwicklung. Um das finanzielle Risiko www.overshootday.org verantwortungsvoll zu halten, wird das Kursbuch 2018 auf eine tragbare Auflage limitiert und in einem kompakten Band, der auch für den Postversand geeignet ist, herausgegeben. VCS-Mitglieder können das Kursbuch exklusiv vorab bestellen und bequem nach Hause liefern lassen (siehe dazu Artikel Seite 13 und Bestellkarte auf Seite 27). VCS MAGAZIN 4/17 5
POLITIK Die Erbsenzählerei schadet den Kunden Von Matthias Müller Bundesrat und Parlament geben der SBB die strategischen Ziele vor, die sie in Eigenregie umsetzt. Überspannt die SBB allerdings den Bogen, ist das Parlament gefordert, die Erreichung der Ziele einzu- fordern. Der bediente Verkauf gehört dazu. D er Nationalrat hat sich in der Sommer- session dafür ausgesprochen, dass die SBB die 50 bedienten Schalter von Drittpart- nichts. Die Verkaufsstellen zahlen alles sel- ber – die Raummiete, das Personal, sogar eine Miete für das Verkaufssystem zahlen sie der Druck auf Stationshalter Auf Seiten der SBB gibt man sich betont gelassen und spielt den Serviceabbau runter. Es werden nern zumindest für weitere zwei Jahre be- SBB. Die SBB stört sich aber daran, dass sie einige wenige Individuallösungen hervorge- treiben muss. Dieser Eingriff in das operati- pro verkauftes Ticket eine Provision an die hoben, die die Schalterschliessungen abfedern ve Geschäft der SBB ist richtig und wichtig, Drittverkaufspartner zahlen muss. Würden – sollen, eine Videoberatung am Billettautoma- denn der Bund muss sicherstellen, dass sei- so die Überlegung der SBB – künftig alle die- ten etwa. In Wirklichkeit wird versucht, Fakten ne Zielvorgaben tatsächlich erreicht werden. se Schalterkunden ihr Ticket am Automaten, zu schaffen, bevor sich der Ständerat zum The- Dazu gehört gemäss Pflichtenheft des Bun- per App oder online beziehen, würde sie fünf ma äussern kann. Besonders auf private Stati- des, dass die SBB «auf einen einfachen und Millionen Franken mehr verdienen. Das ist onshalter wird Druck ausgeübt. Anschlussver- kundenfreundlichen öffentlichen Verkehr Erbsenzählerei zur Kleinstoptimierung ein- träge mit viel schlechteren Bedingungen als die hinwirken». Am Schalter ein Billett zu lö- zelner Budgets. Im Sinne des gesamten Sys- bisherigen sollen möglichst noch vor dem Stän- sen, ist für viele Menschen noch immer die tems und der Kundinnen und Kunden ist die- deratsentscheid unterzeichnet werden. Dabei denkbar einfachste und kundenfreundlichs- ses Vorgehen ganz sicher nicht. Und der VCS handelt es sich nur um reine Beratungsangebo- te Ticketing-Lösung. Werden nun auf einen glaubt auch nicht, dass tatsächlich mehr Geld te ohne Verkauf. Dies hat wiederum National- Schlag 50 Schalter geschlossen, ist das ein be- zu verdienen ist. Denn nicht alle bisherigen rat Jakob Büchler auf den Plan gerufen, der die deutender Serviceabbau. Betroffen sind fast Kundinnen und Kunden werden ihr Ticket SBB in einem Brief dazu auffordert, den Termin ein Viertel aller bedienten Verkaufsstellen der in Zukunft am Schalter, online oder auf dem für eine Zusage hinauszuzögern, bis das Parla- SBB. In der Ostschweiz würden gar rund die Mobiltelefon lösen: Einige werden nämlich ment seinen Entscheid gefällt hat. Hälfte aller Schalter wegfallen. Und das ohne den ÖV einfach links liegen lassen und das Not. Diese 50 Verkaufsstellen kosten die SBB Auto aus der Garage holen. Service aufrechterhalten 32 000 Menschen haben die vom VCS initi- ierte Petition gegen die Schalterschliessung © VCS/Martin Hänni unterschrieben, diese sollten von der SBB nicht einfach ignoriert werden können. Das- selbe zählt für den Willen des Parlaments. Um den Auftrag des Bundes sicherzustellen – die Kundenfreundlichkeit –, ist der Stände- rat gefordert, im September für den Weiter- betrieb der 50 Schalter zu stimmen. Nur so kann der Auftrag des Bundes erfüllt werden, diesen beliebten, kostengünstigen Kunden- service aufrechtzuerhalten. Fünf Millionen Franken mehr verdienen zu wollen auf Kos- ten eines Viertels aller bedienten Schalter: Das widerspricht in krasser Weise dem Auf- trag des Bundes und ist deshalb zu stoppen. Widerstand ist nötig, damit Kundinnen und Kunden nicht vor einem geschlossenen Schalter stranden. 6 VCS MAGAZIN 4/17
POLITIK Es stinkt zum Himmel Von Patricia Götti Über den Wolken ist nicht nur die Freiheit grenzenlos, wie der deutsche Liedermacher Reinhard Mey singt – sondern auch der Schadstoffausstoss. S chweizerinnen und Schweizer fliegen © Fotolia durchschnittlich stolze 9000 Kilometer pro Jahr. Verglichen mit ihren Nachbarin- nen und Nachbarn sind sie damit doppelt so viel mit dem Flugzeug unterwegs. Der Flug- verkehr nimmt seit Jahren rasant zu, und die Zukunftsprognosen bestätigen diesen Trend – der sich verheerend auswirken wird auf unse- re Luft durch massiv höhere CO2-Emissionen. Der Flugverkehr trägt schon jetzt weltweit mit rund fünf Prozent zum Treibhauseffekt bei – und in der Schweiz sind es sogar 16 Prozent. Eine Kompensation der Emissionen wird erst zögerlich angedacht, und steuerlich kommen die Fluggesellschaften fein raus. Nun könnte man denken, dass ja genau um diesen Trend aufzuhalten 2015 das Pariser Klimaschutz-Abkommen verabschiedet wor- den sei. Dieses hat zum Ziel, die weltweite Er- wärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen respektive auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Temperaturen. Keine Kompensation … Schweizerinnen und Doch weit gefehlt: Ausgerechnet der Flug- Schweizer fliegen so viel, verkehr ist vom Abkommen ausgenommen. keinerlei Weise mit Steuern belegt. Grund dass es dem Klima massiv schadet. Das heisst, die Emissionen, die Flüge ver- dafür ist ein uraltes Abkommen: Die Chi- ursachen, müssen nicht kompensiert wer- cago-Konvention von 1944 legt fest, dass den, geschweige denn reduziert. Zwar hat auf Kerosinverbrauch im Rahmen des in- die Internationale Zivilluftfahrt-Organisati- ternationalen Flugverkehrs keine Besteu- on (ICAO) an ihrer letzten Zusammenkunft erung erfolgen darf. Deshalb gibt es nir- im Herbst 2016 Zeichen gegeben, sich an ei- gendwo auf der Welt Kerosinsteuern auf ner CO2-Kompensation beteiligen zu wollen. internationalen Flügen. Man stelle sich Eine Koalition, um die schädlichen Als Ziel ist aber lediglich eine – vage for- vor: Würde man Kerosin in vergleichba- Emissionen des Luftverkehrs zu mulierte – Kompensation ab 2020 vorgese- rem Ausmass wie den Treibstoff für Autos senken hen. Überdies ist die Zusammenarbeit für die besteuern, wäre ein Flug von Zürich nach Der VCS und zahlreiche Schweizer Organisationen Fluggesellschaften auch noch fakultativ. Und New York für die Fluggesellschaft dreimal haben sich am 17. Juni zur Gründungsversamm- schliesslich sind inländische Flüge von dem so teuer wie heute – nämlich 116 000 Fran- Übereinkommen ausgeschlossen. Daher kann ken anstatt 37 000! lung von KLUG getroffen, der Koalition Luftver- man nur diesen Schluss ziehen: Nur nationale Laut einer Studie entgehen den euro- kehr Umwelt und Gesundheit. KLUG setzt sich für Zusatzmassnahmen können das rasante Nach- päischen Staaten wegen dieser fehlenden eine Reduktion der vom Luftverkehr verursachten fragewachstum in der Flugfahrt eindämmen. Besteuerung insgesamt 40 Milliarden Euro Treibhausgasemissionen, Schadstoffe und Lärm- im Jahr. In der Schweiz sind es 1,3 Milli- belastungen ein. Als Co-Präsidentinnen wurden … und keine Kerosinsteuern arden Franken. Die Freiheit stinkt zum die Nationalrätinnen Priska Seiler Graf und Lisa Und hier stossen wir gleich auf das nächs- Himmel – und zwar über den Wolken wie Mazzone gewählt, Geschäftsführer ist Yves Chat- te Problem: Der Flugverkehr wird heute in unterhalb. ton vom VCS Verkehrs-Club der Schweiz. VCS MAGAZIN 4/17 7
POLITIK «Schon ein kleiner Schubser stört das empfindliche Gleichgewicht» Von Dominique Eva Rast Laut dem Empa-Experten Thomas Bütler konnte der Schadstoff- ausstoss in den letzten 20 Jahren dank energieeffizienteren Motoren reduziert werden – aber die Ziele des Klimaprotokolls sind nur mit der Umstellung auf erneuerbare Energie zu erreichen. VCS-Magazin: Welches sind die Fakto- te wie die Stickoxid- und Verbrauchsreduk- der Herstellung aufwändiger; sie brauchen ren, welche Antriebe dreckig machen? tion. Betrachtet man aber die Entwicklung dabei mehr Energie und seltene Materialien. Thomas Bütler: Zum einen ist nicht vollstän- der Antriebe der letzten Jahrzehnte, gab es Die Energie, die für den Antrieb genutzt dig verbrannter Treibstoff für einen Teil der praktisch nur Fortschritte, sowohl bei den wird, spielt in einem Fahrzeugleben aber Schadstoffemissionen verantwortlich, also Abgasen wie auch beim Verbrauch, dem die Hauptrolle. Wird fossile Energie einge- etwa Kohlenwasserstoffe und Kohlenmono- Lärm und dem Komfort. Im Vergleich zu setzt, sind beide Antriebskonzepte in etwa xid. Zum anderen werden auch während der den 1980er-Jahren hat sich das Gewicht der vergleichbar schmutzig, wird erneuerbare Verbrennung Schadstoffe gebildet, wie Stick- Fahrzeuge um 50 Prozent erhöht, wozu die Energie eingesetzt, können beide Antriebs- oxide oder Partikel und das Treibhausgas massiv erhöhte Sicherheit beiträgt. Trotz- konzepte in etwa vergleichbar sauber sein. Kohlendioxid. In den letzten zwanzig Jah- dem wurden die Fahrzeuge 30 bis 50 Pro- Deshalb forscht die Empa an Konzepten zur ren konnte der Schadstoffausstoss von die- zent sparsamer und sauberer, und dies trotz Umstellung auf erneuerbare Energie. sen Stoffen ein gutes Stück reduziert werden. der im Schnitt doppelten Leistung heutiger Die Hauptprobleme bei den Benzinmoto- Antriebe. Wem gehört die Zukunft: Gas, Wasser- ren sind die Partikelemissionen und die noch stoff, Strom oder fossilen Treibstoffen? relativ hohen Kaltstartemissionen. Bei den Gibt es überhaupt ökologische Motoren? Für die nächsten Jahre werden die fossilen Dieselmotoren stehen die Stickoxide im Fokus. Zur genauen Bewertung eines Antriebs müs- Treibstoffe Benzin und Diesel immer noch eine Die Reduktion der Treibhausgasemissio- sen wir die Gesamtbilanz eines Fahrzeugs grosse Rolle spielen. Die Zukunft gehört aber nen indes ist erst seit der CO2-Gesetzgebung betrachten. Dazu gehören die Herstellung, den erneuerbaren Energien. Die direkte Nut- ins Blickfeld geraten. das Recycling und die Energiebereitstellung zung in elektrischen Antrieben ist dabei eine für den Betrieb. Variante. Mit synthetischen Treibstoffen kann Es ist zu hören, dass bei jeder Opti- In der Herstellung sind Verbrennungs- berücksichtigt werden, dass erneuerbare Ener- mierung eines Motors etwas schlechter motoren wesentlich ökologischer als Elekt- gie zeitlich unterschiedlich verfügbar ist. So wird – stimmt das? roantriebe, da sie aus konventionellen Mate- kann die Energieversorgung flexibler gestaltet Hier kommt es auf die Betrachtungsweise an. rialien wie Stahl und Aluminium hergestellt werden. Ich meine hier Treibstoffe wie Wasser- Bei der Detailoptimierung eines Verbren- werden, die einen sehr hohen Recycling- stoff oder Methan, die aus temporär überschüs- nungsmotors gibt es gewisse Zielkonflik- anteil aufweisen. Elektroantriebe sind bei siger Elektrizität hergestellt werden können. Wieso? © zVg Die CO2-Emissionen im angestrebten Mass zu reduzieren, ist nur durch die Umstellung auf erneuerbare Energie möglich. Dies ist aber gar nicht so einfach: Energie aus erneuerba- ren Quellen ist eben nicht immer verfügbar. Nur den Energiebedarf des Fahrzeugs zu be- trachten, reicht daher nicht aus. Es braucht zusätzliche energiesystemische Betrachtun- Ingenieur Thomas Bütler (35) leitet die gen, wie sie beispielsweise die ETH anstellt. Gruppe Fahrzeugsysteme in der Abteilung Die mit erneuerbarer Energie betriebe- Fahrzeugantriebssysteme der Empa nen Antriebskonzepte haben zudem alle ihre (Eidgenössische Materialprüfungs- und Vor- und Nachteile. Daher untersuchen wir Forschungsanstalt, Dübendorf). an der Empa drei verschiedene, sich ergän- 8 VCS MAGAZIN 4/17
POLITIK Jedes Jahr sterben tausende Menschen an den © fotolia Folgen des Dieselbetrugs. zende Konzepte: Elektro-, Wasserstoff- und schwammig ausgearbeitet ist und dass die haben. Die neu erarbeiteten Prüfprozedu- Gasfahrzeuge. Betrachtet man deren Ökobi- Hersteller wenig Verantwortungsbewusst- ren werden helfen sicherzustellen, dass die lanzen und die Verfügbarkeiten von erneuer- sein bei der Auslegung der entsprechenden Fahrzeuge der kommenden Emissionsklas- barer Energie, schneiden sie insgesamt gut ab. Abgasnachbehandlung an den Tag gelegt sen auch wirklich sauber sind. Wie lassen sich Motoren verbessern? Ein Verbrennungsmotor erreicht nur in einem kleinen Betriebsbereich bei hoher Last seine beste Effizienz von etwa 35 bis 40 Prozent, bei Der Unmut ist gross tiefen Lasten sinkt der Wirkungsgrad auf un- ter 20 Prozent. Durch Hybridisierung, also die Der VCS Verkehrs-Club der Schweiz, die Fédération romande des Consomma- Kombination mit einem Elektromotor, kann teurs (frc) und die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) fordern in einer der Wirkungsgrad auch bei tiefen Lasten auf gemeinsamen Aktion den Bundesrat auf, den Dieselbetrug endlich zu stoppen. bis zu 40 Prozent gehalten werden. In Kombi- nation mit tiefen Fahrwiderständen und redu- Zudem sollen Diesel-Autos im Verkehr technisch nachgerüstet werden. ziertem Fahrzeuggewicht kann der Verbrauch deutlich reduziert werden. Heutige Gasfahr- zeuge erreichen im realen Fahrbetrieb be- reits heute Schadstoffemissionen nahe an der E nde August hat eine Delegation rund 7208 Unterschriften den Bundesbehörden übergeben: So viele Menschen haben in Form se eingereicht. Evi Allemann lancierte einen parlamentarischen Vorstoss, der verlangt, dass die Abgasnorm Euro 6 d TEMP mit ei- Nachweisgrenze. Wir arbeiten aber an einem einer Petition den offenen Brief an Bundes- nem deutlich strengeren Prüfverfahren nicht Katalysatorkonzept, welches mittels Mikro- rätin Doris Leuthard unterschrieben. Denn: erst in zwei Jahren, sondern per sofort für alle wellen innerhalb von wenigen Sekunden auf- Noch immer werden täglich tausende Diesel- Neuwagen eingeführt wird. In einem weiteren geheizt werden kann und so die Schadstoffe PKW importiert, die mit massiv überhöhten Vorstoss fordert Allemann, dass die Kantone im Abgas bereits beim Kaltstart eliminiert. Abgaswerten unterwegs sind. Obwohl fabrik- den Gemeinden die Möglichkeit geben, eine neu, stossen Dieselautos auf der Strasse ein Umweltvignette einzuführen. Lisa Mazzone Wie viel CO2 ist durch Menschen Mehrfaches an hochgiftigen Stickoxiden aus forderte in einem Postulat vom Bundesrat, verursacht? als gemäss Grenzwert erlaubt wäre. Einzelne die gesundheitlichen Auswirkungen des Die- Vor Beginn der Industrialisierung lag die Modelle überschreiten den Grenzwert um das selskandals in der Schweiz genau abzuklären. CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei 10- oder gar 18-Fache. Dabei weitet sich der Darüber hinaus soll der Bundesrat prüfen, 300 ppm. Heute liegen wir bei über 400 ppm. Dieselskandal immer mehr aus. In Deutsch- welche positiven gesundheitlichen Effekte ein Die Wissenschaft ist sich weltweit einig, dass land stehen Audi, BMW, Daimler, Porsche Innenstadtfahrverbot dreckiger Diesler hätte. der Mensch mit zu diesem Anstieg beige- und Volkswagen mittlerweile unter Verdacht, «Wir müssen die Fakten sehr genau anschau- tragen hat. Leider reicht schon ein kleiner illegale Absprachen vorgenommen zu haben. en, denn klar ist: Infolge der Diesel-Schum- Schubser aus, um ein empfindliches Gleich- Der Bundesrat ist gefordert, die Bevölkerung meleien sterben in der Schweiz jedes Jahr viele gewicht zu stören. und die Natur zu schützen. Deshalb verlangt Menschen vorzeitig», so Mazzone. der VCS die sofortige Einführung der neuen Was sagen Sie zu den Tricksereien, die Abgasnorm Euro 6 d TEMP für alle Neuwa- Weitere Infos und ausführliche Erklärungen nun nach und nach ans Licht kommen? gen die in der Schweiz verkauft werden. zu den Abgasnormen: Die Enthüllungen, die in letzter Zeit ver- Die Präsidentin des VCS, Evi Allemann, www.verkehrsclub.ch/diesel öffentlicht wurden, zeigen einmal mehr, sowie Vizepräsidentin Lisa Mazzone haben (Grenzwerte und Prüfverfahren) und dass die aktuelle Abgasgesetzgebung eher in der Sommersession verschiedene Vorstös- www.aefu.ch/diesel VCS MAGAZIN 4/17 9
POLITIK Fit fürs Lenkrad? Von Markus Fischer In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat der Verkehr massiv zugenommen, die Verkehrsbedingungen, die Vorschriften und Verhal- tensregeln haben sich verändert und die technische Entwicklung und neue Erkenntnisse beeinflussen das Fahrverhalten. W er schon viele Jahre den Auto-Fahraus- weis hat, verfügt meist über eine grosse Erfahrung und Routine. Wie in vielen ande- Training für «alte Hasen» So machte auch Rene G. aus Thun, der seine Fahrprüfung vor 20 Jahren absolvierte, beim ving Centers Safenwil den Fahrstil und das Verkehrsverhalten. Er gibt Tipps zur Ver- besserung und zeigt Routinefehler auf. Am ren Lebenssituationen, hat sich auch auf der Driving Center Safenwil einen Fahrcheck. Er Schluss des Kurses erhält man eine schriftli- Strasse und im Auto einiges verändert, so war als neues VCS-Mitglied auf das Mitglie- che Zusammenfassung der gemachten Beob- dass auch routinierte Fahrerinnen und Fah- derangebot aufmerksam geworden und war achtungen und einen Kursausweis. rer manchmal überfordert sind und an ihre zuerst der Meinung, dass ihm dies als rou- Grenzen stossen. tiniertem Fahrer wahrscheinlich nicht viel Richtig reagieren Denkt man zurück, wird sich der Eine oder bringen würde. Er war dann aber erstaunt, Beim Fahrtraining in den Kursen der Anti- Andere daran erinnern, dass in den 70er Jah- wie viele neue Erkenntnisse er gewann, wie schleuderschule Regensdorf lernt man, sich ren ein Kreisel noch Seltenheitswert hatte. viele gute Tipps er bekam. So lernte er etwa, in nicht alltäglichen Strassenverhältnis- Fahrlehrer in Bern fuhren damals mit ihren dass man heute zum Bremsen vor einer Am- sen richtig zu verhalten. Das Trainingspro- Schülerinnen und Schülern zum Burgern- pel nicht mehr herunterschaltet. Die Brems- gramm zeigt in Theorie und Praxis, wie man ziel, dem einzigen Ort in der Stadt mit einem beläge werden dadurch zwar etwas mehr ab- Gefahren erkennt, richtig entscheidet und Kreisel, um das richtige Verhalten zu üben. genutzt und müssen öfters ersetzt werden, dadurch Fehler vermeidet. Es hilft, Fahr- Servolenkung war nur in ganz neuen Autos das wird aber durch den geringeren Treib- techniken zu üben, die es ermöglichen, Ge- der Mittel- und Oberklasse Standard, ABS, stoffverbrauch wettgemacht und schont da- fahrensituationen richtig einzuschätzen und Einparkhilfen oder Tempomat waren noch mit auch die Umwelt. rechtzeitig zu entschärfen. Weil der Kurs mit unbekannt. Beim Fahrcheck, den man im eigenen dem eigenen Auto absolviert wird, lernt man Auto absolviert, analysiert ein Profi des Dri- auch die Reaktionen des eigenen Fahrzeuges besser kennen. Mit Tipps vom Profi sicherer Im Antischleuderkurs lernt man zudem, und effizienter unterwegs. wie man sich bei Eis, Schnee und Regen rich- © Driving-Center/zVg tig verhält. Mit praktischen Übungen wer- den Ausweichmanöver, Brems- und Blick- technik geschult. Ob Fahrcheck oder Fahrtraining: Beides sind sinnvolle Investitionen für jede Auto- fahrerin und jeden Autofahrer, auch für «alte Hasen». Gewinnen Sie ein Fahrtraining! Wir verlosen sechs Gutscheine im Wert von je Fr. 250.– für einen Tageskurs beim Driving Center Safenwil oder bei der Antischleuder- schule (ASSR) Regensdorf! Senden Sie ein Mail mit dem Betreff «Fahrtraining» an die Adresse bonus@verkehrsclub.ch. Weitere Informationen zu den für VCS-Mitglie- der vergünstigten Kursen finden Sie unter www.vcs-bonus.ch, Rubrik «Auto». 10 VCS MAGAZIN 4/17
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POLITIK Einen Monat lang auf dem Velo für die Umwelt Von Camille Marion Im vergangenen Juni setzte sich der VCS in den Sattel, um an der Aktion «bike to work» teilzunehmen. Während eines Monats radelten die Mitarbeitenden des Zentralsekretariats ins Büro. L aut dem neusten Mikrozensus Mobili- tät und Verkehr legen die Schweizerin- nen und Schweizer im Durchschnitt 36,8 Bike to work bietet Ge genheit, die eigene le Mobilität zu über- © bik e to wor k ich dafür den Langsamverkehr för- dere, statt die Umwelt zu ver- schmutzen? Warum nicht ein Kilometer pro Tag zurück, 65 Prozent da- denken, im berufli- Carsharing, wenn es ohne von im Auto. Die Aktion «bike to work» will chen Rahmen wie mein Fahrzeug nicht diesen Trend umkehren und die Benutzung auch sonst. Muss geht? Viele Fragen, die des Velos auf dem alltäglichsten aller Wege, ich wirklich das eine gemeinsame Ant- dem Arbeitsweg, fördern. Mit Vergnügen Auto nehmen, wort haben: Jeder ist für stürzten sich deshalb sechs motivierte Bike- wenn ich mein seine Mobilität und de- Teams des VCS ins Abenteuer. Bei ihren Ziel gut auch ren Folgen selbst verant- Velofahrten zwischen Heim und Arbeits- zu Fuss oder mit wortlich. Das bedeutet platz spulten die Mitarbeitenden im Juni to- dem Velo errei- auch, dass jeder noch so tal 1764 Kilometer ab. Dank diesem Einsatz chen kann? Kann kleine Effort letztlich zum wurden insgesamt 254 Kilogramm CO2 ver- ich mich nicht an Wohlbefinden von uns allen mieden. Eine angenehme Art, unsere Um- einen etwas früheren beiträgt. Ein guter Grund, das welt und Gesundheit zu schützen. Wecker gewöhnen, wenn Zweirad zu satteln! Faszination Fahrrad – von der Draisine zum E-Bike Von Claude Marthaler Das Dreiländermuseum in Lörrach zeigt zwischen dem 12. Mai und dem 17. September die zweisprachige Ausstellung «Faszination Fahrrad – von der Draisine zum E-Bike». I n der deutschen Grenzstadt Lörrach muss- ten die Velofahrerinnen und Velofah- rer früher spezielle Identitätspapiere bei sich rad seit 1945 und das heutige Fahrrad. Berei- chert wird die Ausstellung durch zahlreiche historische Originale und nachgebaute Mo- stellen, dass das Fahrrad zum Grundstein für die Erfindung des Autos und des Flug- zeuges werden sollte. tragen, wenn sie die Grenze passieren woll- delle, begleitet von kurzen, aussagekräftigen Die Ausstellung gibt einen guten Ein- ten. In den Jahren der Naziherrschaft nutzten Texten sowie von Radierungen, Zeichnun- blick in das Leben des Freiherrn von Drais die Widerständler das Fahrrad, um Flugblät- gen und Fotografien. Die Ausstellung bie- und zeigt ihn unter anderem stolz mit seiner ter, versteckt in den Fahrradreifen und -rah- tet eine ausgezeichnete Zusammenfassung Laufmaschine, der «Draisine», mit der er bei men, heimlich zwischen Lörrach und Basel zu des wirtschaftlichen und sozialen Kontextes seiner ersten Probefahrt am 12. Juni 1817 transportieren. Heute zeichnet sich Lörrach der letzten zwei Jahrhunderte und zeigt ne- von seinem Wohnhaus zum Schwetzinger als fahrradfreundliche Stadt aus, die das Ve- ben den beachtlichen technologischen Fort- Relaishaus und zurück gut 14 Kilometer zu- lofahren mit verschiedenen Aktionen fördert. schritten, wie sich Nutzung und Status des rücklegte, mit einer Durchschnittsgeschwin- Velos entwickelt haben. digkeit von 15 Kilometer pro Stunde. Strukturiert und informativ Das Museum stellt für die Velo-Ausstellung Das Leben des Freiherrn von Drais Infos eine ganze Etage zur Verfügung. Der didak- Im Jahr 1817 konnte sich noch niemand vor- tische Rundgang ist in die wichtigsten Ent- stellen, dass diese badische Erfindung – das Ausstellungsbroschüre, teilweise zwei- wicklungsabschnitte unterteilt: Die Draisi- erste individuelle Verkehrsmittel in der Ge- sprachig, und Rahmenprogramm unter: ne als Urform des Velos, das Veloziped mit schichte der Menschheit – die Welt erobern www.dreilaendermuseum.eu Pedalen, das moderne Fahrrad, das Fahr- würde. Noch weniger konnte man sich vor- (Sonderausstellungen) 12 VCS MAGAZIN 4/17
POLITIK Das Kursbuch lebt weiter Von Matthias Müller 20 000 Bahnkunden können nicht irren und wollen trotz der beliebten SBB-App nicht auf die Vorteile des umfassenden Reiseplaners verzichten. H ans Meiner, Schweizer ÖV-Pionier und Mitinitiant des Taktfahrplans des öf- fentlichen Verkehrs der Schweiz, wollte nicht schaft für den öffentlichen Verkehr IGöV setzt er sich bei der SBB regelmässig für die Anliegen der Kundinnen und Kunden ein. wurde die Auflage limitiert. VCS-Mitglieder können das Kursbuch exklusiv vorab bestel- len und bequem vor Fahrplanwechsel nach einfach so hinnehmen, dass das Kursbuch Still und leise und oft mit Erfolg. Hause liefern lassen. nicht mehr erscheinen soll. Er ergriff die In- Für die Realisierung des Kursbuches holte Infos und Bestellung: itiative, um weiterhin in einem rund 900 sich Meiner die richtigen Partner ins Boot: Telefon 031 328 58 58, kursbuch@verkehrsclub.ch Gramm schweren Band alle Zug-, Schiffs- Die SBB stellt die Fahrplandaten und die und Seilbahnverbindungen des Schweizer Distribution an den 30 grössten Bahnhöfen ÖV abzubilden. kostenlos zur Verfügung. Der VCS leitet das Hans Meiner arbeitete rund 20 Jahre lang Projekt und organisiert die gesamte logisti- in der Planung und politischen Steuerung sche Abwicklung. der SBB. Später war er bis zu seiner Pensio- Als umweltbewusster Verband legt der nierung Direktor der Schifffahrtsgesellschaft VCS Wert darauf, dass das Kursbuch neu Hans Meiner, Vizepräsident des Vierwaldstädtersees (SGV). Noch heute zu 100 Prozent in der Schweiz produziert IGöV, gibt gemeinsam mit unterhält er beste Kontakte in die ÖV-Welt. wird. Um das finanzielle Risiko für die drei dem VCS und Pro Bahn das Als Vizepräsident der Interessengemein- Herausgeber verantwortungsvoll zu halten, Kursbuch 2018 heraus. VCS | deutsch | ProClima | Format 225 × 146 mm | DU: 14.08.2017 | Ersch.: 07.09.2017 Ein kleiner Beitrag von Ihnen, eine grosse Wirkung für alle. «pro clima»-Versand. Klimafreundlich, wann immer Sie wollen. Mit nur wenigen Rappen Zuschlag können Sie Ihre Pakete oder Güter klimaneutral versenden – ganz einfach als freiwillige Zusatzleistung. Erfahren Sie mehr: post.ch/klimaneutral VCS MAGAZIN 4/17 13
POLITIK Lieber bequem als umweltfreundlich? Von Dominique Eva Rast Bei der Wahl des Verkehrsmittels spielt der Umweltschutz nur eine minime Rolle. Umso wichtiger ist es also, dass nachhaltige Mobilität einfach und für alle zugänglich ist. D as Verkehrsverhalten der Bevölkerung wird alle fünf Jahre erhoben und dann ausgewertet. Daraus entsteht der «Mikro- führt zum Entscheid fürs Auto, gibt es kei- ne Alternative, dann entscheidet man sich für den ÖV. Besonders intensiv nutzen 18- der Widerstand, wenn es darum geht, den Benzinpreis zu erhöhen oder die Parkplatz- gebühren in der Innenstadt. Fast 70 Pro- zensus Mobilität und Verkehr». Das Heft bis 24-Jährige den ÖV, sie besitzen aber häu- zent der Befragten wollen dies nicht. Evi – auch online einsehbar – ist hochinteres- fig (noch) keinen Führerausweis oder ein ei- Allemann, VCS-Präsidentin, ist wenig über- sant. Rasch wird etwas Entscheidendes klar: genes Auto. Aus rein ökologischen Gründen rascht: «Wir wissen, dass der motorisierte Nachhaltige Mobilität muss bequem und nimmt kaum jemand den Zug: Nur gerade Verkehr einen starken Rückhalt in der Bevöl- einfach sein. Sind Velowege da, werden sie 2,9 Prozent geben an, ein Verkehrsmittel aus kerung hat.» Deshalb müsse es bequem und genutzt. Steht vor dem Haus eine Tramhalte- Umweltschutzgründen zu wählen. einfach sein, mit ökologischen Verkehrsmit- stelle, nimmt man den öffentlichen Verkehr. teln unterwegs zu sein. «Die Investitionen in Denn bei der Wahl des Verkehrsmittels ent- Skeptisch gegenüber neuen Abgaben Infrastrukturen für Fussgänger und Velo- scheiden sich die Menschen für die einfachs- Interessant sind die Antworten zu Fragen fahrerinnen lohnen sich, das zeigt das viel- te und bequemste Möglichkeit. 43,9 Prozent rund um die Verkehrspolitik. Parkplatzge- zitierte Beispiel Kopenhagen: Dort sind die der Menschen, die mit dem Auto unterwegs bühren bei Einkaufszentren, um zukünf- Leute nicht mit dem Velo unterwegs, weil ih- sind, geben dies als Hauptgrund an. Bei den tige Verkehrsmassnahmen zu finanzieren, nen Umweltschutz am Herzen liegt, sondern ÖV-Reisenden sind es mit 41,8 Prozent bei- stossen auf Widerstand: 57 Prozent der Be- weil es schlicht viel komfortabler als Auto- nahe gleich viele. Die (kürzere) Reisezeit fragten sind dagegen. Noch heftiger wird fahren ist.» Einstellung der Bevölkerung zur Beschaffung von Finanzmitteln für Verkehr, 2015 Antwort auf die Frage: «Wie sollen zukünftige Verkehrsmassnahmen finanziert werden? Sind Sie dafür, dass man ... ... Tunnelgebühren, zum Beispiel am Gotthard oder Quelle: BFS, ARE – Mikrozensus Mobilität und Verkehr (MZMV) 49 14 31 5 2 San Bernardino, einführt?» ... in den Spitzenzeiten Gebühren für die Zufahrt zu 22 11 61 3 2 den Stadtzentren mit dem Auto oder dem Motorrad einführt?» 19 9 68 3 2 ... die Parkplatzgebühren in den Stadtzentren erhöht?» 16 12 67 3 2 ... den Benzinpreis erhöht?» 26 12 57 3 2 ... die Parkplatzgebühren bei Einkaufszentren einführt?» 40 18 38 21 ... den Preis für die Autobahnvignette erhöht?» 32 11 51 5 1 ... im öffentlichen Verkehr abgestufte Preise nach Tageszeit einführt?» dafür unter Umständen dafür dagegen weiss nicht keine Antwort Basis: 4677 Zielpersonen ab 18 Jahren, die zum Zusatzmodul verkehrspolitische Einstellungen befragt wurden. 14 VCS MAGAZIN 4/17
Velo und Zug clever kombinieren. Inserat Kombinieren Sie die Flexibilität eines Velos nahtlos mit der Zuverlässigkeit der Züge. So sind Sie pünktlich und flexibel unterwegs, tun etwas für Ihr Wohlbefinden und schonen die Umwelt. Unterwegs mit Ihrem Velo. Beispiel Zugformation IC Strecke Bern–Brig: Nehmen Sie Ihre Zweiräder mit auf Reisen. ù 1 1 1 2 2 2 2 ü Mit einem gültigen Velobillett können Sie 1 2 A B 4 5 C 9 D Velos und E-Bikes in die meisten Züge der SBB und der anderen Bahnen sowie in Weitere Informationen fi nden Sie unter die meisten Postautos selbst verladen. Die sbb.ch/veloverlad. Zweiräder können allerdings nur mittrans- portiert werden, wenn genügend Platz dafür Fahrspass dank modernen Mietvelos. vorhanden ist. Für einige Strecken bestehen Wie wärs mit einem Velo-Ausfl ug ohne Einschränkungen. Transportsorgen? An schweizweit 200 Stationen, davon über 80-mal an Bahn- Zur Reiseplanung lohnt sich ein Blick auf den höfen, erwarten Sie Mietvelos von Rent a Online-Fahrplan unter sbb.ch: Bike: ob E-Bikes, E-Mountainbikes, Country- • Reservierungspfl ichtige Züge oder Post- bikes, Mountainbikes, Tandems, Fatbikes, autos erkennen Sie am Veloreservierungs- Kindervelos oder Kinderanhänger. Die über signet . 4500 Mietvelos erfüllen höchste Ansprüche. • Züge ohne Verlademöglichkeit sind mit Basistunnel fahren. Reservieren Sie Velos und E-Bikes, die Sie an einem Bahnhof dem Signet gekennzeichnet. bequem online auf SBB.ch, mit SBB Mobile mieten, können Sie in der Regel auch an • Die Auslastungsprognose ( ) zeigt Ihnen, oder am Bahnhof bis 5 Minuten vor Abfahrt. einem anderen Mietbahnhof zurückgeben. in welchen Zügen mit Kapazitätsengpäs- Die schönsten Mietvelotouren als attraktive sen zu rechnen ist und ob sich ein anderer Schon gewusst? Bereits ab drei Stunden Kombi-Angebote sowie Touren-Tipps fi nden Zug besser eignet. vor der Abfahrt können Sie sich im Online- Sie auf sbb.ch/mietvelo. Fahrplan und in der App SBB Mobile infor- Vom 21. März bis 31. Oktober ist der Velo- mieren, in welchen Sektoren die Wagen mit Schicken Sie Ihr Velo auf Reisen. selbstverlad in allen InterCity-Neigezügen Veloplätzen halten. Im Online-Fahrplan und Geben Sie Ihr Velo einfach am Bahnhof (ICN) reservierungspfl ichtig. Die Reser- in der Smartphone-App SBB Mobile werden auf, dann ist es schon vor Ihnen da. vierungspfl icht gilt neu auch für alle die Standorte für viele Verbindungen unter Wie das funktioniert, erfahren Sie auf InterCity-Züge, die durch den Gotthard- «Zugformation einblenden» angezeigt. sbb.ch/veloversand.
POLITIK Beim Neuwagen Neues wagen Von Anita Vonmont Wieso werden noch immer wenig wirklich energieeffiziente Neuwagen verkauft? Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Energie hat nach den Gründen gesucht. W er sich beim Autokauf fürs Energiespa- ren entschliesst, kann auch Geld sparen: Modelle der Effizienzkategorie A sind heute reiz, sich für diese Modelle zu entscheiden. Bloss geschieht das relativ selten: Die Studie zu «Effizienzlücke beim Autokauf» zeigt, dass Über Technik reden Was muss geschehen, damit die Kundschaft künftig bei neuen Personenwagen vermehrt für fast alle beliebten Automarken und Mo- Fahrzeuge der Effizienzklasse A nur gerade auf die energieeffizienteste Technik setzt? delle erhältlich und in puncto Kosten sogar 15 Prozent des Neuwagenmarkts ausmachen. Der Schlüssel zum Erfolg liege in der Kom- mehr als nur konkurrenzfähig, sagt der Mo- Wieso ist das so? Die Forscherinnen und For- munikation, lautet Peter de Haans Fazit: «Es bilitätsexperte Peter de Haan. Der Forscher scher haben drei Hauptgründe gefunden: reicht ganz offensichtlich nicht, energieeffizi- des unabhängigen Ingenieur-, Planungs- und Energieeffizienz ist nur ein Kriterium un- ente Technik anzubieten und sie durch Steu- Beratungsunternehmens EBP Schweiz er- ter vielen. Besonders wichtig für den Kauf- errabatte finanziell attraktiv zu machen. Man klärt: «Die Neuwagen mit dem niedrigsten entscheid sind laut der Umfrage ein gutes muss auch über die Technik reden.» Denn: Ei- Treibstoffverbrauch sind bereits im Kaufpreis Preis-Leistungs-Verhältnis, Umweltfreund- genschaften, welche die potentiellen Autokäu- meist die günstigsten. Später sparen die Käu- lichkeit, innovative Technik, Eignung für fer als wichtig erachten und auch mit ener- fer noch einmal Geld, dank tieferen Treib- Einsatz im Alltag sowie Komfort und Eig- gieeffizienten Autos in Verbindung gebracht stoffkosten und – je nach Kanton – ermässig- nung für Fahrten in die Berge. werden, sind neben «Umweltfreundlichkeit» ten Motorfahrzeugsteuern.» Zu beachten ist Vorurteile, dass es in der gewünschten Ka- die rational-funktionalen Eigenschaften «Eig- aber, dass die Anschaffung von Fahrzeugen tegorie kein energieeffizientes Fahrzeug gibt. nung für den Alltag», «gutes Preis-/Leistungs- mit alternativen Antrieben und neuen Tech- Dabei gibt es beinahe jedes Modell auch in Verhältnis» sowie «innovative Technik». Die- nologien (z. B. Hybrid) mitunter teurer ist. einer Motorisierungsvariante der Effizienz- se Pluspunkte gilt es aufrechtzuerhalten und kategorie A. stetig zu kommunizieren. Finanzieller Anreiz zieht nicht «Treuerate»: In der Tendenz orientiert man Energieeffizienteste Autos sind in der Regel sich am Vorgängerauto. Die Kunden kau- schon beim Kauf günstiger, etwa, weil sie klei- fen unter Umständen aus reiner Gewohnheit nere Verbrennungsmotoren haben. Es gibt ein Auto, das mehr Leistung bringt, als sie Die Studie «Effizienzlücke also von Beginn weg einen finanziellen An- es eigentlich wünschen. Damit erhöht sich beim Autokauf» der CO2-Ausstoss, denn je grösser ein Motor, desto höher in der Regel auch der Treibstoff- Der Mobilitätsexperte Peter de Haan vom Um einen Drittel sparsamer beim Benzin und im Verbrauch pro Kilometer. Büro EBP hat die Studie im Auftrag des Bun- Preis erst noch günstiger: Autos der Energieeffizienz- desamts für Energie (BFE) erstellt, gemein- klasse A, hier an einer Präsentation im HB Zürich. sam mit der Psychologin Anja Peters vom © BFE deutschen Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und dem Psy- chologen Martin Soland von der Universität Zürich und der Fachhochschule Nordwest- schweiz. Die drei Forschenden stützten sich bei ihrer Arbeit auf eine Langzeit-Erhebung, die 2005 an der ETH Zürich begonnen wurde und die seit 2014 von EBP in aktualisierter Form weitergeführt wird (im jährlichen «Ba- rometer Auto und Mobilität von morgen»). Jeweils mehrere Tausend Personen in der ganzen Schweiz werden dabei schriftlich zu Mobilität und Autokaufverhalten befragt. www.bfe.admin.ch/php/modules/enet/ streamfile.php?file=000000011386. pdf&name=000000291145 16 VCS MAGAZIN 4/17
POLITIK Sicher unterwegs dank Schulwegplänen Von Katja Marthaler Was gibt es Natürlicheres für Kinder, als sich zu bewegen, zu Fuss oder auf dem Velo unterwegs zu sein? Zahlreiche Faktoren behindern jedoch die Mobilität der Kinder im öffentlichen Raum: Hindernisse versperren den Blick oder die Kinder müssen sich den Raum mit Autos, Bussen, Motor- und Fahrrädern teilen. F ast die Hälfte der Kinder zwischen 4 und 15 Jahren, die unterwegs sind, befinden sich auf dem Schulweg. Sie sollten angst- Zwei Beispiele in Montreux frei und gefahrlos zur Schule gehen kön- nen. Deshalb ist es unerlässlich, den Schul- weg so einzurichten, dass auch das Verhalten und die Wahrnehmungen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden. Der VCS füllt diese Lücke mit den Schulwegplänen, die er seit über fünf Jahren in der Schweiz entwickelt. Das innovative Vorgehen stellt das Kind ins Zentrum des öffentlichen Raums und der Quartiereinrichtungen, um seine Eigenheiten auf dem Schulweg besser berücksichtigen zu Chernex (VD) vorher – und nach Realisierung des Schulwegplans: Die Pfosten sichern das gelb markierte können. Ein Schulwegplan entsteht in fünf Ar- Trottoir – sie verhindern das wilde Parkieren direkt vor der Schule. beitsschritten, der Prozess dauert 12-18 Mo- nate, den Auftrag erteilt die Gemeinde: 1. Mobilitätsumfrage Kinder, Eltern und Lehrpersonen äussern sich über die aktuelle Situation mittels Fragebogen. 2. Mobilitätsbilanz Die Fachleute des VCS analysieren die gesammelten Daten. 3. Empfehlungen Der VCS erarbeitet kurz-, mittel- und Collège Gare 33 vorher – nachher: Viele der Gymnasiast/-innen kommen von weit her – oft im Elterntaxi. langfristige Empfehlungen. Auf Schulanfang 2017 wird ein gesicherter Kurzzeit-Parkplatz eingerichtet. 4. Information und Sensibilisierung Während des gesamten Prozesses liegt Zurzeit betreut der VCS einen Schulweg- an Ihrer Schule Handlungsbedarf? Wenden der Schwerpunkt auf der Information plan in der zweisprachigen Stadt Freiburg – Sie sich bitte an Ihre Wohngemeinde. und Sensibilisierung der Beteiligten. weitere Schulwegpläne in der Deutsch- schweiz sind in Abklärung. Kontakt: 5. Weiterbetreuung Die oben abgebildeten Beispiele zeigen: Katja Marthaler, Kampagnenverantwortliche, Der VCS verfolgt das Umsetzen der Die wirksamsten Lösungen sind weder die Tel. 031 328 58 46 oder schulwege@verkehrsclub.ch Empfehlungen und regt eine Evaluation an. kompliziertesten noch die teuersten. Besteht Mehr Informationen: www.schulwegplan.ch VCS MAGAZIN 4/17 17
DOSSIER Wie wünschen wir uns unsere Städte? 18 VCS MAGAZIN 4/17
Auf dem Hunziker-Areal in Zürich ist mit «mehr als wohnen» eine lebenswerte, autoarme Siedlung entstanden. E ine Stadt, die in ihrer Entwicklung die Auswirkungen auf die Umwelt berück- sichtigt und deren Bewohnerinnen und Bewohner sich bemühen, ihren Bedarf an Energie, Wasser und Nahrungsmitteln so- wie den Ausstoss an Schadstoffen auf ein Minimum zu begrenzen: Knapp zusam- mengefasst ist das die Definition, die Ri- chard Register, einer der Mitbegründer des Eco-City-Konzeptes, gibt. Fragt man jun- ge Menschen, wie sie sich die Stadt der Zu- kunft vorstellen, fallen die Antworten un- terschiedlich aus. Einig sind sich die drei jüngsten Mitarbeitenden des VCS-Zentral- sekretariats in Bern, dass die Mobilität in 20 Jahren viel stärker elektrisch ist als heu- te. Ob die Fahrzeuge dann aber autonom unterwegs sind oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Zu bedenken geben sie, dass es durchaus Menschen gebe, die mit Freude Auto fahren. Im öffentli- chen Verkehr hingegen glauben sie an den Fortschritt der Technik – der aber auf Kos- ten des Personals gehe. Keine Ufos, keine Lufttaxis Drohnen, die den Pöstler ersetzen, und E-Bikes, die den Weg selber finden: Das ist vorstellbar. Aber weder Ufos noch selbst- fahrende Lufttaxis schweben den jungen VCS-lern vor. Vor 20 Jahren waren die Städte massiv stärker auf den Autoverkehr ausgelegt. Heute sind verkehrsfreie Innen- städte auch dank dem Engagement des VCS Alltag. Das Beispiel der Île de Nantes (siehe Seite 46) zeigt, dass Stadtentwick- lung längst nicht mehr auf dem Reissbrett entsteht, wie es im 19. Jahrhundert Hauss- mann mit Paris gemacht hat. Sondern im Austausch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, mit dem Willen, sich auf Neu- es einzulassen und deshalb etwa bewusst gewisse Gebiete für Zwischennutzungen zu reservieren. Stadtteile wie Hammarby Sjöstad in Stockholm oder das Wohnbau- projekt «Green City» in Zürich Süd (Leim- Mit dem Begriff «Green City» bach) zeigen, dass nachhaltiges Wohnen schmücken sich Städte gern. Damit einen Markt findet. Und dass sich die gan- ze Stadt Freiburg im Breisgau als «Green eine Stadt aber wirklich nachhaltig ist, City» bezeichnet und das ausführlich auf braucht es mehr als dekorativ platzierte ihrer Website dokumentiert, lässt hoffen: Pflanzmöglichkeiten für Salat und Karotten. Städte sind so lebendig wie die Menschen, die darin wohnen. Dominique Eva Rast ©Fabian Lütolf VCS MAGAZIN 4/17 19
DOSSIER Lausanne: Eine Stadt im Wandel Von Camille Marion Seit dem Ende der 90er-Jahre hat sich die waadtländische Haupt- stadt stetig weiterentwickelt und nahezu 20 000 neue Bewohner aufgenommen. Auf Veranlassung des VCS Waadt wird das Strassen- netz überdacht und Strassen werden nach und nach neu gestaltet. O b zu Fuss, mit dem Fahrrad, dem Auto, dem Zug, dem Bus, mit der Metro oder mit dem Schiff – Lausanne zur Wiederbelebung des Stadtzentrums der waadtländischen Hauptstadt mit der Einrichtung mehrerer Fussgänger- Neue Tramlinie im Gespräch Der VCS Waadt fordert auch dazu auf, den Platz des Autos in der Stadt zu über- hat in Sachen Mobilität breitgefächerte zonen. Der VCS Waadt macht sich sehr denken. Man bekämpft die Idee, jeder Lösungen zu bieten. Das war allerdings für Fahrradfahrer und Fussgänger stark. Wohnung mindestens zwei Parkplätze nicht immer so. Mitte des 20. Jahrhun- Man verlangt, dass Fahrräder Einbahns- zuzuweisen, und fordert Tempo-30-Zo- derts waren Lausannes Strassen den Au- trassen, Fussgängerzonen und für Trol- nen sowie eine Verkehrsberuhigung in tos, dem vorherrschenden Transportmit- leybusse vorgesehene Strassen nutzen Wohnvierteln. Das Engagement macht tel, vorbehalten. 1964 entschied man in dürfen. Aber der Kampf ist hart, denn bei sich bezahlt: Nach und nach erfolgt ein der Stadt aufgrund der Weltausstellung der Stadt ist man zu einer Veränderung Paradigmenwechsel, und die Mobili- sogar, die Tramlinie zugunsten der Au- in dieser Grössenordnung nicht bereit. tät insgesamt verändert sich. Der poli- tos abzubauen. Man kann sich vorstellen, Doch die Mobilisierung geht voran, und tische Vorstoss geht in Richtung Ein- welche Folgen dies für die anderen Stras- nach und nach finden die Vorschläge Be- schränkung des Autoverkehrs innerhalb sennutzer hatte. Die sanfte Mobilität war achtung. In den letzten Jahren scheint der Stadt sowie eine optimale Nutzung besonders betroffen und rutschte auf den das Fahrrad in den Strassen Lausannes der öffentlichen Verkehrsmittel. Nach letzten Platz. Fahrradfahrer wurden in seinen Platz gefunden zu haben. Es wur- der Inbetriebnahme der beiden Metro- der Stadt mit den Höhenunterschieden den über 50 Kilometer Fahrradwege ge- linien, darunter die innovative M2 als überhaupt nicht beachtet, und Fussgän- baut, was zu einem starken Anstieg der Rückgrat der öffentlichen Verkehrsmit- ger mussten sich in düsteren, widerlichen Fahrradfahrer in der Stadt führte. An tel Lausannes, ist eine Tramlinie zwi- unterirdischen Gängen fortbewegen. verschiedenen Orten der Stadt entstan- schen Flon und Renens im Gespräch. Auf Veranlassung der waadtländi- den zusätzliche Zweiradparkplätze sowie Der VCS Waadt beobachtet die Entwick- schen Sektion des VCS verändert sich eine Velostation am Bahnhof, die von lung der Gespräche sehr aufmerksam Lausannes Strassenbild nun. Anfang Menschen genutzt wird, die hauptsäch- und schaltet sich notfalls auch ein, falls dieses Jahrhunderts gab es Initiativen lich von ausserhalb der Stadt kommen. dies erforderlich erscheint. Die Zukunft Lausannes in Sachen Mobilität lässt eine Verringerung des Verkehrs im Stadtzen- trum erhoffen, was sicherlich positive Reduzierung der Geschwindigkeit des Nachtverkehrs zur Senkung der Lärmbelastung für die Auswirkungen für Fussgänger und Rad- Stadtbewohner: Dieses Experiment wird einige Monate lang in Lausanne durchgeführt. fahrer hätte. Der VCS unterstützt ak- tiv Veränderungen, die Lausanne zu ei- © 24heures/Philippe Maeder ner einladenden, sicheren und modernen Stadt machen. 40 Tempo-30-Zonen Tempo-30-Zonen gibt es seit 1993 in Lausanne, heute sind es deren 40. Die erste Begegnungszone datiert von 2007, aktuell hat es sechs davon. Und seit 1986 gibt es auch Wohnstrassen. 20 VCS MAGAZIN 4/17
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