Magazin-e - Vom Postamt zum Supermarkt Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen.

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Magazin-e - Vom Postamt zum Supermarkt Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen.
Nr. 6 | Dezember | Décembre | Dicembre 2016

                                                    Magazin-e
                       Personalverband des Bundes | Association du personnel de la Confédération | Associazione del personale della Confederazione | www.pvb.ch

                                                   Vom Postamt zum Supermarkt
                                                   Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen. | Seite 10
©Die Post l La Poste

                                                   De l’office de poste au supermarché
                                                   Changement des conditions de travail dans le service public sous des prémices néolibérales. | Page 21

                                                   Da ufficio postale a supermercato
                                                   Riflessioni sulle condizioni di lavoro nel servizio pubblico alle luce di segnali neoliberali. | Pagina 27
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2   | Inhaltsverzeichnis | Sommaire | Sommario |

Inhalt
Editorial: Amtsübergabe von René-Simon Meyer an Barbara Gysi | Seite 3
EAV: Stellenbesetzungsverfahren geklärt | Seite 4
Zweite Nullrunde fürs Personal: Falsch und schädlich! | Seite 5
Lohnverhandlungen für den ETH-Bereich: Ein wenig motivierender
Entscheid für das Personal | Seite 5                                                                                      Zweite Nullrunde fürs
                                                                                                                          Personal: Falsch und schädlich!
Veränderungen in der Edelmetallkontrolle: «Die EZV schaut zu             Der PVB, im Rahmen der Verhandlungsgemeinschaft Bundespersonal (VGB),
ihren Leuten!» | Seite 6                                                 hat dem zuständigen Bundesrat Ueli Maurer die Forderungen für das kommende
PVB Erfolg: Interview mit Felix Reinmann, ehemaliger Staatsanwalt |      Jahr präsentiert: 1% generelle Lohnerhöhung für das Bundespersonal oder eine
Seite 8                                                                  Einmalzulage von 1500 Franken bei einem Vollzeitpensum. Das Personal
                                                                         sollte am rekordhohen Überschuss, der auf 2,2 Mrd. Franken prognostiziert
Dialog VBS: Weitere Personalkürzungen werden ohne Entlassungen           wird, beteiligt werden. Schliesslich ist das voraussichtlich ausserordentlich gute
nicht möglich sein | Seite 9                                             Jahresergebnis auch auf die motivierte Arbeit der Bundesangestellten zurück­
Dossier: Vom Postamt zum Supermarkt | Seite 10                           zuführen. Seite 5
Interview … mit Barbara Gysi, neue Präsidentin des PVB | Seite 13
7 Fragen an … an Franziska Blaser | Seite 14
Delegiertenversammlung: Wahl der neuen Präsidentin des PVB | Seite 31

Sommaire
Editorial: passage de témoins de René-Simon Meyer à Barbara Gysi |
Page 15
Succès de l’APC: questions à Felix Reinmann, ancien procureur
fédéral | Page 16
Gel des salaires pour la deuxième année consécutive: c’est faux          De l’office de poste
et néfaste! | Page 17                                                    au supermarché
                                                                         Par le passé, travailler dans le service public était un gage de sécurité, de stabilité
Négociations salariales pour le Domaine des EPF: une décision peu        et de bonnes perspectives professionnelles, et le secteur public lui­même était
motivante pour le personnel | Page 17                                    perçu comme un employeur moderne, un modèle en termes de droit social et de
Changements au Contrôle des métaux précieux: «l’AFD veille sur           droit du travail pour la communauté des travailleurs. Depuis plusieurs années, on
son personnel!» | Page 19                                                assiste à l’érosion de ce solide monument; dans un nombre croissant de domaines
                                                                         du secteur public, les rapports de travail précaires, incertains et «flexibles»
Dossier: de l’office de poste au supermarché | Page 21                   gagnent du terrain. Page 21
Interview … de Barbara Gysi, nouvelle présidente de l’APC | Page 24
7 questions à … Priska Grandjean | Page 25
Assemblée des délégué-e-s: élection de la nouvelle présidente
de l’APC | Page 30

Sommario
Editoriale: Passaggio del testimone da René-Simon Meyer a
Barbara Gysi | Pagina 26
Dossier: Da ufficio postale a supermercato | Pagina 27
Interview … con Barbara Gysi, nuova presidente dell’APC | Pagina 30
                                                                                                                                       Assemblea dei delegati:
                                                                                                                                       Barbara Gysi, nuova
                                                                                                                                       presidente dell’APC
Sektionen – Sections – Sezioni | Seite 34                                Le delegate e i delegati dell’APC, riuniti in assemblea il 3 novembre scorso
                                                                         a Berna, hanno esternato la loro esasperazione a proposito dei piani di risparmio
                                                                         della Confederazione. Per farsi sentire dal Parlamento hanno eletto una nuova
                                                                         presidente, la consigliera nazionale Barbara Gysi (PS/SG). Pagina 33

                                                                                                                    PVBMagazin-e APC | Dezember | Décembre | Dicembre 2016
Magazin-e - Vom Postamt zum Supermarkt Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen.
| Editorial |   3

            Amtsübergabe von René-Simon Meyer …
            Es war mein Wunsch und mein Wille, eine Parlamentarierin an die Spitze des PVB zu holen, um eine bessere Verteidigung der Interessen unserer
            Mitglieder gewährleisten zu können. Dies ist mir gelungen und ich trete nun meinen Sitz an die Nationalrätin Barbara Gysi ab. Ich wünsche ihr viel
            Befriedigung in diesem Amt.
            In den sechs Jahren als Präsident habe ich versucht, unseren gewerkschaftlichen Diskurs und unsere Aktionen kreativ zu gestalten. Mit Erfolg!
            Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der PVB an Gewicht gewonnen hat. In einem Kontext, in dem ein populistischer, sich gegen Staats-
            angestellte richtender Diskurs den Service Public und sein Personal gefährdet, ist diese Stärkung auch unbedingt nötig. Getreu seinem Motto
            «Stärker Zusammen» hat der PVB auch verstärkt mit seinen Partnern der Verhandlungsgemeinschaft Bundespersonal (VGB) zusammengearbeitet.
            Eine Veränderung, die mir besonders am Herzen lag, war eine grössere Nähe zu unseren Mitgliedern. Auch dies ist mit gelungen, denn der PVB ist
            heute an den Arbeitsorten präsent und trifft mit seinen Mitgliedern und dem ganzen Personal des Bundes und seiner Betriebe zusammen. Er kämpft
                                                                 an ihrer Seite! Dank einer umfassenden Lobby-Arbeit ist es uns gelungen, den Entwurf des Meteo-
                                                                 rologiegesetzes zum Scheitern zu bringen – eine Reform, die zu einer Privatisierung geführt hätte.
                                                                 Bei der Zentralen Ausgleichsstelle in Genf führte unser Eingreifen dazu, dass unrechtmässig
                                                                 entlassene Angestellte wieder angestellt wurden. Unlängst haben wir uns gegen die Restruktu-
                                                                 rierungen bei Agroscope und der Edelmetallkontrolle gewehrt.
                                                                 Um diese Fortschritte zu erzielen, waren bedeutende Anstrengungen nötig und ich möchte ins-
                                                                 besondere meinen Kolleginnen und Kollegen der Geschäftsleitung für ihr Vertrauen sowie dem
                                                                 Personal des Sekretariats für seinen Einsatz danken.
                                                                 Und Ihr alle, liebe Milizlerinnen und Milizler, Ihr seid lebenswichtig für den PVB, auch Euch danke
                                                                 ich von ganzem Herzen! Ihr könnt auch künftig auf mich zählen … als Vizepräsident und als Kollege.
                                                                > Rede von René-Simon Meyer: www.pvb.ch/news

                                                                René-Simon Meyer

                                                                … an Barbara Gysi
                                                                 Das Bundespersonal ist stark gefordert. Einerseits verlangen Wirtschaft, Politik und internationale
                                                                 Zusammenarbeit dauernde Leistungsanpassungen, andererseits werden die notwendigen Mittel
                                                                 dafür immer knapper. Steuersenkungen für die Firmen führen zu drastischen Mindereinnahmen
                                                                 und gefährden einen guten und leistungsfähigen Service Public für unsere Bevölkerung.
                                                                 Abbauprogramme, Budgetkürzungen und Reorganisationen führen zu einer grossen Belastung,
            unter Beschuss stehen auch die Anstellungsbedingungen und der Stellenetat. Mitten in der Debatte zum Stabilisierungsprogramm 2017-2019 kündigt
            der Finanzminister bereits ein nächstes Abbauprogramm an. Das bringt zusätzlichen Druck, aber auch grosse Verunsicherung, wie es mit laufenden
            Projekten weitergeht. Die Erfahrung zeigt, jede Neuerung hat eigentlich fast ausschliesslich Verschlechterungen gebracht. Umso wichtiger ist es, zu-
            sammenzustehen und gemeinsam für den Erhalt guter Arbeitsbedingungen und die notwendigen Ressourcen zu kämpfen. Dafür müssen wir stärker
            werden und mehr Mitglieder gewinnen. Dafür müssen wir in Allianzen mit Gleichgesinnten unsere Kräfte bündeln. Ich freue mich, gemeinsam mit
            Ihnen allen dazu beizutragen. > Rede von Barbara Gysi: www.pvb.ch/news

            Barbara Gysi

                                                                                    Wir wünschen Ihnen ein neues
                                                                                    Jahr mit Solidarität, Engagement,
                                                                                    Begeisterung und Glück.
                                                                                    PVB | APC
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4   | PVB-Pinnwand |

                                                                                    Eidg. Alkoholverwaltung

                                                                                    Stellenbesetzungsverfahren geklärt
                                                                                    Der PVB als führender Sozialpartner bei der Eidg. Alkoholver-
                                                                                    waltung (EAV) ist wiederum zur letzten EAV-internen Personal-
                                                                                    konferenz vom 20. Oktober 2016 eingeladen worden.

                                                                                    Derjenige Teil der Konferenz, den die     gen, freiwilligen Pensionierung oder
                                                                                    anwesenden Mitarbeitenden der EAV         einer Stellensuche beim Bund.
                                                                                    am meisten interessierte, war zwei­         Der PVB wird seine Mitglieder im
                                                                                    felsfrei die Integration der EAV in die   Bedarfsfall gerne unterstützen und da­
                                                                                    Eidg. Zollverwaltung und die damit        für sorgen, dass das Verfahren – wie
                                                                                    verbundene Stellenbesetzung.              von den Personalchefs EAV und Zoll
                                                                                      «Die EZV braucht das Know­how der       erwähnt – im Rahmen des Bundesper­
                                                                                    heutigen Angestellten der EAV. Sie sind   sonalgesetzes und den nachgelagerten
                                                                                    willkommen und sie sollen nicht ab­       Verordnungen erfolgt.
                                                                                    springen» erläuterte Martin Weiss­          Im Weiteren wurden die vier nomi­
                                                                                    leder, Abteilungschef Personal und        nierten Sektionschefs der Abteilung
                                                                                    Ausbildung der EZV. Weiter wurde klar     Alkohol und Tabak (AAAT) vorgestellt.
                                                                                    betont, dass es sich nicht um einen         Erwähnt werden darf auch, dass der
                                                                                    Stellenabbau handelt und die Stellen      PVB vor einiger Zeit den Betriebsver­
                                                                                    nicht extern ausgeschrieben werden.       trag Alcosuisse ausgehandelt hat und
                                                                                    Das Stellenbesetzungsverfahren wurde      bei der Pensionskassenlösung der Ak­
                                                                                    den Anwesenden erläutert. Anlässlich      tiven und Rentner massgeblich mitge­
                                                                                    der ordentlichen Personalbeurtei­         arbeitet hat. Am 1. Januar 2017 erfolgt
                                                                                    lungsgespräche (PEG) wird auch ein        die Aktivierung der Alcosuisse AG.
Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation                             Perspektivengespräch geführt bei dem        Gegen Schluss der Konferenz folgten
                                                                                    eine gegenseitige Absichtserklärung       noch die aktuellen Infos aus dem Zoll.
Keine Kündigungen                                                                   erfolgen soll. Dabei gibt es die Optio­
                                                                                    nen einer Stelle in der Abteilung Alko­
                                                                                                                              Zudem wurde das Buch «Rausch und
                                                                                                                              Ordnung», das die Geschichte der EAV
Am 21. September 2016 traf sich der PVB mit dem stellvertreten-                     hol und Tabak (AAT), in der übrigen       und die Alkoholpolitik widerspiegelt,
den Staatssekretär des Staatssekretariats für Bildung, Forschung                    EZV, einer ordentlichen oder vorzeiti­    vorgestellt.
                                                                                                                                                       Jürg Grunder
und Innovation (SBFI), Josef Widmer. Widmer erläuterte den
Schlussbericht der Organisationsentwicklung SBFI.

Um ein ausgeglichenes Personal­           Es versteht sich von selbst, dass das
budget zu erzielen wurden 14 Stellen      gesamte Kader des SBFI angehalten ist,
in verschiedenen Abteilungen abge­        durch sein tägliches Führungsverhal­
baut. Dieser Stellenabbau erfolgte        ten wie Mitarbeitergespräche, Team­
auch aufgrund kritischen Hinterfra­       sitzungen, usw. dies auch beispielhaft
gens der Wiederbesetzung bei Vakan­       umzusetzen.
zen sowie durch ein strafferes Monito­      Der PVB hat diesen Prozess, der ein     Martin Weissleder,             Stefan Schmidt,
ring bezüglich Ferien und Arbeitssaldi.   gutes Jahr dauerte, aktiv begleitet und   Vizedirektor EZV               Leiter EAV a. i.
Das Personal des SBFI ist auch über       dankt den Betroffenen und Beteiligten
die Auslagerungen von gewissen Auf­       für das regelmässige Feedback. Der
gaben (beispielsweise zu National­        PVB ruft die Mitglieder auf, sich bei       Der PVB wird sich weiterhin für Ihre Rechte
fonds etc.) informiert worden. Dabei      Fragen und Unklarheiten an das Ver­
kam es erfreulicherweise zu keinen        bandssekretariat zu wenden.                 einsetzen!
Kündigungen. Der Druck auf die An­                                                    Der PVB hat mit der Geschäftsleitung der Alcosuisse einen Betriebs-
gestellten wird aber zunehmen.                                    Jürg Grunder
                                                                                      vertrag ausgehandelt. Dieser ist für alle Alcosuisse-Mitarbeiterinnen
  Das neue Leitbild wurde erarbeitet,
aber noch nicht vollständig umgesetzt.                                                und Mitarbeiter gültig. Die Personen, die bereits PVB-Mitglied sind,
                                                                                      bleiben es auch nach einer Privatisierung. Mitarbeitende, die noch nicht
                                                                                      PVB-Mitglied sind, können jederzeit beitreten. Der PVB wird sich weiter-
                                                                                      hin für die Rechte seiner Mitglieder einsetzen.
                                                                                      Gerne weisen wir Sie darauf hin, dass unsere Mitglieder exklusiv von
                                                                                      attraktiven Vergünstigungen und Rabatte profitieren.
                                                                                      Der PVB hat den Mitarbeitenden das Resultat dieses Vertrages im Früh-
                                                                                      ling 2016 präsentiert.

                                                                                                                                           PVBMagazin-e APC | Dezember 2016
Magazin-e - Vom Postamt zum Supermarkt Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen.
| PVB-Pinnwand |           5

                        Zweite Nullrunde fürs Personal: Falsch und schädlich!                                                                                              Forderung an EFD
                                                                                                                                                                           Im Mai 2011 hat der Bundesrat zur
                        Der PVB, im Rahmen der Verhandlungsgemeinschaft Bundes-                                                                                            Kenntnis genommen, dass die Publica
                                                                                                                                                                           im Zusammenhang mit den Renten­
                        personal (VGB), hat dem zuständigen Bundesrat Ueli Maurer                                                                                          beziehenden nicht ausfinanziert war.
                        die Forderungen für das kommende Jahr präsentiert: 1% generelle                                                                                    Es fehlten 320 Mio. CHF und die sei­
                        Lohnerhöhung für das Bundespersonal oder eine Einmalzulage                                                                                         nerzeitige Zusicherung, dass unmittel­
                        von 1500 Franken bei einem Vollzeitpensum. Das Personal sollte                                                                                     bar nach der Umstellung der Pen­
                                                                                                                                                                           sionskasse auf das Beitragsprimat
                        am rekordhohen Überschuss, der auf 2,2 Mrd. Franken prognos-                                                                                       keine Fehldeckung vorhanden sein

                                                                                                                                                   © Gaby Möhl Transfair
                        tiziert wird, beteiligt werden. Schliesslich ist das voraussichtlich                                                                               wird, blieb damals ohne Folgen für
                        ausserordentlich gute Jahresergebnis auch auf die motivierte                                                                                       den Arbeitgeber Bund. Im Gegenzug
                                                                                                                                                                           hat der Bundesrat aber beschlossen,
                        Arbeit der Bundesangestellten zurückzuführen.                                                                                                      diese Fehldeckung ausfinanzieren zu
                        Zudem forderte der PVB, dass der           Das Treffen der Bundespersonalver­      worden. In der ganzen Diskussion                                wollen. Dies sobald die Publica (bzw.
                        Bundesrat seine Verpflichtung als        bände mit Bundesrat Ueli Maurer           schob er wahlweise den Gesamtbun­                               das Vorsorgewerk Bund) in Unterde­
                        Arbeitgeber bei der Pensionskasse Pu­    brachte jedoch kein Ergebnis. Er er­      desrat oder das Parlament vor; Hand­                            ckung gerät. Dies war am 31. Dezem­
                        blica wahrnimmt, bei der eine weitere    klärte gleich zu Beginn, dass ihm der     lungsspielraum habe er keinen.                                  ber 2015 der Fall, die Fehldeckung
                        Senkung des technischen Zinses und       Gesamtbundesrat ein «no­go» für ir­         Der PVB warnt vor den negativen                               belief sich auf rund 198 Mio. CHF.
                        Umwandlungssatzes ansteht. Wenn          gendwelche Lohnerhöhungen oder            Folgen dieser plan­ und perspektivlo­                           Die VGB hat dieses Thema in der Folge
                        sich der Arbeitgeber nicht mit subs­     Einmalzulagen auf den Weg gegeben         sen Personalpolitik. Es ist nicht so,                           ebenfalls in die Lohnverhandlungs­
                        tanziellen Beiträgen beteiligt, drohen   habe. Aber auch zur schwierigen Situ­     dass mit der Nullrunde die Löhne ein­                           runde mit eingebaut. Leider hat sich
                        massive Leistungskürzungen oder hohe     ation der zweiten Säule wollte sich der   fach stagnieren würden. Seit 2015 –                             der Arbeitgeber nicht an die gemachten
                        Lohnabzüge.                              Bundesrat nicht äussern. Er sei über      und nochmals verschärft ab 2018 –                               Zusagen erinnert. Es wurde lediglich
                                                                 das Geschäft noch nicht informiert        könnten die Lohnabzüge für die zweite                           entgegen gehalten, dass das Vorsorge­
                                                                                                           Säule stets höher werden. Dies spüren                           werk Bund im Moment gar nicht in
                                                                                                           gerade Bundesangestellte mit Famili­                            Unterdeckung sei. Dazu ist festzu­
                                                                                                           enpflichten, für die ab 2017 auch                               halten: Eine Unterdeckung wird von
                                                                                                           noch massiv steigende Krankenkas­                               den Versicherungsexperten jeweils per
                                                                                                           senprämien und anhaltend hohe Miet­                             Jahresabschluss     berechnet/bestätigt
                                                                                                           kosten dazukommen.                                              und per Ende 2015 war die Kasse in
                                                                                                             Am Treffen wurde mit dem Bundes­                              Unterdeckung.         Paul Ackermann
                                                                                                           rat zudem der erneuerte Sozialplan
                                                                                                                                                                           Der PVB teilt im Grundsatz diese Mei-
© Gaby Möhl Transfair

                                                                                                           unterschrieben, der die geltende Re­
                                                                                                           gelung weitestgehend fortschreibt.                              nung, bedauert diese Situation und
                                                                                                                                                                           hofft, dass der Bundesrat in Zukunft
                                                                                                                    Verhandlungsgemeinschaft                               der Rolle eines sozialen Arbeitgebers
                        Luc Python, Verbandssekretär PVB und Heidi Rebsamen, Zentralsekretärin Garanto              Bundespersonal VGB                                     (wieder) gerecht wird.

                        Lohnverhandlungen für den ETH-Bereich:
                        Ein wenig motivierender Entscheid für das Personal
                        Der PVB hat dem Präsidenten des ETH-Rats, Fritz Schiesser, seine                     Der PVB hat zudem bis spätestens                              fangreiche Lohnkürzungen hinneh­
                        gewerkschaftlichen Forderungen präsentiert: 1% generelle Lohn-                     Ende Juni des nächsten Jahres ein                               men müssen.
                                                                                                           Treffen zwischen den Sozialpartnern                               Der ETH­Rat hat zudem der Forde­
                        erhöhung für das Personal, das dem neuen Lohnsystem (NLS) unter-                   gefordert, um über die zu ergreifen­                            rung des PVB und anderer Sozialpart­
                        steht, oder als Alternative eine Erhöhung der Anzahl Ferientage.                   den Massnahmen im Hinblick auf eine                             ner stattgegeben und verzichtet dar­
                                                                                                           voraussichtliche Senkung des tech­                              auf, für die Mitarbeitenden unter dem
                        Der ETH­Rat hat jegliche Forderung       tengünstiger arbeiten muss. Dieser        nischen Zinssatzes und somit des Um­                            NLS den Prozentsatz der Gesamtlohn­
                        abgelehnt, die eine Erhöhung der Per­    Einsatz sollte vom ETH­Rat monetär        wandlungssatzes der Pensionskasse                               summe zur individuellen Lohnsteue­
                        sonalkosten zur Folge hätte. Laut dem    anerkannt werden. Die Motivation          Publica zu diskutieren. Dieser Forde­                           rung auf 0,6% zu senken. Der Satz von
                        Präsidenten des ETH­Rats rechtfer­       und die Bereitschaft, Verantwortung       rung wurde stattgegeben. Der PVB for­                           1,2% wird beibehalten. Für den PVB
                        tigen die vom Bund beschlossenen         zu übernehmen, sind ebenfalls von         dert den ETH­Rat auf, seinen Ver­                               wäre mit einer Senkung dieses Pro­
                        Sparmassnahmen diesen Entscheid.         diesem Faktor abhängig. Zudem             pflichtungen als Arbeitgeber in Bezug                           zentsatzes jegliche Massnahme zur
                          Der PVB ist enttäuscht vom Ergebnis    konnten die vom Parlament im              auf Publica auch weiterhin nachzu­                              Verbesserung des derzeitigen Lohn­
                        dieser Gespräche. Die strategischen      ETH­Bereich geplanten, massiven           kommen. Ohne substantielle Arbeit­                              systems hinfällig geworden.
                        Ziele des ETH­Rats bedingen, dass das    Kürzungen verhindert werden.              geberbeiträge könnte das Personal
                        Personal effizienter, rascher und kos­                                             massive Leistungseinbussen und um­                                                            Luc Python

                                                                                                                                                                                        PVBMagazin-e APC | Dezember 2016
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Veränderungen in der Edelmetallkontrolle
Oberzolldirektor Christian Bock soll      erhöhung erfolgen. Deshalb fällte er   PVB wurde sehr spät in den Prozess      bei den unterschiedlichen Instanzen
gemäss Auftrag des EFD bei der Edel­      den Entscheid, die Anzahl der Labor­   integriert, was er sehr bedauert.       einbringen konnten.
metallkontrolle (EMK) sparen. Dies        standorte der EMK zu reduzieren. Der     Der PVB hat sich bereits im Februar
soll aber nicht durch eine Gebühren­                                             2016 und auch verschiedene weitere      Was will der PVB?
                                                                                 Male an verschiedene Stellen der        • Einhalten der personalrechtlichen
                                                                                 Oberzolldirektion gewandt und wollte      Bestimmungen des Bundesperso­
    Rund 40 Spezialisten, die beeidigten Edelmetallprüfer, erfüllen beim         von Anfang an in den Veränderungs­        nalgesetzes und der nachgelagerten
    Zentralamt in Bern und in fünf Kontrollämtern gewerbepolizeiliche Auf-       prozess einbezogen werden. Der PVB        Verordnungen.
    gaben. Sie kontrollieren die in der Schweiz hergestellten und die impor-     kontaktierte den Oberzolldirektor       • Interessante, vielseitige Arbeiten der
    tierten Edelmetallwaren auf Echtheit und schützen so den Konsumenten         persönlich sowie die Fédération hor­      Mitarbeitenden der Edelmetallkont­
    vor Fälschungen und den Fabrikanten vor unlauterem Wettbewerb.               logère und stand in ständigem Kontakt     rolle an den heutigen Standorten.
    Jährlich werden mehr als 1 Mio. Gegenstände amtlich gestempelt. Bei          zu den Mitarbeitenden der Edelmetall­   • Kein Lohnabbau.
    den Kontrollen werden pro Jahr weit über 2000 Fälle von Fälschungen          kontrolle, die den Dialog mit dem PVB   • Keine Zerstörung eines Berufsbildes.
    oder falschen Angaben entdeckt.                                              suchten und uns informierten, sodass    • Intakte Sozialpartnerschaft.
                                                                                 wir Ihre Anliegen in den Gesprächen                                           jg

Interview mit Christian Bock, Direktor der Eidgenössischen Zollverwaltung (Stand Oktober 2016)

«Die EZV schaut zu ihren Leuten!»
                                         Welche Ziele haben Sie als              sation und die Prozesse der EZV         anstatt der Gebührenerhöhungen
                                         Direktor der Eidgenössischen Zoll-      auf die Bedürfnisse der Zukunft         auf der Kostenseite, durch Einspar-
                                         verwaltung (EZV)?                       zuzuschneiden. Einen zentralen          und Effizienzsteigerungsmassnah-
                                         Wir wollen im Warenverkehr einfache     Punkt nimmt hierbei die Erneuerung      men die Kostendeckung zu errei-
                                         und effiziente Prozesse etablieren.     der IT-Landschaft ein, welche Verein-   chen. Mein Beweggrund war letztlich
                                         Die EZV soll künftig einheitliche und   fachungen für alle Zollbeteiligten      der Auftrag des Departementschefs
                                         einfache Verfahren in allen Ver-        bringen wird und uns neue Möglich-      des EFD.
                                         kehrsarten und -richtungen zur          keit zur Aufgabenerfüllung geben
                                         Verfügung stellen. Diese Prozesse       wird.                                   Was kann mit der geplanten
                                         werden künftig digital abgewickelt.                                             Schliessung der EMK-Labors in
                                         Sämtliche Zollverfahren und Prozes-     Was sind die Beweggründe                Zürich, Chiasso, Biel und Genf
                                         se werden mit einer frei zugänglichen   betreffend die Einsparungen             und der Verlagerung in ein neues
                                         und internetbasierten IT-Anwendung      und Effizienzsteigerung?                zentrales EMK-Labor in Brügg
                                         abgewickelt werden können. Ferner       Die EMK muss grundsätzlich ihre         bei Biel erreicht werden?
                                         wollen wir die Ressourcen im Waren-     Leistungen an Dritte – beispiels-       Die EMK braucht zur Erfüllung ihrer
                                         verkehr noch wirksamer einsetzen,       weise die Punzierungen oder die         Aufgaben eine Laborinfrastruktur.
                                         um die bestmögliche Auftragserfül-      Edelmetallanalysen – kostende-          Heute gibt es in der Tat in Zürich,
Interview:                               lung mit einer mobilen Arbeitsweise     ckend erbringen. Eine Erhebung der      Chiasso, Genf und in der Oberzoll-
Jürg Grunder                             und risikobasierten Kontrollen zu       Kosten und Leistungen der EMK           direktion in Bern je ein EMK-Labor.
                                         erreichen. Wichtig ist dabei, dass      hatte 2013 ergeben, dass dies nicht     Zur Erbringung des gesetzlichen
                                         die Prozesse möglichst geringe          gegeben ist. Darum wurde 2013 die       Auftrages reicht aber ein einziges,
                                         volkswirtschaftliche Kosten verur-      Revision der Gebührenverordung          modernes und gut ausgerüstetes
                                         sachen. Parallel dazu wollen wir,       der EMK (GebV-EMK) an die Hand          Labor. Die Lösung in Brügg wurde
                                         vorab mit dem Grenzwachtkorps           genommen. Die Anhebung der              gewählt, weil dadurch das Zentral-
                                         (GWK), aber auch mit dem Zoll, die      Gebührenansätze hätte durch hö-         amt mit dem Kontrollamt Biel örtlich
                                         sich stellenden Herausforderungen       here Einnahmen die Kostendeckung        zusammengelegt werden kann,
                                         in der Sicherheit meistern.             erreichen sollen. In der Anhörung       womit Synergien genutzt werden
                                                                                 des Projektes hatten sich 2015 die      können. Zudem ist Biel nahe zu Bern
                                          Wie wird die EZV in fünf Jahren        Wirtschaftsverbände der Uhrenin-        gelegen und nahe bei einem grossen
                                          aussehen? Was gedenken Sie             dustrie,aufgrund der sich ver-          Teil der Kunden.
                                          zu verändern?                          schlechterten Wirtschaftlage und
                                          Mit dem Projekt «DaziT» haben wir      der Frankenstärke nach der Auf-         Ist dieser Entscheid betriebs-
                                          eine Transformation eingeleitet, mit   hebung des Mindestkurses der SNB,       wirtschaftlich sinnvoll und ist
                                          welcher wir die EZV nicht nur über     klar gegen jede Gebührenerhöhung        dieser definitiv resp. was könnte
                                          fünf Jahre hinweg, sondern bis ins     ausgesprochen. Die Revision der         ihn umstossen?
                                          Jahr 2026 grundlegend umbauen          GebV-EMK wurde daher anfangs Jahr       Mit der Zusammenlegung der vier
                                          werden. Es geht darum, die Organi-     sistiert und ich wurde beauftragt,      Labore an einem Standort werden

                                                                                                                                      PVBMagazin-e APC | Dezember 2016
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                                                                                                                        Weiterbildung gewährt. Ergänzt wird
                                                                                                                        dies durch eine bewusste Laufbahn-
                                                                                                                        entwicklung durch entsprechende
                                                                                                                        Ausbildungsangebote (zum Beispiel
                                                                                                                        HF und HFP). Bei allen Reorganisa-
                                                                                                                        tionen, aber auch bei individuellen
                                                                                                                        Personalmassnahmen, ordnet die
                                                                                                                        EZV der Sozialverträglichkeit einen
                                                                                                                        hohen Stellenwert zu. Dies wurde
                                                                                                                        durch die Gewerkschaften auch
                                                                                                                        mehrfach anerkannt, etwa bei der
                                                                                                                        Reorganisation der Oberzolldirek-
                                                                                                                        tion. Die EZV schaut zu ihren Leuten!
                                                                                                                        Die Arbeitsplatzsicherheit bei der
                                                                                                                        EZV ist hoch.

                                                                                                                        Wie wichtig ist Ihnen die Sozial-
                                                                                                                        partnerschaft mit dem PVB?

                                                                                                          © EMK – CMP
                                                                                                                        Die intensive und konstruktive
                                                                                                                        Zusammenarbeit mit allen relevan-
                                                                                                                        ten Sozialpartnern ist von hoher
                                                                                                                        Bedeutung. Eine gelebte Sozialpart-
Redundanzen abgebaut und Syner-          Edelmetallkontrollgesetz vor-           Wird es bei der EMK                    nerschaft unterstützt das Erreichen
gien gewonnen. Das führt zu einer        gezeichnet.                             zu Kündigungen kommen?                 der Ziele der EZV. Sie basiert auf
Senkung der Betriebskosten. Das                                                  Es sind keine Kündigungen vor-         gegenseitigem Vertrauen und Res-
Zentralamt wird nach der geplanten       Falls Sie keine freiwilligen Edel-      gesehen. Diese könnten jedoch          pekt und setzt gemeinsame und
Sanierung aus baustrategischen           metallprüfer für das neue Labor         beispielsweise dann erfolgen,          ganzheitliche Verantwortung voraus,
Gründen nicht mehr in das Gebäude        in Brügg bei Biel finden, werden        wenn ein zumutbares Stellenangebot     jedoch unter Beachtung des überge-
an der Monbijoustrasse 40 zurück-        Sie Edelmetallprüfer von anderen        abgelehnt wird.                        ordneten Auftrags und der jeweiligen
kehren können. Das BBL hat auf dem       Standorten nach Brügg «zwangs-                                                 Verantwortlichkeiten. Basis dafür
Platz Bern keinen passenden Stand-       versetzen»?                             Was unternehmen Sie, um die            sind eine gegenseitige und rechtzei-
ort eruieren können, der bis Ende        Das Labor muss über einen ausrei-       Personalzufriedenheit zu heben?        tige Information sowie der vertrau-
2017 bereitstehen würde. Lösungen        chenden Personalbestand verfügen,       Die EZV verfügt über ein umfassen-     liche Umgang mit sensiblen Daten
hätten sich erst 2020 ergeben, was       um die geforderte Leistungsfähigkeit    des Paket an kurzfristigen sowie       und Informationen.
eine zu teure Zwischenlösung nötig       erbringen zu können. Wie gross der      langfristigen Massnahmen zur
gemacht hätte. Die Lösung in Brügg       Personalbestand sein wird, hängt        ständigen Verbesserung der Perso-      Dem PVB ist aufgefallen, dass
ist vor diesem Hintergrund sehr gut.     nun noch von der Lösung in Genf ab.     nalzufriedenheit. Die letzte Per-      Sie kurz nach Ihrer Wahl resp.
                                         Das Teilprojekt Personal sucht aber     sonalumfrage wurde differenziert       Ihrem Amtsantritt bereits markan-
Mit welchen Reaktionen seitens           nach Möglichkeiten, für alle Mitar-     auf Stufe Organisationseinheit (OE)    te Entscheide mit einschneidenden
der Wirtschaft, des Handels              beitenden der EMK eine zumutbare        ausgewertet und bei identifiziertem    Konsequenzen für das Personal
und der Politik rechnen Sie?             Lösung zu finden. Es handelt sich bei   Handlungsbedarf wurden indivi-         gefällt haben. Ist dies nicht etwas
Die EMK arbeitet stark zugunsten der     diesem Projekt um eine Reorgani-        duelle Massnahmen für jede OE          voreilig? Was rechtfertigt eine
Wirtschaft und ist dezentral organi-     sation. Deshalb gelten die Vorgaben     getroffen. Dies kann beispielsweise    solche Aktion?
siert. Bei derartigen Reorganisa-        der Bundespersonalverordnung und        den Dienstbetrieb, die Führung, die    Die Entscheidungen rechtfertigen
tionsprojekten ist natürlich mit Reak-   des Sozialplans für die Bundesver-      Wertschätzung oder die Organisation    sich einerseits durch politische
tionen zu rechnen, jedoch suchen         waltung. Massnahmen sind sozial-        betreffen. Die Lohnentwicklung wird,   Vorgaben, an die wir gebunden sind,
wir aktiv das Gespräch.                  verträglich und ökonomisch umzu-        nach einem Einschnitt im Jahre 2016,   und andererseits durch die betrieb-
                                         setzen. Angestrebt werden in erster     für das Jahr 2017 wieder auf das       lichen Notwendigkeiten, denen die
Dem PVB ist bekannt, dass                Linie die Weiterbeschäftigung der       mögliche Maximum der Prozentsätze      EZV aufgrund der heutigen und
die Partner der Privat wirtschaft        Mitarbeitenden auf zumutbaren           erhöht. Für die Beurteilungsstufe 3    zukünftigen Veränderungen unter-
reagiert haben. Sind Sie bereit,         Stellen, eine berufliche Umorientie-    bedeutet dies zum Beispiel eine        worfen ist. Eine fitte und gut aufge-
mit diesen zu sprechen?                  rung sowie die berufliche Weiter-       Erhöhung von einem auf zwei Pro-       stellte Verwaltung sichert Arbeits-
Ich bin sehr gerne bereit, über konst-   bildung. Zumutbar ist eine Stelle,      zent. Moderne Arbeitszeitformen        plätze und trägt auch zu einer hohen
ruktive Lösungen zu sprechen, die        wenn sie höchstens drei Lohnklas-       wie Teilzeitarbeit, Home Office oder   Personalzufriedenheit bei. Bei allen
es erlauben, unsere Vorgaben noch        sen tiefer eingereiht ist, der Hin-     Gleitzeitmodelle sind in der Ver-      Entscheidungen wurden und werden
besser zu erreichen. Es haben            und Rückweg zwischen Wohn- und          waltung breit abgestützt und ermög-    den Konsequenzen für das Personal
auch entsprechende Gespräche mit         Arbeitsort maximal vier Stunden         lichen den Mitarbeitenden, unter       ein hoher Stellenwert zugeordnet. Im
Vertretern der Industrie stattge-        beträgt und die Leistungsziele in       Berücksichtigung der betrieblichen     Rahmen der Umsetzung werden die
funden. Wir arbeiten hier konkret        der Funktion nach einer Einführung      Verhältnisse, eine individuelle        Sozialpartner eng einbezogen und
an einer Lösungsanpassung in Genf,       weitgehend erreichbar sind.             Gestaltung des Verhältnisses von       sind wichtige Akteure im Rahmen
wobei die EZV eine Kostenbetei-                                                  Arbeit- und Privatleben. Weiter wird   einer sozialverträglichen Gestaltung
ligung von Seiten der Industrie                                                  eine grosszügige Unterstützung bei     der Reformen.
voraussetzt. Dieser Weg wird im                                                  internen und externen Fort- und

                                                                                                                                    PVBMagazin-e APC | Dezember 2016
Magazin-e - Vom Postamt zum Supermarkt Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen.
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                       Fragen an Félix Reinmann, ein Staatsanwalt, der von der Bundesanwaltschaft nicht mehr
                       im Amt bestätigt worden war, Mitglied des PVB

➽                      Erfolg des PVB
                                 Wann haben Sie begonnen, für die Bundesanwalt-             Haben Sie Recht bekommen? Aus welchen Gründen?
                                 schaft (BA) zu arbeiten?                                   Ja, wie auch alle meine Kollegen. Das Bundesverwal-
                                 Im Oktober 1995 als juristischer Mitarbeiter, nach einem   tungsgericht (BVGer) war der Meinung, dass Bundes-
                                 Praktikum beim Bundesamt für Justiz. In der Folge bin      anwalt Lauber unrechtmässige Kündigungen ausge-
                                 ich kontinuierlich aufgestiegen und schliesslich Staats-   sprochen hat, indem er es unterliess, uns vorgängig zu
                                 anwalt geworden.                                           verwarnen – dies hätte uns die Möglichkeit gegeben,
                                                                                            die angeblichen Mängel zu beheben. In meinem Fall hat
                                 Woraus bestand Ihre Arbeit und welches waren               das BVGer festgehalten, dass der Bundesanwalt zudem
                                 Ihre wichtigsten Dossiers?                                 das Recht auf Anhörung verletzt hat, indem er den im
                                 Als Staatsanwalt war ich für Strafverfahren, die der       März 2015 verfassten Bericht des stellvertretenden Bun-
                                 Gerichtsbarkeit des Bundes unterliegen bzw. interna-       desanwalts, auf den sich die Beanstandungen stützten,
                                 tionale Interessen betreffende Themenbereiche verant-      vor mir versteckte. Da der Ausgang des Verfahrens for-
                                 wortlich. Ich entschied basierend auf bestehenden          mal gesehen eindeutig war, hat das BVGer nicht in der
                                 Verdachtsmomenten über die Eröffnung eines Verfahren,      Sache geurteilt. Es hat jedoch festgehalten, dass meine
                                 über die zu verfolgende Strategie und die Zwangsmass-      Fähigkeiten nicht in Frage gestellt werden konnten und
                                 nahmen (Überwachung, Hausdurchsuchung, Verhaftung,         die vorgebrachten Beanstandungen auf die subjektive
                                 Vernehmung), die zur Klärung des Sachverhalts notwen-      Einschätzung des Bundesanwalts Lauber und seines
Interview:                       dig waren. Ich verfasste die Anklageschrift und hielt      Stellvertreters zurückzuführen seien.
Maria Bernasconi                 das Plädoyer vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona.
                                 Im meiner zwanzigjährigen Laufbahn habe ich meh-           Wie hoch war die Entschädigung, die Sie erhalten haben?
                                 rere heikle Dossiers bearbeitet, die von Spionagetätig-    Wie haben alle bekommen, was wir gefordert hatten.
                                 keiten verschiedener Nationen auf helvetischem Boden       Ich persönlich habe 12 Monatslöhne erhalten. Dies ist
                                 bis hin zu finanziellen Unregelmässigkeiten gewisser       der gesetzlich vorgesehene Höchstbetrag.
                                 Machthaber reichten. Zuletzt kümmerte ich mich um
                                 das Dossier der georgischen kriminellen Organisation       Was raten Sie den PVB-Mitgliedern, die sich
                                 «Diebe im Gesetz», die sich ab 2008 in der Schweiz nie-    in einer ähnlichen Situation befinden?
                                 dergelassen hatte und die zerschlagen werden konnte.       Die durch eine solche Situation ausgelösten Emotionen
                                                                                            erlauben nicht immer eine objektive Argumentation.
                                 Wie kam es, dass Ihr Arbeitsverhältnis                     Es ist demnach wichtig, auf seine innere Stimme zu
                                 mit der Bundesanwaltschaft beendet wurde?                  hören und sich von erfahrenen Leuten beraten zu lassen.
                                 Anfang Mai 2015 hat mich der Bundesanwalt Lauber –         Der Entschluss, in Berufung zu gehen, muss sorgfältig
                                 wie auch drei meiner Kollegen – informiert, dass ich       abgewogen werden, insbesondere aufgrund der Länge
                                 für die nächste Amtsperiode (2016–2019) nicht mehr         eines solchen Verfahrens vor dem BVGer und der da-
                                 bestätigt würde. Die vorgebrachten Beanstandungen          durch verursachten Publizität. Schlussendlich geht es
                                 waren zuvor nie erwähnt worden und standen im völligen     darum, mit sich selber im Reinen zu sein, um beruflich
                                 Wiederspruch mit der jährlichen Mitarbeiterbeurteilung.    wieder durchstarten zu können.
                                 Um ein langwieriges Gerichtsverfahren zu vermeiden,
                                 habe ich zweimal vorgeschlagen, eine Austrittsverein-      Was denken Sie über den Abgang eines weiteren,
                                 barung auszuhandeln – vergebens. Der Bundesanwalt          seit vielen Jahren anerkannten und geschätzten
                                 hat unsere Stellungnahmen ignoriert und wir alle           Staatsanwalts?
                                 wurden per 1. Juli 2015 freigestellt.                      Die Reorganisation der BA im 2016 mit Lohnkürzungen
                                                                                            begründet Bundesanwalt Lauber damit, dass künftig das
                                 Wie konnte Ihnen der PVB helfen?                           Budget von 60 Millionen eingehalten werden müsse. Der
                                 Seine Generalsekretärin hat mich moralisch unterstützt,    Staatsanwalt betonte, dass sein Abgang nicht aus finan-
                                 was unerlässlich ist, um einen solchen Schock zu ver-      ziellen Gründen erfolge, da sein Lohn bis zu seiner Pen-
                                 arbeiten. Dafür möchte ich ihr herzlich danken. Zudem      sionierung garantiert gewesen wäre, sondern aufgrund
                                 wurde ich bei der Wahl meines Anwalts für das Beru-        fehlender Wertschätzung und der innerhalb der BA herr-
                                 fungsverfahren fundiert beraten. Ich konnte von der        schenden Vetternwirtschaft. Zusammen mit den weite-
                                 langjährigen Erfahrung des Anwalts Eric Maugué profi-      ren, von der Presse in den letzten Monaten verbreiteten
                                 tieren, der regelmässig für den PVB tätig ist.             Beschwerden wird die gesamte derzeitige Führung der
                                                                                            Bundesanwaltschaft in Frage gestellt und damit auch
                                                                                            die Leistungsfähigkeit der Strafverfolgung in Bezug auf
                                                                                            Themenbereiche von nationalen Interesse.

                                                                                                                            PVB Magazin-e APC | Dezember 2016
Magazin-e - Vom Postamt zum Supermarkt Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen.
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                                                                                                         Antrittsbesuche/
                                                                                                        sozialpartnerschaft-
                                                                                                           liche Kontakte
             RUAG

             Sozialpartnerschaftliche Infos                                                                      Personalumbau und
                                                                                                                 -abbau Logistikbasis
             Am 26. September 2016 fand die jährlich wie­      der Pensionskasse RUAG an, sieht es eher          der Armee (PUA LBA)
             derkehrende Information der RUAG mit den          düster für die Mitarbeitenden aus. Ab 1. Janu­    «Wer einen guten Job macht,
             Sozialpartnern statt. Der CEO, Urs Breitmeier,    ar 2017 tritt eine neue Regelung des Pensi­       hat in der LBA auch in Zukunft
             erläuterte die aktuelle Situation des Unterneh­   onskassenreglements in Kraft. Dabei werden        eine Zukunft» dies erläuterte
             mens und hielt fest, dass sowohl die Anzahl       der Umwandlungssatz bei den 65­jährigen auf       der Chef der Logistikbasis der
             der neuen Aufträge, der Umsatz und der EBIT       4,57% hinuntergeschraubt, die Sparbeiträge        Armee (LBA) Div Thomas Kaiser
             im ersten Halbjahr des aktuellen Jahres ge­       für Arbeitnehmende und Arbeitgeber um je          anlässlich der Information vom
             steigert werden konnten.                          2% erhöht, und auch der Beitrag des Arbeit­       13. September 2016 den vertretenen So­
               Somit könnte man meinen, dass Freude auf­       gebers an die Überbrückungsrenten fällt weg.      zialpartnern.
             kommen sollte und es keine Wolken am Hori­                                                            Weiter führte er aus, dass er aus heutiger Sicht keine einzige
             zont gibt. Schaut man aber die Entwicklung                                        Jürg Grunder      Kündigung sieht. Momentan soll für 17 Personen (bezogen
                                                                                                                 auf 3250 FTE) bis 31. Dezember 2021 noch keine Stelle ge­
                                                                                                                 funden sein. Die Betroffenen sind darüber informiert.
                                                                                                                   Der PVB hat diese Aussagen gerne gehört, hofft aber auch,
                                                                                                                 dass sich für die Mitarbeitenden, deren berufliche Zukunft
                                                                                                                 noch nicht klar ist, Wege öffnen werden.
                                                                                                                   Im Weiteren schätzt Kaiser den gegenseitigen Austausch
                                                                                                                 sehr, um dadurch in einem fairen Dialog die unterschiedli­
                                                                                                                 chen Standpunkte besser zu verstehen. Standpunkte, die auch
                                                                                                                 für den PVB wichtig sind um sich besser Gehör zu verschaffen
                                                                                                                 und die Fakten aus erster Hand zu erfahren.

                                                                                                                 Personalumbau und -abbau Verteidigung (PUA V)
                                                                                                                 Der Personalchef Verteidigung, Daniel Gafner, hat mit dem
                                                                                                                 Steuerungsausschuss Personalumbau und ­abbau Vertei­
                                                                                                                 digung (PUA V) ein Instrument der Information und des Ge­
© RUAG

                                                                                                                 dankenaustausches mit den Sozialpartnern geschaffen. Es
                                                                                                                 finden in der Regel alle zwei Monate Treffen statt aus denen,
                                                                                                                 wie gegenseitig vereinbart, keine konkreten Aussagen nach
                                                                                                                 aussen getragen werden.

             Dialog VBS                                                                                          Spesen und Zulagen Zoll
                                                                                                                 In zwei Sitzungen wurde mit dem Leiter Personal und Ausbil­
             Weitere Personalkürzungen werden ohne Entlassungen nicht möglich sein.                              dung EZV, Martin Weissleder, sozialpartnerschaftlich über
                                                                                                                 zollspezifische Spesen und Zulagen diskutiert und verhan­
             Am 30. September 2016 fand der zweimal im         Das Wichtigste in Kürze                           delt. Ziel war es, die Vorschriften zu vereinfachen und den
             Jahr stattfindende Dialog VBS, eine Ausspra­      Der PVB hat erfahren,                             Aspekt der Gerechtigkeit zu berücksichtigen. Die Resultate
             che der VBS­Personalchefs mit dem PVB, statt.     • dass sich der Chef VBS gegen Kürzungen in       werden dem gesamten Zollpersonal mittels Weisungen kom­
             Geleitet wurde er durch den HR­Leiter VBS,          den Personalkrediten bei einem Stabilisie­      muniziert.
             Marc Siegenthaler. Treffpunkt war die Arma­         rungspaket 2018–2020 wehren wird, da
             suisse in Thun, wo im Anschluss an die Aus­         sonst z. B. die aufgegleiste Weiterentwick­     Aussprache mit dem Generalsekretariat
             sprache eine Besichtigung des Kompetenz­            lung der Armee (WEA) nicht umsetzbar sein       des Eidg. Finanzdepartements (GS-EFD)
             centers Wissenschaft und Technik der                wird. Weitere Personalkürzungen werden          Am 19. Oktober 2016 traf sich der PVB, vertreten durch Rahel
             Armasuisse stattfand.                               ohne Entlassungen nicht möglich sein.           Imobersteg und Jürg Grunder, mit der neu gewählten General­
                                                               • dass der Chef VBS grossen Wert auf das kor­     sekretärin des EFD, Rahel von Känel, zu einem ersten Gedan­
                                                                 rekte Handling der Themen Nebenbeschäf­         kenaustausch. Dabei ging es darum, die beiden Positionen zu
                                                                 tigungen, Interessenkonflikte und Befan­        erläutern sowie die aktuellen Ansichten und anstehenden He­
                                                                 genheit legt. Die Verletzung der Meldepflicht   rausforderungen auszutauschen. Wir stiessen bei ihr, wie
                                                                 kann einen Kündigungsgrund darstellen.          auch bei ihrem Vorgänger, Jörg Gasser, auf offene Ohren.

                                                               Der PVB schätzt den offenen, transparenten        Aussprache mit dem Oberzolldirektor (OZDir)
                                                               Dialog sehr und hat den anwesenden Perso­         Am 18. Oktober 2016 fand eine Aussprache mit dem neuen
                                                               nalverantwortlichen sein Feedback zur aktu­       Oberzolldirektor, Christian Bock, statt. In einer offenen,
                                                               ellen Situation, die schwergewichtig im Be­       transparenten Diskussion wurden die Ansichten zum Zoll ge­
                                                               reich des Personalumbaus und ­abbaus in der       nerell sowie zur Edelmetallkontrolle diskutiert. Eine grosse
                                                               Verteidigung liegen, dargelegt.                   Herausforderung für die Zukunft wird die IT des Zolls sein.
© VBS DDPS

                                                                                                                 Herr Bock ist zuversichtlich, dass auch weitere Veränderun­
                                                                                               Jürg Grunder      gen ohne Entlassungen verlaufen werden. Ein Interview mit
                                                                                                                 ihm finden Sie auf Seite 6 dieser Ausgabe.

                                                                                                                                                      PVBMagazin-e APC | Dezember 2016
Magazin-e - Vom Postamt zum Supermarkt Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen.
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 Zum Wandel der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst unter neoliberalen Vorzeichen

 Vom Postamt zum Supermarkt
 Prof. Franz Schultheis           Liberalisierung, Privatisierung und Ökonomisierung öffentlicher Dienstleistungen haben die
 Universität St. Gallen           Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, sei es bei Bund, Kanton oder Gemeinde, tiefgreifend
                                  und nachhaltig verändert. Im öffentlichen Dienst tätig zu sein, versprach früher Sicherheit und
                                  Auskommen sowie Chancen zur beruflichen Weiterentwicklung. Der öffentliche Sektor bildete
                                  den arbeits- und sozialrechtlich stilbildenden Kern der modernen Arbeitsgesellschaft.

                                  Unsere gegenwärtigen Vorstellungen von einem Normalarbeitsverhältnis und von einer
                                  gelungenen Erwerbslaufbahn sind immer noch in starkem Masse von den Beschäftigungsstan-
                                  dards im öffentlichen Sektor geprägt. In den letzten Jahren haben sich jedoch weite Bereiche
                                  der öffentlichen Dienstleistungen von einem Stabilitätszentrum der Arbeitswelt zu einem
                                  Ort entwickelt, an dem prekäre, unsichere und unverbindliche Beschäftigungsverhältnisse
                                  deutlich an Gewicht gewinnen.
© Die Post

                                                                                                             PVB Magazin-e APC | Dezember 2016
| Dossier |      11

Erosion des Ethos
des Service Public
Auch wenn die tiefgreifenden Verän­
derungen in den öffentlichen Diensten
oft erhebliche materielle Folgen für
die Arbeitskräfte nach sich ziehen, ist
für die Beschäftigten der symbolische
Wandel ihres Arbeitsfeldes oft nicht
minder wichtig. Mit den Umstruk­
turierungen sind einschneidende Ver­
schiebungen von Hierarchien und
Positionen, aber auch von Arbeitspro­
zessen und Funktionen, verbunden,
von denen sozialer Status und Wert­
schätzung abhängig sind. In der sub­
jektiven Wahrnehmung der Metamor­
phosen der Arbeit sind daher neben
Verteilungsfragen die sich wandeln­
den Anerkennungsverhältnisse von
zentraler Bedeutung. Werden symboli­
sche Ordnungen brüchig, entzieht der
Wandel der Institutionen den damit
verknüpften Anerkennungsformen die
Grundlage. Diese Veränderungen be­
rühren die berufliche Identität und
das Selbstverständnis der Beschäftig­
ten. Zudem haben die Beschäftigten
                                                     © Die Post

im öffentlichen Dienst in der Regel
auch eine spezifische berufliche Sozi­
alisation durchlaufen. Neue Zweck­
setzungen der Organisationen und ge­
änderte berufliche Anforderungen an       Institution wie ein Postamt heute ei­              Fairness und Gerechtigkeit eine be­      orientierung verloren, die für viele
die Beschäftigten geraten in Wider­       nem Supermarkt oder Kiosk ähneln                   sondere Rolle spielen. Da sich unsere    Arbeitende zu einem Teil ihrer beruf­
spruch zu internalisierten normativen     kann. Somit kann der Wandel in den                 empirische Forschung auf Ebene kan­      lichen Identität geworden war.
Orientierungen.                           öffentlichen Diensten auch als «De­                tonaler und kommunaler Dienstleister       Kann man unter diesen Bedingungen
  Gerade der frühere Kern der öffent­     Institutionalisierung» von Status und              situiert, können die hier angestellten   überhaupt noch empirische Hinweise
lichen Beschäftigung, nämlich der Be­     Anerkennung gelesen werden. Aber                   Überlegungen und präsentierten em­       für einen Fortbestand eines distinkti­
amtenstatus, wurde in den öffentli­       wir wirken sich diese Veränderungen                pirischen Befunde nur indirekt auf die   ven Public­Service­Ethos finden und
chen Debatten der Jahrtausendwende        auf die Selbstverhältnisse, Rollen­                Ebene der Bundes­Bediensteten über­      wenn ja, welche Ausdrucksformen fin­
primär als kollektive Bürde thema­        wahrnehmungen und den Berufsethos                  tragen werden, jedoch dürften die        det dieser?
tisiert und als überhöhter Kostenfak­     der Angestellten selbst aus?                       analysierten Entwicklungstendenzen         Beginnen wir erst einmal mit Hin­
tor gedeutet, der zu reduzieren sei                                                          und erhobenen Einstellungen und Be­      weisen auf einen Niedergang der tra­
und dann in einer Volksabstimmung         Befindlichkeiten und Selbst-                       findlichkeiten hier dennoch durchaus     ditionellen Rolle und ihrer berufsethi­
im Jahr 2000 auf Bundesebene weit­        verständnisse im Service Public                    relevant und anschlussfähig sein.        schen Dispositionen. Diese situieren
gehend abgeschafft wird. Auch auf re­     Unser Beitrag ist aus einem Dreilän­                 Die Post erweist sich in mehrfacher    sich in der Regel im Kontext kritisch
gionaler Ebene hat sich bislang rund      der­Projekt zu den Veränderungen                   Hinsicht als exemplarisches Feld für     beleuchteter Veränderungen der Ar­
die Hälfte der Kantone für einen sol­     der Arbeitswirklichkeit öffentlicher               die Untersuchung der Transformation      beitswelt.
chen Schritt ausgesprochen. Ausge­        Dienstleistungen hervorgegangen1.                  öffentlicher Dienstleistungen: Die He­
nommen sind nur wenige Personen­          Aus einem Fundus von rund 150 ge­                  rauslösung aus der öffentlichen Ver­     Vom Postamt zum Supermarkt
gruppen in hoheitlichen Funktionen,       führten qualitativen Interviews in den             waltung und Überführung in ein for­      Unterminiert wird das Berufsethos der
etwa Richter, Finanzbeamte und auch       Arbeitsfeldern der Postdienste, der                mal oder auch materiell privatisiertes   Befragten nicht zuletzt durch einen
die Polizei. Wertschätzungskonflikte      Gesundheitsversorgung und der Kom­                 Unternehmen in einem teils vollstän­     grundlegenden Wandel der von ihnen
betreffen aber auch die bisherigen        munalverwaltung haben wir «Fälle»                  dig liberalisierten Markt geht mit um­   abverlangten Tätigkeiten, die sich vom
Vertragsbediensteten. Denn nicht          bzw. Fallkonstellationen ausgewählt.               fassender Rationalisierung und Kom­      traditionellen Typus hoheitsstaatli­
mehr das Verwalten, Gewährleisten         Anhand dieser Fälle verdeutlichen wir              merzialisierung der Dienstleistung       chen Verwaltens öffentlicher Güter hin
und der Dienst am Bürger wird ge­         unterschiedliche Erfahrungen und                   einher. Und die neugestaltete Arbeit     zum marktmässigen Dienstleisten
würdigt, sondern mehr und mehr            Wahrnehmungsmuster der jeweils ei­                 macht es aufgrund des ständigen Zeit­    wandeln. So berichtet eine Schweizer
durch Kommerzialisierung, New Pub­        genen Arbeitswelt, wobei Fragen nach               drucks fast unmöglich, die bisherigen    Poststellenleiterin: … «ja, der Job am
lic Management und Privatisierung                                                            Ansprüche an befriedigende Bezie­        Schalter … und das ist natürlich
treten Verkaufsorientierung, Kosten­                                                         hungen zu den Bürger­ oder nun­          schon so, der Poststellenleiter, eben,
                                          1 Schultheis, Franz; Mau, Kristina & Vogel,
bewusstsein und Gewinnerzielung in                                                           mehrigen Kund/innen einzulösen. Mit      er ist heute Verkäufer am Schalter. Es
                                            Berthold Hrsg. (2014). Im öffentlichen Dienst:
den Vordergrund, was sich z. B. darin       Kontrastive Stimmen aus einer Arbeitswelt        einer Arbeitskultur geht damit gleich­   ist … er kümmert sich um Warenbe­
äussern kann, dass eine altehrwürdige       im Wandel. Bielefeld: transcript.                zeitig eine spezifische Gemeinwohl­      wirtschaftung, er muss schauen, dass

                                                                                                                                                   PVBMagazin-e APC | Dezember 2016
12   | Dossier |

                                                                                                                              man am Anfang schon sehr Mühe, weil
                                                                                                                              es auch neu war und von uns verlangt
                                                                                                                              wurde. Und wir sagten immer: Wir
                                                                                                                              sind keine Verkäufer! Es war für uns
                                                                                                                              Überwindung.» Über den eigenen
                                                                                                                              Schatten springen müssen, gegen das
                                                                                                                              eigene eingefleischte Berufsethos ver­
                                                                                                                              stossen: das scheint die Forderung der
                                                                                                                              Zeit, wie sie bei der modernisierten
                                                                                                                              Post zu schlagen scheint. Auch hier
                                                                                                                              wieder klare Hinweise auf die kogni­
                                                                                                                              tiv­moralische Leitdifferenz zwischen
                                                                                                                              öffentlichen und marktmässigen Gü­
                                                                                                                              tern, an denen viele der Befragten
                                                                                                                              Pöstler weiterhin festzuhalten schei­
                                                                                                                              nen, auch wenn diese angesichts zu­
                                                                                                                              nehmender, und oft als unfair angese­
                                                                                                                              hener Konkurrenz durch private

                                                                                                               © Die Post
                                                                                                                              Anbieter solcher Dienstleistungen im­
                                                                                                                              mer mehr in Bedrängnis gerät: «Wir
                                                                                                                              haben natürlich einen Auftrag vom
                                                                                                                              Bund. Ganz klar. Wir haben eine ge­
                                                                                                                              setzliche Vorlage, dass wir zum Bei­
seine Produkte draussen im Schalter,       männlichen Platzhalters assoziiert, so   ren früheren Status zu übernehmen,        spiel diese Briefe zustellen müssen.
dass die da sind, dass die richtig sind,   sind die Männer mittlerweile, und dies   welcher im Zuge dieser Entwicklung        Wir haben einen ganz klaren Auftrag.
dass sie à jour sind, dass man es …        innert weniger Jahre, zu einer deut­     ebenso radikalen Redefinitionen un­       Und was eben das Problem ist bei die­
und das ist natürlich ein Amt, das ist     lichen Minderheit in dieser Berufs­      terzogen wurde.                           sen Privaten, sie picken natürlich nur
eben Detailhandel. Und das ist das,        sphäre geschrumpft und Frauen mehr         Erfahren wird dies oft als Degradie­    die Rosinen, also die gehen Zürich­
dieser Platz, der jetzt halt eingenom­     und mehr an ihre Stellen getreten,       rung: «Aber einfach das, was alles ver­   Bern­Basel. Und wir gehen … natür­
men wird, draussen bei der Poststelle,     ohne jedoch schlicht und einfach de­     ändert wurde und so weiter. Da hatte      lich in alle Ecken.»
wo auch der Kunde mittlerweile sich
dann schon noch daran gewöhnt, dass
wir eben Verkäufer sind. Und das hat         Der hohe Preis vermeintlicher Rationalisierung
vielleicht einen Grund, dass Männer
im Moment, dann ja, weniger das ma­          Die Veränderungen bei der Post führten aber auch dazu, dass sich die Beschäftigten in ihrem beruflichen Selbst-
chen wollen.» Und ein männlicher             verständnis auf eine eher instrumentelle Haltung zurückzogen. Jedenfalls dürfte dieser Beruf – von vornherein
Kollege: «Früher als Poststellenleiter       oder inzwischen – relativ wenige Identifikationsmöglichkeiten bieten. Der Berufsstolz scheint angesichts der
habe ich nur Administration gehabt,          hohen Belastungen darauf zusammengeschmolzen zu sein, dass man die tagtäglichen Anforderungen irgendwie
Personalführung und Administration.          schafft.
Und Kundenkontakt einfach nur KMU,
oder. Also ’nur’. Da hat man Zeit ge­
                                             Identitäten, auch berufliche Identitäten, sind aber weder festgefügt und homogen noch einheitlich. Während bei
habt für die. Und heute ist es einfach
                                             den einen Betroffenen eine Verletzung ihrer moralischen Werte und ihres Ehrgefühls zu erkennen ist («ich finde
der Allrounder, wo primär Verkauf,
achtzig Prozent, neunzig Prozent Ver­        das abstossend»), irritiert andere eher der Verlust an symbolischem Kapital an sich («wie ein Supermarktverkäu-
kauf und nur ganz am Rande, in den           fer», so ein Schalterangestellter; «wie ein ganz normaler Zusteller», so ein Briefträger, der sich auf den körperli-
Randzeiten wird noch Administration          chen Aspekt der Arbeit reduziert sieht). Manchen Beschäftigten kamen die Transformationen aber auch entge-
gemacht. Ja.»                                gen, wenn beispielsweise die Anforderung «zu verkaufen» ihrem Habitus und Selbstverständnis eher entspricht
  Kurzum: man berichtet uns von              als die Einordnung in ein bürokratisches Gefüge. Entsprechend zeigte sich, dass es bei den Umbrüchen in den
grundlegenden Metamorphosen des              Anforderungen und symbolischen Ordnungen nicht nur «Anerkennungsverlierer-», sondern auch «Anerken-
Status und der Berufsrolle des Post­         nungsgewinner/innen», gibt. Aber nur wenige dürften zu den «Gewinner/innen» zählen und ihr Gewinn ist nur
beamten vom Administrator zum Ver­           relativ in dem Sinne, dass sie insgesamt gesehen weniger verlieren und die ständig steigenden Anforderungen
käufer.                                      länger als Herausforderungen wahrnehmen können als andere.
  Wie aus den Erzählungen unserer
beiden Protagonisten einhellig her­
                                             Welche Prognosen für die Zukunft des Service Public lassen sich vor diesem Hintergrund skizzieren? Wie die
vorgeht, hat sich mit der radikalen
Reform der Post auch ein grundlegen­         jüngsten Reaktionen der Bevölkerung auf die Ankündigung einer massiven Reduktion der Poststellen exempla-
der Wandel der Rekrutierung ihrer            risch vor Augen führt, wird der Service Public weiterhin als zentrales Merkmal unserer demokratischen Teilhabe-
Mitarbeiter eingestellt. War der Post­       rechte an öffentlichen Gütern der Daseinsvorsorge geschätzt. Deren Einschränkungen wurden politisch entschie-
stellenleiter zuvor traditioneller Weise     den – sie können auch politisch rückgängig gemacht werden! Dafür müssten die Adressaten – kurz: die
männlich, ja wurde diese allseits be­        Bevölkerung- ihre berechtigten Bedürfnisse und Ansprüche geltend machen und nicht passiv ihre Beschneidun-
kannte öffentliche Figur oft stereotyp       gen erdulden. Ob das stille Bedauern eines allmählichen Verlustes in Widerständigkeit und politischen Protest
mit den Attributen des verbeamteten          umgesetzt werden kann, ist eine offene empirische Frage.

                                                                                                                                          PVB Magazin-e APC | Dezember 2016
| Interview |       13

                                    Barbary Gysi,
                                    neue Präsidentin des PVB
                                    Die Nationalrätin Barbara Gysi wurde an der Delegiertenversammlung
                                    vom 3. November 2016 zur Präsidentin gewählt. Gespräch mit einer
                                    Politikerin am Puls der Zeit.

Interview:   Was hat Sie bewogen, sich politisch zu engagieren?           Wie wollen Sie die Herausforderungen annehmen,
Luc Python   Ich bin zu Hause und in der Schule politisiert worden.       die Sie an der Spitze des PVB erwarten?
             Persönlich standen mir viele Türen offen und ich hatte       Konkret, informierend, gemeinsam.
             viele Freiheiten, doch ich erlebte rasch, dass das nicht     Konkret: Die Forderungen sind klar: Es darf keinen
             für alle so ist und wir riesige Ungleichheiten haben.        weiteren Abbau und Verschlechterungen der Arbeits-
             Während dem Studium war ich vor allem frauenpolitisch        bedingungen geben. Es braucht genügend (Personal)
             aktiv. Später, nach der berufsbegleitenden Ausbildung        Ressourcen für die verlangten Aufgaben. Die dauernden
             als Sozialpädagogin, bin ich in die SP eingetreten. Ich      Reorganisationen schaden der Aufgabenerfüllung und
             wollte aktiv an den Rahmenbedingungen verändern und          der Motivation.
             nicht nur als Sozialarbeiterin Menschen individuell un-      Informierend: Wir müssen aufzeigen, was das Bundes-
             terstützen und stärken. Chancengleichheit und Gerech-        personal leistet.
             tigkeit sind für mich zentral.                               Gemeinsam: Wir müssen Gleichgesinnte und Partner/
                                                                          innen für unsere Anliegen finden und Allianzen schmie-
             Welches sind Ihre bevorzugten Themen in der Politik?         den, um unsere Anliegen durchzubringen.
             Durch meinen Beruf geprägt sind es die Sozial- und Ge-
             sundheitspolitik sowie Jugend- und Altersfragen. Ich bin     Was haben Sie für Hobbys?
             im Nationalrat auch in der Kommission für soziale Sicher-    Kultur, Berge, Bewegun
             heit und Gesundheit. Ich habe mich aber immer auch in
             der Finanz- und Wirtschaftspolitik engagiert. Als linke      Haben Sie einen Traum?
             Frau war und ist es mir wichtig aufzuzeigen, dass unsere     Eine gerechtere Welt
             Politik finanzierbar ist und ich weiss nur zu gut, dass
             eine effektive Sozial- und Gesundheitspolitik nur mög-
             lich ist, wenn wir eine Finanz- und Wirtschaftspolitik
             betreiben, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist.                Ein kulinarischer Leckerbissen: Indisch –
                                                                            in allen Variationen, aber vegetarisch
             Welche Gründe sind dafür verantwortlich,                       Ein Land, das Sie zum Träumen bringt:
             dass Sie sich als Präsidentin des PVB zur Verfügung            Himalaya – Region
             gestellt haben?                                                Eine Musikrichtung: Worldmusic
             Ich war viele Jahre im öffentlich Bereich tätig und habe       Jemanden, die oder den Sie bewundern:
             mich politisch immer für gute Arbeitsbedingungen ein-          Simone de Beauvoir
             gesetzt. Als Exekutivpolitikerin (Stadträtin in Wil SG von     Etwas, das Sie ärgert: Unehrlichkeit
             2001 bis 2012) hatte ich eine gendergerechte Personal-         Etwas, was Sie immer zum Lachen bringt:
             politik durchgesetzt und für gute Arbeitsbedingungen           gute Cartoons
             gesorgt. Gleichzeitig bin ich eine Befürworterin eines         Etwas, das Sie stolz macht: Gemeinsam mit
             starken und leistungsfähigen Staates und Service Public        anderen etwas zu erreichen
             mit guten Leistungen. Das geht aber nur mit motiviertem
             Personal und genügend Ressourcen. Das ist mit den un-          Über mich
             verantwortlichen Kürzungen und dem Abbau in Gefahr.            • 52-jährig, wohnhaft in Wil SG
             Als Mitglied der Finanzkommission (von 2011–2015) habe         • in langjähriger Partnerschaft
             ich vertieft mit dem PVB zusammengearbeitet und mich           • dipl. Sozialpadägogin, MAS public management
             auch im Nationalrat für das Bundespersonal eingesetzt.         • Nationalrätin seit 2011, Mitglied Kommission
                                                                              für Soziale Sicherheit und Gesundheit, Ersatz-
                                                                              mitglied Finanzkommission
                                                                            • www.barbara-gysi.ch

                                                                                                         PVBMagazin-e APC | Dezember 2016
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