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Inhalt • Sommaire Ausgabe 12 Edition 12 Gestationsdiabetes Diabète gestationnel Aktuell 2 Actualité 30 Editorial Maria-Pia Politis Mercier, Lausanne 5 Editorial Maria-Pia Politis Mercier, Lausanne 33 Dossier 4 Dossier 32 Gestationsdiabetes – aktueller Wissensstand Les chaînons manquants de la promotion und Umsetzung in der Praxis de la santé après un diabète gestationnel Evelyn A. Huhn, Catherine Wiesner, Olav Lapaire, Basel Barbara Kaiser, Genève Neonatologische Probleme bei Diabetes 8 Diabète gestationnel: en avant, bougeons ! 35 in der Schwangerschaft Gabriel Konetzny, Aarau Dominique Rouge, Genève Fokus 12 Mosaïque 37 «Bewegte Schwangerschaft» – wirksame «La grossesse en mouvement» Sportprogramme zur Prävention und Therapie Sophie Brechbühl, Berne et Corinne Zimmermann, Bâle von Gestationsdiabetes Sophie Brechbühl, Bern, Corinne Zimmermann, Basel Infos sur la recherche 38 Mosaik 16 Fédération 20 Ante- und postnatale psychische Störungen: Forschung für eine wirksame Betreuung Sections 23 Anke Berger und Eva Cignacco Müller, Bern Formation continue FSSF 25 Neues aus Wissenschaft und Forschung 18 En librairie 39 Verband 20 Sektionen 23 Fort- und Weiterbildung SHV 24 Thema der Ausgabe 1/2 2015 Thème de l’édition 1/2 2015 Fetale Herztonüberwachung CTG, cardiotocographie fœtale Erscheint Anfang Januar 2015 Parution début janvier 2015 112. Jahrgang | 112e année Geschäftsstelle | Secrétariat Rosenweg 25 C, Postfach, CH-3000 Bern 23, T +41 (0)31 332 63 40, F +41 (0)31 332 76 19 info@hebamme.ch, www.hebamme.ch, www.sage-femme.ch Öffnungszeiten von Montag bis Freitag | Heures d’ouverture du lundi au vendredi 8:15–12:00 / 13:30–17:15 Offizielle Zeitschrift des Schweizerischen Hebammenverbandes | Journal officiel de la Fédération suisse des sages-femmes | Giornale ufficiale della Federazione svizzera delle levatrici | Revista uffiziala da la Federaziun svizra da las spendreras Erscheinungsweise 10 Mal im Jahr, Doppelausgaben im Januar / Februar und Juli /August | Parution 10 éditions par année, numéros doubles en janvier / février et en juillet /août Foto Titelseite Der SHV dankt Maike Hofstede, Zürich Photo couverture La FSSF remercie Maike Hofstede, Zurich
Aktuell nachverfolgen zu können. Geprüft wer- Welche Kantone nahmen in ihren Spi Die Ausbildung des den soll, ob das Gesetz auch Master- tälern am meisten Patientinnen und Pa- Studiengänge und die entsprechende tienten aus anderen Kantonen auf? Gesundheitspersonals Berufsausübung zu regeln hat. Der Ba- Zu diesen und zahlreichen weiteren chelor soll aber grundsätzlich der berufs- Fragen liefert die «Gesundheitsstatistik fördern befähigende Abschluss bleiben. Unter 2014» Antworten, und zwar in Form von Einbezug der Partner im Bildungs- und rund 150 Grafiken und Karten. Auf rund Die Qualität in den an Fachhochschulen Gesundheitsbereich wird zudem geklärt, 90 Seiten vermittelt sie einen Überblick vermittelten Gesundheitsberufen soll ge- ob weitere Berufe der Fachhochschul- über die neuesten verfügbaren Daten. fördert werden. Dies will der Bundesrat stufe und der höheren Berufsbildung Die Ergebnisse der letzten, 2012 durch- unter anderem mit einem neuen Gesund- aufgenommen werden sollen. geführten Gesundheitsbefragung sind heitsberufegesetz sicherstellen. Der ent- Mehr Informationen unter: www.bag.admin.ch in diesem Überblick ebenfalls enthalten. sprechende Gesetzesentwurf ist in der Ein Glossar und eine Beschreibung der Vernehmlassung positiv aufgenommen Erhebungen, auf denen die Gesundheits- worden. Der Bundesrat hat deshalb das statistik beruht, vervollständigen den Eidgenössische Departement des Innern Gesundheitsstatistik Bericht. (EDI) sowie das Eidgenössische Departe- Mehr Informationen unter: www.bfs.admin.ch › ment für Wirtschaft, Bildung und For- 2014 aktualisiert Themen › 14 – Gesundheit › Aktuell schung (WBF) beauftragt, bis im Herbst 2015 eine Gesetzesbotschaft auszuar- Das Bundesamt für Statistik (BFS) beiten. hat Anfang November eine vollständig Das neue Bundesgesetz über die Gesund- aktualisierte Version der Gesundheits- Paracetamol in heitsberufe (GesBG) formuliert gesamt- statistik veröffentlicht. Sie liefert einen schweizerisch einheitliche Anforderun- Überblick über die verfügbaren statis der Schwangerschaft gen an die Ausbildungen in Pflege, tischen Daten zum Gesundheitszustand Physiotherapie, Ergotherapie, Hebamme der Bevölkerung, zu den häufigsten Paracetamol gehört zu den beliebtesten sowie Ernährung und Diätetik auf Bache- Todesursachen, den Änderungen des schmerzlindernden und fiebersenkenden lor-Stufe. Weiter regelt es die Ausübung Gesundheitsverhaltens sowie zur Arzneimitteln. Zudem gilt die in so be- der entsprechenden Berufe in eigener Entwicklung des Gesundheitswesens kannten Präparaten wie Panadol oder fachlicher Verantwortung. und dessen Finanzierung. Dafalgan enthaltene Wirksubstanz als Nach der Vernehmlassung hat der Bun- besonders sicher, weshalb sie auch in der desrat zudem beschlossen, ein nationales Welches sind die häufigsten Todesursa- Schwangerschaft eingenommen werden Register für Gesundheitsberufe zu schaf- chen in der Schweiz und wie entwickeln darf. Ob Paracetamol für das ungeborene fen. Ziel ist, damit die Patientensicher- sie sich? Welche Regionen weisen die Kind jedoch tatsächlich so harmlos ist, heit zu erhöhen und die Berufsausübung höchste Kaiserschnittrate auf? darüber wird seit einigen Jahren gestrit- ten. Nun wird auch in der Schweiz eine Verschärfung der Warnhinweise in der Packungsbeilage gefordert. Nationale Konferenz «Interprofessionelle Neuere Studienresultate Bildung der Gesundheitsfachpersonen» Die Bedenken gegenüber Paracetamol basieren auf neueren Untersuchungen, Donnerstag, 4. Dezember 2014, Stade de Suisse, Bern welche die Wirksubstanz mit dem Auf- treten von Störungen wie dem «Zappel verschiedener Gesundheitsberufe besser philipp»-Syndrom (ADHS) in Zusammen- koordinieren und die interprofessionelle hang bringen. So hat eine im April 2014 Zusammenarbeit in der Lehre verankern veröffentlichte Studie mit über 64 000 zu können. dänischen Müttern und ihren Kindern Diese Neuausrichtung der Lehre, die ihre ergeben, dass sich bei Kindern, die im Akzente auf Schnittstellen zwischen den Mutterleib Paracetamol ausgesetzt wa- Bildungsgängen verschiedener Gesund- ren, das ADHS-Risiko um 37 Prozent er- heitsberufe setzt, basiert auf den Arbei- höhte. Ein Jahr zuvor war eine Studie in ten der Themengruppe «Interprofessio- Norwegen mit über 48 000 Kindern zu Die vom Bundesamt für Gesundheit nalität» der Plattform «Zukunft ärztliche ähnlichen Ergebnissen gelangt. Neben (BAG) organisierte Konferenz hat zum Bildung». In der Charta «Zusammenarbeit Hyperaktivität stellten die Forscher bei Ziel, die interprofessionelle Lehre an den der Fachleute im Gesundheitswesen». die den Kindern auch motorische Probleme medizinischen Fakultäten und anderen Ende November 2014 veröffentlicht wird, und ein gestörtes Kommunikationsver- Bildungsinstitutionen einzuführen und kommt der interprofessionellen Aus-, halten fest. Auch wenn damit noch nicht zu integrieren, eventuelle Hürden zu eru- Weiter- und Fortbildung ebenfalls ein bewiesen ist, dass Paracetamol die Schä- ieren und somit eine geeignete Grund- hoher Stellenwert zu. den verursacht hat, sind einige Fachleute lage zu schaffen, um die Bildungsgänge Mehr Informationen unter: www.bag-meeting.ch doch besorgt. Quelle: Neue Zürcher Zeitung, Montag, 3. 11. 2014 2 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2014
der komplexen modernen Medizin aus Kinder und Jugend Bessere Daten helfen und fragt nach der Ausgestaltung einer nachhaltigen medizinischen Versorgung. liche als kompetente Krebserkrankungen Eintritt frei, Teilnehmerzahl jedoch begrenzt. Anmeldung obligatorisch unter: Konsumenten besser zu verstehen www.forum.unibe.ch/de/pro_Medizin.htm Mit einer schweizweit einheitlichen Krebsregistrierung können Prävention, Früherkennung und Behandlung von Projekt «Nachhaltiges Krebserkrankungen verbessert werden. Der Bundesrat hat einen entsprechen- Gesundheitssystem» den Gesetzesentwurf verabschiedet. Mit ihrem neuesten Bericht setzt sich Die Daten werden weiterhin in den kan- mit eigener Website die Eidgenössische Kommission für Kin- tonalen Krebsregistern erfasst. Die Pa der- und Jugendfragen dafür ein, dass tientinnen und Patienten können der Kinder und Jugendliche frühzeitig einen Registrierung jederzeit widersprechen. überlegten Umgang mit Geld und Kon- Mehr Informationen unter: sum lernen. Experten aus Marketing, www.bag.admin.ch › Themen › Gesundheits Konsumentenschutz, Präventionsarbeit politik › Krebsregistrierungsgesetz und Wissenschaft kommen im Bericht zu Wort und beleuchten aus verschiede- nen Blickwinkeln, warum es so wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche zu kom- Ist weniger mehr? petenten Konsumenten werden und wie sie dabei unterstützt werden können. Grenzen der modernen Mehr Informationen unter: www.ekkj.admin.ch Medizin Neue Grundlage für grenzüberschreitende Die Akademien der Wissenschaften Schweiz lancieren die Website www. Zusammenarbeit im roadmap-gesundheitssystem.ch, welche die Fortschritte auf dem Weg zu einem Gesundheitsbereich nachhaltigen Gesundheitssystem für die Schweiz dokumentieren soll. Im gleich- Im Gesundheitswesen soll eine grenz- namigen Blog stellen die Akademien überschreitende Zusammenarbeit in eine Plattform zur Verfügung, um die grenznahen Regionen grundsätzlich neuesten Entwicklungen mit Expertin- möglich sein. Der Bundesrat schickt nen und Experten zu diskutieren. eine entsprechende Regelung in die Ver- Die Website richtet sich an Ärzte, Pflege- nehmlassung. Weiter sollen alle Versi- Fünf Veranstaltungen des Forums personal, Spitäler, Versicherer, die Ge- cherten der obligatorischen Kranken- für Universität und Gesellschaft der sundheitsbehörden und weitere am pflegeversicherung ihren Arzt in der Universität Bern im Winter 2014 / 2015 Thema interessierte Personen. Mittels ganzen Schweiz ohne finanzielle Nach- Medienspiegel und Berichterstattung teile frei wählen können. Bisher wurden Die Medizin hat in den letzten Jahr aus den Fachgesellschaften beziehungs- die Kosten höchstens nach dem Tarif zehnten enorme Fortschritte gemacht. weise aus der Politik schafft sie einen vergütet, der am Wohn- oder Arbeitsort Das molekulare Verständnis des gesun- Überblick zu den Entwicklungen und ak- eines Versicherten oder in dessen Um- den und kranken menschlichen Körpers, tuellen Diskussionen rund um das gebung gilt. die Nutzung dieser Kenntnisse zur Ent- schweizerische Gesundheitswesen. Mehr Informationen unter: www.bag.admin.ch › wicklung von hochwirksamen Medika- Mehr Informationen unter: Themen › Krankenversicherung › Revisionen menten, die Entschlüsselung des Erbgu- www.roadmap-gesundheitssystem.ch der Krankenversicherung › KVG Anpassungen mit tes sowie technologische Fortschritte in internationalem Bezug Bildgebung und Chirurgie bieten neue Ansätze, um Krankheiten vorzubeugen, zu heilen oder zumindest die Lebens- qualität markant zu verbessern. Die 5-teilige Veranstaltungsreihe leuch- tet mit interdisziplinären Referaten und Diskussionen Möglichkeiten und Grenzen 12 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 3
Dossier Gestationsdiabetes – aktueller Wissensstand und Umsetzung in der Praxis Gestationsdiabetes ist mittlerweile die häufigste medizinische Schwangerschaftskomplikation. Die Screeningmethode für Gestationsdiabetes und die Betreuung in der Schwangerschaft und Geburt sind weiterhin viel diskutierte Themen. Ziel dieses Artikels ist es, eine kurze Übersicht zu geben über das Verständnis der Entstehung von Gestationsdiabetes, die seit 2011 von der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) im Expertenbrief No. 37 empfohlenen Blutzuckergrenzwerte und die neuesten Empfehlungen zur Betreuung während Schwangerschaft, um die Geburt und im Wochenbett. Evelyn A. Huhn, Catherine Wiesner, Olav Lapaire, Basel Einleitung Screening vor und nach HAPO Gestationsdiabetes (GDM) ist definiert als Glucoseinto- In den 1960er-Jahren legten O’Sullivan und Mahan Grenz- leranz, die in der Schwangerschaft erstmals auftritt oder werte für den oralen Glucosetoleranztest (oGTT) (damals erkannt wird [ 1 ]. Es ist eine Störung des Glucosestoff- noch als Zweistufentest mit 50 g und 100 g Glucose) für wechsels, die sich im Schwangerschaftsverlauf vor allem das zweite und dritte Trimenon fest. Die diagnostischen durch diabetogene / antiinsulinäre Hormone der Plazenta Grenzwerte basierten auf dem mütterlichen Risiko, acht entwickelt, nach der 24. Schwangerschaftswoche diag- Jahre nach der Schwangerschaft einen Typ-II-Diabetes zu nostiziert werden kann und direkt nach der Geburt in den entwickeln und waren nicht prädiktiv für ein schlechtes meisten Fällen wieder verschwindet. Frauen mit GDM Geburtsoutcome (O’Sullivan et Mahan, Diabetes 1964). haben ein erhöhtes Risiko an schwangerschaftsinduzier- Die Prävalenz des GDM lag mit diesem Test bei 2,5 %. ter Hypertonie oder Präeklampsie zu erkranken [ 2 ] sowie Im Jahr 2011 hat die SGGG die neuen diagnostischen ein erhöhtes Risiko einen Kaiserschnitt zu erhalten mit Kriterien nach 75 g oralen Glucosetoleranztest übernom- allen dazugehörigen potenziellen Nachteilen für Mutter men, die auf einer Beobachtungsstudie von 2008 basie- und Kind. Das Kind einer Schwangeren mit GDM hat ein ren [ 5 ]. Diese «Hyperglycemia and Adverse Pregnancy erhöhtes Risiko für Makrosomie (Gewicht ≥ 90. Perzen- Outcome» (HAPO)-Studie beschrieb zum ersten Mal eine tile), neonatale Hypoglykämie, Hyperbilirubinämie, Kai- kontinuierliche Assoziation zwischen mütterlichen Glu- serschnitte und vaginal operative Entbindungen sowie cosewerten und ansteigendem Geburtsgewicht und Schulterdystokie oder Zunahme höhergradiger Geburts- einem Insulinabbauprodukt, dem C-Peptid, im Nabel- verletzungen. schnurblut als Mass für das neonatale Hypoglykämie risiko. Die neuen diagnostischen Schwellenwerte wurden Besserung des Geburtsoutcome durch Behandlung aufgrund des erhöhten relativen Risikos (Odds Ratio) auf Zwei randomisierte Studien konnten zeigen, dass eine 1,75 für kindliche Makrosomie und dem C-Peptidwert Behandlung des GDM die Inzidenz von fetaler Makro festgelegt. Daraus ergibt sich folgende empfohlene sys- somie, perinataler Mortalität, Schulterdystokie, sowie tematische Screeningmethode: Präeklampsie und mütterliches Geburtstrauma [ 3 ] und 75 g Glucosetoleranztest in der 24. bis 28. Schwanger- in – einer Studie – sogar die Kaiserschnittrate senkt [ 4 ]. schaftswoche aus venösem Plasma nüchterner Schwan- Die Behandlung des GDM ist einfach. Sie erfordert nach gerer mit folgenden Grenzwerten: einer ausführlichen Ernährungsberatung eine mütterli- che Diät. Nur 8 – 20 % aller Schwangeren mit GDM brau- Nüchternwert ≥ 5,1 mmol/L chen Insulin. Diese positiv stimmenden Resultate machen Blutzucker nach einer Stunde ≥ 10,0 mmol/L ein Screening und die Behandlung des GDM wünschens- wert. Blutzucker nach zwei Stunden ≥ 8,5 mmol/L Mit diesen neuen oGTT-Grenzwerten wird eine GDM- Prävalenz von 17,8 % erwartet. Im Universitätsspital Ba- sel kam es nach Einführung der neuen HAPO-Richtlinien 2010 zu einem Anstieg der Prävalenz von 3,6 % auf 17,2 % 4 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2014
Editorial (eigene Daten). Damit nähert sich die Prävalenz des GDM eher derjenigen des Typ-II-Diabetes mit einer erwarteten zweistelligen Prävalenz von 10 % im Jahr 2030 an. Vorteile der Behandlung leichter Glucosetoleranzstörungen in der Schwangerschaft – wie sie nun gehäufter durchgeführt werden – konnte bisher nicht gezeigt werden. Studien hierzu fehlen. Maria-Pia Politis Mercier Hebammen, Dozentin, HES-S2 Auswirkungen auf das Gesundheitssystem Lausanne Das universelle Screening und die intensivere Betreuung der Schwangeren durch Ernährungsberaterinnen, Endo- krinologen sowie Hebammen und Geburtshelfer führen zu einer Zunahme an Arbeitsaufwand mit entsprechen- Liebe Leserin, lieber Leser den Auswirkungen auf die Gesundheitskosten. Studien haben gezeigt, dass die neuen Grenzwerte nur kostenef- Am Beispiel des Schwangerschaftsdiabetes zeigt sich, wie fektiv wären, wenn die Behandlung des GDM entweder sich die epidemiologischen Ansätze und Praktiken in der die Diabetesinzidenz nach der Geburt [ 6 ] oder das Präe- perinatalen Betreuung verändert haben. klampsie- oder Kaiserschnittrisiko [ 7 ] senken würde. Die neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Vorbestehender Diabetes Epigenetik zeigen, wie wichtig die ersten 1000 Lebenstage Um einen vorbestehenden Diabetes in der Frühschwan- (einschliesslich der fetalen Phase) für die gesundheitliche gerschaft zu erkennen, wird entweder die Bestimmung Konstitution des Neugeborenen, des Kindes und später auch eines Nüchternblutzuckers (BZ ≥ 7 mmol/L) oder zweima- des Erwachsenen sind. Die Auswirkungen einer Schwanger- lig eine zufällige Blutzuckermessung von ≥ 11,1 mmol/L schaft auf das Leben einer Frau sind heute ebenfalls besser empfohlen, wenn einer oder mehrere folgender Risiko- faktoren vorliegen: bekannt. – Adipositas (BMI ≥ 30) Diese Erkenntnisse sollten vermehrt in die Schwangerschafts- – Bestimmte ethnische Herkunft betreuung, die Geburtsvorbereitung und die nachgeburt (Lateinamerika, Asien …) liche Betreuung der Mütter und Kinder einfliessen und die – Positive Familienanamnese für Typ-II-Diabetes (Verwandtschaft ersten Grades) Hebammen dazu motivieren, sich in den Bereichen thera- – Positive persönliche Anamnese eines GDM peutische Schulung, Gesundheitsförderung und Forschung – Syndrom der polyzystischen Ovarien auf den neuesten Stand zu bringen. Dank Weiterbildungen und Forschungsarbeiten könnten sie die Ansätze aus ande- Peripartale Betreuung ren Fachbereichen in ihre Hebammentätigkeit aufnehmen. Schwangere mit GDM mit guter Stoffwechsellage und Somit wäre der Berufsstand besser gerüstet, um in der keinen zusätzlichen Risiken können exspektativ behan- medizinischen Mütterbetreuung als kompetenter Partner delt werden. Eine randomisiert kontrollierte Studie konnte anerkannt zu werden und einen wichtigen Beitrag dazu zu zeigen, dass die Einleitung von Schwangeren mit insulin- leisten. Es ist unbestritten, dass die Dienste der Hebammen pflichtigem GDM am Termin die Rate an grossen Kindern ≥ 90. Perzentile von 23 % auf 10 % signifikant senken für die Mütter und ihre Kinder auch bei Komplikationen kann [ 8 ]. Es gab keinen Unterschied bezüglich der Rate an nützlich und wohltuend sind. Kaiserschnitten, Schulterdystokie, neonataler Hypoglyk- Unser Berufsstand könnte sich an der breiten Diskussion ämie und peripartaler Mortalität. Eine grosse Beobach- über die Erkennung und die Risiken von Schwangerschafts tungsstudie bemerkte nebst der Reduktion der fetalen Makrosomierate eine Abnahme der Schulterdystokie diabetes beteiligen und dadurch die negativen Auswir von 10 % auf 1,4 % nach Geburtseinleitung zwischen der kungen der Standardisierung beziehungsweise der Über 38. bis 39. Schwangerschaftswoche bei Frauen mit insu- diagnostik und Übertherapie relativieren. linpflichtigem GDM [ 9 ]. Die Datenlage zur Einleitung bei Die vielen, so verschiedenen schwangeren Frauen und diätetisch eingestelltem sowie insulinpflichtigem GDM ist weiterhin dünn. Die Amerikanische Gesellschaft für jungen Mütter zu begleiten, ohne eine polarisierende und Geburtshilfe und Gynäkologie rät wegen der erhöhten reduzierende Trennlinie zwischen Physiologie und Patho- Rate an Schulterdystokie, der Schwangeren bei einem logie zu ziehen, ist eine grosse Herausforderung für die kindlichen Schätzgewicht ≥ 4500 g einen Kaiserschnitt Hebammen – aber auch für die Frauen und ihre Kinder. zu empfehlen [ 10 ]. Gestationsdiabetes und Stillen Eine Frau mit GDM hat ein siebenfach erhöhtes Risiko später an Diabetes Typ II zu erkranken [ 11 ]. Bis zu 50 % aller Frauen mit GDM werden innerhalb von 22 – 28 Jahren an Herzlich, Maria-Pia Politis Mercier Diabetes Typ II erkranken [ 12 ]. Erstmals konnte eine kürz- lich veröffentlichte Studie zeigen, dass Stillen über min- 12 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5
Dossier Autorinnen und Autor Evelyn Huhn absolvierte das Studium der Catherine Wiesner studierte Human- Olav Lapaire ist seit 2004 Facharzt für Gynäko- Humanmedizin in Bonn sowie an der Ludwig- medizin von 2002 bis 2008 in Basel. Nach logie und Geburtshilfe FMH. 2005 erfolgte ein Maximilians-Universität und der Technischen einem Fremdjahr als chirurgische Assistenz- Auslandaufenthalt als Postdoktorand in Boston Universität (TU) München von 1997 bis 2004. ärztin im Claraspital Basel, wechselte sie 2010 bei Prof. Diana Bianchi. Olav Lapaire habilitierte Nach zwei Jahren Assistenzarztzeit im Klinikum in die Frauenklinik des Kantonsspitals Basel- im Oktober 2008. Aktuell ist er Leitender Arzt und Rechts der Isar der TU München wechselte sie land, Bruderholz. Seit 2013 arbeitet Christiane stellvertretender Chefarzt der Abteilung Geburts- 2007 ans Universitätsspital Basel. 2012 bis 2013 Wiesner als Assistenzärztin an der Universitäts- hilfe und Schwangerenmedizin an der Frauen arbeitete Evelyn Huhn als Oberärztin im Spital Frauenklinik Basel. klinik des Universitätsspitals Basel. Limmattal in Schlieren. Seit 1.1.2014 ist sie Oberärztin in der Abteilung Geburtshilfe und Schwangerenmedizin am Universitätsspital Basel und leitet die diabetologische Spezialsprech- stunde der Frauenklinik. destens drei Monate das Risiko eines späteren Diabetes Screening nach HAPO weiterhin umstritten Typ II um 40 % senken kann. 304 Frauen mit GDM wurden Letzteres hebt vor allem die Notwendigkeit hervor, fokus- hierfür über einen Zeitraum von 19 Jahren beobachtet [13]. siert übergewichtigen Frauen eine Ernährungsberatung Das Stillen scheint, sowohl die periphere Insulinsensiti zu empfehlen, unabhängig vom ihrem Glucosestoff- vität als auch die Insulinsekretion aus der Bauchspeichel- wechsel. Hierdurch könnten sehr viel mehr Frauen er- drüse zu steigern [ 14 ]. Daher sollten Frauen nach GDM reicht werden. Zusätzlich besteht durch Überdiagnose dringend zum Stillen ermutigt werden. von GDM die Gefahr einer zu exzessiven Behandlung ei- gentlich gesunder Frauen durch erhöhte Einleitungsrate Screening nach der Geburt oder Zunahme an elektiven Kaiserschnitten. Schwangere mit GDM haben ein erhöhtes Risiko im spä- teren Leben einen Typ-II-Diabetes zu entwickeln. Daher und wegen der Maskierung eines anderen Diabetestyps als GDM (Diabetes Typ II, MODY) wird ein Screening nach Zusammenfassung Ende der Stillzeit und Einsetzen der ersten Periode emp- Das neue Screening für Gestationsdiabetes fohlen. Einfacher ist aber die grundsätzliche Durchfüh- mit dem 75 g oGTT führt zu einem rung eines Nüchternzuckers (≥ 7 mmol/L), eines 75 g oGTTs Prävalenzanstieg auf 17,8 % und ist deshalb (≥ 11,1 mmol/L nach 2 Stunden) oder eines HbA1c-Wertes weiterhin sehr umstritten. (≥ 6,5 %). Je nach Risiko soll ein Screening alle 1 – 3 Jahre – Eine Behandlung des Gestationsdiabetes durchgeführt werden. beeinflusst das Geburtsoutcome positiv. – Frauen mit Gestationsdiabetes haben Mütterliches Übergewicht und fetale Makrosomie ein erhöhtes Risiko für Typ-II-Diabetes im Nur 22 % der makrosomen Kinder gehen tatsächlich zu- späteren Leben. lasten des GDM [ 15 ]. Neue Studien zeigen, dass vor allem – Bei Gestationsdiabetes und einem ge- ein erhöhter mütterlicher BMI unabhängig vom GDM zu schätzten Geburtsgewicht ≥ 4500 g sollte fetaler Makrosomie [ 16 ] und einem schlechten Geburts ein Kaiserschnitt empfohlen werden. outcome [ 17 ] führen. GDM steht ausserdem im Zusam- – Stillen reduziert das Risiko einer Frau mit menhang mit Übergewicht in der Kindheit, aber haupt- Gestationsdiabetes später an Typ-II-Dia sächlich, wenn die Mutter nebst dem GDM zusätzlich betes zu erkranken. noch adipös ist [ 18 ]. – Gestationsdiabetes steht in Zusammen- hang mit Übergewicht in der Kindheit, aber hauptsächlich im Fall mütterlichen Übergewichts. 6 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2014
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Cet article donne un bref aperçu de la compréhension de Diabetes Care. 2010;33:1115–1121. l’origine du diabète gestationnel, les récents changements doi:10.2337/dc09-1871. dans l’appréciation des valeurs de glucose dans le sang et les dernières recommandations pour les soins pendant la grossesse. Il en résulte les points suivants: – Le nouveau dépistage du diabète gestationnel avec 75 g Kontakt HGPO conduit à une augmentation de la prévalence à Dr. med. Evelyn A. Huhn 17,8% et suscite toujours la controverse. evelyn.huhn@usb.ch – Le traitement du diabète gestationnel influence de Abteilung für Geburtshilfe und manière positive les issues de l’accouchement. Schwangerenmedizin – Les femmes atteintes de diabète gestationnel ont un Frauenklinik, Universitätsspital Basel risque accru de développer ultérieurement un diabète Spitalstrasse 21, CH - 4031 Basel de type II. T +41 (0)61 556 51 44 – En présence d’un diabète gestationnel et un poids de naissance estimé ≥ 4500 g, une césarienne devrait être recommandée. – Pour une femme présentant un diabète gestationnel, l’allaitement maternel réduit le risque de développer ultérieurement d’un diabète de type II. – Le diabète gestationnel est associé à l’obésité dans l’en- fance, mais principalement s’il y a obésité maternelle. 12 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 7
Dossier Neonatologische Probleme bei Diabetes in der Schwanger schaft Neugeborene diabetischer Mütter haben postnatal ein deutlich höheres Risiko für Kompli kationen. Nebst der markanten Makrosomie kann die diabetische Stoffwechsellage auch eine Wachstumsretardierung, metabolische Probleme und Fehlbildungen verursachen sowie zu Geburtsverletzungen und Adaptationsstörungen führen. Eine Kenntnis darüber mit ent sprechender Vorbereitung auf die Geburt und anschliessende postnatale Überwachung und allenfalls Therapie sind daher sehr wichtig. Gabriel Konetzny, Aarau Diabetes ist eine häufige Schwangerschaftskomplikation Insulinsekretion. Insulin führt als anaboles Hormon zur mit einer zunehmenden Tendenz. [ 1 ] Die Höhe des Risikos vermehrten Fettproduktion und zum erhöhten Glykogen- für allfällige Komplikationen beim Kind wird durch den gehalt in Leber, Nieren, Skelett- und Herzmuskulatur mit Schweregrad und die Qualität der diätetischen und / oder der typischen Organomegalie. Die Folgen der Makroso- medikamentösen Einstellung beeinflusst. Die Liste der mie sind hauptsächlich geburtsbedingte Komplikationen möglichen Probleme ist lang: Frühgeburtlichkeit, Makro- wie Schulterdystokie mit nachfolgenden Plexusparesen, somie, Asphyxie, Atemnotsyndrom, Hypoglykämie, Hypo- Frakturen von Humerus und Klavikula oder zu intra- und calcämie, Hyperbilirubinämie, Polyglobulie, Kardiomyo- extrakraniellen Verletzungen beim Einsatz von Forceps pathie und kongenitale Defekte. [ 2 ] Diabetes mellitus Typ I und Vakuum. [ 5 ] Andererseits kann es bei schwerer Vas- verursacht in der Frühschwangerschaft vor allem Herz- kulopathie der Mutter (mit arterieller Hypertonie oder fehler, Neuralrohrdefekte und das kaudale Regressions- Präeklampsie) aber auch zu einer intrauterinen Wachs- syndrom, im späteren Verlauf intrauterinen Fruchttod, tumsretardierung kommen. Wachstumsretardierung und Asphyxie. Diabetes mellitus Die peripartale Asphyxie betrifft bis zu 25 % der Kinder di- Typ II hat vor allem Makrosomie als Folge und verursacht abetischer Mütter und kann sowohl die Folge einer er- die bereits erwähnten Probleme in milderer Form. Die pe- schwerten Geburt wie auch die Folge einer mütterlichen rinatale Mortalität ist drei- bis zehnfach, die Häufigkeit Durchblutungsstörung des Uterus und der Plazenta sein. kongenitaler Malformationen vier- bis zehnfach erhöht. Das bei Diabetikerinnen erhöhte HbA1c (glykiertes Hä- Ebenso ist die Zahl der eingeleiteten Geburten aufgrund moglobin) spielt ebenfalls eine Rolle, da es durch seine einer instabilen Stoffwechsellage, intrauteriner Wachs- höhere Sauerstoffaffinität einen reduzierten Sauerstoff- tumsretardierung, Makrosomie oder anderer Komplika transport zum Fetus zur Folge hat. tionen um das Zwei- bis Dreifache erhöht und die Sek tiorate dreimal höher als normal. In einer Auswertung von Cordero et al. von 530 Neugeborenen von Müttern mit Gestationsdiabetes oder vorbestehendem insulinab- hängigen Diabetes mussten 47 % auf einer Neonatologie- Abteilung betreut werden (je nach Schweregrad des Dia- betes zwischen 36 % und 68 %). 34 % der Kinder hatten ein Atemnotsyndrom, 5 % eine kongenitale Malformation, 36 % Übergewicht fürs Gestationsalter (14 % mit Ge- burtsgewicht ≥ 4000 g), 2 % Untergewicht fürs Gestati- onsalter und 27 % mindestens eine dokumentierte Hypo- glykämie. [ 3 ] Nachfolgend werden die einzelnen Probleme etwas ge- nauer erläutert. Die Makrosomie entwickelt sich vor allem Dr. med. Gabriel Konetzny im späteren Gestationsalter, insbesondere bei Frauen mit Leitender Arzt Neonatologie schlecht eingestelltem Diabetes, unabhängig von der Ur- Klinik für Kinder und Jugendliche sache. [ 4 ] Die mütterliche Hyperglykämie verursacht eine Kantonsspital Aarau, 5001 Aarau fetale Hyperglykämie gefolgt von gesteigerter fetaler T +41 (0)62 838 49 78 gabriel.konetzny@ksa.ch 8 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2014
Die bei Neugeborenen diabetischer Mütter häufig – bei durch die Ernährung und in Nüchternphasen hauptsäch- bis 50 % der Fälle – beobachtete Hypocalcämie entsteht lich durch Mobilisation von Glukose aus den Glykogenre- durch Parathormonmangel (Hypoparathyreoidismus) im serven. Hohe Plasmainsulinspiegel hemmen jedoch den Rahmen einer Unterfunktion der Nebenschilddrüsen. Glykogenabbau (Glykogenolyse) wie auch den Glukose- Klinisch kann sich die Hypocalcämie in Form von Irrita aufbau (Glukoneogenese) durch Blockade entsprechen- bilität, selten auch verminderter Myokardkontraktilität der Enzyme. Der Fettsäureabbau zu Ketonkörpern als al- zeigen. ternative Energiequelle ist durch die hohen Insulinspiegel Eine Hyperbilirubinämie entsteht bei 20 – 30 % der Neuge- ebenfalls vermindert. Aufgrund des erhöhten Hypoglyk- borenen diabetischer Mütter aufgrund von Polyglobulie, ämierisikos gehören zur Betreuung dieser Kinder daher Frühgeburtlichkeit mit Leberunreife und bei Hämatomen sowohl Kontroll- wie auch Präventionsmassnahmen. [ 7 ] nach traumatischer Geburt. Von Polyglobulie spricht man Prävention geschieht durch sogenannte Früh- und Zu- bei einem venösen Hämatokrit von über 65 %. Ursache ist satzernährung. Die erste Mahlzeit wird in den ersten eine chronische Hypoxie infolge eines erhöhten Sauer- zwei Lebensstunden angeboten. Anschliessend soll das stoffbedarfs durch die Hyperglykämie und den Hyperin- Neugeborene in den ersten 2 – 3 Lebenstagen alle 3 – sulinismus. Die Polyglobulie führt zur Hyperviskosität, 4 Stunden an die Brust angesetzt werden. Nach dem An- diese wiederum kann Durchblutungsstörungen verschie- setzen wird zusätzlich eine Säuglingsmilch oder eine dener Organe zur Folge haben. Maltodextrinlösung angeboten, bis genügend Milch vor- Thrombosen manifestieren sich am häufigsten als Nie- handen ist. Säuglingsmilch hat gegenüber der Maltodex- renvenenthrombosen mit Hämaturie oder als zerebraler trinlösung den Vorteil, dass sie die Glukoneogenese und Infarkt. Auslöser sind die schon erwähnte Hyperviskosität Ketogenese fördert und die in der Laktose enthaltene Ga- bei Polyglobulie und erniedrigte Spiegel der antikoagula- laktose die Insulinsekretion nicht stimuliert. Die erste torisch wirkenden Proteine C und S, deren Bildung durch Blutzuckerkontrolle sollte vor der zweiten Mahlzeit erfol- hohe Insulinspiegel gehemmt wird. gen, das heisst im Alter von 4 – 5 Stunden, bei erhöhtem Neugeborene diabetischer Frauen haben bis zum Alter Risiko für einen Hyperinsulinismus im Alter von 1– 2 Stun- von 38. Schwangerschaftswochen 6 × häufiger ein Atem- den. Die Symptome einer Hypoglykämie sind unspezi- notsyndrom aufgrund von Surfactantmangel als Neu fisch, dazu zählen Zittrigkeit, Hypotonie, Bewusstseins- geborene nichtdiabetischer Frauen. Ursache sind hohe störung, Hypothermie, Krämpfe. Da keine einheitliche Glukosespiegel und Hyperinsulinismus, welche die Sur- factantsynthese und -sekretion hemmen. Hinzu kom- men noch eine verzögerte Lungenflüssigkeitsresorption ( bei Sektioentbindung vor Wehenbeginn und persistie- Problèmes néonataux en cas de diabète rende pulmonale Hypertonie bei Hyperviskosität und durant la grossesse chronischer fetaler Hypoxie. Les nouveau-nés de mères diabétiques ont un risque Angeborene Herzfehler treten vor allem bei Diabetes mel- (péri- et postnatal) significativement plus élevé de com- litus Typ I mit instabiler Stoffwechsellage gehäuft auf plications. L’obésité n’en est que la pointe de l’iceberg. (3 – 6 % gegenüber 0,6 – 0,8 % in der Gesamtpopulation). [ 6 ] Connaître ces complications est la condition sine qua non Dazu zählen Vorhof- und Ventrikelseptumdefekte, Trans- pour assurer un suivi adéquat et un éventuel traitement. position der grossen Arterien, Truncus arteriosus com- Le niveau de ces risques chez l’enfant est influencé par munis und Single Ventricle. Weiterhin sieht man bei die- la sévérité du diabète et par la qualité de la prise en sen Kindern gehäuft eine hypertrophe Kardiomyopathie, charge diététique et / ou médicamenteuse. in erster Linie mit Verdickung des interventrikulären Sep- A côté de la macrosomie manifeste, on peut trouver tums, in schweren Fällen auch mit Verdickung des Myo- un métabolisme diabétique, mais aussi un retard de kards. Dies kann zu einer Herzinsuffizienz mit vermin- croissance, des problèmes métaboliques comme l’hypo- derter Organperfusion und arterieller Hypotonie führen. glycémie et l’hypocalcémie, une hyperbilirubinémie, Die Symptome sind in der Regel spontan regredient. Die une polyglobulie, une cardiomyopathie, ainsi que des Hypertrophie bildet sich innerhalb von 4 bis 6 Monaten malformations. En outre, il existe un risque neurolo- zurück. Neben den schon erwähnten Herzfehlern wer- gique significatif, par exemple à la suite d’une asphyxie den auch Fehlbildungen der Nieren (Hydronephrose, re- périnatale ou à la suite de lésions congénitales telles nale Agenesie, Ureterduplikationen), des Darmes (Duo- que la paralysie du plexus. Des problèmes d’adaptation denal- und Analatresie, Small Left Colon Syndrom, bei respiratoires sont plus fréquents que chez les nouveau- dem 40 – 50 % der Fälle eine diabetische Mutter haben) nés de mères non diabétiques. und des zentralen Nervensystems gehäuft beobachtet La prise en charge postnatale comprend donc un suivi (ZNS Malformationen insgesamt 16 × häufiger, Anence- structuré et une alimentation précoce comme mesures phalie 13 × häufiger, Spina bifida 20 × häufiger, kaudale préventives. Les conséquences à long terme observées Dysplasie 600 × häufiger). chez les enfants de mères diabétiques sont une ten- Die neurologischen Komplikationen ergeben sich als dance à l’obésité dans l’enfance et l’adolescence ainsi Folge einer möglichen Asphyxie, Plexusparese, Infarzie- qu’un risque accru de résistance à l’insuline et un dia- rung, Glukose- oder Elektrolytverschiebung. bète de type II à l’âge adulte. Nun noch etwas zu den metabolischen Aspekten, der Überwachung und Therapie. Nach der Geburt wird die konstante Glukosezufuhr über die Plazenta unterbro- chen. Die anschliessende Energiegewinnung geschieht 12 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 9
Dossier Definition der Hypoglykämie existiert, [ 8 ] hat man für den Zusammengestellt von Gabriele Hasenberg klinischen Alltag aus pragmatischer Sicht 2,5 mmol/l als Modulverantwortliche und Dozentin, Grenzwert festgelegt. Bei zu tiefen Blutzuckerwerten Institut für Hebammen, Departement Gesundheit, wird dem Säugling umgehend Muttermilch oder eine entsprechende Säuglingsmilch angeboten (10 – 15 ml/kg ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Körpergewicht) und der Blutzuckerwert spätestens nach Wissenschaften, Winterthur einer Stunde kontrolliert. Bei Trinkschwäche muss die Nahrung sondiert werden. Bei persistierender oder rezi- divierender Hypoglykämie ist eine intravenöse Glukose- zufuhr häufig unumgänglich und eine Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Neonatologen / Pädiater angezeigt. Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG): M. Kellerer, S. Matthaei, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG): Langfristig zeigen Kinder diabetischer Mütter nach einer R. Kreienberg (Hrsg.) (2011) initialen Regredienz der Makrosomie erneute Tendenz zu Adipositas im Kindes- und Jugendalter und ein erhöhtes Gestationsdiabetes mellitus – Risiko für Insulinresistenz und Typ-II-Diabetes im Erwach- senenalter. [ 9 ] evidenzbasierte Leitlinie Fazit zu Diagnostik, Therapie und Neugeborene diabetischer Mütter haben peri- und post- natal ein deutlich höheres Risiko für Komplikationen. Nachsorge. Übergewicht ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Kenntnis Ebenfalls publiziert als Kurzfassung (Praxisleitlinie) | AWMF online, darüber ist die Voraussetzung für eine adäquate Über- AWMF-Register Nr. 057/008 wachung und allfällige Therapie. Diese interdisziplinär entwickelte S3-Leitlinie basiert u. a. auf den Ergebnissen der multizentrischen HAPO-Studie (Hyper- glycemia and Adverse Pregnancy Outcome, 2010), die mehr Literatur als 23 300 Schwangere einschloss. Aus den Ergebnissen der 1 Hay Jr WW. Care of the Infant of the Dia- Studie wurden von der International Association of Diabetes betic Mother. Curr Diab Rep 2012; 12: 4 – 15. and Pregnancy Study Group (IADPSG) diagnostische Grenz- 2 Maier RF, Obladen M. Neugeborenen- werte abgeleitet. Diese Werte wurden auch für die deutsche Intensivmedizin. Springer, 8. Auflage, 2011. Leitlinie übernommen. Die Leitlinie bezieht sich ebenso wie 3 Cordero L et al. Management of Infants of die Studie ausschliesslich auf den in der Schwangerschaft Diabetic Mothers. Arch Pediatr Adolelesc Med 1998; 152: 249 – 254. erstmals diagnostizierten Diabetes. 4 Persson B. Neonatal glucose metabolism in Die Leitlinie wurde ab April 2009 durch eine Expertengruppe, offspring of mothers with varying degrees bestehend aus Vorstandsmitgliedern der DGGG und DDG, of hyperglycemia during pregnancy. Semin entwickelt. Nach einer Vernehmlassung durch ein Fachgre- Fetal Neonatal Med 2009; 14: 106 – 110. mium sowie die Mitglieder beider Gesellschaften und daraus 5 Weindling MA. Offspring of diabetic resultierenden Anpassungen wurde die endgültige Fassung pregnancy: Short term outcomes. Semin im Juni 2011 den Vorständen von DGGG und DDG zur Verab- Fetal Neonatal Med 2009; 14: 111 – 118. schiedung überreicht. 6 Lisowski LA et al. Congenital Heart Disease in Pregnancies Complicated by Maternal Diabetes Mellitus. Herz 2010; 35: 19–26. 7 Berger TM et al. Betreuung von Neugebo renen ≥ 34 0/7 SSW mit erhöhtem Hypo Andrea Stiefel (2013) glykämierisiko oder Hypoglykämie im Gebärsaal und in der Wochenbettstation. Peadiatrica 2007; 18: 15 – 17. Diabetes und Schwangerschaft 8 Cornblath M et al. Controversies Regarding In: Stiefel A, Geist C & Harder U (Hrsg.) | Hebammenkunde. Lehrbuch für Definition of Neonatal Hypoglycaemia: Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf | Stuttgart: Hippokrates, Suggested operational Threshold. Pediatrics 5. Auflage, S. 259–263 2000; 24: 136 – 149. 9 Cowett RM. The Infant of the Diabetic In ihrem Kapitel über den Diabetes in der Geburtshilfe stellt Mother. Neo Rev 2002; 3: e 173–189. Andrea Stiefel grundlegendes Wissen zum Thema dar. Sie un- terscheidet zwischen vorbestehendem Diabetes und Gesta- tionsdiabetes und zeigt Ursachen, Folgen für Mutter und Kind, Diagnostik und Therapie des Diabetes in der Schwan- Link gerschaft in knapper und übersichtlicher Weise auf. Dabei www.neonet.ch › Recommendations werden auch die neuen Erkenntnisse aus der HAPO-Studie re- www.awmf.org › Leitlinien › Gestationsdiabetes ferenziert. mellitus 10 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2014
Mary Carolan (2013) Helmut Kleinwechter, Ute Schäfer-Graf, Ursula Mäder (2004) Women’s experiences of gesta Der grosse Schwangerschafts tional diabetes self-management: ratgeber für Diabetikerinnen a qualitative study. Stuttgart: Trias Midwifery 29, 637–645 In dieser phänomenologischen Studie einer Hebammenwis- senschaftlerin aus Australien wird in qualitativen Interviews und Fokusgruppengesprächen untersucht, wie betroffene Frauen das Selbstmanagement ihres Gestationsdiabetes er- leben. Der Anpassungsprozess, den Frauen durchlaufen, wird be- schrieben, ausserdem arbeitet die Autorin Faktoren heraus, welche die Bewältigung begünstigen oder präventive Wir- kung in Hinblick auf einen Typ-II-Diabetes haben. Simone Claudi-Böhm, Bernhard Böhm (2012) Diabetes und Schwangerschaft Prävention, Beratung, Betreuung vor, während und Das AutorInnenteam (bestehend aus Diabetologe, Gynäko- nach der Schwangerschaft. login und Hebamme) haben ihren Ratgeber für Diabetikerin- Berlin Heidelberg: Springer, 2. Auflage nen, die eine Schwangerschaft planen sowie für Frauen, bei denen in der Schwangerschaft ein Diabetes diagnostiziert wurde, geschrieben. Mit wichtigen Informationen zum Stoff- wechsel in der Schwangerschaft, zu optimalem Ernährungs- und Bewegungsverhalten zielt ihr Werk darauf ab, informierte und selbstverantwortliche Schwangere mit adäquatem Infor- mationsmaterial zu versorgen. Die Redaktion dankt herzlich. Dieses Handbuch richtet sich an medizinisches Fachperso- nal und nimmt ein interdisziplinäres Versorgungssystem für den Diabetes in der Schwangerschaft in den Blick. Es orien- tiert sich an den neuesten Empfehlungen der nationalen (deutschen) und internationalen Fachgesellschaften. Neben Informationen zu Diagnostik- und Therapie sowie Folgeer- scheinungen bei Mutter und Kind geht das Werk insbeson- dere bezüglich Massnahmen der primären und sekundären Prävention in die Tiefe. 12 2014 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 11
Fokus «Bewegte Schwangerschaft» – wirksame Sportprogramme zur Prävention und Therapie von Gestationsdiabetes Gestationsdiabetes mellitus (GDM) ist eine immer häufiger auftretende Komplikation während der Schwangerschaft. Betroffene Frauen werden auf besondere Weise heraus gefordert, weil sie sich mit dem Krankheitsbild auseinandersetzen, vertraute Lebens gewohnheiten ändern und ihren Alltag auf die Therapie ausrichten müssen. Nebst einem strikten Ernährungsplan wird den Frauen empfohlen, sich ausreichend zu bewegen. Im Rahmen einer Bachelor-Thesis wurde der Frage nachgegangen, welche Sportprogramme und Bewegungsempfehlungen präventiv wirken und eine konservative Therapie unter stützen. Sophie Brechbühl, Bern, Corinne Zimmermann, Basel Gestationsdiabetes mellitus (GDM) ist eine erstmals in Methode der Schwangerschaft aufgetretene und diagnostizierte In einer systematischen Literaturreview wurde auf rele- Glukosetoleranzstörung [ 1 ]. In den letzten Jahren hat die vanten Datenbanken nach aktueller Literatur gesucht. Anzahl Frauen mit GDM deutlich zugenommen. Im Jahr Zielorientiert wurden Studien, Reviews und Leitlinien 2001 betrug in Deutschland die Prävalenz von GDM ausgewählt und anhand gängiger wissenschaftlicher Kri- 1,4 %. Im Jahr 2008 wurde bereits bei 3,4 % der schwan terien auf ihre Qualität geprüft. Entsprechend der Frage- geren Frauen ein GDM festgestellt. Diese Entwicklung stellung wurden bedeutende Ergebnisse der Literatur kann hauptsächlich durch die Zunahme der Anzahl von herausgefiltert und den Themenbereichen Rahmenbe- adipösen Frauen, aber auch die konsequente Diagnostik dingungen (Zeitspanne, Intensität und Häufigkeit) und erklärt werden [ 1 ]. Wirkungsweise der untersuchten Bewegungsprogramme In der Schweiz hat sich der Anteil der übergewichtigen zugeordnet. Zur Interpretation der Ergebnisse wurden und adipösen Frauen in der Bevölkerung in den letzten Konzepte zu Selbstwirksamkeitserwartung und Compli- fünf Jahren mit einem Anstieg von 5 % auf 9 % nahezu ver- ance (Einhalten von Verhaltensrichtlinien) einbezogen. doppelt und davon sind die 15- bis 24-Jährigen besonders betroffen [ 2 ]. Nebst dem Übergewicht führen körperliche Ergebnisse Inaktivität – durch vorwiegend sitzende Arbeitsbedin- Analysiert wurden sieben Studien und eine Review, die gungen – und eine ungesunde Ernährung bei schwange- konkrete Bewegungsprogramme bei schwangeren Frauen ren Frauen zu einem erhöhten Risiko für GDM [ 3 ]. und deren Effekt auf GDM untersuchten sowie zwei Leit- Da ein unbehandelter GDM zu schwerwiegenden kurz- linien, die Empfehlungen zu körperlicher Aktivität wäh- und langfristigen gesundheitlichen Folgen für die Mutter rend der Schwangerschaft abgegeben haben. (Präeklampsie, Hypertonie, Diabetes Typ II) und das Kind (Hypoglykämie, Makrosomie, Adipositas und Diabetes Rahmenbedingungen und signifikante Ergebnisse Typ II im Erwachsenenalter) führen kann [ 1 ], ist es wichtig der untersuchten Bewegungsprogramme wirkungsvolle Methoden in der Prävention und Therapie Um herauszufinden, ob die Empfehlungen für Sport in anzuwenden. der Schwangerschaft effektiv für die Prävention und Die Therapie bei GDM besteht primär aus intensiver Er- Therapie von GDM genutzt werden können und wie ein nährungsberatung und Beratung zu körperlicher Bewe- Sportprogramm aufgebaut sein muss, damit es für gung. Werden mit dieser konservativen Therapie norm- schwangere Frauen umsetzbar und effektiv ist, wurden gerechte Blutzuckerwerte nicht erreicht, wird zusätzlich die Rahmenbedingungen und Ergebnisse der unter eine Insulintherapie notwendig [ 4 ]. suchten Interventionen genauer betrachtet. In der ne- In einer Literaturstudie wurde festgestellt, dass Bewe- benstehenden Tabelle werden die untersuchten Studien gungsprogramme möglicherweise zur Prävention von aufgeführt. In allen Studien wurde zum Vergleich eine GDM beitragen können. Unklar ist aber, welche Bewe- Kontrollgruppe ohne spezielle Bewegungsempfehlun- gungsempfehlungen abgegeben werden können, um das gen eingesetzt. Auftreten der Erkrankung und eine Insulintherapie zu vermeiden [ 3 ]. 12 Hebamme.ch • Sage-femme.ch 12 2014
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