Wirtschafts- und Innovationsbericht - Berlin 2019/2020
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Inhaltsverzeichnis Vorwort 4 I. Wirtschaftspolitik in Berlin 6 II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin 11 III. Wirtschaft 22 1. Innovative Cluster 22 1. Gesundheitswirtschaft / Life Science 24 2. IKT, Medien und Kreativwirtschaft 26 3. Verkehr, Mobilität und Logistik 33 4. Optik und Photonik 36 5. Energietechnik 37 6. Weitere Innovationsfelder 39 2. Zukunftsorte / Liegenschaftspolitik 42 3. Startups 47 4. Soziale Ökonomie 49 5. Tourismus / Kongresse / Gastgewerbe 51 6. Außenwirtschaft / Entwicklungszusammenarbeit 54 7. Wirtschaftsrechtliche Aspekte 60 8. Services und Förderung für Unternehmen 62 1. Unternehmensservice 62 2. Gründungsförderung 63 3. Innovationsförderung 66 4. Zuschüsse für Unternehmen und Infrastruktur 70 5. Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen 75 IV. Energie 77 1. Energiepolitik 77 2. Energieversorgung 81 V. Betriebe 83 1. Berliner Stadtreinigungsbetriebe 84 2. Berliner Verkehrsbetriebe 87 3. Berliner Wasserbetriebe 89 VI. Berliner Wirtschaftsdaten 92 3
Vorwort Regelmäßig konnte ich an dieser Stelle in den vergan- lere Unternehmen legen wir z. B. einen Kongressfonds genen Jahren mit Freude berichten, dass sich die Ber- zur Förderung der Messe- und Veranstaltungsbranche liner Wirtschaft hervorragend entwickelt; dass sie Fuß auf. Den Berliner Mittelstand unterstützen wir u. a. gefasst hat im Vergleich zu anderen Metropolen. Die mit Zuschüssen in Gestalt einer Digitalprämie und Berliner Wachstumsraten lagen oberhalb des Bundes- bringen damit gleichzeitig die Digitalisierung am In- durchschnitts. Die Beschäftigtenzahlen stiegen ste- novationsstandort Berlin voran. tig. Das sind auch noch die Fakten für 2019. Das Jahr 2020 hingegen steht wirtschaftspolitisch komplett im Die Maßnahmenpakete machen deutlich: Gemeinsam Schatten der Corona-Pandemie. mit dem Bund werden wir die durch die Corona-Pan- demie in Not geratenen Unternehmen, Selbstständi- Die Corona-Krise hat die ganze Welt – und damit auch gen und Startups auch zukünftig nicht alleine lassen. Deutschland und unsere Berliner Wirtschaft mit voller Mit unseren Soforthilfen übernehmen wir auch wei- Wucht und in der ganzen Breite erwischt. Besonders terhin Verantwortung für den Erhalt der Zukunftsfä- betroffen sind Unternehmen, die davon leben, dass higkeit der Berliner Wirtschaft und für die Sicherung Menschen sich begegnen, unterwegs sind und reisen. von Arbeitsplätzen. Das sind die Bereiche Hotellerie, Gastgewerbe und Messen, Kongresse und Events, in denen Berlin beson- Bei der Bewältigung der Folgeschäden durch Covid-19 ders stark ist. Diesen Unternehmen drohte nach den sollten wir auf unsere Stärken vertrauen. Berlin war Kontaktverboten Mitte März unmittelbar die Liquidi- schon immer sehr gut darin, auf schwierige Situa- tät auszugehen. Schnell und unbürokratisch haben tionen schnell, flexibel und kreativ zu reagieren. Wich- wir hier gemeinsam mit dem Bund reagiert. Wir haben tig ist, dass wir bei dem Wunsch nach Rückkehr in die verschiedene Soforthilfeprogramme aufgelegt, mit sogenannte Normalität nicht vergessen, dass in jeder denen wir rund 380.000 Arbeitsplätze sichern konn- Krise immer auch eine Chance steckt. ten. Auch wenn wir nicht allen Firmen helfen konn- ten. Die bisherigen Hilfsprogramme waren insgesamt Die Corona-Pandemie ist ein ungewollter Stresstest wirksam und haben vielen Unternehmerinnen und für die Leistungsfähigkeit unseres Landes. Es gilt, aus Unternehmern in der Stadt in der Krise sehr geholfen. den Erfahrungen der letzten Wochen und Monate Der mit diesen Soforthilfen beabsichtigte schnelle und mehr als die Bereitschaft für mehr Videokonferenzen massive Anti-Krisen-Impuls ist gelungen. und verbesserte Digitalisierung mitzunehmen. Wir wollen die Wirtschaftsstruktur für zukünftige Krisen Im Juli haben wir mit einem 525 Mio. Euro starken resilienter gestalten. Zum Beispiel die Daseinsvor- Berliner Konjunkturpaket nachgelegt. Mit diesen fi- sorge im Gesundheitswesen; wir lernen neu, dass in nanziellen Mitteln werden wir u. a. gewerbliche Mie- Zukunft größere Kapazitäten in Form von Infrastruk- ten kleiner und mittlerer Unternehmen mit einem tur und Ausrüstung vorzuhalten sind. Den im Gesund- 50-prozentigen Zuschuss unterstützen. Neben einer heitswesen arbeitenden Menschen steht mehr als Ausweitung der Liquiditätshilfen für kleine und mitt- solidarische Anerkennung zu, wenn wir eine ange- 4
Vorwort messene Personalausstattung vorhalten wollen. Wir den elf Zukunftsorten, in denen die Megathemen der haben festgestellt, dass Grundlagenforschung einen Zeit Digitalisierung, Dekarbonisierung und emissions- großen Pool an Wissens- und Lösungsstrategien be- freie Produktion entschlossen vorangetrieben werden. reithält. Der zurzeit stattfindende verstärkte Umstieg auf Fahrräder verbindet Corona mit dem viel größeren Weil Wandel in der DNA Berlins liegt, werden wir ge- Thema Klimaschutz. Deshalb setzen wir Anreize, um stärkt aus dieser Krise hervorgehen. Der Freiheits- beim Menschheitsthema Klimaerhitzung Ergebnisse drang, die unerschöpfliche Kreativität und der Inno- zu erzielen. vationsgeist der Berlinerinnen und Berliner macht das alles möglich. Beim notwendigen Wandel können wir darauf aufbau- en, was in den letzten Jahren so erfolgreich war: Ber- lin ist Innovationsstadt, ist Stadt der Erfindungen und der Startups. Berlins Stärke liegt auch in Zukunft an der Schnittstelle zwischen wissensintensiven Dienst- leistungen und moderner Produktion mit einer Ver- Ramona Pop netzung von Industrie, Forschung und IT-Wirtschaft in Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe 5
I. Wirtschaftspolitik in Berlin Die Wirtschaft Berlins ist breit aufgestellt – mit einem Mix aus leistungsstarken produzierenden Branchen und modernen, zukunftsgerichteten Dienstleistungsbereichen hat sich die Stadt in kürzester Zeit zu einer internatio- nal wettbewerbsfähigen Region entwickelt. Aus den fünf innovativen Clustern strömen kontinuierlich neue Ideen in die Wirtschaft. Die einmalige Breite an exzellenter Spitzenforschung hat Berlin zu einem Ort werden lassen, der Talente aus aller Welt anzieht. Die Berliner Wirtschaftspolitik begleitet und gestaltet diese Entwicklungen auch in schwierigen Zeiten wie der gegenwärtigen COVID-19-Pandemie gezielt und nachhaltig. Mit dem Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts gegen des deutschlandweiten Trends etwas an Tempo von 3,0 % lag die wirtschaftliche Dynamik in Berlin im zugelegt. Damit expandiert die Wirtschaft in Berlin be- vergangenen Jahr deutlich über dem Bundesdurch- reits seit 2014 stärker als in Deutschland insgesamt. schnitt von 0,6 %. Auch hat das Wachstum 2019 ent- Zudem wurde 2019 erneut das höchste Wachstum al- ler Bundesländer erreicht. Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Impulse für die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts, das im letzten Jahr in Berlin 153,3 Mrd. Euro betrug, Zu Beginn des Jahres 2020 zeichnete sich durchweg gingen besonders von dem stark repräsentierten eine Fortsetzung dieser sehr positiven Entwicklung Dienstleistungssektor aus. Dieser erbringt rund 86 % ab. Durch den COVID-19-Lockdown im März wurden der Wertschöpfung und ist 2019 in der Hauptstadt jedoch nahezu alle angestellten Prognosen hinfällig. das zehnte Jahr in Folge gewachsen. Die Zahl der Er- Die Corona-Pandemie traf die Berliner Wirtschaft werbstätigen stieg um 44.600 bzw. 2,2 % auf rund mit voller Wucht und in der gesamten Breite. Na- 2,061 Mio., womit die Zuwachsrate an neuen Jobs be- hezu alle Wirtschaftsbereiche sind von der Krise be- reits seit 2012 in Berlin durchgehend höher ausfällt troffen. Berlin hat mit seinen Soforthilfen für in Not als in allen anderen Bundesländern. Berlin bietet heu- geratene Unternehmen schnell und unbürokratisch te unternehmerische Standortbedingungen, die einen gehandelt und damit rund 380.000 Arbeitsplätze geeigneten Rahmen schaffen, um bestehende Gewer- gesichert (Stand 01.09.2020). Im zweiten Schritt bestrukturen zu sichern, Investitionsvorhaben zu er- kommt es darauf an, gemeinsam mit dem Bund ge- möglichen und Neuansiedlungen zu fördern. zielt Impuls für das Hochfahren der Berliner Wirt- schaft und deren Revitalisierung zu setzen. Ein maßgeblicher Faktor hierzu sind Gewerbeflächen. Der Stadtentwicklungsplans „StEP Wirtschaft 2030“ Mit einem ersten Berliner Konjunkturpaket, das ein bildet den zentralen Leitfaden für eine erfolgreiche Volumen von 500 Mio. € umfasst, wovon das Gros und verlässlich Gewerbeflächenpolitik. Um landes- in die Unterstützung der Berliner Wirtschaft fließen eigene Flächenpotenziale zügig zu aktivieren und zu wird, soll dies erreicht werden. Die einzelnen Maß- entwickeln sowie bestehende Gewerbestandorte zu nahmen erstrecken sich von der Ausweitung der Li- profilieren, wurde die WISTA Management GmbH (die quiditätshilfen für kleine und mittlere Unternehmen Betreibergesellschaft des Wissenschafts- und Tech- und Gewerbemietenzuschüssen über die Gewäh- nologieparks Berlin Adlershof) im Juni 2020 damit rung einer Digitalprämie bis hin zu Maßnahmen zur betraut, geeignete Entwicklungs- und Management- Wiederankurbelung des Kulturtourismus sowie der strukturen zu etablieren. Unterstützung der Messe- und Veranstaltungsbran- che. Es zahlt sich nun aus, dass Berlin in den vergan- Ziel ist es, eine spürbare und nachhaltige Dynamik gen Jahr sehr intensiv darauf bedacht war, stabile bei der Gewerbestandortentwicklung zu erzielen. und nachhaltige Wirtschaftsstrukturen aufzubauen Für Gewerbebetriebe aus Industrie und Handwerk, und gleichzeitig verlässliche wirtschaftspolitische expandierende Produktionsunternehmen, aber auch Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn einer der junge Unternehmen aus technologieorientierten unerlässlichen Faktoren zur Stabilisierung einer von Branchen oder der Kreativwirtschaft sollen bezahl- Krisen gebeutelten Wirtschaft ist Vertrauen, Ver- bare und zukunftssichere Flächen im Land Berlin lässlichkeit und Planungssicherheit. bereitgestellt werden, damit sie ohne Sorge vor Ver- 6
I. Wirtschaftspolitik in Berlin drängung wachsen und neue Arbeitsplätze schaffen internationalen, wettbewerbsfähigen, innovativen können. Standort mit starken und dynamischen Unternehmen, zahlreichen Forschungsleuchttürmen und vielen in- Eine der ersten großen Aufgaben der WISTA wird die ternational renommierten Wissenschaftseinrichtun- Übernahme der Standortvermarktung des größten In- gen entwickeln. dustriegebiets des Landes Berlin, des Cleantech Busi- ness Parks Berlin-Marzahn, mit seinen rund 90 Hektar Es ist gelungen, die Stärken der Region zu bündeln verfügbarer Fläche sein. Neben der Entwicklung und und zu schärfen und die Akteurinnen und Akteure in Vermarktung eines attraktiven Angebotes an kurz- den fünf länderübergreifenden Clustern Gesundheits- fristig verfügbaren und gut erschlossenen landes- wirtschaft / Energietechnik / Verkehr, Mobilität und eigenen Gewerbegrundstücken soll sich die WISTA Logistik / IKT, Medien und Kreativwirtschaft / Optik künftig beim Neuaufbau einer landeseigenen Gewer- und Photonik intensiv miteinander zu vernetzten. Auf behofinfrastruktur engagieren. Ziel ist die Schaffung diesen Ergebnissen baut die innoBB 2025 auf und geht und Bereitstellung von Mieträumen für kleinere Pro- in die weitere Umsetzung. Insbesondere als Reaktion duktions- und Handwerksbetriebe, produktionsori- auf die Herausforderungen, die die Digitalisierung der entierte Dienstleistungen sowie Unternehmensneu- Wirtschaft mit sich bringt, werden folgende Themen gründungen auf landeseigenen Gewerbeflächen, da in den kommenden Jahren als clusterübergreifende diese Zielgruppen aufgrund steigender Mietpreise und Schwerpunkte definiert: Arbeit 4.0 und Fachkräfte, Re- verstärkter Flächenkonkurrenz kaum mehr ein für sie allabore und Testfelder, Startups und Gründungen so- wirtschaftlich vertretbares Flächenangebot innerhalb wie das breite Themenfeld Digitalisierung selbst. Ein der Stadtgrenzen vorfinden. breiterer Innovationsbegriff, engere Cross Cluster-Zu- sammenarbeit, die Stärkung offener Innovationspro- Neben einer ausreichenden und qualitativ hochwer- zesse, Nachhaltigkeit sowie der Ausbau der internati- tigen Flächenverfügbarkeit ist das innovative Klima onalen Zusammenarbeit werden handlungsleitend für einer Wirtschaftsregion ein weiterer wesentlicher alle Cluster. Standortfaktor. Seit vielen Jahren wird die Gemeinsa- me Innovationsstrategie Berlin Brandenburg (innoBB Im Rahmen der Cluster spielt neben Wissenschaft und 2025) mit großem Erfolg umgesetzt. Die Hauptstadt- Forschung auch die Industrie eine gewichtige Rolle, region Berlin-Brandenburg konnte sich so zu einem da sie das zentrale Anwendungsfeld für innovative Marina Fischer Stefanie Molthagen- Team Masterplan Schnöring Industriestadt Berlin; Vizepräsidentin für Senatsverwaltung für Forschung und Transfer; Wirtschaft, Energie und HTW Berlin Betriebe „Um innovationsfreundliche Rahmenbedingungen „Transfer ist Teil unserer DNA als Hochschule für an- für die Berliner Industrie zu schaffen, unterstützen gewandte Wissenschaften. Dass wir Aktivitäten wie wir im Rahmen des Masterplans Industriestadt Ber- „trao“ über den Masterplan Industriestadt Berlin um- lin Aktivitäten des Wissens- und Technologietrans- setzen können, erhöht die Sichtbarkeit und Reichwei- fers. So hat im Mai 2020 unter der Marke „trao“ eine te erheblich. Möglich wurde dies nicht zuletzt durch Transferveranstaltung des Hochschulverbundes BIT⁶ die professionelle, schnelle Unterstützung durch das im digitalen Format stattgefunden. Aufgrund der Co- Team in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Ener- rona-Pandemie mussten dafür das Projektkonzept gie und Betriebe.“ und die organisatorischen Rahmenbedingungen sehr kurzfristig geändert werden. Das hohe Engagement der Projektverantwortlichen hat mich dabei faszi- niert.“ 7
Entwicklungen darstellt. Die digitale und energiepoli- die Energieerzeugung aus Erneuerbaren Ressourcen tische Transformation sowie der zunehmende globale die Dächer und Fassaden der Gebäude. Darum nimmt Wettbewerb um Wissen und Märkte sind gegenwärtig die Solarenergie eine entscheidende Rolle für Berlins die zentralen Herausforderungen. Zukunft ein – auch vor dem Hintergrund steigender Energiebedarfe durch Elektromobilität. Um das Ziel, Entscheidend für die Zukunft des Industriestandortes den Solarstromanteil radikal zu erhöhen, zu erreichen, Berlin ist, die bestehende, gute Wettbewerbsposition bedarf es jedoch besserer Rahmenbedingungen auf zu festigen und auszubauen. Eine Voraussetzung da- Bundesebene, gleichzeitig aber auch kreativer Ansätze für sind gut ausgestaltete Rahmenbedingungen, die vor Ort und eines geeigneten Instrumentenmixes, um es Unternehmen in Berlin ermöglichen, reibungslos die vorhandenen Spielräume im Land Berlin zu nutzen. und unter Ausnutzung aller Standortpotenziale neue Im März 2020 beschloss der Berliner Senat, den auf Produkte und Wege der Herstellung zu entwickeln, dem Masterplan basierenden Maßnahmenkatalog in zu erproben und in neue Wertschöpfungsketten ein- die Umsetzung zu bringen. Im Herbst 2020 wird eine zuführen. Im Masterplan Industriestadt Berlin 2018 – Koordinierungsstelle die Arbeit aufnehmen und die 2021 (MPI) hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Umsetzung des Masterplans Solarcity begleiten. Energie und Betriebe gemeinsam mit dem Netzwerk Industriepolitik, bestehend aus Kammern, Verbänden, Aber nicht nur im Bereich der Solarenergie, auch beim Gewerkschaften und Fördereinrichtungen, konkrete Klimaschutz allgemein kommt Berlin gut voran. Die Maßnahmen vereinbart, die den Industriestandort ergriffenen Maßnahmen für eine urbane Energiewen- Berlin weiter stärken. Der Masterplan Industriestadt de wirken nachhaltig. Die Bilanz für das Jahr 2017 umfasst in den Handlungsfeldern Fachkräfte und In- (neuere Zahlen liegen nicht vor) zeigt trotz starkem novation, Digitalisierung und Rahmenbedingungen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum im Vergleich die zentralen Themen für die Industrie sowie die Ent- zu 2016 bei konstantem Endenergieverbrauch (EEV) wicklung der Industriestadt Berlin. Mit insgesamt ca. um knapp 5 % gesunkene CO2-Emissionen, was einer 100 im MPI verankerten Maßnahmen wird ein breites Reduktion von knapp 1 Mio. t CO2 entspricht. Aber Spektrum an gestaltenden und unterstützenden Vor- auch steigende Energieeffizienz und -produktivität haben für den Industriestandort Berlin realisiert. Seit der Wirtschaft und bewusstere Verbraucherinnen und dem Start des MPI Mitte November 2018 und der Ein- Verbraucher sind Gründe für die positive Jahresbilanz. richtung der Geschäftsstelle im Frühjahr 2019 konn- In Bezug auf das Basisjahr 1990 hat Berlin bereits eine ten bereits 75 konkrete Projekte an den Start gehen. CO2-Minderung von rd. 35 % erreicht. Im ersten Halbjahr 2020 wurde die DAB Digitalagen- Mit der Gesamtstrategie „Saubere Stadt“ wurden tur Berlin GmbH gegründet. Die Digitalagentur soll vielfältige Einzelmaßnahmen zur Verbesserung der Berliner Unternehmen, insbesondere kleine und mit- Stadtsauberkeit auf den Weg gebracht. Gemeinsam telständische Unternehmen, bei der digitalen Trans- mit den Bezirken und der BSR wurden konkrete Stra- formation unterstützen. Im Zusammenspiel mit den tegien entwickelt, um Berlin sauberer zu gestalten und anderen Akteurinnen und Akteuren am Standort Ber- Vermüllung zu vermeiden. Neben besseren Möglich- lin soll dies insbesondere durch Förderung und Be- keiten zur Beseitigung von Sperrmüll sowie der Aus- treuung sowie Durchführung von Projekten erfolgen. stattung der Stadt mit ausreichenden Möglichkeiten Dabei ist es das Ziel der DAB, als Mittlerin die bereits zur Müllentsorgung und der Erprobung von längeren vorhandenen Angebote, Leistungen und Ideen im Digi- Öffnungszeiten in den BSR-Recyclinghöfen wird auch talisierungsbereich für entsprechende Branchen und das zivilgesellschaftliche Engagement gegen die Ver- Geschäftsfelder aufzuschließen, zielgruppengerecht müllung öffentlicher Plätze, Parks sowie der Berliner aufzubereiten und vor allem in der direkten Anspra- Wasserwege verstärkt unterstützt. che der Zielgruppe näherzubringen. Die Digitalisie- rung ist eine der größten Herausforderungen für alle Die gewerbliche Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse- Unternehmen. rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) in Berlin, d. h. die Förderung von Investitionen der Un- Ein wesentliches Ergebnis aus den Diskussionen zum ternehmen durch Zuschüsse, verzeichnet 2019 ein Masterplan Solar City ist, dass in Berlin ein Solarstrom- Rekordbewilligungsvolumen. Insgesamt wurden für anteil von 25 % möglich ist. In einer Metropole wie 203 Vorhaben mit Investitionen von rund 596 Mio. € Berlin sind die wesentlichen Flächenressourcen für GRW-Zuschüsse von über 131,08 Mio. € bewilligt. Da- 8
I. Wirtschaftspolitik in Berlin Aufgrund des Andauerns der Corona-Krise hat der Senat in seinem Entwurf für einen zweiten Nachtrags- haushalt insbesondere eine Verstärkung wirtschaftsfördernder Maßnahmen für kleine und mittlere Unter- nehmen (KMU) oberhalb von zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgesehen. Im Beschluss zum ersten Nachtragshaushalt hat das Abgeordnetenhaus dieses Thema aufgegriffen und auf ein Volumen von bis zu 500 Mio. Euro verstärkt. Diese zusätzlichen Mittel stehen zum größten Teil zur Verausgabung im Jahr 2020 zur Verfügung. In seiner Sitzung am 21.07.2020 hat der Berliner Senat beschlossen, folgende Maßnahmen zur Unterstützung der Berliner Wirtschaft bei der Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie auf den Weg zu bringen: • Soforthilfe Gewerbemieten: Einrichtung einer Soforthilfe „Gewerbemieten, mit der Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von mehr als 10 bis 249 einen Betrag in Höhe von 50 % ihrer Gewerbemieten für die Monate April und Mai 2020 (maximal 10.000 €) erhalten können, wenn sie in diesen Monaten einen Um- satzrückgang von mindestens 60 % gegenüber dem Vorjahr hinnehmen mussten. • Coronahilfen für Startups: Diese Soforthilfe umfasst 140 Mio. EUR und setzt sich aus Mitteln der Inves- titionsbank Berlin (IIBB) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zusammen. Adressiert werden Startups und mittelständische Unternehmen der Technologie- oder Kreativwirtschaft, die mit einem zu- kunftsfähigen und innovativen Geschäftsmodell ausgestattet sind, einem hohen Wachstums- und Wert- steigerungspotenzial unterliegen oder einem der Berliner Cluster zugeordnet sind. Berliner Startups kön- nen damit über das Programm bis zu 800.000 Euro an Wagniskapital erhalten. Der Bund trägt dabei rund 70 Prozent des Risikos, Berlin sichert die restlichen 30 Prozent, die die IBB einbringt, ab. • Kreativ- und Digitalfestival: Unterstützung eines oder (mehrerer) Kreativ- und Digitalfestivals. Dabei soll die Stadt als Bühne für die Berliner Digital- und Kreativwirtschaft dienen und so die internationale – auch touristische – Anziehungskraft stärken. Im Kontext des Formats sollen neue Mobilität und neue Technolo- gien für die gesamte Stadt erlebbar gemacht werden. Inhaltlich sollen die Zukunftsthemen der Stadt (u. a. Digitalisierung, Smart City, Nachhaltigkeit) eine prominente Rolle spielen. • Wirtschaftsförderprogramm Digitalprämie: Zur Flankierung der Beratungs- und Unterstützungsaufgaben der Digitalagentur Berlin ist in der derzeitigen konjunkturellen Lage eine finanzielle Unterstützung zur Umsetzung der Digitalisierungsprojekte in den KMU notwendig. Ziel der Digitalprämie Berlin soll deshalb die Unterstützung des Digitalisierungsprozesses von Berliner KMU in Form von Zuschüssen für Investiti- onsvorhaben in den Bereichen Software, Hardware und Qualifizierung zur Steigerung ihrer Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit sein. • Innovative Veranstaltungsformate im Bereich Mobilität: Unterstützung des Hochfahrens der Messe-, Kon- gress- und Veranstaltungswirtschaft im Bereich Mobilität. Dabei sollen insbesondere innovative Formate zum Zuge kommen, die neue Mobilität und neue Technologien für die gesamte Stadt erlebbar machen und mit dem öffentlichen Raum verknüpfen. • Tourismus- und Kongressbranche: Ausweitung der visitBerlin-Kampagne „Berlin. Auch das“ zur Erweite- rung des Tourismusmarketings um weitere Zielmärkte und verschiedene inhaltliche Themen. Darüber hi- naus werden branchenspezifische Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Krisenbewältigung und nachhaltigen Neuausrichtung der Unternehmen im Hinblick auf ihre Wirtschaftlichkeit und Attraktivität der Geschäftsmodelle sowie Kooperationsprojekte mit den Bezirken und Brandenburg unterstützt. Einrichtung eines Corona-Kongressfonds zur Unterstützung eines Neustarts der Kongresswirtschaft und damit zur Erhöhung der Buchungszahlen. Durch Zuschüsse aus dem Fonds sollen Veranstalterinnen und Veranstalter ermutigt werden, Veranstaltungen noch im Jahr 2020 durchzuführen. • Modebranche gezielt fördern: Die Modebranche wird am Standort Berlin sowohl im Hinblick auf Produktion als auch auf Präsentation strategisch gestärkt. Damit will der Senat die Unternehmen der Modewirtschaft fördern und Berlins führende Stellung als Modestandort in Deutschland sichern. Zentraler Bestandteil dieser Strategie ist das Fashion Hub als zentrale Anlaufstelle für Beratung, Vernetzung und Kooperation der Unternehmen. Darüber hinaus sollen sowohl die individuellen Möglichkeiten von Modelabels zu Pro- fessionalisierung und Präsentation als auch die Berlin Fashion Week gezielt gestärkt werden. 9
mit verbunden sind die Sicherung von mehr als 5.600 den mit dem Tourismuskonzept 2018+ stärker in den und die Schaffung von rund 3.700 neuen Arbeitsplät- Mittelpunkt gerückt. Im ersten Jahr seiner Laufzeit zen (inkl. Ausbildungsplätzen) in Berliner Betriebs- lässt sich für das Konzept eine positive Bilanz ziehen – stätten. 2019 verzeichnete Berlin damit das beste 39 von 42 Maßnahmen, von der Erhöhung der Sau- Bewilligungsergebnis in der aktuellen und der letzten berkeit in den Berliner Parks über die Förderung tou- GRW-Förderperiode. Die hohe Nachfrage nach GRW- ristischer Angebote in den Außenbezirken bis hin zur Mitteln macht das bis dato große Vertrauen in den Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen in Berliner Berliner Wirtschaftsstandort deutlich, die Attraktivität Clubs, befinden sich in der Umsetzung. Ein Schwer- Berlins für Unternehmen ist ungebremst. punkt des Tourismuskonzeptes ist der Akzeptanzer- halt, denn eine besuchenswerte Stadt ist nur möglich, Der Tourismus ist eine der wichtigsten Schlüssel- solange die Berlinerinnen und Berliner den Touris- branchen in Berlin mit einem jährlichen Umsatz von mus mittragen und die Gäste ihrer Stadt willkommen rd. 11 Mrd. € und einem Beschäftigungseffekt von heißen. Dass sich laut Akzeptanzbefragung 2018 im 235.000 Vollzeitbeschäftigten. Eine rein quantitative Durchschnitt über 80 Prozent der Bewohnerinnen und Betrachtung entspricht jedoch nicht mehr der Reali- Bewohner vom Tourismus in ihrer Stadt weder einge- tät. Die Rahmenbedingungen für den Berliner Tou- schränkt noch gestört fühlen, zeigt, dass das Konzept rismus haben sich in den letzten Jahren grundlegend an den richtigen Stellen ansetzt. verändert. Um die Akzeptanz bei den Berlinerinnen und Berlinern für den weiter zunehmenden Touris- Getrübt wird die Entwicklung des Tourismus aller- mus zu erhalten, wurde das nachhaltige und stadt- dings aktuell durch die Auswirkungen der Corona- verträgliche Tourismuskonzept 2018+ erarbeitet. Ziel Pandemie, die diese Branche besonders getroffen ist es, mit den Maßnahmen zur Tourismusförderung hat. Mit Soforthilfen zur Linderung der unmittelba- die Erlebnisqualität der Besucherinnen und Besucher ren Auswirkungen und entschlossenen Maßnahmen und zugleich die Lebensqualität der Berlinerinnen und zur Wiederankurbelung des Tourismus, wie z. B. dem Berliner zu erhöhen. Die Vielfalt Berlins findet sich in Erlebe-Deine-Stadt-Sommerspezial, hat der Senat auf den Kiezen, in den Bezirken – diese Potenziale wer- die besondere Herausforderung reagiert. 10
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin Die Berliner Wirtschaft setzte 2019 ihren positiven Trend fort und entwickelte sich das sechste Jahr in Fol- ge überdurchschnittlich gut. Mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung von 3,0 % wurde zudem das höchste Wachstum unter den Bundesländern erreicht. Auch für 2020 war von einer positiven wirtschaftlichen Entwick- lung auszugehen. Mit der Ausbreitung von COVID-19 folgt stattdessen nun ein schwerer Einbruch, der mit dem Lockdown ab Mitte März zu abrupten Nachfrageausfällen und einer deutlichen Verschlechterung des Geschäfts- klimas führte. Daraus folgt im laufenden Jahr eine schwere Rezession an dem von den Dienstleistungen gepräg- ten Standort Berlin. Konjunkturelle Wirtschaftsentwicklung das sechste Jahr in Folge günstiger als im Bundes- durchschnitt aus. Insgesamt lag die Wirtschaftsleis- Die Berliner Wirtschaft hat sich im vergangenen Jahr tung 2019 in Berlin bei rund 153,3 Mrd. €. Mit der hö- nochmals äußerst positiv entwickelt. Das Bruttoin- heren Wirtschaftsleistung waren ein spürbarer Anstieg landsprodukt stieg um real 3,0 %, womit das deutsch- der Beschäftigtenzahlen und eine starke Dynamik bei landweite Wachstum um 2,4 Prozentpunkte übertrof- neuen Unternehmen verbunden. Dies unterstreicht die fen wurde. Damit fiel die wirtschaftliche Entwicklung Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Berlin. Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und private Dienstleistungen, aber auch die unter- nehmensnahen Dienstleistungen tragen in Berlin in Auch für das laufende Jahr war wirtschaftliches stärkerem Maße zur Wertschöpfung bei als im Bun- Wachstum zu erwarten Die Stimmungsindikatoren desdurchschnitt. deuteten Anfang des Jahres weiter in die positive Richtung. Mit der Ausbreitung der COVID-19-Pande- Die negativen Folgen der COVID-19-Pandemie bekam mie zeigte sich aber eine unmittelbare, starke Betrof- frühzeitig und in besonderem Maße das Tourismus- fenheit der Wirtschaft. Auf Bundesebene brach das und Kongressgeschäft zu spüren. Bereits im März ifo-Geschäftsklima ein; für Berlin vermeldete die IHK lagen die Gäste- und Übernachtungszahlen um rund bereits Anfang März deutlich negative Umsatzerwar- zwei Drittel unter dem Vorjahreswert. In den beiden tungen der Unternehmen. Vor allem die Reise- und Folgemonaten kam der Tourismus dann fast voll- Tourismuswirtschaft, aber auch der Handel sowie ständig zum Erliegen. Konsumnahe Branchen wie Dienstleistungen und Verkehr zeigten sich betroffen. das Gastgewerbe, bei dem die Umsätze schon im Dies gilt ebenfalls für die produzierenden Branchen. März um fast die Hälfte geringer ausfielen als vor Die IHK-Umfrage vom Frühjahr ergab entsprechend einem Jahr, sind dadurch in starkem Maße betroffen. branchenübergreifend stark negative Geschäftser- Gleiches gilt für den Einzelhandel, aber auch für den wartungen der Unternehmen. Luftverkehr. Zudem sind Berlins Kulturwirtschaft und die vielen Selbstständigen in dieser Branche schwer Im Unterschied zur Finanzkrise 2008/2009, als die betroffen. Die exportintensive Berliner Industrie und realwirtschaftlichen Folgen besonders in der Indus- die unternehmensnahen Dienstleistungen werden trie ankamen, sind infolge COVID-19 auch die Dienst- durch Nachfrageausfälle und gestörte Betriebsab- leistungsbranchen betroffen, die in Berlin überdurch- läufe spürbar belastet. Alle Wirtschaftsbereiche spü- schnittlich ausgeprägt sind. Das Gastgewerbe, Kultur ren die negativen Folgen der COVID-19-Pandemie. Die wirtschaftlichen Brüche infolge COVID-19 belas- 1.000 auf 214.300 verzeichnet wurde, zeigt der Vor- ten in starkem Maße den Berliner Arbeitsmarkt. Die jahresvergleich die starke Betroffenheit des Arbeits- Zahl der Arbeitslosen, die im April in Berlin sprunghaft marktes. Im August gab es in Berlin rund 58.100 bzw. um 28.400 gestiegen war, hat sich im Mai um weite- 37,2 % mehr Arbeitslose als zwölf Monate zuvor. Die re 18.000 erhöht. Im Juni und Juli ist sie nochmal um Arbeitslosenquote lag bei 10,7 %, gegenüber 8,0 % 8.700 bzw. 5.700 gestiegen. Auch wenn die negative im Vorjahresmonat. Die schwierige Entwicklung am Dynamik zur Jahresmitte hin abgeflacht ist und im Arbeitsmarkt insbesondere im zweiten Quartal die- August ein leichter Rückgang der Arbeitslosenzahl um ses Jahres wird zum einen an dem höheren Zugang 11
an Arbeitslosen aus Beschäftigung ersichtlich, wovon schaftete der Einzelhandel in Berlin das zehnte Jahr in das Gastgewerbe am stärksten betroffen war. Auf der Folge eine positive Umsatzbilanz. Nach Berechnungen anderen Seite bewegt sich die Arbeitskräftenachfrage des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg legte der deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Außerdem Einzelhandel nominal um 4,2 % (2018: +3,3 Prozent) sind von März bis Ende August von rund 39.400 Ber- und real um 3,7 % (2018: +2,6 Prozent) gegenüber liner Betrieben Anzeigen zur konjunkturellen Kurzar- dem Vorjahr zu. Damit ist der Wirtschaftszweig in beit eingegangen. Berlin weiterhin über dem Bundesdurchschnitt ge- wachsen. Der geschätzte Gesamtumsatz des Berliner Berliner Wirtschaft 2019 noch stark gewachsen Einzelhandels innerhalb und außerhalb von Verkaufs- räumen (inklusive interaktiver Handel, aber ohne Kfz, Im Jahr 2019 hatte sich die Berliner Wirtschaft noch Tankstellen, Brennstoffhandel und Apotheken) betrug insgesamt positiv entwickelt, was an der Entwick- 2019 ca. 18,77 Mrd. Euro. lung in den einzelnen Branchen ersichtlich wird. Der Dienstleistungssektor erbrachte 2019 mit rund 86 % Auch die Zahl der Beschäftigten ist 2019 erneut ge- den größten Anteil an der Bruttowertschöpfung. Im wachsen. Besonders erfreulich ist dabei, dass wie in Bundesdurchschnitt lag dieser Anteil bei 69 %. Die den vergangenen Jahren auch bei den Vollzeitkräf- Dienstleistungsbranche, zu der u. a. der Handel, In- ten ein Plus zu verzeichnen ist. Im Vergleich zu 2018 formation und Kommunikation sowie der öffentliche wuchs die Gesamtzahl um 1,1 %. Insgesamt arbeite- Sektor zählen, konnte im vergangenen Jahr angesichts ten im Einzelhandel allein rund 118.000 sozialversi- der günstigen Binnenkonjunktur und dem Wachstum cherungspflichtig Beschäftigte. der Stadt erneut spürbar expandieren. Deutlich wur- de dies abermals an der Zunahme der sozialversiche- Auch das Gastgewerbe ist in Berlin 2019 weiter expan- rungspflichtigen Beschäftigung, die in den Dienstleis- diert und konnte die Beschäftigung um 1,3 % steigern, tungsbranchen 2019 im Vergleich zum Vorjahr um verbunden mit einem Zuwachs bei den Vollzeit- und 48.100 auf 1,323 Mio. anstieg. Einen besonders star- Teilzeitkräften. Die Umsätze im Berliner Gastgewerbe ken Zuwachs verzeichnete die Boombranche Informa- erhöhten sich 2019 nominal um 3,2 und real um 0,8 % tion und Kommunikation mit rund 10.400 bzw. 10,3 % gegenüber dem Vorjahr. Das Beherbergungsgewerbe mehr Beschäftigten. Die sonstigen wirtschaftlichen und die Gastronomie konnten jeweils expandieren. Dienstleistungen (+7.700) sowie das Gesundheits- und Sozialwesen (+5.700) sind weitere Beispiele für stark Impulse auf die konsumnahen Branchen gingen ne- expandierende Dienstleistungsbereiche. ben zunehmenden Einkommens- und Beschäftigten- zahlen erneut vom Berlin-Tourismus aus. Die Zahl der Die Konsumkräfte blieben 2019 intakt und haben sich Übernachtungen erhöhte sich 2019 um 1,25 Mio. bzw. positiv auf den Einzelhandel ausgewirkt. 2019 erwirt- 3,8 % auf insgesamt 34,12 Mio. Die Gästezahl nahm Bruttoinlandsprodukt (real) – Berlin im Vergleich mit Deutschland Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % 8,0 +5,3 +4,2 +3,9 +3,9 +3,8 4,0 +2,9 +3,3 +2,8 +3,0 +2,7 +2,2 +2,2 +2,6 +1,5 +1,3 +0,4 +0,3 +0,4 +0,6 0,0 -0,2 -1,1 -4,0 -5,7 -8,0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Berlin Deutschland Quellen: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, Statistisches Bundesamt 12
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin Top 10 – SvB der Dienstleistungsbranchen 2019 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (SvB) 2019 absolut und prozentuale Veränderung gegenüber 2018 in % Gesundheits- und Sozialwesen +2,6 Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kfz +0,7 Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen +5,1 Erbringen von freiberuflichen, wissen- schaftlichen und technischen Dienstleistungen +4,7 Information und Kommunikation +10,3 Erziehung und Unterricht +5,0 Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherungen +0,7 Gastgewerbe +3,8 Verkehr und Lagerei +2,5 Erbringung von sonstigen Dienstleistungen +5,3 absolute Anzahl der SvB in Tausend 50 75 100 125 150 175 200 225 250 Quelle: Bundesagentur für Arbeit in Berlin gleichzeitig um 461.000 bzw. 3,4 % auf 13,96 ten gemäß IHK-Frühjahrsumfrage gut zwei Drittel der Mio. zu. Dabei fielen die Übernachtungs- und Gäste- Industrieunternehmen pessimistisch auf den weiteren zahlen aus dem Inland 2019 mit Zuwachsraten von Geschäftsverlauf. jeweils 4,7 % überdurchschnittlich aus. Die Ausfuhren der Berliner Wirtschaft beliefen sich Der Dienstleistungssektor kann dabei nicht getrennt gemäß Außenhandelsstatistik im Jahr 2019 auf rund von den anderen Wirtschaftsbereichen betrachtet 14,7 Mrd. €. Während die Exporte bspw. in die USA zu- werden. Es findet zunehmend eine Verflechtung von rückgingen, entstanden Zuwächse gegenüber China Dienstleistungen und Industrie statt; eine klare Sek- und dem EU-Raum. Größtes Abnehmerland von Berli- torentrennung ist daher weder möglich noch sinnvoll. ner Waren waren aber weiterhin die USA, gefolgt von Zunehmend rücken individuelle Wünsche und Bedürf- China und Frankreich. nisse von Kundinnen und Kunden in den Fokus der Un- ternehmenspolitik, so dass heute vor allem Komplett- Im Baugewerbe hielt 2019 die expansive Entwicklung lösungen und maßgeschneiderte Produkte den Markt an. Dies war begleitet von den insgesamt günstigen dominieren. Dadurch erhöht sich zugleich die interna- konjunkturellen Rahmenbedingungen, wie den zu- tionale Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Wirtschaft. nehmenden Einkommens- und Beschäftigtenzahlen und dem niedrigen Zinsniveau. Trotz teils sehr hoher Die Industrieumsätze in Berlin lagen im Jahr 2019 bei Werte im Vorjahr blieb die Branche damit 2019 auf rund 26,9 Mrd. €, wovon 56 % im Ausland erwirtschaf- Wachstumskurs. Nach einem Plus von 23,9 % in 2018 tet wurden. Damit erhöhten sich die Umsätze der wuchsen die Umsätze im Bauhauptgewerbe leicht Berliner Industrie gegenüber dem Vorjahr um 3,5 %. um 1,1 %. Im Ausbaugewerbe lagen die Umsätze im Während auf dem Binnenmarkt 4,1 % mehr umge- Jahr 2019 um 10,0 % über dem Vorjahresstand. Damit setzt wurde, entstand auf den Auslandsmärkten ein ergab sich für das gesamte Baugewerbe ein Umsatz- Zuwachs von 2,9 %. Die Aussichten für die Berliner anstieg von 4,4 %. Angesichts einer starken Baunach- Industrie deuteten am Anfang des Jahres zwar auf ein frage und eines hohen Auftragsbestandes besteht eher geringes konjunkturelles Tempo hin, das aber in grundlegend Potenzial für ein weiterhin reges Bau- einem stabilen Fahrwasser verlaufen sollte. Dies war geschehen in Berlin, obgleich es auch im Baugewer- begleitet von etwas schwächeren, aber weiterhin po- be bspw. durch gestörte Lieferketten negative Folgen sitiv ausgerichteten Geschäftserwartungen der Bran- durch die COVID-19-Pandemie geben kann. che. Mit der Ausbreitung des Corona-Virus hat sich das Geschäftsklima wie auch in den anderen Bran- Für Berlin stellt das Handwerk mit über 30.500 Betrie- chen unmittelbar deutlich verschlechtert. Dabei blick- ben nach wie vor einen zentralen Wirtschaftssektor 13
Struktur der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Industrie in Berlin im Jahr 2019 Weitere Industriezweige H. v. elektrischen Ausrüstungen 13 % 14 % Sonstiger Fahrzeugbau 4% H. v. Kraftwagen u. Kraftwagenteilen 5% H. v. Nahrungs- u. Futtermitteln 11 % H .v. Druckerzeugnissen u. a. 6% H. v. chemischen Erzeugnissen 6% H. v. DV-Geräten, elektron. u. optischen Erzeugnissen 11 % Maschinenbau 6% H. v. Metallerzeugnissen H. v. pharmazeutischen 9% Erzeugnissen H. v. sonstigen Waren 6% 9% Quelle: Bundesagentur für Arbeit dar, der zum positiven Trend der Berliner Wirtschaft fanden 2019 eine Beschäftigung in den Berliner Hand- beiträgt. Auch die Betriebsstatistik der Handwerks- werksbetrieben. Ca. 9.600 junge Menschen wurden in kammer Berlin zeigt sich positiv: 30.543 Handwerks- einem handwerklichen Beruf ausgebildet, von denen betriebe gab es zum Jahresende 2019, das sind etwa 22 % weiblich waren. 1.414 junge Menschen mit 123 Betriebe mehr als ein Jahr zuvor. einem ausländischen Pass befanden sich 2019 in ei- nem Ausbildungsverhältnis. 382 Ausbildungsverträge Sowohl die Zahl der Betriebe als auch die Zahl der wurden mit jungen Leuten aus den acht häufigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Auszubil- nichteuropäischen Asylzugangsländern abgeschlossen. denden ist weiterhin auf hohem Niveau. Damit trägt das Handwerk maßgeblich zur guten wirtschaftlichen Die Konjunkturumfrage der Kammern zeigte zudem, Entwicklung Berlins bei. Rund 180.000 Beschäftigte dass die wirtschaftliche Situation im Handwerk in Magdalena Tomkiewicz Dr. Constantin Terton Bereich Handwerk; Abteilungsleiter Senatsverwaltung für Wirtschaftspolitik, Wirtschaft, Energie Handwerkskammer und Betriebe Berlin „Mit dem Aktionsprogramm Handwerk 2018 - 2020 „Das Berliner Handwerk hält die Stadt am Laufen: setzen der Berliner Senat und die Handwerkskammer Handwerk ist und arbeitet nachhaltig, lokal und gibt Berlin ihre erfolgreiche Zusammenarbeit der vergan- Menschen Perspektiven und Beschäftigung. Damit genen Jahre fort. Gemeinsam werden insgesamt dieses aber gelingt, müssen die wirtschaftlichen 33 Maßnahmen in einem Dreijahres-Turnus umge- Rahmenbedingungen stimmen. Und hier kommt das setzt und innovative Lösungen für das Berliner Hand- Aktionsprogramm Handwerk ins Spiel: Gemeinsam werk entwickelt. Das Aktionsprogramm Handwerk mit dem Berliner Senat erarbeiten wir konkrete Maß- leistet einen wertvollen Beitrag zur Förderung von nahmen und setzen diese um.“ Vielfalt und Nachhaltigkeit im Berliner Handwerk.“ 14
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin Berlin im Herbst 2019 noch sehr gut war, obwohl die Meistergründungsprämie Geschäftserwartungen leicht nachzugeben begannen. Die Aussichten waren aber weiterhin positiv ausge- Um jungen Handwerksmeisterinnen und -meistern richtet, auch wenn im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe den Schritt in die Selbstständigkeit zu erleichtern, weniger Betriebe von weiter steigenden Auftragsvo- bietet das Land Berlin seit vielen Jahren über das lumina ausgingen. Die Ausgangssituation des Hand- zu 50 Prozent mit Mitteln der EU kofinanzierte werks und dabei auch des Baugewerbes war zu Jah- Programm „Meistergründungsprämie“ schnell und resbeginn also günstig. unbürokratisch finanzielle Unterstützung an. Die Prämie kann bis zu 15.000 Euro betragen. Mit ihr Einen positiven Rahmen bildet das Aktionsprogramm wird die Bedeutung des qualifizierten Handwerks Handwerk 2018 – 2020, mit dem in Kooperation zwi- für den Standort Berlin deutlich hervorgehoben. Die schen dem Berliner Senat und dem Berliner Handwerk Auszahlung der Meistergründungsprämie erfolgt in 33 Maßnahmen entwickelt wurden. Zu den Maßnah- zwei Stufen: in der ersten Stufe (Gründungsphase) men, durch die innovative Lösungen für das Handwerk erhalten die Meisterinnen und Meister 8.000 Eu- entstehen sollen, zählen bspw. die Stärkung der digi- ro; in der zweiten Stufe (nach drei Jahren) weite- talen Kompetenz, aber auch der Inklusionskompetenz re 5.000 Euro, sofern sie einen Ausbildungsplatz im Kontext der vielfältigen Chancen im Handwerk. oder sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz Maßnahmen für ein nachhaltiges Handwerk, etwa geschaffen haben. Sollte es sich um einen Ausbil- die Initiative zur gewerblichen Standortsicherung und dungsplatz in einer mit weiblichen Arbeitskräften Flächenvorsorge oder auch die Stärkung des Ehren- gering besetzten Branche handeln, beträgt die Prä- amtes, zählen ebenso zum Aktionsprogramm wie die mie in der zweiten Stufe 7.000 Euro, sofern er mit Maßnahmen zur Zukunft Handwerk, darunter bspw. einer weiblichen Auszubildenden besetzt wird. Ins- die Stärkung der Leistungsfähigkeit der Oberstufen- gesamt konnten im vergangenen Jahr 98 (2018: 97) zentren (OSZ) oder die Öffentlichkeitsarbeit für das Meisterinnen und Meister im Handwerk gefördert Handwerk. werden. Davon waren 64 Existenzgründungen und 34 Förderungen für einen Arbeitsplatz. In deren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Folge wurden ca. 142 Arbeitsplätze und 21 Ausbil- dungsplätze neu geschaffen. Die COVID-19-Pandemie hat starke Auswirkungen auch auf das Berliner Handwerk. Zwar können alle an der Spitzenposition der Bundesländer. 2019 waren Handwerksbetriebe in Berlin ihren Geschäftsbetrieb von den Erwerbstätigen insgesamt 1,528 Mio. Per- mittlerweile wieder aufnehmen, die wirtschaftliche sonen sozialversicherungspflichtig beschäftigt und Situation weist aber erhebliche Unterschiede in den damit 3,5 % mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Arbeits- verschiedenen Gewerken auf. losen ging im Jahresdurchschnitt 2019 im Vergleich zu 2018 um rund 3.700 auf 152.600 zurück. Hierzu haben Sehr stark von den Auswirkungen der Pandemie die günstigeren Werte zum Jahresbeginn beigetragen, betroffen sind beispielsweise die Gesundheitshand- zumal ab Mai die bislang unterzeichneten Daten zu den werke und die körpernahen Dienstleistungen wie Arbeitslosenzahlen in der Grundsicherung nach oben Friseur- und Kosmetikstudios. Nach der Wiederer- korrigiert wurden und seitdem den Vorjahresvergleich öffnung Anfang Mai dieses Jahres hat sich die Lage entsprechend negativ beeinflusst haben. Die Arbeitslo- zwar entspannt, die erforderlichen Hygieneauflagen senquote verringerte sich in Berlin zwischen 2018 und wirken sich dennoch auf die Geschäftstätigkeit der 2019 von 8,1 % auf 7,8 %; bei den Frauen lag sie im Betriebe aus. letzten Jahr bei 7,2 % und bei den Männern bei 8,4 %. Der Berliner Arbeitsmarkt hat sich vor der COVID- Die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Berlin 19-Pandemie mit Blick auf die Beschäftigungsent- kennzeichnet weiterhin die hohe Zahl von Neugrün- wicklung 2019 erneut sehr positiv entwickelt. In Ber- dungen. Im Jahr 2019 wurden gut 38.000 Unterneh- lin stieg die Zahl der Erwerbstätigen 2019 um 44.600 men neu gegründet. Die Gründungsdynamik blieb da- bzw. 2,2 % auf 2,061 Mio., gegenüber einem Plus von mit auf einem hohen Niveau, obgleich der Stand des 0,8 % im Bundesdurchschnitt. Damit lag Berlin das Vorjahres, als es 40.300 Neugründungen gegeben hat- achte Jahr in Folge beim Erwerbstätigenwachstum te, nicht erreicht wurde. Mit 105 Neugründungen pro 15
Neugründungen je 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner nach Bundesländern BERLIN Hamburg Hessen Bremen Schleswig-Holstein Bayern Nordrhein-Westfalen DEUTSCHLAND Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Niedersachsen Saarland Sachsen Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Thüringen Sachsen-Anhalt 0 20 40 60 80 100 120 Quelle: Statistisches Bundesamt 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner hatte Berlin net wird. Es handelt sich hierbei um Gründungen, bei im Jahr 2019 im Vergleich der Bundesländer aber den denen bspw. ein Eintrag im Handelsregister oder eine höchsten Wert vor Hamburg (98) und Hessen (76). Der Handwerkseigenschaft vorliegt bzw. es mindestens Bundesdurchschnitt betrug 66. Günstig ist Berlins Po- eine beschäftigte Person gibt. Mit 25 Betriebsgrün- sition auch bei den sogenannten Betriebsgründungen, dungen pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner denen ein höheres wirtschaftliches Gewicht zugeord- lag Berlin mit Hamburg, das 26 erreichte, mit Abstand Oliver Falk Claus Pretzell Leitung Bereich Abteilung Volkswirt- Konjunktur und schaft; Statistik; Senatsver- Investitionsbank Berlin waltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe „Berlin hat sich als wachstumsstarker Standort eta- „Nach der COVID-19-Krise wird Deutschland im euro- bliert. Die hohe Dynamik bei IT und Startups und päischen Vergleich seine Wirtschaft schneller norma- die leistungsstarken produzierenden Branchen bil- lisieren und wieder Arbeitsplätze aufbauen. Arbeits- den eine gute strukturelle Basis, auf der Berlin nach suchende und Fachkräfte könnten dann verstärkt Überwindung der COVID-19-Pandemie wieder auf nach Berlin ziehen, das mit hoher internationaler einen überdurchschnittlichen Wachstumspfad ein- Anziehungskraft und einer starken Digitalwirtschaft schwenken kann.“ punkten kann.“ 16
II. Wirtschaftsentwicklung in Berlin an der Spitze der Bundesländer und wies somit auch tung der Zukunftsfähigkeit der Berliner Wirtschaft hier ein starkes Gründungstempo auf. einfließen zu lassen. Der Wirtschaftsstandort hat weiterhin einen starken Neben der Betrachtung des reinen Wirtschaftswachs- Zuwachs an neuen Betrieben. Dies haben Berechnun- tums werden deshalb nachfolgend ökonomisch, sozial gen der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und und ökologisch messbare Indikatoren betrachtet, um Betriebe auf Grundlage von Daten der Bundesagentur eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung darstellen für Arbeit ergeben, die sich auf Betriebe mit mindes- und bewerten zu können. Diese sollen die Lebens- tens einer sozialversicherungspflichtig tätigen Person qualität der Menschen und deren Teilhabe am Wirt- beziehen. schaftswachstum sowie den verantwortungsbewuss- ten Umgang mit Ressourcen in den Blick nehmen. Die Zahl dieser Betriebe lag 2019 bei rund 99.700 und damit um rund 4.000 bzw. 4,2 % über dem Niveau von Der durchschnittliche wirtschaftliche Wohlstand des 2016. Im Bundesdurchschnitt entstand ein Zuwachs Einzelnen wird durch das Bruttoinlandsprodukt pro von 0,9 %. Bei kleinen, mittelgroßen und großen Be- Kopf und dessen Veränderung gemessen. Die Entwick- trieben waren die Zuwachsraten in Berlin zwischen lung des materiellen Wohlstands hängt – positiv wie 2016 und 2019 jeweils höher als in Deutschland ins- negativ – von der Bevölkerungsentwicklung ab. Die gesamt. Normierung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf kor- rigiert die Veränderung des materiellen Wohlstands um den Anteil, der sich aus einer reinen Bevölkerungs- Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung: wirtschaftlicher veränderung ergibt. Wohlstand und ökonomische Stabilität Im Jahr 2019 betrug in Berlin das Bruttoinlandspro- Die klassischen volkswirtschaftlichen Indikatoren dukt pro Kopf 41.967 € und nahm mit 4,6 % gegen- zeigten im Vorfeld der COVID-19-Pandemie somit eine über dem Vorjahr überdurchschnittlich zu; in Deutsch- positive Entwicklung der Berliner Wirtschaft in den land betrug es 41.358 €. Erstmals seit dem Jahr 2000 letzten Jahren an – der Branchenmix aus Dienstleis- lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Berlin damit tungen und Produktion hat Impulse ausgelöst und die oberhalb des Bundesdurchschnitts. Erwerbstätigkeit nahm spürbar zu. Um die Entwick- lung Berlins mit Blick auf die Zukunft, insbesondere Der Umfang und die Qualität der Infrastruktur ist ein unter den Aspekten der Nachhaltigkeit und gesell- wichtiger Bestimmungsfaktor für die ökonomische schaftlichen Entwicklung, differenziert abschätzen Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und deren Wettbe- und umfassend abbilden zu können, ist es notwendig, werbs- und Zukunftsfähigkeit. Die Bruttoanlageinves- weitergehende Wohlfahrtsindikatoren in die Bewer- titionen geben in diesem Zusammenhang den Kapi- Erwerbstätige in Berlin Veränderungen gegenüber Vorjahr in 1.000 70 3,5 +3,0 +2,9 +2,8 60 3,0 +2,2 50 +2,3 2,5 +2,1 +1,9 40 2,0 absolut in % +1,6 +1,5 30 +1,1 1,5 +1,0 20 1,0 10 0,5 0 0,0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Quelle: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ 17
taleinsatz für die Weiterentwicklung der betrieblichen Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) und öffentlichen Infrastruktur an. Darüber hinaus stellen zukunftsgerichtete Investitionen in die Gene- hängen die Investitionen auch stark vom Vertrauen rierung neuen Wissens dar. Dieses erweitert die tech- der Wirtschaftsakteure in die zukünftige Entwicklung nologische Grundlage für die künftige wirtschaftliche des Wirtschaftsstandortes ab. Die Bruttoanlagein- Produktion auf Märkten in einem nationalen und in- vestitionen stellen den Wert der Anlagen dar, die von ternationalen Wettbewerbsumfeld. inländischen Wirtschaftseinheiten erworben werden, um sie länger als ein Jahr im Produktionsprozess ein- In den vergangenen Jahren sind die FuE-Ausgaben zusetzen. Investitionen in neue Anlagen bestehen aus in Berlin kontinuierlich gestiegen. Berlin erreich- den drei Teilbestandsgrößen Ausrüstungen (z. B. Ma- te beim Anteil der Aufwendungen für öffentliche schinen und Geräte), Bauten (z. B. Bauleistungen an FuE am Bruttoinlandsprodukt mit 1,27 % im Jahr Wohn- und Nichtwohngebäuden) und sonstige Anla- 2018 den höchsten Wert von allen Bundesländern. gen (z. B. Investitionen für Software und Datenban- Demgegenüber sind die Ausgaben der Berliner ken). Wirtschaft in FuE im Bundesländervergleich un- terdurchschnittlich angesichts einer, im Vergleich Im Jahr 2017, dem letzten Jahr für das Daten vorlie- zum Bundesdurchschnitt, geringeren FuE-Intensität gen, wurden in Berlin insgesamt 26,0 Mrd. € inves- bei Großunternehmen, die den Großteil privater tiert. Dies waren real zwar geringfügig weniger als ein FuE-Ausgaben ausmachen. Insgesamt stiegen die Jahr zuvor. Der Mehrjahresvergleich zwischen 2010 FuE-Ausgaben 2018 in Berlin stärker als im Bundes- und 2017 fällt aber deutlich positiv aus. Die Brutto- durchschnitt. anlageinvestitionen stiegen in diesem Zeitraum in Berlin real um 32,9 % und im Bundesdurchschnitt um Der Anteil aller Ausgaben für Forschung und Entwick- 18,2 %. Berlins Investitionsquote lag 2017 bei 18,7 %, lung am BIP inkl. der Wirtschaft und Hochschulen lag gegenüber 17,0 % in 2010. Bei den Anschaffungen in Berlin 2018 bei 3,51 %. In Deutschland lag dieser von neuen Anlagen dominierte 2017 der Dienstleis- Wert bei 3,13 %, so dass wieder das 3 %-Ziel erreicht tungssektor mit einem Anteil von 86,3 %. Auf das werden konnte. Bereits im Jahr 2000 haben sich die Produzierende Gewerbe (Industrie, Energie und Bau) europäischen Länder das Ziel gesetzt, 3 % ihres Brut- entfielen 13,7 % der neuen Investitionen. toinlandsprodukts für FuE auszugeben. Für das Jahr Ausgaben für Forschung und Entwicklung nach Sektoren in Mrd. Euro; Anteil der Ausgaben am BIP in % 6.000 3,7 3,6 5.000 3,5 3,4 4.000 3,3 Anteil am BIP in % in Mio. Euro 3.000 3,2 3,1 2.000 3,0 2,9 1.000 2,8 0 2,7 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Staat Hochschulen Wirtschaft Anteil FUE/BIP Quelle: Statistisches Bundesamt 18
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