Die Jagd wird digital - Haufe
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06.2018 | 13.50 EUR www.personalmagazin.de MATERIAL-NR. 04062-5212 Spezial Betrieb liche Zusatzle istunge S . 54 n Die Jagd wird digital Vor diesen Veränderungen steht die Personalberatungsbranche S. 10 KONZEPT Ein neues Führungs- CO-CREATION So entwickeln Sie DSGVO Welche Verträge mit modell verbindet verschiedene eine Personalstrategie im Dialog HR-Dienstleistern Sie jetzt Führungsstile S. 22 mit Ihren internen Kunden S. 40 anpassen müssen S. 72
EDITORIAL 3 Liebe Leserinnen und Leser, machen soziale Netzwerke die Headhunter überflüssig? Bei Linkedin und Xing sind derzeit über 20 Millionen Profile angelegt. Der Trend, sich mit Vita und Kompetenzen in einem sozialen Netzwerk darzu stellen, ist ungebrochen und erfasst zunehmend auch die Vorstands ebenen. Die Nervosität in den Personalberatungen ist derzeit extrem hoch, wie unsere Chefreporterin Daniela Furkel bei ihren Recherchen beobachten konnte. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Ge schäftsmodelle hat der BDU, der sein 20-jähriges Jubi „Den Head läum feiert, deshalb zum Top-Thema des Branchen huntern kongresses gemacht. Die geht es so Branche erkennt offenbar gut wie nie die Strukturveränderungen, mals zuvor. doch ist sie angesichts Gleichwohl ist ihr Ge sprudelnder Umsätze auch schäftsmodell bedroht.“ bereit, sich zu verändern? Reiner Straub, Herausgeber Nach wie vor sind viele ältere Herren in der Bran che tätig, die mit ihrem Zugang zu Vorstandsetagen kokettieren und ihren Standesdünkel pflegen. Doch es gibt zunehmend Frauen und Jüngere, die die Kultur erneuern wollen. Fabian Kienbaum baut seine Beratung um und setzt auf eine Kultur der Offenheit und Transparenz. Constanze Buch heim, eine Pionierin aus der Start-up-Branche, sieht neue technische Möglichkeiten nicht als Bedrohung, sondern freut sich darüber. Im Karteikasten oder der Identifikation sieht sie keine Kernkompetenz mehr. „Heute geht es darum, die Kandidaten von einem Wechsel zu überzeugen“, erläutert sie im Interview, das Sie in unserer Titelge schichte finden. Treiber der Veränderung sind die Auftraggeber, die diese Verantwor tung auch wahrnehmen sollten. Eine Personalberatung alter Schule passt nicht mehr zu einem Unternehmen, das sich digital transformie ren will. 06 / 18 personalmagazin
4 INHALT_ JUNI 2018 Benefits bleiben ohne Wirkung Tanja Löhrke fasst die Ergebnisse des Benefits Trends Survey zusammen. Diese Symbole weisen auf Add-Ons in der Personalmagazin-App hin. Video Audio Bildergalerie Umfrage Rechner 54 10 Zusatzinfo SZENE MANAGEMENT ORGANISATION 06 News und Events 20 News und Dienstleistungsmarkt 38 News und Softwaremarkt 22 Ein einheitlicher Stil 40 Neue Strategien im Dialog TITELTHEMA Mit dem integrativen Modell wollen Was mit Personalstrategie gemeint Wissenschaftler die Vielzahl der ist und wie die Erstellung gelingt 10 Die Jagd wird digital Führungsstile verbinden Die Digitalisierung bringt grund 44 Erste Tests sind abgeschlossen legende Veränderungen für die 26 Mehr Zeit für das Wesentliche Auf der Agile HR Conference Personalberatungsbranche Die Digitalisierung vereinfacht präsentieren Konzerne und Mittel die Planung und Verwaltung von ständler ihre agilen Praxisbeispiele 14 „Automatisierung ist ein Segen“ Assessment-Centern Constanze Buchheim über die 48 Ein Kultur-Guide für HR Veränderungen in der Personal 30 Face-to-Face mit Bewerbern Eine Studie zeigt, warum Kultur beratung Recruiting-Messen ermöglichen den entwicklung prozessorientiert sein direkten Kontakt zu Absolventen muss 16 Nach oben angepasst 31 „Ein Blind Date mit der Zukunft“ Die Branche ist im Wandel. Die Sabine Grobara erklärt, wie Job 52 Personal effizient planen Honorare bleiben davon – noch – interviews im Dunkeln ablaufen Die Chancen der Personaleinsatzpla unberührt nung mit Workforce Management 32 Wechseln ist angesagt 18 Jung, talentiert, weiblich Änderungen im Verständnis von Der Bedarf an weiblichen Füh Führung lassen neue Konzepte im rungskräften steigt. Personalberater Talent Management entstehen tun sich schwer damit 36 Sehschwäche ist kein Hindernis Ernst & Young nutzt Workshops für Blinde und Sehbehinderte als Rekrutierungsinstrument personalmagazin 06 / 18
5 © YSBRAND COSIJN / SHUTTERSTOCK.COM Drei Jahre Mindestlohngesetz Drei wichtige Fragen zur Lohnuntergrenze, auf die Betriebe praktisch sinnvolle Antworten finden müssen. © KADMY / ADOBE STOCK Was ändert sich für Headhunter? Die Branche muss sich umstellen. Das gilt auch für die „Platzhirsche“ unter 64 den Beratern. SPEZIAL RECHT PERSÖNLICH 54 „Keine Wirkung ohne Strategie“ 60 News 76 News und Weiterbildung Der Benefit Trend Survey zeigt, warum Benefits von Mitarbeitern 62 Aktuelle Urteile 78 Buchtipps oft nicht geschätzt werden 64 Drei Jahre, drei Probleme 82 Ganz persönlich 56 Chancen nicht verspielen Unklarheiten des Mindestlohn Frithjof Reitter beantwortet unseren Strategisch untermauerte gesetzes, für die es in der Praxis Fragebogen Zusatzleistungen kommen gut Lösungen bedarf an, wie das Beispiel Isabellen hütte zeigt 67 Agiler als erlaubt? RUBRIKEN Kann das Arbeitsrecht mit den Veränderungen der Arbeitswelt 03 Editorial Schritt halten? 79 Impressum, Rückblick 68 Geschenke für die Mitarbeiter Manche Aufmerksamkeit für Mitar 82 Vorschau beiter ist lohnsteuerlich begünstigt. Was dabei zu beachten ist 72 Update für Dienstleisterverträge Aufgrund der neuen DSGVO müs sen beim Cloud Computing nun die Verträge angepasst werden 06 / 18 personalmagazin
6 SZENE_NEWS Stellenwechsel MARION RÖVEKAMP © EWE Seit April 2011 war Marion Rövekamp Personalvorstand bei der DB Regio AG. Im Mai 2018 hat sie nun ihre Tätigkeit im Vorstand des Stromanbieters EWE AG aufgenommen. Als Vorstand für Personal und Recht folgt die 56-jährige Juristin dort auf Nikolaus Behr, der das Unternehmen im September 2016 verlassen hat. Der Konzern beschäftigt rund 9.000 Mitarbeiter. Vor ihrer Zeit im DB-Regio-Vorstand war Rövekamp als geschäftsführende Ge- sellschafterin einer Unternehmensberatung tätig. Von 2009 an leitete sie interimsweise das Change Management beim Programm „Zukunftsfähigkeit Regio“ bei der DB Regio AG. Ihre berufliche Laufbahn begann sie 1990 bei der Deutschen Telekom, wo sie unter ande- rem Personalleiterin in verschiedenen Niederlassungen war und die Abteilung „People Development and Culture“ bei der T-Systems weltweit führte. © SAP SE STEFAN RIES Das Softwareunternehmen SAP hat das Mandat von Vorstandsmitglied Stefan Ries vorzeitig um weitere fünf Jahre bis 2024 verlängert. Der 52-Jährige ist Chief Human Resources Officer (CHRO) und Arbeitsdirektor. Er wurde vor zwei Jahren in den Vorstand berufen. Sein aktueller Vertrag wäre noch bis 2019 gelaufen. Zuvor war Stefan Ries seit 2014 als CHRO und Member of the Global Managing Board für die Personalarbeit des Unternehmens verantwortlich. Er kam erstmals 2002 zu SAP und war bis 2010 in verschiedenen globalen HR-Funktionen für das Unternehmen tätig. Zwischen 2010 und 2014 arbeitete Ries als Berater für Egon Zehnder International. © WOLFGANG STAHR HELGA JUNG Seit 1. April ist Dr. Helga Jung im Vorstand der Allianz SE für den Bereich Human Resources zuständig und übt die Funktion der Arbeitsdirektorin aus. Das Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben weltweit gut 140.000 Mitarbeiter. Bereits 2012 wurde Helga Jung als erste Frau in den Vorstand des Konzerns berufen. Seitdem ist die heute 56-Jährige zuständig für Spanien, Portugal, Lateinamerika und Mergers & Acquisitions sowie Legal & Compliance. Die ausgebildete Bankkauffrau und promovierte Betriebswirtin arbeitet seit 1993 für die Allianz. Darüber hinaus ist sie Mitglied verschiedener Aufsichtsräte, unter anderem bei der Deutschen Telekom. OLAF PHILIP BECK MARTINA RUISS Seit März arbeitet Olaf Philip Beck als Director of Human Relations Am 1. April übernahm Martina Ruiß die Position des Head of Human bei Novum Hospitality. In der neu geschaffenen Position unterstützt Resources bei Personio. Die 34-Jährige will ihren Fokus darauf le- er vor allem das Recruiting und das Talent Development. Zuletzt gen, Personio als starke Arbeitgebermarke zu positionieren, um die arbeitete er unter anderem als Business-Coach sowie als General besten Talente zu gewinnen und die Unternehmenskultur weiter zu Manager oder Director Marketing verschiedener namhafter Hotels. entwickeln. Zuvor war Matina Ruiß zuständig für das Berater-Recrui- ting bei McKinsey Deutschland und Österreich. JENS BERGER Zum 1. Mai hat Jens Berger die Position des Senior Vice President EBERHARD ZORN Human Resources der Fressnapf-Gruppe übernommen. In dieser Mitte April wurde Generalleutnant Eberhard Zorn zum Generalin- Funktion ist er Mitglied der Geschäftsleitung. Der 41-Jährige kommt spekteur der Bundeswehr ernannt. Der 57-Jährige folgt auf Volker von Galeria Kaufhof, wo er seit 2015 als Leiter Personal und Director Wieker, der acht Jahre in diesem Amt tätig war. Eberhard Zorn HR tätig war. Er verfügt über mehr als 15 Jahre HR-Erfahrung, davon leitete seit Mitte 2017 die Personalabteilung im Bundesministerium zehn Jahre in Führungs- und Geschäftsführungspositionen. der Verteidigung. personalmagazin 06 / 18
7 Viel Spaß beim Recruiter Slam. Gewonnen hat Rebecca Glockner (vierte von rechts). Selbstbestimmung, Anerkennung, Entfaltung und Selbstverwirklichung verband, sowie Heiko Schomberg von © HAUFE Bayer, der die Geschichte von Ralf Brummi Bursi erzähte, der trotz sei- nes ausfallenden Sozialverhaltens als Frauenpower auf dem Recruiter Slam richtiger und qualifiziertester Bewer- ber das Jobangebot bekam. Robindro B ereits zum dritten Mal hieß es auf es Mitte April in zwei unterhaltsame Batt- Ullah von HR Tomorrow dichtete über dem dritten Recruiter Slam in Stutt- le-Runden gegangen. Im ersten Durchgang „Disruption, die neue fiktive Krank- gart: Bühne frei für die wortgewand- traten ausgeloste Paare im K.-o.-System ge- heit der Nation“ und Rebecca Glock- testen und witzigsten Vertreter der Szene! geneinander an. Maximal sechs Minuten ner von Neoperl holte schließlich die Unter den acht Kandidaten waren auch zwei hatten sie Zeit, sich reimend in Szene zu Trophäe mit ihrem Plädoyer für weni- Frauen – eine davon holte am Ende die Rec- setzen. In die Finalrunde schafften es Tho- ger Algorithmen: „Die messbare Seite ruiting-Dichter-Krone: Rebecca Glockner mas Rapp von Talentgewinner, der das H der Welt ist nicht die Welt.“ von Neoperl. Vor ausverkauftem Haus war in HR mit einem Aufruf zu mehr Respekt, www.recruiterslam.de Drei Fragen an ... ... Ines Busch zum Thema „Paartherapie für IT und HR“ Frage eins: Sie bieten eine Paartherapie für IT und HR an. Steht © CONSENSA es um diese Beziehung so schlecht? INES BUSCH konstatiert als Ines Busch: Es knirscht oft schon ganz schön – und es könnte Partnerin bei der Consensa schlimmer werden. HR und IT hatten bisher nicht viel mit Projektberatung häufig einander zu tun, jetzt aber sind sie in der gemeinsamen Um- Beziehungskrisen zwischen setzung von komplexen Digitalisierungsprojekten gefordert. HR und IT, ausgelöst durch unterschiedliche Denkwei- Frage zwei: Und statt gemeinsamer Arbeit gibt‘s jetzt Streit? sen und Sprachen, aber auch Busch: Schon von den Arbeitsbereichen her, aber auch von der durch zu wenig Zeit fürei- Art zu denken, sind HR und IT konträr. Personaler haben die- nander. Als Lösung bietet sen Beruf meist gewählt, um mit Menschen zu arbeiten, die Consensa eine Paartherapie Leidenschaft der IT liegt in der strukturierten Umsetzung von für die Protagonisten. Projekten, der Schönheit des Codes. Sollen HR-Prozesse digita- lisiert werden, drängt sich meist die ungeklärte Prozessverant- wortung auf: Wer gibt das Sytem vor? Ist HR in der Lage, die eigenen Prozesse so zu beschreiben, wie die IT das braucht? es diese Irritationen gibt. Einige davon sind auch systemisch, Falls nicht, ist die IT schnell genervt. Das ist neu für HR. Dazu also unveränderbar. Wichtig ist die Einsicht für HR, dass es kommt die jeweilige Fachsprache. Das allergrößte Problem methodisch und in der Projektkompetenz zum Umgang auf Au- aber ist, dass sich die Beteiligten nicht genug Zeit füreinander genhöhe kommen muss. Das macht es der IT leichter. Die an- nehmen. Operative Hektik verschärft aber das Problem. dererseits lernt, mehr Verständnis für die Vorgehensweise von HR zu entwickeln. Dabei helfen „Übersetzer“, die Erfahrung Frage drei: Was lernen die Teilnehmer bei der Paartherapie? in beiden Bereichen haben. Beide Seiten lernen, gemeinsam Busch: Das kommt auf den Grad der Beziehungsstörung an. auf den Endkunden zu schauen, also die internen Kunden und Erstmal lernen sie, zu analysieren und zu verstehen, warum Mitarbeiter, anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen. 06 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
8 SZENE_NEWS SZENE_EVENTS © WHATCHADO.COM Ali Mahlodji, Co-Founder von Whatchado, referiert auf dem Hoffest von HR-Pepper. Demut, Macht und Sinn in der Arbeitswelt D as fünfte Hoffest von HR-Pepper steht unter dem Motto „De- mut.Macht.Sinn“. Mit diesem Dreiklang wollen die Initia- toren bewusst einen weiten Spannungsbogen aufmachen, um nach all der jüngst thematisierten New-Work-Folklore intensiv miteinander zu diskutieren und auch die Ambivalenzen, die die moderne Arbeitswelt mit sich bringt, zu berücksichtigen. Unter anderem folgende Fragen stehen im Mittelpunkt: Was dürfen Füh- rungskräfte in diesen unübersichtlichen Zeiten erwarten? Welche Rollen haben sie in der Zukunft? Was sind Erfolgsstrategien? Was bedeutet das für Mitarbeiter und Unternehmenssysteme? Passend zum Motto beginnt das Hoffest mit Achtsamkeits übungen und Meditation. Einige Auszüge aus dem Programm: Ali Mahlodji von Whatchado spricht über „Achtsame (Selbst-)Führung im digitalen Zeitalter“. Sabine Kluge von Kluge Consulting referiert zum Thema „Führung und Demut: Warum die Antwort auf die Digi- talisierung Vernetzung heißt“. Jürgen Horrwarth und Hans-Jürgen Kuhn vom ersten Berliner Skateboardverein geben einen Einblick in die Skateboardwelt. Ihr Thema lautet „Demut macht stark: Er- folgsstrategien im Leistungssport“. Jutta Allmendinger vom Wis- senschaftszentrum Berlin für Sozialforschung spricht über „Die Sehnsucht der Deutschen nach einem guten Leben“. Das Hoffest findet am 1. Juni in Berlin statt. www.hrpepper.de TERMINE Die Zukunft der Arbeit im 7. Juni, Kienbaum People Convention 2018 Zeitalter der Digitalisierung A Ehreshoven Tel. 0211 80172-716 m 21. Juni findet zum dritten Mal der Digital Leadership Sum- www.kienbaum.com mit in Köln statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen die 11. bis 15. Cebit unternehmerischen Konsequenzen der Digitalisierung für die Juni, Hannover Tel. 0511 89-33155 Zukunft der Arbeit. Der Vortrag des Wissenschaftsjournalisten Ranga www.cebit.de Yogeshwar trägt den Titel „Nächste Ausfahrt Zukunft – Geschichten aus einer Welt im Wandel“, jener von Reza Moussavian, Deutsche Tele- 14. Juni, New Work Future – Konferenz für Hamburg neues Arbeiten kom, den Titel „Von Yoga bis Bots – ein kleiner Einblick in die digitale Tel. 040 27151530 Transformation der Telekom“ und jener von Keynote-Sprecher Karsten www.newworkfuture.de Linz, SAP, den Titel „Entrepreneurial.Transformation.Digital. Wie man in einer disruptiven Welt in Führung geht“. Weitere Referenten sind 26. und 27. Personalmanagementkongress 2018 Andera Gadeib (Dialego), Felicitas von Kyaw (Vattenfall), Joachim Sku- Juni, Berlin Tel. 030 848590 www.personalmanagementkongress.de ra (Oracle), Anastasia Hermann (Stepstone Deutschland) und Henner Knabenreich (Knabenreich Consult). www.digital-leadership-summit.de Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 06 / 18
10 TITEL_ZEITENWENDE IM PEOPLE BUSINESS Die Jagd wird digital TREND. Mit diskreten Anrufen kommen Headhunter kaum noch weiter. Die Digitali- sierung bringt grundlegende Veränderungen für die Personalberatungen mit sich. Von Daniela Furkel (Red.) re zu besetzende Position ausschreiben Das Stammgeschäft der können, ist bereits seit Längerem auf W enn früher die sonore dem Markt. Die angeschlossenen Head- Männerstimme am Tele- Berater, die Suche, Aus- hunter – über 6.000 sind es nach Anga- fon fragte „Können Sie wahl und Gewinnung ben von Jobtender 24 – suchen passende sprechen?“, wusste ein Kandidaten und schlagen sie den Auf- Manager: Jetzt will ihm ein Headhunter von Führungskräften traggebern vor. Ähnlich wie bei Taledo eine neue Führungsposition in einem und Experten, legt wei- zahlen die Auftraggeber nur bei Erfolg. namhaften Unternehmen der deutschen Dennoch: Das Executive-Search-Busi- Wirtschaft vorschlagen. ter zu – trotz und wegen ness wird durch die neuen Marktteil- Daran hat sich in den vergangenen der Digitalisierung. nehmer kaum gefährdet. Die Zahl der Jahren fast alles geändert: Executive- Personalberater steigt weiter. In seiner Search-Beratungen, früher häufig als Studie „Personalberatung in Deutsch- „Altherrenclubs“ bezeichnet, werden zu- land 2016/2017“ zählte der BDU 7.100 nehmend jünger und weiblicher. Ebenso verstärkt auf der Suche nach Führungs- Personalberater – knapp sieben Pro- sind die platzierten Kandidaten immer kräften mit technologischem Verständnis zent mehr als im Vorjahr. Diese haben öfter weiblich – mittlerweile liegt der und Kompetenzen für den digitalen Wan- 62.500 Positionen besetzt – im Vergleich Frauenanteil bei 25 Prozent. Und nicht del. Ganz neue Kandidatenprofile sind ge- zu 2015 ein Plus von neun Prozent. Die nur Traditionsunternehmen suchen fragt und müssen auf einem sehr engen Umsätze stiegen ebenfalls um neun nach neuen Führungskräften. Auch die Angebotsmarkt gefunden werden, auf Prozent an. Das Stammgeschäft der Per- rasant wachsenden Unternehmen der dem klassische Suchmethoden nicht im- sonalberater, die Suche, Auswahl und Digitalwirtschaft haben hohen Bedarf mer die gewünschten Ergebnisse liefern. Gewinnung von Führungskräften und an Top-Managern. Auf der anderen Seite kommen neue Experten, hat am stärksten von allen Die größte Veränderung ist aber: Die Anbieter auf den Markt, die das Ge- Beratungsfeldern zugelegt. Heute macht Ansprache erfolgt immer häufiger über schäft digital abbilden. Ein Beispiel ist das klassische Headhunting 84 Prozent digitale Kanäle. Das Festnetztelefon am das Start-up Searchtalent. Auf Basis Marktanteil aus. Arbeitsplatz bleibt still. Headhunting einer Stellenbeschreibung erstellt ein wird zunehmend durch Technik unter- Berater ein Suchprofil. Dann durchsucht Mehr Beratung gefordert stützt. Die Personalberatungsbranche die Technik verschiedene Netzwerke Wie passt das zusammen? Eine Erklä- befindet sich mitten in einer Zeitenwen- und spricht Kandidaten automatisiert rung liefert Dr. Regina Ruppert, Ge- de. Aber nicht alle Personalberatungen an. Erst bei der Bewertung der Profile schäftsführerin der Selaestus Personal schaffen es, eine gute Balance zwischen – bevor sie dem Kunden in seinem Dash- Management GmbH und BDU-Vizepräsi- Technik und individueller Beratung zu board vorgestellt werden – kommt wie- dentin: „Auf der einen Seite gibt es die erreichen. der Handarbeit ins Spiel. Ein weiteres Personalberater, die sich primär mit der Beispiel ist die Recruiting-Plattform Suche, Auswahl und Rekrutierung von Die Treiber des Wandels Taledo, auf der Unternehmen ein Pro- Führungskräften beschäftigen. Auf der Treiber dieses Wandels ist in erster Linie fil erstellen und damit Zugang zu vom anderen Seite stehen die Personalver- die Digitalisierung. Auf der einen Seite Anbieter zusammengestellten Kandida- mittler und die sogenannten CV-Broker, führt sie zu Veränderungen am Nachfra- tenlisten erhalten können. Das Portal die sich mit dem Transfer von Lebens- gemarkt. Die Kundenunternehmen sind Jobtender 24, auf dem Unternehmen ih- läufen beschäftigen – normalerweise für personalmagazin 06 / 18
11 Fachkräfte“, sagt sie. Fachkräfte suchen die Unternehmen mit Active Sourcing Erfahrung von Regina Ruppert sogar den – über Active Sourcing und unterstützt selbst erledigen können“, so Ruppert. Aufwand bei der Besetzung von Positi- durch digitale Headhunter-Plattformen – Auf der anderen Seite sei der Aspekt onen der ersten und zweiten Führungs- könnten die Unternehmen heute selbst. der Beratung verstärkt gefragt. Die Digi- ebene. „Mehr denn je kommt es darauf © BY-STUDIO / ADOBE STOCK Die Folge sei, dass das Geschäftsmodell talisierung und damit der zunehmende an, eine auf Marktwissen und -transpa- der Personalvermittler und CV-Broker Bedarf der Unternehmen nach Personen renz sowie langjährige Vernetzung fuß- zunehmend an Tragfähigkeit verliere. mit Digital-Know-how, mit Innovationsbe- ende und mit Managementdiagnostik „Es sei denn, diese sind schneller, besser reitschaft, Veränderungsinitiative und in- verknüpfte Kandidatenauswahl auf der und wesentlich effizienter als das heute terkulturellem Verständnis erhöht nach Basis der umfänglichen Kenntnis des be- 06 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
12 TITEL_ZEITENWENDE IM PEOPLE BUSINESS auftragten Unternehmens und seiner Kul- und Erreichbarkeit nicht mehr erfolg- Auch Wolfram C. Tröger, Vorstand der tur vorzunehmen“, ergänzt Dr. Alexander reich arbeiten.“ Tröger & Cie. Aktiengesellschaft und v. Preen, Leiter des Beratungsbereichs Vorsitzender des BDU-Fachverbands Executive Search bei Kienbaum Consul- Digitale Hilfe bei der Suche Personalberatung, sieht die Entwicklung tants International. Besonders stark hat die Digitalisierung auf der Technikseite positiv: „Start-ups Auch die Ergebnisse der BDU-Studie das Research verändert – Stichwort und neue Werkzeuge bringen immer stützen diese Aussagen: „Die Digitali- Kandidatensuche in sozialen Netzwer- wieder gute Ideen oder Teilaspekte in sierung verändert die Geschäftsmodelle ken. „Für erweiterte Suchen führen unser Geschäft ein und können uns so von Personalberatern. Sie ersetzt nicht unsere Researcher Social-Network- hilfreiche Impulse geben.“ die Beratungstätigkeit, sondern macht Analysen durch“, berichtet Alexander sie effizienter“ – dieser These stimmen v. Preen. Aber auch die Vorauswahl Wandel in den Köpfen 92 Prozent der vom BDU befragten Per- wandelt sich durch die neuen Tech- Doch Digitalisierung bedeutet nicht nur sonalberater zu. „Trotz Digitalisierung niken. „Algorithmen werden hier zu- den Einsatz neuer Technik, sondern ist der persönliche Kontakt insbeson- nehmend in den Vordergrund rücken“, vor allem auch einen Wandel in den dere zu hochqualifizierten Kandidaten ergänzt er. „Darüber hinaus bringt die Geschäftsmodellen der Personalbera- weiterhin essenziell“, sagen sogar 96 Digitalisierung auch die Möglichkeit der tungen und in den Köpfen der Perso- Prozent der Befragten. Aber gleichzeitig Validierung beziehungsweise Verifizie- nalberater. Moderner Executive Search sind 93 Prozent der Befragten der Mei- rung von Profilen mit sich. Digitalisierte beginnt bei den Personalberatern selbst. nung, dass die Personalberater sich dem Prozesse im Hintergrund werden uns Sie müssen sich auf die neue Technik Wandel stellen müssen, um nicht den helfen, noch effizienter zu werden“, sagt einlassen und digitale Tools beherr- Anschluss zu verlieren: „Personalbe- der Geschäftsführer und Partner bei schen. Sie müssen sich an neue Struktu- rater können ohne digitale Vernetzung Kienbaum. ren und Prozesse anpassen und eigene digitale Netzwerke aufbauen. Vor allem aber müssen sie die digitalen Change- Prozesse im Unternehmen verstehen DATENSCHUTZ PRAXISBEISPIEL lernen, um den Kundenunternehmen die passende Beratung geben zu können. Europarechtliche Vorgaben beachten Auch die Zusammenarbeit mit den Kundenunternehmen wandelt sich. So Ab 25. Mai 2018 ist die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) anzuwen- erhält das Thema Reporting eine zuneh- den, gleichzeitig ist ein angepasstes Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in Kraft getre- mende Bedeutung. „Besonders wichtig ten. Auch für Personalberater sind die Neuerungen relevant. ist es für Personalberater, immer Trans- Grundsätzlich galt und gilt weiterhin für das BDSG das sogenannte Verbot mit Erlaub- parenz gegenüber dem Kunden zu ge- nisvorbehalt. Das bedeutet, dass jede Datenverarbeitung zunächst verboten ist, außer währleisten“, sagt Regina Ruppert. Sie es lässt sich eine Rechtsgrundlage finden. Auch die DSGVO hat diesen elementaren erfahre öfter von Unternehmen, dass sie Grundsatz übernommen, weshalb eine Datenverarbeitung zunächst immer mit der die Zusammenarbeit mit einer Personal- Suche nach einer „Rechtfertigung“ dafür beginnt. Diese ergibt sich etwa aus einer – an beratung oder Personalvermittlung be- bestimmte Voraussetzungen geknüpfte – Einwilligung des Betroffenen oder aus einer endet haben, weil sie es mit einer Black gesetzlichen Regelung. Im Kontext der Beschäftigtendaten kann zum Beispiel § 26 BDSG Box zu tun hatten und nicht über den eine Rechtsgrundlage sein. Danach ist die Datenverarbeitung erlaubt, wenn sie für die Stand der Dinge informiert wurden. Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses erfor- Stärker in den Fokus der Zusammen- derlich ist. Dennoch bleiben – teils bekannte – knifflige Fragen, gerade bei der Suche arbeit rücken zudem die Erstellung und über soziale Netzwerke: Was bedeutet erforderlich? Ist § 26 BDSG nur für Bewerber eine der Abgleich von Kompetenzprofilen. Rechtsgrundlage oder auch für potenzielle Kandidaten, über die schon vor einer direk- Während bei der Suche nach Fachkräf- ten Ansprache Daten gesammelt werden? Wie sind die erhöhten Informations- und Aus- ten häufig ein maschineller Abgleich von kunftspflichten der DSGVO gegenüber potenziellen Kandidaten zu erfüllen? Und: Durch Soll- und Ist-Profil genügt, ist das bei an- die DSGVO sind auch umfangreiche Dokumentations-, Sicherungs- und Meldepflichten spruchsvollen Führungspositionen nicht (bei einem Datenschutzverstoß gegenüber der Aufsichtsbehörde und dem Betroffenen) ausreichend. Gerade wenn Persönlich- zu erfüllen. Letztlich hat die DSGVO das Datenschutzrecht nicht komplett gewandelt. keiten gesucht werden, die die digitale Durch die Androhung empfindlicher Bußgelder erlangt es jedoch neue Relevanz. (mim) Transformation eines Unternehmens vo- ranbringen und die Mitarbeiter mitzie- personalmagazin 06 / 18
13 KONGRESS PRAXISBEISPIEL Wohin geht die Reise im Recruiting? Ablaufs in der Suche und Auswahl von geeigneten Kandidaten unter Nutzung 20 Jahre Deutscher Personalberatertag: Die Jubiläumsveranstaltung blickt gleichzeitig der hohen Qualität eines langjährig erfah- zurück und nach vorn. Zahlreiche Programmpunkte behandeln die digitalen Heraus- renen Searchteams“, sagt Wolfram Tröger. forderungen für Headhunter. „Die Balance wird dann von der Qualität Um die Auswirkungen von Digitalisierung und Globalisierung auf das People Business der Big-Data-Anwendungen für Perso- geht es auf dem 20. Deutschen Personalberatertag, der am 13. Juni in Petersberg bei nenanalyse, Cultural Fit oder Change- Bonn stattfindet. Die Jubiläumsveranstaltung des Bundesverbands Deutscher Unter- Reife eines Unternehmens abhängen.“ nehmensberater (BDU) wartet unter anderem mit einer Keynote von Professor Torsten Kienbaum setzt in erster Linie auf Biemann zum Thema „Künstliche Intelligenz bei der Personalbeschaffung“ auf. Weitere strategische Beteiligungen. Das Bera- Programmpunkte behandeln die Auswirkungen der aktuellen EU-Datenschutzgrundver- tungsunternehmen ist unter anderem ordnung auf die Personalberatung, People Analytics und diagnostische Testverfahren, an dem Mitarbeiterempfehlungs-Portal Social-Media-Kommunikation mit Kandidaten sowie alternative Geschäftsmodelle im Firstbird, der Reverse-Recruiting-Platt- Recruiting. Das Motto der Jubiläumsveranstaltung lautet: „Innovation trifft auf Tradition“ form 4 Scotty und an der Ausschrei- und soll die momentane Marktsituation mit Blick auf die Entwicklung des Deutschen bungsplattform Jobtender 24 beteiligt. Personalberatertags widerspiegeln. (dfu) www.bdu.de Darüber hinaus stehen Weiterbildungen, die Gewinnung von Musterbrechern und Spezialisten mit Tech-Know-how sowie der Einsatz von neuer Software auf der hen, sei eine formale Ausbildung nicht der befragten Marktteilnehmer mit stei- aktuellen To-do-Liste. ausschlaggebend, weiß Regina Ruppert: gender Tendenz im Vergleich zu den Bei Selaestus Personal Management „Das müssen Führungskräfte sein, die Vorjahren. Eine Erklärung dafür liefert betrifft die Digitalisierung sowohl die Veränderungsinitiative zeigen, die be- Regina Ruppert: „Die Entscheidungs- Prozesse als auch die Geschäftsstruktur. stehende Strukturen auf den Prüfstand prozesse in den Unternehmen erfolgen „Wir setzen nicht nur digitale Tools ein, stellen und den Mut haben, schwierige nach wie vor sehr fundiert und brauchen sondern bewegen uns in den Teams zu- Themen trotz Widerständen anzugehen. ihre Zeit. Das ist auch nachvollziehbar, nehmend in agilen Strukturen“, berichtet Wir Personalberater müssen das in aus- da die Führungspositionen, die von Per- Regine Ruppert. Ihr Unternehmen habe führlichen Interviews herausfinden.“ sonalberatern besetzt werden, meist bei sich auch inhaltlich angepasst. „In den In- 150.000 Euro Jahreseinkommen anfan- terviews räumen wir den überfachlichen Schnelle Suche, späte Entscheidung gen und ziemlich weit nach oben gehen.“ Kompetenzen einen wesentlich höheren Die nötige Zeit dafür schaffen die neu- Stellenwert ein, als wir das in der Ver- en Tools und Arbeitshilfen. „Weil die Kontinuität und Wandel gangenheit getan haben. Insbesondere zu digitalen Möglichkeiten zur Validierung Trotz stabiler Nachfrage nach Executive Aspekten wie Rule Breaking, Innovations von Profilen großen Erkenntnisgewinn Search und Beratung, trotz weiterhin ho- bereitschaft, Veränderungsinitiative und in recht kurzer Zeit bescheren, können her Besetzungsdauer und Beraterhonora- interkulturelles Verständnis stellen wir sich die Berater zum Beispiel einige re: Die Zeitenwende im People Business wesentlich mehr Fragen als früher.“ Telefonate zur formalen Überprüfung ist in vollem Gange. Wer sein eigenes von Referenzen sparen und sich darauf Unternehmen nicht rechtzeitig neu aus- Die eigene Balance finden konzentrieren, die persönliche Passung richtet, wird irgendwann auf der Strecke Welcher Weg ist der richtige? Das wer- der Kandidaten zum Kundenunterneh- bleiben. Nicht alle Marktteilnehmer sind den die nächsten Monate zeigen. „Die men intensiver unter die Lupe zu neh- gut in Sachen Digitalisierung aufgestellt. Personalberatungen in Deutschland ste- men“, sagt Alexander v. Preen. Für die „In vielen Beratungen wird noch lebhaft hen vor der Herausforderung, zwei Din- Kunden heiße das: Im Schnitt könnten über den richtigen Weg diskutiert“, weiß ge auszutarieren: einerseits die neuen Suchprojekte schneller abgeschlossen Wolfram Tröger. Möglichkeiten der Digitalisierung zu werden. Auch Tröger & Cie., Selaestus Personal nutzen und andererseits den menschli- Das heißt aber nicht, dass sich durch Management und Kienbaum gehen ganz chen Faktor, die individuelle Beratung schnellere Such- und Auswahlprozesse unterschiedliche Wege. Tröger & Cie. ist einzubringen“, fasst Alexander v. Preen die Besetzung von Führungspositionen aktuell mit der Digitalisierung einiger die aktuelle Challenge zusammen. Nur beschleunigt. 2016 dauerte laut BDU ein Projektschritte im bisherigen Geschäfts- die richtige Kombination beider Elemen- Such- und Auswahlprojekt durchschnitt- modell befasst. „Das Nahziel ist die Re- te werde in Zukunft erfolgreichen Exe- lich zwölf Wochen – nach Einschätzung alisierung eines stark automatisierten cutive Search möglich machen. 06 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
14 TITEL_ZEITENWENDE IM PEOPLE BUSINESS „Automatisierung ist ein Segen“ INTERVIEW. Moderne Personalberatungen benötigen nicht nur zeitgemäße Tools und Kennzahlen, sondern müssen auch ihre Prozesse anpassen, sagt Constanze Buchheim. personalmagazin: Sie betreiben Executive die sich damit auseinandersetzte, was di- die Digitalisierung der Prozesse, die Di- Search für digitale Unternehmen. Was gitales Talent ist, wer in diese Unterneh- gitalisierung des Geschäftsmodells und machen Sie anders als traditionelle men passt, was Digitalkultur bedeutet die kulturelle Transformation. Zur Digi- Headhunter? und wie Menschen in diesen Unterneh- talisierung der Prozesse sage ich: Jede Constanze Buchheim: Wir haben Executive men zusammenarbeiten. So sind wir mit Automatisierung ist ein Segen. Wenn ich Search von Anfang an digital gedacht. der deutschen Start-up-Szene gewach- technische Unterstützung für Sourcing, Vor gut zehn Jahren war ich HR-Manage- sen. Als viele deutsche Start-ups aus der Identifizierung und Selektion habe, kann rin in einem schnell wachsenden Start- Gründerphase herausgewachsen waren ich mich stärker auf die Beratung kon- up. Diese Rolle wollte ich bald abgeben, und ihre Führungsebene neu besetzten, zentrieren. Tools machen unsere Arbeit weil sie interimistisch war. Das war aber sind wir immer stärker in Richtung Exe- besser, weil die Leistung des Personal- nicht möglich, da ich keinen HR-Mana- cutive Search gegangen. Später fragten beraters nicht mehr im reinen Identifi- ger gefunden habe. Und die Kandidaten, uns auch die tradierten Unternehmen zieren von Kandidaten liegt. Früher war die uns Personalberater vorschlugen, an, digitale Talente für sie zu suchen. das tatsächlich ein schwieriger Part, weil passten einfach überhaupt nicht in die Hierbei stellten wir fest: Nicht das Finden man die Kandidaten nur per Telefon iden- Wachstumsdynamik eines Digitalun- und Identifizieren der Kandidaten ist das tifizieren konnte. Heute kann im Grunde ternehmens. Da haben wir gesagt: Wir Problem, die Herausforderung liegt viel- jeder auf Xing und Linkedin gehen. müssen das selber machen. mehr darin, dass die Kandidaten nicht in diese Unternehmen gehen wollen. personalmagazin: Was bedeutet die Digita- personalmagazin: Das war der Start in Ihre lisierung der Geschäftsmodelle für die Laufbahn als Personalberaterin? personalmagazin: Wie haben Sie reagiert? Personalberater? Buchheim: Ja. Ich habe relativ schnell ge- Buchheim: Es ist nicht damit getan, in die- Buchheim: Heute entstehen laufend neue merkt, dass ich mit meinen zwei Jahren se Unternehmen jemanden reinzusetzen, Rollen, Funktionen, Tätigkeiten und Berufserfahrung in diesem noch neuen der nur sechs Monate bleibt und danach Geschäftsmodelle. An dieser Stelle müs- Digitalsegment als Einäugige unter den frustriert geht. Vielmehr gilt es, eine sen sich Personalberater permanent Blinden unterwegs war. Deshalb habe ich integrierte Perspektive einzunehmen: weiterentwickeln und mit den Markt- 2009 eine Personalberatung gegründet, Wie müssen Organisationen im digitalen gegebenheiten beschäftigen, weil sie Zeitalter aufgestellt sein? Was bedeutet ansonsten ihren Kunden nicht helfen das für die Talententwicklung? Wie sieht können. Denn der Kunde hat selbst die Kultur aus, in der diese Talente zu- schon den Überblick über die Vorgänge „Tools machen unsere sammenarbeiten? Immer wichtiger wur- am Markt verloren und kommt zu uns, de die Beratung, um zu erarbeiten, wer weil er zunächst Organisationsberatung Arbeit besser, weil die überhaupt ein Talent ist, das zum Unter- braucht. Das heißt, der Personalberater Leistung nicht mehr im nehmen passt, und in welcher Kultur es wird mehr und mehr zu einem Überset- eingebunden wird. zer der Business-Strategie in eine Peo- reinen Identifizieren ple-Strategie im digitalen Kontext. Das von Kandidaten liegt, personalmagazin: Wie digital aufgestellt muss eine moderne Personalberatung sollte ein Executive-Search-Unternehmen heute leisten können. sondern vor allem auch heute sein? in der Beratung.“ Buchheim: Was heißt digital aufgestellt? personalmagazin: Das führt zum dritten Grundsätzlich gibt es drei Komponenten: Punkt: die kulturelle Transformation. personalmagazin 06 / 18
15 Buchheim: Diese ist mit der Übersetzungs- Kunde schneller und kompromissberei- leistung verbunden. Die Kunden sagen: ter in seiner Entscheidung werden. Wir brauchen jemanden, der uns hilft, unser klassisches Unternehmen zu digi- personalmagazin: Ist Executive Search heu- talisieren. Es geht darum, als Organisati- te, im Zeitalter von Active Sourcing, über- on innovativer, schneller und beweglicher haupt noch so stark gefragt wie bisher? zu werden und die Zukunftsfähigkeit zu Buchheim: Beim Aufkommen von Xing erhalten. Und es geht um die Frage: Wel- und Linkedin wurde gesagt: Jetzt ster- che Person hole ich ins Unternehmen, die ben alle Headhunter. Aber das stimmt den kulturellen Wandel begleiten kann? natürlich nicht. In dem Moment, in dem CONSTANZE BUCHHEIM ist Gründerin der jeder Active Sourcing betreiben kann, Personalberatung I-Potentials. In dieser personalmagazin: Wie wirkt sich das auf tun dies auch alle. Dann ist das Problem Rolle hat sie das Wachstum vieler Start-ups Executive Search aus? nicht mehr die Identifikation, sondern begleitet und Organisationskonzepte für das Buchheim: Wir können nicht mehr einfach das Überzeugen der Kandidaten. Für die Innovationszeitalter entwickelt. nur die fachliche Eignung als Auswahl- Executive-Search-Firmen steht die Frage kriterium nehmen. Stattdessen müssen im Vordergrund, wie sie es schaffen, die wir in der Diagnostik stärker auf persön- Kandidaten, die für ein Unternehmen liche und kulturelle Komponenten achten Kompromisslösungen einlassen müssen, wirklich relevant sind, in den Prozess zu – sowohl bei den Kandidaten als auch wenn der Markt niemanden hergibt. bekommen. Dafür braucht es ein struk- bei den Unternehmen. An dieser Stelle turiertes Vorgehen mit individueller An- kommt die ständige Diskussion ins Spiel, personalmagazin: Wie sehen solche Kom- sprache und stetigen Follow-ups. Zudem bei wem Digitalisierung aufgehängt ist. promisse aus? hat die bereits erwähnte Beratungskom- Wenn ich das Thema an den CTO hänge, Buchheim: Um einen Kompromiss vorzu- ponente extrem an Bedeutung gewonnen, betrachte ich nur die Technikkomponen- schlagen, müssen wir wissen, warum die weil viele Unternehmen Hilfe dabei benö- te. Das Unternehmen wird vielleicht geni- passenden Kandidaten den Job nicht wol- tigen, ein Kandidatenprofil zu erstellen. ale digitalisierte Prozesse haben, aber die len. Ist das Gehalt zu niedrig? Liegt es am Menschen nicht mitnehmen, weil es die Standort? Werden die Kanäle richtig aus- personalmagazin: Wie viel Active Sourcing Kultur nicht verändert. Aus meiner Sicht gesteuert und mit dem richtigen Budget in sozialen Netzwerken wie Xing und Lin- setzt der echte Wandel dann ein, wenn belegt? Liegt es an der Attraktivität der kedin beinhaltet Executive Search heute? die obersten Köpfe des Unternehmens Arbeitgebermarke? Um den Knackpunkt Buchheim: Noch relativ viel. Aber ähnlich verstanden haben, dass Digitalisierung zu identifizieren, tracken wir die Absage- wie im Handel wird auch bei Executive das gesamte Geschäft betrifft, und das gründe in unserem CRM-Tool, sodass wir Search der Omnichannel-Ansatz wichti- Thema ganzheitlich betrachten. unsere Kunden datengetrieben beraten ger. Ich muss genau wissen, für welche können. Dann können sie sich basierend Position ich welche Kanäle sinnvoll nut- personalmagazin: Wie wird sich die Zusam- auf Kennzahlen selbst entscheiden, wo zen kann. Manche Suchaufträge kann ich menarbeit zwischen Personalberatungen sie etwas ändern wollen, um die Position ganz über mein eigenes Netzwerk und und Unternehmen verändern? letztlich zu besetzen. bei Xing und Linkedin erledigen, ande- Buchheim: Was wir jetzt schon sehen, ist re werde ich nur über Netzwerkempfeh- eine deutlich stärkere Ergebnisgetrie- personalmagazin: Heißt das, dass gutes lungen in Ergänzung mit webbasierter benheit aufseiten der Unternehmen. Die Controlling für erfolgreiche Executive- Suche hinbekommen. Dabei kommt eine Branche kommt ja aus dem „Old Boys‘ Search-Arbeit unerlässlich ist? interessante Neuerung ins Spiel, die in Network“. Diese Beziehungsrelevanz Buchheim: Eine datengesteuerte Suche, Deutschland noch kaum verbreitet ist: löst sich zunehmend auf. Das soll nicht bei der Kennzahlen erhoben werden, die Sourcing-Hacks. Diese Hacks sind eine heißen, dass Vertrauen und Beziehung aussagen, warum die Kandidaten kon- Reihe neuer Methoden und Tools, die in dem Geschäft, in dem wir tätig sind, vertieren oder warum nicht, ist grundle- Sourcer nutzen, um Kandidaten zu errei- nicht mehr wichtig sind. Aber ich muss gend. Nur so kann die Personalberatung chen, die man über die klassischen Wege in dieser Beziehung auch liefern. Mache erkennen, welche Anpassungen nötig und gängigen sozialen Netzwerke nicht ich das nicht, wird diese Beziehung ge- sind. Der Handlungsdruck ist hoch. Das findet. Da verbirgt sich ein großes Inno- kappt. Aber auch die Unternehmen ge- heißt, wir als Berater müssen schneller vationspotenzial für das Headhunting. raten in Zugzwang, weil sie sich deutlich werden und viel stärker dirigieren kön- schneller entscheiden und auch mal auf nen. Auf der anderen Seite muss der Das Interview führte Daniela Furkel. 06 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
16 TITEL_ZEITENWENDE IM PEOPLE BUSINESS Nach oben angepasst ANALYSE. Die Headhunter-Branche befindet sich in einem rapiden Wandel. Auf die Höhe der Honorare hat dies jedoch keinen Einfluss – zumindest noch nicht. Von Rainer Steppan Tonio Riederer von Paar ist keines- Ein weiteres Beispiel ist Hunt Club aus wegs alleine mit seinem Versuch, das Chicago, wo man an einem weltweiten B lütenweißes Hemd, perfekt sit- Search-Business zu revolutionieren. Auf digitalen Netzwerk hochkarätiger Pro- zender Anzug, gewinnendes die Idee mit dem Headhunter-Marktplatz fessionals arbeitet. Die Mitglieder dieses Lächeln – rein äußerlich und sind auch andere gekommen, etwa das Netzwerks sollen personalsuchenden auch vom Namen her hat Tonio Schweizer Unternehmen Talentory, das Unternehmen Kandidaten aus ihrem Riederer von Paar nichts von einem Revo- seinen Nutzern, Headhuntern und per- Bekanntenkreis empfehlen und erhal- lutionär. Dennoch beherrscht der 51-jäh- sonalsuchenden Unternehmen, mehr ten im Gegenzug für jede erfolgreiche rige Gründer und Chef von Jobtender 24 Transparenz und Schnelligkeit beim Re Empfehlung eine ansehnliche Summe Agitation aus dem Effeff. Jobtender 24 sei cruiting verspricht. Auch hier müssen gutgeschrieben. die zweite große Revolution im Recrui- Unternehmen nur im Erfolgsfall zahlen. Andere Start-ups setzen auf Stim- ting, behauptet er. Sein Unternehmen sei mungsanalysen, um Recruitern beim der größte B2B-Recruiting-Marktplatz in Start-ups mischen den Markt auf Formulieren von Stellenbeschreibungen Deutschland. Mehr als 6.000 Headhunter In den USA läuft diese Entwicklung schon zu helfen. Und immer wieder kommt hätten sich ihm schon angeschlossen. etwas länger, aber ein Ende ist nicht ab- künstliche Intelligenz zum Einsatz, etwa Jobtender 24 ist eine Internetplattform, zusehen. „Immer mehr Dollars fließen beim Aufspüren von Kandidaten, die sich auf der Unternehmen vakante Jobs aus- in diese Industrie“, berichtet der US- bereits einmal bei einem Unternehmen schreiben können. Neu daran ist, dass Branchendienst Hunt Scanlon. Beispiel: beworben und eine Absage erhalten ha- die Firmen Vorschläge von Beratern und Scout Exchange aus Boston verspricht, ben, jetzt aber gut auf einer anderen Stelle anderen Dienstleistern erhalten, die sich spezialisierte Headhunter und Auftragge- einsetzbar wären. bei der Plattform registriert haben und ber mithilfe eines Matching-Algorithmus Auch Europäer verstehen sich auf die bei Jobtender 24 Headhunter genannt zusammenzubringen. Der Algorithmus den Einsatz von künstlicher Intelligenz: werden. Für die Vermittlung eines pas- soll zudem die Arbeit der Headhunter Beim Wiener Start-up Jobrocker über- senden Bewerbers legen die Unterneh- bewerten, sodass der Auftraggeber un- nimmt ein selbstlernender Matching- men vorab eine Provision fest. ter verschiedenen Anbietern denjenigen Algorithmus die erste Vorauswahl der auswählen kann, der am erfahrensten ist. Kandidaten, bevor Fachberater mit dem Headhunting neu gedacht für die jeweilige Branche spezifischen Michael Ensser, Deutschlandchef der Fachwissen den Prozess weiterführen. Personalberatungsfirma Egon Zehnder, „Headhunting ist teuer“, heißt es auf der rümpft da die Nase. „Wie beim Broker“, Immer mehr Start-ups Website von Jobrocker. Nicht zuletzt des- sagt er. Dennoch gibt er zu, dass ihm wegen sei es an der Zeit, auf „Headhun- die Entwicklung Sorgen bereitet. Mo- bieten kostengünstige ting 4.0“ zu setzen. mentan erreiche man über solche Platt- Recruiting-Lösungen. formen vielleicht nur Berater, die Fach- Executive Search ist teuer kräfte und Mittelmanager vermitteln. Es Angesichts happiger In der Tat ist der Service der Personal- sei aber nur eine Frage der Zeit, bis man Beraterhonorare sind vermittler nicht gerade billig. Pro Auf- damit auch in höhere Einkommensstu- trag kassieren die Consultants in der fen aufbreche. „Heute scheint es noch sie durchaus eine Kon- Regel ein Drittel der Jahresgesamtbezü- unvorstellbar, darüber einen M-Dax- kurrenz für Headhunter. ge des gesuchten Managers – es kann CEO zu finden, aber: Never say never.“ aber auch deutlich mehr sein. Die Bera- personalmagazin 06 / 18
17 HONORARGESTALTUNG Bezugsgrößen für die Honorarhöhe Zahlungszeitpunkte Honorarabrechnung 8 17 20 13 59 21 25,6 62 Die Bezahlung nach Projekt- fortschritt ist im Executive Orientierung am Zieleinkommen Durchschnitt in Prozent nach Zeitfortschritt Search weiterhin Standard des Zieleinkommens – trotz neuer Angebots- Orientierung am zu erwartenden nach Projektfortschritt mit Er- Aufwand folgsanteil (kleiner/gleich 50%) formen und zahlreicher Versuche, das Headhunting Kombination beider Bezugs- nach Projektfortschritt mit größen Erfolgsanteil (größer 50%) digital abzubilden. anderes Zahlungsmodell Angaben in Prozent QUELLE: BDU, 2017 ter von Egon Zehnder bemessen ihre Ho- Managern und Fachkräften. Hier war anrufen, wenn ein forscher Einkaufsma- norare nicht am Zielgehalt, sondern am das Wachstum auch am stärksten. nager seine Preise drücken wolle. Bis Aufwand und am Schwierigkeitsgrad jetzt habe er noch immer seine Forde- einer Suche. Außerdem sind im Topseg- Rekorde bei den Honoraren rung, ein Drittel der Jahresgesamtbezü- ment des Search-Business Mindestho- Laut einer BDU-Studie liegen mittel- ge pro Auftrag, durchsetzen können. norare von 50.000 Euro und mehr keine große Firmen noch besser im Rennen Ein gewisser Druck auf die Honorare Seltenheit. Hinzu kommen Reisekosten als Global Player wie Heidrick, Spen- ist dennoch spürbar, auch bei Egon und andere Spesen. Und dabei gibt es cer Stuart oder Korn Ferry. 2017 etwa Zehnder. Einer Handelsblatt-Reporterin nicht einmal eine echte Garantie. Bleibt erwirtschaftete Rochus Mummert 16 erzählte Deutschlandchef Michael Ens- eine Suche erfolglos, zahlen die Berater Millionen Euro Umsatz – rund 20 Pro- ser von einem Gespräch mit den Mana- ihr meist vorab in drei Raten kassiertes zent mehr als 2016. „Wir haben das bes- gern eines Auftraggebers, bei dem man Honorar keineswegs zurück. Die meis- te Ergebnis unserer Firmengeschichte ihm eine Liste mit Profilen aus sozialen ten verpflichten sich lediglich so lange erzielt“, jubelt Hans Schlipat, Chef des Netzwerken vorgelegt habe. Man habe weiterzusuchen, bis die vakante Stelle Beratungshauses. Selbst die kleineren ihn gefragt, was es koste, wenn Zehnders besetzt ist. Beratungsfirmen können nicht klagen. Headhunter die Kandidaten anriefen, so Trotz happiger Honorare – das Ge- Laut BDU-Studie fallen die Wachstums- Ensser. Allerdings sei er hart geblieben schäft brummt. Der Gesamtumsatz der raten hier zwar deutlich niedriger aus, und habe stattdessen bestimmte Profile Branche kletterte 2016 laut Angaben liegen aber mit einem Durchschnitts- kommentiert: Kandidat A wolle nicht des Beraterverbands BDU auf 1,99 Mil- wert von 6,5 Prozent immer noch weit wechseln, B mache inzwischen etwas an- liarden Euro, fast zehn Prozent mehr als über denen manch anderer Branchen. deres, bei C fehle der kulturelle Fit, bei im Vorjahr. Einzelne Firmen haben ihre D der strategische Blick und Kandidatin Zahlen für 2017 veröffentlicht: Die US- Ein Ende ist in Sicht E spreche gerade mit der Konkurrenz. Headhunting-Firma Heidrick & Strug- Vor diesem Hintergrund wundert es Nur Michael Oberwegner, Deutschland- gles kassierte 2017 Honorare in Höhe nicht, dass für die meisten Headhunter chef von Heidrick & Struggles, gibt offen von insgesamt 621,4 Millionen Dollar eine mögliche Senkung ihrer Honorare zu, dass er die Honorare angepasst habe – 6,7 Prozent mehr als 2016. Noch nie derzeit kein Thema ist. Auch Branchen- – „nach oben“, sagt er schmunzelnd. zuvor hat das Unternehmen so viel Um- pionier Rolf van Emmerich, der trotz sei- satz gemacht. Den Löwenanteil seiner nes Alters von 91 Jahren noch immer im RAINER STEPPAN ist Rechtsanwalt und Erlöse erzielt Heidrick & Struggles nach Geschäft ist, sagt, er müsse nur kurz in Wirtschaftsjournalist in Düsseldorf. wie vor mit der Suche und Auswahl von der Führungsetage seiner Auftraggeber 06 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
18 TITEL_ZEITENWENDE IM PEOPLE BUSINESS © LARS ZAHNER / ADOBE STOCK Jung, talentiert, weiblich TREND. Nicht zuletzt durch die Quote von 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten ist der Bedarf an weiblichen Spitzenkräften gestiegen. Doch die Beratungen tun sich damit schwer. Von Christina Virzí Durch die deutlich dynamischere Ge- Markt hat den Druck auf die Personal- schäftsentwicklung lagen auch die Ge- beratungen spürbar verstärkt, die Suche D iversity – aus dem einstigen winne um neun Prozentpunkte höher. nach adäquat qualifizierten Kandida- Buzzword ist längst eine re- tinnen zu intensivieren. In vielen Fällen ale Herausforderung für die Die Quote verändert die Branche werden weibliche Profile inzwischen ex- Personalbranche geworden. Die Botschaft ist angekommen. Damit plizit angefordert. Ob nun getrieben durch gesellschaftli- ist gerade auch der Bedarf an weibli- chen oder politischen Druck, gerade im chen Spitzenkräften gestiegen. Forciert Wo sind sie denn nur? Executive Search wächst die gezielte wurde der Trend maßgeblich durch Allerdings sind diese Anforderungen in Nachfrage nach mehr Diversität. Dass die Frauenquote in Aufsichtsräten und der Realität gar nicht so leicht umzuset- dabei durchaus auch umsatzrelevante könnte durch die bereits in der Dis- zen. Die Gründe dafür sind vielschichtig Aspekte dahinterstehen, belegen diver- kussion stehende Erweiterung auf Vor- und ein Großteil der Executive-Search- se Studien. So hat die Boston Consulting standsposten verstärkt werden. Unternehmen kann ein Lied davon sin- Group 1.700 Unternehmen in acht Län- Die Unternehmen sehen sich seit der gen. Hier nur eine kleine Auswahl der dern untersucht. Das Ergebnis: je mehr Einführung der Quote im Jahr 2016 ge- Argumente, die Klienten häufig zu hö- Diversität, desto mehr Innovationskraft. zwungen, sich intensiver mit dem The- ren bekommen: Bei Unternehmen mit einem überdurch- ma Gender Diversity zu beschäftigen, • Noch immer können sich viel zu we- schnittlichen Diversitätsgrad lag der wodurch die Relevanz in den Perso- nige Frauen für ein Studium in den na- Umsatz aus Innovationsprodukten um nalausschüssen der Aufsichtsräte wie turwissenschaftlichen Mint-Fächern be- 19 Prozentpunkte höher. Was aber vie- auch Vorstände kontinuierlich gestiegen geistern. Diese Qualifikation ist jedoch le Topmanager final überzeugen sollte: ist. Dieser wachsende Bedarf aus dem eine der spielentscheidenden Grund- personalmagazin 06 / 18
19 lagen im Land der Ingenieure, dessen neue Wege zu gehen. Executive Search nach Beratern, die diesen transfor- wirtschaftlicher Erfolg wesentlich von muss die Betonung wieder deutlich stär- matorischen Prozess, der sich in den Produktion und Innovation abhängt. ker auf Beratung legen. Unternehmen vollzieht, auch selbst • Nach wie vor finden sich deutlich we- Somit heißt es zunächst einmal, in in- glaubwürdig repräsentieren und mit niger Frauen als Männer in Positionen tensiven Gesprächen mit dem Klienten den Kandidaten auf Augenhöhe und auf mit Umsatzverantwortung. Dies zählt herauszufinden, welches Know-how tat- Basis einer vergleichbaren digitalen So- aber zu den zwingenden Eintrittsvo sächlich benötigt wird und wo dieses am zialisation kommunizieren können. raussetzungen zu mindestens 50 Pro- ehesten zu finden ist. Durch die Digitali- zent der Vorstandsposten. Hier setzt sierung verändern sich die Geschäftsmo- Frauenfreundlichere Beratungen ein wesentlicher Hebel an: Frauen brau- delle aller Branchen. Da heißt es, über die So ließe sich das glaubwürdig unter Be- chen besseren Zugang zu Positionen eigene Branche hinaus zu denken. Damit weis stellen, was die Klienten gepredigt mit Umsatzverantwortung, um sich in öffnet sich automatisch ein neues Feld bekommen. Dabei kämpfen Personalbe- solchen Rollen entwickeln zu können. der Kandidatensuche. Als besonders ratungen mit den gleichen Problemen Gleichzeitig ist es nötig, diese Karrieren hilfreich hat sich dabei herausgestellt, wie die großen Strategieberatungen als Vorbilder für alle Mitarbeiter sicht- auf das Kriterium Deutschsprachig- McKinsey oder BCG. Der Job ist geprägt barer zu machen. keit zu verzichten. Die Ausweitung des von umfangreicher Reisetätigkeit und • Nötig ist zunächst eine Diskussion Screenings auf das Ausland kann das man arbeitet häufig in einer ausge- über Führungskultur im Topmanage- Potenzial passender Kandidaten – eben prägten Wettbewerbssituation mit den ment: Ist unsere bisher gängige De- auch weiblicher – signifikant erhöhen. eigenen Partnerkollegen – eine frauen- finition von erfolgreichem Habitus feindliche Umgebung also, wenn man überhaupt noch zeitgemäß? Welche Art Das Ende der Altherrenclubs so will. Dem ließe sich allerdings ganz Manager wollen wir in Zukunft für un- Viele Unternehmen befürchten aller- pragmatisch entgegenwirken, beispiels- sere Unternehmen? Ist es der einsame dings noch immer das Risiko eines weise durch die Unterstützung privater Entscheider, der mit harter Hand agiert verstärkten Cultural Missfits und man- Kinderbetreuung. und weder Kollegen noch Mitarbeiter gelnder Integrationsfähigkeit. Dabei ist Fazit: Beim Thema Gender Diversity einbezieht? Wenn ja, dann werden wir statistisch das Gegenteil der Fall: Der im Executive Search gibt es noch einiges auch weiterhin dem tradierten männli- große Vorteil von Diversity besteht da- zu tun. Der Appell geht nicht zuletzt auch chen Rollenmodell verhaftet bleiben. rin, das Unternehmen und seine Mit- an ambitionierte weibliche Talente: Sie • Es liegt an den Frauen selbst, die ei- arbeiter näher an die Kunden heranzu- sollten ihre Netzwerke pflegen und auf nen angebotenen Spitzenjob mit all führen – und diese spiegeln selten die den Erfahrungsaustausch mit Gleichge- seinen Chancen, aber auch Einschrän- Soziodemografie des deutschen Topma- sinnten auf vergleichbarer beruflicher kungen, nicht antreten wollen. Die Ar- nagements wider. Zudem agieren fast Ebene setzen. Fällt die Entscheidung auf gumentation ist fast immer die gleiche: alle großen Unternehmen ohnehin auf ein rein weibliches Netzwerk, sollte da- In den obersten Etagen gebe es zu wenig den internationalen Märkten. Eine Rei- rauf geachtet werden, dass es seine eige- Inhalt, dafür aber zu viel Politik. Viele he von Studien belegt darüber hinaus, ne Kraft nutzt, dass es als starkes, weil weibliche Talente wollen sich nicht im dass sich Mitarbeiter, die bereits im vereinigtes Sprachrohr von Meinungs- permanenten politisch getriebenen Ausland gearbeitet haben, deutlich bes- machern auftritt und gesellschaftlichen Wettstreit zerreiben, sondern lieber in- ser und schneller in Teams integrieren Einfluss ausübt. Noch besser wäre es haltlich an den Fachthemen arbeiten. können und damit häufig bessere Füh- allerdings, unabhängig vom Geschlecht Solange Frauen dieses politische Spiel rungskräfte sind. Fürsprecher dieser zukunftsweisenden nicht beherrschen und auch nicht be- Als dritte Maßnahme sollten die Exe- gesellschaftlichen Veränderung zu fin- herrschen wollen, bleibt der Weg an die cutive-Search-Unternehmen das Thema den und die Karrieren vieler weiblicher Spitze steinig. Schließlich kommt Verän- auch selbst endlich anpacken und jün- Talente wirkungsvoll zu fördern. derung von oben. ger und weiblicher werden. Schließlich haftet dem Geschäft nicht umsonst das Innovation ist der Schlüssel CHRISTINA VIRZÍ ist Grün- Image eines Altherrenclubs an. Viele derin und Geschäftsführerin Man sollte sich nicht täuschen. Diese Protagonisten sind inzwischen jenseits der Christina Virzí GmbH, Argumente sind absolut richtig. Aller- der 60, manche jenseits der 70. die auf die Vermittlung von dings gilt es, mit der Situation umzu- Demgegenüber ist die jüngste Auf- Vorstands- und Aufsichtsratsmandaten gehen und nicht mehr zu lamentieren. sichtsrätin in Deutschland gerade ein- spezialisiert ist. Innovation ist der Schlüssel. Es ist Zeit, mal Mitte 30. Damit wächst der Wunsch 06 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
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