11/2021 GEMEINDEFINANZIERUNGSGESETZ 2022 SCHWERPUNKT "KOMMUNALE KOORDINIERUNG DES ÜBERGANGS SCHULE/BERUF IN DEN KREISEN: 10 JAHRE KAOA" ...
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11/2021 ● Gemeindefinanzierungsgesetz 2022 ● Schwerpunkt „Kommunale Koordinierung des Übergangs Schule/Beruf in den Kreisen: 10 Jahre KAoA“ ● Von der Realschule zur Polizei
„Wir lernen jetzt für die digitale Zukunft. Und das soll Schule machen.“ Fördern, was NRW bewegt. Manfred vom Sondern, Chief Digital Officer von Gelsenkirchen, macht seine Heimatstadt zur digitalen Vorzeigekommune. Dazu gehören modern ausgestattete Schulen und Klassenzimmer mit interaktiven Whiteboards. Ermöglicht durch: die NRW.BANK – Förderbank für Nordrhein-Westfalen. Die ganze Geschichte unter: nrwbank.de/gelsenkirchen
EILDIENST 11/2021 Auf ein Wort Fahrradgesetz für NRW: Neue Perspektiven im kreisangehörigen Raum Ein Fahrradgesetz mit mehr Entfaltungsmöglichkeiten für dieses Verkehrsmittel, wie es gerade im Landtag NRW diskutiert wird, kann eine große Chance für die Radverkehrspolitik im dichtbesiedelsten Flächenland der Bundesrepublik Deutsch land darstellen. Dies gilt gerade auch für den kreisangehörigen Raum in NRW. In einem solchen Gesetz sind die Besonderheiten und Rahmenbedingungen des kreisangehörigen Raums umfassend mit zu berücksichtigen. Auch wenn in der medialen Berichterstattung zum Radverkehr häufig auf den großstädtischen Raum abgestellt wird: Der Verkehrsträger „Fahrrad“ ist erkennbar eine immer bedeut samere Verkehrsart für kleinere und mittlere Distanzen, auch und gerade im soge nannten ländlichen Raum, jenseits der Metropolen. Durch die deutlich weitere Verbreitung von E-Bikes sind erheblich längere Strecken mit dem Fahrrad zurücklegbar als noch vor 10 oder 20 Jahren – dies gilt insbeson dere auch für bergig bzw. hügelig geprägte Regionen. Im kreisangehörigen Raum kann zudem eine Vielzahl von Wirtschaftswegen mit angemessenem Aufwand in ein örtliches oder kreisüberörtliches Radverkehrsnetz aufgewertet werden. Auch Verbindungen zwischen (alltags-) verkehrlicher Nutzung und touristischer Nutzung können gerade im ländlichen Raum Synergien mit sich bringen. Letztlich sollte es schon aus Umwelt- und Klimaschutzgrün den Ziel sein, zumindest einen spürbaren Teil des Verkehrsaufkommens im kreisangehörigen Raum hin auf andere Ver kehrsträger umzuleiten: Und dazu gehört im ländlichen Raum in weiten Teilen auch und insbesondere der Verkehrsträger Fahrrad einschließlich der Möglichkeiten des Radfahrens mit elektronischer Unterstützung. Selbst wenn ein vollständiger Umstieg auf den Verkehrsträger Fahrrad weg vom Verkehrsträger Auto in weiten Teilen des kreisangehörigen Raums nicht umfassend realistisch sein dürfte, so wäre schon die Verringerung der Quote der Zweit- oder Dritt-Autos ein Erfolg. Vor diesem Hintergrund dürfte im kreisangehörigen Raum in Teilen sogar mehr Spielraum zur Veränderung bestehen als in den Großstädten, in denen das Potential des Radverkehrs in Teilen schon gehoben ist. Der Radverkehr und insbesondere auch die Nutzung von E-Bikes bieten eine gute Gelegenheit, die Anschlüsse der ersten und letzten Meile an Verkehrsknotenpunkte und insbesondere an Bahnstationen zu optimieren. Im kreisangehörigen Raum hat die Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger eine erhebliche Bedeutung – vielleicht sogar eine größere Bedeutung als in den Großstädten. Dazu müssen „Verknüpfungs-Infrastrukturen“ zwischen Fahrrad und anderen Verkehrsträgern umfas send ausgebaut und gefördert werden. Dies betrifft z.B. Bike & Ride-Stationen, Mobilstationen, die auch einen Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf den Radverkehr erlauben und die auch auf die Besonderheiten von E-Bikes aus gerichtet sind, der Ausbau von zentral gelegenen ÖPNV-Haltestellen (insb. Bushaltestellen) mit Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und attraktive Umstiegsmöglichkeiten auf die Schiene. Im Hinblick auf die zunehmende Zahl höherwertiger Fahrräder und E-Bikes muss es aber bei den „Verknüpfungs-Infrastrukturen“ abschließbare, saubere und möglichst mit mobilen Applikationen vorbuchbare Abstellmöglichkeiten für hochwertige Fahrräder, insbesondere E-Bikes, geben. Dies ist nicht selten auch eine Platzfrage, selbst in der unmittelbaren Umgebung von Bahnhöfen im ländlichen Raum. Vielfach sind die bestehenden Fahrradboxen restlos ausgebucht, so dass hier zunächst ein deutliches Mehrangebot bereitzustellen ist, um umstiegswilligen Menschen den Umstieg von einem sicher untergestellten Rad auf die Bahn und umgekehrt zu erleichtern. Radschnellwege stellen eine Premium-Kategorie der Radverkehrsverbindungen dar, in der Regel mit überörtlichem Bezug. Um dieser Bedeutung gerecht zu werden, ist zu fordern, dass jedenfalls die Hälfte der geförderten Radschnellwege im kreisangehörigen Raum liegt oder zumindest einen ganz wesentlichen Bezug zum kreisangehörigen Raum aufweisen soll. Zudem sollten die Förderkulissen für Radschnellwege die Besonderheiten des kreisangehörigen Raums (z. B. geringere Ver kehrsauslastung, geringere Nutzerzahlen, kleinere Dimensionierung, zu erwartender geringerer Fußgängerverkehr auf den Radschnellwegen) berücksichtigen. Darüber hinaus wird im kreisangehörigen Raum in NRW eine umfassende und hinreichende Förderung des Baus und Aus baus von Radschnellwegen unterhalb der Kategorie der „Radschnellwege“ und oberhalb der Kategorie der „normalen“ Radwege (sogenannter ERA-Standard) benötigt. Dies kann z.B. durch ein Radvorrangnetz umgesetzt werden, durch ein Veloroutennetz oder sonstige Formen von effizienten und gut ausgebauten Radwegen. Solche Radwege können zukünftig gerade im ländlichen Raum die Chance bieten, Siedlungen, Dörfer, Ortsteile und einzelne Städte und Gemeinden mitein ander zu verbinden. Beim Bau und Ausbau solcher privilegierten Radwege der genannten Kategorie sollte insbesondere mit Blick auf deren überörtliche Verknüpfung der Ebene der Kreise eine maßgebliche Funktion zukommen. Dabei ist Einverneh men mit den jeweils betroffenen Städten oder Gemeinden zu Grunde zu legen. Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 501
Inhalt EILDIENST 11/2021 Kavalleriestraße 8 AUF EIN WORT 501 40213 Düsseldorf ______________________________________________________________ Telefon 0211/ 300 491-0 Telefax 02 11/ 300 491-660 E-Mail: presse@lkt-nrw.de THEMA AKTUELL Internet: www.lkt-nrw.de Gemeindefinanzierungsgesetz 2022 505 IMPRESSUM ______________________________________________________________ EILDIENST – Monatszeitschrift des Landkreistages Nordrhein-Westfalen AUS DEM LANDKREISTAG Herausgeber: Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein tritt dritte Wahlzeit an 508 ______________________________________________________________ Redaktion: Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn Schul-, Kultur- und Sportausschuss besucht Ausstellung Beigeordneter Dr. Kai Friedrich Zentara Referent Karim Ahajliu „Haus der Geschichte“ 509 Hauptreferent Dr. Markus Faber ______________________________________________________________ Hauptreferentin Dr. Andrea Garrelmann Hauptreferentin Dorothée Heimann Pressereferentin Rosa Moya Referent Christian Müller Referent Roman Shapiro SCHWERPUNKT: Hauptreferent Martin Stiller Quelle Titelbild: 10 Jahre KAoA 510 ASS-Maschinenbau ______________________________________________________________ Redaktionsassistenz: Gaby Drommershausen 10 Jahre KAoA im Kreis Borken im Kontext eines Astrid Hälker sich wandelnden Ausbildungsmarktes 512 Heike Schützmann ______________________________________________________________ Herstellung: ALBERSDRUCK GMBH & CO KG Verantwortungsgemeinschaft in der Kommune – Leichlinger Straße 11 Kooperationen im Kreis Euskirchen 514 40591 Düsseldorf www.albersdruck.de ______________________________________________________________ ISSN 1860-3319 Digitaler Fachtag der KoKo im Kreis Gütersloh in der Coronazeit 516 ______________________________________________________________ Individuelle Begleitung und Förderung in Kooperation – Initiativen zur Stärkung der dualen Ausbildung im Kreis Herford 517 ______________________________________________________________ „Ausbildungsstelle to go“ – ein Rückblick 519 ______________________________________________________________ Berufliche Orientierung im Kreis Mettmann 521 Kreise in Nordrhein-Westfalen ______________________________________________________________ 502
EILDIENST 11/2021 Inhalt Berufliche Orientierung in Corona-Zeiten – Digitale Lösungen im Rhein-Kreis Neuss 524 ______________________________________________________________ Attraktivität der dualen Ausbildung steigern – Gelungene Verantwortungsgemeinschaft auf kommunaler Ebene im Kreis Paderborn 526 ______________________________________________________________ Gemeinsam mit starken Akteuren die Jugendlichen auch in Zeiten der Pandemie in den Beruf begleiten 528 ______________________________________________________________ Regionale Ausgestaltung eines standardisierten Landessystems im Rheinisch-Bergischen Kreis 530 ______________________________________________________________ Raus aus den Kinderschuhen, rein in die Laufschuhe! 532 ______________________________________________________________ Kommunale Koordinierung bringt regionales und lokales Potenzial in Einklang 534 ______________________________________________________________ Individuelle Übergangsbegleitung – Möglichkeiten und Grenzen im Rahmen von KAoA 536 ______________________________________________________________ Die Gemeinschaftsinitiative www.fachkräfte-für-morgen.de des Mittleren Niederrheins 538 ______________________________________________________________ Förderung der Berufe im Bereich Pflege und Gesundheit 539 ______________________________________________________________ Mit vereinten Kräften – Kommunale Koordinierungsstellen und Koordinierungsstellen KAoA-STAR arbeiten Hand in Hand 541 ______________________________________________________________ THEMEN Gemeinsam gegen Corona 543 ______________________________________________________________ Neubau Polizei Siegen – Anbieter und Standort stehen nun fest 545 ______________________________________________________________ 503
Inhalt EILDIENST 11/2021 Neues virtuelles Bürgerbüro geht an den Start 546 ______________________________________________________________ Schwimminitiative für Kinder im Kreis Minden-Lübbecke im Rahmen des Landesprogramms „NRW kann schwimmen“ 547 ______________________________________________________________ IM FOKUS Von der Realschule zur Polizei: Berufskolleg des Kreises Düren kooperiert eng mit der Polizeibehörde 549 ______________________________________________________________ MEDIENSPEKTRUM 551 ______________________________________________________________ KURZNACHRICHTEN 552 ______________________________________________________________ HINWEISE AUF VERÖFFENTLICHUNGEN 563 ______________________________________________________________ 504
EILDIENST 11/2021 Thema aktuell Gemeindefinanzierungsgesetz 2022 Mit Drucksache 17/11623 hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2022 (Gemeindefinanzierungs gesetz 2022) vorgelegt, zu dem die kommunalen Spitzenverbände im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen am 01.10.2021 angehört wurden. Die Beurteilung des Gesetzentwurfs durch den Landkreistag NRW und den Städte- und Gemeindebund NRW ist im Folgenden dokumentiert: N ach Auffassung von Landkreistag NRW und Städte- und Gemeindebund NRW ist der Gesetzentwurf zum GFG kommenden GFGen wieder ausgeglichen werden sollen. Auf diesem Wege entsteht zusammen mit der Vorbelastung aus dem de einer Aktualisierung zum kommenden GFG 2022 zugestimmt – auch wenn eine Vertagung auf ein späteres Jahr mit Blick 2022 ein Beitrag für einen ausgewogene- GFG 2021 eine von den Kommunen zu auf die Rechtsprechung des Verfassungs- ren Interessenausgleich innerhalb der kom- tragende Rückzahlungsverpflichtung in gerichtshofs („regelmäßig“) für das Land munalen Familie. Mit dem Gesetz werden Höhe von 1,87 Mrd. Euro. Diese trifft auf Nordrhein-Westfalen sowie die Historie langjährige strukturelle Benachteiligungen weitere in den kommenden Jahren von der Grunddatenaktualisierung wohl ver- des kreisangehörigen Raums ausgeräumt den Städten, Kreisen und Gemeinden zu tretbar gewesen wäre. Leitend für diese und kurzfristig die finanziellen Belastungen tragende finanzielle Belastungen, nament- Zustimmung war das Ziel, aktuelle Ent- durch die Corona-Krise bei den Städten, lich die nicht kompensierten Steuerertrags- wicklungen und geänderte Datenlagen Kreisen und Gemeinden abgemildert. verluste aufgrund der Pandemie sowie die in die Berechnung des GFG einzupreisen, Abschreibungen der isolierten Corona- um mehr Gerechtigkeit bei der bedarfsge- Drei wesentliche Elemente prägen den Schäden. Darüber hinaus ist daran zu erin- rechten interkommunalen Verteilung der Charakter des kommenden Gemeindefi- nern, dass die Kommunen in Nordrhein- Zuweisung zu gewährleisten. nanzierungsgesetzes für das Jahr 2022. Zu Westfalen ohnehin – auch unabhängig von diesen werden wir nachfolgend schwer- den negativen Auswirkungen der Corona- Angesichts dieser eigenen Kompromissli- punktmäßig Stellung nehmen. Krise – strukturell unterfinanziert sind: Zu nie begrüßen wir nachdrücklich die ver- dem bereits bestehenden kommunalen teilungsgerechte Entscheidung der Lan- Investitionsstau sowie die Altschuldenpro- desregierung, die sich aus der Grundda- blematik in vielen Städten und Gemein- tenaktualisierung ergebenden Differenzen 1. Zur Aufstockung der den kommen die vom Bund vorhergese- der Gewichtungsfaktoren zum GFG 2021 Finanzausgleichsmasse henen erheblichen Steigerungen bei den zunächst mit hälftigen Abschlägen umzu- kommunalen Sozialkosten, zum Beispiel setzen. Die Landesregierung kommt damit Wie bereits im Vorjahr plant die Landes- durch den Rechtsanspruch auf Ganztags- ihrer ordnungspolitischen Funktion bei regierung nach § 2 Abs. 3 GFG 2022-E betreuung im Grundschulbereich (vgl. der Festsetzung der Zuweisungen im GFG die Finanzausgleichsmasse aus Landes- Deutscher Bundestag, Drs. 19/23514 vom nach, nach der Disbalancen im kommu- mitteln im Wege der Kreditierung um 931 20.10.2020, dort. S. 6). Nimmt man diesen nalen Finanzausgleich zu vermeiden sind. Mio. Euro auf dann 14,042 Mrd. Euro zu negativen Befund ernst, wird deutlich, dass Diesem Ziel folgt sie auch bei der Einfüh- erhöhen. Trotz weiterhin verringerter Ver- die beschriebenen finanziellen Belastungen rung der differenzierten, fiktiven Hebe- bundsteuereinnahmen im Vergleich zum die Kommunen in unangemessener Weise sätze, die auch lediglich hälftig umgesetzt Volumen vor der COVID-19-Pandemie belasten. werden, um die negativen Auswirkungen stockt das Land die verteilbare Finanzaus- insbesondere im kreisfreien Raum zu mini- gleichsmasse nochmals auf, sodass das Die zusätzliche Kürzung künftiger Finanz- mieren. Im Gesetzentwurf begründet das Niveau der Schlüsselzuweisungen in etwa ausgleiche zur Rückführung der Aufstoc- Land diese Entscheidung zu Recht damit, den Prognosen der Orientierungsdaten kungsbeträge muss vor diesem Hinter- „zu große Umverteilungseffekte zu ver- vor Corona entspricht: Der Orientierungs- grund vermieden werden. Wir werben meiden.“ (LT-Drs. 17/14702, S. 68). Zu datenerlass vom 02.08.2019 kalkulierte nachdrücklich dafür, auf die geplante solchen unangemessenen und kurzfristi- Schlüsselzuweisungen in Höhe von 11,821 Rückführung des Aufstockungsbetrages gen Umverteilungseffekten hätte eine voll- Mrd. Euro für das Jahr 2022, tatsächlich über Vorwegabzüge in künftigen Jahren ständige Umsetzung der Grunddatenak- liegen die Schlüsselzuweisungen nach dem zu verzichten. tualisierung geführt: Es wäre zu einer Stei- Gesetzentwurf bei 11,816 Mrd. Euro. Diese gerungsrate beim Zentralitätsansatz um Stabilisierung und Aufstockung der GFG- 51 % und beim – hinsichtlich der Ableitung Mittel im kommenden Jahr ist ausdrücklich nicht unumstrittenen – Soziallastenansatz zu begrüßen, weil so erhebliche finanzielle 2. Zur Grunddaten um 21 % gekommen, wobei letzterer mitt- Verwerfungen innerhalb der kommunalen aktualisierung lerweile bereits bei 18,56 liegt – nachdem Familie vermieden werden. er 2015 noch bei 15,76 lag. Obgleich dem Städte- und Gemeinde- Die Landesregierung hat sich entschlos- bund und dem Landkreistag bekannt war, Die Landesregierung ist in der Vergangen- sen, wie beim GFG 2021 auch diese Auf- dass sich die Grunddatenaktualisierung heit bereits mehrfach auf gleiche Weise stockung durch Mittel zu finanzieren, die für den kreisangehörigen Raum nachtei- vorgegangen, so z.B. im Jahr 2011 und durch Abzüge zulasten der Kommunen in lig auswirken würde, haben die Verbän- zuletzt bei der Umsetzung des sofia-Gut- 505
Thema aktuell EILDIENST 11/2021 achtens im Jahr 2019. Hier begründete lungsgerechtigkeit im Schlüsselzuwei- Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner sie ihre Handhabung in ähnlich über- sungssystem des kommunalen Finanz- ständigen Rechtsprechung in diesem Sinne zeugender Weise: „Um gleichwohl nicht ausgleichs in den letzten Jahren zuneh- hervorgehoben, dass die Anknüpfung an zu vermeidende Auswirkungen dieser mend verfehlt. Dies hängt vor allem damit fiktive Hebesätze der verfassungsrechtlich methodischen Umgestaltung auf die Ent- zusammen, dass das System der Einwoh- gebotenen interkommunalen Gleichbe- wicklung der Schlüsselzuweisungen der nerveredelung einwohnerstarke Städte handlung dient, weil sie den übergemeind- Gemeinden in der Phase des Übergangs durch die Anerkennung (realer) Ausgaben lichen Finanzausgleich von der Willens- abzumildern, wurden – wie dies aus ähn- als Bedarf favorisiert, während bei der entscheidung der einzelnen Gemeinde zur lichen Gründen auch bereits vereinzelt in Berechnung der Steuerkraft erhebliche Ein- Höhe der Hebesätze in ihrem Gebiet unab- früheren Gemeindefinanzierungsgesetzen nahmevorteile der größeren Städte durch hängig macht. geschehen ist – die Differenzen bei den die Nebelwirkung einheitlicher fiktiver Regressionsergebnissen für die Gewich- Realsteuern Hebesätze „weggerechnet“ Hinsichtlich der Beurteilung der Einführung tungsfaktoren der Nebenansätze gegen- werden. Dies führt dazu, dass die für einen differenzierter Realsteuerhebesätze ist es über den Vorjahresergebnissen im ersten Einwohner im kreisfreien Bereich und im sinnvoll, sich zunächst noch einmal die Vor- Schritt zunächst mit einem Abschlag von kreisangehörigen Bereich zur Verfügung gaben der Landesverfassung in Erinnerung 50 % versehen…“. Alle damaligen Betei- stehenden Ressourcen immer weiter aus- zu rufen, die der Verfassungsgerichtshof ligten waren im Ergebnis mit diesem Vor- einanderklaffen. Über den kommunalen NRW ausgeführt hat. Der Verfassungsge- gehen einverstanden (vgl. u. a. auch die Finanzausgleich erfolgt eine sich verstär- richtshof hat darauf hingewiesen, dass die Stellungnahme des Städtetages NRW vom kende Umverteilung von Mitteln in den möglichst sachgerechte – und damit letzt- 24.09.2019, S 5: „…wird das „Einfrieren“ kreisfreien Bereich, die dort verausgabt lich bei aller notwenigen Abstrahierung der Bedarfsparameter mitgetragen“). und nach der Logik des Verteilungssystems vom realen Steueraufkommen realitäts- wiederum als Indikatoren für einen höhe- gerechte – Erfassung der Realsteuerkraft Zwischen den früheren hälftigen Anpas- ren Bedarf gewertet werden. einer Gemeinde und die Ermittlung ihres sungen und der jetzigen Situation lassen Finanzbedarfs der Zielsetzung des Art. 79 sich keine wesentlichen, ein anderes Vor- Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die in Satz 2 LVerf. und damit der redistributiven gehen rechtfertigende Unterschiede fest- § 9 des Gesetzentwurfs enthaltene Rege- Funktion des Finanzausgleichs am näch- stellen: In allen Fällen kam und kommt lung zur Anwendung differenzierter Nivel- sten kommt. es zu fundamentalen Veränderungen lierungshebesätze bei den Realsteuern. Sie bei der Verteilung der auszuzahlenden entspricht dem Verfassungsauftrag an den Diese Anforderung sorgt im Übrigen auch GFG-Zuschüsse zwischen dem kreisfreien Gesetzgeber (a), hält sich in der konkreten für eine Kongruenz zum Bundesverfas- und kreisangehörigen Raum. Damals wie Ausgestaltung im Rahmen des gesetz- sungsrecht, denn auch im Länderfinanz- heute rechtfertigt sich die abgemilderte geberischen Ermessens (b) und wird im ausgleich sind Finanzkraft und Finanzbe- Umsetzung mit der Vermeidung unbilliger Ergebnis zu einer deutlich realitätsnäheren darf durch den Bundesgesetzgeber reali- Härten. Daher erschiene eine Ablehnung Erfassung der Finanzkraft im System des tätsgerecht zu ermitteln. der derzeitigen hälftigen Umsetzung der kommunalen Finanzausgleichs führen (c). Grunddatenaktualisierung mit Blick auf Regelungen zur Erfassung der Finanzkraft die Vergangenheit als widersprüchlich. Mit a) Zum Auftrag an den Gesetzgeber genügen daher den verfassungsrechtlichen Blick auf die gleichzeitig erfolgende nur Schlüsselzuweisungen sind auch im kom- Vorgaben umso besser, je realitätsnäher sie hälftige Umsetzung der Einführung diffe- munalen Finanzausgleich des Landes trotz der gebotenen Abstrahierung durch renzierter Hebesätze erschiene sie darüber Nordrhein-Westfalen das zentrale Element fiktive Hebesätze die tatsächlichen Ver- hinaus als inkonsequent. zur Distribution der Steuerverbundmasse. hältnisse abbilden. Der Landesgesetzgeber verwendet als Ver- Die gefundene Lösung ist auch und ins- teilungsschlüssel – wie die Kommunalaus- b) Zum Gestaltungsspielraum des Gesetz- besondere vor dem Hintergrund der gleichgesetze der Flächenländer überhaupt gebers Corona-Pandemie obligat, um durch die – eine Relation von normiertem Finanzbe- In der Vergangenheit ist gelegentlich Grunddatenaktualisierung benachteiligte darf und normierter Finanzkraft der Kom- bezweifelt worden, dass die Verwendung Kommunen nicht über Gebühr in ihrer munen. Eine sachgerechte Verteilung der differenzierter Realsteuerhebesätze ein ohnehin angespannten Haushaltslage zu Schlüsselmasse setzt zwingend eine sach- zulässiges Instrument zur Erfassung der strapazieren. Der Gesetzesvorschlag führt gerechte Erfassung des (pauschalierten) Finanzkraft sein kann. Zur Klärung dieser auch bei der abgemilderten Umsetzung zu Bedarfs einerseits und der eigenen Finanz- Frage hatte der Städte- und Gemeinde- einer Steigerung des Gewichtungsfaktors kraft der Kommunen andererseits voraus. bund NRW im Jahre 2011 ein Rechtsgut- Soziallastenansatz um 11 % und des Zen- achten bei Prof. Dr. Michael Droege, Lehr- tralitätsansatzes um knapp 25 %, sodass Dabei ist es unbestritten, dass bei den stuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und allein hierdurch eine substantielle Verschie- Realsteuern nicht die tatsächlichen, son- Steuerrecht der Universität Osnabrück, bungsentwicklung von Schlüsselzuweisun- dern fiktive Hebesätze Verwendung fin- eingeholt. gen in den kreisfreien Bereich erfolgt. den müssen. Die Finanzkraftbestimmung mittels fiktiver Nivellierungshebesätze des Dabei wurde die Frage eindeutig wie folgt Realsteueraufkommens ist mit der Garan- beantwortet: tie der kommunalen Selbstverwaltung des Der nordrhein-westfälische Landesge- 3. Zur Einführung differen- Art. 78 LVerf. und dem Gebot der inter- setzgeber ist aus verfassungsrechtlichen zierter fiktiver Hebesätze bei kommunalen Gleichbehandlung vereinbar Gründen nicht gehindert, die Finanzkraft der Steuerkraftbemessung und verfassungsrechtlich insofern zwin- der Städte und Gemeinden im Rahmen der gend, als ein Verzicht auf eine Nivellierung Bestimmung der Steuerkraftmesszahl nach Aus Sicht des kreisangehörigen Raums die primäre Ausgleichsfunktion des Finanz- § 9 GFG bezüglich der Gewerbesteuer wurde das Ziel interkommunaler Vertei- ausgleichs gefährden würde. und der Grundsteuer B mittels gestaffel- 506
EILDIENST 11/2021 Thema aktuell ter Nivellierungshebesätze zu bestimmen. Eine Staffelung der fiktiven Realsteuerhe- besätze nach Gemeindegrößenklassen ist verfassungsrechtlich allerdings auch nicht zwingend geboten. Dem Landesgesetzge- ber kommt vielmehr auch bei der Bestim- mung der Steuerkraft der Gemeinden ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der vor allem durch das Willkürverbot begrenzt wird. Die Erfassung der kommunalen Finanzkraft ist an diesem Maßstab nur auf ihre Sachgerechtigkeit hin zu überprüfen. Auch das Gebot interkommunaler Gleich- behandlung hindert den Gesetzgeber nicht an einer sachgerechten Differen- zierung der Nivellierungshebesätze. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Differenzierungsgrad bei der Erfas- sung und typisierenden Einordnung der Gemeinden nach ihrer Realsteuerkraft dür- fen nicht zu hoch angesetzt werden. Der Gleichheitssatz setzt auch hier der Gesetz- gebung lediglich eine äußerste Grenze. Unterschied zwischen tatsächlicher Realsteuerkraft und fiktiver Steuerkraft im KFA. Der verfassungsrechtliche Spielraum des Quelle: LKT NRW Landesgesetzgebers umfasst auch eine Staffelung nach Gemeindegrößenklassen schen Einwohnerzahl und Hebesätzen und über viele Jahre konstante Befund belegt, im Rahmen der Hebesätze der Gewerbe- stellen deshalb eine „empirische Evidenz dass die Verwendung einheitlicher fiktiver steuer und der Grundsteuer B. Die Staf- für systematische Steuersatzunterschiede“ Hebesätze der Verfassungsvorgabe, die felung nach Einwohnerklassen kann sich fest. Steuerkraft möglichst realitätsnah zu erfas- auf einen sachlichen Grund in Gestalt der sen, nur sehr eingeschränkt gerecht wird. empirischen Evidenz für größenklassen- Im Übrigen ist diese größenabhängige Angemerkt sei der Vollständigkeit halber, abhängige systematische Steuersatzunter- Hebesatzverteilung keine Besonderheit dass diese Mittel, die bei der Steuerkraft schiede stützen. Von Verfassungs wegen von NRW, sondern findet sich in vergleich- nicht berücksichtigt werden, aber den- kann der Gesetzgeber auch alternative barer Ausprägung in allen Flächenländern noch verausgabt werden und so – nach Indikatoren für die Standortqualität einer der Bundesrepublik. einer zeitlichen Verzögerung – wieder zur Gemeinde zur differenzierenden Erfassung Anerkennung eines noch höheren Bedarfs kommunaler Finanzkraft heranziehen, er Die Frage ist, wie sich diese Unterschiede führen. kann aber auch an einheitlichen Nivellie- im System des kommunalen Finanzaus- rungshebesätzen festhalten. gleichs auswirken. Am plastischsten wer- Differenzierte fiktive Hebesätze werden den die Auswirkungen, wenn man über dazu führen, dass sich die Linien anglei- Das vollständige Gutachten kann auf einen längeren Zeitraum die fiktive Real- chen und in der Summe eine deutlich rea- Wunsch gerne zur Verfügung gestellt wer- steuerkraft nach den jeweiligen GFG der litätsnähere Abstrahierung der Steuerkraft den; eine Kurzfassung ist abgedruckt in tatsächlichen Steuerkraft gegenüberstellt. erreicht wird. Von daher sprechen auch NWVBl. 2013, S. 41 ff. Diese Relation ist in der Grafik für die Jahre inhaltlich die besseren Argumente für dif- 2006 – 2018 dargestellt (vgl. oben). ferenzierte Hebesätze. c) Zur inhaltlichen Angemessenheit diffe- renzierter Hebesätze Die Grafik ist wie folgt zu lesen: Die Nulllinie Die zunächst nur hälftige Umsetzung im Dass sich die Realsteuerhebesätze – im Mit- stellt die nach dem jeweiligen GFG berech- GFG-E 2022 ist zwar bedauerlich, aber tel betrachtet – signifikant zwischen kreis- nete Steuerkraft dar. Da die Nivellierungs- sachlich vertretbar, wenn auch – wie im freien Städten einerseits und kreisangehö- hebesätze mit Abschlägen gegenüber den Gesetzentwurf vorgesehen – die zu Lasten rigen Städten und Gemeinden andererseits realen durchschnittlichen Hebesätzen ver- der kleineren Kommunen wirkende Grund- unterscheiden, ist keine neue Erkenntnis. sehen sind, liegen die fiktiven Steuerkraft- datenanpassung in zwei Schritten vorge- Die Gutachten der ifo-Kommission aus den werte typischerweise unter den realen. Die nommen wird. Jahren 1995 und 2008 bestätigten auch für farbigen Flächen zeigen – getrennt nach Nordrhein-Westfalen einen empirischen kreisfreien und kreisangehörigen Kommu- Zusammenhang der Gemeindegröße und nen – um welche Gesamtsumme die tat- der Höhe der Hebesätze der Grundsteuer B sächlichen Realsteuereinnahmen in jedem 4. Weitere Gesichtspunkte und der Gewerbesteuer. Die Streuung der Jahr über dem fiktiv nach GFG ermittelten tatsächlichen Hebesätze weise hier eine Wert liegen. Gegenüber den kreisangehö- Dass die Mittel, die aufgrund der ausge- eindeutige Gemeindegrößenabhängigkeit rigen Kommunen verbleibt den kreisfreien laufenen Beteiligung der Kommunen an auf. Städten in jedem Jahr ein „Einnahmevor- den Zins- und Tilgungszahlungen des Son- teil“ von mindestens 500 Mio. Euro, der dervermögens zur Umsetzung des Geset- Auch im Jahr 2008 sehen die Gutachter ihnen ohne Anrechnung im kommunalen zes zur Sicherung von Beschäftigung und einen empirischen Zusammenhang zwi- Finanzausgleich zugutekommt. Dieser Stabilität in Deutschland frei werden, der 507
Thema aktuell • Aus dem Landkreistag EILDIENST 11/2021 Aufwands- und Unterhaltungspauschale verpflichtung im Hinblick auf die Erho- in den Kreis der Förderberechtigten auf- zugutekommen, begrüßen wir ausdrück- lungsfunktion des Waldes bei der Wieder- zunehmen. Die überwiegende Zahl der lich. Auf diesem Wege wird ein sinnvolles herstellung der kommunalen und touristi- Kreise besitzt eigene Waldflächen und ist und bewährtes Instrument angemessen schen Waldinfrastruktur, der Wiederher- – schwerpunktmäßig im südlichen West- aufgewertet und verstetigt. Der Land- stellung von Sicherheit und Ordnung und falen – von der Borkenkäferplage genauso kreistag NRW weist ergänzend darauf hin, bei der Beseitigung und Bekämpfung der wie die dortigen Städte und Gemeinden dass aufgrund der zweistufig ausgepräg- damit verbundenen Kalamitäten zu unter- betroffen. Eine Ungleichbehandlung bei ten Kommunalebene im kreisangehörigen stützen. Nach dem vorgelegten Gesetz- der finanziellen Unterstützung ist nicht Raum auch bei den Kreisen entsprechen- entwurf (Klima- und Fortpauschale) ist sachgerecht und würde im Ergebnis zu de Bedarfe vorhanden sind, denen ent- geplant, dass ausschließlich Gemeinden einer die betroffenen kreisangehörigen sprechend der Leitlinie interkommunaler als Eigentümerinnen von Kommunalwald- Städte und Gemeinden benachteiligenden Gleichbehandlung entsprechende Mittel flächen in NRW Kompensationsleistungen Umlagefinanzierung führen. anteilig zufließen sollten. Wir unterstützen erhalten. Ergänzend dazu regen wir nach- ferner das Ziel, die Kommunen angesichts drücklich an, auch die Gemeindeverbände EILDIENST LKT NRW der sie treffenden erhöhten Gemeinwohl- als öffentlich-rechtliche Körperschaften Nr. 11/Oktober 2021 20.30.00 Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein tritt dritte Wahlzeit an I m Oktober 2021 hat Dr. Martin Klein seine dritte Wahlzeit als Hauptgeschäfts- führer des Landkreistags Nordrhein-West- falen angetreten. Die Delegierten der Landkreisversammlung hatten ihn am 19. August 2021 erneut einstimmig für acht Jahre als Geschäftsführendes Vorstands- mitglied bestätigt. Der im Jahr 1963 in Köln geborene Voll- jurist promovierte im Jahr 1992 an der Universität zu Köln mit einer Dissertation im Baurecht. Bevor er sechs Jahre beim Landkreistag NRW als Beigeordneter für Soziales, Jugend Gesundheit, Verbraucher- schutz und Veterinärwesen tätig wurde, hatte er von 1994 bis 1999 als Referent beim Deutschen Städtetag sowie Städtetag Nordrhein-Westfalen gearbeitet. Dr. Martin Klein amtiert seit Oktober 2005 als Hauptgeschäftsführer des Landkreis- tags NRW und wurde im Jahr 2013 wie- dergewählt. EILDIENST LKT NRW Dr. Martin Klein. Quelle: LKT NRW Nr. 11/Oktober 2021 00.10.00 508
EILDIENST 11/2021 Aus dem Landkreistag Schul-, Kultur- und Sportausschuss besucht Ausstellung „Haus der Geschichte“ Zum 75. Geburtstag des Landes Nordrhein-Westfalen zeigt die Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen die Jubiläumsausstellung „UNSER LAND. 75 Jahre Nordrhein-Westfalen“. Sie ist seit dem 27. August 2021 im Behrensbau am Mannesmannufer in Düsseldorf und damit an dem Ort zu sehen, wo auch das künftige zeithistorische Museum zur Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen eröffnen soll. Ausstellung „UNSER LAND – 75 Jahre Nordrhein-Westfalen“. Verordnung Nr. 46. Quelle: Stiftung Haus der Geschichte NRW Quelle: Andreas Lange D er Vorsitzende des Stiftungspräsidi- ums, Prof. Dr. Hans Walter Hütter, hatte das Projekt „Haus der Geschichte ten der 75-jährigen Geschichte des bevöl- kerungsreichsten Bundeslandes. Sie erzählt vom permanenten Wandel, aber auch schen Militärregierung, der Schreibtisch, an dem 2019 Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron mit Nordrhein-Westfalen“ in der Frühjahrs- von der Fähigkeit der Menschen in die- dem „Vertrag von Aachen“ die deutsch- sitzung des Schul-, Kultur- und Sportaus- sem Land, auf veränderte Bedingungen zu französische Freundschaft erneuerten, schusses am 10. März 2021 vorgestellt und reagieren und Neues daraus entstehen zu ein Teddybär, der mit einer persönlichen die Mitglieder in die Jubiläumsausstellung lassen. Fluchtgeschichte verbunden ist, ein feuer „Unser Land. 75 Jahre Nordrhein-Westfa- fester Rennanzug von Formel-1-Welt- len“ eingeladen. Die Ausschussmitglieder Die Ausstellung gliedert sich in acht Räume, meister Kimi Räikkönen, einer Innovation haben es sich daher nicht nehmen lassen, die die zentralen Herausforderungen des aus Westfalen, die für den Wandel der im Anschluss an die Herbstsitzung am 22. Landes – den politischen Neubeginn und Textilindustrie in diesem Landesteil steht, September 2021 die Ausstellung, die durch die Landesgründung, Migration, Soziales, der „Stratmann-Koffer“, ein Messgerät, Prof. Hütter persönlich geführt wurde, zu wirtschaftlichen Strukturwandel, Umwelt, das bereits in den 1950er Jahren Pionier- besuchen. Sicherheit, Religionen im Wandel sowie arbeit in Sachen Luftreinhaltung leistete Kultur und Medien – veranschaulichen sol- und Objekte der jüngsten Flutkatastrophe. Die Ausstellung erzählt die Geschichte des len. Gezeigt werden rund 300 Exponate Zeitzeugeninterviews, Hör- und interaktive Landes Nordrhein-Westfalen mit all ihren auf einer Fläche von 1.200 Quadratmetern. Multimediastationen laden die Besucherin- Herausforderungen und Brüchen, die das Ausgewählte Gegenstände der Landesge- nen und Besucher zur aktiven Auseinan- Land und die Menschen in den vergange- schichte, Dokumente, Fotos und Filme ste- dersetzung mit der Geschichte des Landes, nen 75 Jahren zu bewältigen hatten – und hen im Zentrum der Jubiläumsausstellung. aber auch mit der eigenen Herkunft und Nordrhein-Westfalen nachhaltig geprägt der Zukunft ein. Die Jubiläumsausstellung, haben. In acht Ausstellungskapiteln gibt Hierzu zählen die Gründungsurkunde des die noch bis zum bis 23. Mai 2022 geöff- die Ausstellung Einblicke in bewegte Zei- Landes, die Verordnung Nr. 46 der briti- net ist, gilt als Testlauf für das zukünftige 509
Aus dem Landkreistag • Schwerpunkt EILDIENST 11/2021 „Haus der Geschichte NRW“, das eben- binden. Die Mitglieder des Schul-, Kultur- Kultur- und Sportbetriebs angesichts der falls im Behrensbau im Jahr 2028 eröffnet und Sportausschusses freuen sich auf die Corona-Pandemie und der Flutkatastro- werden soll. Zusammenarbeit mit der Stiftung „Haus phe sowie die Fortführung der Finanzie- der Geschichte NRW“ in den kommenden rung der Schulsozialarbeit. Ebenso erörtert Ab Sommer 2022 wird die aus dieser Aus- Jahren und hoffen, dass diese den Bürge- wurde die Schulfinanzierung, die Schuldigi- stellung konzipierte Wanderausstellung rinnen und Bürgern einen Zugang zu ihrer talisierung und die berufliche Bildung. Die über einen Zeitraum von vier Jahren in ganz eigenen Geschichte in NRW geben kommende Frühjahrssitzung des Schul-, allen 53 kreisfreien Städte und Kreise in kann. Kultur- und Sportausschusses wird auf Ein- NRW zu sehen sein. Sie soll nach der Vor- ladung des Vorsitzenden am 09.03.2022 stellung von Prof. Hütter in Zusammenar- Die Themen der Herbstsitzung des Schul-, im Rhein-Erft-Kreis stattfinden. beit mit den jeweiligen Städten und Krei- Kultur- und Sportausschusses am 22. sen wesentliche Elemente der Kreis- und September 2021 in Düsseldorf waren ins- EILDIENST LKT NRW der Landesgeschichte miteinander ver- besondere der aktuelle Stand des Schul-, Nr. 11/Oktober 2021 00.11.02 10 Jahre KAoA Im November 2021 wird die Entscheidung, ein aufeinander aufbauendes System für den Übergang von der Schule in Ausbildung in Nordrhein-Westfalen zu schaffen, zehn Jahre alt. Getroffen wurde der Beschluss im Ausbildungskon- sens – einem Gremium, in dem sich die Landesregierung, die Organisationen der Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Arbeitsverwaltung und die Kommunen 1996 zusammengeschlossen haben. Seitdem setzt er sich dafür ein, dass junge Menschen in Nordrhein-Westfalen, die ausgebildet werden wollen, eine größere Chance auf einen Ausbildungsplatz erhalten. G ern möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und mich bei den Vertreterinnen und Vertretern der Kreise und kreisangehörigen Kommunen und den Mitarbeitenden bei den Kommuna- len Koordinierungsstellen dafür bedanken, dass sie seit vielen Jahren die Landesin- itiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) mit so hohem Engagement umset- zen. Sie alle tragen dafür Sorge, dass unse- re jungen Menschen in Nordrhein-Westfa- len gute Startmöglichkeiten in die Arbeits- welt erhalten. Auch wenn wir gemeinsam schon vieles erreicht haben, brauchen wir auch weiterhin motivierte Gestalterinnen und Gestalter für die konkrete Umsetzung vor Ort. So funktioniert „Kein Abschluss ohne Anschluss“ Ziel von KAoA ist die frühzeitige Unterstüt- zung junger Menschen bei der Beruflichen Orientierung, bei der Berufswahl und beim Eintritt in Ausbildung oder Studium. KAoA wurde schrittweise aufwachsend ab dem Schuljahr 2012/2013 in den 53 Kreisen und kreisfreien Städten eingeführt. Seit Arbeitsminister Karl-Josef Laumann. Quelle: MAGS NRW dem Schuljahr 2016/2017 beteiligen sich 510
EILDIENST 11/2021 Schwerpunkt „Kommunale Koordinierung des Übergangs Schule/Beruf in den Kreisen“ alle öffentlichen Schulen ab der 8. Klas- an die betriebliche Echtsituation sollen Chancen und se, sodass heute pro Schuljahr etwa eine die Jugendlichen vorbereitet und befähigt Million Schülerinnen und Schüler in den werden, den Übergang in ein betriebliches Herausforderungen Sekundarstufen I und II erreicht werden. Ausbildungsverhältnis zu schaffen. Mög- Schülerinnen und Schüler mit Behinderun- lich ist auch die Zahlung einer Leistungs- KAoA muss ein lernendes System sein. gen oder Bedarf an sonderpädagogischer prämie an einzelne Teilnehmende bei guter Deswegen prüft das Arbeitsministerium Unterstützung werden dabei genauso ein- Leistung, um die Leistungsbereitschaft und gemeinsam mit dem Ausbildungskonsens bezogen wie junge Neu-Zugewanderte. Leistungsfähigkeit der Jugendlichen anzu- die einzelnen Standardelemente regelmä- erkennen und zu befördern. ßig auf ihre Praxistauglichkeit und passt Der Prozess der Berufsorientierung gliedert diese bei Bedarf an. So wurde zum Beispiel sich in verschiedene Module. Diese wer- für die Schülerinnen und Schüler mit För- den als „Standardelemente“ bezeichnet. derschwerpunkten eine zweitägige Vari- Alle Jugendlichen starten mit einem Stan- Zentral ist die Verankerung ante der Potenzialanalyse entwickelt, weil dardelement, dass sich „Potenzialanalyse“ vor Ort sich herausgestellt hatte, dass es diesen nennt. Die Jugendlichen absolvieren dabei Schülerinnen und Schülern dadurch viel verschiedene Aufgaben, die ihnen helfen „Kein Abschluss ohne Anschluss“ wurde besser gelingt, ihre Fähigkeiten und Inter- sollen, ihre Stärken, Fähigkeiten und Inter- von Beginn an so aufgebaut, dass die essen herauszufinden. essen zu entdecken. Sie erhalten dadurch Umsetzung in allen 53 Kreisen und kreis- eine erste Orientierung, die ihnen zum Bei- freien Städten erfolgt. Die Akteure in den Insbesondere in den Kreisen stellt die spiel bei der Auswahl der Praktika helfen Kreisen organisieren vor Ort den Übergang Umsetzung von KAoA eine Herausfor- kann. von der Schule in den Beruf und bilden derung dar. Die direkte Einbindung und dafür ein gemeinsames Steuerungsgremi- Ansprache der kreisangehörigen Kommu- Es folgen Praxisphasen wie Schnuppertage um. An diesem sind in der Regel neben nen durch die Kommunalen Koordinie- und Praktika in Betrieben, in deren Rah- der Kommunalen Koordinierungsstelle und rungsstellen von Beginn an war wichtig, um men die Jugendlichen frühzeitig Einblic- den kreisangehörigen Kommunen unter praktische Herausforderungen gemeinsam ke in die betriebliche Praxis bekommen. anderem die Agentur für Arbeit, das Job- lösen zu können. Ein ganz konkretes Bei- Dabei erhalten die Jugendlichen mit För- center, die Kammern und Sozialpartner, spiel: Die Distanzen in einem Flächenkreis derschwerpunkten oder Unterstützungs- die Wirtschaftsförderung, die Jugendhilfe, sind häufig viel größer als in den kreisfreien bedarfen eine an ihre individuelle Situation die Schulaufsicht, die Schulen, die Berufs- Städten und mit dem öffentlichen Nahver- angepasste Durchführung. Das kann zum kollegs und die Hochschulen beteiligt. kehr kann nicht jedes Ziel in angemessener Beispiel bedeuten, dass ein Jugendlicher Dadurch können regionale Gegebenheiten Zeit erreicht werden. Daher muss immer mit einem Förderschwerpunkt Geistige und kommunale Aktivitäten Berücksich- geklärt werden, wie die Jugendlichen die Entwicklung sein Praktikum statt bei einem tigung finden. Jeder Kreis kann dabei ein Orte, an denen sie ihre Potenzialanalysen Unternehmen bei einem ausgewählten Bil- Stück weit seinen eigenen Umsetzungs- oder Praktika absolvieren, erreichen kön- dungsträger absolviert und dabei begleitet weg gehen – das Subsidiaritätsprinzip fin- nen. Hier leisten die Kommunen, unter- und unterstützt wird. det hier klaren Ausdruck. stützt von den kommunalen Koordinie- rungsstellen, eine wichtige Arbeit. Für die Durchführung von KAoA stehen Zur Koordinierung der Aktivitäten gibt jährlich rund 50 Millionen Euro zuzüglich es in jedem Kreis „Kommunale Koodi- Die enge Zusammenarbeit der Kommuna- 762 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer nierungsstellen“ (KoKo). Die Arbeit die- len Koordinierungsstellen mit allen Part- zur Verfügung, die sich aus Mitteln des ser Koordinierungsstellen wird durch das nern zeigte gerade in der Corona-Pande- Landes Nordrhein-Westfalen sowie aus Ministerium für Arbeit, Gesundheit und mie ihre Stärke. Wichtige Elemente der Mitteln des Bundes, der Regionaldirekti- Soziales begleitet. Dazu finden regelmä- Beruflichen Orientierung, wie Schnupper- on der Agentur für Arbeit und der Land- ßige Austauschtreffen sowie jährliche tage im Betrieb oder betriebliche Praktika schaftsverbände Rheinland und Westfalen Kooperationsgespräche statt. Dabei liegt konnten nur sehr eingeschränkt in Präsenz zusammensetzen. der Schwerpunkt darauf, den Informati- umgesetzt werden. So sind vor Ort viel- onsaustausch zwischen den Kommunalen fältige Initiativen entstanden, um digitale Zusätzlich gibt es Programme, um Jugend- Koordinierungsstellen sicherzustellen und Angebote in der Beruflichen Orientierung liche, die sich ohne Unterstützung schwer- Fortbildungsangebote bereitzustellen. zu entwickeln und den Schülerinnen und tun, bei der Einmündung in eine Ausbil- Schülern zur Verfügung zu stellen. Ziel ist, dung besonders zu fördern. So beraten Die Kommunalen Koordinierungsstellen diese Angebote künftig zusätzlich zu den und begleiten Berufseinstiegsbegleite- werden durch die Kommunen und mit Präsenzangeboten zu nutzen. rinnen und -begleiter Schülerinnen und europäischen Geldern aus der Landes- Schüler mit Unterstützungsbedarfen beim arbeitsmarktpolitik finanziert. Zukünftig gesamten Prozess der Berufsorientierung. stehen für die Landesarbeitsmarktpolitik weniger Gelder aus dem Europäischen Ein Ausblick in die Zukunft Dabei stehen für Jugendliche mit beson- Sozialfonds zur Verfügung. Trotzdem wird deren Schwierigkeiten weitere Angebote sich das Land Nordrhein-Westfalen ab dem Die Berufliche Orientierung junger Men- zur Verfügung. Eines davon ist das „Werk- kommenden Jahr mit einem Anteil von 40 schen bleibt ein längerfristiger Prozess, der stattjahr“. Dieses findet bei speziell ausge- Prozent an der Finanzierung der Kommu- von vielen verschiedenen Faktoren und wählten Bildungsträgern statt. Es umfasst nalen Koordinierungsstellen beteiligen. Rahmenbedingungen beeinflusst wird und in der Regel zwölf Monate und verknüpft Damit steht weiterhin ein wesent licher immer wieder eine neue Herausforderung betriebliche Praxisphasen mit trägerge- Teil der arbeitsmarktpolitischen Mittel des darstellt. Aber wir bleiben dran, bis für stützten Phasen von praktischem Arbeiten Landes für die Berufliche Orientierung zur jeden Jahrgang der Anschluss klappt – in und Lernen. Durch eine enge Anbindung Verfügung. die Ausbildung oder das Studium. 511
Schwerpunkt „Kommunale Koordinierung des Übergangs Schule/Beruf in den Kreisen“ EILDIENST 11/2021 Wichtig ist mir als Arbeitsminister, dass die dung zu wecken. Mit gut organisierten KAoA die Chancen dualer Ausbildungsbe- gemeinsamen Anstrengungen direkt bei Praktika durch die Betriebe können die rufe realistisch abbilden – oder ob wir an den jungen Menschen ankommen. Dass Schülerinnen und Schüler Ausbildungsbe- der ein oder anderen Stelle nachjustieren sie eine Chance erhalten, einen Beruf zu rufe praktisch erleben – das ist viel span- sollten. erlernen und so einmal ihren Lebensunter- nender als nur darüber zu lesen oder sich halt selbstständig sichern können. Bei den Videos anzuschauen. Es bleibt eine große KAoA wird derzeit extern evaluiert. Im jungen Menschen, die wir gerade auch in Zukunftsaufgabe, die berufliche Bildung kommenden Jahr erwarten wir dazu erste der Schule aufgrund schwieriger persönli- bei der Berufsorientierung angemessen Ergebnisse. Diese werden wir nutzen, um cher Umstände nicht mehr erreichen, müs- zu repräsentieren. Denn immer noch ent- das System der Beruflichen Orientierung sen wir unsere Anstrengungen verstärken. scheiden sich zu viele Jugendliche für ein in Nordrhein-Westfalen strukturell wei- Die Berufliche Orientierung kann hier eine Studium, die dieses dann abbrechen. Oft terzuentwickeln. Dabei nehmen wir Ihre Chance bieten, schulmüden Jugendlichen finden diese Jugendlichen erst nach langen Anregungen und Vorschläge gerne entge- über praktische Aktivitäten Wege in eine Umwegen ihr Glück in einem dualen Aus- gen. Ich bin dankbar, dass sich die Kreise Ausbildung und dadurch dauerhaft in ein bildungsberuf. so stark für die jungen Menschen vor Ort selbstbestimmtes und zufriedenes Leben einsetzen und freue mich auf die weitere zu ermöglichen. Das ist für die Jugendlichen oft mit großer Zusammenarbeit bei der Gestaltung des Belastung verbunden – und unsere Betrie- Übergangs von der Schule in den Beruf. Die Berufliche Orientierung bietet auch be sind auf gute Auszubildende dringend eine große Chance, bei jungen Men- angewiesen. Daher müssen wir immer wie- EILDIENST LKT NRW schen Begeisterung für die duale Ausbil- der prüfen, ob die Standardelemente von Nr. 11/Oktober 2021 50.05.06.9 10 Jahre KAoA im Kreis Borken im Kontext eines sich wandelnden Ausbildungsmarktes Das 2012 neu eingeführte Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss-Übergang Schule-Beruf in NRW“ (KAoA) war eines der prägendsten Veränderungen der vergangenen zehn Jahre im Übergang Schule und Beruf. Innerhalb dieser letzten Dekade hat sich das Landesvorhaben einerseits von Beginn in allen Handlungsfeldern permanent weiter ent- wickeln und sich verändernden Rahmenbedingungen – wie zum Beispiel der Inklusion, der Integration und auch der Digitalisierung – anpassen müssen. Andererseits hat sich eine wegweisende Veränderung auf dem Ausbildungsmarkt vollzogen, der sich von einem Arbeitgeber- zum einem Arbeitnehmermarkt transformiert hat. Hieraus ergeben sich für das Landesvorhaben zukünftig neue Herausforderungen und neue Chancen. D as Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss-Übergang Schule- Beruf in NRW“ (KAoA) setzt der Kreis Bor- menspiel von Betrieben und Schülern sehr positiv befördert. DIE AUTOREN ken als eine von landesweit sieben Refe- Innerhalb der letzten zehn Jahre ist das renzkommunen seit 2012 um. Der Kreis ist Landesvorhaben KAoA mit seinen vier unter anderem durch seine Flächenstruktur Handlungsfeldern zu einer akzeptierten sowie als Grenzregion zu den Niederlan- und etablierten Struktur herangewachsen. Rita Krümpelmann den geprägt. Er umfasst 17 Kommunen, Flankierend haben sich Neuerungen im und 5 Jugendämter und hat rund 372.000 Ein- Kreis Borken ergeben, die in Interdepen- wohnerinnen und Einwohner. denz zum Landesvorhaben stehen. Neben den Veränderungen in Bezug auf das Die mit KAoA einhergehende Einführung gemeinsame Lernen im Sinne der Inklusion der aufeinander aufbauenden Standard- und der Integration von neuzugewander- Philipp Terhart, elemente zur beruflichen Orientierung ist ten Schülerinnen und Schüler hat sich eine Kommunale nicht nur für alle Schülerinnen und Schü- der signifikantesten Veränderungen auf Koordinierungsstelle, ler ab der 8. Klasse bis zum Übergang in dem hiesigen aufnehmenden Ausbildungs- Kreis Borken Ausbildung/Studium ein Gewinn, sondern markt vollzogen: Dieser hat sich von einem Quelle:Kreis Borken sie ist auch für viele der hiesigen Ausbil- Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt dungsbetriebe von großer Bedeutung. Ins- gewandelt. War es in den ersten KAoA- ze gab, so existiert seit einigen Jahren ein besondere die betrieblichen Praxisphasen Jahren so, dass es vielfach mehr Bewerbe- größeres Ausbildungsplatzangebot, als es der jungen Menschen haben das Zusam- rinnen und Bewerber als Ausbildungsplät- Bewerberinnen und Bewerber für Ausbil- 512
EILDIENST 11/2021 Schwerpunkt „Kommunale Koordinierung des Übergangs Schule/Beruf in den Kreisen“ Neben den bisher aufgeführten Trends war der Kreis Borken von einer großen Dynamik in der Schullandschaft betroffen. Einerseits hat sich die Gesamtanzahl der allgemeinbildenden Schulen im Kreis Bor- ken von 64 Schulen im Schuljahr 2011/12 auf 40 Schulen im Schuljahr 2021/22 reduziert. Andererseits ist die Anzahl von Gesamtschulen als großes Schulsystem mit einer gymnasialen Oberstufe deutlich gestiegen (1 in 2012 – 9 in 2020). Im Som- mer 2022 werden die ersten Schüler*innen die neugeründeten Gesamtschulen mit dem Abitur verlassen. Dann wird sich auch zeigen, ob sie sich für die Aufnahme eines Studiums oder einer Ausbildung entschei- den. Hingegen ist die Zahl der Haupt- und Realschulen, die traditionell einen prozen- tual hohen Schüleranteil mit Übergang in eine Ausbildung haben, stark gesunken. Die insgesamt positiven wirtschaftlichen Ausbildungsstellen und Bewerberinnen und Bewerber im Kreis Borken. Strukturen im Kreis Borken bilden somit Quelle: Bundesagentur für Arbeit (Statistik) gute Rahmenbedingungen für die Umset- zung des Landesvorhabens, sind zugleich dung gibt. Diese Entwicklung wurde durch in Sachen (Aus-)Bildung geändert. Wirt- aber auch Ansporn für jedes neue (zukünf- die Corona-Pandemie noch einmal dadurch schaftlich schwierigere Phasen der vergan- tige) Ausbildungsjahr. verstärkt, dass (persönliche) Kontakte von genen Jahrzehnte haben bei ihnen offen- Schülerinnen und Schüler zu Betrieben und kundig zu der Auffassung geführt, dass vor Dementsprechend ist der aktuelle Bewer- Unternehmen über zwei Schuljahre hinweg allem ein höherer Bildungs- und Berufsab- berrückgang nicht gleichzusetzen mit sehr stark eingeschränkt wurden. Digitale schluss vor Arbeitslosigkeit und sozialem einem sinkenden Interesse der Jugendli- Angebote konnten seither zwar alternativ Abstieg schützt. Unter anderem auch des- chen an einer beruflichen Ausbildung. Über eingesetzt werden, jedoch haben sie den wegen hat sich gerade in den letzten Jah- die enge Verbundenheit der Kommunalen Ausfall der Vor-Ort-Praxis im Betrieb nur ren der Trend zu einem höheren Bildungs- Koordinierungsstelle in der Kreisverwaltung sehr bedingt kompensieren können. abschluss in Verbindung mit einem weite- mit den beteiligten Partnern sowie regel- ren Schulbesuch und zur Akademisierung mäßige Austauschformate der Kommuna- Der oben genannte Wandel in Bezug auf bei den Jugendlichen durchgesetzt. Dies len Koordinierungsstelle mit den 40 Schu- Angebot und Nachfrage ist insbesondere befördert zwar die Deckung des entspre- len und sechs Berufskollegs im Kreisgebiet auch in der starken wirtschaftlichen Struk- chenden akademischen Fachkräftebedarfs wird kontinuierlich und gemeinschaftlich tur des Kreises Borken begründet. In allen im Kreis Borken, vergrößert jedoch auch zusammengearbeitet. Daher ist der Aus- wirtschaftlichen und dienstleistungsorien- die bereits existierenden Herausforderun- bildungsmarkt seit dem Frühjahr 2020 tierten Sektoren hat hier in den Jahren nach gen bei der Besetzung der vorhandenen ein fortwährender Themenschwerpunkt der Wirtschaftskrise 2008/2009 ein konti- Ausbildungsstellen. in den schulischen Dienstbesprechungen nuierliches Wachstum stattgefunden. Die hierfür notwendigen Fachkräfte werden primär durch eine fundierte Berufsausbil- dung gewonnen. Die dazu erforderlichen Ressourcen und das Engagement werden durch eine gute Ausbildungsbetriebsquote seitens der Betriebe abgerundet. Die eben- falls notwendige Ressource Humankapital geht aufgrund der Anzahl der abgehenden Schülerinnen und Schüler seit einiger Zeit zurück. Eine leichte Trendumkehr zu grö- ßeren Schulabgängerzahlen zeichnet sich erst wieder zur Mitte des aktuellen Jahr- zehnts ab. Aufgrund der also aktuell noch sinken- dem Schulabgangszahlen ergeben sich nun besondere Herausforderungen für die regionale Wirtschaft bei der Beset- zung der steigenden Ausbildungsplatzres- sourcen. Zudem hat sich offenkundig die Haltung bei vielen Jugendlichen und Eltern Absolute Veränderung der Schullandschaft 2011/12 zu 2021/22. Quelle: Kreis Borken 513
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