Bayerisches Zahnärzteblatt
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3/2019 Bayerisches Zahnärzteblatt Schwerpunktthema: Zahnerhaltung Zahnerhalt gelingt – Reattachment von Kronenfragmenten nach dentalem Trauma Aufhellung verfärbter Zähne – Möglichkeiten der Bleichtherapie Die implantatgestützte Frontzahnkrone – Definitive prothetische Versorgung BLZK Niederlassung – Erfahrungen aus erster Hand Deutliche Warnung – Bundesverfassungsrichter kritisiert Taktik der EU Flexibel und effektiv – Die Leistungen der Bayerischen Ärzteversorgung KZVB Approbationsordnung – Bayern macht Druck Digitalisierung – Apple und der Gesundheitsmarkt „Spahn ist kein Fischfutter“ – Was den Minister antreibt März 2019 · 56. Jahrgang · B 50499 · www.bzb-online.de
60. Bayerischer Zahnärztetag www.bayerischer-zahnaerztetag.de | www.twitter.com/BayZaet München, 17. bis 19. Oktober 2019 www.blzk.de | www.eazf.de | www.kzvb.de | www.dgpzm.de The Westin Grand München 60 Jahre Bayerischer Zahnärztetag Programmanforderung 60 Jahre Prophylaxe Informationen: OEMUS MEDIA AG Telefon: 0341 48474-308 · Fax: 0341 48474-290 · E-Mail: zaet2019@oemus-media.de · www.bayerischer-zahnaerztetag.de
Editorial | BZB März 19 | 3 Druck im Digitalisierungskessel Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, das öffentliche Interesse an gesundheitspolitischen Themen ist leider meist gering. Bei der Digitalisie- rung stellt sich das mittlerweile erfreulicherweise anders dar. Die Medien sind aus dem jahrelangen Dornröschenschlaf erwacht. Der 18-jährige Schüler aus Hessen, der höchst persönliche Daten Hunder- Dr. Manfred Kinner ter Politiker, Journalisten und anderer Prominenter Mitglied des Vorstands gehackt und ins Netz gestellt hat, ist daran nicht der KZVB unbeteiligt. Endlich hat eine gesellschaftliche Dis- kussion darüber begonnen, was wir wem zugäng- kussion. Seine Idee: Der Bund wird Hauptgesell- lich machen wollen und aufgrund gesetzlicher Vor- schafter, die Vertreter der Selbstverwaltung werden gaben bald müssen. entmachtet. Das konnte zwar vorerst verhindert Auch der Blick ins Ausland zeigt, welche Risiken und werden, der Druck im Digitalisierungskessel bleibt Nebenwirkungen Projekte wie die digitale Patienten- aber hoch. Spätestens bis zum 31. März müssen akte mit sich bringen. Singapur galt lange als Muster- alle Ärzte und Zahnärzte ihren Konnektor und die schüler in Sachen Online-Verfügbarkeit von Patien- neuen Kartenlesegeräte verbindlich bestellen. Sonst tendaten. Doch in dem Stadtstaat wurden inner- drohen Honorarabzüge. halb von acht Monaten gleich zwei schwere Hacker- Ich möchte an dieser Stelle festhalten: Weder ich angriffe verübt. Im Juli 2018 wurden die Daten von persönlich noch die zahnärztliche Selbstverwaltung 1,5 Millionen Patienten „gestohlen“. Betroffen war in Bayern sind gegen eine stärkere Vernetzung des auch der Ministerpräsident. Die Hacker haben so- Gesundheitswesens. Bevor aber neben dem Stamm- gar herausgefunden, welche Medikamente ihm ver- datenabgleich weitere Anwendungen wie die elek- schrieben wurden. Im Januar 2019 gelangten dann tronische Patientenakte eingeführt werden, brauchen die Daten von 14 200 HIV-positiven Patienten, da- wir eine fundierte Risikofolgenabschätzung. Das runter 8 800 Ausländer, an die Öffentlichkeit. steht übrigens sogar in der Datenschutz-Grundver- Auch in Deutschland gibt es erste Alarmsignale. ordnung. In Artikel 35 heißt es: „Hat eine Form der Jüngstes Beispiel dafür ist die von der Allianz PKV Verarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer und einigen gesetzlichen Krankenkassen initiierte Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der elektronische Patientenakte „Vivy“. Bei einem Kon- Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraus- gress des Chaos-Computerclubs wurden etliche Si- sichtlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten cherheitslücken aufgedeckt. So wertete diese Smart- natürlicher Personen zur Folge, so führt der Verant- phone-App nicht nur das Nutzerverhalten aus und wortliche vorab eine Abschätzung der Folgen der leitete Daten in die USA und – ausgerechnet – nach vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge für den Schutz Singapur weiter. Auch den Sicherheitsschlüssel fin- personenbezogener Daten durch.“ Wo sind die Rechte den Experten geradezu lächerlich. Dieser besteht und Freiheiten natürlicher Personen stärker gefähr- aus genau fünf Kleinbuchstaben. Insider wissen: Das det als bei der Speicherung von Gesundheitsdaten? wäre ungefähr so, wie wenn Fort Knox mit einem Diese Folgenabschätzung erwarte ich, bevor ein Mi- Vorhängeschloss gesichert wäre. Ein kleines Skript nister öffentlich die Patientenakte auf dem Smart- reicht, um in weniger als 24 Stunden alle denkbaren phone und das elektronische Rezept verspricht. Kombinationen auszuprobieren, und schon hat man Zugang zu allen in der App gespeicherten Daten. Ihr Ungeachtet dessen treibt der ehrgeizige Bundes- gesundheitsminister Jens Spahn die Digitalisie- rung des Gesundheitswesens weiter voran. Selbst eine „Entmachtung“ der gematik stellte er zur Dis-
4 | BZB März 19 | Inhalt 3 Editorial 6 I Politik 6 Niederlassung – Erfahrungen aus erster Hand Isolde M. Th. Kohl 9 Approbationsordnung: Bayern macht Druck Peter Knüpper 10 Dr. Wolfgang Heubisch: „Wir halten an der Medizinfakultät in Passau fest“ Foto: BLZK 12 Die Säulen der Kammer – Ein Kommentar Sven Tschoepe Kristine Gulde informiert neu niedergelassene 13 Digitalisierung – Patientenwohl im Auge behalten Zahnärzte in Bayern über die Serviceangebote Thomas A. Seehuber von BLZK und eazf. 14 Bestens versorgt – Christian Berger sieht keinen Bedarf für Zahnarztbus Bericht Seite 6 15 Gastkommentar: „Spahn ist kein Fischfutter“ Sebastian Horsch 16 Deutliche Warnung – Bundesverfassungsrichter kritisiert Taktik der EU Thomas A. Seehuber 17 Für eine bessere (Mund-)Pflege – BLZK berät Ministerium und Pflegeaufsicht Ulrike Nover 18 Flexibel und effektiv – Die Leistungen der Bayerischen Ärzteversorgung Dr. Michael Förster 20 Unabhängige Patientenberatung bleibt ein Zankapfel Leo Hofmeier 21 Vorbild, Vermittler, Mentor – Dr. Anton Schweiger ist BDK-Ehrenvorsitzender Dr. Jochen Waurig Foto: privat 22 Nachrichten aus Brüssel Dr. Alfred Büttner 23 Journal Der langjährige Standespolitiker Dr. Wolfgang Thomas A. Seehuber Heubisch ist seit November 2018 Vizepräsident des Bayerischen Landtags. 24 I Praxis Bericht Seite 10 24 Im Winter können die ersten Mieter einziehen – Bauvorhaben der KZVB Dirk Lörner 25 GOZ aktuell – Materialkosten Dr. Christian Öttl 26 Novum für Gutachter – Gemeinsame Tagung von BLZK und KZVB 28 Digitalisierung soll Patienten nutzen – Nachholbedarf in IT-Infrastruktur Alexandra Lindner Foto: guteksk7/stock.adobe.com 29 apoBank baut Angebote aus – Online-Plattform für Gesundheitsmarkt 30 Erfolgreiche „Special Olympics Winterspiele Bayern 2019“ in Reit im Winkl Ulrike Nover 32 „Berufsstand steht vor Umwälzungen“ – Interview mit Dr. Manuel Eichinger Ilka Helemann 34 Die Macht ist mit Apple – Konzerne haben den Gesundheitsmarkt im Visier Apple versucht, sich immer stärker mit dem Ilka Helemann Leben seiner Käufer zu vernetzen. Ein großes Geschäftsfeld: die Gesundheitsbranche. 36 Zahnmedizin heute und morgen – 11. Fränkischer Zahnärztetag in Fürth Bericht Seite 34 Dr. Silvia Morneburg 37 BLZK im Netz – Online-News der Kammer
Inhalt | BZB März 19 | 5 Praxis I 00 Datenschutz in der Praxis – Neuer Praxis-Check der eazf schafft Klarheit 38 Dipl.-Volkswirt Stephan Grüner Wissenschaft und Fortbildung I 40 Reattachment von Kronenfragmenten nach dentalem Trauma 40 Mona Shaghayegh Khoshmehr, Dr. Steffi Baxter Zahn 21 nach Reattachment des Fragments Bericht Seite 40 Fortbildung von A bis Z im „Spirit of Kempten“ 45 Aufhellung verfärbter Zähne – Möglichkeiten der Bleichtherapie 46 Dr. Jana Biermann, Prof. Dr. Annette Wiegand Goldenes Doktordiplom 50 Rezension: Gute Zahnmedizin – Ein Leitfaden 51 Dr. Yorck Alexander Zebuhr Die implantatgestützte Frontzahnkrone – Teil 2 52 Prof. Dr. Jürgen Manhart, Dr. Peter Randelzhofer, Uwe Gehringer „Update Digitale Technologien“ in der Zahnklinik der LMU München 62 Natascha Brand Markt und Innovationen I 64 BioWin!- & Smart Grinder- und „MIMI“-Kurse der Future Dental Academy 64 Lichthärtender Gingivaschutz bei Durchführung Neuerscheinung zur IDS: Praktisches Nahtbuch 64 eines In-Office-Bleachings Bericht Seite 46 Reise und Kultur I 65 Frauenpower im Mittelalter – Zahnstein weist auf Beruf einer Nonne hin 65 Ilka Helemann Termine/Amtliche Mitteilungen I 66 eazf Tipp und Fortbildungen 66 Betriebswirtschaftliches Curriculum / Veranstaltungskalender 69 Aufstiegsfortbildungen und Weiterqualifizierungen für Praxispersonal 70 Niederlassungsseminare 2019 / Praxisübergabeseminare 2019 72 Vorläufige Prüfungstermine für Aufstiegsfortbildungen 2019/2020 73 Ästhetische Einprobe des Keramikveneers an Ungültigkeit von Zahnarztausweisen 73 Zahn 21 mit Try-in-Paste Beitragsordnung der Bayerischen Landeszahnärztekammer 74 Bericht Seite 52 Satzung zur Änderung der Entschädigungsregelung der BLZK 75 Satzung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) 76 Titelbild: Mona Shaghayegh Khoshmehr, Göttingen Aufwandsentschädigungsordnung Ia der KZVB 77 Reisekostenordnung (RKO) Ia der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns 78 Das BZB 4/2019 mit dem Schwer- punkt Funktion/Prothetik erscheint Rubrikanzeigen 80 am 15. April 2019. Impressum 82
6 | BZB März 19 | Politik BLZK Gründlich vorbereiten, um Fehler zu vermeiden Niederlassung: Erfahrungen aus erster Hand Die Bayerische Landeszahnärztekammer bie- tet einen Ser vice an, der im Kammerbereich in Deutschland einzigartig ist: Die BLZK-Mitarbei- terin Kristine Gulde besucht neu niedergelassene Zahnärzte in ganz Bayern. Bei ihren Vor-Ort-Ter- minen informiert sie über die Ser viceangebote von Kammer und eazf. Im Inter view mit dem BZB spricht sie darüber, was Zahnärzte über Er fahrungen bei der Niederlassung berichtet haben. Stephan Grüner, als Kaufmännischer Ge- schäftsführer der BLZK auch für die Existenzgrün- derberatung zuständig, ergänzt diese mit seinen Fotos: BLZK Erkenntnissen aus individuellen Beratungen und den Niederlassungsseminaren für Praxisgründer, die die eazf in Kooperation mit den zahnärztli- Kristine Gulde informiert neu niedergelassene Zahnärzte in Bayern chen Körperschaften BLZK und KZVB anbietet. über die Serviceangebote von BLZK und eazf. BZB: Frau Gulde, Sie informieren vor Ort über die scheidung als positiv bewerteten. Nur sehr wenige Angebote von BLZK und eazf. Sie haben dabei gezielt sahen den eingeschlagenen Weg eher negativ. Zahnärzte etwa ein Jahr nach der Niederlassung ein zweites Mal besucht. Warum? BZB: Wurde Ihnen auch darüber berichtet, was man Gulde: Wir wollten mehr über die persönlichen Er- – im Nachhinein betrachtet – hätte besser machen fahrungen bei der Niederlassung wissen. Im Rück- können? blick zeigt sich doch am besten, wo die meisten Gulde: Eigentlich müsste es selbstverständlich sein: Probleme aufgetaucht sind. Das Wissen darüber Es ist ganz wichtig, sich sehr gut und umfassend kann Zahnärzten, die sich aktuell niederlassen auf die Niederlassung vorzubereiten. Das wurde wollen, sicher helfen. immer wieder hervorgehoben. Man sollte zunächst selbst abschätzen, ob man sich der großen Aufgabe, BZB: Über die Erfahrungen aus wie vielen Praxen spre- allein eine Praxis zu gründen, gewachsen fühlt. chen wir denn? „Wenn man kein ‚Unternehmertyp‘ ist, sollte man Gulde: Ein zweites Mal gesprochen habe ich knapp sich nicht niederlassen“, so brachte es ein Zahnarzt 70 Zahnärzte. Sie hatten überwiegend Einzelpraxen auf den Punkt. Allerdings spielen Praxisstandort in Städten übernommen. Bei den neu gegründeten und Praxisgröße auch eine große Rolle. Auf keinen Praxen waren mehr Praxen auf dem Land als in Fall sollte die Praxis zu klein geplant werden, um Städten. Berufsausübungsgemeinschaften mach- spätere Wachstumspotenziale nutzen zu können. ten etwa ein Drittel aus, allerdings waren weit über die Hälfte in eine Berufsausübungsgemeinschaft BZB: Welche Rolle spielt im Rückblick eine Beratung bei in einer Stadt eingestiegen. Die von mir besuchten dem Schritt in die Selbstständigkeit? Zahnärzte haben im Durchschnitt etwa sieben Jahre Gulde: Gute und umfassende Beratung lohnt sich. angestellt gearbeitet. Das wurde immer wieder betont. Allerdings war auch immer wieder zu hören, dass man sich vor BZB: Und wie bewerteten die Zahnärzte ihre Entschei- allem zunächst selbst umfassend mit Bereichen dung für die Selbstständigkeit im Rückblick? wie Teamführung, Praxismanagement und Ab- Gulde: Hier konnte ich feststellen, dass die meisten rechnung vertraut machen muss. Auch anfängliche voll oder mit wenigen Einschränkungen ihre Ent- Schwierigkeiten in puncto Qualitätsmanagement
Politik | BZB März 19 | 7 BLZK wurden mehrfach erwähnt. Die Wahl des richtigen Steuerberaters wurde von einigen offenbar zunächst unterschätzt. Im Rückblick wurde auch mehrfach bedauert, nicht mit mehr Kollegen, die sich neu niedergelassen haben, gesprochen zu haben. BZB: Herr Grüner, die Kammer bietet spezielle Kurse zur Praxisgründung an. Es gibt auch das Existenzgründer- und Beratungszentrum mit individueller Beratung für die Niederlassung. Inwieweit decken sich die Erkennt- nisse aus Ihrer Arbeit mit den Erfahrungen, die Frau Gulde schildert? Grüner: In den individuellen Beratungsgesprächen bestätigen sich die Eindrücke von Frau Gulde. Die Existenzgründer sind dankbar für Tipps und Hin- weise, die sie aus den oft zwei- bis dreistündigen Trafen sich zu einem Interview für das BZB: Isolde M. Th. Kohl, Leiterin des Beratungsgesprächen mitnehmen können. Viele Geschäftsbereichs Kommunikation der BLZK, und Dipl.-Volkswirt Stephan fühlen sich von der Vielzahl der naturgemäß mit Grüner, Kaufmännischer Geschäftsführer der BLZK Verkaufsinteressen verbundenen Seminare und Beratungen zum Beispiel von Banken oder Dental- bindung beiträgt. Themen und Trainings zur Perso- depots einseitig informiert. Da wird die Unabhän- nalführung sind ebenfalls sehr wichtig. Mangelnde gigkeit der Beratung der BLZK sehr positiv bewertet. Wertschätzung ihrer Arbeit ist ein häufig zu hören- des Argument von Mitarbeitern, wenn es um den BZB: Fachkräftemangel in Zahnarztpraxen – was haben Wechsel oder die Auswahl des Arbeitgebers geht. Sie darüber gehört? Gulde: Das ist ein ganz großes Thema. Insbeson- BZB: Frau Gulde, haben Sie auch über Probleme ge- dere in größeren Städten ist das Finden und Halten sprochen, die sich im Praxisalltag stellen? von gutem Personal ein Riesenproblem. Außerdem Gulde: In den Gesprächen wurde erschreckend sind dort die Gehälter auch sehr hoch. Das muss deutlich, wie sehr die Praxen wirtschaftlich um unbedingt mit einkalkuliert werden, wenn die Pra- ihre Existenz ringen müssen und wie groß die Be- xis gut laufen soll. Im Nachhinein hat sich für den lastungen durch die Bürokratie beziehungsweise einen oder anderen Praxisinhaber auch gezeigt, Verwaltung in den Praxen sind. Auch wenn man dass man die Teams bei einer Übernahme vorher schon länger eine Praxis führt, sind Betriebswirt- möglichst gut kennenlernen sollte. Denn wenn schaft und Marketing keine Bereiche, die sich „so das Team sich nicht mit dem neuen Praxiskonzept nebenher“ machen lassen. identifizieren kann, dann gibt es schnell Probleme. Die bestehenden Arbeitsverträge von zu überneh- BZB: Welche Angebote gibt es denn bei Kammer oder mendem Personal sollte man auf jeden Fall auch eazf, um die Zahnärzte in diesen Bereichen zu unter- genau anschauen. Aus der Erfahrung wurde auch stützen und zu entlasten? berichtet, dass es vorteilhaft gewesen wäre, vorher Grüner: Da ist zuallererst die schon angesprochene schon mal in der Praxis mitzuarbeiten. Möglichkeit einer kostenfreien individuellen Bera- tung über das Existenzgründer- und Beratungszen- BZB: Mitarbeiterbindung und Teambuilding sind trum der BLZK. Dieses richtet sich übrigens nicht Schwerpunkte in den von Kammer und eazf angebo- nur an Existenzgründer. Viele Gespräche führe ich tenen Fortbildungen. Was sind für Sie in diesen Be- auch mit Praxisabgebern oder Zahnärztinnen und reichen die „Big Points“? Zahnärzten, die mit der wirtschaftlichen Entwick- Grüner: Zentrales Thema ist natürlich die Arbeits- lung ihrer Praxis nicht so zufrieden sind und des- marktsituation. Es fehlt an qualifizierten Mitarbei- halb Rat suchen. Je nach Bedarf können wir über terinnen und Mitarbeitern. In den Seminaren und die eazf Consult Zahnarztpraxen zum Beispiel bei Beratungen geht es um flexible Personalkonzepte in der Einführung von QM, Arbeitssicherheitsprozes- den Praxen. Dazu gehört auch eine systematische sen und Hygienemanagement unterstützen. Wir Personalentwicklung, die wesentlich zur Mitarbeiter- bieten über die BLZK eine kostenfreie Analyse des
8 | BZB März 19 | Politik BLZK Existenzgründung leicht gemacht Die Bayerische Landeszahnärztekammer Qualifizierung ist eine effiziente und und ihre Tochtergesellschaft eazf unter- Curriculum umfassende Vermittlung von Kenntnis- Betriebswirtschaft stützen Zahnärzte in unternehmeri- sen für die freiberufliche und unterneh- schen Fragen. Neben dem Internetpor- 2019 Assistenten merische Tätigkeit als Zahnarzt. Diese Existenzgründer tal www.blzk-compact.de gibt es eine Niedergelassene von BLZK und KZVB empfohlene Quali- Zahnärzte kostenfreie Beratung für Existenzgrün- Praxisgründung fizierung richtet sich an Assistenten so- Zulassungsverfahren der. Bei den etwa zweistündigen Ge- Praxisformen Arbeitsrecht Finanzierung Steuern wie an angestellte und niedergelassene sprächsterminen werden deren Fragen Businessplan Kostenmanagement BWL Ausbildung Zahnärzte. Die Aufteilung in individuell Arbeitssicherheit systematisch und individuell bespro- Marketing QM Personalführung Patientenrechte wählbare Bausteinseminare zu unter- Vertragsgestaltung chen und weiterführender Beratungs- Abrechnung nehmerischen, betriebswirtschaftlichen, Abbildung: eazf Haftung bedarf festgestellt. Gegenstand der rechtlichen und steuerlichen Themen Beratung sind auch die Praxisplanung ermöglicht ohne Zeitdruck die ausführ- (Räume, Ausstattung, Technik) sowie liche Behandlung des gesamten Spek- die Erarbeitung eines Zeitplans für die Existenzgründung. tenzgründung trums von der Pra Praxisgründung über die Niederlassung bis Kontakt und Terminvereinbarung: zur Praxisführung. Die wichtigsten Themen für Assistenten Existenzgründer- und Beratungszentrum der BLZK und Praxisgründer aus dem „Curriculum Betriebswirt- Dipl.-Volkswirt Stephan Grüner schaft“ werden bei jeweils eintägigen Niederlassungssemi- Telefon: 089 230211-410, Fax: 089 230211-488 naren von BLZK und KZVB in München, Nürnberg, Regens- E-Mail: sgruener@blzk.de burg und Würzburg vorgestellt. Curriculum Betriebswirtschaft Professionelle Praxisberatung Um Zahnärzte gezielt auf unternehmerische Herausforde- Über das Netzwerk der Tochtergesellschaft eazf Consult rungen vorzubereiten, bieten die beiden zahnärztlichen steht zudem eine Auswahl kompetenter, auf Heilberufe spe- Körperschaften über die eazf das „Curriculum Betriebs- zialisierter Praxisberater zu betriebswirtschaftlichen, steuer- wirtschaft“ an, das eigens für die Anforderungen des lichen und rechtlichen Themen zur Verfügung. Unternehmens Zahnarztpraxis konzipiert wurde. Ziel der Redaktion Versicherungsschutzes an und verfügen über ein BZB: Zu den Angeboten der Kammer und der eazf: Was heilberuflich spezialisiertes Netzwerk von Fach- nutzen die Zahnärzte, mit denen Sie gesprochen haben, leuten zu rechtlichen und steuerlichen Themen. außerdem? Natürlich gibt es auch in den Körperschaften eine Gulde: Das BZB wird gerne gelesen. Jetzt haben Vielzahl kompetenter Ansprechpartner zu Einzel- wir auch noch BZBplus, das sich noch mehr mit fragen, auf die ich im Rahmen von Beratungen Praxisthemen beschäftigt. Wer diese beiden Pub- verweisen kann. Hervorzuheben ist hier insbeson- likationen liest, ist immer auf dem neuesten Stand. dere die gute Zusammenarbeit mit der KZVB. Das betone ich bei jedem Praxisbesuch! Unsere Onlineangebote wie blzk.de und blzk-compact.de BZB: Die BLZK bietet mit QM Online ein eigenes mit Informationen rund um die zahnärztliche QM-System. Sie informieren bei Ihren Praxisbesuchen Berufsausübung sind ebenfalls hilfreich. Für das darüber. Wie ist das Feedback hierzu? Gespräch mit Patienten werden unsere Broschü- Gulde: Ich kann das schnell zusammenfassen: ren und die Website zahn.de gerne genutzt. Zum Wenn man weiß, wie es geht, ist das QM-System Bayerischen Zahnärztetag und den Angeboten der der Kammer ganz einfach. Das wird mir von vielen eazf habe ich viele positive Rückmeldungen be- Zahnärzten bestätigt. Über solche Rückmeldungen kommen. Und am meisten freut mich persönlich, können wir uns alle freuen. Unsere Referate Praxis- dass ich bei meinen Besuchen vor Ort den Ange- führung und Qualitätsmanagement machen einen boten von Kammer und eazf noch mehr Aufmerk- tollen Job. Zusammen mit der von Herrn Grüner samkeit verschaffen kann. angesprochenen unterstützenden Dienstleistung der eazf Consult ist der bürokratische Aufwand BZB: Vielen Dank für das Gespräch. gering. Das QM trägt so positiv zu einer erfolg- reichen Praxisentwicklung bei. Das Interview führte Isolde M. Th. Kohl.
Politik | BZB März 19 | 9 KZVB Approbationsordnung: Bayern macht Druck BZÄK und KZBV verabschieden gemeinsame Resolution Die Bayerische Landeszahnärztekammer und Betreuungsrelation vorgesehen. Für die neue Aus- die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns bildungsverordnung macht sich seit Jahren auch unterstützen die Initiative einiger Bundeslän- der Dekan der Medizinischen Fakultät an der der, die „Hängepar tie“ bei der Diskussion über Ludwig-Maximilians-Universität München, Prof. eine neue Approbationsordnung für Zahnärzte Dr. Reinhard Hickel, stark. In einer Vielzahl von (ZApprO) zu beenden und eine zeitgemäße, Gesprächen hat er versucht, die Politik von der der Weiterentwicklung im Fachgebiet Zahn- Notwendigkeit einer Anpassung der Lernziele und medizin entsprechende Ausbildungsverordnung -inhalte zu überzeugen, was ihm zumindest mit zu verabschieden. Blick auf das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auch gelungen war. Mitte Februar legte BLZK-Präsident Christian Ber- ger auf Bundesebene eine entsprechende Reso- Dank an das Ministerium lution vor, die sowohl vom Vorstand der Bundes- Leider fand der zustimmungspflichtige Verord- zahnärztekammer (BZÄK) als auch vom Beirat der nungsentwurf dann aber keine Mehrheit im Bun- Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), desrat. Insbesondere die Verbesserung der Betreu- in dem alle Länder-KZVen vertreten sind, einstim- ungsrelation und die damit verbundenen Kosten für mig verabschiedet wurde. Damit ziehen nun alle die Bundesländer waren dafür ausschlaggebend. Akteure an einem Strang. Der Versuch der Bayerischen Staatsregierung, das Die jetzige Approbationsordnung stammt aus dem Thema im vergangenen Jahr erneut auf die Tages- Jahr 1955. Bereits im Jahr 2010 hatte das Bundes- ordnung des Bundesrates zu setzen, war ebenso ministerium für Gesundheit „Eckpunkte für eine erfolglos. Dies veranlasste den neuen Bundes- Novellierung der Approbationsordnung für Zahn- minister für Gesundheit, Jens Spahn (CDU), dazu, ärzte“ vorgelegt, die von der Ständigen Konferenz im Rahmen einer aktuellen Gesetzesinitiative vor- der Kultusminister der Länder (KMK) noch im sel- zuschlagen, dass die Approbationsordnung künftig ben Jahr zur Kenntnis genommen wurden. Ziel der auch ohne Beteiligung der Bundesländer vom BMG neuen Approbationsordnung sollte danach nicht nur erlassen werden kann. die Einführung moderner Ausbildungs- und Prü- „Wir sind sehr dankbar, dass unser Bayerisches fungsformen sein, sondern auch eine Neugewich- Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sich tung der Ausbildungsinhalte, die der fachlichen damit nicht zufriedengibt und das Thema erneut Weiterentwicklung der Zahnmedizin zu Prävention, anschiebt,“ sagt Christian Berger. Ziel müsse es Zahnerhaltung und Erhaltung oraler Strukturen sein, das Studium der Zahnmedizin an die Weiter- Rechnung trägt und dabei auch die Entwicklung entwicklungen des Fachgebiets anzupassen und bei neuer Behandlungstechniken und -formen bein- den Ausbildungsinhalten neuen Behandlungstech- haltet. Ausdrücklich betonten diese „Eckpunkte“ niken und -formen Rechnung zu tragen. In der von auch die Notwendigkeit der Beibehaltung zahn- den bayerischen Zahnärzten vorgelegten Resolu- technischer Inhalte im Studium der Zahnmedizin. tion für eine neue Approbationsordnung heißt es hierzu: „Eine hohe Qualität in der zahnärztlichen Bessere Betreuungsrelation Versorgung hängt unmittelbar auch von der Quali- Der Entwurf der Bundesregierung für eine „Ver- tät der zahnmedizinischen Ausbildung ab. Qualität ordnung zur Neuregelung der zahnärztlichen gibt es nicht zum Nulltarif. Wir appellieren an die Ausbildung“ aus dem Jahr 2016 konkretisierte die Bundesländer, die Betreuungsrelation insbeson- Lerninhalte der künftigen Ausbildung von Zahn- dere bei der Ausbildung am Patienten deutlich zu medizinern und wollte den vorklinischen Stu- verbessern.“ dienabschnitt dem Studiengang in der Medizin Peter Knüpper angleichen. Außerdem war eine Verbesserung der Geschäftsführer der KZVB
10 | BZB März 19 | Politik KZVB „Wir halten an der Medizinfakultät in Passau fest“ Dr. Wolfgang Heubisch über seine Arbeit im Bayerischen Landtag Bis zuletzt mussten die Liberalen am Wahlabend im Oktober 2018 zittern. Erst kurz nach Mitter- nacht stand fest, dass sie nach einer fünfjähri- gen Auszeit mit 5,1 Prozent den Wiedereinzug in den Bayerischen Landtag geschafft haben. Zu verdanken haben sie das auch Dr. Wolfgang Heubisch, der in seinem Stimmkreis München- Schwabing 13,0 Prozent der Erststimmen und damit das beste Direktergebnis für die FDP in Bayern erzielte. Wir sprachen mit dem Zahnarzt und langjährigen Standespolitiker über seine Ziele in der laufenden Legislaturperiode. BZB: Es ist kein Geheimnis, dass Sie über 70 sind. Trotz- dem haben Sie noch einmal für den Landtag kandi- diert. Was hat Sie dazu motiviert? Foto: privat Heubisch: Der Hauptgrund ist, dass ich Gott sei Dank topfit bin und mich nicht wie ein Rentner fühle. Als ich 2009 zum ersten Mal in den Land- Der langjährige Standespolitiker Dr. Wolfgang Heubisch ist seit tag gewählt wurde, war ich kurz darauf Wissen- November 2018 Vizepräsident des Bayerischen Landtags. schaftsminister in der damaligen schwarz-gelben Koalition. Es freut mich bis heute, was wir damals BZB: Anders als 2009 sind Sie nun in der Opposition. alles voranbringen konnten. Ich nenne nur die Ist das frustrierend? Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs und Heubisch: Auf keinen Fall. Eine starke Opposition den weiteren Ausbau der Hochschullandschaft. ist existenziell für eine funktionierende Demokra- Ich habe nicht damit gerechnet, noch einmal am tie. Und wir Liberalen sind ja die einzige bürgerli- Kabinettstisch zu sitzen. Aber ich wollte meinen che Oppositionspartei. Die Grünen halte ich nach Beitrag dazu leisten, dass die FDP den Wieder- wie vor für eine Partei, die gerade in Bayern nicht einzug in den Landtag schafft und das Wahlergeb- für Realpolitik steht und zur AfD möchte ich mich nis zeigt, dass mir das gelungen ist. eigentlich gar nicht äußern. Hinzu kommt, dass ich einer der fünf Landtagsvizepräsidenten bin, BZB: Inwieweit hat sich Ihre standespolitische Erfahrung und da hat man durchaus Einfluss auf die Politik positiv auf die politische Arbeit im Landtag ausgewirkt? im Freistaat. Heubisch: Ohne die Zeit in der zahnärztlichen Standespolitik hätte ich mir weder die Landtags- BZB: Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen? kandidatur noch den Posten im Kabinett Seehofer Heubisch: Wie bereits ausgeführt, will ich die zugetraut. Die Mechanismen in politischen Pro- Interessen der Freiberufler, des Mittelstands, der zessen sind immer die gleichen: Man muss über- Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kultur in zeugend argumentieren, Mehrheiten hinter sich besonderer Weise vertreten. Die FDP hat, bezogen vereinen und Entscheidungen auch durchsetzen. auf die Zahl ihrer Abgeordneten, die meisten Frei- Das habe ich in der Standespolitik gelernt. Auch berufler in ihren Reihen. Wir stellen mit Dr. Do- die breiten Netzwerke, die ich mir als Vertreter der minik Spitzer auch den einzigen Arzt im Gesund- Zahnärzteschaft in Bayern aufgebaut habe, waren heitsausschuss. Nur die Freien Wähler haben mit hilfreich. Ich sehe mich damals wie heute als An- dem Zahnarzt Prof. Dr. Peter Bauer einen weiteren walt der Freien Berufe im Maximilianeum. Mediziner in diesem wichtigen Gremium. Ich habe
Politik | BZB März 19 | 11 KZVB meine Zweifel, ob die Koalition aus CSU und Freien Wählern Bayern fit für die Zukunft machen wird. Bisher sehe ich hier viel zu viel Klein-Klein und keinen echten Innovationsschub. Und das in einer Zeit, in der die Globalisierung und die Digitalisie- rung unseren Wohlstand ernsthaft gefährden. BZB: Können Sie konkrete Beispiele dafür nennen, was die FDP anders machen würde als die jetzige Staats- regierung? Heubisch: Mit unserem ersten Vorstoß sind wir ja leider schon gescheitert. Wir wollten im Wissen- schaftsausschuss durchsetzen, dass eine Experten- kommission für die Gründung einer medizinischen Foto: Universität Passau Fakultät an der Universität Passau eingerichtet wird. Das lehnten CSU und FW aus Kostengrün- den ab. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Medizinerausbildung in Ostbayern ein wich- Heubisch setzt sich für die Gründung einer medizinischen Fakultät an der tiger Beitrag im Kampf gegen den Landarztman- Universität Passau ein. Dies sei auch ein Beitrag im Kampf gegen den Land- gel gewesen wäre. Soweit ich weiß, suchen auch arztmangel. viele Zahnärzte in dieser Region erfolglos einen Nachfolger für ihre Praxen. Sind die jungen Leute zu investieren, ist ein Alarmsignal. Auch bei der erst einmal zum Studium in der Großstadt, ist es Exzellenzinitiative sind andere Bundesländer an schwer, sie für die Niederlassung in der Heimat uns vorbeigezogen. Unter den 19 Hochschulen, zu begeistern, weil sich ja auch das soziale Um- die 2019 Exzellenzuniversitäten werden können, feld verlagert. Leidtragende dieser Entscheidung sind mit der LMU und der TU München lediglich sind die Patienten in Ostbayern, wo schon heute zwei bayerische Universitäten. Das deutlich klei- vielerorts ein Haus- und Facharztmangel herrscht. nere Baden-Württemberg bringt es dagegen auf Diese Situation wird sich in den kommenden Jah- sechs potenzielle Eliteuniversitäten. Im Start-up- ren weiter verschärfen. Damit wird die Regierungs- Ranking sind wir auf Platz 4 zurückgefallen. Auf koalition ihrem eigenen Anspruch, für ein bürger- Platz 1 steht Nordrhein-Westfalen. nahes Bayern zu arbeiten, nicht gerecht. Die Ent- scheidung widerspricht auch der Forderung nach BZB: Sie wollten sich nicht zur AfD äußern. Dennoch einheitlichen Lebensverhältnissen im Freistaat. die Frage: Wie hat sich das Klima im Landtag durch Finanzielle Argumente lasse ich nicht gelten, wenn deren Einzug verändert? Geld für ein Dorfwirtshausprogramm und eine Heubisch: Ich habe den Eindruck, dass parlamen- bayerische Reiterstaffel da ist. Wir werden nicht tarische Arbeit nicht zu den Stärken dieser Partei lockerlassen. gehört. Bislang fällt die AfD-Fraktion vor allem Ein weiteres Beispiel ist die dritte Startbahn am durch Provokation und lautstarke Zwischenrufe Münchner Flughafen, die wir Liberalen für un- auf. Am Holocaust-Gedenktag kam es zu einem bedingt erforderlich halten. Die Entscheidung Eklat, über den die Medien ja ausführlich berich- darüber wurde von Söder und Aiwanger auf un- teten. Das Landtagspräsidium ist in besonderer bestimmte Zeit vertagt, obwohl gerade die nie- Weise gefordert, damit unsere Debattenkultur er- derbayerische Region davon mit am meisten pro- halten bleibt. Verbale Entgleisungen, Rassismus fitiert hätte. In den Großstädten brauchen wir eine und Fremdenfeindlichkeit werden wir im Parla- Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes. Man ment nicht dulden. Ich hoffe sehr, dass diese popu- kann in München zwar bis 22 Uhr zum Zahnarzt listische Bewegung ihren Zenit überschritten hat, gehen, aber keine Semmeln kaufen. Das geht an und dass alle Demokraten gemeinsam den Dema- der Lebenswirklichkeit vorbei. gogen klare Grenzen aufzeigen. Als überzeugter Generell warne ich vor einer Provinzialisierung Liberaler ist mir das ein Herzensanliegen. Bayerns. Die Entscheidung von Siemens, 600 Mil- lionen Euro für einen Zukunftscampus in Berlin BZB: Vielen Dank für das Gespräch!
12 | BZB März 19 | Politik BLZK Die Säulen der Kammer Ein Kommentar von Sven Tschoepe Eine Kurve in der Mathematik ist schen aber auch auf Bundesebene laut Wikipedia ein eindimensiona- korrigiert worden ist. Ergänzend les Objekt, auf dem man sich nur in muss der Berufsstand darauf drin- eine Richtung bewegen kann. Zwei gen, eine effektive berufsrechtliche besonders steil ansteigende Kurven Kontrolle über Z-MVZ zu erlangen, beschäftigen seit geraumer Zeit die die die Trägergesellschaften mit zahnärztliche Selbstverwaltung. einschließt. Hier sind die Gesetzge- Sie dokumentieren, wie rasant die ber auf Bundes- und Länderebene Zahl der zahnärztlichen Medizini- gefordert. schen Versorgungszentren (Z-MVZ) in den vergangenen Jahren zuge- Zwei Seiten einer Medaille Foto: BLZK nommen hat – und mit ihnen die Eine weitere Säule der Kammer Zahl angestellter Zahnärzte. fußt auf der Erkenntnis, dass die Niederlassung nicht für jeden an- Dreistellige Zuwachsraten gehenden Zahnarzt der allein glücklich machende Während sich Z-MVZ in Bayern vor drei Jahren Weg ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass noch an einer Hand abzählen ließen, rechnen junge Zahnärzte dauerhaft angestellt sein möch- heute 146 Versorgungszentren bei der KZVB ab. ten. So attraktiv scheinen die Arbeitsbedingun- Lediglich sechs davon sind in Planungsberei- gen an den „zahnmedizinischen Fließbändern“ chen mit einem Versorgungsgrad von weniger als wohl doch nicht zu sein. Vielmehr zeigen die Er- 100 Prozent angesiedelt. Bundesweit erhöht sich fahrungen, dass viele Zahnärzte mit den heute der Anteil von Z-MVZ seit 2016 um dreistellige Zu- notwendigen konzeptionellen und betriebswirt- wachsraten pro Quartal. Da Bayern die Statistik schaftlichen Anforderungen einer Praxisgrün- anführt, verwundert es nicht, dass inzwischen ein dung zunächst einmal überfordert sind. Ihnen Drittel der im Freistaat tätigen Zahnärzte in einem will die Berufsvertretung helfen, das zahnärzt- Anstellungsverhältnis steht. liche Entwicklungspotenzial voll auszuschöpfen. Bei seiner letzten Sitzung setzte sich der Vorstand Gleichzeitig werden wir verdeutlichen, dass sich der Bayerischen Landeszahnärztekammer intensiv Freiberuflichkeit und Angestelltendasein keines- mit dieser Thematik und den Auswirkungen auf wegs ausschließen, sondern nur zwei Seiten einer die Kammerarbeit auseinander. Angemerkt sei Medaille sind. an dieser Stelle: Die beiden zuvor beschriebenen Intensiver denn je möchten wir uns um diejeni- Kurven und die Lernkurve der Vorstandsmitglie- gen kümmern, die bereit sind, unternehmerische der lassen sich durchaus zur Deckung bringen. Verantwortung zu übernehmen. Dazu werden das Vereinbart wurde eine auf mehreren Säulen be- Existenzgründer- und Beratungszentrum der BLZK ruhende Strategie. und die Dienstleistungen rund um die Gründung und Abgabe von Zahnarztpraxen neu ausgerich- Korrekturen auf Bundesebene tet. Denn, wie sagte der Schauspieler Ulrich Tukur Unter der Maßgabe „Gleiche Wettbewerbsbedin- in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ auf gungen für alle“ müssen die Regularien für nie- die Frage, warum er beabsichtige, seinen Wohn- dergelassene Zahnärzte und Z-MVZ vereinheitlicht ort Venedig zugunsten von Hamburg oder Berlin werden. Denn die Mehrzahl der Z-MVZ ist inha- aufzugeben: „Irgendwann ist aber jedes Stück ab- bergeführt. Sie sind entstanden, weil die Möglich- gespielt. Das Leben lebt davon, dass Sie Haken keiten der Anstellung von Vorbereitungs- und Ent- schlagen.“ lastungsassistenten für Einzelpraxen beschränkt Sven Tschoepe waren. Ein Umstand, der zuerst in Bayern, inzwi- Hauptgeschäftsführer der BLZK
Politik | BZB März 19 | 13 BLZK Patientenwohl im Auge behalten Digitalisierung birgt Chancen, aber auch Risiken Gesundheits-Apps liegen gerade bei jüngeren Ein positives Beispiel ist für Engel das gemeinsam Menschen voll im Trend. Die Bundeszahnärzte- von der Bundeszahnärztekammer und der Kassen- kammer beobachtet die rasante Verbreitung mit zahnärztlichen Bundesvereinigung betriebene Be- Sorge – und mahnt zu einem verantwor tungs- richts- und Lernsystem „CIRS dent – Jeder Zahn vollen Umgang mit Gesundheitsdaten. zählt!“. Seit 2016 haben Zahnärzte auf der Online- Plattform www.cirsdent-jzz.de die Möglichkeit, Bei der Auftaktveranstaltung zur Internationalen sich mit Kollegen über unerwünschte Ereignisse Dental-Schau (IDS) erneuerte der Präsident der aus dem Praxisalltag auszutauschen – anonym und Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel, seine geschützt vor Fremdzugriffen. Bedenken gegen „Big Data“ im Gesundheitswesen. „Es kann nicht sein, dass Versicherungsunterneh- Zahnheilkundegesetz nicht unterlaufen men und Krankenkassen die Daten der Patienten In einzelnen Bereichen der Zahnmedizin, so der nutzen, um ihnen Behandlungsangebote vorzu- Präsident der Bundeszahnärztekammer weiter, schlagen. Es ist Sache des Patienten, sich in Ab- sei die Digitalisierung allerdings auch mit nega- sprache mit seinem Arzt oder Zahnarzt für eine tiven Entwicklungen verbunden. Engel nannte in medizinisch indizierte Behandlung zu entscheiden. diesem Zusammenhang das Angebot verschiede- Das obliegt nicht den Algorithmen einer Kranken- ner Dentaldepots, Zahnmedizinische Fachange- kassen-App“, zitierte das Online-Portal „zm online“ stellte in eineinhalbtägigen CAD/CAM-Kursen den Chef der Bundesorganisation. vermeintlich für zahnärztliche Leistungen wie die Konstruktion und Individualisierung von Zahn- Herr über die eigenen Daten bleiben ersatz zu qualifizieren. Dies sei ein klarer Wider- Engel ließ keinen Zweifel daran, dass die Bundes- spruch zu den Bestimmungen des Zahnheilkunde- zahnärztekammer großen Wert auf den Erhalt gesetzes. der Patientensouveränität legt. Bei der Verarbei- Thomas A. Seehuber tung der gewaltigen Menge an immer noch unstrukturierten Gesundheitsdaten komme es vor allem darauf an, die Da- tenhoheit der Patienten und damit auch der Zahnärzte zu wahren: „Diese Aufgabe hat für uns oberste Priorität“, sagte er bei der Pressekonferenz zur IDS 2019. Grundsätzlich könn- ten die deutschen Zahnärzte der Digitalisierung gelassen Fotos: Rido/stock.adobe.com und BZÄK/axentis.de entgegensehen, weil sie – wie beim 3-D-Druck oder bei digi- talen Therapieformen – längst zum Tagesgeschäft in Zahn- arztpraxen gehöre. Digitale Innovationen dürften jedoch Trotz digitaler Möglichkeiten sollten sich Patienten auch weiterhin kein Selbstzweck sein, sondern in Absprache mit ihrem Zahnarzt für eine zahnmedizinisch indizierte müssten in erster Linie dem Behandlung entscheiden. Diese Position vertritt der Präsident der Patientenwohl dienen. Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel (kleines Foto).
14 | BZB März 19 | Politik KZVB Bayern ist bestens versorgt Christian Berger sieht keinen Bedarf für einen Zahnarztbus Die Meldung, dass die Zahnarztkette „Zahneins“ längst auch durch harte Zahlen untermauert. Laut in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung befan- einen „Zahnarztbus“ nach Südbayern schicken den sich Ende September 2018 rund 81 Prozent der will, sorgte bei der KZVB für Kopfschütteln. „Bay- Z-MVZ in städtischen Gebieten. Die 19 Prozent im ern ist zahnmedizinisch bestens versorgt. Insbe- ländlichen Raum sind größtenteils nicht fremd- sondere die Aussage, dass der Raum Südbayern kapitalgesteuerte Z-MVZ, sondern in zahnärztli- ein mögliches Einsatzgebiet wäre, ist für uns chem Besitz. Hier schließen sich niedergelassene nicht nachvollziehbar“, erklärte der KZVB-Vorsit- Kollegen zu größeren Einheiten zusammen, was zende Christian Berger in einer Pressemitteilung. durchaus sinnvoll sein und die Patientenversor- Wir sprachen mit ihm darüber, was hinter dieser gung verbessern kann. Aktion stecken könnte. BZB: Warum stehen die KZVen als Körperschaften den BZB: Was dachten Sie, als Sie von der Idee des Zahn- Z-MVZ ablehnend gegenüber? arztbusses hörten? Berger: Wir haben vom Gesetzgeber den Sicher- Berger: Als ich las, dass Südbayern als mögliches stellungsauftrag übertragen bekommen. Das heißt, Einsatzgebiet genannt wurde, musste ich mich wir sind dafür verantwortlich, dass es überall in wundern. Gerade in dieser Region herrscht mit Bayern ausreichend Zahnärzte gibt. Bislang gelingt Sicherheit keine Unterversorgung. Im Landkreis uns das, wie unsere Zahlen belegen, in vollem Um- Starnberg haben wir einen Versorgungsgrad von fang. Wenn junge Kollegen von fremdkapitalfinan- 139,9 Prozent, in Bad Tölz – Wolfratshausen von zierten Z-MVZ abgeworben werden, sehe ich die 126,0 Prozent und in Rosenheim von 117,8 Prozent. flächendeckende Versorgung gefährdet. Außerdem In Bayern benötigen wir noch mehr aufsuchende ist ein rein renditeorientiertes Unternehmen nicht Betreuung, aber keinen Ausgleich einer angebli- mit meiner Vorstellung einer dem Gemeinwohl ver- chen Unterversorgung. pflichteten, freien Berufsausübung vereinbar. Im Mittelpunkt unseres Handelns steht der Patient, BZB: Wie kommt „Zahneins“ auf die Idee, Südbayern nicht der Gewinn eines Hedgefonds in den Ver- zum unterversorgten Gebiet zu erklären? einigten Arabischen Emiraten. Berger: Das müssen Sie diese Zahnarztkette fra- gen. Ich vermute dahinter aber in erster Linie eine BZB: Zurück zum Zahnarztbus: Gibt es hier auch berufs- PR-Aktion. Sowohl „Zahneins“ als auch die Deut- rechtliche Bedenken? sche Bahn haben zurzeit ein Imageproblem und eine Berger: KZVB und BLZK haben in einer gemeinsa- schlechte Presse. Zudem läuft gerade das Gesetz- men Pressemitteilung klargestellt, dass die zahn- gebungsverfahren für das Terminservice- und Ver- ärztliche Behandlung im Umherziehen ohne festen sorgungsgesetz. Die zahnärztlichen Körperschaften Praxissitz grundsätzlich nicht zulässig ist. Zahn- fordern strengere Regeln für fremdkapitalfinanzierte, medizinische Behandlungen müssen nach den zahnmedizinische Versorgungszentren (Z-MVZ), zu allgemein anerkannten Regeln der Hygiene und denen auch „Zahneins“ gehört. Vielleicht möchte Infektionsprävention durchgeführt werden. Die das Unternehmen davon ablenken, dass Z-MVZ Einhaltung aller Regeln, zum Beispiel auch für chi- vorwiegend in Ballungsgebieten tätig sind. rurgische Eingriffe, ist in einem Bus schwierig. Ich kann mir solche Behandlungen wie in Entwick- BZB: Und dafür braucht es einen Bus für den länd- lungsländern oder Krisengebieten zwar vorstellen, lichen Raum? aber nicht als Regelversorgung zu den bekannten Berger: Offensichtlich! Denn die von uns immer Gebührenziffern. wieder geäußerte Befürchtung, dass sich Z-MVZ vor allem in den Großstädten ausbreiten, wird BZB: Vielen Dank für das Gespräch!
Politik | BZB März 19 | 15 KZVB „Spahn ist kein Fischfutter“ Gastkommentar von Sebastian Horsch Es ist rund ein Jahr her, da war in den Kommen- tarspalten vieler Zeitungen zu lesen, die Kanzle- rin habe ihren neuen Gesundheitsminister nur er- nannt, um ihn den Haien zum Fraß vorzuwerfen. Das klang zunächst ganz plausibel. Denn das Amt, mit dem Angela Merkel (CDU) ihren parteiinternen Kritiker Jens Spahn betraute, gilt traditionell nicht gerade als Karrieresprungbrett. Eher im Gegenteil. Doch dann sollte sich schnell herausstellen, dass Spahn nicht so recht zum Fischfutter taugt. Statt- dessen hat der junge Minister (38) in seinem ersten Jahr schon mehr gesundheitspolitische Instanzen Foto: privat vor den Kopf gestoßen, als es andere in einer ge- samten Amtszeit wagen. Den heftigsten Streit trägt er mit den Ärzten aus. Der Autor ist Politikredakteur beim Münchner Merkur mit dem Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz Schwerpunkt Gesundheit und Soziales. will der Minister niedergelassene Kassenärzte un- ter anderem dazu verpflichten, ihre Sprechstun- für nutzlose Behandlungen zu schützen – scheint denzeiten zu erhöhen – von 20 auf mindestens ihn nicht zu stören. 25 Stunden wöchentlich. Für die Mediziner ist das ein Eingriff in ihre Selbstbestimmung. Sie laufen Konfrontativer Stil Sturm dagegen. Spahn hat politisch noch viel vor. Und um weitere Karrierestufen zu zünden, muss er als erfolgrei- Fettabsaugung auf Kasse cher Gesundheitsminister in Erinnerung bleiben. Doch den Minister scheint Protest wenig zu be- Er weiß, dass es bei den Wählern ankommt, wenn eindrucken. Er regiert mit harter Hand – und er Funktionären und Lobbyisten zeigt, wer das Sa- das auf allen Feldern. Spahn diktiert den Klini- gen hat. Zudem steht er mit seinem konfrontativen ken, wie viele Pflegekräfte sie einsetzen müssen. Stil dauerhaft im Licht der Öffentlichkeit und hat Er verpflichtet die Kassen, neue Pflegestellen zu auch die finanziellen Möglichkeiten, dort Akzente bezahlen und Tariferhöhungen zu refinanzieren. zu setzen. Er muss sich allerdings auch Urteile wie Obendrein sollen sie durch Beitragssenkungen das des einstigen Wirtschaftsweisen Bert Rürup ihre Rücklagen abbauen. Er droht den Apothekern gefallen lassen. Der wirft dem Minister vor, er und lockt sie gleichzeitig mit neuen Verdienstmög- befasse sich vor allem mit publikumswirksamen lichkeiten. Der Selbstverwaltung macht er klar: Randthemen, statt endlich wirklich große Baustel- Wenn sie bei der Digitalisierung trödelt, reißt len wie die Krankenhausfinanzierung anzupacken. das Ministerium das Ruder an sich. Immer wie- Auch in der Pflege hat Spahn zwar auf viele Büsche der zeigt sich: Wer nicht will wie er, den zwingt geklopft, aber noch nicht viel verbessert. Und der der Minister einfach. Selbst als der Gemeinsame Minister hat ein Problem: Er weiß nicht, wie viel Bundesausschuss – immerhin das höchste Gre- Zeit ihm noch bleibt. Die wackelige Koalition mit mium im Gesundheitswesen – Fettabsaugungen der SPD droht zu kippen. Spätestens im Herbst gegen Spahns Willen nicht zur Kassenleistung er- kommt es wohl zum Showdown. Ob er danach noch klären will, droht der damit, solche Dinge künftig Minister ist, ist völlig unklar. 2019 könnte für ihn einfach selbst zu entscheiden. Dass das mitunter somit zum Schicksalsjahr werden. Spahn hat mit träge Verfahren einem durchaus sinnvollen Zweck seiner aggressiven Politik einigen vieles zugemutet. dient – nämlich die Beitragszahler vor den Kosten Er muss nun liefern.
16 | BZB März 19 | Politik BLZK Deutliche Warnung Bundesverfassungsrichter kritisiert Taktik der EU Ab bil du ng Als „Mann klarer Worte“ galt Peter Müller : fo toh schon zu Zeiten, als er noch Ministerpräsident an sel des Saarlands war. Diesen Ruf hat der frühere / sto c k .a CDU-Politiker und heutige Bundesverfassungs- do be .co richter beim Saarländischen Medizinrechtstag m einmal mehr bestätigt – mit einer deutlichen Warnung an freiberuflich tätige Mediziner. Bei der Fortbildungsveranstaltung in Saarbrücken kerte Berufsfreiheit beispielsweise Aspekte wie die rief Müller die Ärzte auf, vor Einschränkungen ih- Organisations-, Wettbewerbs-, Preis- und Therapie- rer Berufsfreiheit durch die Europäische Union auf freiheit. „Die Entscheidung über Diagnose und Be- der Hut zu sein. „Die EU steht der Freiberuflichkeit handlung ist grundsätzlich verfassungsrechtlich ge- außerordentlich skeptisch gegenüber. Hier wer- schützt“, stellte Müller klar. Zwar könne auch die den die Freien Berufe Schritt für Schritt sturmreif Berufsfreiheit eingeschränkt werden. Dafür müss- geschossen“, zitierte die „Ärzte Zeitung“ den Karls- ten aber klare Regeln eingehalten werden. „Jeder ruher Richter. Bisher seien die Ärzte unter den Grundrechtseingriff braucht eine gesetzliche Grund- Freiberuflern noch geschont worden, doch Brüssel lage“, erklärte der Richter am höchsten deutschen setze offenbar auf eine „Salami-Taktik“. „Ich emp- Gericht. Voraussetzungen seien eine ausreichende fehle Ihnen, sehr genau hinzuschauen“, sagte er. Begründung und eine demokratische Legitimation. Verfassungsrechtlicher Schutz Überregulierung im Gesundheitswesen Für Mediziner gebe es gute Gründe, die Freiberuf- Kritisch sieht Müller auch die zunehmende Re- lichkeit zu verteidigen, so Müller weiter. Sie küm- gelungsdichte im Gesundheitswesen: „Wenn ein merten sich um die Gesundheit der Bevölkerung Problem auftaucht, wird sofort nach Regelungen und nähmen daher ein öffentliches Interesse wahr. gerufen. Ich halte das für eine schlimme Fehl- Dies stehe der Gleichstellung mit einem Gewerbe entwicklung.“ entgegen. So beinhalte die im Grundgesetz veran- Thomas A. Seehuber Foto: BZÄK/axentis.de Vor möglichen Kompetenzüber- schreitungen der Europäischen Union warnt der Bundesverfassungsrichter Peter Müller (hier als Festredner beim Deutschen Zahnärztetag 2016).
Politik | BZB März 19 | 17 BLZK Für eine bessere (Mund-)Pflege BLZK berät Ministerium und Pflegeaufsicht Bereits vor der geplanten Gründung der Landes- Mundgesundheit von älteren Senioren mit Pflegebedarf arbeitsgemeinschaft für Pflegebedürftige (LAGP) 83,0 % Quelle: Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie Kariessanierungsgrad intensivier t die Bayerische Landeszahnärzte- 69,2 % 46,5 % kammer ihre Bemühungen, die Mundgesundheit Zahnfleischbluten 64,3 % von älteren und pflegebedür ftigen Menschen völlige Zahnlosigkeit 32,8 % 53,7 % zu verbessern. Der Referent Patienten der BLZK, Kontrollorientierte Inanspruch- 68,2 % Prof. Dr. Christoph Benz, ging dafür auf Vor- nahme zahnärztlicher Dienste 38,8 % tragsreise. Hilfe bei der Mund- 6,7 % hygiene erforderlich 29,8 % Mundgesundheit Mundgesundheit ältere Senioren Bei der jährlichen Besprechung des Bayerischen ältere Senioren mit Pflegebedarf Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege mit Ältere Senioren mit Pflegebedarf (75- bis 100-Jährige) weisen eine schlechtere den Regierungen und Fachstellen für Pflege- und Mundgesundheit auf und benötigen mehr Hilfe bei der Mundhygiene. Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) der Landratsämter und kreis- Ein weiterer Irrtum: Zahnersatz ist nicht per se freien Städte hielt Benz einen Vortrag zum Thema pflegeleicht, mahnte der Referent und wies auf „Zahngesundheit im Alter“. Die FQA beraten und die Probleme älterer Menschen hin, sich an eine prüfen unter anderem vollstationäre Pflegeeinrich- Prothese zu gewöhnen. „Das gelingt nur fitten Se- tungen – auch in puncto Mundhygiene. Das Thema nioren und muss begleitet werden.“ Durch gezielte „Mundhygiene bei Pflegebedürftigkeit“ ist dem Ge- Mundpflege in der Pflege lassen sich nachweislich sundheitsministerium ein wichtiges Anliegen. „Mein Notfallbehandlungen, Schmerzen und Extraktionen Ziel ist es, die Zahn- und Mundhygiene von Pflege- verhindern oder zumindest reduzieren. bedürftigen zu verbessern. Hier sind neue Wege er- Benz riet den Einrichtungen, die Kooperation mit forderlich“, betont Staatsministerin Melanie Huml. Zahnärzten zu suchen. Seit 2013 gibt es eine Be- suchsgebühr für die aufsuchende zahnärztliche Mundhygiene lohnt sich Betreuung. 2018 wurden die Leistungen für Pflege- Die wichtigste Botschaft, die Benz gleich zu Beginn bedürftige ausgeweitet, sodass nun auch Schu- übermittelte, lautete: Auch wenn der Mundhygiene lungen des Pflegepersonals durch einen Zahnarzt im Pflegealltag nicht die oberste Priorität zukommt, möglich sind. Sollte kein Zahnarzt zu finden sein, lohnt es sich, eigene Zähne, aber auch Zahnersatz empfahl der Referent, sich an den zuständigen konsequent zu pflegen. Denn die Mundhöhle ist die Zahnärztlichen Bezirksverband oder das Referat Haupteintrittspforte für Bakterien. Der Referent, der Patienten der BLZK zu wenden. auch Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Schwieriger sieht es aktuell bei Hausbesuchen und ist, warb für eine enge Zusammenarbeit von Pflege- der Schulung von ambulanten Pflegediensten aus. personal und Zahnarzt: „Auf diese Weise lässt sich In dieser Frage bemüht sich die Zahnärzteschaft, die Mundpflege bei Pflegebedürftigen ohne gro- Versorgungsstrukturen aufzubauen. Benz berichtete ßen Aufwand bewerkstelligen und gegebenenfalls von den Bemühungen der beiden zahnärztlichen auftretende zahnmedizinische Probleme können Körperschaften, eine Landesarbeitsgemeinschaft gemeinsam gelöst werden.“ für Pflegebedürftige ins Leben zu rufen. Im letzten Teil gab der Referent Tipps für die Risikofaktor Pflegebedürftigkeit Mundhygiene bei Pflegebedürftigen. Bei Auffällig- In seinem Vortrag räumte Benz mit einigen Irrtü- keiten sollte unbedingt ein Zahnarzt hinzugezogen mern auf. So stellt das Alter selbst keinen Risiko- werden. Benz: „Lieber einmal zu viel als zu spät faktor für Zahnerkrankungen dar. Anders dagegen – oder gar nicht.“ Pflegebedürftigkeit: 82 Prozent der Pflegebedürf- Ulrike Nover tigen leiden an der Volkskrankheit Parodontitis. Leiterin Fachbereich Patienten/Soziales Engagement der BLZK
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