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TUM campus Das Magazin der Technischen Universität München Spezial: Akademiezentrum Raitenhaslach | Seite 6 ERC-Grants für Medizin, Physik und Informatik | Seite 18 Baufortschritt auf dem Campus Garching | Seite 31 3 | 2016
IMPRESSUM TUMcampus Das Magazin der Technischen Universität München für Stu- dierende, Mitarbeiter, Freunde, erscheint im Selbstverlag vier- mal pro Jahr. TUM campus Das Magazin der Technischen Universität München Auflage 9 000 Herausgeber Der Präsident der Technischen Universität München Redaktion Dr. Ulrich Marsch (verantwortlich) Dipl.-Biol., Dipl.-Journ. Sibylle Kettembeil Gabi Sterflinger, M.A. Technische Universität München Corporate Communications Center 80290 München © Astrid Eckert Telefon (089) 289 - 22766 redaktion@zv.tum.de Spezial: Akademiezentrum Raitenhaslach | Seite 6 www.tum.de/tumcampus ERC-Grants für Medizin, Physik und Informatik | Seite 18 Baufortschritt auf dem Campus Garching | Seite 31 3 | 2016 Layout Christine Sturz/TUM Ein großer Moment für das TUM Akademiezentrum Raiten- haslach und die gesamte Universität: Bayerns Ministerpräsi- Herstellung/Druck dent, Horst Seehofer, trägt sich in das Gästebuch der TUM Joh. Walch GmbH & Co, 86179 Augsburg und in das Goldene Buch der Stadt Burghausen ein, unter den Gedruckt auf chlorfreiem Papier interessierten Blicken von (v.l.): Dr. Florian Herrmann, MdL, und seine Frau Renate Herrmann, Burghausens Bürgermeis- © Technische Universität München. Alle Rechte vorbehalten. ter Hans Steindl, Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, Nachdruck, auch auszugsweise, nur in Abstimmung mit der TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Herrmann, Ingrid Heckner, Redaktion. Gezeichnete Beiträge geben die Meinung der Au- MdL, und Dr. Stefan Oster, Bischof von Passau. toren wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bildmaterial wird keine Gewähr übernommen. Das Anfang Juni feierlich eröffnete TUM Akademiezentrum Raitenhaslach in Burghausen ist nicht nur ein Ort der Wis- Zum Sprachgebrauch senschaft; auch kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen Nach Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes sind Frauen und und Konzerte sind geplant. Lesen Sie den ausführlichen Be- Männer gleichberechtigt. Alle Personen- und Funktionsbe- richt über den Festakt mit Pontifikalgottesdienst, Konzert zeichnungen im Magazin TUMcampus beziehen sich in glei- und einem gut besuchten Tag der offenen Tür ab Seite 6. cher Weise auf Frauen und Männer. Redaktionsschluss für Heft 4|16: 29. August 2016 2 TUMcampus 3|16
EDITORIAL Kreativität in der Lehre – viele Fragen und noch mehr Antworten W ie schaffen wir eine bessere Verschränkung von Praxis- erfahrung und Studium in der Lehrerbildung? Ist die traditionelle Sequenz »erst Studium, dann Referendariat« wirk- lich das Nonplusultra? Die TUM School of Education denkt die Lehrerbildung mit dem Master »Berufliche Bildung integriert« neu: Erfahrungen an der Schule werden parallel zur universitä- ren Ausbildung gewonnen. Und sie ist über das an zwei Gym- nasien verankerte TUMKolleg Pionier in der wissenschaftlich fundierten Gestaltung neuer Formate an der Schnittstelle von Schule und Universität. Wie gehen wir mit übergreifenden Themen um, die in unter- schiedlichen Fakultäten jeweils eigene Studienprogramme rechtfertigen? Experten für extrem große Datenmengen sind von der Politik bis zur Medizin, von den Lebenswissenschaf- © Astrid Eckert ten über die Ingenieurdisziplinen bis zu den Wirtschaftswissen- schaften für unsere Gesellschaft von immer größer werdender Bedeutung. Unsere Antwort kann es nicht sein überall dort, wo wichtige Fragestellungen zu »Big Data« aufleuchten, jeweils ei- gene Masterangebote zu konzipieren. Nicht eine Fakultät allein sie überzeugende Botschaften aus und über die TUM in die ist in der Lage, die anstehenden Herausforderungen zu behan- Welt tragen. deln: Sie würde das Themenfeld zwangsläufig verschmälern. Enge Verflechtungen zwischen den Disziplinen und eine gut Und schließlich: Wie erhöhen wir die Studienerfolgsquote? strukturierte, überfakultäre Zusammenarbeit sind gefragt. Über Unsere Eignungsfeststellungsverfahren haben nachweislich die neue Form des Integrative Study Program - ein System von Hervorragendes geleistet und das, ohne die Zahl der Studien- organisatorisch, inhaltlich und strukturell verflochtenen Studi- anfänger abzusenken. Die TUM als Vorreiter ist hier mittlerweile engängen - wird das übergreifende Thema über komplemen- deutschlandweit vielbeachtet. Das Format ist so gut, dass es täre, in den Fakultäten verankerte Profile angesprochen. Eine zur Nachahmung auffordert, und bislang kann sich kein alter- gemeinsame Studienkommission, klare harmonisierte Formate nativer Ansatz zur Erhöhung des Studienerfolgs auch nur annä- und ein gutes Miteinander der Fakultäten sind dafür wichtig. hernd daran messen. Den Startschuss geben die Informatik und die Mathematik, an- dere Fakultäten werden sich einklinken und können mit unter- Unsere TUM beweist Kreativität und denkt auch in der Lehre schiedlich großen Beiträgen mitmachen. - wo immer erforderlich - quer, schräg oder längs zum Her- kömmlichen. Bringen Sie uns weiterhin mit Ihren Ideen voran Wie reagieren wir auf die enorme Heterogenität von Studi- und lassen Sie uns gemeinsam neue Fragen stellen und dazu enbewerberinnen und -bewerbern weltweit für unsere inter- Antworten finden. nationalen Master? Die aktuell in mehreren Fakultäten in der Entwicklung befindlichen internetbasierten Module »MOOCs for Master« haben wir speziell für unsere Masterstudiengänge konzipiert: Sie sollen den angehenden Talenten aus aller Welt neue Hilfestellungen zur individuellen Einschätzung der persön- lichen Eignung und zur Überprüfung des eigenen Interesses für unsere Programme bieten sowie auf ein Studium an der Techni- Gerhard Müller schen Universität München einstimmen. Ganz nebenbei sollen Geschäftsführender Vizepräsident Studium und Lehre TUMcampus 3|16 3
INHALT 6 35 Editorial Baufortschritt auf dem Campus Garching Kreativität in der Lehre – viele Fragen und noch mehr Zentralinstitut für Katalyseforschung eröffnet. . . . . . . . . . 31 Antworten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Gebäude mit Kommunikationskompetenz. . . . . . . . . . . . 32 Grundstein für die neue Mensa in Garching. . . . . . . . . . . 33 Kraftvoller Impuls für die TUM-Biomedizin. . . . . . . . . . . . 34 Spezial TUM Akademiezentrum Raitenhaslach eröffnet. . . . . . . . 6 Hochschule für Politik München startklar. . . . . . . . . . . . . 35 Ehrensenatorwürde für Hans Steindl. . . . . . . . . . . . . . . . . 12 TUM School of Bioengineering nimmt Gestalt an. . . . . . . 37 Tag der offenen Tür im TUM Akademiezentrum TUM begrüßt Programm zu Tenure Track. . . . . . . . . . . . . 38 Raitenhaslach. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Rankings: TUM bleibt ganz vorn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Musik zur Eröffnung des Akademiezentrums. . . . . . . . . . 14 Nationales MINT-Forum 2016. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 CRC Graduate Academy bespielt Raitenhaslach. . . . . . . 15 Markus Schwaiger ist neuer ärztlicher Chef IGSSE Forum in Raitenhaslach. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 des Klinikums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Die TUM hat gewählt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Kuratorium der TUM mit neuer Spitze. . . . . . . . . . . . . . . . 43 Forschen Neues Kapitel einer Erfolgsgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . 43 ERC-Grants für Medizin, Physik und Informatik. . . . . . . . 18 Ewing-Sarkom: Jojos Bein rekonstruiert. . . . . . . . . . . . . . 21 Game of Thrones – wer ist der nächste? . . . . . . . . . . . . . 22 Wissenschaft und Wirtschaft GOCE: Neues über den Aufbau der Erde. . . . . . . . . . . . . 23 Made by TUM, Folge 24. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Schnell. Präzise. Einfach. Plug&Produce entlastet den Ingenieur. . . . . . . . . . . . . . . 45 Lernen und Lehren Auszeichnung für junges Spin-off der TUM . . . . . . . . . . . 45 Neue Studiengänge an der TUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 »Ein junges Unternehmen ist wie eine leere Leinwand«. . 46 Physik zum Staunen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Prof. Hana Milanov und Dipl.-Ing. Martin Hammer Masterstudiengang »Transportation Systems«. . . . . . . . . 26 im Interview Nasse Experimente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zu Besuch auf dem Campus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Politik Global Gasthörerprogramm für Geflüchtete. . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Standpunkt Zuhause auf TUM-Gelände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Gemeinsam sind wir exzellent in der Forschung. . . . . . . 28 »I don‘t have the magic stick to change the terrible situation in Iraq« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Manaf Abdullah im Portrait 4 TUMcampus 3|16
INHALT 49 50 »Es fühlt sich gut an, helfen zu können«. . . . . . . . . . . . . . 51 Portraits aus der TUM-Familie TUM-Studierende engagieren sich für Flüchtlinge Birgitta Bernhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Integration durch MINT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Johann Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Auszeichnungen Campus Preise und Ehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Nicht nur am Rande notiert Das Diplom nur für die Besten!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Ruhestand Horst Baier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 TUM Campus App . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Klaus Mainzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Radeln mit der MVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Arnulf Melzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Ciao, Raffaele!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Johann Schlichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Neu auf dem Büchermarkt in memoriam Cosmic Rays and Particle Physics . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Kurt Dialer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Robot Oriented Design. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Harry O. Ruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Manfred Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Für Sie notiert Hermann Schröder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Promotion im Verbund I: ob an der Isar.... . . . . . . . . . . . . 55 Helmut Simon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Promotion im Verbund II: ... oder am Neckar . . . . . . . . . . 55 Dieter Treutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Schreiben in fremder Sprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Karl Wamsler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Sprachenzentrum kooperiert mit HFF München. . . . . . . . 55 Willkommen im Webshop der TUM!. . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Spiel mit Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Menschen Neu berufen Tim Büthe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Service Eugénia da Conceição-Heldt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Lisa Herzog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Hanna Hottenrott. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Christian Kühn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Ausblicke auf TUMcampus 4|16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Stefan Wurster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 TUMcampus 3|16 5
© Andreas Heddergott (4) Burghausens Bürgermeister Hans Steindl, Wissenschaftsminister Dr. Ludwig Spaenle, Ministerpräsident Horst Seehofer, TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Herrmann, Staatsminister Dr. Marcel Huber und Staatssekretär Bernd Sibler vor dem Prälatenstock, in dem die TUM ihr neues Akademiezentrum eingerichtet hat (v.l.) TUM Akademiezentrum Raitenhaslach eröffnet Der 4. Juni 2016 wurde für die TUM ein großer Tag: Bei strahlendem Wetter eröff- nete sie ihr neues Akademiezentrum im historischen Kloster Raitenhaslach an der Salzach. Bei einem Festakt mit Ministerpräsident Horst Seehofer und einem Pon- tifikalgottesdienst mit dem Passauer Diözesanbischof Dr. Stefan Oster übergab die Stadt Burghausen den restaurierten Prälatenbau des Klosters seiner neuen Bestimmung. Im Festsaal und in zahlreichen Seminarräumen werden sich Wissen- schaftler und Studierende künftig zu Tagungen, Workshops und Klausuren treffen – unter spätbarocken Fresken und Gewölben. In dem Kulturgut ist außergewöhn- lich viel historische Bausubstanz erhalten. 200 Jahre lang, seit der Säkularisation von 1803, war der Prälatenstock des Zisterzien- serklosters Raitenhaslach in privatem Besitz und wurde nur teilweise genutzt. Als die Stadt Burghausen 2003 das Gebäude ersteigerte, war schnell klar: Kaum ein anderes spätbarockes Gebäude in Bayern ist so weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand 6 TUMcampus 3|16
SPEZIAL © Astrid Eckert (3) © Andreas Heddergott © Uli Benz Die musikalische Gestaltung des Pontifikalgottesdienstes lag bei Chor und Orchester der TUM, mit Präsident Herrmann an der Barockorgel und Felix Mayer als Dirigent (S. 9). Zur Aufführung kamen Mozarts »Krönungsmesse« (Missa in C, KV 317) und das Offertorium »Scande coeli limina«. Während des Gottesdienstes: Prof. Otmar D. Wiestler, Vorsitzender des TUM-Hochschulrats (u.l.), und TUM-Vizepräsidentin Prof. Hana Milanov (u.r.) erhalten – von Böden und Fenstern über ausgewählten externen Nutzern einen der nach historischem Vorbild gestalte- Wand- und Deckenmalereien bis hin zur Tagungsraum für bis zu 190 Perso- te Klostergarten und eine Cafeteria im kunstvollen Dachkonstruktion. Und bald nen im historischen Festsaal (»Aula »Gartenstöckl« zur Verfügung, ein zu allen hatte TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Maior«) sowie Seminarräume unter- Jahreszeiten nutzbarer Arkadenbau. Herrmann die Idee für eine sinnvolle und schiedlicher Größe. Die historische der einstigen Klosterkultur angemessene Raumstruktur blieb unverändert. Inter- Bewahren und Gestalten Nutzung dieses ganz besonderen Kultur- nationale Konferenzen, Workshops und Architekten, Bauingenieure und Denk- denkmals, das unter den Äbten Robert Ferienakademien werden Angehörige malforscher der TUM hatten über meh- Pendtner und Emanuel II. Mayr gebaut der verschiedenen Fachrichtungen zu- rere Jahre die Bauhistorie und die und 1764 fertiggestellt wurde. sammenbringen, um Forschungsfragen Bausubstanz des Prälatenstocks er- aus einem anderen Blickwinkel zu dis- forscht und daraus ein Nutzungskon- Nun ist es soweit: Nach zehnjähriger kutieren. In zwei Studierzimmer können zept abgeleitet. Auf dieser Grundlage Planungs- und Restaurierungsarbeit sich Promovierende einquartieren, um wurde das Gebäude ab 2013 restau- wird das »TUM Science & Study Cen- hier ihre Forschungsergebnisse in die riert und neu ausgestattet. Dabei galt ter Raitenhaslach« zu einem Hort der schriftliche Form zu bringen. die Maxime, die ursprüngliche Bausub- Wissenschaft, vor allem im Geiste einer stanz ohne historisierende Nachbildun- nachhaltigen Internationalität, die für Im Festsaal werden sich die Tagungsgäs- gen weitestgehend zu bewahren und die Herrmann darin besteht, »die Heimat mit te unter dem Deckenfresko von Johann moderne Haustechnik möglichst nicht der Welt zu verbinden«. Martin Heigl treffen, das die Kultivierung sichtbar werden zu lassen. Beispielswei- des Landes unter dem förderlichen Ein- se konnten historische Fenster durch die Historisches Ambiente fluss der vier Elemente zeigt. Es symbo- Ergänzung einer vorgesetzten zweiten Auf insgesamt 1 000 Quadratmetern lisiert die Arbeit der Zisterziensermönche, Fensterfront erhalten werden. Eine raffi- bietet das Zentrum den Wissenschaft- die als exzellente Acker- und Wasser- nierte Beleuchtungstechnik im Festsaal lern und Studierenden der TUM sowie bauer galten. Für die Pausen stehen versteckt sich hinter dem umlaufenden 8 TUMcampus 3|16
SPEZIAL Stimmen zum Tage »Möge Raitenhaslach durch- drungen sein von einem Geist des Fragens und Suchens, des Respekts und der Ehrfurcht vor dem Wirklichen. Möge es wirk- lich dienen für die Erkenntnis des Wahren, Guten und Schönen. Und möge der Geist des Ortes dazu beitragen, dass diejeni- gen, die hier Suchende sind, auch Findende und Erkennende werden.« Bischof Dr. Stefan Oster in seiner Predigt beim Pontifikalgottesdienst »Albert Schweitzer warnt davor, in ›Wissensdünkel und Könnens- stolz‹ zu verfallen... Unsere exzel- lente TU München tut das nicht. Der Geist dieses Hauses ist einer, der sich durchaus am Himmel orientiert. Das ist nötig!« Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler beim Festakt »Der liebe Gott hat wohl auch ein wenig mitgewirkt, denn so viel Glück schenkt er nur einer Stadt, die er liebt.« Gustl Geith im Burghauser Wochenblatt, 1. Juni 2016 »Das Akademiezentrum Raiten- haslach ist vor allem für uns junge Menschen gemacht, die wir uns mit einem akademischen Studium auf das Berufsleben vorbereiten. Mögen wir erkennen, dass Natur- wissenschaft und Technik dem göttlichen Schöpfungswerk unter- geordnet, aber umso mehr seiner Erhaltung verpflichtet sind.« Nora Pohle, B.Sc., Vertreterin der Studieren- den im Senat, Fürbitte beim Gottesdienst Weitere Bilder zum Tage © Andreas Heddergott www.raitenhaslach.tum.de/bilder TUMcampus 3|16 9
SPEZIAL »Haben Sie mit ihm schon einmal verhandelt?« Horst Seehofer über den TUM-Präsidenten auf die Frage von BR-Moderatorin Anousch- ka Horn, wie sich die Verhandlungen über Raitenhaslach gestaltet haben »Er hat immer die guten Ideen, und ich das Geld.« Ministerpräsident Horst Seehofer über TUM-Präsident Herrmann »Raitenhaslach ist das Bekenntnis einer Universität von Rang zum kulturellen Erbe ihrer bayerischen Heimat.« TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann beim Festakt »Dann kam mehr zufällig ein einflussreicher Hochschul-Papst zu Besuch nach Marienberg und Raitenhaslach und fand das Ensemble ›einfach zum Nieder- knien‹ (wörtliches Zitat). Er tat sich mit dem Bürgermeister zusammen, beide zogen eine mit dem Metier vertraute Landtags- abgeordnete an Bord, spätestens ab da gab es keinen Zufall mehr. Jetzt kam Phantasie, Planung, Strategie und geschicktes Management hinzu.« Gustl Geith im Burghauser © Astrid Eckert Wochenblatt, 1. Juni 2016 »Im ehemaligen Prälatenstock des früheren Zisterzienserklosters ist nun ein Hort der Wissenschaft, ein Tauschplatz des Wissens, eine Begegnungsstätte für Forscher und Kulturschaffende gleicher- maßen entstanden. Hier werden Menschen ›im Geiste zusammen- geführt‹, sagte TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann. Ziel sei es, ›dass sich Menschen weniger fremd sind, dass sie die Kultur des Anderen verstehen, wenn sie hier gewesen sind.‹« © Andreas Heddergott Mühldorfer Anzeiger, 6. Juni 2016 10 TUMcampus 3|16
SPEZIAL Gesims, ohne die Raumästhetik zu be- selbstverständlich zusammen«, sagte ›Ratlosigkeit‹, wie dieses Gebäude mit einträchtigen. Ministerpräsident Horst Seehofer beim neuem Leben erfüllt werden könnte, hat Festakt. »Jahrhundertelang haben die sich durch eine persönliche Begegnung Die Renovierung erfolgte in ständiger Klöster die Wissenschaft gepflegt. Ich mit Prof. Herrmann und dessen Begeis- Abstimmung mit dem Bayerischen Lan- freue mich, dass mit dem neuen Akade- terung für Raitenhaslach die Partner- desamt für Denkmalpflege. Die Kosten miezentrum der TUM in den historischen schaft mit der TU München ergeben, von rund 20 Millionen Euro teilten sich im Mauern des ehemaligen Zisterzienser- was sich für alle Beteiligten als wahrer Wesentlichen der Freistaat Bayern (rund klosters Raitenhaslach eine moderne Glücksfall herausgestellt hat. Die jetzige 50 Prozent) und die Stadt Burghausen, und konsequente Fortschreibung dieser Belegung ist die optimale Nutzung des ergänzt um Beiträge des Bundes, der engen Verbindung gelungen ist. Enger Areals und ein Beispiel für erfolgreiche Messerschmitt Stiftung und der Bayeri- Austausch über wissenschaftliche Fach- Nachhaltigkeit.« schen Landesstiftung. Die Liegenschaft grenzen hinweg, gemeinsame Suche wurde der TUM von der Eigentümerin, nach neuen Ideen, Innovation im Dialog »Das Akademiezentrum in Raitenhas- der Stadt Burghausen, für zunächst 25 – im Akademiezentrum der TUM wird lach ist das Bekenntnis der TU München Jahre kostenfrei zur Nutzung übertragen. Zukunft gestaltet!« zu ihrer bayerischen Heimat. Hier soll Die TUM organisiert verantwortlich den die internationale Welt der Wissenschaft laufenden Betrieb und fördert die Veran- »Es war für uns zunächst Verpflichtung gemeinsam mit uns einen geistigen Fix- staltungen aus dem hierfür eingerichte- und Herausforderung, diesen einzigarti- punkt finden«, sagte Präsident Herrmann. ten »TUM Seminarfonds Raitenhaslach«. gen Denkmalort zu erwerben und damit Wesentliche Komponenten der extra- seinen Bestand und seine Ursprüng- curricularen Aktivitäten der TUM werden Bekenntnis zur bayerischen Heimat lichkeit zu sichern«, sagte Hans Steindl, künftig in Raitenhaslach konzentriert. »Tradition trifft Fortschritt – bei uns Erster Bürgermeister der Stadt Burg- Klaus Becker in Bayern geht das von je her ganz hausen. »Nach einer kurzen Phase der © Astrid Eckert (3) Die TUM feiert mit zahlreichen Gästen unter dem imposanten Deckenfresko von Johann Martin Heigl. Linke Seite: Pontifikalgottesdienst in der Klosterkirche Raitenhaslach zur Eröffnung des TUM Akademiezentrums. TUMcampus 3|16 11
SPEZIAL Publikationen zu Raitenhaslach Ehrensenatorwürde für Hans Steindl Das Akademiezentrum Raitenhaslach der Technischen Universität München TUM Science & Study Center Raitenhaslach Ein reichhaltiger Bildband vermittelt einen Überblick über die Historie des Klosters, den Restaurierungsverlauf und das Nutzungskonzept. Wolfgang A. Herrmann (Hrsg.): Das Akademiezentrum Raitenhaslach der © Astrid Eckert Technischen Universität München, Franz Schiermeier Verlag, München 2016, deutsch/englisch, ISBN 978-3-9814521-0-5, 48,50 Euro Hans Steindl (l.) wurde von TUM-Präsident Herrmann, seit Kurzem Ehrenbürger der Stadt Burghausen, mit der Ehrensenatorwürde der TUM ausgezeichnet. TUM INSIGHTS Mit der Würde eines Ehrensenators hat Privatinteressen zu werden. Steindl Stant Cuncta Labore. Inspirationen entlang der Salzach die TUM den Ersten Bürgermeister der stimmte dann mit dem Rückhalt sei- Wolfgang A. Herrmann (*1948 in Kelheim/Niederbayern) ist seit 1979 Chemieprofessor (Regensburg, Frankfurt am Main, München) und seit 1995 Präsident der Technischen Universität Stadt Burghausen, Hans Steindl, für sei- nes Stadtparlaments zu, dass die ne außergewöhnlichen Verdienste bei Technische Universität München den München. Er ist ehrenamtlicher Organist und profunder Kenner der bayerischen Geschichte, insbesondere der Kirchenge- schichte. Über ein Vierteljahrhundert hinweg hat er sich die Landschaft zwischen Salzach, Alz und Inn erschlossen. der Einrichtung des neuen Akademie- kultur- und bauhistorisch bedeutenden Wo l f g a n g A . H e r r m a n n zentrums ausgezeichnet. TUM-Präsi- »Prälatenstock« als Akademiestandort Stant Cuncta Labore. dent Prof. Wolfgang A. Herrmann nahm erhält. Damit wurden die Weichen für Inspirationen entlang Wo l f g a n g A . H e r r m a n n der Salzach die Ehrung beim Festakt zur Eröffnung ein Nutzungskonzept gestellt, das in der des Zentrums vor. deutschen Hochschullandschaft einma- lig ist.« TUM.University Press Mit einem »weltlichen Brevier« möchte In seiner Laudatio sagte Herrmann: »Es Wolfgang A. Herrmann die Augen und ist dank der mutigen Initiative und Ent- Hans Steindl ist seit 1990 Erster Bür- Herzen für das Land zwischen Salzach, schlusskraft des geschichtsbewussten germeister von Burghausen. Er kann Alz und Inn öffnen, das vom Zisterzien- wie gleichermaßen zukunftsorientierten zahlreiche wirtschafts-, sozial- sowie serkloster Raitenhaslach über viele Jahr- Bürgermeisters gelungen, das bau- und kulturpolitische Erfolge verzeichnen und hunderte wesentliche kulturelle Impulse kulturhistorisch einzigartige Ensemb- fördert mit dem »Chemie-Preis Burghau- erhalten hat. Das Buch »Stant Cuncta le Kloster Raitenhaslach im Jahr 2003 sen« die Forschung. Seit 1972 gehört er Labore« (Alles hat durch Arbeit Bestand) in den Besitz der Stadt Burghausen zu ohne Unterbrechung dem Stadtrat Burg- trägt als Titel den Sinnspruch des De- bringen. Auf diese Weise wurde das ehe- hausen und dem Kreistag Altötting an. ckenfreskos von Johann Martin Heigl malige Zisterzienserkloster in die Obhut Steindl studierte unter anderem Sport- (1766) in der »Aula Maior«, das aus Mit- der Bürgerschaft genommen und das wissenschaften an der TUM und war an- teln der Messerschmitt-Stiftung restau- weitgehend ungenutzte Kleinod da- schließend als Gymnasiallehrer in seiner riert wurde. vor bewahrt, Spielball profitorientierter Heimatstadt Burghausen tätig. Wolfgang A. Herrmann: Stant Cunc- Klaus Becker ta Labore – Inspirationen entlang der Salzach, TUM.University Press, Mün- chen 2016, ISBN 978-3-95884-001-0, 15 Euro 12 TUMcampus 3|16
SPEZIAL Tag der offenen Tür im TUM Akademiezentrum Raitenhaslach © Uli Benz (3) Besucheransturm: »Dass nach der langen Zeit, die das Kloster gewissermaßen im Dornröschenschlaf verbracht hatte, das Interesse der Bevölkerung groß sein würde, davon konnte man ausgehen... ›Wir schätzen, dass minimum 6 000 Leute gekommen sind‹, so Projektkoordinator Werner Lechner.« Burgh. Wochenblatt, 8. Juni 2016 Am 5. Juni 2016 öffnete der Prälaten- präsident Horst Seehofer, Raitenhaslach stammen 13 Millionen aus Zuschüssen stock des spätbarocken Klosters Rai- stehe synonym für das Erfolgsgeheimnis des Freistaats, des Bundes und der tenhaslach in Burghausen erstmals Bayerns: »Tradition trifft Fortschritt, Ge- Messerschmitt-Stiftung. seine Türen für die Öffentlichkeit. Zur schichte trifft Zukunft.« Besichtigung freigegeben waren der Auf insgesamt 1 000 Quadratmetern bie- imposante Festsaal, das Papstzimmer Die Stadt Burghausen hat das Kloster- tet das Zentrum den Wissenschaftlern und andere hervorragend erhaltene gebäude 2003 aus Privatbesitz erwor- und Studierenden der TUM sowie ausge- Räume. ben und restauriert. Kaum ein anderes wählten externen Nutzern einen großen spätbarockes Gebäude in Bayern ist so Tagungsraum im historischen Festsaal, Einen Tag zuvor hatte die TUM hier ihr neues weitgehend in seinem ursprünglichen elf Seminarräume und zwei Studierzim- Akademiezentrum eingeweiht: Den kirch- Zustand erhalten wie der Prälatenstock mer. Die Stadt Burghausen wird Konzerte lichen Segen spendeten der Passauer des Klosters Raitenhaslach – von Bö- und Lesungen veranstalten, im Gewölbe Diözesanbischof Dr. Stefan Oster und die den und Fenstern über Wand- und De- können Hochzeiten und Taufen gefeiert evangelische Regionalbischöfin Susanne ckenmalereien bis hin zur Dachdeckung. werden. Breit-Keßler. Auf dem stimmungsvollen In den Umbau der Klosterräume wur- www.raitenhaslach.tum.de Festakt sagte der bayerische Minister- den 20 Millionen Euro investiert. Davon TUMcampus 3|16 13
SPEZIAL Musik zur Eröffnung des Akademiezentrums Am Abend des 3. Juni 2016 gab es zur Eröffnung des Akademiezentrums der TUM in Raitenhaslach ein Konzert der Technischen Universität München im Kurfürst-Maximilian-Gymnasium Burghausen. Kammerorchester und Kammerchor der TUM und das Große Orchester des Kur- fürst-Maximilian-Gymnasiums (Kumax) gestalteten einen kurzweiligen Kon- zertabend. Als Solisten bereicherten TUM-Präsident Prof. Wolfgang A. Herr- mann an der Orgel und Ute Ziemer als © Andreas Heddergott Sopranistin das Konzert. Eine musikali- sche Besonderheit erfreute Kumax-Or- chesterleiter Christof Freymadl an diesem Abend: Er erhielt eine Messkom- position des 18. Jahrhunderts aus der Feder des Raitenhaslacher Paters Al- berich Hirschberger, die TUM-Präsident Herrmann zur Akademieeröfnung neu drucken hatte lassen. Als Besonderheit ließ die TUM ein Werk des Raitenhaslacher Klosterkomponis- © Kumax ten Albericus Hirschberger (1709 – 1745) spartieren, das heißt in eine für die heu- tige Aufführungspraxis geeignete Form Schlussapplaus für Felix Mayer (Leiter TUMKammerorchester und TUMChor), Prof. Wolfgang A. Herrmann bringen: die Missa VI. Apostolorum San- (Orgel), Ute Ziemer (Sopran) und Christof Freymadl (Leiter Großes Orchester des Kumax) (vorn v.l.) ctorum Petri et Pauli aus dem Jahr 1743. Das Werk kommt bei nächster Gele- genheit in der ehemaligen Klosterkirche Raitenhaslach zur Aufführung. (Alberich Hirschberger: Missa VI. Sanctorum Petri et Pauli, aus »Philomela cisterciensis ex valle Bernardina Raittenhaslacensi«, Edi- tio nova, München 2016) 14 TUMcampus 3|16
SPEZIAL CRC Graduate Academy bespielt Raitenhaslach Unmittelbar nach seiner Öffnung wur- de das TUM Science & Study Center Raitenhaslach von der CRC Gradua- te Academy, einer Spring School des ebenfalls kürzlich eröffneten TUM Zentralinstituts für Katalyseforschung (CRC), genutzt. Drei Tage lang legten Wissenschaftler aus Europa dort in Vorträgen und Diskussionen rund um die Katalyse den Fokus auf die Pho- tokatalyse. Die Academy war ein Satelliten-Event der CRC-Eröffnung im Mai 2016 und bot den Nachwuchswissenschaftlern © Maximilian Krause am CRC eine Plattform, ihre Ergebnisse aus der Katalyseforschung über Fakul- tätsgrenzen hinweg darzustellen. Ins- besondere der Netzwerk-Charakter der Veranstaltung stand im Vordergrund: Prof. Hans Niemantsverdriet im Workshop »Presenting Science« mit Nachwuchswissenschaftlern des CRC Der rege und interdisziplinäre Austausch der Teilnehmer und CRC-Mitglieder im sanierten Prälatenstock des Klosters Englisch werden bereits zur Bewer- Doktoranden von MuniCat, der strategi- Raitenhaslach ist eine Grundlage für zu- bung ausreichende Französischkennt- schen Allianz von TUM und der Clariant künftige innovative Ansätze in der Kata- nisse eingefordert, die später in den AG, präsentierten Ergebnisse aus dem lyseforschung am CRC. verpflichtenden Auslandsphasen benö- Bereich der angewandten Katalysefor- tigt werden. Um Synergien zu nutzen, schung. Außerdem wurde die Verleihung Neben den Teilnehmern der TUM - da- kombinierten die Veranstalter die CRC der Posterpreise während des Conferen- runter auch drei Tenure-Track-Profes- Graduate Academy mit dem Pflichtmo- ce Dinners von MuniCat unterstützt. soren der Fakultäten für Chemie und für dul »Winterschool« des Studiengangs Physik und ihre Mitarbeiter - besuchten NSC. Die Teilnahme von Professoren Die Academy gibt »Inspiration für neue auch die Mitglieder des deutsch-fran- und Doktoranden der Partnerhochschu- Projekte im Bereich Photokatalyse am zösischen Studiengangs »Nanoscien- le Aix-Marseille Université förderte den CRC«, sagte CRC-Direktor Ueli Heiz. ce and Catalysis« (NSC) die Academy. Austausch im Netzwerk der DFH. Der Professor für Physikalische Chemie Der Studiengang, der in Kooperation sieht die Photokatalyse als ein zentrales mit der Fakultät für Chemie seit April Nachwuchswissenschaftler, Studierende Thema der nächsten Jahre am Zentralin- 2014 angeboten wird, ist Teil eines von und renommierte Katalyseforscher dis- stitut. der Deutsch-Französischen Hochschule kutierten aktuelle Trends der Photokata- Florian Schweinberger (DFH) co-finanzierten PhD-Tracks. Die lyse. Ergänzt wurde das Programm durch www.m2gsn.tum.de Kombination des Masters NSC mit der einen Vortrag aus der Industrie zu aktuel- www.crc.tum.de daran anschließenden Doktorandenaus- len Entwicklungen im Bereich LEDs und bildung zeichnet sich durch eine hohe Laserdioden als Ausgangspunkt für die Interdisziplinarität und sprachliche An- gezielte Erzeugung von Photonen für die forderungen an die Studierenden und Photokatalyse sowie einen Workshop Doktoranden aus; neben Deutsch und zum Thema »Presenting Science«. TUMcampus 3|16 15
SPEZIAL IGSSE Forum in Raitenhaslach Screenshot!! Bild kommt noch Die International Graduate School of Science and Engineering (IGSSE), Weg- von Astrid Eckert bereiterin und nun Teil der TUM Gra- duate School, hatte schon immer ein besonderes Verhältnis zur Klosteranlage in Raitenhaslach: Seit 2007 findet dort jährlich das IGSSE Forum statt, das als Mini-Symposium den interdisziplinären Austausch von Promovierenden, Post- docs und Professoren sowie internatio- nalen Partnern und Gästen fördert. Das 10. IGSSE Forum brachte unter dem Titel »Smart Cooperation« die Mit- glieder der Graduiertenschule mit ihren Kolleginnen und Kollegen des Munich Center for Technology in Society (MCTS) zusammen. Während dreier spannender Tage wurden Methoden und Abhängig- keiten wissenschaftlicher Kooperation im gesellschaftlichen Zusammenhang diskutiert und im Plenum präsentiert. Die Bilder dieser Seiten geben einen Ein- druck von der kreativen Atmosphäre und der konzentrierten Zusammenarbeit der Doktorandinnen und Doktoranden – digi- tal oder ganz klassisch mit Stiften, Schere und Papier. Anfragen und Buchungen für alle Einheiten der TUM zu Tagungs- räumen, Tagungstechnik, Verpflegung und Übernachtung laufen über Barba- ra Weiant, Geschäftsführerin des TUM Akademiezentrums Raitenhaslach. Die Betriebswirtin leitet seit April 2016 den Seminarbetrieb. barbara.weiant@tum.de Tel. 089 – 289 26600 www.raitenhaslach.tum.de © Andreas Heddergott 16 TUMcampus 3|16
© Andreas Heddergott (2) TUMcampus 3|16 17 SPEZIAL © Astrid Eckert (4)
FORSCHEN © Andreas Heddergott Die »Munich Compact Light Source« erzeugt besonders intensive Röntgenstrahlen. Mit deren Hilfe arbeitet TUM-Physiker Prof. Franz Pfeiffer weiter an der Verfeine- rung von Röntgentechniken – gefördert vom ERC. Neun EU-Förderungen für die TUM ERC-Grants für Medizin, Physik und Informatik Die TUM schneidet im Wettbewerb APEG soll außerdem Optimierungspro- Erfolge zeigte die Technologie bereits um die Forschungspreise des Europe- bleme in modernen Anwendungen lösen. bei der Analyse bestimmter Hautkrebs- an Research Council (ERC), die zu den Dazu gehören aktuelle Graphenproble- formen, und weitere Studien in diesem angesehensten Forschungsförderun- me. Graphen sind ein Konzept aus der und anderen Krankheitsfeldern sind der- gen in Europa zählen, erneut sehr gut Mathematik und bestehen aus Knoten zeit im Gange. ab: Neun TUM-Wissenschaftlerinnen und Kanten. Sie werden unter anderem und -Wissenschaftler waren in der ak- verwendet, um Netzwerke zu modellie- Mithilfe des neuen ERC-Grants will das tuellen Wettbewerbsrunde erfolgreich ren, zum Beispiel Verkehrs- oder Com- Team um Ntziachristos MSOT weiterent- (6 Medizin, 2 Physik und 1 Informa- puternetzwerke. Nicht zuletzt wird APEG wickeln und optimieren. Ein Ziel des ak- tik). Die neuen ERC-Grants bringen neue algorithmische Techniken entwi- tuellen Projekts »Precision Multi-Spectral insgesamt fast 19 Millionen Euro For- ckeln, die den Energieverbrauch in Com- Optoacoustic Tomography« ist es, die schungsmittel an die TUM. putersystemen minimieren. Empfindlichkeit der Methode weiter zu steigern und technische Einschränkun- ERC Advanced Grants Prof. Vasilis Ntziachristos hat die gen abzubauen. Dadurch würde auch Bildgebungsmethode »Multi-Spectral eine Anwendung in der Entzündungs- Prof. Susanne Albers erhält den Grant Optoacoustic Tomography« (MSOT) ent- und Stoffwechsel-Diagnose oder in der für ihr Projekt »Algorithmic Performan- wickelt. Mit dieser Technologie lassen Neurologie möglich. Zudem soll ein kos- ce Guarantees« (APEG). Die Wissen- sich bis dato nicht realisierbare präzise tengünstiges tragbares Gerät entwickelt schaftlerin forscht an neuen Techniken 3D-Tiefendarstellungen von Körperge- werden, das die Vorteile von MSOT und für die Entwicklung effizienter Algorith- webe erstellen. Dazu wird die Zielregion Ultraschall kombiniert, um die klinische men. Mit den neuen Techniken möchte mit äußerst kurzen und schwachen La- Anwendbarkeit und Praktikabilität aus- sie unter anderem alte »harte Nüsse« serimpulsen geringfügig erwärmt, was zuweiten. knacken, das heißt Probleme, die bereits zu minimalen Vibrationen im Gewebe von den Pionieren der Informatik in den führt. Diese werden mit einem Sensor er- Prof. Franz Pfeiffer arbeitet auf dem 1960er-Jahren untersucht wurden. Ein fasst und in hochauflösende dreidimen- Gebiet der biomedizinischen Röntgen- Beispiel dafür ist die Schwierigkeit, in sionale Bilder übersetzt. Das Verfahren physik. Röntgenaufnahmen sind aus der Rechenzentren Aufträge auf die vorhan- funktioniert nichtinvasiv, ohne Strahlen- Medizin nicht mehr wegzudenken. Doch denen Prozessoren so zu verteilen, dass belastung und ohne Kontrastmittel – ein bisher wird nur die Absorption der Rönt- alle gleich stark ausgelastet sind. enormer Vorteil für die Patienten. Erste genstrahlung für die Bildgebung benutzt. 18 TUMcampus 3|16
FORSCHEN Bei Weichgewebe, etwa der Lunge, In seinem Projekt »HypoFlam« wird Prof. reicht der Kontrast zwischen gesundem Matthias Tschöp den Zusammenhang und krankem Gewebe für eine frühe Dia- zwischen zucker- und fettreicher Ernäh- gnostik nicht aus. Erst massive Schäden rung, entzündungsähnlichen Vorgängen sind im Röntgenbild zu erkennen. in bestimmten Hirnregionen sowie dem Auftreten von Adipositas und Diabetes Pfeiffer experimentiert seit vielen Jahren untersuchen. In einer vorangegangenen Prof. Susanne Albers, mit monochromatischer Röntgenstrah- Studie hatte er mit seinem Team heraus- Liesel Beckmann-Pro- lung, die es erlaubt, neben Absorpti- gefunden, dass es bei einer zucker- und fessur für Theoretische onsbildern auch Phasenkontrast- und fettreichen Ernährung zu traumatischen Informatik, Leib- niz-Preisträgerin 2008 Dunkelfeldbilder zu erzeugen. Im Fokus Zellveränderungen in Teilen des Hypo- des vom ERC unterstützten Projekts thalamus kommt. In dieser Hirnregion steht insbesondere das Dunkelfeld-Ver- werden beim Menschen unter anderem Prof. Vasilis Ntziachris- tos, Lehrstuhl für Biolo- fahren. Ausgehend von bereits realisier- die Aufnahme von Flüssigkeit und Nah- gische Bildgebung, erhält ten Aufnahmen mit lebenden Kleintieren rung, aber auch der Zucker- und Fett- bereits zum zweiten Mal soll das Verfahren so weiterentwickelt stoffwechsel gesteuert. einen Advanced Grant. Bereits 2008 förderte die werden, dass die Dunkelfeld-Compu- EU seine Arbeit, die ihm ter-Tomografie auch in die Klinik ein- Die Forscher nehmen an, dass diese Ver- zudem 2014 den Deut- geführt werden kann. Vor allem für die änderungen im Hypothalamus langfristig schen Innovationspreis und 2012 einen »Proof of Diagnose chronisch obstruktiver Lun- zu Fettleibigkeit und dem Auftreten von Concept Grant« des ERC generkrankungen, an der viele Millio- Typ-2-Diabetes beitragen, weil sie zen- bescherte. nen Menschen in Europa leiden, könnte trale Regelkreisläufe in ihrer Funktion diese Methodik einen großen Fortschritt beeinträchtigen. Sie wollen nun die zu- bringen. grunde liegenden molekularen Mecha- nismen aufklären, um neue Therapien Prof. Friedrich Simmel möchte in seinem zu entwickeln. Besonderer Fokus liegt ERC-geförderten Projekt neue Wege zur hierbei nicht nur auf der Beteiligung der Herstellung intelligenter, dynamischer Nervenzellen, sondern auch auf der Rol- Prof. Franz Pfeiffer, Mikrostrukturen aus Polymer-Gelen und le von Stützzellen, »Fresszellen« und Lehrstuhl für Biomedi- zinische Physik (E17), Nukleinsäuren beschreiten. Die etwa bestimmten weißen Blutkörperchen, die Leibniz-Preisträger zellgroßen Komponenten sollen sensori- das Team ebenfalls im Hypothalamus 2011, ERC-Starting sche und informationsverarbeitende Fä- nachweisen konnte. Grant 2009 higkeiten haben und abhängig von ihren lokalen chemischen Randbedingungen ERC Consolidator Grants unterschiedliche Materialien produzieren können. Prof. Florian Bassermann forscht mit seinem Team im Projekt »BCM-UPS« Ein weiterer Ansatz ist die evolutio- an neuen Therapieansätzen gegen Prof. Friedrich Simmel, näre Entwicklung und Optimierung bösartige B-Zell-Lymphome wie das Lehrstuhl für Experimen- RNA-basierter molekularer Schalter und Mantelzell-Lymphom oder das Multi- talphysik (E14), wurde Nanostrukturen. Von molekularen Evo- ple Myelom. In früheren Studien fand 2002 von der DFG zum Emmy Noether-Nach- lutionsprozessen abgeleitete Verfahren er bereits heraus, dass Fehlfunktionen wuchsforscher berufen. sollen dabei eine Vielfalt unterschiedli- bestimmter Enzyme des zellulären Ubi- cher Komponenten erzeugen, aus denen quitin-Proteasom-Systems (UPS) für durch künstliche Selektion die für eine die Entstehung und Ausprägung dieser Aufgabe am besten geeigneten ausge- Krebsformen eine entscheidende Rolle wählt werden. Ziel sind makroskopische spielen. Das UPS-System ist unter an- Materialien, die durch DNA-program- derem an der DNA-Reparatur beteiligt. Prof. Matthias Tschöp, mierte Intelligenz neue Eigenschaften für Lehrstuhl für Stoffwech- Gebiete wie Umweltsensorik oder Bioka- Einige der Enzyme des UPS-Systems selerkrankungen, erhielt © Jan Roeder talyse bereitstellen oder als adaptive Ma- könnten als Biomarker oder therapeuti- 2012 als erster deutscher Mediziner die renom- terialien autonom neuartige Funktionen sche Ziele bei Lymphomen dienen. Mit mierte Alexander von ausüben können. der europäischen Förderung soll jetzt Humboldt-Professur. TUMcampus 3|16 19
FORSCHEN ihr Zusammenspiel genauer untersucht neben histologischen Untersuchungen werden. In einem interdisziplinären An- des Gewebes auch molekulare Analy- satz sollen sowohl zellbiologische und sen. proteomische Ansätze, Mausmodelle Prof. Florian Basser- und klinische Patientenstudien als auch Der Ansatz soll vor allem interdisziplinär mann, III. Medizinische Klinik und Poliklinik genetische Screenings von Gewebepro- sein, so dass klinische, histologische und (Hämatologie/Onkologie) ben zum Einsatz kommen. Laborwerte zusammengeführt und bioin- des Klinikums rechts formatisch ausgewertet werden. Ziel des der Isar, leitet seit April 2015 als Tenure Track In einem interdisziplinären Versuchsan- Projekts ist es, Biomarker zu identifizie- Professor die Abteilung satz möchte Prof. Marc Schmidt-Supp- ren, die den Verlauf der Krankheiten und Cell Biology of Cancer. rian mit seiner Gruppe die Reifung von Therapieerfolge frühzeitig vorhersagen B-Zellen erforschen, ein essenzieller können. Prozess für die adaptive Immunabwehr. Im Lauf ihres Lebens werden B-Zellen Dr. Dimitrios C. Karampinos konzen- Prof. Marc Schmidt- entweder zu langlebigen Gedächtniszel- triert sich in seinem Forschungsprojekt Supprian, III. Medizini- len oder zu Plasmazellen, die Antikörper »ProFatMRI« auf die Weiterentwicklung sche Klinik des TUM-Kli- zur Verteidigung gegen feindliche Mikro- der Bildgebungsmodalität Magnetreso- nikums rechts der Isar, leitet seit 2014 als Tenu- organismen produzieren. Laufen ein- nanztomografie (MRT; engl. Magnetic re Track Professor für zelne Schritte in diesem Reifeprozess Resonance Imaging, MRI), um das Experimentelle Hämato- falsch ab, können Autoimmunerkrankun- menschliche Fettgewebe im lebenden logie die Forschungs- gruppe »Molekulare gen entstehen. Der Fokus des Wissen- System zu untersuchen. Er wird neu- Immunpathologie und schaftlers liegt vor allem darauf, wie sich artige MRT-Methoden entwickeln, um Signaltransduktion«. die Ausstattung von Proteinen innerhalb erstmals die Mikrostrukturen von Fett- der Zelle während der Entwicklung der gewebe, insbesondere dem braunen B-Zelle verändert und wie sie reguliert Fettgewebe und von Knochenmark- wird. fett, nicht-invasiv zu untersuchen und zu quantifizieren. Solche Entwicklungen Prof. Kilian Eyerich, Besonders die so genannten RNA-bin- können die Diagnose und Therapie von Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Aller- denden Proteine sind noch wenig er- Krankheiten wie dem metabolischen gologie des TUM-Klini- forscht. Sie steuern auf RNA-Ebene, wie Syndrom - einer Kombination aus Fett- kums rechts der Isar, ist viel von einem Protein hergestellt wird. leibigkeit, Insulinresistenz und Bluthoch- seit 2014 im Rahmen einer Heisenberg-Pro- Sowohl mit neuen Mausmodellen und druck - oder Osteoporose vorantreiben. fessur Tenure Track Pro- Proteomik-Studien als auch neuartigen In beiden Fällen spielt das Fettgewebe fessor für Experimentelle Zellkultursystemen soll die Rolle dieser entweder innerhalb des Knochens oder Dermato-Immunologie. regulatorischen Proteine bei der B-Zell- in verschiedenen Körperfettdepots für Reifung genauer erforscht werden. Verlauf und Ausprägung der Erkrankung eine wichtige Rolle. ERC Starting Grants Dr. Dimitrios C. Das Projekt »Individualised medicine ERC-Grants werden in drei Kategorien Karampinos, Institut in chronic inflammatory skin diseases« vergeben: Starting Grants für vielver- für diagnostische und (IMCIS) von Prof. Kilian Eyerich widmet sprechende Nachwuchswissenschaftler, interventionelle Radiolo- gie des TUM-Klinikums sich chronischen entzündlichen Hauter- Consolidator Grants für Forscher, deren rechts der Isar, leitet seit krankungen wie Schuppenflechte oder Promotion sieben bis zwölf Jahre zurück- 2012 die Forschungs- Neurodermitis. Der Mediziner möchte liegt, und Advanced Grants für exzellen- gruppe »Body Magnetic Resonance Imaging«. mit seinem Team ein ausführliches und te etablierte Wissenschaftlerinnen und standardisiertes Diagnoseverfahren ent- Wissenschaftler, die in den letzten zehn wickeln, für das insgesamt 86 Parameter Jahren Spitzenleistungen vorzuweisen individuell bei jedem Patienten erhoben haben. Die Fördersumme eines Grants und untersucht werden. Dazu gehören beträgt bis zu 3,5 Millionen Euro. 20 TUMcampus 3|16
FORSCHEN Ewing-Sarkom: Jojos Bein rekonstruiert Wissenschaftler und Ärzte der TUM haben in letzter Zeit auf verschie- denen Wegen die Therapie einer heimtückischen Erkrankung entschei- dend vorangebracht. Es geht um das Ewing-Sarkom, einen Tumor, der be- sonders häufig Knochen befällt, und zwar vor allem bei Kindern. Einen großen Erfolg erzielte ein Ärzte- team der Klinik und Poliklinik für Or- thopädie und Sportorthopädie des © Michael Stobrawe TUM-Klinikums rechts der Isar bei der Behandlung des fünfjährigen Josef aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn im Land- kreis München. Bei Jojo, wie Eltern und Freunde ihn nennen, wurde im Oktober oben: Jojo mit Rüdiger 2015 ein großes Ewing-Sarkom im Ober- von Eisenhart-Rothe schenkel diagnostiziert. links: Ewing-Sarkom in einer Maus nach Einsatz des Hemmstoffs JQ1: Es drohte die Amputation - oder eine Der beginnende Zelltod kaum weniger erschreckende Alterna- der Tumorzellen ist mit braunem Farbstoff tive: eine »Umkehrplastik«. »Dabei wird kenntlich gemacht. der Unterschenkel mit dem Fuß abge- nommen, um 180 Grad gedreht und am Oberschenkelstumpf fixiert. Das Fuß- gelenk ersetzt dann praktisch das Knie, und unterhalb wird eine Prothese ange- praktisch neu. Wenn auch die Chemo- Tumor-Wachstum des Ewing- legt«, erläutert Prof. Rüdiger von Eisen- therapie weiter so gut anschlägt wie bis- Sarkoms im Mausmodell verringert hart-Rothe, Chef der TUM-Orthopädie. her, wird der kleine Patient schon bald wieder ein ganz normales Leben führen. Auf eine ganz andere Weise befasst sich Beides sollte Jojo möglichst erspart blei- eine Forschergruppe der Wilhelm San- ben. Doch auf jeden Fall musste der gro- der-Therapieeinheit für Knochen- und ße Krebsherd entfernt werden, um die Das Ewing-Sarkom, erstmals beschrie- Weichteilsarkome um den Biochemi- Bildung von Mikrometastasen zu ver- ben von dem US-amerikanischen Pa- ker PD Dr. Günther Richter und den On- hindern. Nach langem Überlegen und thologen James Ewing, ist ein solider kologen Prof. Stefan Burdach von der Abwägen beschlossen die Ärzte, Jojos bösartiger Tumor, der meistens Knochen Kinderklinik des TUM-Klinikums rechts Oberschenkel durch eine Kombination befällt, sich aber auch in Weichgewebe der Isar und des Städtischen Klinikums aus Teilen seines eigenen Wadenbeins entwickeln kann. Er tritt vor allem bei Schwabing (wo Jojo seine Chemothera- und Knochen von einem Organspender Kindern und Jugendlichen auf. Die Über- pie bekommt) mit dem Ewing-Sarkom. zu ersetzen. Eine belgische Spezialfirma lebensrate der jungen Patienten liegt In einem mehrjährigen, von der Wilhelm stellte für Josefs Knochen maßgeschnei- fünf Jahre nach der Erkrankung bei 60 Sander-Stiftung mit rund 170 000 Euro derte Schnittschablonen her. Denn der bis 70 Prozent. Damit konnten die Hei- geförderten Forschungsprojekt haben die Tumor saß genau an der Wachstums- lungschancen in den letzten Jahrzehnten Wissenschaftler neue Therapie- und Dia- fuge, und diese wollten die Ärzte un- bereits deutlich gesteigert werden, ins- gnoseansätze für das Ewing-Sarkom ge- bedingt erhalten. Sonst hätte das Bein besondere durch die Arbeiten deutscher funden. Damit eröffnen sie Ansätze für die später nicht mehr wachsen können. Mediziner. Allerdings leiden die Patienten Entwicklung neuer Behandlungsformen. stark an den Langzeitfolgen der verstüm- Tatsächlich war die zwölfstündige Ope- melnden und giftigen Behandlungen aus Auslöser für das Ewing-Sarkom ist ein ration erfolgreich. Jojos Bein entstand Chirurgie, Chemo- und Strahlentherapie. Bruch des DNA-Doppelstrangs und TUMcampus 3|16 21
FORSCHEN Game of Thrones – wer ist der nächste? dessen fehlerhafte Reparatur; ein be- stimmtes Gen fusioniert an anderer Stelle mit einem anderen Gen. Als Fol- ge wird das sogenannte Onkofusions- protein gebildet, das die Entstehung und das Wachstum des Tumors bewirkt. Den TUM-Wissenschaftlern ist es nun im Über die inter- Mausmodell gelungen, Wachstum und aktive Karte können Fans Ausbreitung des Ewing-Sarkoms zu blo- die GoT-Welt ckieren, indem sie die Genaktivität, die erkunden und der Entstehung des Tumors zugrunde die Reisen der wichtigsten liegt, entscheidend veränderten. Figuren nach- vollziehen. Dazu setzten sie das Molekül JQ1 ein, das bestimmte Proteine blockiert. Ohne Großes Medienecho rief eine Presse- über Hunderte von GoT-Charaktere sa- JQ1 kann die Transkription von DNA zu mitteilung der TUM über eine besonde- gen. Darüber hinaus programmierten die RNA, also die Übertragung der Geninfor- re Arbeit aus der Informatik hervor: Die Studierenden auch eine interaktive Karte. mation, für die Produktion des Onkofusi- Meldung, dass man berechnen kann, Mit ihr können Fans die Game-of-Thro- onsproteins nicht stattfinden. Damit wird wer in der sechsten Staffel der TV-Se- nes-Welt erkunden und die Reisen der auch der Zelltod vorhandener Tumorzel- rie »Game of Thrones« vermutlich als wichtigsten Figuren nachvollziehen. len ausgelöst und der Tumor in seinem nächstes sterben wird, wurde von al- Wachstum deutlich gehemmt. len namhaften Nachrichtenagenturen, »Dieses Projekt hat uns eine Menge Spaß Tageszeitungen und Zeitschriften welt- bereitet«, sagt Dr. Guy Yachdav, der den »Mit diesen Erkenntnissen aus der Epi- weit verbreitet. Potenzielle Reichweite Kurs geleitet und das Projekt konzipiert genetik eröffnen sich Ansätze zur Ent- der Meldung: 1,126 Milliarden Leser. hat. »In unserer Forschungsgruppe kon- wicklung neuer Therapien«, sagt Günther zentrieren wir uns normalerweise darauf, Richter. Wie bedeutsam bei der Entste- Wie lassen sich Studierende für das The- mit Data Mining und Algorithmen des hung von Krebs nicht nur Veränderungen ma »Algorithmen« begeistern? Wie kann maschinellen Lernens komplexe biologi- der Gene selbst, sondern auch Vorgänge man als Dozent den Standardkurs als sche Fragen zu beantworten. Für dieses der Genaktivität sein können, zeigen auch direkt relevant für die jungen Leute ge- Projekt haben wir diese Techniken eben- Ergebnisse aus der Grundlagenforschung stalten? Diese Frage hatten sich einige falls eingesetzt, nur dass diesmal der des Projekts: Bei einer deutschlandwei- Dozenten der TUM-Informatik gestellt Untersuchungsgegenstand eine beliebte ten Untersuchung der Tumorproben von und kamen auf eine geniale Idee: Inhalt TV-Serie war.« mehr als 100 Patienten zeigte sich, dass des Kurses wurde die TV-Serie »Game Ewing-Sarkome eine sehr niedrige Muta- of Thrones« (GoT). Die Studierenden »Data Mining und maschinelles Lernen tionsrate haben – ebenso wie es von an- waren mit Feuereifer bei der Sache, und sind die Werkzeuge, die es der digitalen deren Tumorarten, die Kinder betreffen, die Ergebnisse sind mittlerweile auf der Medizin ermöglichen, von der modernen bekannt ist. »Das bestätigt zum einen, ganzen Welt bekannt. Die im Kurs ent- Biologie für Diagnose, Behandlung und dass die Erkrankung nicht nur durch ge- wickelten Algorithmen durchsuchen das Prävention von Krankheiten zu profitie- netische Veränderungen erklärbar ist, und Internet nach Daten über GoT und berei- ren. Mit diesem Projekt haben wir ein zum anderen, dass in der Krebstherapie ten die Zahlen auf. Die Website präsen- didaktisches Juwel geschaffen, das bei für Kinder und Jugendliche neue, spezifi- tiert die Ergebnisse der Berechnungen; den Studierenden Begeisterung für diese sche Methoden notwendig sind«, betont beispielsweise finden Fans der Serie hier Fächer entzündet hat«, resümiert Prof. Stefan Burdach. Anwort auf Fragen wie: Hat Jon Snow Burkhardt Rost vom Lehrstuhl für Bioin- die fünfte Staffel überlebt? Welche Figur formatik der TUM. »Und die im Projekt Die TUM-Forscher fanden außerdem der Serie wird als nächstes sterben? geschaffenen interaktiven Karten bein- Ansätze für eine bessere Diagnose des halten einen völlig neuen Ansatz zur Da- Sarkoms. Bei der Untersuchung der Tu- Die Website zeigt die wichtigsten der von tenvisualisierung – dem werden wir auch morproben identifizierten sie zwei Protei- den verschiedenen Werkzeugen des ma- wissenschaftlich nachgehen.« ne als mögliche Marker. schinellen Lernens generierten Daten. Sie Andreas Battenberg Klaus Becker analysiert auch, was die Fans auf Twitter https://got.show 22 TUMcampus 3|16
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