Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik

Die Seite wird erstellt Dirk Brüggemann
 
WEITER LESEN
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Das Magazin für Wirtschaftspolitik

Die Volkswirtschaft
1/2-2005 78. Jahrgang CHF 15.90

                                  Seite 3

                                  Monatsthema:

Seite 52                          Strommarkt
KMU-Test:
Neuer Lohnausweis

Seite 59

Wie innovativ
ist die Schweiz?
Seite 67

Korruption:
Die Schweiz im
internationalen
Vergleich
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Inhalt
Monatsthema
 3   Editorial                                                                        5 Nach dem Volksnein zum Elektrizitätsmarkt-
       Aymo Brunetti                                                                  gesetz im September 2002 harrt die Regelung
 5   Versorgungssicherheit trotz Strommarktöffnung – machbar oder illusionär?         des Strommarktes in der Schweiz einer Lösung.
       Rainer Bacher und Walter Steinmann                                             Gemäss Vorlage des Bundesrates soll vorerst in
                                                                                      einer Übergangsregelung die Stromdrehscheibe
10   Regulierungsbedarf im Strommarkt aus gesamteuropäischer Sicht                    Schweiz rasch gesichert und danach der inlän-
       Steivan Defilla                                                                dische Strommarkt schrittweise geöffnet werden:
15   Marktmodelle und Versorgungssicherheit im Elektrizitätsbereich:                  Die Teilmarktöffnung ist für 2007 geplant. Erst
     «Kalifornien» – und wie man es besser machen kann                                in einer zweiten Phase und mit fakultativem
       Jörg Wild und Stephan Vaterlaus                                                Referendum, das für 2012 vorgesehen ist, kann
                                                                                      der Markt vollständig geöffnet werden.
19   Regulierungsbedarf des Stromverteilsektors
       Massimo Filippini und Silvia Banfi
23   Strommarkt und kantonales Recht
       Bernhard Waldmann
28   Bewältigung von Engpässen in der Stromversorgung
       Ueli Haudenschild
30   Elektrizitätsmarkt und Kartellrecht
       Patrik Ducrey
35   Elektrizitätspreise und Transparenz
       Véronique Pannatier
                                                                                      52 Das Projekt des neuen Lohnausweises erntete
                                                                                      bereits vor der Einführung massive Kritik seitens
Wirtschaftspolitische Stellungnahmen                                                  der Wirtschaft. Befürchtet wurden namentlich
38   Für eine gesetzliche Rahmenordnung im schweizerischen Strommarkt                 eine administrative Mehrbelastung und Nach-
       Urs Näf                                                                        teile aufgrund einzelner Bestimmungen zu Ge-
                                                                                      haltsnebenleistungen. Das Staatssekretariat für
39   Mit dem Kopf durch die Wand ist keine gute Politik
                                                                                      Wirtschaft (seco) führte einen KMU-Test durch,
       Rolf Zimmermann
                                                                                      um die Konsequenzen des neuen Lohnausweises
40   KMU brauchen gleich lange Spiesse                                                für KMU aufzuzeigen und eine neutrale Diskus-
       Peter Holinger                                                                 sionsgrundlage zu liefern.
41   Versorgungssicherheit im Marktumfeld
       Anton Bucher
                                                                                                                 59 Das Technologie-
42   Wirtschaftswachstum dank erneuerbaren Energien                                                              portfolio bildet die
       Adrian Stiefel                                                                                            Gesamtheit der tech-
43   Der optimierte Kompromiss                                                                                   nischen Fähigkeiten
       Martin Schläpfer                                                                                          und Errungenschaften
                                                                                                                 eines Landes ab. Die
44   Sichere Stromversorgung dank Europa                                                                         jüngste Erhebung für
       Martin Pfisterer                                                                                          die Schweiz zeigt ein
45   Strommarkt: Ja, aber ...                                                                                    insgesamt hohes Ni-
       Bernd Frieg                                                                                               veau der schweizeri-
                                                                                                                 schen Innovationstä-
Schweizer Volkswirtschaft                                                                                        tigkeit. Traditionelle
                                                                                                                 Felder, die weltweit
                                                                                      kaum noch wachsen, werden verlassen, und neue,
46            Wirtschaftspolitische Agenda                                            rasch wachsende Felder werden erobert. Der
                                                                                      Standort Schweiz hat sich demnach bezüglich
52   Neuer Lohnausweis: KMU-Verträglichkeit getestet                                  Innovation in den Jahren 1999 bis 2002 auf einen
       Simon Häusermann                                                               dynamischeren Wachstumspfad begeben.
55   Ist die Höhe der Staatsquote schuld an der Schweizer Wachstumsschwäche?
       Christoph A. Schaltegger
59   Neue Dynamik im schweizerischen Technologieportfolio
       Beat Hotz-Hart und Carsten Küchler
63   Schweizerisches Bildungssystem: Prognosen der Schüler- und Studierendenzahlen
       Jacques Babel

Internationales
67   Länderexamen Korruption – die Schweiz im internationalen Vergleich
                                                                                      67 Die «OECD-Konvention zur Bekämpfung
       Ivo Kaufmann
                                                                                      von Korruption und Bestechung ausländischer
71   IFC und seco: Multinationale Zusammenarbeit bei der administrativen Entlastung   Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr»
     von KMU in Lateinamerika                                                         von 1997 verpflichtet die teilnehmenden Staaten,
       Anita Bhatia und Paul Melton                                                   Auslandkorruption unter Strafe zu stellen, und
                                                                                      sieht ein umfangreiches Monitoring vor, in dem
Aktuelle Wirtschaftsdaten                                                             die gesetzlichen Anpassungen und deren Um-
                                                                                      setzung überprüft werden. Die Schweiz hat 2004
75   Auswahl statistischer Tabellen                                                   die Phase 2 des Monitorings durchlaufen. Der
                                                                                      Artikel fasst die Schlussfolgerungen des OECD-
Monatsthema der nächsten Ausgabe: Finanzmarktregulierung und -aufsicht                Berichts zusammen.
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Tagungszentren und Seminarhotels

    L ,endroit magique au bord du lac Leman
                                                                ,
                                                                                                                     Impressum
       Pour vos séminaires, ou tout autre événement
                  46 chambres avec vue lac                                                                           Herausgeber
              4 salles de conférence et banquet                                                                        Eidgenössisches Volkswirtschafts-
                2 restaurants: «Le Pavois» et                                                                          departement (EVD), Staatssekretariat
            «Les Guérites» 13 points Gault Millau
                                                                                                                       für Wirtschaft (seco)
                       1 grande terrasse
 Tél. 021 804 87 87 I Fax 021 801 51 22 I Quai du Mont-Blanc I 1110 Morges                                           Redaktionsausschuss
            www.hotel-mont-blanc.ch I info@hotel-mont-blanc.ch
                                                                                                                       Aymo Brunetti (Leitung des Redaktions-
                                                                                                                       ausschusses), Rita Baldegger, Christian
                                                                                                                       Maillard, Manuel Sager, Eric Scheidegger,
                                                                                                                       Geli Spescha, Markus Tanner, Boris Zürcher

                                                                                                                     Redaktion
                                                                                                                       Effingerstrasse 1, 3003 Bern
                                                                                                                       Telefon 031 322 29 39/18
                                                                                                                       Fax 031 322 27 40
                                                                                                                       E-Mail: kaethi.gfeller@seco.admin.ch
                                                                    Thomas-Bornhauser-Strasse 10, 8570 Weinfelden
                                                                      Telefon 071 626 33 33, Telefax 071 626 34 34     Gesamtleitung: Markus Tanner
Hotel Arc-en-ciel Gstaad Berner Oberland                             www.thurgauerhof.com, info@thurgauerhof.com       Chefredaktor: Geli Spescha
Restaurant Pizzeria Résidence                                                                                          Redaktion: Urs Birchmeier,
                                                                 Grösstes Hotel und Kongresszentrum                    Simon Dällenbach, Käthi Gfeller,
42 Zimmer • Seminarräume für 5 bis 40                               der Ostschweiz mit 75 Zimmern                      Christian Maillard, René Sintucci
Personen • originelles Rahmenprogramm •                             und 9 Seminarräumen für 20 bis
eigene Alphütte • Schwimmbad • ganzjährig
                                                                  900 Personen. Swisscom Hot Spot.                     Der Inhalt der Artikel widerspiegelt die
geöffnet • 5 Min. vom Dorfzentrum entfernt                                                                             Auffassung der Autorinnen und Autoren
                                                                   Zentrale Lage, gute Verbindungen
Tel. 033 748 43 43         Fax 033 748 43 53                    (SBB/Flughafen). 15 km zum Bodensee.                   und deckt sich nicht notwendigerweise
www.arc-en-ciel.ch         info@arc-en-ciel.ch                                                                         mit der Meinung der Redaktion.
                                                                                                                       Der Nachdruck von Artikeln ist, nach
                                                                                                                       Bewilligung durch die Redaktion, unter
                                                                                                                       Quellenangabe gestattet; Belegexemplare

                   SEEDAMM PLAZA                                                                                       erwünscht.

                                                                                                                     Verlag, Herstellung
                                             in Pfäffikon SZ                                                            Zollikofer AG, Fürstenlandstrasse 122,
                                                                                                                        9001 St.Gallen, Telefon 071 272 77 77,
                                                                      142 Vier-Stern-Zimmer                             Fax 071 272 75 86,
                                                                                                                        www.zollikofer.ch
                                                                       Erlebnisgastronomie
                                                                      und Events in diversen                         Inserate
                                                                      Restaurants und Bars                              Zollikofer AG, Alfred Hähni,
                                                                           Wellness Club                                Telefon 01 788 25 78, Fax 01 788 25 79,
                                                                                                                        E-Mail: dievolkswirtschaft@zollikofer.ch
                                                                         Casino Zürichsee
                                                                                                                     Abonnemente /Leserservice
                                                                                                                       Zollikofer AG, Lena Yesilmen,
                                                                                                                       Telefon 071 272 74 01, Fax 071 272 75 86,
                                                                                                                       E-Mail: dievolkswirtschaftabo@zollikofer.ch
                     40 Kongress-, Seminar-,
                   Bankett- und Sitzungsräume
                                                                                                                     Abonnementpreise
                     für bis zu 400 Personen
                                                                                                                       Inland Fr. 149.–, Ausland Fr. 169.–,
                           Schweizweit                                                                                 Studierende Fr. 69.–,
                         das umfassendste                                                                              Einzelnummer Fr. 15.90 (MWST inkl.)
                         Tagungszentrum
                                                                                                                       Erscheint 10x jährlich in deutscher
                                                                                                                       und französischer Sprache (französisch:
                                                                                                                       La Vie économique), 78. Jahrgang.

                                                                                                                       Abonnierte Auflage mit Beilage:
                                                                                                                       Konjunkturtendenzen Winter 2004/05

                                                                                                                     ISSN 1011-386X

                              SEEDAMMSTRASSE 3, CH-8808 PFÄFFIKON SZ
                            TELEFON +41 55 417 17 17, FAX +41 55 417 17 18
                             info@seedamm-plaza.ch, www.seedamm-plaza.ch
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Monatsthema

Editorial

Ein wichtiges Standbein der Wachstumspolitik
   Die Hochpreisinsel Schweiz und die Wachstumsschwäche gehören inzwischen
zu den meistdiskutierten wirtschaftspolitischen Themen in unserem Land. Mit
dem Stromversorgungsgesetz wird ein wichtiger Schritt getan, um etwas dagegen
zu unternehmen: Ein zentrales Ziel dieser Reform ist, den Wettbewerb im Elektri-
zitätssektor zu steigern und so mitzuhelfen, die Konkurrenzfähigkeit gerade auch
kleinerer Unternehmen zu steigern. Der Wettbewerb – und die damit verbundene
Wahlfreiheit für die Kunden – wird dafür sorgen, dass die Anbieter stärkere Anreize
erhalten, Innovationen in diesem Bereich voranzutreiben und umzusetzen.
   Neben dem Wettbewerbs- und Wachstumsaspekt gibt es weitere Gründe für eine
Reform, namentlich die internationale Verflechtung, die Versorgungssicherheit und
den Umweltschutz. Die Einbettung der Schweiz in Europa zeigt sich kaum irgendwo
deutlicher als im Strombereich: Die Lage der Schweiz und der starke Stromhandel
im europäischen Verbundnetz liessen uns zur Drehscheibe Europas werden. Ver-
sorgungssicherheit und Aufrechterhaltung des Aussenhandels bedingen daher eine
Angleichung an die europäischen Energiepolitiken. Die Garantie der Versorgungs-
sicherheit ist hier ebenso bedeutend wie das Ziel, den wachsenden Bedarf an Energie
möglichst umwelt- und ressourcenschonend zu decken.
   Diesen Anforderungen hat der Bundesrat in seinem
Beschluss vom 10. Dezember 2004 Rechnung getragen.
Das Stromversorgungsgesetz wird den Strommarkt
stufenweise öffnen, erneuerbare Energien einbeziehen
und der Versorgungssicherheit hohe Bedeutung
zumessen. Industrie und Gewerbe werden mit dieser
Reform ab 2007 von der Liberalisierung profitieren.
Um die starke Stellung der Schweiz im europäischen
Stromhandel zu sichern, verabschiedete der Bundesrat
zudem ein Aussprachepapier für Verhandlungen
mit der EU im Bereich Stromhandel und
-transit.
   Wie bei allen Reformen, die das Wachs-
tumspaket des Bundesrates für die laufende
Legislatur vorsieht, wird es entscheidend
sein, die Vorteile dieser Vorhaben klar
und verständlich zu kommunizieren.
Die Reformen können nur dann von
der Vorschlags- zur Implementierungs-
phase gelangen, wenn Parlament und
Volk die Beschlüsse mittragen.

Prof. Dr. Aymo Brunetti
Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik,
Mitglied des Geschäftsleitungsausschusses,
Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), Bern
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Monatsthema

Versorgungssicherheit trotz Strommarktöffnung –
machbar oder illusionär?
Die Stromdrehscheibe Schweiz
soll zuerst gesichert und an-
schliessend der inländische
Strommarkt schrittweise geöff-
net werden. Dies hat der Schwei-
zer Bundesrat am 3. Dezember
2004 beschlossen, indem er
die Botschaft 1 zur Änderung des
Elektrizitätsgesetzes sowie zum
Stromversorgungsgesetz zuhan-
den des Parlaments verabschie-
det hat. Das Elektrizitätsgesetz
soll im Parlament gegenüber dem
Stromversorgungsgesetz vorge-
zogen behandelt werden, damit
der grenzüberschreitende Strom-
                                                              Verzögerungen im politischen Prozess haben dazu geführt, dass die Schweiz bezüglich Neuordnung des Strom- und
handel schnell geregelt werden                                Gasmarktes ins Hintertreffen geraten ist. Als eines der wichtigsten Stromtransitländer Europas ist dieses Inseldasein
                                                              problematisch. Zudem beklagen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Wettbewerbsnachteile aufgrund der höheren
kann. Mit einem flexiblen zwei-                               Strompreise gegenüber der ausländischen Konkurrenz.                                                        Bild: Keystone

stufigen Vorgehen bei der Strom-
                                                                                                                                  tarische Beratung sowie in der Folge das Refe-
marktöffnung trägt der Bundes-                                Vom Spitzenreiter zum Nachzügler
                                                                                                                                  rendum zum Elektrizitätsmarktgesetz (EMG)
rat der Referendumsabstimmung                                    Von der Öffnung bisher monopolistisch or-                        haben dazu geführt, dass die Schweiz inzwi-
                                                              ganisierter Märkte erhoffen sich Wirtschafts-                       schen in Europa bezüglich Neuordnung des
zum Elektrizitätsmarktgesetz
                                                              politiker Effizienzgewinne und damit mehr                           Strom- und Gasmarktes nicht mehr zu den
Rechnung. Zur Förderung der                                   Wohlstand. Die Neuregelung der bis zu Be-                           Spitzenreitern, sondern zu den Nachzüglern
                                                              ginn der Neunzigerjahre rein staatlich-mono-                        zählt. Da unser Land aber gleichzeitig netz-
Wasserkraft und der neuen er-
                                                              polistisch organisierten Netzindustrien – Tele-                     mässig im Zentrum Europas liegt und für die
neuerbaren Energien schlägt                                   kommunikation, Bahn, Post, Strom und Gas –                          Versorgungssicherheit der umliegenden Län-
                                                              zählt immer noch als prioritäres Projekt der                        der eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt,
er erstmals energiepolitische
                                                              Europäischen Union (EU) zur Vollendung des                          ist dieses Inseldasein alles andere als unpro-
Zielvorgaben und ein konkretes                                Binnenmarktes.                                                      blematisch. Parallel dazu beklagten kleine und
                                                                 Die Schweiz startete ihre Bemühungen                             mittlere Unternehmen (KMU) die gegenüber
Vorgehen vor.
                                                              zur Neuregelung des Strom- und Gasmarktes                           ihrer europäischen Konkurrenz ungünstigeren
                                                              zeitlich etwa parallel zur EU, doch verzögerten                     Konditionen für Strom und Gas, welche leicht
                                                              sich die Bestrebungen schon bald: Experten-                         zu Wettbewerbsnachteilen führen können.
                                                              kommissionen,Vernehmlassungen,parlamen-
                                                                                                                                  Lehren aus dem Nein zum EMG
                                                                                                                                     Die Analysen des Neins vom September
                                                                                                                                  2002 zum EMG 2 haben ergeben, dass die
1 Vollständige Texte zur Botschaft, zum StromVG und
                                                                                                                                  Ablehnung geografisch insbesondere durch
  zur Änderung des EleG siehe Internet: www.energie-                                                                              die Westschweiz (Neinstimmen-Anteil: 58%–
  schweiz.ch; Dossiers, «Stromversorgungsgesetz».
2 Vox-Analyse zu den Abstimmungen vom 22. September
                                                                                                                                  69%) und die Ostschweiz (50%–55%), partei-
  2002 (Internet: www.polittrends.ch/vox-analysen/            Dr. Rainer Bacher                   Dr. Walter Steinmann            politisch durch die SVP (66%) und die SP
  daten.php); Institut für Politikwissenschaft, Universität   Leiter Netze, Projektleiter         Direktor des Bundes-
  Zürich: Analyse des Meinungsbildungs- und Entschei-
                                                                                                                                  (58%) erfolgten.
                                                              StromVG des Bundes-                 amtes für Energie (BFE),
  dungsprozesses zum Elektrizitätsmarktgesetz (April
                                                              amtes für Energie (BFE),            Ittigen/Bern
                                                                                                                                     Speziell in der Westschweiz wurde der Ser-
  2003) (Internet: www.energie-schweiz.ch/imperia/
  md/content/energiemrkteetrgertechniken/elektrizitts-        Ittigen/Bern                                                        vice public (Grundversorgung, Versorgungs-
  markt/51.pdf).                                                                                                                  sicherheit) bei einer Strommarktöffnung als

                                                              5 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Monatsthema

              gefährdet eingeschätzt. In der Ostschweiz wur-                      Brunnen ein Spannungsüberschlag zwischen
              den Zweifel an den Überlebenschancen der                            einer stark belasteten Hochspannungsleitung
              vielen zum Teil sehr kleinen Elektrizitäts-                         und einem Baum einen beinahe vollständigen
              versorgungsunternehmen (EVU) gehegt und                             Stromausfall (Blackout) in Italien aus.
              klare Konzepte zur Neuorganisation des Sek-                            Die Expertenkommission Schaer hat bis
              tors erwartet. Bei einem neuen Gesetzespro-                         zum Frühjahr 2004 einen robusten und aus-
              jekt galt es deshalb die Lehren aus dem Nein                        gewogenen Satz von Eckwerten bestimmt.
              zum EMG zu ziehen: durch griffigere Bestim-                         Gestützt darauf hat eine Gruppe von Juristen
              mungen über die Versorgungssicherheit und                           einen Gesetzesentwurf sowie einen erläutern-
              die Grundversorgung, aber auch die klare Be-                        den Bericht erarbeitet. Die vom Bundesrat er-
              zeichnung der dafür verantwortlichen Ins-                           öffnete Vernehmlassung im Sommer 2004
              titutionen sowie der Eingriffsmöglichkeiten                         hat eine mehrheitliche Zustimmung zum Ge-
              des Bundes bei Gefährdung der Versorgungs-                          setzesentwurf ergeben. Positiv aufgenommen
              sicherheit. Zusätzlich muss den kleineren Un-                       wurden auch die von der Expertenkommis-
              ternehmen der Branche die Gewissheit ge-                            sion als kritisch eingestuften Eckwerte zur:
              geben werden, dass sie eine Zukunftschance                          – vorgezogenen Regelung des grenzüber-
              haben und ihre Wünsche, Zweifel und Be-                                schreitenden Handels (durch neue gesetz-
              fürchtungen im politischen Prozess aufge-                              liche Bestimmung im EleG);
              nommen werden.                                                      – schrittweisen Marktöffnung;
                                                                                  – Möglichkeit eines fakultativen Referen-
                                                                                     dums vor der zweiten Etappe mit einer voll-
              Intensive Konsensarbeit
                                                                                     ständigen Marktöffnung;
              in der Expertenkommission
                                                                                  – Freiwilligkeit der Massnahmen zur Förde-
                  Nach der Ablehnung des EMG führte das                              rung erneuerbarer Energien und der Ener-
              Bundesamt für Energie (BFE) vorerst breite                             gieeffizienz.
              Konsultationen mit allen wichtigen Grup-
              pierungen der Befürworter- und Gegnerseite                             Diese haben deshalb auch in die Botschaft
              durch. Bereits sechs Monate nach der EMG-                           des Bundesrates (siehe Tabelle 1) an das Parla-
              Volksabstimmung setzte daraufhin das Eidg.                          ment Eingang gefunden.
              Departement für Umwelt, Verkehr, Energie
              und Kommunikation (Uvek) nach Rückspra-
                                                                                  Weshalb soll das Verhältnis
              che mit dem Gesamtbundesrat eine Experten-
                                                                                  zu Europa prioritär behandelt werden?
              kommission unter der Leitung von alt Re-
              gierungsrätin Dori Schaer (Bern) ein. In die-                           Der Blackout in Italien vom September
              ser Expertenkommission waren EMG-Gegner                             2003 hat einerseits aufgezeigt, wie eng die
              und -Befürworter sowie insbesondere die klei-                       Stromversorgungen der einzelnen Länder mit-
              neren EVU repräsentativ vertreten. Zudem                            einander verbunden sind, und andererseits
              wurden in vier Begleitgruppen parallel die                          die Bedeutung verbindlicher Abkommen und
              Themen Marktmodell, Versorgungssicher-                              Prozeduren für die geplanten Stromflüsse zwi-
              heit, Transparenz und Erneuerbare Energien                          schen den einzelnen Netzbetreibern demons-
              eingehend bearbeitet. Ziel war es, nach dem                         triert. Diese lassen sich wohl nur steuern,
              EMG-Nein eine ausgewogene, möglichst kon-                           wenn bei allen Beteiligten vergleichbare Insti-
              sensorientierte Lösung zu erarbeiten und die                        tutionen und Prozesse bestehen und die phy-
              volkswirtschaftlichen Themen (internationa-                         sikalischen mit den kommerziell vereinbarten
              le Transite, im internationalen Vergleich kon-                      Flüssen abgestimmt sind.Die EU hat auf Mitte
              kurrenzfähige Preise speziell für KMU, Un-                          2004 mit der EU-Verordnung 1228/2003 neue
              sicherheiten der Schweizer Bevölkerung über                         Regeln für die Stromtransite festgelegt sowie
              die Versorgungssicherheit, fehlendes Wirt-                          der EU-Kommission in diesem Bereich neue
              schaftswachstum in der Schweiz) abzuarbei-                          Kompetenzen übertragen.
              ten. Die zu suchende Lösung sollte auch vom                             In der Schweiz regelt das Elektrizitätsgesetz
              Volk akzeptierbar sein; sie sollte kein Referen-                    (EleG) seit über hundert Jahren die technische
              dum provozieren.                                                    Sicherheit von elektrischen Anlagen. Mit Blick
                  Beeinflusst wurde die Arbeit der Experten-                      auf die Versorgungssicherheit soll nun – als
              kommission durch zwei externe Ereignisse mit                        Übergangslösung – durch eine Änderung des
              erheblicher Signalwirkung: Am 17. Juni 2003                         EleG rasch eine europakompatible Regelung
              entschied das Bundesgericht, dass der Netz-                         des grenzüberschreitenden Stromhandels ge-
              zugang grundsätzlich dem Kartellgesetz un-                          schaffen werden. Dadurch soll die Stromver-
              tersteht und entsprechend Durchleitungen                            sorgung in der Schweiz optimiert und die
              für Dritte gewährt werden müssen, soweit                            Funktion der Schweiz als Stromdrehscheibe
              diese nicht durch kantonale rechtliche Ver-                         Europas gesichert werden. Die neuen gesetz-
              sorgungsmonopole unterbunden sind. Am                               lichen Regelungen sehen – in weit gehen-
              28. September 2003 löste in der Nähe von                            der Übereinstimmung mit den in der EU am

              6 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Monatsthema

Tabelle 1

Bestimmungen der Botschaft zum StromVG und zum geänderten EleG

                                      Gesetzliche Bestimmungen                                                  Wichtigste Elemente
   Grundversorgung,                   – Versorgungssicherheit durch die Gewährleistung                          – Stufe 1 StromVG: Haushalte werden fest vom Endver-
   Versorgungssicherheit                der Grundversorgung                                                       teiler versorgt
                                      – Zuteilung der Netzgebiete durch die Kantone                             – Stufe 2 StromVG: Haushalte haben Wahl zwischen freier
                                      – Anschlussgarantie im Siedlungsgebiet für alle                             Lieferantenwahl und fester Versorgung durch den End-
                                                                                                                  verteiler (Wahlmodell Abgesicherte Stromversorgung,
                                      – Liefergarantie und Tarifgestaltung für Haushalte
                                                                                                                  WAS)
                                        durch den Endverteiler
                                                                                                                – Bundesrat kann – bei absehbarer mittel- und langfristi-
                                      – Wahlmodell Abgesicherte Stromversorgung
                                                                                                                  ger Gefährdung der Versorgungssicherheit – Ausschrei-
                                        für Haushalte
                                                                                                                  bungen für Erzeugung und Massnahme zur Effizienz des
                                      – Aufgaben der Netzbetreiber                                                Stromverbrauchs veranlassen
                                      – Massnahmen bei Gefährdung der Versorgung

   Entflechtung, Transparenz          – Netzregulierung bzw. Netznutzung durch Vorgaben zur                     – Verteilnetze müssen buchhalterisch und
                                        Entflechtung (im EleG nur für Übertragungsnetzbetrei-                     kostenrechnerisch entflochten werden
                                        ber geregelt)                                                           – Übertragungsnetze müssen rechtlich
                                      – Jahres- und Kostenrechnung                                                und kostenrechnerisch entflochten werden
                                      – Informationsvermittlung und Rechnungsstellung

   Netzzugang, Netzkosten,            – Netzzugang im Inland                                                    – Kostenrechnungsschema: Vermögenswerte basieren auf
   Netznutzungsentgelte               – Netzzugang bei Engpässen im grenzüberschreitenden                         Anschaffungs- und Herstellwerten; Details werden vom
                                        Übertragungsnetz (auch im EleG geregelt)                                  Bundesrat in einer Verordnung festgelegt werden
                                      – Netznutzungsentgelt                                                     – Kosten für grenzüberschreitende Flüsse werden nicht
                                                                                                                  den inländischen Verbrauchern angerechnet
                                      – Anrechenbare Kosten
                                                                                                                – Netznutzungsentgelt darf die anrechenbaren
                                      – Kosten der Netznutzung durch grenzüberschreitende
                                                                                                                  Netzkosten nicht übersteigen
                                        Lieferungen (auch im EleG geregelt)
                                                                                                                – Netznutzungstarife sind im Netz eines Netzbetreibers
                                                                                                                  pro Spannungsebene und Kundengruppe einheitlich
                                                                                                                – Kapazitätszuteilung bei Netzengpässen soll marktwirt-
                                                                                                                  schaftlich, EU-kompatibel erfolgen

   Übertragungsnetzbetreiber          – Schweizerischer Übertragungsnetzbetreiber                               – Ein einziger, starker nationaler Übertragungsnetz-
                                      – dessen Aufgaben (auch im EleG geregelt)                                   betreiber mit Weisungsbefugnissen gegenüber Pro-
                                                                                                                  duzenten und Netzbetreibern und deren Eigentümer
                                                                                                                – Privatrechtliche AG
                                                                                                                – Kapital mehrheitlich von Schweizer Unternehmen
                                                                                                                  beherrscht
                                                                                                                – Stellt Systemdienstleistungen sicher
                                                                                                                – Erarbeitet Verfahren für das Netzengpassmanagement

   Elektrizitätskommission (ElCom)    – ElCom als Regulator                                                     – Starker Regulator bestehend aus 5 bis 7 unabhängigen
                                      – deren Organisation und Aufgaben                                           Sachverständigen
                                        (auch im EleG geregelt)                                                 – Kann von sich aus Tarife bzw. Entgelte absenken,
                                                                                                                  entscheidet im Streitfall über Netznutzungstarife
                                                                                                                  und -entgelte
                                                                                                                – Beobachtet Ziel der sicheren und erschwinglichen
                                                                                                                  Versorgung in allen Netzteilen
                                                                                                                – Koordiniert mit ausländischen Regulierungsbehörden

   Inkrafttreten 2. Stufe             – Inkrafttreten der 2. Stufe durch einen dem fakulta-
                                        tiven Referendum unterstellten Beschluss der Bundes-
                                        versammlung fünf Jahre nach Inkrafttreten des
                                        StromVG

   Freiwillige Phase:                 – Erhöhung Anteil der Elektrizitätserzeugung aus erneu-                   – Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am in-
   Erzeugung von Elektrizität           erbaren Energien am inländischen Endverbrauch von                         ländischen Elektrizitätsendverbrauch von 67% auf 77%
   aus erneuerbaren Energien            Elektrizität                                                              unter Beibehaltung Stand Wasserkraft 2003 sowie bei
                                      – Mehrkosten der Netzbetreiber für wettbewerbliche                          Erhöhung der Effizienz des Endverbrauchs
                                        Ausschreibungen können finanziert werden

   Obligatorische Phase               – Quoten und Zertifikate zur Erhöhung der Elektrizitäts-                  – Geförderte erneuerbare Energien sind: Sonnenenergie,
   (bei Nichterreichen Teilziele):      erzeugung aus erneuerbaren Energien                                       Geothermie, Windenergie oder Biomasse
   Massnahmen für erneuerbare         – Einspeisevergütung zur Erhöhung der Elektrizitäts-                      – Beide Ansätze sind allein oder kombiniert möglich
   Energien                             erzeugung aus erneuerbaren Energien                                     – Bundesrat regelt die Einzelheiten in Verordnung

                                            7 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Monatsthema

       Grafik 1                                                                                                                            beinhaltet eine Öffnung des Strommarktes in
       Öffnung des Strommarktes in zwei Stufen                                                                                             zwei Stufen (siehe Grafik 1). Ein solches ange-
                                                                                                                                           passtes Öffnungstempo soll der Referendums-
                                    1. Stufe                                                     2. Stufe
                                                                                                                                           abstimmung zum EMG Rechnung tragen. Mit
                                                                                                                                           diesem Vorgehen können die in der ersten,
                              Teilmarktöffnung                                            Volle Marktöffnung                               fünfjährigen Stufe gemachten Erfahrungen
                                                                                       mit Wahlmodell Abgesicherte
                                                                                        Stromversorgung (WAS) für                          bei der nachfolgenden zweiten Stufe, der voll-
                                                                                                Haushalte                                  ständigen Öffnung, genutzt werden.
                                                                                                                                               In der ersten Stufe des StromVG, die im
     65% End-                Nicht-Haushalte frei              Fakultatives            Nicht-Haushalte frei                                Jahre 2007 in Kraft treten soll, können alle
   verbraucher               (insb. Gewerbe/Industrie)         Referendum                 (insb. Gewerbe/Industrie)
                                                                                                                                           Nicht-Haushalte – d.h. insbesondere die ca.
      380 000
   Verbrauchs-                  Haushalte fest                                           Haushalte mit                                     380 000 Verbrauchsstätten der Industrie- und
       stätten                                                                                                                    WAS      Gewerbekunden inklusive KMU – ihren
                                                                                       Wahlfreiheit fest/frei
                                                                                                                                           Stromlieferanten frei wählen. Damit werden
                                                                                                                                           diese Endverbraucher, welche insgesamt ca.
                  2007                                                 2012                                                                65% des Schweizer Stromverbrauchs bezie-
                                                                                                       Quelle: BFE / Die Volkswirtschaft
                                                                                                                                           hen, frei vom Markt mit Strom beliefert. Die
                                                                                                                                           Haushalte werden weiterhin von den bisheri-
       Grafik 2                                                                                                                            gen Endverteilern bzw. Netzbetreibern ver-
       Zeitplan für das Inkrafttreten der Änderungen EleG und des StromVG                                                                  sorgt. Sie profitieren aber indirekt von dieser
                                                                                                                                           Öffnung, weil die Endverteiler bei der Beschaf-
          Anwendung Kartellgesetz für Netzzugang
                                                                                                                                           fung erzielte Preisreduktionen an ihre End-
                                                                                                                                           konsumenten weitergeben müssen. Fünf Jahre
          Vernehmlassung                                                                                                                   nach Inkrafttreten des StromVG – geplant im
                                                                                                                                           Jahre 2012 – erfolgt die zweite Öffnungsstufe
          Botschaft                                                                                                                        durch einen Beschluss der Bundesversamm-
                                                                                                                                           lung,der dem fakultativen Referendum unter-
          Änderung EleG                Parlament         Referendum?   in Kraft (befristet)                                                liegt.
                                                                                                                                               Ab diesem Zeitpunkt sollen alle Endver-
          StromVG                      Parlament                                      Referendum?       in Kraft                           braucher, also auch die Haushalte, freie Strom-
                      2004                           2005                          2006                               2007                 lieferantenwahl haben. Ausländische Erfah-
                                                                                                                                           rungen zeigen indes, dass nur ein kleiner Teil
                                 3.12.2004
                                                                                                       Quelle: BFE / Die Volkswirtschaft   der Konsumenten diese Freiheit auch nutzen
                                                                                                                                           will. In Deutschland und Österreich pendelt
                                                                                                                                           sich der Anteil der Wechselkunden bei den
                                                                   1. Juli 2004 in Kraft getretenen Vorschriften –                         Kleinkonsumenten inzwischen auf 3% bis 5%
                                                                   die Gründung eines unabhängigen Über-                                   ein. Deshalb wird im StromVG das Wahl-
       Kasten 1
                                                                   tragungsnetzbetreibers, die Einsetzung einer                            modell mit Abgesicherter Stromversorgung
        Modell der Expertenkommission
                                                                   Elektrizitätskommission (ElCom) als Regu-                               (WAS-Modell) explizit verankert: Wenn sich
                                                                   lierungsbehörde sowie den diskriminierungs-                             die Haushalte nicht mit dem Strommarkt aus-
           Das Modell zur Marktöffnung der Exper-                  freien Zugang zum Übertragungsnetz vor.Der                              einander setzen und Preise sowie Verträge
        tenkommission Schaer – welches jedoch vom                  Bundesrat schlägt dem Parlament vor, die Än-                            vergleichen wollen, bleiben sie bei ihrem bis-
        Bundesrat verworfen wurde – hatte vorgese-
        hen, dass in der ersten fünfjährigen Etappe
                                                                   derung des EleG vorgezogen zu behandeln,                                herigen Endverteiler, der ihnen eine Strom-
        alle Endverbraucher mit einem Jahresver-                   um die Übergangslösung möglichst rasch in                               versorgung permanent und zu fairen sowie
        brauch unter 100 MWh fest durch das End-                   Kraft treten zu lassen. Gleichzeitig mit der Be-                        kontrollierten Konditionen anbieten muss.
        verteiler-EVU beliefert werden sollen. In der              handlung des EleG im Parlament will der
        zweiten Stufe des StromVG sollten durch das
        «Wahlmodell Abgesicherte Stromversorgung                   Bundesrat auch eine entsprechende Vereinba-
                                                                                                                                           Erneuerbare Energien fördern
        (WAS)» neben den Haushalten auch die klei-                 rung zwischen der Schweiz und der EU aus-
        nen Unternehmen mit einem Jahresverbrauch                  handeln, in welcher die in der Schweiz geltende                            Vor zehn Jahren zählte die Schweiz zu den
        unter 100 MWh neben der freien Lieferanten-
                                                                   neue Rechtsgrundlage als EU-kompatibel an-                              Pionieren auf den Gebieten der erneuerbaren
        wahl die Möglichkeit haben, verpflichtend
        vom Endverteiler-EVU beliefert zu werden.                  erkannt wird.                                                           Energien sowie der Energieeffizienz. Inzwi-
        Die Begründung für die Wahl der Trennlinie                                                                                         schen haben sich die EU-Länder ambitiöse
        von 100 MWh Jahresstromverbrauch liegt                                                                                             Zielsetzungen für die erneuerbaren Energien
        darin, dass die Energiekosten (ohne Netz)                  StromVG schafft Vertrauen
                                                                                                                                           gegeben und teilweise auch sehr wirkungsvolle
        bei einem solchen Stromkonsum pro Jahr                     mit schrittweisem Vorgehen
        bei ca. 6000 Franken liegen und sich der Auf-                                                                                      Fördermechanismen etabliert. Bezüglich fi-
        wand zur freien Wahl eines Stromlieferanten                   Im Zentrum des neuen StromVG stehen                                  nanzieller Unterstützung haben die meisten
        im Vergleich zur dadurch erzielten Energie-                die Versorgungssicherheit und die Grundver-                             europäischen Länder die Schweiz überholt.
        preisreduktion nicht mehr lohnt. Der grosse
        Anteil der entsprechenden Netzkosten (ca.
                                                                   sorgung (Service public) in einem sich öffnen-                          Technologisch haben diese Staaten – dies zei-
        14 000 Franken pro Jahr) wird unabhängig                   den Markt. Kantone und Elektrizitätsversor-                             gen unsere Kontakte im Rahmen der Interna-
        vom Marktöffnungsgrad durch das StromVG                    gungsunternehmen erhalten klare Vorgaben                                tionalen Energieagentur IEA – Fortschritte
        reguliert.                                                 und können bei der Umsetzung auf die Unter-                             auf breiter Front erzielt. Die Schweiz wird ihre
                                                                   stützung des Bundes zählen. Das StromVG                                 Trümpfe im künftigen europäischen Strom-

                                                                   8 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Monatsthema

Kasten 2                                                                                                                    Bundesrat setzt verpflichtende Massnahmen
                                                                                                                            in Kraft, falls die (Teil-)Ziele nicht erreicht
   Nutzen des geänderten EleG und des StromVG
                                                                                                                            werden. Dazu gehören Quoten und Zertifi-
     Das geänderte EleG und das neue StromVG lö-               zuführen, um so die Strompreise zu senken                    kate zur Erhöhung der Elektrizitätserzeugung
   sen bedeutende Probleme und schaffen gleich-                und ihre Kunden halten zu können. Dadurch                    aus erneuerbaren Energien sowie eine kosten-
   zeitig wesentliche neue Rahmenbedingungen.                  kann jedoch die Qualität des Netzbetriebs                    deckende Einspeisevergütung für Neuanla-
   Die wichtigsten vier Punkte sind nachfolgend                mittelfristig gefährdet werden.
   aufgeführt.                                               – Das StromVG sorgt schweizweit für Investitions-
                                                                                                                            gen, die Sonnenenergie, Windenergie, Geo-
   – Das geänderte EleG erlaubt der Schweiz, als               sicherheit in die Netze und die Erzeugung: Die               thermie oder Biomasse nutzen.
     Partner der EU eingebettet mitten im Stromnetz            anrechenbaren Kosten der Netze und entspre-
     Europas aufzutreten und die Interessen des                chende Entgelte werden erst mit dem StromVG
     Handels wie auch die Ansprüche der Versor-                gesetzlich klar und einheitlich geregelt. Alle               Weiterer Fahrplan
     gungssicherheit ausgewogen einzubringen.                  Investoren – insbesondere die Gemeinden und
     Die Diskussionen rund um den Blackout in                  die Kantone als Eigentümer der Netze – er-                       Bereits in der ersten Januarhälfte 2005 be-
     Italien haben gezeigt, dass die Ziele des in-             halten mit dem StromVG ein staatlich sank-                   fasst sich die zuständige Kommission des Na-
     ternationalen Stromhandels nicht über den                 tioniertes Werkzeug zur Ermittlung des Werts
                                                                                                                            tionalrates mit der Botschaft zum EleG und
     Anforderungen eines sicheren Netzbetriebes                ihrer Netze. Erst das StromVG wird es den
     stehen dürfen. Erst mit dem geänderten EleG               vielen Gemeindewerken erlauben, klare län-                   StromVG. Wenn sie dem Vorziehen des EleG
     werden klare Regeln gelten, die für eine hohe             gerfristige Strategien für den Unterhalt und                 zustimmt, könnten parallel dazu die Verhand-
     nationale und auch EU-kompatible netzba-                  Ausbau der Netze sowie für Kooperationen mit                 lungen mit der EU aufgenommen werden.
     sierte Versorgungssicherheit sorgen. Sie wer-             anderen Netzbetreibern auszuarbeiten. Heute
                                                                                                                            Das geänderte EleG könnte bei rascher Bera-
     den es der Schweizer Wirtschaft erlauben,                 besteht auf diesem Gebiet grosse Unsicher-
     die Schweizer Netze und auch die Schweizer                heit, welche die Investitionen hemmt und                     tung im Parlament und ohne Referendums-
     Wasserkraft langfristig zum richtigen Wert                somit längerfristig die Versorgungssicherheit                abstimmung Anfang 2006 in Kraft treten.
     national und international nutzen zu lassen.              gefährden kann. Die Stromerzeugung soll                          Die Änderung des EleG regelt zeitlich
   – Das StromVG sorgt in der Schweiz langfristig für          weiterhin primär durch den Wettbewerb ge-
     eine hohe Sicherheit in der Versorgung mit                regelt werden, kombiniert jedoch mit einer
                                                                                                                            befristet bis zum Inkrafttreten des StromVG,
     Strom in allen Landesteilen zu einem angemes-             massvollen gesetzlich vorgeschriebenen                       jedoch längstens bis 31. Dezember 2008 (siehe
     senen Preis: Die sieben Überlandwerke, die                Förderung eines langfristig erhöhten Anteils                 Grafik 2), den grenzüberschreitenden Strom-
     Kantonswerke sowie die vielen Gemeinde-                   erneuerbarer Energien.                                       handel und implementiert die Elektrizitäts-
     werke haben bisher für eine qualitativ hoch             – Das StromVG sorgt in der Schweiz dafür, dass die
     stehende Stromversorgung gesorgt. Diese                   Haushalts-Stromkunden nicht den Preisschwan-
                                                                                                                            kommission sowie den Schweizer Übertra-
     hohe Qualität soll auch weiterhin erhalten                kungen und Preisrisiken als Kunden in einem                  gungsnetzbetreiber. Diese Bestimmungen des
     bleiben. Bisher konnten die EVU die Kosten für            freien Markt ausgesetzt sind. Ohne StromVG gilt              EleG sind auch im StromVG enthalten. Bis
     die Stromversorgung problemlos auf die End-               das Kartellrecht, mit dem alle Endverbraucher                zum Inkrafttreten des StromVG gilt für den
     verbraucher überwälzen. Aufgrund fehlender                ohne gesetzlich geregelte Netznutzung frei
     gesetzlicher Regelungen ist die so erreichte              ihren Lieferanten wählen können. Die EVU                     Netzzugang in der Schweiz weiterhin das Kar-
     hohe Versorgungsqualität jedoch langfristig               müssen so Lieferverträge abschliessen, wel-                  tellgesetz. Die Öffnung erfolgt also einzelfall-
     nicht mehr gesichert. Da gestützt auf das Kar-            che die Wechselbereitschaft vor allem der                    weise primär für Grosskonsumenten.
     tellgesetz grundsätzlich jeder Endverbraucher             stromintensiven kommerziellen Endverbrau-
                                                                                                                                Deshalb ist zu hoffen, dass das Parlament
     schon heute seinen Lieferanten frei wählen                cher berücksichtigen. Dies kann sich negativ
     kann, sind die EVU verunsichert, ob und inwie-            auf die Preise der Haushalte auswirken, die                  auch den Beratungen des StromVG die nötige
     weit sie wegen des erhöhten Marktdrucks ihre              ebenfalls vom EVU beliefert werden müssen.                   Priorität einräumt, damit die Schweiz auf den
     Kosten und somit die Preise senken sollen. Sie            Erst mit dem StromVG haben Haushalte An-                     Zeitpunkt der vollständigen Marktöffnung in
     stehen vor der Versuchung, Kostensenkungen                recht auf einen festen Tarifsatz. Zudem über-
                                                                                                                            Europa im Jahr 2007 ebenfalls über eine adä-
     durch kurzfristig reduzierten Unterhalt im                prüft eine Elektrizitätskommission, d.h. der
     Netz und auch in der Stromerzeugung herbei-               Regulator, diese Tarife.                                     quate Marktordnung verfügt. Erst bei Inkraft-
                                                                                                                            treten des StromVG gelten spezialrechtliche
                                                                                                                            Bestimmungen über den Netzzugang bzw.
                                                                                                                            den Marktöffnungsgrad. Für diese Bestim-
                                                        binnenmarkt nur ausspielen können,wenn sie                          mungen wird das Kartellrecht durch das
                                                        auch bezüglich Herkunftsnachweis und För-                           StromVG abgelöst.
                                                        derprogramm für erneuerbare Energien eine
                                                        glaubwürdige Politik betreibt und ihre För-
                                                                                                                            Fazit
                                                        deranstrengungen plausibel darlegen kann.
                                                           Die vom Bundesrat verabschiedete Bot-                               Das Inkrafttreten der Änderungen des EleG
                                                        schaft zum StromVG beinhaltet denn auch                             führt zu Rechtssicherheit beim grenzüber-
                                                        wichtige energiepolitische Zielvorgaben zur                         schreitenden Stromhandel, sichert die natio-
                                                        Erhaltung der Stromerzeugung aus Wasser-                            nale und internationale Versorgung mit Strom
                                                        kraft und zur Verstärkung der Stromproduk-                          über die Übertragungsnetze und stärkt die
                                                        tion aus anderen erneuerbaren Energien so-                          Rolle der Schweiz als Stromdrehscheibe im
                                                        wie eines effizienten Elektrizitätsverbrauches.                     Zentrum Europas. Ergänzend dazu sorgt das
                                                        Angestrebt wird, bis zum Jahr 2030 den Anteil                       StromVG im Inland ausgewogen für «Wettbe-
                                                        der erneuerbaren Energien am inländischen                           werb wo möglich und erfolgversprechend»,
                                                        Endverbrauch von 67% auf 77% zu erhöhen.                            eine «sichere und nachhaltige Versorgung
                                                        Dieses Ziel soll vorerst mit freiwilligen Mass-                     der Endverbraucher mit Elektrizität in allen
                                                        nahmen der Wirtschaft umgesetzt werden,                             Landesteilen» sowie eine «massvolle, aber
                                                        wobei die Mehrkosten für Ausschreibungen                            wirkungsorientierte Förderung erneuerbarer
                                                        auf die Übertragungskosten des Höchst-                              Energien».                                  
                                                        spannungsnetzes – und somit auf alle Endver-
                                                        braucher – überwälzt werden können. Der

                                                        9 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
Monatsthema

     Regulierungsbedarf im Strommarkt
     aus gesamteuropäischer Sicht
     Strom wird aus fossilen, nuklearen
     oder erneuerbaren Energiequellen
     generiert. Da Strom selber nicht
                                                                                                                                – erstens die Schaffung von optimalen wirt-
     gelagert werden kann, ist der                         Der herkömmliche Energiemarkt
                                                                                                                                  schaftlichen Rahmenbedingungen;
     Strommarkt jederzeit auf das Vor-                         In den OECD-Ländern entstand die Strom-                          – zweitens der Erhalt der Versorgungssicher-
                                                           branche als Teil des Energiesektors im Laufe                           heit;
     handensein seiner Primärener-
                                                           des 20. Jahrhunderts. Sowohl die Kapitalinten-                       – drittens der Schutz der Umwelt.
     gien angewiesen. Das effiziente                       sität als auch der strategische Charakter des
                                                           Energiesektors haben in vielen Ländern dazu
     Funktionieren des europäischen                                                                                             Schaffung von optimalen
                                                           geführt, dass der Staat als Unternehmer tätig
                                                                                                                                wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
     Strommarktes stellt eine Reihe                        wurde. In den europäischen Gemeinschaften
                                                           stand Energie am Ursprung des Integrations-                             Nirgendwo ist der Handlungsbedarf für
     spezifischer Regulierungsanfor-
                                                           prozesses. Die Europäische Gemeinschaft für                          den Staat grösser als im Bereich der wirt-
     derungen an den Netzbetrieb,                          Kohle und Stahl (EGKS) von 1951 und der                              schaftlichen Rahmenbedingungen. Effiziente
                                                           Euratom-Vertrag von 1957 waren wichtige                              Wettbewerbsbedingungen sind Voraussetzung
     hängt aber auch davon ab, ob die
                                                           Marksteine in der europäischen Integrations-                         für das Wirtschaftswachstum. Am 18. Februar
     mit dem Strommarkt zusammen-                          geschichte.                                                          2004 hat der Bundesrat ein umfangreiches
                                                               Dieses staatlich dominierte System wurde                         Wachstumspaket mit 17 einzelnen Massnah-
     hängenden Märkte gut funktio-
                                                           durch die Erdölkrise der Siebzigerjahre er-                          men verabschiedet; das Stromversorgungs-
     nieren.                                               schüttert. Das Erdölembargo der Opec gegen                           gesetz (StromVG) ist einer der Punkte. Damit
                                                           die OECD-Staaten führte damals zu einer Ver-                         der Wettbewerb seit der kartellrechtlich er-
                                                           zwanzigfachung des Erdölpreises zwischen                             folgten Marktöffnung 2 effizient ausgestaltet
                                                           1972 und 1982. Dies wurde als künstliche                             werden kann, müssen drei wesentliche Vo-
                                                           Preisbildung empfunden.Mancherorts wurde                             raussetzungen erfüllt sein: Netzzugang, Netz-
                                                           der Ruf laut, der freie Markt hätte dies verhin-                     tarif und Entflechtung. Im Folgenden werden
                                                           dern können. In der Folgezeit gewannen die                           diese Elemente zusammen mit der wirtschaft-
                                                           Spot-Märkte (Öl-Börsen) stark an Bedeu-                              lich optimalen Regelung beschrieben.
                                                           tung und Marktanteil. Zudem gründeten die
                                                           OECD-Länder die Internationale Energie-                              Regulierter Netzzugang
                                                           agentur (IEA) in Paris 1 mit dem Ziel, Versor-                           Der Staat muss den diskriminierungsfreien
                                                           gungsstörungen vorzubeugen.                                          Netzzugang garantieren. Wie andere netzge-
                                                               Der herkömmliche Strommarkt ist nicht                            bundene Aktivitäten3 ist ein effizienter Strom-
                                                           nur durch das Unternehmertum des Staates                             markt am besten mit der Einführung des
                                                           geprägt, sondern zusätzlich durch lokale Ge-                         regulierten Netzzugangs (rTPA) 4 zu gewähr-
                                                           bietsmonopole. Anlässlich einer Marktre-                             leisten. Wettbewerb soll auf dem Netz und
                                                           form stellt sich die grundlegende Frage nach                         nicht zwischen den Netzen 5 stattfinden. Das
                                                           der optimalen Rolle des Staates im Energie-                          Netz gilt als natürliches Monopol; seine Ver-
                                                           bereich. Grob gesagt können drei Gründe für                          doppelung wäre ökonomisch sinnlos.
                                                           die Staatsintervention im Energiebereich ge-                             Das StromVG übernimmt das Modell des
                                                           nannt werden:                                                        rTPA, welches politisch unbestritten ist. Auch
                                                                                                                                in der Europäischen Union (EU) wurde es ab
                                                                                                                                1. Juli 2004 zum einzig gültigen Marktmodell.
                                                                                                                                Politisch diskutiert wird hingegen die Ge-
                                                                                                                                schwindigkeit der Marktöffnung. Aus wirt-
                                                                                                                                schaftlicher Sicht wäre der sofortige Netz-
                                                                                                                                zugang für alle Verbraucher zu begrüssen.
                                                                                                                                    Der Netzzugang ist jedoch nicht nur inner-
                                                           Steivan Defilla                                                      halb der Schweiz wichtig. Die schweizerische
                                                           Ressort Technologie-,                                                Strombranche erwirtschaftet ein Viertel ihrer
                                                           Umwelt- und Energie-
     1 Internet: www.iea.org.                              politik, Staatssekretariat
                                                                                                                                Einnahmen im Verkehr mit dem Ausland. Da-
     2 Das Bundesgericht hat am 17. Juni 2003 in einem     für Wirtschaft (seco),                                               her sind Vorbereitungen im Gang, den Netz-
       Präzedenzfall entschieden, dass das Kartellgesetz
       auf den Strommarkt anwendbar ist.
                                                           Bern, Vorsitzender                                                   zugang im EU-Raum auf der Grundlage einer
     3 Z.B. Bahn, Telekommunikation.
                                                           des Handelsausschusses                                               bilateralen Vereinbarung zu festigen.Eine Ver-
     4 Regulated Third Party Access.                       der Energiecharta,
     5 Bei der Mobiltelefonie findet z.B. der Wettbewerb   Brüssel
                                                                                                                                einbarung mit der EU ist umso wichtiger, als
       zwischen den Netzen statt.                                                                                               die EU an einer Integration der Strom- und

                                                           10 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema

Der staatlich dominierte Energiemarkt
wurde durch die Erdölkrise der Siebzigerjahre
erschüttert. In der Folge gewannen die Spot-
Märkte stark an Bedeutung und Marktanteil.
Zudem gründeten die OECD-Länder die Inter-
nationale Energieagentur. Im Bild: Kohle-
kraftwerk in Grossbritannien.

                                                                                                                                                                Bild: Keystone

                                                     Gasnetze Südosteuropas arbeitet. Wenn diese                              Einige Länder – z.B. Deutschland – haben
                                                     wie geplant 2005 zustande kommt, gibt es für                         den Markt Mitte der Neunzigerjahre auf
                                                     Strom und Gas ein einziges Marktmodell von                           Grund einer Branchenvereinbarung zu 100%
                                                     Gibraltar bis zum Nordkap und nach Ostana-                           geöffnet und dabei die Netztarife nicht regu-
                                                     tolien – nur die Schweiz hätte noch ein in-                          liert. Netzbetreiber waren frei, die Netzent-
                                                     kompatibles Marktmodell. Für die EU steht                            gelte festzulegen. Die systematische Ausnut-
                                                     die Sicherung des Transits durch die Schweiz                         zung der Marktmacht hat den Wettbewerb
                                                     im Vordergrund. Der in der Schweiz verur-                            praktisch ausser Kraft gesetzt und die Durch-
                                                     sachte Stromausfall in Italien vom 28.Septem-                        leitungskosten durch fremde Netze in die
                                                     ber 2003 hat diesbezüglich zu Unsicherheiten                         Höhe getrieben. Neben der Marktmacht des
                                                     geführt.                                                             individuellen Netzbetreibers kommt auch kol-
                                                                                                                          lektive Marktmacht in Betracht. Falls sie nicht
                                                     Regulierter Netztarif                                                regulatorisch beschränkt wird, kann sie sich in
                                                        In dem Umfang, in dem Netzzugang be-                              Form von Branchenvereinbarungen mit Be-
                                                     steht, muss der Staat den Netztarif regulieren.                      rechnungsgrundlagen äussern, welche die
                                                     Die Tarifregulierung ist ein Schlüsselelement                        Netzkosten zu mehr als 100% abgelten. Dieser
                                                     jeder gelungenen Marktreform.Ohne sie wür-                           Monopolrentenanteil würde den Strom ver-
                                                     de der Netzbetreiber den eigenen Strom preis-                        teuern.
                                                     lich bevorzugen und somit seine Vormacht-                                Die Netztarifizierung im Strommarkt ge-
                                                     stellung missbrauchen.                                               staltet sich indes komplizierter als bei anderen
                                                                                                                          leitungsgebundenen Aktivitäten (vgl. Kas-
Kasten 1
                                                                                                                          ten 1). Die optimale Netztarifizierung eruiert
   Vier Naturgesetze und die Konsequenzen für die Netzkosten
                                                                                                                          die wahrscheinlichste Transitroute anhand der
                                                                                                                          Informationen über bestehende Lieferverträge
   – Strom fliesst nach dem Gesetz des geringsten         Zu diesen variablen kommen fixe Netzbenutzungs-                 und setzt das Netznutzungsentgelt entspre-
     Widerstandes («Kirchhoffsches Gesetz») und           kosten, welche durch die fixen Systemkosten                     chend der resultierenden Netzbelastung indi-
     nicht nach dem Prinzip des tiefsten verein-          bestimmt werden (im wesentlichen Spannungs-
     barten Transportpreises. Der Wettbewerb              und Frequenzhaltung).
                                                                                                                          viduell fest (Verursachergerechtigkeit). Eine
     zwischen Transitrouten ist Illusion.                 Wenn diese vier Naturgesetze etwa im Bahnreise-                 Strombörse nach Vorbild des skandinavischen
   – Der Stromverkehr in entgegengesetzter                verkehr zur Anwendung kämen und das Tarifsystem                 «Nord Pool» ist für optimale Netztarife uner-
     Richtung annulliert sich. Auf Stromleitungen         optimal ausgestaltet wäre, würde ein Passagier,                 lässlich.
     gibt es keinen Gegenverkehr. Die variablen           der zu einem Zeitpunkt hohen Netto-Verkehrs
     Durchleitungskosten werden daher nur                 zwischen A und B den Zug in der Gegenrichtung                       Im EU-Raum hat sich seit einigen Jahren
     durch den Saldofluss bestimmt und sind               (von B nach A) benutzt, einen negativen Trans-                  im internationalen Handel ein Verbot dis-
     prinzipiell richtungsorientiert. In der              portpreis bezahlen, falls seine (negativen) vari-               tanzabhängiger Tarife durchgesetzt. Letztere
     Gegenrichtung sind die variablen Kosten              ablen Kosten die (positiven) Fixkosten überstei-
                                                                                                                          wurden durch einen gesamteuropäischen
     negativ (Netzentlastung).                            gen. Die variablen Kosten sind umso höher, je
   – Die Transportverluste – und somit die varia-         stärker der Verkehr in der Stossrichtung ist,                   Kompensationsmechanismus – eine europäi-
     blen Durchleitungskosten des Saldoflusses –          d.h. je mehr unser Passagier das Netz entlastet,                sche «Briefmarke» – ersetzt. Wirtschaftlich
     steigen quadratisch mit dem Saldofluss (bzw.         indem er in der Gegenrichtung fährt. Auf einer                  entspricht dieses Briefmarkenprinzip einer
     sinken quadratisch in der Gegenrichtung).            TGV-Linie (symbolisiert die Hochspannung) wäre
                                                                                                                          Quersubvention des Fernverkehrs durch den
   – Die Transportverluste – und mit ihnen die va-        die Netzbelastung – und folglich die Entlastung
     riablen Durchleitungskosten – steigen mit der        durch unseren Passagier – jedoch geringer als                   Nahverkehr. Diese wird als Ankurbelung des
     überwundenen Distanz, sinken jedoch, je hö-          auf einer Strassenbahnlinie (symbolisiert die                   internationalen Wettbewerbs von der EU aus-
     her die Spannung auf dem Netzabschnitt ist.          Niederspannung).                                                drücklich erwünscht. Im Falle von Engpäs-
                                                                                                                          sen wird die EU zusätzlich ein Engpassmana-

                                                     11 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema

                                                                                                                                         nur eine rudimentäre buchhalterische Ent-
                                                                                                                                         flechtung vorgenommen. Die lokalen Strom-
                                                                                                                                         verteiler sind mit ihren Gemeinwesen engstens
                                                                                                                                         verflechtet. Dies hat symbiotischen Charakter:
                                                                                                                                         Die Gemeinde profitiert von Gratisenergie
                                                                                                                                         (Strassenbeleuchtung) und das lokale Verteil-
                                                                                                                                         werk profitiert von Steuererleichterungen und
                                                                                                                                         Gratisleistungen (Büroräumlichkeiten etc.). In
                                                                                                                                         der Schweiz würde die rechtliche Entflechtung
                                                                                                                                         der Lokalnetze Probleme bereiten. Sie hätte
                                                                                                                                         möglicherweise lokale Steuererhöhungen zur
                                                                                                                                         Folge, da die Gratisenergie bezahlt werden
                                                                                                                                         müsste und Gratisleistungen sowie Steuerver-
                                                                                                                                         günstigungen an den Stromverteiler entfielen.8

                                                                                                                                         Erhalt der Versorgungssicherheit
                                                                                                                                             Neben der Schaffung optimaler Rahmen-
                                                                                                                                         bedingungen ist auch der Erhalt der energe-
                                                                                                                        Bild: Keystone
     Mitte des nächsten Jahrzehnts dürfte die                                                                                            tischen Versorgungssicherheit (auch Ener-
     Produktionsspitze des Erdöls überschritten                                                                                          giesicherheit genannt) ein Grund für eine
     werden. In dieser Lage gilt es, übertriebenen
                                                                    gement einführen. Dieses kann entweder in                            Intervention des Staates. Im Bereich der Ener-
     Optimismus und Pessimismus zu vermeiden.
     Die realistische Antwort ist die wirtschafts-                  Form von expliziten Auktionen6 überlaste-                            giesicherheit muss zwischen kurzfristigen,
     freundliche und langfristige Förderung er-                     ter Netzabschnitte oder in Form impliziter                           mittelfristigen und langfristigen Versorgungs-
     neuerbarer Energien.                                           Auktionen7 an Strombörsen durchgeführt                               störungen unterschieden werden. Für den
                                                                    werden.                                                              Strom besonders wichtig sind zusätzlich die
                                                                                                                                         sehr kurzfristigen Versorgungsstörungen. Auf
                                                                    Entflechtung                                                         Grund der oben beschriebenen notwendigen
                                                                        Der Staat muss die Entflechtung zwischen                         Entflechtung des Strommarktes limitieren
                                                                    monopolistischer und wettbewerblicher Ak-                            sich die optimalen Staatseingriffe allerdings
                                                                    tivität sicherstellen. Dies ist eine zusätzliche                     auf den Bereich, in welchem kein Markt beste-
                                                                    Massnahme, um die Nicht-Diskriminierung                              hen kann (Monopolbereich). Wo ein Markt
                                                                    des «fremden» Stromes sicherzustellen. Ohne                          besteht (Produktion, Handel), wird der Staat
                                                                    Entflechtung könnte beispielsweise ein Infor-                        zur Sicherung der Versorgung nur eingreifen,
                                                                    mationstransfer aus dem monopolistischen                             falls der Markt versagt.
                                                                    Netzbereich in den wettbewerblichen Pro-
     6    Diese Form des Engpassmanagements erinnert an                                                                                  Sehr kurzfristige Versorgungsstörungen
          «Road Pricing». Sie ist wirtschaftlich nur optimal,
                                                                    duktions- und Marketingbereich ausgenutzt
          wenn die Ursache des Engpasses bei fehlendem Kapital      werden. Die optimale Entflechtung besteht                                Bei den sehr kurzfristigen Versorgungs-
          (und nicht etwa in der Bürokratie) liegt. Folglich kann
          der Engpass behoben werden, indem der Auktionserlös
                                                                    aus einer möglichst vollständigen Trennung                           störungen handelt es sich meistens nicht um
          investiert wird.                                          zwischen Netz und Produktion hinsichtlich                            Produktions-, sondern um Netzstörungen.
     7    Implizite Auktionen werden auch «Marktteilung» ge-
          nannt. Sie sind wirtschaftlich optimal, bedürfen aber
                                                                    Buchhaltung, Rechtsform, Organisation, Ent-                          Solche Stromausfälle dauern im Bereich von
          zum Funktionieren einer Börse. Die Strombörse be-         scheidungsgewalt und Eigentum sowie einer                            Stunden und sind daher zu kurzfristig, als dass
          rücksichtigt nur Angebote, welche die Netze nicht
          überlasten. Im Falle eines Engpasses werden vermehrt
                                                                    Kontrolle des Informationsflusses.                                   der Markt eine Rolle spielen könnte. Lokale
          Lieferungen von Produzenten in geografischer Nähe             Die Entflechtung hinsichtlich Eigentum ist                       Stromausfälle werden durch punktuelle Ereig-
          der Nachfrage berücksichtigt. Diese sind möglicher-
          weise nicht die absolut günstigsten Angebote.
                                                                    gleichbedeutend mit einer Enteignung des                             nisse (z.B. Stürme wie «Lothar») verursacht.
     8    Die rechtliche Entflechtung hätte ein statistisches       Netzes. Auf sie wird in ganz Europa verzichtet,                      Bei grossflächigen Störungen stehen allerdings
          Wachstum des Bruttoinlandprodukts zur Folge (auch
          wenn sich sonst nichts ändert), da ein informeller,
                                                                    da kein Staat die Mittel aufbringen würde, um                        inadäquate Regelungen des Systembetriebs im
          statistisch nicht erfasster Austausch zwischen einem      ganze Netze aufzukaufen. Die Entflechtung                            Vordergrund wie dies etwa beim Stromausfall
          Industriebetrieb und einem öffentlichen Gemein-
          wesen in einen rechtlich formellen Handel umgewan-
                                                                    hinsichtlich Information beinhaltet, dass alle                       in der Grossregion New York vom 14. Septem-
          delt wird.                                                anonymisierten Informationen über freie                              ber 2003 der Fall war. Der Stromausfall in Ita-
     9    Internet: www.ucte.org, Rubrik «News», 27.04.2004.
     10   SR 531.
                                                                    Netzkapazitäten veröffentlicht werden, wäh-                          lien vom September 2003 (siehe Kasten 2) mag
     11   Internet: www.encharter.org.                              rend alle individualisierten und kommer-                             als weiteres Beispiel für Letztere genannt wer-
     12   Art. 9 Entwurf StromVG. Der Bund wird dadurch nicht
          zum Inhaber dieser Anlagen; er ist Initiator und Bewil-
                                                                    ziell sensitiven Daten, die beim Netzbetreiber                       den, obwohl die fehlende Grundlast-Produk-
          ligungsinstanz.                                           anfallen, geheim gehalten werden müssen.                             tion in Italien auch auf fehlende Investitionen
     13   Art. 17 Abs. 6 Entwurf StromVG. Auch das EU-Recht
          kennt diese vom Patentrecht inspirierte Bestimmung,
                                                                    Die schweizerischen Netzbetreiber beabsich-                          und damit eine mittelfristige Versorgungsstö-
          gemäss welcher eine «public line» während der An-         tigen, ab Januar 2005 den Betrieb der Hoch-                          rung hindeutet.
          fangszeit ihrer Nutzung zu einer «merchant line»
          mit exklusiven Rechten für den Erbauer wird.
                                                                    spannungsnetze auf freiwilliger Basis der neu                            Lösungsansätze zur Vermeidung von in-
     14   Die Aussagen des Club of Rome Anfang der Siebziger-       gegründeten privatrechtlichen Gesellschaft                           adäquaten Regeln des Systembetriebs können
          jahre haben sich auch deshalb als übertrieben er-
          wiesen, weil die Erschöpfung mancher biologischer
                                                                    «Swissgrid» zu übertragen.                                           im Schlussbericht der «Union for the Coordi-
          Ressourcen durch internationalen Schutz verhindert            Für Lokal- und Regionalnetze unterhalb ei-                       nation of Transmission of Electricity» (UCTE)
          wurde.
     15   RL 2001/77/EG.
                                                                    ner gewissen Grösse (in der EU: 100 000 Kun-                         zum Stromausfall in Italien ausgemacht wer-
     16   SR 641.71.                                                den) wird aus praktischen Gründen generell                           den.9 Unter anderem müsste das notfallmässi-

                                                                    12 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema

                                                  ge Aufschaltrecht brachliegender Kapazitäten                         handelt es sich dabei um ein dirigistisches
                                                  durch den Netzbetreiber generell ausgeweitet                         Instrument, das allerdings auf Grund der be-
                                                  werden. Dies kann vertraglich oder hoheitlich                        stehenden Investitionshemmnisse notwen-
                                                  (z.B. im Rahmen des Landesversorgungsge-                             dig ist. Der grenzüberschreitende Netzbau
                                                  setzes 10) geschehen. Die Haftpflicht der Netz-                      enthält einen zusätzlichen Anreiz in Form
                                                  betreiber bei Stromausfällen wurde aus dem                           einer befristeten Ausnahme von den Bestim-
                                                  Entwurf StromVG gestrichen. Sie hätte einen                          mungen zum nicht diskriminierenden Netz-
                                                  Alleingang der Schweiz bedeutet.                                     zugang und zu den anrechenbaren Netz-
                                                                                                                       kosten.13
                                                  Kurzfristige Versorgungsstörungen
                                                     Kurzfristige Versorgungsstörungen sind                            Langfristige Versorgungsstörung
                                                  Marktversagen im klassischen Sinn des Be-                               Bei der langfristigen Versorgungsstörung
                                                  griffs. Sie dauern Wochen oder Monate. Im                            versagt der Markt durch versiegen der natür-
                                                  energetischen Bereich gelten die beiden Erdöl-                       lichen Ressourcen. Solche Versorgungsstö-
                                                  krisen der Siebzigerjahre als Paradebeispiel.Bei                     rungen sind bisher erst bei Übernutzung
                                                  der Bekämpfung von Marktversagen kommt                               biologischer Ressourcen (z.B. Überfischung,
                                                  der Lagerhaltung eine entscheidende Bedeu-                           übermässige Waldrodung) eingetreten.14 Bei
                                                  tung zu. Die eingangs erwähnte IEA ist eine                          energetischen Ressourcen steht nicht deren
                                                  Organisation, welche für die Bewältigung von                         Schutz, sondern die Forschung, Entwicklung
                                                  Erdölkrisen auf dieses Mittel setzt. Strom ist                       und Markteinführung alternativer Energie-
                                                  dagegen nicht lagerbar. Daher kommt die La-                          quellen im Vordergrund. Die von der Opec
                                                  gerhaltung höchstens für die den Strom pro-                          und anderen Förderländern publizierten ver-
Kasten 2
                                                  duzierenden Primärenergien in Frage. Im Rah-                         bleibenden Jahre bis zur Erschöpfung des Erd-
 Transitprobleme
                                                  men des Landesversorgungsgesetzes hat der                            öls entsprechen einer politischen und nicht
                                                  Bundesrat die Kompetenz, die notwendigen                             einer geologischen Wahrheit. Allgemein wird
    Am 28. September 2003 um 3 Uhr 01 kam         Massnahmen auch im Bereich der elektrischen                          angenommen, dass Mitte des nächsten Jahr-
 es zwischen der Hochspannungsleitung über        Energie zu treffen.                                                  zehnts die Produktionsspitze des Erdöls über-
 den Lukmanierpass und einem darunter
 stehenden Baum zu einem Lichtbogen
                                                                                                                       schritten wird. In dieser Lage gilt es, übertrie-
 (Blitz), worauf die Leitung automatisch ab-      Mittelfristige Versorgungsstörungen                                  benen Optimismus und Pessimismus zu
 geschaltet wurde. Um 3 Uhr 25 wurde auch            Bei den mittelfristigen Versorgungsstö-                           vermeiden. Die realistische Antwort ist die
 die San-Bernardino-Leitung abgeschaltet.         rungen versagt nicht der Waren-, sondern der                         wirtschaftsfreundliche und langfristige För-
 Beide Linien waren mit einer Kapazität von
 110% überlastet. Diese Ereignisse führten        Kapitalmarkt. Es entsteht ein temporärer                             derung erneuerbarer Energien. Die diesbe-
 während des Tages zu einem Stromausfall in       Engpass bei der Produktionskapazität, der zu                         zügliche EU-Richtlinie 15 dürfte für die Schweiz
 ganz Italien. Gemäss der Untersuchung des        einer Explosion der Preise führt. Parade-                            prüfenswerte Ansätze enthalten. Wenn die
 Eidg. Starkstrominspektorats (Esti) wurde in
                                                  beispiel im Strommarkt ist die Stromkrise                            Schweiz wie die EU ein Verbrauchsziel für er-
 der Schweiz weder gegen ein Reglement noch
 gegen ein Gesetz verstossen. Die technische      von 2001/02 in Kalifornien. Deren struk-                             neuerbare Energien festlegt, könnten zertifi-
 Ursache des Zwischenfalls ist in der thermi-     turelle Ursache lag bei ungenügenden In-                             zierte Stromeinfuhren aus erneuerbaren
 schen Ausdehnung der Leitungen zu suchen,        vestitionen in Produktionsanlagen und wur-                           Energien bei der Zielerreichung gegenseitig
 welche damit einen geringeren Abstand zum
                                                  de durch inadäquate Regulierung verstärkt.                           angerechnet werden. Zwei Drittel des in der
 Boden aufwiesen. Zum Zeitpunkt der Ab-
 schaltung betrug die Temperatur der Lukma-       Die Krise hat gezeigt, dass sich nach Abschaf-                       Schweiz erzeugten Stroms sind erneuerbar.
 nier-Leitung 72 Grad, jene der San-Bernardi-     fung des Gebietsmonopols die Investitions-
 no-Leitung 103 Grad Celsius.                     anreize im Stromsektor drastisch verschlech-
    Der Schlussbericht der Union for the                                                                               Schutz der Umwelt
 Co-ordination of Transmission of Electricity
                                                  tert haben.
 (UCTE) betonte hingegen die mangelnde               Auf internationalem Niveau setzt sich nur                            Ein dritter wichtiger Grund zur Interven-
 Unabhängigkeit der schweizerischen Netzbe-       die Energiecharta in Brüssel 11 mit der Frage                        tion seitens des Staates ist der Umweltschutz.
 treiber bezüglich kommerzieller Interessen.      der Zulassung von Investitionen auseinan-                            Jeder Energieverbrauch ist mit einer Um-
 Diese habe den Netzbetreiber daran gehin-
 dert, unmittelbar nach dem ersten Zwischen-
                                                  der. Sogar unter ihren Mitgliedsländern (EU,                         weltbeeinträchtigung verbunden. Die grösste
 fall effiziente Gegenmassnahmen zu ergrei-       Efta, GUS und Japan) ist indes festzustellen,                        globale Beeinträchtigung der Umwelt durch
 fen. Die Europäische Kommission verlangt         dass das Recht, Investitionen im Energie-                            den Energiesektor ist der Treibhauseffekt, der
 nun, dass der Transit durch die Schweiz libe-    sektor des eigenen Landes zuzulassen, bisher                         hauptsächlich durch CO2-Emissionen bei der
 ralisiert werde. Die Schweiz ist das einzige
 Land, das bisher über kein entsprechendes        weder im nationalen noch im internatio-                              Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht
 Gesetz verfügt. Die schweizerischen Netz-        nalen Recht verankert werden konnte. Die                             wird. Das Kyoto-Protokoll der Klimakon-
 betreiber beklagen sich ihrerseits über die      Gewährung der mittelfristigen Versorgungs-                           vention hat zum Ziel, den globalen CO2-Aus-
 mangelnde Disziplin der Nachbarländer, wel-
                                                  sicherheit im Strombereich darf aber nicht am                        stoss zu vermindern.Nach der entscheidenden
 che mehr Strom als vertraglich vorgesehen
 durch die Schweiz leiten und so die Stabilität   mangelnden politischen Willen scheitern, be-                         jüngsten Ratifikation durch Russland tritt das
 des schweizerischen Stromnetzes gefährden.       stehende Investitionshemmnisse im Energie-                           Kyoto-Protokoll am 16. Februar 2005 in Kraft,
 Es drängt sich deshalb eine engere Zusam-        sektor zu entfernen.                                                 weshalb es von bedeutender Aktualität ist. In
 menarbeit zwischen der Schweiz und den
                                                     Angesichts dieser Lage ist positiv zu                             der Schweiz wird es durch das CO2-Gesetz
 Nachbarländern auf. Ein eventuelles Abkom-
 men mit der EU könnte auch die Fragen des        werten, dass gemäss Entwurf StromVG der                              umgesetzt.16 Das Anliegen des Umweltschut-
 Netzzugangs – sowohl für konventionelle als      Bundesrat wettbewerbliche Ausschreibun-                              zes beinhaltet Synergien mit der Sicherung der
 auch alternative Energien – beinhalten.          gen für die Beschaffung von Elektrizität und                         langfristigen Versorgung: Beide zielen auf ver-
                                                  für den Netzbau durchführen kann.12 Leider                           mehrten Einsatz erneuerbarer Energien.        

                                                  13 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Sie können auch lesen