Die Volkswirtschaft Strommarkt - Das Magazin für Wirtschaftspolitik
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Das Magazin für Wirtschaftspolitik Die Volkswirtschaft 1/2-2005 78. Jahrgang CHF 15.90 Seite 3 Monatsthema: Seite 52 Strommarkt KMU-Test: Neuer Lohnausweis Seite 59 Wie innovativ ist die Schweiz? Seite 67 Korruption: Die Schweiz im internationalen Vergleich
Inhalt Monatsthema 3 Editorial 5 Nach dem Volksnein zum Elektrizitätsmarkt- Aymo Brunetti gesetz im September 2002 harrt die Regelung 5 Versorgungssicherheit trotz Strommarktöffnung – machbar oder illusionär? des Strommarktes in der Schweiz einer Lösung. Rainer Bacher und Walter Steinmann Gemäss Vorlage des Bundesrates soll vorerst in einer Übergangsregelung die Stromdrehscheibe 10 Regulierungsbedarf im Strommarkt aus gesamteuropäischer Sicht Schweiz rasch gesichert und danach der inlän- Steivan Defilla dische Strommarkt schrittweise geöffnet werden: 15 Marktmodelle und Versorgungssicherheit im Elektrizitätsbereich: Die Teilmarktöffnung ist für 2007 geplant. Erst «Kalifornien» – und wie man es besser machen kann in einer zweiten Phase und mit fakultativem Jörg Wild und Stephan Vaterlaus Referendum, das für 2012 vorgesehen ist, kann der Markt vollständig geöffnet werden. 19 Regulierungsbedarf des Stromverteilsektors Massimo Filippini und Silvia Banfi 23 Strommarkt und kantonales Recht Bernhard Waldmann 28 Bewältigung von Engpässen in der Stromversorgung Ueli Haudenschild 30 Elektrizitätsmarkt und Kartellrecht Patrik Ducrey 35 Elektrizitätspreise und Transparenz Véronique Pannatier 52 Das Projekt des neuen Lohnausweises erntete bereits vor der Einführung massive Kritik seitens Wirtschaftspolitische Stellungnahmen der Wirtschaft. Befürchtet wurden namentlich 38 Für eine gesetzliche Rahmenordnung im schweizerischen Strommarkt eine administrative Mehrbelastung und Nach- Urs Näf teile aufgrund einzelner Bestimmungen zu Ge- haltsnebenleistungen. Das Staatssekretariat für 39 Mit dem Kopf durch die Wand ist keine gute Politik Wirtschaft (seco) führte einen KMU-Test durch, Rolf Zimmermann um die Konsequenzen des neuen Lohnausweises 40 KMU brauchen gleich lange Spiesse für KMU aufzuzeigen und eine neutrale Diskus- Peter Holinger sionsgrundlage zu liefern. 41 Versorgungssicherheit im Marktumfeld Anton Bucher 59 Das Technologie- 42 Wirtschaftswachstum dank erneuerbaren Energien portfolio bildet die Adrian Stiefel Gesamtheit der tech- 43 Der optimierte Kompromiss nischen Fähigkeiten Martin Schläpfer und Errungenschaften eines Landes ab. Die 44 Sichere Stromversorgung dank Europa jüngste Erhebung für Martin Pfisterer die Schweiz zeigt ein 45 Strommarkt: Ja, aber ... insgesamt hohes Ni- Bernd Frieg veau der schweizeri- schen Innovationstä- Schweizer Volkswirtschaft tigkeit. Traditionelle Felder, die weltweit kaum noch wachsen, werden verlassen, und neue, 46 Wirtschaftspolitische Agenda rasch wachsende Felder werden erobert. Der Standort Schweiz hat sich demnach bezüglich 52 Neuer Lohnausweis: KMU-Verträglichkeit getestet Innovation in den Jahren 1999 bis 2002 auf einen Simon Häusermann dynamischeren Wachstumspfad begeben. 55 Ist die Höhe der Staatsquote schuld an der Schweizer Wachstumsschwäche? Christoph A. Schaltegger 59 Neue Dynamik im schweizerischen Technologieportfolio Beat Hotz-Hart und Carsten Küchler 63 Schweizerisches Bildungssystem: Prognosen der Schüler- und Studierendenzahlen Jacques Babel Internationales 67 Länderexamen Korruption – die Schweiz im internationalen Vergleich 67 Die «OECD-Konvention zur Bekämpfung Ivo Kaufmann von Korruption und Bestechung ausländischer 71 IFC und seco: Multinationale Zusammenarbeit bei der administrativen Entlastung Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr» von KMU in Lateinamerika von 1997 verpflichtet die teilnehmenden Staaten, Anita Bhatia und Paul Melton Auslandkorruption unter Strafe zu stellen, und sieht ein umfangreiches Monitoring vor, in dem Aktuelle Wirtschaftsdaten die gesetzlichen Anpassungen und deren Um- setzung überprüft werden. Die Schweiz hat 2004 75 Auswahl statistischer Tabellen die Phase 2 des Monitorings durchlaufen. Der Artikel fasst die Schlussfolgerungen des OECD- Monatsthema der nächsten Ausgabe: Finanzmarktregulierung und -aufsicht Berichts zusammen.
Tagungszentren und Seminarhotels L ,endroit magique au bord du lac Leman , Impressum Pour vos séminaires, ou tout autre événement 46 chambres avec vue lac Herausgeber 4 salles de conférence et banquet Eidgenössisches Volkswirtschafts- 2 restaurants: «Le Pavois» et departement (EVD), Staatssekretariat «Les Guérites» 13 points Gault Millau für Wirtschaft (seco) 1 grande terrasse Tél. 021 804 87 87 I Fax 021 801 51 22 I Quai du Mont-Blanc I 1110 Morges Redaktionsausschuss www.hotel-mont-blanc.ch I info@hotel-mont-blanc.ch Aymo Brunetti (Leitung des Redaktions- ausschusses), Rita Baldegger, Christian Maillard, Manuel Sager, Eric Scheidegger, Geli Spescha, Markus Tanner, Boris Zürcher Redaktion Effingerstrasse 1, 3003 Bern Telefon 031 322 29 39/18 Fax 031 322 27 40 E-Mail: kaethi.gfeller@seco.admin.ch Thomas-Bornhauser-Strasse 10, 8570 Weinfelden Telefon 071 626 33 33, Telefax 071 626 34 34 Gesamtleitung: Markus Tanner Hotel Arc-en-ciel Gstaad Berner Oberland www.thurgauerhof.com, info@thurgauerhof.com Chefredaktor: Geli Spescha Restaurant Pizzeria Résidence Redaktion: Urs Birchmeier, Grösstes Hotel und Kongresszentrum Simon Dällenbach, Käthi Gfeller, 42 Zimmer • Seminarräume für 5 bis 40 der Ostschweiz mit 75 Zimmern Christian Maillard, René Sintucci Personen • originelles Rahmenprogramm • und 9 Seminarräumen für 20 bis eigene Alphütte • Schwimmbad • ganzjährig 900 Personen. Swisscom Hot Spot. Der Inhalt der Artikel widerspiegelt die geöffnet • 5 Min. vom Dorfzentrum entfernt Auffassung der Autorinnen und Autoren Zentrale Lage, gute Verbindungen Tel. 033 748 43 43 Fax 033 748 43 53 (SBB/Flughafen). 15 km zum Bodensee. und deckt sich nicht notwendigerweise www.arc-en-ciel.ch info@arc-en-ciel.ch mit der Meinung der Redaktion. Der Nachdruck von Artikeln ist, nach Bewilligung durch die Redaktion, unter Quellenangabe gestattet; Belegexemplare SEEDAMM PLAZA erwünscht. Verlag, Herstellung in Pfäffikon SZ Zollikofer AG, Fürstenlandstrasse 122, 9001 St.Gallen, Telefon 071 272 77 77, 142 Vier-Stern-Zimmer Fax 071 272 75 86, www.zollikofer.ch Erlebnisgastronomie und Events in diversen Inserate Restaurants und Bars Zollikofer AG, Alfred Hähni, Wellness Club Telefon 01 788 25 78, Fax 01 788 25 79, E-Mail: dievolkswirtschaft@zollikofer.ch Casino Zürichsee Abonnemente /Leserservice Zollikofer AG, Lena Yesilmen, Telefon 071 272 74 01, Fax 071 272 75 86, E-Mail: dievolkswirtschaftabo@zollikofer.ch 40 Kongress-, Seminar-, Bankett- und Sitzungsräume Abonnementpreise für bis zu 400 Personen Inland Fr. 149.–, Ausland Fr. 169.–, Schweizweit Studierende Fr. 69.–, das umfassendste Einzelnummer Fr. 15.90 (MWST inkl.) Tagungszentrum Erscheint 10x jährlich in deutscher und französischer Sprache (französisch: La Vie économique), 78. Jahrgang. Abonnierte Auflage mit Beilage: Konjunkturtendenzen Winter 2004/05 ISSN 1011-386X SEEDAMMSTRASSE 3, CH-8808 PFÄFFIKON SZ TELEFON +41 55 417 17 17, FAX +41 55 417 17 18 info@seedamm-plaza.ch, www.seedamm-plaza.ch
Monatsthema Editorial Ein wichtiges Standbein der Wachstumspolitik Die Hochpreisinsel Schweiz und die Wachstumsschwäche gehören inzwischen zu den meistdiskutierten wirtschaftspolitischen Themen in unserem Land. Mit dem Stromversorgungsgesetz wird ein wichtiger Schritt getan, um etwas dagegen zu unternehmen: Ein zentrales Ziel dieser Reform ist, den Wettbewerb im Elektri- zitätssektor zu steigern und so mitzuhelfen, die Konkurrenzfähigkeit gerade auch kleinerer Unternehmen zu steigern. Der Wettbewerb – und die damit verbundene Wahlfreiheit für die Kunden – wird dafür sorgen, dass die Anbieter stärkere Anreize erhalten, Innovationen in diesem Bereich voranzutreiben und umzusetzen. Neben dem Wettbewerbs- und Wachstumsaspekt gibt es weitere Gründe für eine Reform, namentlich die internationale Verflechtung, die Versorgungssicherheit und den Umweltschutz. Die Einbettung der Schweiz in Europa zeigt sich kaum irgendwo deutlicher als im Strombereich: Die Lage der Schweiz und der starke Stromhandel im europäischen Verbundnetz liessen uns zur Drehscheibe Europas werden. Ver- sorgungssicherheit und Aufrechterhaltung des Aussenhandels bedingen daher eine Angleichung an die europäischen Energiepolitiken. Die Garantie der Versorgungs- sicherheit ist hier ebenso bedeutend wie das Ziel, den wachsenden Bedarf an Energie möglichst umwelt- und ressourcenschonend zu decken. Diesen Anforderungen hat der Bundesrat in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2004 Rechnung getragen. Das Stromversorgungsgesetz wird den Strommarkt stufenweise öffnen, erneuerbare Energien einbeziehen und der Versorgungssicherheit hohe Bedeutung zumessen. Industrie und Gewerbe werden mit dieser Reform ab 2007 von der Liberalisierung profitieren. Um die starke Stellung der Schweiz im europäischen Stromhandel zu sichern, verabschiedete der Bundesrat zudem ein Aussprachepapier für Verhandlungen mit der EU im Bereich Stromhandel und -transit. Wie bei allen Reformen, die das Wachs- tumspaket des Bundesrates für die laufende Legislatur vorsieht, wird es entscheidend sein, die Vorteile dieser Vorhaben klar und verständlich zu kommunizieren. Die Reformen können nur dann von der Vorschlags- zur Implementierungs- phase gelangen, wenn Parlament und Volk die Beschlüsse mittragen. Prof. Dr. Aymo Brunetti Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik, Mitglied des Geschäftsleitungsausschusses, Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), Bern
Monatsthema Versorgungssicherheit trotz Strommarktöffnung – machbar oder illusionär? Die Stromdrehscheibe Schweiz soll zuerst gesichert und an- schliessend der inländische Strommarkt schrittweise geöff- net werden. Dies hat der Schwei- zer Bundesrat am 3. Dezember 2004 beschlossen, indem er die Botschaft 1 zur Änderung des Elektrizitätsgesetzes sowie zum Stromversorgungsgesetz zuhan- den des Parlaments verabschie- det hat. Das Elektrizitätsgesetz soll im Parlament gegenüber dem Stromversorgungsgesetz vorge- zogen behandelt werden, damit der grenzüberschreitende Strom- Verzögerungen im politischen Prozess haben dazu geführt, dass die Schweiz bezüglich Neuordnung des Strom- und handel schnell geregelt werden Gasmarktes ins Hintertreffen geraten ist. Als eines der wichtigsten Stromtransitländer Europas ist dieses Inseldasein problematisch. Zudem beklagen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Wettbewerbsnachteile aufgrund der höheren kann. Mit einem flexiblen zwei- Strompreise gegenüber der ausländischen Konkurrenz. Bild: Keystone stufigen Vorgehen bei der Strom- tarische Beratung sowie in der Folge das Refe- marktöffnung trägt der Bundes- Vom Spitzenreiter zum Nachzügler rendum zum Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) rat der Referendumsabstimmung Von der Öffnung bisher monopolistisch or- haben dazu geführt, dass die Schweiz inzwi- ganisierter Märkte erhoffen sich Wirtschafts- schen in Europa bezüglich Neuordnung des zum Elektrizitätsmarktgesetz politiker Effizienzgewinne und damit mehr Strom- und Gasmarktes nicht mehr zu den Rechnung. Zur Förderung der Wohlstand. Die Neuregelung der bis zu Be- Spitzenreitern, sondern zu den Nachzüglern ginn der Neunzigerjahre rein staatlich-mono- zählt. Da unser Land aber gleichzeitig netz- Wasserkraft und der neuen er- polistisch organisierten Netzindustrien – Tele- mässig im Zentrum Europas liegt und für die neuerbaren Energien schlägt kommunikation, Bahn, Post, Strom und Gas – Versorgungssicherheit der umliegenden Län- zählt immer noch als prioritäres Projekt der der eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, er erstmals energiepolitische Europäischen Union (EU) zur Vollendung des ist dieses Inseldasein alles andere als unpro- Zielvorgaben und ein konkretes Binnenmarktes. blematisch. Parallel dazu beklagten kleine und Die Schweiz startete ihre Bemühungen mittlere Unternehmen (KMU) die gegenüber Vorgehen vor. zur Neuregelung des Strom- und Gasmarktes ihrer europäischen Konkurrenz ungünstigeren zeitlich etwa parallel zur EU, doch verzögerten Konditionen für Strom und Gas, welche leicht sich die Bestrebungen schon bald: Experten- zu Wettbewerbsnachteilen führen können. kommissionen,Vernehmlassungen,parlamen- Lehren aus dem Nein zum EMG Die Analysen des Neins vom September 2002 zum EMG 2 haben ergeben, dass die 1 Vollständige Texte zur Botschaft, zum StromVG und Ablehnung geografisch insbesondere durch zur Änderung des EleG siehe Internet: www.energie- die Westschweiz (Neinstimmen-Anteil: 58%– schweiz.ch; Dossiers, «Stromversorgungsgesetz». 2 Vox-Analyse zu den Abstimmungen vom 22. September 69%) und die Ostschweiz (50%–55%), partei- 2002 (Internet: www.polittrends.ch/vox-analysen/ Dr. Rainer Bacher Dr. Walter Steinmann politisch durch die SVP (66%) und die SP daten.php); Institut für Politikwissenschaft, Universität Leiter Netze, Projektleiter Direktor des Bundes- Zürich: Analyse des Meinungsbildungs- und Entschei- (58%) erfolgten. StromVG des Bundes- amtes für Energie (BFE), dungsprozesses zum Elektrizitätsmarktgesetz (April amtes für Energie (BFE), Ittigen/Bern Speziell in der Westschweiz wurde der Ser- 2003) (Internet: www.energie-schweiz.ch/imperia/ md/content/energiemrkteetrgertechniken/elektrizitts- Ittigen/Bern vice public (Grundversorgung, Versorgungs- markt/51.pdf). sicherheit) bei einer Strommarktöffnung als 5 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema gefährdet eingeschätzt. In der Ostschweiz wur- Brunnen ein Spannungsüberschlag zwischen den Zweifel an den Überlebenschancen der einer stark belasteten Hochspannungsleitung vielen zum Teil sehr kleinen Elektrizitäts- und einem Baum einen beinahe vollständigen versorgungsunternehmen (EVU) gehegt und Stromausfall (Blackout) in Italien aus. klare Konzepte zur Neuorganisation des Sek- Die Expertenkommission Schaer hat bis tors erwartet. Bei einem neuen Gesetzespro- zum Frühjahr 2004 einen robusten und aus- jekt galt es deshalb die Lehren aus dem Nein gewogenen Satz von Eckwerten bestimmt. zum EMG zu ziehen: durch griffigere Bestim- Gestützt darauf hat eine Gruppe von Juristen mungen über die Versorgungssicherheit und einen Gesetzesentwurf sowie einen erläutern- die Grundversorgung, aber auch die klare Be- den Bericht erarbeitet. Die vom Bundesrat er- zeichnung der dafür verantwortlichen Ins- öffnete Vernehmlassung im Sommer 2004 titutionen sowie der Eingriffsmöglichkeiten hat eine mehrheitliche Zustimmung zum Ge- des Bundes bei Gefährdung der Versorgungs- setzesentwurf ergeben. Positiv aufgenommen sicherheit. Zusätzlich muss den kleineren Un- wurden auch die von der Expertenkommis- ternehmen der Branche die Gewissheit ge- sion als kritisch eingestuften Eckwerte zur: geben werden, dass sie eine Zukunftschance – vorgezogenen Regelung des grenzüber- haben und ihre Wünsche, Zweifel und Be- schreitenden Handels (durch neue gesetz- fürchtungen im politischen Prozess aufge- liche Bestimmung im EleG); nommen werden. – schrittweisen Marktöffnung; – Möglichkeit eines fakultativen Referen- dums vor der zweiten Etappe mit einer voll- Intensive Konsensarbeit ständigen Marktöffnung; in der Expertenkommission – Freiwilligkeit der Massnahmen zur Förde- Nach der Ablehnung des EMG führte das rung erneuerbarer Energien und der Ener- Bundesamt für Energie (BFE) vorerst breite gieeffizienz. Konsultationen mit allen wichtigen Grup- pierungen der Befürworter- und Gegnerseite Diese haben deshalb auch in die Botschaft durch. Bereits sechs Monate nach der EMG- des Bundesrates (siehe Tabelle 1) an das Parla- Volksabstimmung setzte daraufhin das Eidg. ment Eingang gefunden. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) nach Rückspra- Weshalb soll das Verhältnis che mit dem Gesamtbundesrat eine Experten- zu Europa prioritär behandelt werden? kommission unter der Leitung von alt Re- gierungsrätin Dori Schaer (Bern) ein. In die- Der Blackout in Italien vom September ser Expertenkommission waren EMG-Gegner 2003 hat einerseits aufgezeigt, wie eng die und -Befürworter sowie insbesondere die klei- Stromversorgungen der einzelnen Länder mit- neren EVU repräsentativ vertreten. Zudem einander verbunden sind, und andererseits wurden in vier Begleitgruppen parallel die die Bedeutung verbindlicher Abkommen und Themen Marktmodell, Versorgungssicher- Prozeduren für die geplanten Stromflüsse zwi- heit, Transparenz und Erneuerbare Energien schen den einzelnen Netzbetreibern demons- eingehend bearbeitet. Ziel war es, nach dem triert. Diese lassen sich wohl nur steuern, EMG-Nein eine ausgewogene, möglichst kon- wenn bei allen Beteiligten vergleichbare Insti- sensorientierte Lösung zu erarbeiten und die tutionen und Prozesse bestehen und die phy- volkswirtschaftlichen Themen (internationa- sikalischen mit den kommerziell vereinbarten le Transite, im internationalen Vergleich kon- Flüssen abgestimmt sind.Die EU hat auf Mitte kurrenzfähige Preise speziell für KMU, Un- 2004 mit der EU-Verordnung 1228/2003 neue sicherheiten der Schweizer Bevölkerung über Regeln für die Stromtransite festgelegt sowie die Versorgungssicherheit, fehlendes Wirt- der EU-Kommission in diesem Bereich neue schaftswachstum in der Schweiz) abzuarbei- Kompetenzen übertragen. ten. Die zu suchende Lösung sollte auch vom In der Schweiz regelt das Elektrizitätsgesetz Volk akzeptierbar sein; sie sollte kein Referen- (EleG) seit über hundert Jahren die technische dum provozieren. Sicherheit von elektrischen Anlagen. Mit Blick Beeinflusst wurde die Arbeit der Experten- auf die Versorgungssicherheit soll nun – als kommission durch zwei externe Ereignisse mit Übergangslösung – durch eine Änderung des erheblicher Signalwirkung: Am 17. Juni 2003 EleG rasch eine europakompatible Regelung entschied das Bundesgericht, dass der Netz- des grenzüberschreitenden Stromhandels ge- zugang grundsätzlich dem Kartellgesetz un- schaffen werden. Dadurch soll die Stromver- tersteht und entsprechend Durchleitungen sorgung in der Schweiz optimiert und die für Dritte gewährt werden müssen, soweit Funktion der Schweiz als Stromdrehscheibe diese nicht durch kantonale rechtliche Ver- Europas gesichert werden. Die neuen gesetz- sorgungsmonopole unterbunden sind. Am lichen Regelungen sehen – in weit gehen- 28. September 2003 löste in der Nähe von der Übereinstimmung mit den in der EU am 6 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema Tabelle 1 Bestimmungen der Botschaft zum StromVG und zum geänderten EleG Gesetzliche Bestimmungen Wichtigste Elemente Grundversorgung, – Versorgungssicherheit durch die Gewährleistung – Stufe 1 StromVG: Haushalte werden fest vom Endver- Versorgungssicherheit der Grundversorgung teiler versorgt – Zuteilung der Netzgebiete durch die Kantone – Stufe 2 StromVG: Haushalte haben Wahl zwischen freier – Anschlussgarantie im Siedlungsgebiet für alle Lieferantenwahl und fester Versorgung durch den End- verteiler (Wahlmodell Abgesicherte Stromversorgung, – Liefergarantie und Tarifgestaltung für Haushalte WAS) durch den Endverteiler – Bundesrat kann – bei absehbarer mittel- und langfristi- – Wahlmodell Abgesicherte Stromversorgung ger Gefährdung der Versorgungssicherheit – Ausschrei- für Haushalte bungen für Erzeugung und Massnahme zur Effizienz des – Aufgaben der Netzbetreiber Stromverbrauchs veranlassen – Massnahmen bei Gefährdung der Versorgung Entflechtung, Transparenz – Netzregulierung bzw. Netznutzung durch Vorgaben zur – Verteilnetze müssen buchhalterisch und Entflechtung (im EleG nur für Übertragungsnetzbetrei- kostenrechnerisch entflochten werden ber geregelt) – Übertragungsnetze müssen rechtlich – Jahres- und Kostenrechnung und kostenrechnerisch entflochten werden – Informationsvermittlung und Rechnungsstellung Netzzugang, Netzkosten, – Netzzugang im Inland – Kostenrechnungsschema: Vermögenswerte basieren auf Netznutzungsentgelte – Netzzugang bei Engpässen im grenzüberschreitenden Anschaffungs- und Herstellwerten; Details werden vom Übertragungsnetz (auch im EleG geregelt) Bundesrat in einer Verordnung festgelegt werden – Netznutzungsentgelt – Kosten für grenzüberschreitende Flüsse werden nicht den inländischen Verbrauchern angerechnet – Anrechenbare Kosten – Netznutzungsentgelt darf die anrechenbaren – Kosten der Netznutzung durch grenzüberschreitende Netzkosten nicht übersteigen Lieferungen (auch im EleG geregelt) – Netznutzungstarife sind im Netz eines Netzbetreibers pro Spannungsebene und Kundengruppe einheitlich – Kapazitätszuteilung bei Netzengpässen soll marktwirt- schaftlich, EU-kompatibel erfolgen Übertragungsnetzbetreiber – Schweizerischer Übertragungsnetzbetreiber – Ein einziger, starker nationaler Übertragungsnetz- – dessen Aufgaben (auch im EleG geregelt) betreiber mit Weisungsbefugnissen gegenüber Pro- duzenten und Netzbetreibern und deren Eigentümer – Privatrechtliche AG – Kapital mehrheitlich von Schweizer Unternehmen beherrscht – Stellt Systemdienstleistungen sicher – Erarbeitet Verfahren für das Netzengpassmanagement Elektrizitätskommission (ElCom) – ElCom als Regulator – Starker Regulator bestehend aus 5 bis 7 unabhängigen – deren Organisation und Aufgaben Sachverständigen (auch im EleG geregelt) – Kann von sich aus Tarife bzw. Entgelte absenken, entscheidet im Streitfall über Netznutzungstarife und -entgelte – Beobachtet Ziel der sicheren und erschwinglichen Versorgung in allen Netzteilen – Koordiniert mit ausländischen Regulierungsbehörden Inkrafttreten 2. Stufe – Inkrafttreten der 2. Stufe durch einen dem fakulta- tiven Referendum unterstellten Beschluss der Bundes- versammlung fünf Jahre nach Inkrafttreten des StromVG Freiwillige Phase: – Erhöhung Anteil der Elektrizitätserzeugung aus erneu- – Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am in- Erzeugung von Elektrizität erbaren Energien am inländischen Endverbrauch von ländischen Elektrizitätsendverbrauch von 67% auf 77% aus erneuerbaren Energien Elektrizität unter Beibehaltung Stand Wasserkraft 2003 sowie bei – Mehrkosten der Netzbetreiber für wettbewerbliche Erhöhung der Effizienz des Endverbrauchs Ausschreibungen können finanziert werden Obligatorische Phase – Quoten und Zertifikate zur Erhöhung der Elektrizitäts- – Geförderte erneuerbare Energien sind: Sonnenenergie, (bei Nichterreichen Teilziele): erzeugung aus erneuerbaren Energien Geothermie, Windenergie oder Biomasse Massnahmen für erneuerbare – Einspeisevergütung zur Erhöhung der Elektrizitäts- – Beide Ansätze sind allein oder kombiniert möglich Energien erzeugung aus erneuerbaren Energien – Bundesrat regelt die Einzelheiten in Verordnung 7 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema Grafik 1 beinhaltet eine Öffnung des Strommarktes in Öffnung des Strommarktes in zwei Stufen zwei Stufen (siehe Grafik 1). Ein solches ange- passtes Öffnungstempo soll der Referendums- 1. Stufe 2. Stufe abstimmung zum EMG Rechnung tragen. Mit diesem Vorgehen können die in der ersten, Teilmarktöffnung Volle Marktöffnung fünfjährigen Stufe gemachten Erfahrungen mit Wahlmodell Abgesicherte Stromversorgung (WAS) für bei der nachfolgenden zweiten Stufe, der voll- Haushalte ständigen Öffnung, genutzt werden. In der ersten Stufe des StromVG, die im 65% End- Nicht-Haushalte frei Fakultatives Nicht-Haushalte frei Jahre 2007 in Kraft treten soll, können alle verbraucher (insb. Gewerbe/Industrie) Referendum (insb. Gewerbe/Industrie) Nicht-Haushalte – d.h. insbesondere die ca. 380 000 Verbrauchs- Haushalte fest Haushalte mit 380 000 Verbrauchsstätten der Industrie- und stätten WAS Gewerbekunden inklusive KMU – ihren Wahlfreiheit fest/frei Stromlieferanten frei wählen. Damit werden diese Endverbraucher, welche insgesamt ca. 2007 2012 65% des Schweizer Stromverbrauchs bezie- Quelle: BFE / Die Volkswirtschaft hen, frei vom Markt mit Strom beliefert. Die Haushalte werden weiterhin von den bisheri- Grafik 2 gen Endverteilern bzw. Netzbetreibern ver- Zeitplan für das Inkrafttreten der Änderungen EleG und des StromVG sorgt. Sie profitieren aber indirekt von dieser Öffnung, weil die Endverteiler bei der Beschaf- Anwendung Kartellgesetz für Netzzugang fung erzielte Preisreduktionen an ihre End- konsumenten weitergeben müssen. Fünf Jahre Vernehmlassung nach Inkrafttreten des StromVG – geplant im Jahre 2012 – erfolgt die zweite Öffnungsstufe Botschaft durch einen Beschluss der Bundesversamm- lung,der dem fakultativen Referendum unter- Änderung EleG Parlament Referendum? in Kraft (befristet) liegt. Ab diesem Zeitpunkt sollen alle Endver- StromVG Parlament Referendum? in Kraft braucher, also auch die Haushalte, freie Strom- 2004 2005 2006 2007 lieferantenwahl haben. Ausländische Erfah- rungen zeigen indes, dass nur ein kleiner Teil 3.12.2004 Quelle: BFE / Die Volkswirtschaft der Konsumenten diese Freiheit auch nutzen will. In Deutschland und Österreich pendelt sich der Anteil der Wechselkunden bei den 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Vorschriften – Kleinkonsumenten inzwischen auf 3% bis 5% die Gründung eines unabhängigen Über- ein. Deshalb wird im StromVG das Wahl- Kasten 1 tragungsnetzbetreibers, die Einsetzung einer modell mit Abgesicherter Stromversorgung Modell der Expertenkommission Elektrizitätskommission (ElCom) als Regu- (WAS-Modell) explizit verankert: Wenn sich lierungsbehörde sowie den diskriminierungs- die Haushalte nicht mit dem Strommarkt aus- Das Modell zur Marktöffnung der Exper- freien Zugang zum Übertragungsnetz vor.Der einander setzen und Preise sowie Verträge tenkommission Schaer – welches jedoch vom Bundesrat schlägt dem Parlament vor, die Än- vergleichen wollen, bleiben sie bei ihrem bis- Bundesrat verworfen wurde – hatte vorgese- hen, dass in der ersten fünfjährigen Etappe derung des EleG vorgezogen zu behandeln, herigen Endverteiler, der ihnen eine Strom- alle Endverbraucher mit einem Jahresver- um die Übergangslösung möglichst rasch in versorgung permanent und zu fairen sowie brauch unter 100 MWh fest durch das End- Kraft treten zu lassen. Gleichzeitig mit der Be- kontrollierten Konditionen anbieten muss. verteiler-EVU beliefert werden sollen. In der handlung des EleG im Parlament will der zweiten Stufe des StromVG sollten durch das «Wahlmodell Abgesicherte Stromversorgung Bundesrat auch eine entsprechende Vereinba- Erneuerbare Energien fördern (WAS)» neben den Haushalten auch die klei- rung zwischen der Schweiz und der EU aus- nen Unternehmen mit einem Jahresverbrauch handeln, in welcher die in der Schweiz geltende Vor zehn Jahren zählte die Schweiz zu den unter 100 MWh neben der freien Lieferanten- neue Rechtsgrundlage als EU-kompatibel an- Pionieren auf den Gebieten der erneuerbaren wahl die Möglichkeit haben, verpflichtend vom Endverteiler-EVU beliefert zu werden. erkannt wird. Energien sowie der Energieeffizienz. Inzwi- Die Begründung für die Wahl der Trennlinie schen haben sich die EU-Länder ambitiöse von 100 MWh Jahresstromverbrauch liegt Zielsetzungen für die erneuerbaren Energien darin, dass die Energiekosten (ohne Netz) StromVG schafft Vertrauen gegeben und teilweise auch sehr wirkungsvolle bei einem solchen Stromkonsum pro Jahr mit schrittweisem Vorgehen bei ca. 6000 Franken liegen und sich der Auf- Fördermechanismen etabliert. Bezüglich fi- wand zur freien Wahl eines Stromlieferanten Im Zentrum des neuen StromVG stehen nanzieller Unterstützung haben die meisten im Vergleich zur dadurch erzielten Energie- die Versorgungssicherheit und die Grundver- europäischen Länder die Schweiz überholt. preisreduktion nicht mehr lohnt. Der grosse Anteil der entsprechenden Netzkosten (ca. sorgung (Service public) in einem sich öffnen- Technologisch haben diese Staaten – dies zei- 14 000 Franken pro Jahr) wird unabhängig den Markt. Kantone und Elektrizitätsversor- gen unsere Kontakte im Rahmen der Interna- vom Marktöffnungsgrad durch das StromVG gungsunternehmen erhalten klare Vorgaben tionalen Energieagentur IEA – Fortschritte reguliert. und können bei der Umsetzung auf die Unter- auf breiter Front erzielt. Die Schweiz wird ihre stützung des Bundes zählen. Das StromVG Trümpfe im künftigen europäischen Strom- 8 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema Kasten 2 Bundesrat setzt verpflichtende Massnahmen in Kraft, falls die (Teil-)Ziele nicht erreicht Nutzen des geänderten EleG und des StromVG werden. Dazu gehören Quoten und Zertifi- Das geänderte EleG und das neue StromVG lö- zuführen, um so die Strompreise zu senken kate zur Erhöhung der Elektrizitätserzeugung sen bedeutende Probleme und schaffen gleich- und ihre Kunden halten zu können. Dadurch aus erneuerbaren Energien sowie eine kosten- zeitig wesentliche neue Rahmenbedingungen. kann jedoch die Qualität des Netzbetriebs deckende Einspeisevergütung für Neuanla- Die wichtigsten vier Punkte sind nachfolgend mittelfristig gefährdet werden. aufgeführt. – Das StromVG sorgt schweizweit für Investitions- gen, die Sonnenenergie, Windenergie, Geo- – Das geänderte EleG erlaubt der Schweiz, als sicherheit in die Netze und die Erzeugung: Die thermie oder Biomasse nutzen. Partner der EU eingebettet mitten im Stromnetz anrechenbaren Kosten der Netze und entspre- Europas aufzutreten und die Interessen des chende Entgelte werden erst mit dem StromVG Handels wie auch die Ansprüche der Versor- gesetzlich klar und einheitlich geregelt. Alle Weiterer Fahrplan gungssicherheit ausgewogen einzubringen. Investoren – insbesondere die Gemeinden und Die Diskussionen rund um den Blackout in die Kantone als Eigentümer der Netze – er- Bereits in der ersten Januarhälfte 2005 be- Italien haben gezeigt, dass die Ziele des in- halten mit dem StromVG ein staatlich sank- fasst sich die zuständige Kommission des Na- ternationalen Stromhandels nicht über den tioniertes Werkzeug zur Ermittlung des Werts tionalrates mit der Botschaft zum EleG und Anforderungen eines sicheren Netzbetriebes ihrer Netze. Erst das StromVG wird es den stehen dürfen. Erst mit dem geänderten EleG vielen Gemeindewerken erlauben, klare län- StromVG. Wenn sie dem Vorziehen des EleG werden klare Regeln gelten, die für eine hohe gerfristige Strategien für den Unterhalt und zustimmt, könnten parallel dazu die Verhand- nationale und auch EU-kompatible netzba- Ausbau der Netze sowie für Kooperationen mit lungen mit der EU aufgenommen werden. sierte Versorgungssicherheit sorgen. Sie wer- anderen Netzbetreibern auszuarbeiten. Heute Das geänderte EleG könnte bei rascher Bera- den es der Schweizer Wirtschaft erlauben, besteht auf diesem Gebiet grosse Unsicher- die Schweizer Netze und auch die Schweizer heit, welche die Investitionen hemmt und tung im Parlament und ohne Referendums- Wasserkraft langfristig zum richtigen Wert somit längerfristig die Versorgungssicherheit abstimmung Anfang 2006 in Kraft treten. national und international nutzen zu lassen. gefährden kann. Die Stromerzeugung soll Die Änderung des EleG regelt zeitlich – Das StromVG sorgt in der Schweiz langfristig für weiterhin primär durch den Wettbewerb ge- eine hohe Sicherheit in der Versorgung mit regelt werden, kombiniert jedoch mit einer befristet bis zum Inkrafttreten des StromVG, Strom in allen Landesteilen zu einem angemes- massvollen gesetzlich vorgeschriebenen jedoch längstens bis 31. Dezember 2008 (siehe senen Preis: Die sieben Überlandwerke, die Förderung eines langfristig erhöhten Anteils Grafik 2), den grenzüberschreitenden Strom- Kantonswerke sowie die vielen Gemeinde- erneuerbarer Energien. handel und implementiert die Elektrizitäts- werke haben bisher für eine qualitativ hoch – Das StromVG sorgt in der Schweiz dafür, dass die stehende Stromversorgung gesorgt. Diese Haushalts-Stromkunden nicht den Preisschwan- kommission sowie den Schweizer Übertra- hohe Qualität soll auch weiterhin erhalten kungen und Preisrisiken als Kunden in einem gungsnetzbetreiber. Diese Bestimmungen des bleiben. Bisher konnten die EVU die Kosten für freien Markt ausgesetzt sind. Ohne StromVG gilt EleG sind auch im StromVG enthalten. Bis die Stromversorgung problemlos auf die End- das Kartellrecht, mit dem alle Endverbraucher zum Inkrafttreten des StromVG gilt für den verbraucher überwälzen. Aufgrund fehlender ohne gesetzlich geregelte Netznutzung frei gesetzlicher Regelungen ist die so erreichte ihren Lieferanten wählen können. Die EVU Netzzugang in der Schweiz weiterhin das Kar- hohe Versorgungsqualität jedoch langfristig müssen so Lieferverträge abschliessen, wel- tellgesetz. Die Öffnung erfolgt also einzelfall- nicht mehr gesichert. Da gestützt auf das Kar- che die Wechselbereitschaft vor allem der weise primär für Grosskonsumenten. tellgesetz grundsätzlich jeder Endverbraucher stromintensiven kommerziellen Endverbrau- Deshalb ist zu hoffen, dass das Parlament schon heute seinen Lieferanten frei wählen cher berücksichtigen. Dies kann sich negativ kann, sind die EVU verunsichert, ob und inwie- auf die Preise der Haushalte auswirken, die auch den Beratungen des StromVG die nötige weit sie wegen des erhöhten Marktdrucks ihre ebenfalls vom EVU beliefert werden müssen. Priorität einräumt, damit die Schweiz auf den Kosten und somit die Preise senken sollen. Sie Erst mit dem StromVG haben Haushalte An- Zeitpunkt der vollständigen Marktöffnung in stehen vor der Versuchung, Kostensenkungen recht auf einen festen Tarifsatz. Zudem über- Europa im Jahr 2007 ebenfalls über eine adä- durch kurzfristig reduzierten Unterhalt im prüft eine Elektrizitätskommission, d.h. der Netz und auch in der Stromerzeugung herbei- Regulator, diese Tarife. quate Marktordnung verfügt. Erst bei Inkraft- treten des StromVG gelten spezialrechtliche Bestimmungen über den Netzzugang bzw. den Marktöffnungsgrad. Für diese Bestim- binnenmarkt nur ausspielen können,wenn sie mungen wird das Kartellrecht durch das auch bezüglich Herkunftsnachweis und För- StromVG abgelöst. derprogramm für erneuerbare Energien eine glaubwürdige Politik betreibt und ihre För- Fazit deranstrengungen plausibel darlegen kann. Die vom Bundesrat verabschiedete Bot- Das Inkrafttreten der Änderungen des EleG schaft zum StromVG beinhaltet denn auch führt zu Rechtssicherheit beim grenzüber- wichtige energiepolitische Zielvorgaben zur schreitenden Stromhandel, sichert die natio- Erhaltung der Stromerzeugung aus Wasser- nale und internationale Versorgung mit Strom kraft und zur Verstärkung der Stromproduk- über die Übertragungsnetze und stärkt die tion aus anderen erneuerbaren Energien so- Rolle der Schweiz als Stromdrehscheibe im wie eines effizienten Elektrizitätsverbrauches. Zentrum Europas. Ergänzend dazu sorgt das Angestrebt wird, bis zum Jahr 2030 den Anteil StromVG im Inland ausgewogen für «Wettbe- der erneuerbaren Energien am inländischen werb wo möglich und erfolgversprechend», Endverbrauch von 67% auf 77% zu erhöhen. eine «sichere und nachhaltige Versorgung Dieses Ziel soll vorerst mit freiwilligen Mass- der Endverbraucher mit Elektrizität in allen nahmen der Wirtschaft umgesetzt werden, Landesteilen» sowie eine «massvolle, aber wobei die Mehrkosten für Ausschreibungen wirkungsorientierte Förderung erneuerbarer auf die Übertragungskosten des Höchst- Energien». spannungsnetzes – und somit auf alle Endver- braucher – überwälzt werden können. Der 9 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema Regulierungsbedarf im Strommarkt aus gesamteuropäischer Sicht Strom wird aus fossilen, nuklearen oder erneuerbaren Energiequellen generiert. Da Strom selber nicht – erstens die Schaffung von optimalen wirt- gelagert werden kann, ist der Der herkömmliche Energiemarkt schaftlichen Rahmenbedingungen; Strommarkt jederzeit auf das Vor- In den OECD-Ländern entstand die Strom- – zweitens der Erhalt der Versorgungssicher- branche als Teil des Energiesektors im Laufe heit; handensein seiner Primärener- des 20. Jahrhunderts. Sowohl die Kapitalinten- – drittens der Schutz der Umwelt. gien angewiesen. Das effiziente sität als auch der strategische Charakter des Energiesektors haben in vielen Ländern dazu Funktionieren des europäischen Schaffung von optimalen geführt, dass der Staat als Unternehmer tätig wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Strommarktes stellt eine Reihe wurde. In den europäischen Gemeinschaften stand Energie am Ursprung des Integrations- Nirgendwo ist der Handlungsbedarf für spezifischer Regulierungsanfor- prozesses. Die Europäische Gemeinschaft für den Staat grösser als im Bereich der wirt- derungen an den Netzbetrieb, Kohle und Stahl (EGKS) von 1951 und der schaftlichen Rahmenbedingungen. Effiziente Euratom-Vertrag von 1957 waren wichtige Wettbewerbsbedingungen sind Voraussetzung hängt aber auch davon ab, ob die Marksteine in der europäischen Integrations- für das Wirtschaftswachstum. Am 18. Februar mit dem Strommarkt zusammen- geschichte. 2004 hat der Bundesrat ein umfangreiches Dieses staatlich dominierte System wurde Wachstumspaket mit 17 einzelnen Massnah- hängenden Märkte gut funktio- durch die Erdölkrise der Siebzigerjahre er- men verabschiedet; das Stromversorgungs- nieren. schüttert. Das Erdölembargo der Opec gegen gesetz (StromVG) ist einer der Punkte. Damit die OECD-Staaten führte damals zu einer Ver- der Wettbewerb seit der kartellrechtlich er- zwanzigfachung des Erdölpreises zwischen folgten Marktöffnung 2 effizient ausgestaltet 1972 und 1982. Dies wurde als künstliche werden kann, müssen drei wesentliche Vo- Preisbildung empfunden.Mancherorts wurde raussetzungen erfüllt sein: Netzzugang, Netz- der Ruf laut, der freie Markt hätte dies verhin- tarif und Entflechtung. Im Folgenden werden dern können. In der Folgezeit gewannen die diese Elemente zusammen mit der wirtschaft- Spot-Märkte (Öl-Börsen) stark an Bedeu- lich optimalen Regelung beschrieben. tung und Marktanteil. Zudem gründeten die OECD-Länder die Internationale Energie- Regulierter Netzzugang agentur (IEA) in Paris 1 mit dem Ziel, Versor- Der Staat muss den diskriminierungsfreien gungsstörungen vorzubeugen. Netzzugang garantieren. Wie andere netzge- Der herkömmliche Strommarkt ist nicht bundene Aktivitäten3 ist ein effizienter Strom- nur durch das Unternehmertum des Staates markt am besten mit der Einführung des geprägt, sondern zusätzlich durch lokale Ge- regulierten Netzzugangs (rTPA) 4 zu gewähr- bietsmonopole. Anlässlich einer Marktre- leisten. Wettbewerb soll auf dem Netz und form stellt sich die grundlegende Frage nach nicht zwischen den Netzen 5 stattfinden. Das der optimalen Rolle des Staates im Energie- Netz gilt als natürliches Monopol; seine Ver- bereich. Grob gesagt können drei Gründe für doppelung wäre ökonomisch sinnlos. die Staatsintervention im Energiebereich ge- Das StromVG übernimmt das Modell des nannt werden: rTPA, welches politisch unbestritten ist. Auch in der Europäischen Union (EU) wurde es ab 1. Juli 2004 zum einzig gültigen Marktmodell. Politisch diskutiert wird hingegen die Ge- schwindigkeit der Marktöffnung. Aus wirt- schaftlicher Sicht wäre der sofortige Netz- zugang für alle Verbraucher zu begrüssen. Der Netzzugang ist jedoch nicht nur inner- Steivan Defilla halb der Schweiz wichtig. Die schweizerische Ressort Technologie-, Strombranche erwirtschaftet ein Viertel ihrer Umwelt- und Energie- 1 Internet: www.iea.org. politik, Staatssekretariat Einnahmen im Verkehr mit dem Ausland. Da- 2 Das Bundesgericht hat am 17. Juni 2003 in einem für Wirtschaft (seco), her sind Vorbereitungen im Gang, den Netz- Präzedenzfall entschieden, dass das Kartellgesetz auf den Strommarkt anwendbar ist. Bern, Vorsitzender zugang im EU-Raum auf der Grundlage einer 3 Z.B. Bahn, Telekommunikation. des Handelsausschusses bilateralen Vereinbarung zu festigen.Eine Ver- 4 Regulated Third Party Access. der Energiecharta, 5 Bei der Mobiltelefonie findet z.B. der Wettbewerb Brüssel einbarung mit der EU ist umso wichtiger, als zwischen den Netzen statt. die EU an einer Integration der Strom- und 10 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema Der staatlich dominierte Energiemarkt wurde durch die Erdölkrise der Siebzigerjahre erschüttert. In der Folge gewannen die Spot- Märkte stark an Bedeutung und Marktanteil. Zudem gründeten die OECD-Länder die Inter- nationale Energieagentur. Im Bild: Kohle- kraftwerk in Grossbritannien. Bild: Keystone Gasnetze Südosteuropas arbeitet. Wenn diese Einige Länder – z.B. Deutschland – haben wie geplant 2005 zustande kommt, gibt es für den Markt Mitte der Neunzigerjahre auf Strom und Gas ein einziges Marktmodell von Grund einer Branchenvereinbarung zu 100% Gibraltar bis zum Nordkap und nach Ostana- geöffnet und dabei die Netztarife nicht regu- tolien – nur die Schweiz hätte noch ein in- liert. Netzbetreiber waren frei, die Netzent- kompatibles Marktmodell. Für die EU steht gelte festzulegen. Die systematische Ausnut- die Sicherung des Transits durch die Schweiz zung der Marktmacht hat den Wettbewerb im Vordergrund. Der in der Schweiz verur- praktisch ausser Kraft gesetzt und die Durch- sachte Stromausfall in Italien vom 28.Septem- leitungskosten durch fremde Netze in die ber 2003 hat diesbezüglich zu Unsicherheiten Höhe getrieben. Neben der Marktmacht des geführt. individuellen Netzbetreibers kommt auch kol- lektive Marktmacht in Betracht. Falls sie nicht Regulierter Netztarif regulatorisch beschränkt wird, kann sie sich in In dem Umfang, in dem Netzzugang be- Form von Branchenvereinbarungen mit Be- steht, muss der Staat den Netztarif regulieren. rechnungsgrundlagen äussern, welche die Die Tarifregulierung ist ein Schlüsselelement Netzkosten zu mehr als 100% abgelten. Dieser jeder gelungenen Marktreform.Ohne sie wür- Monopolrentenanteil würde den Strom ver- de der Netzbetreiber den eigenen Strom preis- teuern. lich bevorzugen und somit seine Vormacht- Die Netztarifizierung im Strommarkt ge- stellung missbrauchen. staltet sich indes komplizierter als bei anderen leitungsgebundenen Aktivitäten (vgl. Kas- Kasten 1 ten 1). Die optimale Netztarifizierung eruiert Vier Naturgesetze und die Konsequenzen für die Netzkosten die wahrscheinlichste Transitroute anhand der Informationen über bestehende Lieferverträge – Strom fliesst nach dem Gesetz des geringsten Zu diesen variablen kommen fixe Netzbenutzungs- und setzt das Netznutzungsentgelt entspre- Widerstandes («Kirchhoffsches Gesetz») und kosten, welche durch die fixen Systemkosten chend der resultierenden Netzbelastung indi- nicht nach dem Prinzip des tiefsten verein- bestimmt werden (im wesentlichen Spannungs- barten Transportpreises. Der Wettbewerb und Frequenzhaltung). viduell fest (Verursachergerechtigkeit). Eine zwischen Transitrouten ist Illusion. Wenn diese vier Naturgesetze etwa im Bahnreise- Strombörse nach Vorbild des skandinavischen – Der Stromverkehr in entgegengesetzter verkehr zur Anwendung kämen und das Tarifsystem «Nord Pool» ist für optimale Netztarife uner- Richtung annulliert sich. Auf Stromleitungen optimal ausgestaltet wäre, würde ein Passagier, lässlich. gibt es keinen Gegenverkehr. Die variablen der zu einem Zeitpunkt hohen Netto-Verkehrs Durchleitungskosten werden daher nur zwischen A und B den Zug in der Gegenrichtung Im EU-Raum hat sich seit einigen Jahren durch den Saldofluss bestimmt und sind (von B nach A) benutzt, einen negativen Trans- im internationalen Handel ein Verbot dis- prinzipiell richtungsorientiert. In der portpreis bezahlen, falls seine (negativen) vari- tanzabhängiger Tarife durchgesetzt. Letztere Gegenrichtung sind die variablen Kosten ablen Kosten die (positiven) Fixkosten überstei- wurden durch einen gesamteuropäischen negativ (Netzentlastung). gen. Die variablen Kosten sind umso höher, je – Die Transportverluste – und somit die varia- stärker der Verkehr in der Stossrichtung ist, Kompensationsmechanismus – eine europäi- blen Durchleitungskosten des Saldoflusses – d.h. je mehr unser Passagier das Netz entlastet, sche «Briefmarke» – ersetzt. Wirtschaftlich steigen quadratisch mit dem Saldofluss (bzw. indem er in der Gegenrichtung fährt. Auf einer entspricht dieses Briefmarkenprinzip einer sinken quadratisch in der Gegenrichtung). TGV-Linie (symbolisiert die Hochspannung) wäre Quersubvention des Fernverkehrs durch den – Die Transportverluste – und mit ihnen die va- die Netzbelastung – und folglich die Entlastung riablen Durchleitungskosten – steigen mit der durch unseren Passagier – jedoch geringer als Nahverkehr. Diese wird als Ankurbelung des überwundenen Distanz, sinken jedoch, je hö- auf einer Strassenbahnlinie (symbolisiert die internationalen Wettbewerbs von der EU aus- her die Spannung auf dem Netzabschnitt ist. Niederspannung). drücklich erwünscht. Im Falle von Engpäs- sen wird die EU zusätzlich ein Engpassmana- 11 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema nur eine rudimentäre buchhalterische Ent- flechtung vorgenommen. Die lokalen Strom- verteiler sind mit ihren Gemeinwesen engstens verflechtet. Dies hat symbiotischen Charakter: Die Gemeinde profitiert von Gratisenergie (Strassenbeleuchtung) und das lokale Verteil- werk profitiert von Steuererleichterungen und Gratisleistungen (Büroräumlichkeiten etc.). In der Schweiz würde die rechtliche Entflechtung der Lokalnetze Probleme bereiten. Sie hätte möglicherweise lokale Steuererhöhungen zur Folge, da die Gratisenergie bezahlt werden müsste und Gratisleistungen sowie Steuerver- günstigungen an den Stromverteiler entfielen.8 Erhalt der Versorgungssicherheit Neben der Schaffung optimaler Rahmen- bedingungen ist auch der Erhalt der energe- Bild: Keystone Mitte des nächsten Jahrzehnts dürfte die tischen Versorgungssicherheit (auch Ener- Produktionsspitze des Erdöls überschritten giesicherheit genannt) ein Grund für eine werden. In dieser Lage gilt es, übertriebenen gement einführen. Dieses kann entweder in Intervention des Staates. Im Bereich der Ener- Optimismus und Pessimismus zu vermeiden. Die realistische Antwort ist die wirtschafts- Form von expliziten Auktionen6 überlaste- giesicherheit muss zwischen kurzfristigen, freundliche und langfristige Förderung er- ter Netzabschnitte oder in Form impliziter mittelfristigen und langfristigen Versorgungs- neuerbarer Energien. Auktionen7 an Strombörsen durchgeführt störungen unterschieden werden. Für den werden. Strom besonders wichtig sind zusätzlich die sehr kurzfristigen Versorgungsstörungen. Auf Entflechtung Grund der oben beschriebenen notwendigen Der Staat muss die Entflechtung zwischen Entflechtung des Strommarktes limitieren monopolistischer und wettbewerblicher Ak- sich die optimalen Staatseingriffe allerdings tivität sicherstellen. Dies ist eine zusätzliche auf den Bereich, in welchem kein Markt beste- Massnahme, um die Nicht-Diskriminierung hen kann (Monopolbereich). Wo ein Markt des «fremden» Stromes sicherzustellen. Ohne besteht (Produktion, Handel), wird der Staat Entflechtung könnte beispielsweise ein Infor- zur Sicherung der Versorgung nur eingreifen, mationstransfer aus dem monopolistischen falls der Markt versagt. Netzbereich in den wettbewerblichen Pro- 6 Diese Form des Engpassmanagements erinnert an Sehr kurzfristige Versorgungsstörungen «Road Pricing». Sie ist wirtschaftlich nur optimal, duktions- und Marketingbereich ausgenutzt wenn die Ursache des Engpasses bei fehlendem Kapital werden. Die optimale Entflechtung besteht Bei den sehr kurzfristigen Versorgungs- (und nicht etwa in der Bürokratie) liegt. Folglich kann der Engpass behoben werden, indem der Auktionserlös aus einer möglichst vollständigen Trennung störungen handelt es sich meistens nicht um investiert wird. zwischen Netz und Produktion hinsichtlich Produktions-, sondern um Netzstörungen. 7 Implizite Auktionen werden auch «Marktteilung» ge- nannt. Sie sind wirtschaftlich optimal, bedürfen aber Buchhaltung, Rechtsform, Organisation, Ent- Solche Stromausfälle dauern im Bereich von zum Funktionieren einer Börse. Die Strombörse be- scheidungsgewalt und Eigentum sowie einer Stunden und sind daher zu kurzfristig, als dass rücksichtigt nur Angebote, welche die Netze nicht überlasten. Im Falle eines Engpasses werden vermehrt Kontrolle des Informationsflusses. der Markt eine Rolle spielen könnte. Lokale Lieferungen von Produzenten in geografischer Nähe Die Entflechtung hinsichtlich Eigentum ist Stromausfälle werden durch punktuelle Ereig- der Nachfrage berücksichtigt. Diese sind möglicher- weise nicht die absolut günstigsten Angebote. gleichbedeutend mit einer Enteignung des nisse (z.B. Stürme wie «Lothar») verursacht. 8 Die rechtliche Entflechtung hätte ein statistisches Netzes. Auf sie wird in ganz Europa verzichtet, Bei grossflächigen Störungen stehen allerdings Wachstum des Bruttoinlandprodukts zur Folge (auch wenn sich sonst nichts ändert), da ein informeller, da kein Staat die Mittel aufbringen würde, um inadäquate Regelungen des Systembetriebs im statistisch nicht erfasster Austausch zwischen einem ganze Netze aufzukaufen. Die Entflechtung Vordergrund wie dies etwa beim Stromausfall Industriebetrieb und einem öffentlichen Gemein- wesen in einen rechtlich formellen Handel umgewan- hinsichtlich Information beinhaltet, dass alle in der Grossregion New York vom 14. Septem- delt wird. anonymisierten Informationen über freie ber 2003 der Fall war. Der Stromausfall in Ita- 9 Internet: www.ucte.org, Rubrik «News», 27.04.2004. 10 SR 531. Netzkapazitäten veröffentlicht werden, wäh- lien vom September 2003 (siehe Kasten 2) mag 11 Internet: www.encharter.org. rend alle individualisierten und kommer- als weiteres Beispiel für Letztere genannt wer- 12 Art. 9 Entwurf StromVG. Der Bund wird dadurch nicht zum Inhaber dieser Anlagen; er ist Initiator und Bewil- ziell sensitiven Daten, die beim Netzbetreiber den, obwohl die fehlende Grundlast-Produk- ligungsinstanz. anfallen, geheim gehalten werden müssen. tion in Italien auch auf fehlende Investitionen 13 Art. 17 Abs. 6 Entwurf StromVG. Auch das EU-Recht kennt diese vom Patentrecht inspirierte Bestimmung, Die schweizerischen Netzbetreiber beabsich- und damit eine mittelfristige Versorgungsstö- gemäss welcher eine «public line» während der An- tigen, ab Januar 2005 den Betrieb der Hoch- rung hindeutet. fangszeit ihrer Nutzung zu einer «merchant line» mit exklusiven Rechten für den Erbauer wird. spannungsnetze auf freiwilliger Basis der neu Lösungsansätze zur Vermeidung von in- 14 Die Aussagen des Club of Rome Anfang der Siebziger- gegründeten privatrechtlichen Gesellschaft adäquaten Regeln des Systembetriebs können jahre haben sich auch deshalb als übertrieben er- wiesen, weil die Erschöpfung mancher biologischer «Swissgrid» zu übertragen. im Schlussbericht der «Union for the Coordi- Ressourcen durch internationalen Schutz verhindert Für Lokal- und Regionalnetze unterhalb ei- nation of Transmission of Electricity» (UCTE) wurde. 15 RL 2001/77/EG. ner gewissen Grösse (in der EU: 100 000 Kun- zum Stromausfall in Italien ausgemacht wer- 16 SR 641.71. den) wird aus praktischen Gründen generell den.9 Unter anderem müsste das notfallmässi- 12 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
Monatsthema ge Aufschaltrecht brachliegender Kapazitäten handelt es sich dabei um ein dirigistisches durch den Netzbetreiber generell ausgeweitet Instrument, das allerdings auf Grund der be- werden. Dies kann vertraglich oder hoheitlich stehenden Investitionshemmnisse notwen- (z.B. im Rahmen des Landesversorgungsge- dig ist. Der grenzüberschreitende Netzbau setzes 10) geschehen. Die Haftpflicht der Netz- enthält einen zusätzlichen Anreiz in Form betreiber bei Stromausfällen wurde aus dem einer befristeten Ausnahme von den Bestim- Entwurf StromVG gestrichen. Sie hätte einen mungen zum nicht diskriminierenden Netz- Alleingang der Schweiz bedeutet. zugang und zu den anrechenbaren Netz- kosten.13 Kurzfristige Versorgungsstörungen Kurzfristige Versorgungsstörungen sind Langfristige Versorgungsstörung Marktversagen im klassischen Sinn des Be- Bei der langfristigen Versorgungsstörung griffs. Sie dauern Wochen oder Monate. Im versagt der Markt durch versiegen der natür- energetischen Bereich gelten die beiden Erdöl- lichen Ressourcen. Solche Versorgungsstö- krisen der Siebzigerjahre als Paradebeispiel.Bei rungen sind bisher erst bei Übernutzung der Bekämpfung von Marktversagen kommt biologischer Ressourcen (z.B. Überfischung, der Lagerhaltung eine entscheidende Bedeu- übermässige Waldrodung) eingetreten.14 Bei tung zu. Die eingangs erwähnte IEA ist eine energetischen Ressourcen steht nicht deren Organisation, welche für die Bewältigung von Schutz, sondern die Forschung, Entwicklung Erdölkrisen auf dieses Mittel setzt. Strom ist und Markteinführung alternativer Energie- dagegen nicht lagerbar. Daher kommt die La- quellen im Vordergrund. Die von der Opec gerhaltung höchstens für die den Strom pro- und anderen Förderländern publizierten ver- Kasten 2 duzierenden Primärenergien in Frage. Im Rah- bleibenden Jahre bis zur Erschöpfung des Erd- Transitprobleme men des Landesversorgungsgesetzes hat der öls entsprechen einer politischen und nicht Bundesrat die Kompetenz, die notwendigen einer geologischen Wahrheit. Allgemein wird Am 28. September 2003 um 3 Uhr 01 kam Massnahmen auch im Bereich der elektrischen angenommen, dass Mitte des nächsten Jahr- es zwischen der Hochspannungsleitung über Energie zu treffen. zehnts die Produktionsspitze des Erdöls über- den Lukmanierpass und einem darunter stehenden Baum zu einem Lichtbogen schritten wird. In dieser Lage gilt es, übertrie- (Blitz), worauf die Leitung automatisch ab- Mittelfristige Versorgungsstörungen benen Optimismus und Pessimismus zu geschaltet wurde. Um 3 Uhr 25 wurde auch Bei den mittelfristigen Versorgungsstö- vermeiden. Die realistische Antwort ist die die San-Bernardino-Leitung abgeschaltet. rungen versagt nicht der Waren-, sondern der wirtschaftsfreundliche und langfristige För- Beide Linien waren mit einer Kapazität von 110% überlastet. Diese Ereignisse führten Kapitalmarkt. Es entsteht ein temporärer derung erneuerbarer Energien. Die diesbe- während des Tages zu einem Stromausfall in Engpass bei der Produktionskapazität, der zu zügliche EU-Richtlinie 15 dürfte für die Schweiz ganz Italien. Gemäss der Untersuchung des einer Explosion der Preise führt. Parade- prüfenswerte Ansätze enthalten. Wenn die Eidg. Starkstrominspektorats (Esti) wurde in beispiel im Strommarkt ist die Stromkrise Schweiz wie die EU ein Verbrauchsziel für er- der Schweiz weder gegen ein Reglement noch gegen ein Gesetz verstossen. Die technische von 2001/02 in Kalifornien. Deren struk- neuerbare Energien festlegt, könnten zertifi- Ursache des Zwischenfalls ist in der thermi- turelle Ursache lag bei ungenügenden In- zierte Stromeinfuhren aus erneuerbaren schen Ausdehnung der Leitungen zu suchen, vestitionen in Produktionsanlagen und wur- Energien bei der Zielerreichung gegenseitig welche damit einen geringeren Abstand zum de durch inadäquate Regulierung verstärkt. angerechnet werden. Zwei Drittel des in der Boden aufwiesen. Zum Zeitpunkt der Ab- schaltung betrug die Temperatur der Lukma- Die Krise hat gezeigt, dass sich nach Abschaf- Schweiz erzeugten Stroms sind erneuerbar. nier-Leitung 72 Grad, jene der San-Bernardi- fung des Gebietsmonopols die Investitions- no-Leitung 103 Grad Celsius. anreize im Stromsektor drastisch verschlech- Der Schlussbericht der Union for the Schutz der Umwelt Co-ordination of Transmission of Electricity tert haben. (UCTE) betonte hingegen die mangelnde Auf internationalem Niveau setzt sich nur Ein dritter wichtiger Grund zur Interven- Unabhängigkeit der schweizerischen Netzbe- die Energiecharta in Brüssel 11 mit der Frage tion seitens des Staates ist der Umweltschutz. treiber bezüglich kommerzieller Interessen. der Zulassung von Investitionen auseinan- Jeder Energieverbrauch ist mit einer Um- Diese habe den Netzbetreiber daran gehin- dert, unmittelbar nach dem ersten Zwischen- der. Sogar unter ihren Mitgliedsländern (EU, weltbeeinträchtigung verbunden. Die grösste fall effiziente Gegenmassnahmen zu ergrei- Efta, GUS und Japan) ist indes festzustellen, globale Beeinträchtigung der Umwelt durch fen. Die Europäische Kommission verlangt dass das Recht, Investitionen im Energie- den Energiesektor ist der Treibhauseffekt, der nun, dass der Transit durch die Schweiz libe- sektor des eigenen Landes zuzulassen, bisher hauptsächlich durch CO2-Emissionen bei der ralisiert werde. Die Schweiz ist das einzige Land, das bisher über kein entsprechendes weder im nationalen noch im internatio- Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht Gesetz verfügt. Die schweizerischen Netz- nalen Recht verankert werden konnte. Die wird. Das Kyoto-Protokoll der Klimakon- betreiber beklagen sich ihrerseits über die Gewährung der mittelfristigen Versorgungs- vention hat zum Ziel, den globalen CO2-Aus- mangelnde Disziplin der Nachbarländer, wel- sicherheit im Strombereich darf aber nicht am stoss zu vermindern.Nach der entscheidenden che mehr Strom als vertraglich vorgesehen durch die Schweiz leiten und so die Stabilität mangelnden politischen Willen scheitern, be- jüngsten Ratifikation durch Russland tritt das des schweizerischen Stromnetzes gefährden. stehende Investitionshemmnisse im Energie- Kyoto-Protokoll am 16. Februar 2005 in Kraft, Es drängt sich deshalb eine engere Zusam- sektor zu entfernen. weshalb es von bedeutender Aktualität ist. In menarbeit zwischen der Schweiz und den Angesichts dieser Lage ist positiv zu der Schweiz wird es durch das CO2-Gesetz Nachbarländern auf. Ein eventuelles Abkom- men mit der EU könnte auch die Fragen des werten, dass gemäss Entwurf StromVG der umgesetzt.16 Das Anliegen des Umweltschut- Netzzugangs – sowohl für konventionelle als Bundesrat wettbewerbliche Ausschreibun- zes beinhaltet Synergien mit der Sicherung der auch alternative Energien – beinhalten. gen für die Beschaffung von Elektrizität und langfristigen Versorgung: Beide zielen auf ver- für den Netzbau durchführen kann.12 Leider mehrten Einsatz erneuerbarer Energien. 13 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2005
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