DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
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INHALT Inhalt 2 3 3 4 Inhalt | Impressum Vorwort Herbert Wölger Freiwilliger Druckkostenbeitrag NP´s Austria Stipendium 8 Artportrait 10 Die Seite der Landesforste 12 Waldumwandlung 13 Verkehr 14 Wissen über den Wald 17 Projekt InnoForESt 18 Fotografie 20 Mensch und Natur 22 Gesäuse Partner 27 Forscher*innen über die Schulter schauen 28 Veranstaltungen 2021 30 Unser Team 31 Wissensvermittlung aktuell 32 Rangergeschichte 34 Urwald-Fotoexpedition 37 Endemiten-Malbuch 38 Wildnis 40 Nature Writing – Natur beschreiben 42 Gut beobachtet 43 Weltweit einzigartig – Endemiten 44 Road Kill 46 Ranger worldwide 50 Luchs Trail 51 Trans Nationalpark 52 Tourismusstrukturreform 54 Stift Admont Impressum 55 Gseiserl Im Gseis Nr. 36, Sommer 2021 Herausgeber, Medieninhaber und für den Inhalt verantwortlich: Nationalpark Gesäuse GmbH Anschrift: A-8913 Admont, Weng 2 Telefon: +43 3613 210 00, Fax: +43 3613 210 00-18 E-Mail: office@nationalpark-gesaeuse.at Internet: www.nationalpark-gesaeuse.at Namentlich gekennzeichnete Beiträge liegen inhaltlich in der Verantwor- tung der jeweiligen Autoren. Copyright für alle Beiträge: Nationalpark Gesäuse GmbH. Nachdruck nur mit Einwilligung des Herausgebers. Layout: fuernholzer design-photography-werbung, St. Gallen Druck: Printkompensiert gedruckt in der Medienfabrik Graz Gendergerechtes Schreiben erfordert Kompromisse. So sind die bisher übli- chen Begriffe wie Nationalpark Ranger, Besucher etc. gleichberechtigt weib- lich wie männlich zu verstehen. Titelseite: Am Ennsufer – keine Drohnenaufnahme, Fotograf: Herbert Wölger Seite 2: Ein Schuppiger Porling (Cerioporus squamosus) im Waaggraben, Fotograf: Herbert Wölger Rückseite: Von der Lauferbauerbrücke, Fotograf: Andreas Hollinger ISSN-Nummer: 1993 – 8926 (Printausgabe) / 1993 – 9485 (Webausgabe) 2 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
VORWORT Small and beautiful Erwachet – oder so ähnlich – stand auf aussetzen, können wir selbst bestimmen. Es den Broschüren, die in meinen Studenten- ist eine besondere Gnade, hier arbeiten zu jahren am Wiener Schwedenplatz Vorbeige- können. Ich meine auch, dass wir auf unser henden unter die Nase gehalten wurden. 30 Juwel bisher gut aufgepasst haben. Manch- Jahre später gibt es ein gewisses Erwachen, mal müssen wir die (an sich) wilde und mäch- zumindest vorübergehend. Nur mit riesigem tige Natur wie ein kleines Kind vor den (an Aufwand können wir Menschen manche Ein- sich) guten Menschen behüten. flüsse der Natur auf unser Leben dämpfen, wirklich steuern können wir sie nicht. Alle Unser Nationalpark bietet der wilden Na- Lebewesen kämpfen um möglichst viel Ter- tur einen der letzten Zufluchtsorte in der rain, der Mensch ist dabei recht erfolgreich, Steiermark, ist also etwas Besonderes. Die- aber eben nicht allein. se Besonderheit müssen wir kommunizieren. Die Menschen müssen das verstehen, die Der Mensch (Zivilisation) begradigt, ver- entsprechende Kommunikation ist eine un- Herbert Wölger, Nationalparkdirektor ändert und produziert – meist zielgerichtet. serer wichtigsten Aufgaben. Kommunikation Bild: Stefan Leitner Die übrige Natur (Wildnis) mäandert, produ- durch Bilder, Worte und Buchstaben, aber ziert nur zufällig, passiert einfach. Wir ge- auch durch unser Tun! hören zweifelsohne in die Zivilisation, aber wir kommen aus der Wildnis. Die Wildnis Wir bemühen uns um Naturschutz, um ein sind wir „small and beautiful“, könnten wir in schlummert noch in uns, entweder als Ort qualitätsvolles Besucherangebot, um ausge- Anlehnung an das bekannte Buch des Öko- des Schreckens oder als Ort der Sehnsucht. buchte (Bildungs-)Veranstaltungen, um ein nomen Ernst Friedrich Schumacher sagen. So hart und überaus schwierig es wäre, in diverses und aufschlussreiches Forschungs- Und das Kleine überlebt langfristig! Das lehrt der wirklichen Wildnis leben zu müssen, so programm. Darauf, worum es uns im Grunde uns die Naturgeschichte. Klein und schön, so schön und wertvoll ist es, in der Zivilisation ankommt, ist die Suche nach einem ausge- sind wir als Region. Small and beautiful sind zu leben, aber vorübergehend in die Wildnis, wogenen Verhältnis von Mensch und Natur. auch die Nationalparks, gemessen an ihren wo sie sich als Ort der Sehnsucht präsentiert, Flächenanteilen der europäischen Länder. eintauchen zu können. Trotz all der Spannungen und Verwerfun- gen in der Gesellschaft, dem Kampf ums Im Gesäuse haben wir die Gelegenheit Überleben (früher) oder dem Anspruch nach Herbert Wölger (und die Gnade), in die Wildnis einzutauchen. einem guten Leben (heute): ich glaube an Nationalparkdirektor Den Grad des Risikos, dem wir uns dabei die positive Kraft des Menschen. Im Grunde Freiwilliger Druckkostenbeitrag Wir bedanken uns bei allen Leserinnen und Lesern, die einen Druckkostenbeitrag leisten! Dadurch kann Im Gseis auch weiterhin in gewohnter Qualität erscheinen. Diesmal senden wir es neben der erweiterten Nationalparkregion auch an die Haushalte von Radmer, Selz- thal, Lassing, Gaishorn, Hohentauern, Windischgarsten, Rosenau und Laussa. Und natürlich an unsere treuen Abonnenten. Wenn Sie unser Magazin zum ersten Mal in Händen halten und auch weiterhin beziehen möchten, reicht eine Nachricht mit dem Betreff – Im Gseis Bestellung – an k.lattacher@ nationalpark-gesaeuse.at Bitte überweisen Sie Ihren freiwilligen Druckkostenbeitrag an: Nationalpark Gesäuse IBAN: AT31 3800 1010 0009 1900 BIC: RZSTAT2G001 Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 3
NPS AUSTRIA STIPENDIUM Talente für Wort und Bild im Nationalpark Gesäuse LEONHARD F. SEIDL, ANDREAS HOLLINGER Nationalparks Austria – die Dachmar- ist. Aber ich weiß nicht einmal, ob heu- habe, sitze ich hier, weil es viel heller ist als ke der österreichischen Nationalparks – te wirklich der fünfte November ist. Mir in der Alm, wo ich die kostbaren Kerzen auf- schrieb in den letzten Jahren mehrfach sind einige Tage abhanden gekommen. Ich brauchen müsste. Hinter der Hütte schirmt Medienstipendien aus. Dabei konnte man fürchte, dass sich in meiner Erinnerung mich eine steilaufragende, schwarze Fels- sich in einem österreichischen National- vieles anders ausnimmt, als ich es wirk- wand vom Haselkar ab, von der Sonne, aber park für ein Stipendium der Kategorien lich erlebte. Was ich aber sicher weiß: Es auch von Wind und Wetter. Wenn ich meinen Literatur, Fotografie oder Videodesign war bereits zu Ende, als es begonnen hatte. Blick schweifen lasse, liegt er vor mir; der bewerben. Letztes Jahr wurden wieder Ich muss schreiben, wenn ich nicht den lebende Berg. Perfekt in seiner Gestalt, an- aus über 100 Bewerber*innen drei krea- Verstand verlieren will. Es ist ja keiner da, mutig, fast graziös, der zum Himmel geneigte tive Talente für das Gesäuse ausgewählt. der für mich denken und sorgen könnte. Bergrücken. Wie die wohlgeformte Becken- Der zweiwöchige Aufenthalt soll zu mög- Ich bin ganz allein, und ich muß versuchen, kuhle meiner Frau. Von der ich mich jetzt lichst intensiven Naturerlebnissen führen. die langen dunklen Wintermonate zu über- auch noch räumlich entfernt habe, durch die Im Gesäuse stellten wir daher sehr abge- stehen. Ich rechne nicht damit, dass diese Wand im Tal. Anstelle meiner Hand füllt die schiedene und einsame Unterkünfte ohne Aufzeichnungen jemals gefunden werden. Kuhle heute der milchig-weiße Himmel aus, Strom und sonstiger Infrastruktur zur Im Augenblick weiß ich nicht einmal, ob der das braun-gefleckte, saftige Grün beson- Verfügung. Leonhard F. Seidl absolvier- ich es wünsche. ders in Szene setzt. te ein Stipendium für Literatur, Nadja Ich sitze auf der überdachten Terrasse der Nebelfetzen wälzen sich über die auf ei- Thaler Lamprecht und Silvan Lamprecht Hüpflinger Alm, einer alten Jagdhütte im Na- nem Felsen vorgelagerte Fichte, schieben waren als Fotografenteam unterwegs. Wir tionalpark Gesäuse, in der ich eigentlich nur sich an ihr vorbei, legen sich über sie wie veröffentlichen hier Teile aus beiden ex- zwei Wochen als Stipendiat hätte verbringen eine Haut. Unweit daneben, in einer schrof- zellenten Werken. sollen. An einem Holztisch, mit einer Kerze fen Talsenke, voll graubraunem Geröll, steigt darauf, die ich erst entzünde, wenn die Dun- der Nebel geisterhaft zerrissen auf. Je nach- kelheit mich nicht mehr lesen oder schreiben dem, was er vom Berg verdeckt, verändert Die Wand reloaded lässt. Wenn ich nicht in den Bergen oder im der Berg sein Wesen. Legen die schroffen Leonhard F. Seidl Nachbartal, im Nachbarkar wie es hier heißt, Steilhänge seine Felswunden frei, offenbart unterwegs bin, um nach Menschen oder Tie- er mir seine Verletzlichkeit. Das Grün auf sei- Heute, am fünften November, beginne ren oder Essbarem oder Nützlichem zu su- nem Rücken, der Kuhle dagegen, wirkt derart ich mit meinem Bericht. Ich werde alles so chen und keine Reparatur- oder Haushalts- fruchtbar auf mich, weckt und stillt zugleich genau aufschreiben, wie es mir möglich arbeiten an oder in der Hütte zu verrichten meine Sehnsucht nach menschlicher Nähe, 4 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
Links oben: Tannenhäher Rechts oben: Schwarzspecht Rechts unten: Turmfalke Bilder: Nadja & Silvan Lamprecht durch die irrige Annahme, dass darauf (im- nicht einmal, wo ich mich genau befand. In liegt auf einer Anhöhe zwischen der Wand mer noch) Mensch und Tier leben könnten. der Dämmerung aufzubrechen, war lebens- und einem Waldweg, der im Tal endet und der Andi, der Mitarbeiter des Nationalparks, gefährlich. Ich könnte mir ein Bein brechen; im Sommer selten von einem Bauern befah- ein knurriger, aber humorvoller Typ, hatte verirren, verdursten, verhungern. Also heizte ren wird, der nach seinen weidenden Kühen uns vom Zug abgeholt und mit uns zusam- ich den Ofen, in dem das Feuer nach mehre- sieht. Im Winter wird dort eine Skiloipe von men die Verpflegung für die nächste Wo- ren Versuchen und einer verrauchten Küche den Nationalpark-Rangern für Skiwandernde che eingekauft. In der Wochenmitte woll- zu lodern und zu knacksen begann und eine gespurt. Zwischen Weg und Hütte liegt ein te er noch einmal nach uns sehen. Gab es wohlige Wärme verbreitete. undurchsichtiger Fichten- und Föhrenwald, hier doch weder Handynetz noch Internet. weshalb selbst Einheimische sie nicht ken- Dann war er noch einmal mit meiner Frau Die Jagdhütte besteht nur aus einer gro- nen. Bis ins nächste Dorf sind es knapp drei aufgebrochen, weil vermeintlich Zündhölzer ßen Wohnküche in Bauernstubenart, dane- Stunden zu Fuß, über Berge, Täler und Wald. fehlten, was glücklicherweise ein Irrtum ge- ben ein Schlafzimmer und ein Plumpsklo für wesen war. Als sie am Abend nicht zurück- die Nacht. Anfangs suche ich noch nach dem Als die Sonne hinter den Fichten ver- kehrten, machte ich mir große Sorgen. Ich Lichtschalter hinter der Tür, wenn ich eintre- schwand und meine Frau immer noch nicht nahm die Landkarte in die Hand. Wusste te, was ich mittlerweile nicht mehr tue. Sie zurück war, wurde es kühl und die bläulichen Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 5
NPS AUSTRIA STIPENDIUM Manche sehen ein Gesicht, andere eine Kreuzspinne Bild: Nadja & Silvan Lamprecht Schatten fielen in die Lichtung ein. Ich stand in der Hütte vor dem Fenster, neben dem knisternden Ofen, glaubte jemanden spre- chen zu hören. Also trat ich nach draußen. Ein weißer Felsblock strahlte mich durch die Dunkelheit an, wirkte derart lebendig – was ich auch heute noch so empfinde, nahe- zu gänzlich von Moos, Tannen und Fichten überwuchert. Dieser einzige, weiße Fixpunkt in dieser ansonsten von Grün überfluteten Senke. Der plätschernde Holzbrunnen vor dem Haus erzählte weiter, ohne dass ich ihm zuhörte. Zurück in der Hütte, sah ich erneut aus dem Fenster. Der Bergkuppenstrich vor mir zeichnete eine schwarze Linie zum Weiß des Himmels. Wie ein Scherenschnitt; Thea- ter. Die Welt die Bühne und ich der einzige Schauspieler. In der Wärme und Stille wurde ich schläfrig. Ich versperrte die Tür und nahm den Schlüssel mit in meine Kammer. Legte mich in das kalte Bett. Blies die Kerze aus. Und dann überfiel mich die Schwärze der Nacht und ich glaubte zu wissen, warum die Menschen früher, gerade im Gebirge, in all dieser Dunkelheit und Einsamkeit an einen Gott, an ein allmächtiges Wesen, glauben wollten. Ich war so müde, dass ich trotz der feucht-kalten Steppdecke sofort ein- Auf den Lamellen eines Pilzes schlief. Bild: Nadja & Silvan Lamprecht Ich erwachte vom Regen, der auf das Dach der Jagdhütte schlug, die Tropfen fielen parallel zu den Tannen, als hätte alles seine Ordnung. Ohne zu frühstücken verließ ich die Hütte, um meine Frau zu suchen. Entdeckte den höllenschwarzen, glänzenden Alpensala- mander auf dem Weg, der mich aus seinen langgestreckten Röhrenaugen anglotzte, sei- ne Vorderfüße langgestreckt, still verharrend. Ich merkte kaum, wie kühl und feucht es im Kar war, weil ich darüber nachgrü- belte, was aus meiner Frau geworden war. Da trat die Straße aus dem Tal heraus. Nach wenigen Schritten stieß ich mit der Stirn heftig an und taumelte zurück. Verdutzt streckte ich die Hand aus und berührte etwas Glattes und Kühles: einen glatten kühlen Widerstand an einer Stelle, an der doch gar nichts sein konnte als Luft. Dann ze Kastanie angefühlt hatte. Ich weiß nun, trotzdem bin ich müde davon, dass mir hörte ich lautes Pochen und sah um mich, warum ich damals täglich das Gefühl hat- doch alles wieder genommen wird. Es gibt ehe ich begriff, daß es mein eigener Herz- te, bald sterben zu müssen. War nie mehr keinen Ausweg, denn solange es im Wald schlag war, der mir in den Ohren dröhnte. glücklich gewesen. Alles veränderte sich ein Geschöpf gibt, das ich lieben könnte, auf eine trostlose Weise, und ich hörte auf, werde ich es tun; und wenn es einmal Es gibt Stunden, in denen ich mich freue wirklich zu leben. Noch bevor ich die unzäh- wirklich nichts mehr gibt, werde ich auf- auf eine Zeit, in der es nichts mehr geben ligen Nachrichten an ihre Liebhaberinnen auf hören zu leben. Lieben und für ein anderes wird, woran ich mein Herz hängen könn- ihrem für mich jetzt völlig nutzlosem Handy Wesen sorgen ist ein sehr mühsames Ge- te. Darum bin ich auch froh, dass ich meine fand, als ich vor der Wand stand. Jetzt bin ich schäft und viel schwerer, als zu töten und Frau längst losgelassen habe, weil sich ihre nur noch ein Mensch ohne kollektive Bedeu- zu zerstören. Ein Kind aufzuziehen dauert Hand in meiner wie eine ungeschlüpfte, spit- tung, ganz einfach nur ein Individuum. Und zwanzig Jahre, es zu töten zehn Sekunden. 6 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
NPS AUSTRIA STIPENDIUM Kreuzotter Bild: Nadja & Silvan Lamprecht Talente für Wort und Bild: Der Schriftsteller Leonhard F. Seidl verbrachte im August zwei Wochen als Stipendiat auf einer ehemaligen Jagd- hütte im Nationalpark Gesäuse. Die Shortstory ist eine Hommage an die Schriftstellerin Marlene Haushofer, an- lässlich ihres 100. Geburtstages. Die kursiven Stellen stammen aus ihrem Roman „Die Wand“, Deutscher Taschen- Bockkäfer im Portrait buch Verlag, 1999. Bild: Nadja & Silvan Lamprecht Soeben ist Seidls fünfter Roman „Der falsche Schah“ im Volk Verlag erschie- nen. https://www.textartelier.de Leonhard F. Seidl leitet von Fr, 03. bis So, 05.12.2021 einen Schreib- Workshop „Nature Writing – Natur be- schreiben im Nationalpark Gesäuse“. Nähere Informationen finden Sie auf unserer Website. Nadja Thaler Lamprecht und Silvan Lamprecht leben und arbeiten in Ster- zing. Ihre Leidenschaft gilt vor allem der Fotografie von Tieren in freier Wildbahn. https://instagram.com/ nadja.thaler.photo?igshid=j842cb97iuej Farn mit Sporangien https://www.facebook.com/ Bild: Nadja & Silvan Lamprecht Nadja-Silvan-Lamprecht-Photo- 101251218456413 Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 7
Die auffallende Rückenflosse, spitz zulaufende Pupillen, große Rundschuppen und ein spitzes Maul kennzeichnen die Äsche. Bild: Clemens Gumpinger Die Äsche – Graue Eminenz in der Enns ALEXANDER MARINGER Der Fisch des Jahres 2021 hat im Bun- nannte Äschenfahne, ist auffällig groß und von Fischarten, wie Nase, Gründling, Schnei- desland seinen Verbreitungsschwerpunkt dient auch dazu, während der Laichzeit Auf- der, Döbel, Koppe und Huchen begleitet. in den kühlen Gewässern der Obersteier- merksamkeit bei den Weibchen zu erregen. Die Enns im Gesäuse und dem weiteren mark. Doch der Lebensraum schwindet Die Äsche besitzt einen eher kleinen Kopf Umfeld liegt in der Äschenregion. Ober- und große Äschen sucht man oft vergeb- und eine spitze Schnauze. Das leicht unter- halb Schladming entspricht die Enns dem lich. ständige Maul lässt auf die bevorzugte Nah- biozönotischen Typ der Forellenregion mit rung schließen: Es sind Insekten, Bachfloh- weit schneller fließendem, sehr sauerstoff- krebse, Würmer und dergleichen, die sich auf reichem Wasser, wo sich etwa Bachforellen Zwei phonetisch sehr ähnlich klingende dem Gewässergrund aufhalten. Gelegentlich wohl fühlen. Blickt man nach Oberösterreich Arten sind Sorgenkinder des Nationalpark zählen Fischeier und kleinere Fische zur Nah- in den Mündungsbereich hin zur Donau, wo Gesäuse: Die Esche, eine bekannte Laub- rung. Ausgewachsene Äschen sind gut ein- vegetationsreiche Ufer ausgebildet sind, der baumart, deren alte Exemplare in den letzten einhalb Kilogramm schwer und werden einen Untergrund sandiger wird und das Wasser Jahren flächendeckend einer Pilzinfektion halben Meter lang. durch die langsamere Fließgeschwindigkeit zum Opfer gefallen sind, und die Äsche, ein Äschen sind empfindlich gegenüber Um- sauerstoffärmer ist, so befindet sich dort die Fisch aus der Familie der Salmoniden, der weltverschmutzungen und bevorzugen daher Barbenregion. nur mehr in bedauernswert niedrigen Dich- eine gute Wasserqualität. Sie kommen in ten in der Enns schwimmt. kühlen, klaren und eher schnellfließenden Die Laichzeit der Äsche liegt im Frühjahr Bächen und Flüssen vor. Das Flussbett be- und findet, abhängig von der Wassertem- Die Äsche besitzt einen graugrün bis bläu- steht hier aus Geröll und grob- bis feinkörni- peratur von 4 bis 8° C, zwischen März und lichen Rücken und fällt durch silberweiße gem Kies. Die Wassertemperatur ist beschei- Anfang Mai statt. An überströmten Kiesbän- Flanken auf. Der Körper der Äsche ist nicht den und steigt kaum über 15 Grad Celsius. ken sammeln sich die Fische und die Eiabla- ganz so langgestreckt, wie der einer Forelle. Dieser Lebensraum wird typischerweise als ge erfolgt in Mulden, die von den Weibchen Die Rückenflosse der Männchen, die soge- Äschenregion bezeichnet. Dabei werden sie geschlagen werden. Die Plätze liegen ver- 8 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
ARTPORTRAIT Äschen können mit schnell fließenden Gewässern gut umgehen, benötigen aber seichte, überströmte Kiesbänke zum Ablaichen. Bild: Martin Hartmann gleichsweise zu anderen Fischarten an sehr seichten Stellen. Ändert sich der Wasser- stand, fallen die Laichbänke oft großflächig trocken. Ebenso wirken sich Hochwasser- ereignisse zu dieser Jahreszeit fatal aus. In den Eiern entwickeln sich drei bis vier Wo- chen lang Larven, die nach dem Schlüpfen zunächst noch im Schwarm leben und von ihrem Dottersack zehren. Nach weiteren zwei bis drei Wochen schwimmen die Jung- fische in durchströmte Bereiche und gehen dort alleine auf Nahrungssuche. Erwachse- ne Fische dringen bis in die Flussmitte vor. Sie sind weniger an Strukturen gebunden, die ihnen Deckung geben könnten. Bachfo- Die große Rückenflosse macht rellen dagegen suchen oftmals entlang der Äschen leicht erkennbar. Steilufer Schutz, was es ihren Fressfeinden Bild: Martin Hartmann schwerer macht. Anhand dieser kurzen Biologie der Äsche lässt sich ableiten, dass die Fischart gegen- Bei der Äsche ging die Biomasse zwischen der Aufmerksamkeit gerückt. Diese Ehre über vielen Faktoren unserer Zeit verwund- 2006 und 2015 um 75 % zurück. Sie ist noch wurde ihr bereits 2002 und 2011 zuteil. Da- bar ist. Defizite in der Struktur des Lebens- immer individuenreich vertreten, zeigt je- mit verbunden ist die Hoffnung, dass sich raumes, Fraßdruck durch verschiedene doch Defizite im Aufbau der Altersklassen. diese Art wieder erholen und natürlich repro- Räuber, die Folgen des Klimawandels und Momentan scheinen nicht genug erwachse- duzieren kann. Um der Äsche zu helfen, sind der Schwallbetrieb von Kraftwerken sind ne Äschen vorhanden zu sein, um die Popu- viele regionale Maßnahmen gefragt. Einen Ursachen, die zum Rückgang der Äsche ge- lation aus der Talsohle zu führen. Anfang bildeten die Projekte „LIFE Natur- führt haben. schutzstrategien für Wald und Wildfluss im Die Gesamtbiomasse der Fische in der Dabei wäre die Äsche ein ausgezeichne- Gesäuse“ und „LIFE+ Enns“, die mit neuen Enns ist im Abschnitt Gesäuse von 216,7 kg/ ter Speisefisch, der auch für die Fischerei Kies- und Schotterbänken attraktive Laich- ha in den 1990er-Jahren auf 27,6 kg/ha im attraktiv ist. Der wissenschaftliche Name plätze für die Äsche schufen. Aktuell spie- Jahr 2006 zusammengebrochen. 2015 konn- Thymallus thymallus wird manchmal auf den geln sich die Lebensraumverbesserungen ten nur mehr 20,2 kg/ha festgestellt werden. leichten Thymiangeschmack des Fleisches noch nicht in den Bestandsdaten wider. Die Die geringe Biomasse wirkt sich auf den zurückgeführt, der scheinbar schon Carl von letzte systematische Befischung der Enns Fischökologischen Zustand aus, der für den Linné bei der Namensgebung bekannt war. 2020 stimmt uns aber vorsichtig optimis- Abschnitt Paltenspitz-Gesäuseeingang eben- tisch, dass es doch mit der Äsche wieder so wie für Gofer-Johnsbach als „5 – schlecht“ Nach der Bachforelle 2020 ist nun die bergauf gehen könnte. bewertet wird. Äsche 2021 als Fisch des Jahres in den Fokus Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 9
18 Jahre Wald- und Wildmanagement der Steiermärkischen Landesforste im Nationalpark Gesäuse Landesforste-Team im und für den Nationalpark, v.li.n.re.: Florian Leisser, Christian Mayer, Christopher Fürweger, Martin Zorn, Andreas Schindlbacher, Wolfgang Pichler, Albrecht Fössleitner, Heimo Kranzer, Margarete Nachbagauer, Viktoria Hadler, Ulrike Koschnik, Andreas Holzinger, Stefan Prantl, Valentin ANDREAS HOLZINGER Durchschlag, Franz Prantl, Thomas Weissensteiner, Peter Thaler. Bild: Andreas Hollinger Seit nunmehr 18 Jahren ist der National- der Dickungsphase, da – wie überall im Le- er die forstlichen Arbeiten, erteilt unmiss- park Gesäuse auf Flächen der Steiermär- ben – die Erziehung im Kindesalter beginnt verständliche Befehle und versieht neben kischen Landesforste zwischen Admont und da am effizientesten ist. Mutige Eingriffe der Forstaufsicht auch Wildmanagement, und Hieflau, Sankt Gallen, Landl und und ein waldbauliches Sensorium einerseits Fütterung und den erforderlichen Abschuss Johnsbach, eingerichtet. Genauso lange sind hier gefragt – andererseits beste Aus- im Revierteil Hartelsgraben. Die westlichen liegen die Aufgaben des Wald- und Wild- bildung und Technik bei der Entnahme star- und südlichen Managementbereiche in Gofer managements bis zur Instandhaltung der ker Fichtenstämme, ohne den verbleibenden und Johnsbach werden von Förster Christo- Hauptwege und Gebäude in den Händen Bestand zu schädigen! Eigenschaften, die pher FÜRWEGER wahrgenommen, der neben der Landesforste, die mit ihrem Grundbe- unsere drei Gstatterbodner Forstfacharbei- Forst- und Jagdaufsicht auch die Fischerei- sitz den Nationalpark nicht nur vertrag- ter Peter THALER, Valentin DURCHSCHLAG aufsicht innehat. Die Erhaltung der Befahr- lich absichern, sondern auch Naturschutz und Thomas WEISSENSTEINER auf alle Fälle barkeit der Hauptwege, Instandhaltung der aktiv mitgestalten. Waren in den bisheri- mitbringen. Für die wichtige, harte Technik Mountainbike-Strecke und Entschärfung der gen Gseis-Ausgaben Waldbäume, Wildtie- dahinter, egal ob Fuhrpark, Traktor, Seilwin- Gefahrenbäume neben den Wegen ist genau- re, Totholz und Borkenkäfer die Haupt- de oder auch einmal ein neuer Weiderost auf so Försterverantwortung wie das Kümmern themen dieser Rubrik, sollen diesmal die der Alm ist Werkstättenleiter Stefan PRANTL um Borkenkäferbefall in der Management- Menschen dahinter vorgestellt werden. verantwortlich, der so nebenbei auch Hei- zone. Viele verschiedene neue Aufgaben und zungen und Kläranlagen serviciert. Sein Herausforderungen des Naturschutzes er- „hölzernes“ Pendant in Sachen Bauwesen, …und dass die Bäume nicht in den fordern ebenso viele verschiedene Ausbil- Infrastruktur und überhaupt „Mann für Alles“ Himmel wachsen… dungen und Kenntnisse. „Biodiversität“ ist Namensvetter Franz PRANTL, Tischler, einmal anders! Maurer, Maler, einfach universell einsetzbar dafür sorgen neben Schnee, Wind und be- bei Tischen, Bänken, Zäunen, Brunntrögen sagten Borkenkäfern auch unsere Wildtiere, oder Hüttendächern – natürlich auch aus die natürlich neben schmackhaften Gräsern, Alles im grünen Bereich Gstatterboden! Und wer jetzt da ein „Nest“ Kräutern und Beeren auch den einen oder vermutet, hat nicht ganz unrecht, bewohnt anderen Leittrieb der Jungbäumchen verna- Die grüne Hauptaufgabe besteht zunächst doch auch der zuständige und verantwort- schen. Bei dichtem Fichten-, Eschen- oder in der schrittweisen Überführung fichtenrei- liche (allerdings gebürtige Kirchdorfer) Re- Ahornanflug noch nicht besorgniserregend, cher Bestände in natürliche Mischbestände vier- und Einsatzleiter dieser Truppe, Förster kritisch jedoch dann, wenn vereinzelte er- durch Entnahme von Fichten in der Manage- Martin ZORN mit Familie, die schöne Förs- wünschte und manchmal ersehnte Jungtan- mentzone – dies bereits im Jungwuchs und terei in Gstatterboden. Von hier aus dirigiert nen, Buchen oder andere Laubhölzer ver- 10 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
LANDESFORSTE Campingplatz Forstgarten Hartelsgrabenbrücke Bild: Viktoria Hadler Bild: Werner Stelzl NP-Pavillon Hartelsgrabenbrücke Bild: Stefan Leitner Bild: Andreas Holzinger bissen, oder elastische Lärchen-Stämmchen verfegt werden. Zugegeben, auch Verbiss ist ein natürlicher Prozess und die Festlegung als „Schaden“ eine zutiefst menschliche, aber nicht natürliche Kategorie, – dennoch gilt: Wald und Wild im ökologischen Gleich- gewicht! Dass ein Aufkommen der erwünschten Sulzkarseehütte Mischbaumarten möglich ist, liegt in den Bild: Andreas Holzinger Händen unserer drei Berufsjäger Heimo KRANZER, Christian MAYER und Florian LEIS- SER. Ihnen obliegt die Herstellung jenes be- rühmten ausgewogenen Gleichgewichts im Jede Perle braucht ihre Fassung regelmäßigen Jour Fixe – Gesprächen, die Ökosystem Wald und Wild. Sie sorgen durch spezifische Öffentlichkeitsarbeit – schriftlich entsprechenden Jagddruck für das natür- Für die korrekte Verwaltung all dieser und mittels Führungen im Gelände zu Wald- liche Geschlechterverhältnis, korrekten Al- Aufgaben, für Abrechnung des Holzverkaufs, themen – sowie Planung und Kontrolle, da- tersklassenaufbau der drei Schalenwildarten für das Servitutswesen, die Almverträge, Ab- mit „diese bunte Welt im Innersten zusam- Rot-, Reh- und Gamswild und dafür, dass der schussmeldungen, Lohnverrechnung des menhält“. Sein Stellvertreter ist Forstmeister Wald als Habitat (Wohnort) des Wildes vital Fachbereiches und dergleichen… zeichnen Wolfgang PICHLER. und gut gemischt aufwachsen kann. Dass sie die guten Geister in der Forstdirektion ver- sehr professionell und mit bester Gebiets- antwortlich: Margarete NACHBAGAUER Tue Gutes und sprich darüber kenntnis auch auf „Fotopirschen“ führen, die (Holzverrechnung), Ulrike KOSCHNIK (Cam- Balz der Raufußhühner und die Brunft des pingplatz, Lohnverrechnung), Viktoria HAD- Einige Positivbeispiele, auf die wir be- Rotwildes zum Erlebnis machen, sei der Voll- LER (Sekretariat, Koordination und Termin- sonders stolz sind, verbinden Tradition und ständigkeit halber erwähnt. Als sprichwört- planung des Fachbereichsleiters), Albrecht Moderne, etwa: Renovierte Almhütten, der liches „Lebens“-mittel von den Berufsjägern FÖSSLEITNER und Andreas SCHINDLBACHER mutige Pavillon in Gstatterboden, unser veredeltes und als „XEIS-Edelwild“ angebote- (Rechnungswesen, Buchhaltung). Campingplatz „Forstgarten“ mit dem Um- nes Wildbret ist mittlerweile weitum bekannt Dem Fachbereichsleiter und Forstdirek- weltzeichen, die Hartelsgrabenbrücken, die und begehrt. Weitere Aufgaben: Monitoring tor Andreas HOLZINGER obliegt die ständi- Mountainbike-Strecke und, und, und… es ist (Sichtbeobachtungen, Gamszählungen), Mit- ge Kontaktpflege und Abstimmung mit dem noch nicht aller Tage Abend! arbeit bei Forschung und Besucherlenkung. Nationalpark-Direktor und seinem Team in Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 11
WALDUMWANDLUNG Erfolge der Förster Johnsbachtal Zwischenmäuer, 2009 Bild: Karl Platzer 2013: zu Beginn 2021: Laubbäume haben sich gut entwickelt Bild: Martin Zorn Bild: Martin Zorn MARTIN ZORN, CHRISTOPHER Wenn schon, denn schon! Bild oben: Johnsbachtal Zwischenmäuer, FÜRWEGER, HERBERT WÖLGER 2009: > 50 % Fichten entnommen, Laubholz Nach den Anfangsjahren war klar: den sehr großzügig freigestellt. gewünschten Erfolg – nämlich nicht mehr 2021: Laubbäume (Ahorn, Esche) haben sich Im Nationalpark Gesäuse werden die wertvollen Zuwachs auf Einzelbäumen, son- sehr gut entwickelt. Ein Totholzanteil > 40 fm Wälder sich selbst überlassen. Ihre Zu- dern stärker durchmischten und gestuften bietet unzähligen Arten Lebensraum. Gut kunft soll nur durch natürliche Prozesse, Wald – bringen nur Eingriffe, die anders als entwickelte Strauchschicht (Seidelbast, Ha- nicht durch menschliches Handeln be- die Gewohnten durchgeführt werden. Eingrif- sel, Berberitze, Heckenkirsche) und zusätz- stimmt werden. Von dieser Regel gibt es fe müssen so stark sein, dass sich Lücken liche Verjüngung mit Ahorn, Esche, Buche wenige Ausnahmen: die Fällung von Ge- im Kronendach nicht gleich wieder schließen. und auch Fichte. Damit ist ein stufiger und fahrenbäumen am Straßenrand, Borken- Starke Eingriffe bergen immer die Gefahr artenreicherer Wald auf dem Weg. käferbekämpfung in der Nähe von Nach- nachfolgender Windwürfe, Schneedrücke barwäldern und, bis max. 2032, Eingriffe und Borkenkäferangriffe. Aber auch in die- Bilder unten: Sulzenwald, 2013, nördlich in gleichförmige und fichtendominierte sen Lücken – so durften wir lernen – stellt von Gstatterboden: Läuterung von Fichten Bestände, um Anstoß zu rascherer Ent- sich sogleich eine vitale und bunte Natur- in einer 15 bis 20 Jahre alten Aufforstung wicklung in Richtung höhere Diversi- verjüngung ein. Ein zweiter Erfolgsfaktor ist (die vor dem Nationalpark gemacht wurde). tät zu geben. Da kann man dafür oder nicht gleichförmig auf größerer Fläche zu Erst bei einem Minimalabstand von 10 m dagegen sein, jedenfalls geht die weitere arbeiten, sondern eine möglichst große Un- zwischen den Fichten haben Ahorne, Buchen Entwicklung dann etwas schneller. Aber regelmäßigkeit zuzulassen. Gewisse Regeln und Eschen genügend Licht und Zeit, um die welche Erfahrung haben die National- braucht es aber dennoch, weil die durchfüh- Lücken zu füllen. Für weitere Stufigkeit sorgt parkförster gemacht? renden Waldarbeiter Vorgaben brauchen. der Wind, der einige der freigestellten Bäu- me in den Folgejahren warf. 12 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
VERKEHR Das „wilde“ Parken von Autos Bild: Gebietsaufsicht Steigender Parkplatz- bedarf – was tun? HERBERT WÖLGER Die Menschen zieht es stärker in die Na- Autos machen uns mobil. Nur wenige von tigen Schritt in diese Richtung zu machen, tur, ein Trend, der schon mehrere Jahre uns verzichten daher freiwillig darauf, trotz die Parkplätze infrastrukturell zu verbessern zu beobachten ist. Als Nationalpark bie- der negativen Begleiterscheinungen, wie und wo notwendig auszubauen, oder an si- ten wir besonders attraktive Natur und Umweltverschmutzung, Flächenbedarf und chereren Plätzen (vor allem in Johnsbach) zu verzeichnen auch einen deutlichen Be- Lärmbelästigung. Autos sind also da, sie stö- errichten. Um einerseits Investitionen und sucheranstieg. Die Parkverwaltung pro- ren uns nicht, wenn wir drinnen sitzen, aber Betrieb zu finanzieren, andererseits eine fitiert da nicht finanziell, Ausgaben der dann, wenn wir uns erholen und die Natur in Handhabe für eine Regulierung zu haben, Besucher landen bei der Tourismuswirt- Ruhe genießen wollen. Ein guter Kompromiss werden unsere Parkplätze nach Abschluss schaft und in Steuerkassen, was ja auch ist ein qualitatives Parkraumangebot. Ausrei- der wichtigsten Investitionen – voraussicht- gut und recht ist. Trotzdem freuen wir chend, aber nicht überdimensioniert, mit der lich mit Jahresende 2021 – mit einem klei- uns über mehr Besucher, denn deren Na- notwendigen Infrastruktur ausgestattet (To- nen Betrag kostenpflichtig werden. Parallel turerlebnisse erhöhen die Wertschätzung iletten etc.), nah an den Ausgangspunkten dazu setzen wir uns für alternative Mobilität gegenüber der Natur. Es darf halt nicht der Touren und halbwegs vor Naturgefahren weiterhin ein, sei es für die Beibehaltung des ein Zuviel werden und die – zumindest geschützt. Gesäuse-Sammeltaxis, Verbesserungen im aus Naturschutzsicht – negativen Neben- Linienverkehr oder Ausbau des Radweges. erscheinungen gehören kontrolliert, wie Wir haben uns gemeinsam mit Partnern Wir hoffen auf Ihr Verständnis. Parkraum- zum Beispiel das „wilde“ Parken von wie den Steiermärkischen Landesforsten management schützt die Natur des National- Autos. und in Abstimmung mit der Gemeinde Ad- parks und sichert die Erlebnisqualität für die mont entschlossen, einen großen und wich- Besucher*innen. Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 13
WISSEN ÜBER DEN WALD Wissen über den Wald: Zur natürlichen Verbreitung der Baumsamen ANDREAS HOLZINGER Wer jetzt im Frühling die Natur hautnah spüren will, ihre pulsierende Energie auf sich wirken lässt, wird mitgenommen von der zunehmenden Kraft der Sonne, den rauschenden Bächen der Schneeschmel- ze, den weiß-gelb-violetten Farbtupfen der ersten Frühlingsblumen in den samt- grünen Wiesen und Waldlichtungen. Im Bergmischwald hat die Schneetrift viele kleine braun-stachelige Kugeln in feuch- tebegünstigte Mulden verfrachtet – tau- sende Bucheckern, deren dreikantige, rot- braune Samen nun ein gutes Keimbett vorfinden oder einfach als „Tischlein- deck-dich“ und Leckerbissen vom Wild, Waldvögeln oder Freund Eichhorn ver- nascht werden. Schmackhaftes Ergebnis Bucheckern am Altschnee einer Buchenvollmast, das die erfinderi- Bild: Archiv Landesforste sche Natur alle paar Jahre verschenkt… 14 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
WISSEN ÜBER DEN WALD Ahornpropeller in Fichtenanflug im Schutz eines Büscheln am Zweig vermorschenden Stammes Bild: Ernst Kren Bild: Ernst Kren Schmelzwasserbach mit Tausende junge Buchen Frühlingsgrün bei ausreichend Sonne Bild: Ernst Kren Bild: Archiv Landesforste Alles Gute kommt von oben nämlich Wind und Schwerkraft, noch einmal Von fliegenden Förstern und kosten- zurück zum Start! loser Hochlagenaufforstung Wenn Bucheckern oder noch viel schwe- rere Samen wie Eicheln oder gar Kastanien Schwierigste Phase – die Kinderstube! Als wichtige dritte Säule der Verbreitung am Waldboden auftreffen, spricht der Forst- der Baumsamen gelten nun die Vögel des mann von „Aufschlag“, während vom Wind Wenn nun der Samen bei begünstigtem Waldes – insbesondere Häher, aber auch durch ihre Flugeinrichtungen/Flügel zum Feuchte- und Lichtmilieu gekeimt hat, seine Singvögel und Eichhörnchen, die Samen- Teil über hunderte Meter vertragene Samen zarte Wurzel den Mineralboden erreicht und verstecke als Wintervorräte anlegen, dann wie etwa die flauschigen Samen von Weide die ersten Blätter ihre eigene Photosynthe- aber nicht mehr alle finden. Ihre Leistung und Pappel oder Propeller von Ahorn, Lindese geschafft haben, beginnt der eigentliche ist teils beachtlich: So sagt die Ornithologie, und Esche, wenn sie auflaufen, als „Anflug“ Lebenskampf um ausreichend Licht und dass etwa ein Eichelhäher bis zu 10 Eicheln bezeichnet werden. Bei stärkeren Winden damit Wärme, Nährstoffe und Wasser. Von gleichzeitig transportieren kann. Aber auch oder Föhn kann deren Verbreitung bis zu ei- den vielen tausend Keimlingen auf der Flä- Beeren der Eberesche, Wildkirschen, Eiben- nem Kilometer und mehr betragen – ein be- che werden sich nur die Vitalsten gegen die samen und Mistelbeeren werden so verbrei- achtlicher Startvorteil gegenüber etwa denarteigene Konkurrenz, gegen dichten Gräser- tet – kleiner Nachteil am Rande: Sie müssen schweren Samen der Tanne, was letztlich bewuchs und Kräuter durchsetzen, Trocken- zuerst durch den Verdauungstrakt des Vo- die Bedeutung einer ausreichenden Zahl an perioden, Schneedruck und Frösten trotzen. gels, – aber die Verbreitung ist so gesichert! fruktifizierenden „Mutterbäumen“ – im Be- Wenn sie dann noch dem Äser des Wildes stand verteilt – unterstreicht. entwachsen sind, ist die schwierigste Zeit Ein nettes Verwirrspiel mit der Nomenkla- überstanden – der Leittrieb strebt „nach Hö- tur leistet sich der Tannenhäher (lat.: Nucifra- Nachdem wir nun die beiden ersten Arten herem“. ga caryocatactes, der „Nüssetragende“), der der Samenverbreitung kennengelernt haben, in der Hochlage an der Waldgrenze lebt und Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 15
WISSEN ÜBER DEN WALD Hellrote Vogelbeeren der Eberesche frisch Der fleißige Tannen- aber bereit für Jause und Transport eigentlich Zirbenhäher Bild: Ernst Kren Bild: Hubert Keil Kadaververjüngung auf liegendem Totholz Bild: Johannes Pötscher Jausenplatz von Freund Eichhorn Buchen-Fichten-Lärchen-Mischwald im Tal Bild: Viktoria Hadler Bild: Ernst Kren liebend gerne Zirbelnüsse frisst, deswegen Einer für Alle und Alle auf Einem – Aber letztlich egal, ob Wind, Wasser, im Volksmund auch „Zirbenhäher“ genannt oder die hohe Bedeutung von liegendem Schwerkraft oder Vögel die Samen verbrei- wird. Für diesen kleinen Namensscherz re- Totholz… ten, – wichtig für die Entwicklung des Natur- vanchiert er sich mit dem Phänomen der kos- waldes im Gesäuse ist die bunte Mischung, tenlosen Hochlagenaufforstung, da er ganze Im wahrsten Sinne des Wortes hat dieses die genetische Vielfalt, sind Rottenstruktu- Zirbenzapfen (mit vielen Nüssen) in den lich- bei hoher Schneelage, da Jungbäumchen ren und schmale, spitzkronige Säulenfich- ten Kampfzonen des Lärchen-Zirbenwaldes, auf dem erhöhten, feucht-bemoosten und ten in der Hochlage und dicht ausladendes also oberhalb der geschlossenen Bestände rascher als seine Umgebung ausapernden Buschwerk und Baumkronen im Mischwald vergräbt und einige davon im Frühjahr ver- Kleinstandort optimale Verhältnisse vorfin- des Tales, damit der grüne Balken im Logo gisst oder nicht mehr findet, die dann als Bü- den – der Aufwuchs klappt zunächst „wie am des Nationalparks auf immer seine wichtige schelpflanzung zu neuen, dicht gedrängten Schnürchen“, in einer Reihe, bis dann nach Bedeutung behält. Individuen aufwachsen, was scherzhaft auch Jahren die vermodernde Unterlage den Wur- als „Zwölf Apostel-Pflanzung“ bezeichnet zeln den Weg in den Mutterboden freigibt. wird. 16 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
PROJEKT INNOFOREST Bild: InnoForESt Waldökosystemleistungen – Was leistet der Wald für den Menschen? HANNAH POLITOR, KATHI KLINGLMAYR Der Wald als Ökosystem liefert uns nicht nur das Holz, das wir in unseren Möbeln, Häusern und vielen anderen Produkten Projekt InnoForESt verwenden. Er stellt auch andere Leistun- gen, sogenannte Ökosystemdienstleistun- gen, zur Verfügung. Zum Beispiel saubere Projektpartner: STUDIA Schlierbach, Luft, sauberes Wasser, die Speicherung Hochschule für nachhaltige Entwick- von CO2 oder die Erholung, die wir im lung Eberswald (DE), Institut für Struk- Wald erfahren können. Der Umfang sol- turpolitik (CZ), Forst- und Naturschutz- cher Leistungen hängt stark davon ab, behörde der Autonomen Provinz Trient wie ein Wald bewirtschaftet wird. Die (IT), Universeum Göteburg (SE), Akade- Gesellschaft bezahlt die Forstwirtschaft mie für nachhaltige Entwicklung (DE), aber nur in geringem Ausmaß oder oft Nachhaltige Wald- und Holznutzung Finnisches Forst-Zentrum (FI), STUDIA gar nicht dafür, dass sie diese ökologische steht bei InnoForESt an erster Stelle Schlierbach (AT), European Landowners und nachhaltige Mehrleistung erbringt. Bild: Nationalpark Gesäuse Archiv Organization (BE), Universität Innsbruck (AT), Universität Lund (SE), Universität Twente (NL), Forstliche Versuchs- und Wie Ökosystemdienstleistungen abgegol- Gemeinsam mit Organisationen und Forschungsanstalt Baden-Württemberg ten – und damit erhalten – werden können, Unternehmen aus dem Bereich Wald-Holz (DE), Universität Trient (IT), Finnisches wurde in den letzten drei Jahren im europäi- der Region Eisenwurzen wurde über die Fra- Umweltinstitut (FI), Leibniz-Zentrum für schen Projekt InnoForESt untersucht und ge nachgedacht, wie ein regionales Wert- Agrarlandschaftsforschung (DE). weiterentwickelt. Die Beispielprojekte in den schöpfungsnetzwerk gemeinsame neuartige Partnerländern bieten unterschiedliche Mög- Projekte, Produkte und Dienstleistungen Ansprechpartner in der Region: lichkeiten und verfolgen unterschiedliche schaffen kann. Von einem eigenständigen Hannah Politor, STUDIA Schlierbach Strategien. Zum Beispiel können Touristen Eisenwurzen-Design, über die stärkere Nut- in Mecklenburg-Vorpommern „Waldaktien“ zung von Buchenholz bis hin zum Erleben kaufen, um den CO2-Ausstoß ihrer Urlaubs- von Wald und Holz (z.B. durch Waldbaden reise zu kompensieren, in Schweden wird und Waldpädagogik) wurden unterschied- Schülerinnen und Schülern die „Liebe zum lichste Ideen diskutiert und regionale Er- Wald“ in einem Wettbewerb nahegebracht, folgsbeispiele vor den Vorhang geholt. Die uvm. wichtigste Erkenntnis für alle Beteiligten war, Auch in der Region Eisenwurzen wurde an dass nur mit einer aktiven Vernetzung unter- Diese Vernetzung wollen die regionalen dieser Fragestellung geforscht. Hier lag der einander eine zukünftige Zusammenarbeit Akteure fortsetzen. Wer sich am Netzwerk Fokus auf der nachhaltigen und regionalen möglich ist. Oder anders gesagt: Man muss beteiligen möchte, ist dazu herzlich eingela- Wald- und Holznutzung, die die regionalen einander kennen, um zu wissen, was die an- den und kann sich hier informieren: Wirtschaftskreisläufe und die Betriebe vor deren können. eisenwurzen.innoforest.eu Ort stärkt. Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 17
FOTOGRAFIE #gesäusefoto2020 auf Instagram CHRISTIAN MAJCEN, ANDREAS HOLLINGER Der Instagram Fotowettbewerb „Ge- säusefotograf des Jahres“ hat sich in der Szene bereits gut etabliert. Auch letztes Jahr waren hunderte Einreichungen zu verzeich- nen, da die Teilnahme daran sehr einfach war. Man konnte in einem gewissen Zeit- raum maximal 30 Gesäusebilder mit dem Hashtag #gesäusefoto2020 posten, eine Fachjury aus Tourismusverband, National- park Gesäuse und Stift Admont kürte im An- schluss daran das beste Bild. Zugelassen wa- ren ausschließlich eigene Arbeiten aus dem Gesäuse (Fläche des Tourismusverbandes). 2020 konnte den Wettbewerb Christian Majcen für sich entscheiden, den wir hier vorstellen möchten. Seit dem Jahr 2011 beschäftigt ihn die Fotografie. Unzählige Stunden verbringt er in der Natur, auf der Suche nach dem „per- fekten Bild“. Nun, die Frage ist, gibt es das perfekte Bild? Ist es der magische Sonnenaufgang, der brennende Himmel, der mystische Nebel oder doch das saftige Grün? Auch Majcen kann diese Frage nicht be- antworten, denn unsere Erde liefert jeden Tag neue Perspektiven, die alle auf ihre Art und Weise einzigartig sind. Man muss sie nur wahrnehmen. Diese einzigartigen Stimmungen versucht er mit seiner Fotografie festzuhalten. Es ist ihm unheimlich wichtig, nur mit natürli- chem Licht zu arbeiten, da er es einfach am Schönsten findet. Dieses natürliche Licht zieht sich wie ein roter Faden durch alle sei- ne Bilder und macht sie so unverwechselbar. Es gibt nichts Schöneres, als bei jedem Wetter die Natur und Landschaft aufs Neue zu erkunden. Das Wichtigste dabei ist, alles wieder so zu verlassen, als ob man nie hier gewesen wäre und die Natur mit ihren vielen Tieren und Pflanzen zu respektieren. Wir gratulieren herzlich zum Titel „Gesäu- sefotograf des Jahres 2020“ und zu den hervorragenden Bildern! 18 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
FOTOGRAFIE #gesäusefoto2020 Bilder: Christian Majcen Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 19
MENSCH UND NATUR Gregor Mendel – der berühmte Erbsenzähler Berühmt wurde der Augustinerpater Gregor Mendel erst im 20. Jahrhundert, lange nach seinem Tod. ALEXANDER MARINGER Bild: unbekannt (wiki commons gemeinfrei) Wieviele Erbsen wachsen in Ihrem Gemüsegarten? Welche Sorten sind es und wie groß ist ihr Ertrag? Etwa 28.000 Erbsenpflanzen hatte der Augustinerpater Gregor Johann Mendel kultiviert, bevor er seine Regeln formulierte. Um 1850 diskutierte der bereits aufge- 1856 begann Mendel im Garten des Stiftes de und weißblühende Erbsen, so kann man klärte Teil der Welt über den Prozess der Art- St. Thomas in Brünn sorgfältig ausgewählte (phänotypisch) rosa Erbsenblüten erwarten. bildung. Auch der Augustinermönch Gregor Erbsensorten zu züchten und Bestäubungs- In der Spaltungsregel wird formuliert, wie Johann Mendel (1822 - 1884) setzte sich in experimente durchzuführen. Diese Ergebnis- sich in einer weiteren Generation diese Merk- seiner Ausbildung als Priester und Naturwis- se veröffentlichte er 1866 in der Abhandlung male ausbilden. Im genannten Beispiel erhält senschaftler damit auseinander, wie Arten Versuche über Pflanzen-Hybriden im Natur- man rote, rosa und weiße Blüten im Verhält- entstehen könnten. Berühmten Forschern, forschenden Verein Brünn. nis 1:2:1. Gregor Mendel konnte durch eine wie Carl von Linné (Im Gseis 31) und Charles große Zahl gekreuzter Erbsenpflanzen dieses Darwin (Im Gseis 32) war bereits bekannt, Mendelsche Regeln Verhältnis statistisch belegen und war damit dass sich neue Formen, sogenannte Hyb- anderen Forschern, die ähnliche Versuche riden, sogar gezielt züchten ließen. Mendel Aus seinen Versuchsreihen leitete Mendel unternahmen, weit voraus. In der dritten Re- kannte die Literatur von Charles Darwin, drei Regeln ab: Die Uniformitätsregel besagt, gel, der Unabhängigkeitsregel, formulierte musste aber behutsam vorgehen, um nicht dass in der ersten Generation ein Merkmal Mendel den Erbgang mit zwei betrachteten als Darwinist und Freidenker sein kirchliches (zum Beispiel die Farbe der Erbsenblüte) Merkmalen. Diese verhalten sich voneinan- Amt zu gefährden. immer gleichbleibt. Kreuzt man rotblühen- der unabhängig, solange sie nicht am selben 20 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
MENSCH UND NATUR Chromosom liegen. Das schloss er vermut- lich durch Vorversuche aus, sodass er die sichtbaren Merkmalskombinationen im Ver- hältnis 9:3:3:1 gut belegen konnte. Gregor Mendel hatte damit auch bewie- sen, dass sich die Erbinformationen aus Tei- len – die wir heute Gene nennen – zusam- mensetzt. Die Mendelschen Regeln kann man nach Belieben und sehr einfach an Fruchtfliegen, Meerschweinchen und Blumen testen. Bei Nutzpflanzen kann man damit die gewünsch- ten Eigenschaften selektieren und den Ertrag noch einmal maßgeblich steigern. Mendel 22 sortenreine Erbsen benutzte Gregor Mendel für seine jahrelang andauernden Hybridisierungsversuche. selbst experimentierte mit 14 Pflanzenarten Hier eine kleine Auswahl der Sorten, die in den Gärten der Nationalpark-Mitarbeiter*innen wachsen. und in seinen letzten Lebensjahren noch an Bild: Alexander Maringer Honigbienen. Doch seine Zeitgenossen erkannten die derländischen Botaniker Hugo deVries so- Tragweite der Entdeckungen nicht. Seine ex- wie den österreichischen Pflanzenzüchter akt dokumentierte Forschung ging an rund Erich von Tschermak-Seysenegg. Die drei 100 Naturforschervereinigungen und Univer- Forscher standen untereinander in Kontakt, sitätsbibliotheken. Es fand sich jedoch nie- zum Teil sogar in wissenschaftlicher Konkur- mand, der die Experimente wiederholen woll- renz, sodass nicht ganz klar ist, wer zuerst te oder die tiefere Bedeutung verstand. Dazu auf Mendel stieß. Wichtiger als der Anteil der beigetragen haben mag, dass Gregor Mendel Personen an der Wiederentdeckung ist aber Anhänger der Befruchtungstheorie war und die Tatsache, dass die Arbeiten von Gregor Richtigstellung nicht die Verschmelzung von Ei und Samen- Mendel danach breit aufgegriffen und wieder zelle propagierte. Mendel stand in Kontakt in das Licht der Forschung gerückt wurden. mit dem Botanikprofessor Carl Nägeli in Ausgabe: Winter 2020 München. Dem erhaltenen Schriftverkehr ist Hatte Mendel (nicht) recht? Artikel: Die Universität der Wildnis zu entnehmen, dass der Professor ihn etwas Seite: 44 herablassend behandelte und die Versuche Durch die erneute Auseinandersetzung an Erbsen geringschätzte. Den von Mendel mit den Publikationen fiel Wissenschaftlern Wir schrieben: auf, dass die Ergebnisse des Augustiner- übermittelten Proben und detaillierten Anlei- „Sowohl die Gründung des Yosemite tungen zur Wiederholung seiner Experimente mönches statistisch zu gut passten. Heute Nationalparks, des ersten Nationalparks schenkte Nägeli keine besondere Aufmerk- würde man das als „Beschönigung der Roh- der USA und somit der Welt, durch Roo- samkeit. daten“ missbilligen. Zugeschrieben wurde sevelt im Jahre 1906 als auch in weiterer 1874 bricht der Briefkontakt ab, denn dies damals einem Assistenten von Mendel, Folge die National Parks Sequoia, Grand Mendel, mittlerweile Abt zu St. Thomas, istder die Ergebnisse wahrscheinlich mit der Canyon und Mount Rainier gehen direkt mit Klosterangelegenheiten beschäftigt und Erwartungshaltung in Einklang brachte. Das auf den Einfluss John Muirs zurück.“ ändert jedoch nichts an der Gültigkeit der Er- findet keine Zeit mehr für seine Hybridisie- rungsversuche. gebnisse. Besonderheiten der Genetik, wie Richtig ist: Im Jahr 1884 verstirbt Gregor Mendel ein „Crossover“ oder die Distanz der Merk- „Sowohl die Gründung des Yosemite im Alter von 61 Jahren an einem Nierenlei- male auf den Chromosomen, kannte und be- Nationalparks im Jahre 1890, als auch in den und wird am Zentralfriedhof der Stadt rücksichtigte Mendel offenbar nicht. Auch weiterer Folge die National Parks Sequoia, Brünn beigesetzt. Nach seinem Tod wurde das schmälert nicht seine Leistungen. Mit Grand Canyon und Mount Rainier, gehen der Nachlass verbrannt, da sich niemand seinen Kreuzungsexperimenten wurde Gre- direkt auf den Einfluss John Muirs zurück.“ fand, der Nutzen darin sah. So sind wohl gor Johann Mendel zum Vater der Genetik. umfangreiche Laboraufzeichnungen verloren Auch modernste Techniken, wie die CRISPR/ Zusätzliche Info: gegangen. Was wir heute über seine Person Cas-Methode (Clustered Regularly Interspa- Der erste Nationalpark der USA und so- wissen, stammt zum überwiegenden Teil aus ced Short Palindromic Repeats), mit der man mit der Welt ist der Yellowstone National- den Korrespondenzen. einzelne Abschnitte des Erbguts bearbeitet, park, der im Jahre 1872 gegründet wurde. basieren auf seinen Erkenntnissen. Mit die- Das Jahr 1906 war für den Yosemite Altes Wissen neu entdeckt ser Methode, deren Erfinder 2020 den No- Nationalpark aber dennoch von Bedeu- belpreis für Chemie erhielt, können heute tung, da er in diesem Jahr auf Anraten Die Wiederentdeckung Mendels erfolg- etwa Pflanzen ganz zielgerichtet und rasch John Muirs durch den Präsidenten Roo- te beinahe zeitgleich um 1900 durch den manipuliert werden – ohne züchterische sevelt komplett unter Bundesverwaltung deutschen Botaniker Carl Correns, den nie- Auslese, wie sie Gregor Mendel einst betrieb. gestellt wurde. Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021 21
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