DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021

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DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
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INHALT

                                                                 Inhalt                     2
                                                                                            3
                                                                                            3
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                                                                                                Inhalt | Impressum
                                                                                                Vorwort Herbert Wölger
                                                                                                Freiwilliger Druckkostenbeitrag
                                                                                                NP´s Austria Stipendium
                                                                                            8   Artportrait
                                                                                           10   Die Seite der Landesforste
                                                                                           12   Waldumwandlung
                                                                                           13   Verkehr
                                                                                           14   Wissen über den Wald
                                                                                           17   Projekt InnoForESt
                                                                                           18   Fotografie
                                                                                           20   Mensch und Natur
                                                                                           22   Gesäuse Partner
                                                                                           27   Forscher*innen über die Schulter
                                                                                          		    schauen
                                                                                           28   Veranstaltungen 2021
                                                                                           30   Unser Team
                                                                                           31   Wissensvermittlung aktuell
                                                                                           32   Rangergeschichte
                                                                                           34   Urwald-Fotoexpedition
                                                                                           37   Endemiten-Malbuch
                                                                                           38   Wildnis
                                                                                           40   Nature Writing – Natur beschreiben
                                                                                           42   Gut beobachtet
                                                                                           43   Weltweit einzigartig – Endemiten
                                                                                           44   Road Kill
                                                                                           46   Ranger worldwide
                                                                                           50   Luchs Trail
                                                                                           51   Trans Nationalpark
                                                                                           52   Tourismusstrukturreform
                                                                                           54   Stift Admont
            Impressum                                                                      55   Gseiserl
            Im Gseis Nr. 36, Sommer 2021
            Herausgeber, Medieninhaber und für den Inhalt verantwortlich:

            Nationalpark Gesäuse GmbH
            Anschrift: A-8913 Admont, Weng 2
            Telefon: +43 3613 210 00, Fax: +43 3613 210 00-18
            E-Mail: office@nationalpark-gesaeuse.at
            Internet: www.nationalpark-gesaeuse.at

            Namentlich gekennzeichnete Beiträge liegen inhaltlich in der Verantwor-
            tung der jeweiligen Autoren. Copyright für alle Beiträge: Nationalpark
            Gesäuse GmbH. Nachdruck nur mit Einwilligung des Herausgebers.

            Layout: fuernholzer design-photography-werbung, St. Gallen
            Druck: Printkompensiert gedruckt in der Medienfabrik Graz

            Gendergerechtes Schreiben erfordert Kompromisse. So sind die bisher übli-
            chen Begriffe wie Nationalpark Ranger, Besucher etc. gleichberechtigt weib-
            lich wie männlich zu verstehen.

            Titelseite: Am Ennsufer – keine Drohnenaufnahme, Fotograf: Herbert Wölger
            Seite 2: Ein Schuppiger Porling (Cerioporus squamosus) im Waaggraben,
            Fotograf: Herbert Wölger
            Rückseite: Von der Lauferbauerbrücke, Fotograf: Andreas Hollinger

            ISSN-Nummer: 1993 – 8926 (Printausgabe) / 1993 – 9485 (Webausgabe)

2        Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
VORWORT
              Small and beautiful
   Erwachet – oder so ähnlich – stand auf        aussetzen, können wir selbst bestimmen. Es
den Broschüren, die in meinen Studenten-         ist eine besondere Gnade, hier arbeiten zu
jahren am Wiener Schwedenplatz Vorbeige-         können. Ich meine auch, dass wir auf unser
henden unter die Nase gehalten wurden. 30        Juwel bisher gut aufgepasst haben. Manch-
Jahre später gibt es ein gewisses Erwachen,      mal müssen wir die (an sich) wilde und mäch-
zumindest vorübergehend. Nur mit riesigem        tige Natur wie ein kleines Kind vor den (an
Aufwand können wir Menschen manche Ein-          sich) guten Menschen behüten.
flüsse der Natur auf unser Leben dämpfen,
wirklich steuern können wir sie nicht. Alle         Unser Nationalpark bietet der wilden Na-
Lebewesen kämpfen um möglichst viel Ter-         tur einen der letzten Zufluchtsorte in der
rain, der Mensch ist dabei recht erfolgreich,    Steiermark, ist also etwas Besonderes. Die-
aber eben nicht allein.                          se Besonderheit müssen wir kommunizieren.
                                                 Die Menschen müssen das verstehen, die
   Der Mensch (Zivilisation) begradigt, ver-     entsprechende Kommunikation ist eine un-                     Herbert Wölger, Nationalparkdirektor
ändert und produziert – meist zielgerichtet.     serer wichtigsten Aufgaben. Kommunikation                    Bild: Stefan Leitner
Die übrige Natur (Wildnis) mäandert, produ-      durch Bilder, Worte und Buchstaben, aber
ziert nur zufällig, passiert einfach. Wir ge-    auch durch unser Tun!
hören zweifelsohne in die Zivilisation, aber
wir kommen aus der Wildnis. Die Wildnis             Wir bemühen uns um Naturschutz, um ein      sind wir „small and beautiful“, könnten wir in
schlummert noch in uns, entweder als Ort         qualitätsvolles Besucherangebot, um ausge-     Anlehnung an das bekannte Buch des Öko-
des Schreckens oder als Ort der Sehnsucht.       buchte (Bildungs-)Veranstaltungen, um ein      nomen Ernst Friedrich Schumacher sagen.
So hart und überaus schwierig es wäre, in        diverses und aufschlussreiches Forschungs-     Und das Kleine überlebt langfristig! Das lehrt
der wirklichen Wildnis leben zu müssen, so       programm. Darauf, worum es uns im Grunde       uns die Naturgeschichte. Klein und schön, so
schön und wertvoll ist es, in der Zivilisation   ankommt, ist die Suche nach einem ausge-       sind wir als Region. Small and beautiful sind
zu leben, aber vorübergehend in die Wildnis,     wogenen Verhältnis von Mensch und Natur.       auch die Nationalparks, gemessen an ihren
wo sie sich als Ort der Sehnsucht präsentiert,                                                  Flächenanteilen der europäischen Länder.
eintauchen zu können.                            Trotz all der Spannungen und Verwerfun-
                                              gen in der Gesellschaft, dem Kampf ums
   Im Gesäuse haben wir die Gelegenheit Überleben (früher) oder dem Anspruch nach                 Herbert Wölger
(und die Gnade), in die Wildnis einzutauchen. einem guten Leben (heute): ich glaube an            Nationalparkdirektor
Den Grad des Risikos, dem wir uns dabei die positive Kraft des Menschen. Im Grunde

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DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
NPS AUSTRIA STIPENDIUM

                         Talente für Wort und Bild
                         im Nationalpark Gesäuse
                             LEONHARD F. SEIDL, ANDREAS HOLLINGER

                         Nationalparks Austria – die Dachmar-       ist. Aber ich weiß nicht einmal, ob heu-        habe, sitze ich hier, weil es viel heller ist als
                         ke der österreichischen Nationalparks –    te wirklich der fünfte November ist. Mir        in der Alm, wo ich die kostbaren Kerzen auf-
                         schrieb in den letzten Jahren mehrfach     sind einige Tage abhanden gekommen. Ich         brauchen müsste. Hinter der Hütte schirmt
                         Medienstipendien aus. Dabei konnte man     fürchte, dass sich in meiner Erinnerung         mich eine steilaufragende, schwarze Fels-
                         sich in einem österreichischen National-   vieles anders ausnimmt, als ich es wirk-        wand vom Haselkar ab, von der Sonne, aber
                         park für ein Stipendium der Kategorien     lich erlebte. Was ich aber sicher weiß: Es      auch von Wind und Wetter. Wenn ich meinen
                         Literatur, Fotografie oder Videodesign     war bereits zu Ende, als es begonnen hatte.     Blick schweifen lasse, liegt er vor mir; der
                         bewerben. Letztes Jahr wurden wieder          Ich muss schreiben, wenn ich nicht den       lebende Berg. Perfekt in seiner Gestalt, an-
                         aus über 100 Bewerber*innen drei krea-     Verstand verlieren will. Es ist ja keiner da,   mutig, fast graziös, der zum Himmel geneigte
                         tive Talente für das Gesäuse ausgewählt.   der für mich denken und sorgen könnte.          Bergrücken. Wie die wohlgeformte Becken-
                         Der zweiwöchige Aufenthalt soll zu mög-    Ich bin ganz allein, und ich muß versuchen,     kuhle meiner Frau. Von der ich mich jetzt
                         lichst intensiven Naturerlebnissen führen. die langen dunklen Wintermonate zu über-        auch noch räumlich entfernt habe, durch die
                         Im Gesäuse stellten wir daher sehr abge-   stehen. Ich rechne nicht damit, dass diese      Wand im Tal. Anstelle meiner Hand füllt die
                         schiedene und einsame Unterkünfte ohne     Aufzeichnungen jemals gefunden werden.          Kuhle heute der milchig-weiße Himmel aus,
                         Strom und sonstiger Infrastruktur zur      Im Augenblick weiß ich nicht einmal, ob         der das braun-gefleckte, saftige Grün beson-
                         Verfügung. Leonhard F. Seidl absolvier-    ich es wünsche.                                 ders in Szene setzt.
                         te ein Stipendium für Literatur, Nadja        Ich sitze auf der überdachten Terrasse der      Nebelfetzen wälzen sich über die auf ei-
                         Thaler Lamprecht und Silvan Lamprecht      Hüpflinger Alm, einer alten Jagdhütte im Na-    nem Felsen vorgelagerte Fichte, schieben
                         waren als Fotografenteam unterwegs. Wir    tionalpark Gesäuse, in der ich eigentlich nur   sich an ihr vorbei, legen sich über sie wie
                         veröffentlichen hier Teile aus beiden ex-  zwei Wochen als Stipendiat hätte verbringen     eine Haut. Unweit daneben, in einer schrof-
                         zellenten Werken.                          sollen. An einem Holztisch, mit einer Kerze     fen Talsenke, voll graubraunem Geröll, steigt
                                                                    darauf, die ich erst entzünde, wenn die Dun-    der Nebel geisterhaft zerrissen auf. Je nach-
                                                                    kelheit mich nicht mehr lesen oder schreiben    dem, was er vom Berg verdeckt, verändert
                            Die Wand reloaded                       lässt. Wenn ich nicht in den Bergen oder im     der Berg sein Wesen. Legen die schroffen
                            Leonhard F. Seidl                       Nachbartal, im Nachbarkar wie es hier heißt,    Steilhänge seine Felswunden frei, offenbart
                                                                    unterwegs bin, um nach Menschen oder Tie-       er mir seine Verletzlichkeit. Das Grün auf sei-
                            Heute, am fünften November, beginne ren oder Essbarem oder Nützlichem zu su-            nem Rücken, der Kuhle dagegen, wirkt derart
                         ich mit meinem Bericht. Ich werde alles so chen und keine Reparatur- oder Haushalts-       fruchtbar auf mich, weckt und stillt zugleich
                         genau aufschreiben, wie es mir möglich arbeiten an oder in der Hütte zu verrichten         meine Sehnsucht nach menschlicher Nähe,

  4                      Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
Links oben: Tannenhäher
Rechts oben: Schwarzspecht
Rechts unten: Turmfalke
Bilder: Nadja & Silvan Lamprecht

durch die irrige Annahme, dass darauf (im-     nicht einmal, wo ich mich genau befand. In     liegt auf einer Anhöhe zwischen der Wand
mer noch) Mensch und Tier leben könnten.       der Dämmerung aufzubrechen, war lebens-        und einem Waldweg, der im Tal endet und der
   Andi, der Mitarbeiter des Nationalparks,    gefährlich. Ich könnte mir ein Bein brechen;   im Sommer selten von einem Bauern befah-
ein knurriger, aber humorvoller Typ, hatte     verirren, verdursten, verhungern. Also heizte  ren wird, der nach seinen weidenden Kühen
uns vom Zug abgeholt und mit uns zusam-        ich den Ofen, in dem das Feuer nach mehre-     sieht. Im Winter wird dort eine Skiloipe von
men die Verpflegung für die nächste Wo-        ren Versuchen und einer verrauchten Küche      den Nationalpark-Rangern für Skiwandernde
che eingekauft. In der Wochenmitte woll-       zu lodern und zu knacksen begann und eine      gespurt. Zwischen Weg und Hütte liegt ein
te er noch einmal nach uns sehen. Gab es       wohlige Wärme verbreitete.                     undurchsichtiger Fichten- und Föhrenwald,
hier doch weder Handynetz noch Internet.                                                      weshalb selbst Einheimische sie nicht ken-
Dann war er noch einmal mit meiner Frau           Die Jagdhütte besteht nur aus einer gro- nen. Bis ins nächste Dorf sind es knapp drei
aufgebrochen, weil vermeintlich Zündhölzer     ßen Wohnküche in Bauernstubenart, dane- Stunden zu Fuß, über Berge, Täler und Wald.
fehlten, was glücklicherweise ein Irrtum ge-   ben ein Schlafzimmer und ein Plumpsklo für
wesen war. Als sie am Abend nicht zurück-      die Nacht. Anfangs suche ich noch nach dem        Als die Sonne hinter den Fichten ver-
kehrten, machte ich mir große Sorgen. Ich      Lichtschalter hinter der Tür, wenn ich eintre- schwand und meine Frau immer noch nicht
nahm die Landkarte in die Hand. Wusste         te, was ich mittlerweile nicht mehr tue. Sie zurück war, wurde es kühl und die bläulichen

                                                                                                 Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021   5
DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
NPS AUSTRIA STIPENDIUM
                                               Manche sehen ein Gesicht, andere eine Kreuzspinne
                                               Bild: Nadja & Silvan Lamprecht

                         Schatten fielen in die Lichtung ein. Ich stand
                         in der Hütte vor dem Fenster, neben dem
                         knisternden Ofen, glaubte jemanden spre-
                         chen zu hören. Also trat ich nach draußen.
                         Ein weißer Felsblock strahlte mich durch die
                         Dunkelheit an, wirkte derart lebendig – was
                         ich auch heute noch so empfinde, nahe-
                         zu gänzlich von Moos, Tannen und Fichten
                         überwuchert. Dieser einzige, weiße Fixpunkt
                         in dieser ansonsten von Grün überfluteten
                         Senke. Der plätschernde Holzbrunnen vor
                         dem Haus erzählte weiter, ohne dass ich ihm
                         zuhörte.
                            Zurück in der Hütte, sah ich erneut aus
                         dem Fenster. Der Bergkuppenstrich vor mir
                         zeichnete eine schwarze Linie zum Weiß
                         des Himmels. Wie ein Scherenschnitt; Thea-
                         ter. Die Welt die Bühne und ich der einzige
                         Schauspieler.
                            In der Wärme und Stille wurde ich
                         schläfrig. Ich versperrte die Tür und nahm
                         den Schlüssel mit in meine Kammer. Legte
                         mich in das kalte Bett. Blies die Kerze aus.
                         Und dann überfiel mich die Schwärze der
                         Nacht und ich glaubte zu wissen, warum die
                         Menschen früher, gerade im Gebirge, in all
                         dieser Dunkelheit und Einsamkeit an einen
                         Gott, an ein allmächtiges Wesen, glauben
                         wollten. Ich war so müde, dass ich trotz
                         der feucht-kalten Steppdecke sofort ein-                                                                                Auf den Lamellen eines Pilzes
                         schlief.                                                                                                                Bild: Nadja & Silvan Lamprecht

                            Ich erwachte vom Regen, der auf das
                         Dach der Jagdhütte schlug, die Tropfen fielen
                         parallel zu den Tannen, als hätte alles seine
                         Ordnung. Ohne zu frühstücken verließ ich die
                         Hütte, um meine Frau zu suchen. Entdeckte
                         den höllenschwarzen, glänzenden Alpensala-
                         mander auf dem Weg, der mich aus seinen
                         langgestreckten Röhrenaugen anglotzte, sei-
                         ne Vorderfüße langgestreckt, still verharrend.
                            Ich merkte kaum, wie kühl und feucht
                         es im Kar war, weil ich darüber nachgrü-
                         belte, was aus meiner Frau geworden war.
                         Da trat die Straße aus dem Tal heraus. Nach
                         wenigen Schritten stieß ich mit der Stirn
                         heftig an und taumelte zurück. Verdutzt
                         streckte ich die Hand aus und berührte
                         etwas Glattes und Kühles: einen glatten
                         kühlen Widerstand an einer Stelle, an der
                         doch gar nichts sein konnte als Luft. Dann            ze Kastanie angefühlt hatte. Ich weiß nun,        trotzdem bin ich müde davon, dass mir
                         hörte ich lautes Pochen und sah um mich,              warum ich damals täglich das Gefühl hat-          doch alles wieder genommen wird. Es gibt
                         ehe ich begriff, daß es mein eigener Herz-            te, bald sterben zu müssen. War nie mehr          keinen Ausweg, denn solange es im Wald
                         schlag war, der mir in den Ohren dröhnte.             glücklich gewesen. Alles veränderte sich          ein Geschöpf gibt, das ich lieben könnte,
                                                                               auf eine trostlose Weise, und ich hörte auf,      werde ich es tun; und wenn es einmal
                            Es gibt Stunden, in denen ich mich freue           wirklich zu leben. Noch bevor ich die unzäh-      wirklich nichts mehr gibt, werde ich auf-
                         auf eine Zeit, in der es nichts mehr geben            ligen Nachrichten an ihre Liebhaberinnen auf      hören zu leben. Lieben und für ein anderes
                         wird, woran ich mein Herz hängen könn-                ihrem für mich jetzt völlig nutzlosem Handy       Wesen sorgen ist ein sehr mühsames Ge-
                         te. Darum bin ich auch froh, dass ich meine           fand, als ich vor der Wand stand. Jetzt bin ich   schäft und viel schwerer, als zu töten und
                         Frau längst losgelassen habe, weil sich ihre          nur noch ein Mensch ohne kollektive Bedeu-        zu zerstören. Ein Kind aufzuziehen dauert
                         Hand in meiner wie eine ungeschlüpfte, spit-          tung, ganz einfach nur ein Individuum. Und        zwanzig Jahre, es zu töten zehn Sekunden.

  6                      Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
NPS AUSTRIA STIPENDIUM
Kreuzotter
Bild: Nadja & Silvan Lamprecht

                                 Talente für Wort
                                 und Bild:
                                    Der Schriftsteller Leonhard F. Seidl
                                 verbrachte im August zwei Wochen als
                                 Stipendiat auf einer ehemaligen Jagd-
                                 hütte im Nationalpark Gesäuse. Die
                                 Shortstory ist eine Hommage an die
                                 Schriftstellerin Marlene Haushofer, an-
                                 lässlich ihres 100. Geburtstages. Die
                                 kursiven Stellen stammen aus ihrem
                                 Roman „Die Wand“, Deutscher Taschen-
Bockkäfer im Portrait            buch Verlag, 1999.
Bild: Nadja & Silvan Lamprecht
                                    Soeben ist Seidls fünfter Roman „Der
                                 falsche Schah“ im Volk Verlag erschie-
                                 nen. https://www.textartelier.de

                                    Leonhard F. Seidl leitet von Fr, 03.
                                 bis So, 05.12.2021 einen Schreib-
                                 Workshop „Nature Writing – Natur be-
                                 schreiben im Nationalpark Gesäuse“.
                                 Nähere Informationen finden Sie auf
                                 unserer Website.

                                    Nadja Thaler Lamprecht und Silvan
                                 Lamprecht leben und arbeiten in Ster-
                                 zing. Ihre Leidenschaft gilt vor allem der
                                 Fotografie von Tieren in freier Wildbahn.

                                 https://instagram.com/
                                 nadja.thaler.photo?igshid=j842cb97iuej

Farn mit Sporangien              https://www.facebook.com/
Bild: Nadja & Silvan Lamprecht   Nadja-Silvan-Lamprecht-Photo-
                                 101251218456413

                                  Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021              7
DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
Die auffallende Rückenflosse, spitz zulaufende
                                                                                                            Pupillen, große Rundschuppen und ein
                                                                                                            spitzes Maul kennzeichnen die Äsche.
                                                                                                            Bild: Clemens Gumpinger

                  Die Äsche – Graue
                  Eminenz in der Enns
        ALEXANDER MARINGER

    Der Fisch des Jahres 2021 hat im Bun-           nannte Äschenfahne, ist auffällig groß und       von Fischarten, wie Nase, Gründling, Schnei-
    desland seinen Verbreitungsschwerpunkt          dient auch dazu, während der Laichzeit Auf-      der, Döbel, Koppe und Huchen begleitet.
    in den kühlen Gewässern der Obersteier-         merksamkeit bei den Weibchen zu erregen.            Die Enns im Gesäuse und dem weiteren
    mark. Doch der Lebensraum schwindet             Die Äsche besitzt einen eher kleinen Kopf        Umfeld liegt in der Äschenregion. Ober-
    und große Äschen sucht man oft vergeb-          und eine spitze Schnauze. Das leicht unter-      halb Schladming entspricht die Enns dem
    lich.                                           ständige Maul lässt auf die bevorzugte Nah-      biozönotischen Typ der Forellenregion mit
                                                    rung schließen: Es sind Insekten, Bachfloh-      weit schneller fließendem, sehr sauerstoff-
                                                    krebse, Würmer und dergleichen, die sich auf     reichem Wasser, wo sich etwa Bachforellen
       Zwei phonetisch sehr ähnlich klingende       dem Gewässergrund aufhalten. Gelegentlich        wohl fühlen. Blickt man nach Oberösterreich
    Arten sind Sorgenkinder des Nationalpark        zählen Fischeier und kleinere Fische zur Nah-    in den Mündungsbereich hin zur Donau, wo
    Gesäuse: Die Esche, eine bekannte Laub-         rung. Ausgewachsene Äschen sind gut ein-         vegetationsreiche Ufer ausgebildet sind, der
    baumart, deren alte Exemplare in den letzten    einhalb Kilogramm schwer und werden einen        Untergrund sandiger wird und das Wasser
    Jahren flächendeckend einer Pilzinfektion       halben Meter lang.                               durch die langsamere Fließgeschwindigkeit
    zum Opfer gefallen sind, und die Äsche, ein        Äschen sind empfindlich gegenüber Um-         sauerstoffärmer ist, so befindet sich dort die
    Fisch aus der Familie der Salmoniden, der       weltverschmutzungen und bevorzugen daher         Barbenregion.
    nur mehr in bedauernswert niedrigen Dich-       eine gute Wasserqualität. Sie kommen in
    ten in der Enns schwimmt.                       kühlen, klaren und eher schnellfließenden          Die Laichzeit der Äsche liegt im Frühjahr
                                                    Bächen und Flüssen vor. Das Flussbett be-        und findet, abhängig von der Wassertem-
       Die Äsche besitzt einen graugrün bis bläu-   steht hier aus Geröll und grob- bis feinkörni-   peratur von 4 bis 8° C, zwischen März und
    lichen Rücken und fällt durch silberweiße       gem Kies. Die Wassertemperatur ist beschei-      Anfang Mai statt. An überströmten Kiesbän-
    Flanken auf. Der Körper der Äsche ist nicht     den und steigt kaum über 15 Grad Celsius.        ken sammeln sich die Fische und die Eiabla-
    ganz so langgestreckt, wie der einer Forelle.   Dieser Lebensraum wird typischerweise als        ge erfolgt in Mulden, die von den Weibchen
    Die Rückenflosse der Männchen, die soge-        Äschenregion bezeichnet. Dabei werden sie        geschlagen werden. Die Plätze liegen ver-

8   Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
ARTPORTRAIT
                                                                                                  Äschen können mit schnell fließenden Gewässern
                                                                                                  gut umgehen, benötigen aber seichte, überströmte
                                                                                                  Kiesbänke zum Ablaichen. Bild: Martin Hartmann

gleichsweise zu anderen Fischarten an sehr
seichten Stellen. Ändert sich der Wasser-
stand, fallen die Laichbänke oft großflächig
trocken. Ebenso wirken sich Hochwasser-
ereignisse zu dieser Jahreszeit fatal aus. In
den Eiern entwickeln sich drei bis vier Wo-
chen lang Larven, die nach dem Schlüpfen
zunächst noch im Schwarm leben und von
ihrem Dottersack zehren. Nach weiteren
zwei bis drei Wochen schwimmen die Jung-
fische in durchströmte Bereiche und gehen
dort alleine auf Nahrungssuche. Erwachse-
ne Fische dringen bis in die Flussmitte vor.
Sie sind weniger an Strukturen gebunden,
die ihnen Deckung geben könnten. Bachfo-                                                                              Die große Rückenflosse macht
rellen dagegen suchen oftmals entlang der                                                                             Äschen leicht erkennbar.
Steilufer Schutz, was es ihren Fressfeinden                                                                           Bild: Martin Hartmann
schwerer macht.

   Anhand dieser kurzen Biologie der Äsche
lässt sich ableiten, dass die Fischart gegen-      Bei der Äsche ging die Biomasse zwischen    der Aufmerksamkeit gerückt. Diese Ehre
über vielen Faktoren unserer Zeit verwund-      2006 und 2015 um 75 % zurück. Sie ist noch     wurde ihr bereits 2002 und 2011 zuteil. Da-
bar ist. Defizite in der Struktur des Lebens-   immer individuenreich vertreten, zeigt je-     mit verbunden ist die Hoffnung, dass sich
raumes, Fraßdruck durch verschiedene            doch Defizite im Aufbau der Altersklassen.     diese Art wieder erholen und natürlich repro-
Räuber, die Folgen des Klimawandels und         Momentan scheinen nicht genug erwachse-        duzieren kann. Um der Äsche zu helfen, sind
der Schwallbetrieb von Kraftwerken sind         ne Äschen vorhanden zu sein, um die Popu-      viele regionale Maßnahmen gefragt. Einen
Ursachen, die zum Rückgang der Äsche ge-        lation aus der Talsohle zu führen.             Anfang bildeten die Projekte „LIFE Natur-
führt haben.                                                                                   schutzstrategien für Wald und Wildfluss im
   Die Gesamtbiomasse der Fische in der            Dabei wäre die Äsche ein ausgezeichne-      Gesäuse“ und „LIFE+ Enns“, die mit neuen
Enns ist im Abschnitt Gesäuse von 216,7 kg/     ter Speisefisch, der auch für die Fischerei    Kies- und Schotterbänken attraktive Laich-
ha in den 1990er-Jahren auf 27,6 kg/ha im       attraktiv ist. Der wissenschaftliche Name      plätze für die Äsche schufen. Aktuell spie-
Jahr 2006 zusammengebrochen. 2015 konn-         Thymallus thymallus wird manchmal auf den      geln sich die Lebensraumverbesserungen
ten nur mehr 20,2 kg/ha festgestellt werden.    leichten Thymiangeschmack des Fleisches        noch nicht in den Bestandsdaten wider. Die
Die geringe Biomasse wirkt sich auf den         zurückgeführt, der scheinbar schon Carl von    letzte systematische Befischung der Enns
Fischökologischen Zustand aus, der für den      Linné bei der Namensgebung bekannt war.        2020 stimmt uns aber vorsichtig optimis-
Abschnitt Paltenspitz-Gesäuseeingang eben-                                                     tisch, dass es doch mit der Äsche wieder
so wie für Gofer-Johnsbach als „5 – schlecht“     Nach der Bachforelle 2020 ist nun die        bergauf gehen könnte.
bewertet wird.                                  Äsche 2021 als Fisch des Jahres in den Fokus

                                                                                                  Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021          9
DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2021
18 Jahre Wald- und
                     Wildmanagement der
                     Steiermärkischen Landesforste
                     im Nationalpark Gesäuse
                                                           Landesforste-Team im und für den Nationalpark, v.li.n.re.: Florian Leisser, Christian Mayer, Christopher
                                                           Fürweger, Martin Zorn, Andreas Schindlbacher, Wolfgang Pichler, Albrecht Fössleitner, Heimo Kranzer,
                                                           Margarete Nachbagauer, Viktoria Hadler, Ulrike Koschnik, Andreas Holzinger, Stefan Prantl, Valentin
         ANDREAS HOLZINGER                                 Durchschlag, Franz Prantl, Thomas Weissensteiner, Peter Thaler. Bild: Andreas Hollinger

     Seit nunmehr 18 Jahren ist der National-        der Dickungsphase, da – wie überall im Le-             er die forstlichen Arbeiten, erteilt unmiss-
     park Gesäuse auf Flächen der Steiermär-         ben – die Erziehung im Kindesalter beginnt             verständliche Befehle und versieht neben
     kischen Landesforste zwischen Admont            und da am effizientesten ist. Mutige Eingriffe         der Forstaufsicht auch Wildmanagement,
     und Hieflau, Sankt Gallen, Landl und            und ein waldbauliches Sensorium einerseits             Fütterung und den erforderlichen Abschuss
     Johnsbach, eingerichtet. Genauso lange          sind hier gefragt – andererseits beste Aus-            im Revierteil Hartelsgraben. Die westlichen
     liegen die Aufgaben des Wald- und Wild-         bildung und Technik bei der Entnahme star-             und südlichen Managementbereiche in Gofer
     managements bis zur Instandhaltung der          ker Fichtenstämme, ohne den verbleibenden              und Johnsbach werden von Förster Christo-
     Hauptwege und Gebäude in den Händen             Bestand zu schädigen! Eigenschaften, die               pher FÜRWEGER wahrgenommen, der neben
     der Landesforste, die mit ihrem Grundbe-        unsere drei Gstatterbodner Forstfacharbei-             Forst- und Jagdaufsicht auch die Fischerei-
     sitz den Nationalpark nicht nur vertrag-        ter Peter THALER, Valentin DURCHSCHLAG                 aufsicht innehat. Die Erhaltung der Befahr-
     lich absichern, sondern auch Naturschutz        und Thomas WEISSENSTEINER auf alle Fälle               barkeit der Hauptwege, Instandhaltung der
     aktiv mitgestalten. Waren in den bisheri-       mitbringen. Für die wichtige, harte Technik            Mountainbike-Strecke und Entschärfung der
     gen Gseis-Ausgaben Waldbäume, Wildtie-          dahinter, egal ob Fuhrpark, Traktor, Seilwin-          Gefahrenbäume neben den Wegen ist genau-
     re, Totholz und Borkenkäfer die Haupt-          de oder auch einmal ein neuer Weiderost auf            so Försterverantwortung wie das Kümmern
     themen dieser Rubrik, sollen diesmal die        der Alm ist Werkstättenleiter Stefan PRANTL            um Borkenkäferbefall in der Management-
     Menschen dahinter vorgestellt werden.           verantwortlich, der so nebenbei auch Hei-              zone.
     Viele verschiedene neue Aufgaben und            zungen und Kläranlagen serviciert. Sein
     Herausforderungen des Naturschutzes er-        „hölzernes“ Pendant in Sachen Bauwesen,                  …und dass die Bäume nicht in den
     fordern ebenso viele verschiedene Ausbil-       Infrastruktur und überhaupt „Mann für Alles“           Himmel wachsen…
     dungen und Kenntnisse. „Biodiversität“          ist Namensvetter Franz PRANTL, Tischler,
     einmal anders!                                  Maurer, Maler, einfach universell einsetzbar              dafür sorgen neben Schnee, Wind und be-
                                                     bei Tischen, Bänken, Zäunen, Brunntrögen               sagten Borkenkäfern auch unsere Wildtiere,
                                                     oder Hüttendächern – natürlich auch aus                die natürlich neben schmackhaften Gräsern,
        Alles im grünen Bereich                      Gstatterboden! Und wer jetzt da ein „Nest“             Kräutern und Beeren auch den einen oder
                                                     vermutet, hat nicht ganz unrecht, bewohnt              anderen Leittrieb der Jungbäumchen verna-
        Die grüne Hauptaufgabe besteht zunächst      doch auch der zuständige und verantwort-               schen. Bei dichtem Fichten-, Eschen- oder
     in der schrittweisen Überführung fichtenrei-    liche (allerdings gebürtige Kirchdorfer) Re-           Ahornanflug noch nicht besorgniserregend,
     cher Bestände in natürliche Mischbestände       vier- und Einsatzleiter dieser Truppe, Förster         kritisch jedoch dann, wenn vereinzelte er-
     durch Entnahme von Fichten in der Manage-       Martin ZORN mit Familie, die schöne Förs-              wünschte und manchmal ersehnte Jungtan-
     mentzone – dies bereits im Jungwuchs und        terei in Gstatterboden. Von hier aus dirigiert         nen, Buchen oder andere Laubhölzer ver-

10   Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
LANDESFORSTE
                                               Campingplatz Forstgarten                                                     Hartelsgrabenbrücke
                                               Bild: Viktoria Hadler                                                        Bild: Werner Stelzl

                                                    NP-Pavillon                                                          Hartelsgrabenbrücke
                                                    Bild: Stefan Leitner                                                 Bild: Andreas Holzinger

bissen, oder elastische Lärchen-Stämmchen
verfegt werden. Zugegeben, auch Verbiss ist
ein natürlicher Prozess und die Festlegung
als „Schaden“ eine zutiefst menschliche,
aber nicht natürliche Kategorie, – dennoch
gilt:

  Wald und Wild im ökologischen Gleich-
gewicht!

   Dass ein Aufkommen der erwünschten                                                                                    Sulzkarseehütte
Mischbaumarten möglich ist, liegt in den                                                                                 Bild: Andreas Holzinger
Händen unserer drei Berufsjäger Heimo
KRANZER, Christian MAYER und Florian LEIS-
SER. Ihnen obliegt die Herstellung jenes be-
rühmten ausgewogenen Gleichgewichts im           Jede Perle braucht ihre Fassung              regelmäßigen Jour Fixe – Gesprächen, die
Ökosystem Wald und Wild. Sie sorgen durch                                                     spezifische Öffentlichkeitsarbeit – schriftlich
entsprechenden Jagddruck für das natür-           Für die korrekte Verwaltung all dieser      und mittels Führungen im Gelände zu Wald-
liche Geschlechterverhältnis, korrekten Al-    Aufgaben, für Abrechnung des Holzverkaufs,     themen – sowie Planung und Kontrolle, da-
tersklassenaufbau der drei Schalenwildarten    für das Servitutswesen, die Almverträge, Ab-   mit „diese bunte Welt im Innersten zusam-
Rot-, Reh- und Gamswild und dafür, dass der    schussmeldungen, Lohnverrechnung des           menhält“. Sein Stellvertreter ist Forstmeister
Wald als Habitat (Wohnort) des Wildes vital    Fachbereiches und dergleichen… zeichnen        Wolfgang PICHLER.
und gut gemischt aufwachsen kann. Dass sie     die guten Geister in der Forstdirektion ver-
sehr professionell und mit bester Gebiets-     antwortlich: Margarete NACHBAGAUER               Tue Gutes und sprich darüber
kenntnis auch auf „Fotopirschen“ führen, die   (Holzverrechnung), Ulrike KOSCHNIK (Cam-
Balz der Raufußhühner und die Brunft des       pingplatz, Lohnverrechnung), Viktoria HAD-       Einige Positivbeispiele, auf die wir be-
Rotwildes zum Erlebnis machen, sei der Voll-   LER (Sekretariat, Koordination und Termin-     sonders stolz sind, verbinden Tradition und
ständigkeit halber erwähnt. Als sprichwört-    planung des Fachbereichsleiters), Albrecht     Moderne, etwa: Renovierte Almhütten, der
liches „Lebens“-mittel von den Berufsjägern    FÖSSLEITNER und Andreas SCHINDLBACHER          mutige Pavillon in Gstatterboden, unser
veredeltes und als „XEIS-Edelwild“ angebote-   (Rechnungswesen, Buchhaltung).                 Campingplatz „Forstgarten“ mit dem Um-
nes Wildbret ist mittlerweile weitum bekannt      Dem Fachbereichsleiter und Forstdirek-      weltzeichen, die Hartelsgrabenbrücken, die
und begehrt. Weitere Aufgaben: Monitoring      tor Andreas HOLZINGER obliegt die ständi-      Mountainbike-Strecke und, und, und… es ist
(Sichtbeobachtungen, Gamszählungen), Mit-      ge Kontaktpflege und Abstimmung mit dem        noch nicht aller Tage Abend!
arbeit bei Forschung und Besucherlenkung.      Nationalpark-Direktor und seinem Team in

                                                                                                 Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021        11
WALDUMWANDLUNG

                                  Erfolge
                                  der
                                  Förster
                                                                                                                             Johnsbachtal Zwischenmäuer, 2009
                                                                                                                             Bild: Karl Platzer

                                                                   2013: zu Beginn                                   2021: Laubbäume haben sich gut entwickelt
                                                                   Bild: Martin Zorn                                 Bild: Martin Zorn

                     MARTIN ZORN, CHRISTOPHER                  Wenn schon, denn schon!                          Bild oben: Johnsbachtal Zwischenmäuer,
                     FÜRWEGER, HERBERT WÖLGER                                                                2009: > 50 % Fichten entnommen, Laubholz
                                                                Nach den Anfangsjahren war klar: den         sehr großzügig freigestellt.
                                                             gewünschten Erfolg – nämlich nicht mehr         2021: Laubbäume (Ahorn, Esche) haben sich
                 Im Nationalpark Gesäuse werden die          wertvollen Zuwachs auf Einzelbäumen, son-       sehr gut entwickelt. Ein Totholzanteil > 40 fm
                 Wälder sich selbst überlassen. Ihre Zu-     dern stärker durchmischten und gestuften        bietet unzähligen Arten Lebensraum. Gut
                 kunft soll nur durch natürliche Prozesse,   Wald – bringen nur Eingriffe, die anders als    entwickelte Strauchschicht (Seidelbast, Ha-
                 nicht durch menschliches Handeln be-        die Gewohnten durchgeführt werden. Eingrif-     sel, Berberitze, Heckenkirsche) und zusätz-
                 stimmt werden. Von dieser Regel gibt es     fe müssen so stark sein, dass sich Lücken       liche Verjüngung mit Ahorn, Esche, Buche
                 wenige Ausnahmen: die Fällung von Ge-       im Kronendach nicht gleich wieder schließen.    und auch Fichte. Damit ist ein stufiger und
                 fahrenbäumen am Straßenrand, Borken-        Starke Eingriffe bergen immer die Gefahr        artenreicherer Wald auf dem Weg.
                 käferbekämpfung in der Nähe von Nach-       nachfolgender Windwürfe, Schneedrücke
                 barwäldern und, bis max. 2032, Eingriffe    und Borkenkäferangriffe. Aber auch in die-         Bilder unten: Sulzenwald, 2013, nördlich
                 in gleichförmige und fichtendominierte      sen Lücken – so durften wir lernen – stellt     von Gstatterboden: Läuterung von Fichten
                 Bestände, um Anstoß zu rascherer Ent-       sich sogleich eine vitale und bunte Natur-      in einer 15 bis 20 Jahre alten Aufforstung
                 wicklung in Richtung höhere Diversi-        verjüngung ein. Ein zweiter Erfolgsfaktor ist   (die vor dem Nationalpark gemacht wurde).
                 tät zu geben. Da kann man dafür oder        nicht gleichförmig auf größerer Fläche zu       Erst bei einem Minimalabstand von 10 m
                 dagegen sein, jedenfalls geht die weitere   arbeiten, sondern eine möglichst große Un-      zwischen den Fichten haben Ahorne, Buchen
                 Entwicklung dann etwas schneller. Aber      regelmäßigkeit zuzulassen. Gewisse Regeln       und Eschen genügend Licht und Zeit, um die
                 welche Erfahrung haben die National-        braucht es aber dennoch, weil die durchfüh-     Lücken zu füllen. Für weitere Stufigkeit sorgt
                 parkförster gemacht?                        renden Waldarbeiter Vorgaben brauchen.          der Wind, der einige der freigestellten Bäu-
                                                                                                             me in den Folgejahren warf.

12               Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
VERKEHR
                                                                                                                 Das „wilde“ Parken von Autos
                                                                                                                 Bild: Gebietsaufsicht

             Steigender Parkplatz-
             bedarf – was tun?
   HERBERT WÖLGER

Die Menschen zieht es stärker in die Na-       Autos machen uns mobil. Nur wenige von       tigen Schritt in diese Richtung zu machen,
tur, ein Trend, der schon mehrere Jahre     uns verzichten daher freiwillig darauf, trotz   die Parkplätze infrastrukturell zu verbessern
zu beobachten ist. Als Nationalpark bie-    der negativen Begleiterscheinungen, wie         und wo notwendig auszubauen, oder an si-
ten wir besonders attraktive Natur und      Umweltverschmutzung, Flächenbedarf und          chereren Plätzen (vor allem in Johnsbach) zu
verzeichnen auch einen deutlichen Be-       Lärmbelästigung. Autos sind also da, sie stö-   errichten. Um einerseits Investitionen und
sucheranstieg. Die Parkverwaltung pro-      ren uns nicht, wenn wir drinnen sitzen, aber    Betrieb zu finanzieren, andererseits eine
fitiert da nicht finanziell, Ausgaben der   dann, wenn wir uns erholen und die Natur in     Handhabe für eine Regulierung zu haben,
Besucher landen bei der Tourismuswirt-      Ruhe genießen wollen. Ein guter Kompromiss      werden unsere Parkplätze nach Abschluss
schaft und in Steuerkassen, was ja auch     ist ein qualitatives Parkraumangebot. Ausrei-   der wichtigsten Investitionen – voraussicht-
gut und recht ist. Trotzdem freuen wir      chend, aber nicht überdimensioniert, mit der    lich mit Jahresende 2021 – mit einem klei-
uns über mehr Besucher, denn deren Na-      notwendigen Infrastruktur ausgestattet (To-     nen Betrag kostenpflichtig werden. Parallel
turerlebnisse erhöhen die Wertschätzung     iletten etc.), nah an den Ausgangspunkten       dazu setzen wir uns für alternative Mobilität
gegenüber der Natur. Es darf halt nicht     der Touren und halbwegs vor Naturgefahren       weiterhin ein, sei es für die Beibehaltung des
ein Zuviel werden und die – zumindest       geschützt.                                      Gesäuse-Sammeltaxis, Verbesserungen im
aus Naturschutzsicht – negativen Neben-                                                     Linienverkehr oder Ausbau des Radweges.
erscheinungen gehören kontrolliert, wie       Wir haben uns gemeinsam mit Partnern          Wir hoffen auf Ihr Verständnis. Parkraum-
zum Beispiel das „wilde“ Parken von         wie den Steiermärkischen Landesforsten          management schützt die Natur des National-
Autos.                                      und in Abstimmung mit der Gemeinde Ad-          parks und sichert die Erlebnisqualität für die
                                            mont entschlossen, einen großen und wich-       Besucher*innen.

                                                                                               Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021     13
WISSEN ÜBER DEN WALD

                          Wissen über den Wald: Zur
                          natürlichen Verbreitung
                          der Baumsamen

                           ANDREAS HOLZINGER

                       Wer jetzt im Frühling die Natur hautnah
                       spüren will, ihre pulsierende Energie auf
                       sich wirken lässt, wird mitgenommen von
                       der zunehmenden Kraft der Sonne, den
                       rauschenden Bächen der Schneeschmel-
                       ze, den weiß-gelb-violetten Farbtupfen
                       der ersten Frühlingsblumen in den samt-
                       grünen Wiesen und Waldlichtungen. Im
                       Bergmischwald hat die Schneetrift viele
                       kleine braun-stachelige Kugeln in feuch-
                       tebegünstigte Mulden verfrachtet – tau-
                       sende Bucheckern, deren dreikantige, rot-
                       braune Samen nun ein gutes Keimbett
                       vorfinden oder einfach als „Tischlein-
                       deck-dich“ und Leckerbissen vom Wild,
                       Waldvögeln oder Freund Eichhorn ver-
                       nascht werden. Schmackhaftes Ergebnis       Bucheckern am Altschnee
                       einer Buchenvollmast, das die erfinderi-    Bild: Archiv Landesforste
                       sche Natur alle paar Jahre verschenkt…

14                     Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
WISSEN ÜBER DEN WALD
                                                                           Ahornpropeller in                        Fichtenanflug im Schutz eines
                                                                           Büscheln am Zweig                        vermorschenden Stammes
                                                                           Bild: Ernst Kren                         Bild: Ernst Kren

                         Schmelzwasserbach mit                                                                           Tausende junge Buchen
                         Frühlingsgrün                                                                                   bei ausreichend Sonne
                         Bild: Ernst Kren                                                                                Bild: Archiv Landesforste

  Alles Gute kommt von oben                      nämlich Wind und Schwerkraft, noch einmal    Von fliegenden Förstern und kosten-
                                                 zurück zum Start!                         loser Hochlagenaufforstung
   Wenn Bucheckern oder noch viel schwe-
rere Samen wie Eicheln oder gar Kastanien          Schwierigste Phase – die Kinderstube!          Als wichtige dritte Säule der Verbreitung
am Waldboden auftreffen, spricht der Forst-                                                    der Baumsamen gelten nun die Vögel des
mann von „Aufschlag“, während vom Wind       Wenn nun der Samen bei begünstigtem               Waldes – insbesondere Häher, aber auch
durch ihre Flugeinrichtungen/Flügel zum   Feuchte- und Lichtmilieu gekeimt hat, seine          Singvögel und Eichhörnchen, die Samen-
Teil über hunderte Meter vertragene Samen zarte Wurzel den Mineralboden erreicht und           verstecke als Wintervorräte anlegen, dann
wie etwa die flauschigen Samen von Weide  die ersten Blätter ihre eigene Photosynthe-          aber nicht mehr alle finden. Ihre Leistung
und Pappel oder Propeller von Ahorn, Lindese geschafft haben, beginnt der eigentliche          ist teils beachtlich: So sagt die Ornithologie,
und Esche, wenn sie auflaufen, als „Anflug“
                                          Lebenskampf um ausreichend Licht und                 dass etwa ein Eichelhäher bis zu 10 Eicheln
bezeichnet werden. Bei stärkeren Winden   damit Wärme, Nährstoffe und Wasser. Von              gleichzeitig transportieren kann. Aber auch
oder Föhn kann deren Verbreitung bis zu ei-
                                          den vielen tausend Keimlingen auf der Flä-           Beeren der Eberesche, Wildkirschen, Eiben-
nem Kilometer und mehr betragen – ein be- che werden sich nur die Vitalsten gegen die          samen und Mistelbeeren werden so verbrei-
achtlicher Startvorteil gegenüber etwa denarteigene Konkurrenz, gegen dichten Gräser-          tet – kleiner Nachteil am Rande: Sie müssen
schweren Samen der Tanne, was letztlich   bewuchs und Kräuter durchsetzen, Trocken-            zuerst durch den Verdauungstrakt des Vo-
die Bedeutung einer ausreichenden Zahl an perioden, Schneedruck und Frösten trotzen.           gels, – aber die Verbreitung ist so gesichert!
fruktifizierenden „Mutterbäumen“ – im Be- Wenn sie dann noch dem Äser des Wildes
stand verteilt – unterstreicht.           entwachsen sind, ist die schwierigste Zeit      Ein nettes Verwirrspiel mit der Nomenkla-
                                          überstanden – der Leittrieb strebt „nach Hö- tur leistet sich der Tannenhäher (lat.: Nucifra-
  Nachdem wir nun die beiden ersten Arten herem“.                                      ga caryocatactes, der „Nüssetragende“), der
der Samenverbreitung kennengelernt haben,                                              in der Hochlage an der Waldgrenze lebt und

                                                                                                  Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021            15
WISSEN ÜBER DEN WALD

                                                           Hellrote Vogelbeeren der Eberesche frisch                                           Der fleißige Tannen- aber
                                                           bereit für Jause und Transport                                                      eigentlich Zirbenhäher
                                                           Bild: Ernst Kren                                                                    Bild: Hubert Keil

                                                         Kadaververjüngung auf liegendem Totholz
                                                         Bild: Johannes Pötscher

                                                                 Jausenplatz von Freund Eichhorn                               Buchen-Fichten-Lärchen-Mischwald im Tal
                                                                 Bild: Viktoria Hadler                                         Bild: Ernst Kren

                       liebend gerne Zirbelnüsse frisst, deswegen          Einer für Alle und Alle auf Einem –           Aber letztlich egal, ob Wind, Wasser,
                       im Volksmund auch „Zirbenhäher“ genannt           oder die hohe Bedeutung von liegendem        Schwerkraft oder Vögel die Samen verbrei-
                       wird. Für diesen kleinen Namensscherz re-         Totholz…                                     ten, – wichtig für die Entwicklung des Natur-
                       vanchiert er sich mit dem Phänomen der kos-                                                    waldes im Gesäuse ist die bunte Mischung,
                       tenlosen Hochlagenaufforstung, da er ganze          Im wahrsten Sinne des Wortes hat dieses    die genetische Vielfalt, sind Rottenstruktu-
                       Zirbenzapfen (mit vielen Nüssen) in den lich-    bei hoher Schneelage, da Jungbäumchen         ren und schmale, spitzkronige Säulenfich-
                       ten Kampfzonen des Lärchen-Zirbenwaldes,         auf dem erhöhten, feucht-bemoosten und        ten in der Hochlage und dicht ausladendes
                       also oberhalb der geschlossenen Bestände         rascher als seine Umgebung ausapernden        Buschwerk und Baumkronen im Mischwald
                       vergräbt und einige davon im Frühjahr ver-       Kleinstandort optimale Verhältnisse vorfin-   des Tales, damit der grüne Balken im Logo
                       gisst oder nicht mehr findet, die dann als Bü-   den – der Aufwuchs klappt zunächst „wie am    des Nationalparks auf immer seine wichtige
                       schelpflanzung zu neuen, dicht gedrängten        Schnürchen“, in einer Reihe, bis dann nach    Bedeutung behält.
                       Individuen aufwachsen, was scherzhaft auch       Jahren die vermodernde Unterlage den Wur-
                       als „Zwölf Apostel-Pflanzung“ bezeichnet         zeln den Weg in den Mutterboden freigibt.
                       wird.

16                     Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
PROJEKT INNOFOREST
                                                                                                                                       Bild: InnoForESt

 Waldökosystemleistungen – Was
 leistet der Wald für den Menschen?
   HANNAH POLITOR, KATHI KLINGLMAYR

Der Wald als Ökosystem liefert uns nicht
nur das Holz, das wir in unseren Möbeln,
Häusern und vielen anderen Produkten                                                                    Projekt InnoForESt
verwenden. Er stellt auch andere Leistun-
gen, sogenannte Ökosystemdienstleistun-
gen, zur Verfügung. Zum Beispiel saubere                                                                    Projektpartner: STUDIA Schlierbach,
Luft, sauberes Wasser, die Speicherung                                                                  Hochschule für nachhaltige Entwick-
von CO2 oder die Erholung, die wir im                                                                   lung Eberswald (DE), Institut für Struk-
Wald erfahren können. Der Umfang sol-                                                                   turpolitik (CZ), Forst- und Naturschutz-
cher Leistungen hängt stark davon ab,                                                                   behörde der Autonomen Provinz Trient
wie ein Wald bewirtschaftet wird. Die                                                                   (IT), Universeum Göteburg (SE), Akade-
Gesellschaft bezahlt die Forstwirtschaft                                                                mie für nachhaltige Entwicklung (DE),
aber nur in geringem Ausmaß oder oft                          Nachhaltige Wald- und Holznutzung         Finnisches Forst-Zentrum (FI), STUDIA
gar nicht dafür, dass sie diese ökologische                   steht bei InnoForESt an erster Stelle     Schlierbach (AT), European Landowners
und nachhaltige Mehrleistung erbringt.                        Bild: Nationalpark Gesäuse Archiv         Organization (BE), Universität Innsbruck
                                                                                                        (AT), Universität Lund (SE), Universität
                                                                                                        Twente (NL), Forstliche Versuchs- und
   Wie Ökosystemdienstleistungen abgegol-          Gemeinsam mit Organisationen und                     Forschungsanstalt Baden-Württemberg
ten – und damit erhalten – werden können,       Unternehmen aus dem Bereich Wald-Holz                   (DE), Universität Trient (IT), Finnisches
wurde in den letzten drei Jahren im europäi-    der Region Eisenwurzen wurde über die Fra-              Umweltinstitut (FI), Leibniz-Zentrum für
schen Projekt InnoForESt untersucht und         ge nachgedacht, wie ein regionales Wert-                Agrarlandschaftsforschung (DE).
weiterentwickelt. Die Beispielprojekte in den   schöpfungsnetzwerk gemeinsame neuartige
Partnerländern bieten unterschiedliche Mög-     Projekte, Produkte und Dienstleistungen                   Ansprechpartner in der Region:
lichkeiten und verfolgen unterschiedliche       schaffen kann. Von einem eigenständigen                 Hannah Politor, STUDIA Schlierbach
Strategien. Zum Beispiel können Touristen       Eisenwurzen-Design, über die stärkere Nut-
in Mecklenburg-Vorpommern „Waldaktien“          zung von Buchenholz bis hin zum Erleben
kaufen, um den CO2-Ausstoß ihrer Urlaubs-       von Wald und Holz (z.B. durch Waldbaden
reise zu kompensieren, in Schweden wird         und Waldpädagogik) wurden unterschied-
Schülerinnen und Schülern die „Liebe zum        lichste Ideen diskutiert und regionale Er-
Wald“ in einem Wettbewerb nahegebracht,         folgsbeispiele vor den Vorhang geholt. Die
uvm.                                            wichtigste Erkenntnis für alle Beteiligten war,
   Auch in der Region Eisenwurzen wurde an      dass nur mit einer aktiven Vernetzung unter-             Diese Vernetzung wollen die regionalen
dieser Fragestellung geforscht. Hier lag der    einander eine zukünftige Zusammenarbeit               Akteure fortsetzen. Wer sich am Netzwerk
Fokus auf der nachhaltigen und regionalen       möglich ist. Oder anders gesagt: Man muss             beteiligen möchte, ist dazu herzlich eingela-
Wald- und Holznutzung, die die regionalen       einander kennen, um zu wissen, was die an-            den und kann sich hier informieren:
Wirtschaftskreisläufe und die Betriebe vor      deren können.                                         eisenwurzen.innoforest.eu
Ort stärkt.

                                                                                                         Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021         17
FOTOGRAFIE

                              #gesäusefoto2020
                              auf Instagram
                                                  CHRISTIAN MAJCEN,
                                                  ANDREAS HOLLINGER

                                                  Der Instagram Fotowettbewerb „Ge-
                                               säusefotograf des Jahres“ hat sich in der
                                               Szene bereits gut etabliert. Auch letztes Jahr
                                               waren hunderte Einreichungen zu verzeich-
                                               nen, da die Teilnahme daran sehr einfach
                                               war. Man konnte in einem gewissen Zeit-
                                               raum maximal 30 Gesäusebilder mit dem
                                               Hashtag #gesäusefoto2020 posten, eine
                                               Fachjury aus Tourismusverband, National-
                                               park Gesäuse und Stift Admont kürte im An-
                                               schluss daran das beste Bild. Zugelassen wa-
                                               ren ausschließlich eigene Arbeiten aus dem
                                               Gesäuse (Fläche des Tourismusverbandes).

                                                  2020 konnte den Wettbewerb Christian
                                               Majcen für sich entscheiden, den wir hier
                                               vorstellen möchten.
                                                  Seit dem Jahr 2011 beschäftigt ihn die
                                               Fotografie. Unzählige Stunden verbringt er
                                               in der Natur, auf der Suche nach dem „per-
                                               fekten Bild“. Nun, die Frage ist, gibt es das
                                               perfekte Bild?
                                                  Ist es der magische Sonnenaufgang, der
                                               brennende Himmel, der mystische Nebel
                                               oder doch das saftige Grün?

                                                  Auch Majcen kann diese Frage nicht be-
                                               antworten, denn unsere Erde liefert jeden
                                               Tag neue Perspektiven, die alle auf ihre Art
                                               und Weise einzigartig sind. Man muss sie nur
                                               wahrnehmen.
                                                  Diese einzigartigen Stimmungen versucht
                                               er mit seiner Fotografie festzuhalten. Es
                                               ist ihm unheimlich wichtig, nur mit natürli-
                                               chem Licht zu arbeiten, da er es einfach am
                                               Schönsten findet. Dieses natürliche Licht
                                               zieht sich wie ein roter Faden durch alle sei-
                                               ne Bilder und macht sie so unverwechselbar.
                                                  Es gibt nichts Schöneres, als bei jedem
                                               Wetter die Natur und Landschaft aufs Neue
                                               zu erkunden. Das Wichtigste dabei ist, alles
                                               wieder so zu verlassen, als ob man nie hier
                                               gewesen wäre und die Natur mit ihren vielen
                                               Tieren und Pflanzen zu respektieren.

                                                 Wir gratulieren herzlich zum Titel „Gesäu-
                                               sefotograf des Jahres 2020“ und zu den
                                               hervorragenden Bildern!

18           Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
FOTOGRAFIE

                       #gesäusefoto2020
                       Bilder: Christian Majcen

Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021       19
MENSCH UND NATUR

                      Gregor Mendel – der
                      berühmte Erbsenzähler
                                                                                                                      Berühmt wurde der Augustinerpater Gregor Mendel
                                                                                                                      erst im 20. Jahrhundert, lange nach seinem Tod.
                       ALEXANDER MARINGER                                                                             Bild: unbekannt (wiki commons gemeinfrei)

                   Wieviele Erbsen wachsen in Ihrem Gemüsegarten? Welche Sorten sind es und wie
                   groß ist ihr Ertrag? Etwa 28.000 Erbsenpflanzen hatte der Augustinerpater Gregor
                   Johann Mendel kultiviert, bevor er seine Regeln formulierte.

                      Um 1850 diskutierte der bereits aufge-          1856 begann Mendel im Garten des Stiftes      de und weißblühende Erbsen, so kann man
                   klärte Teil der Welt über den Prozess der Art-   St. Thomas in Brünn sorgfältig ausgewählte      (phänotypisch) rosa Erbsenblüten erwarten.
                   bildung. Auch der Augustinermönch Gregor         Erbsensorten zu züchten und Bestäubungs-        In der Spaltungsregel wird formuliert, wie
                   Johann Mendel (1822 - 1884) setzte sich in       experimente durchzuführen. Diese Ergebnis-      sich in einer weiteren Generation diese Merk-
                   seiner Ausbildung als Priester und Naturwis-     se veröffentlichte er 1866 in der Abhandlung    male ausbilden. Im genannten Beispiel erhält
                   senschaftler damit auseinander, wie Arten        Versuche über Pflanzen-Hybriden im Natur-       man rote, rosa und weiße Blüten im Verhält-
                   entstehen könnten. Berühmten Forschern,          forschenden Verein Brünn.                       nis 1:2:1. Gregor Mendel konnte durch eine
                   wie Carl von Linné (Im Gseis 31) und Charles                                                     große Zahl gekreuzter Erbsenpflanzen dieses
                   Darwin (Im Gseis 32) war bereits bekannt,          Mendelsche Regeln                             Verhältnis statistisch belegen und war damit
                   dass sich neue Formen, sogenannte Hyb-                                                           anderen Forschern, die ähnliche Versuche
                   riden, sogar gezielt züchten ließen. Mendel         Aus seinen Versuchsreihen leitete Mendel     unternahmen, weit voraus. In der dritten Re-
                   kannte die Literatur von Charles Darwin,         drei Regeln ab: Die Uniformitätsregel besagt,   gel, der Unabhängigkeitsregel, formulierte
                   musste aber behutsam vorgehen, um nicht          dass in der ersten Generation ein Merkmal       Mendel den Erbgang mit zwei betrachteten
                   als Darwinist und Freidenker sein kirchliches    (zum Beispiel die Farbe der Erbsenblüte)        Merkmalen. Diese verhalten sich voneinan-
                   Amt zu gefährden.                                immer gleichbleibt. Kreuzt man rotblühen-       der unabhängig, solange sie nicht am selben

20                 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
MENSCH UND NATUR
Chromosom liegen. Das schloss er vermut-
lich durch Vorversuche aus, sodass er die
sichtbaren Merkmalskombinationen im Ver-
hältnis 9:3:3:1 gut belegen konnte.
   Gregor Mendel hatte damit auch bewie-
sen, dass sich die Erbinformationen aus Tei-
len – die wir heute Gene nennen – zusam-
mensetzt.

   Die Mendelschen Regeln kann man nach
Belieben und sehr einfach an Fruchtfliegen,
Meerschweinchen und Blumen testen. Bei
Nutzpflanzen kann man damit die gewünsch-
ten Eigenschaften selektieren und den Ertrag
noch einmal maßgeblich steigern. Mendel                22 sortenreine Erbsen benutzte Gregor Mendel für seine jahrelang andauernden Hybridisierungsversuche.
selbst experimentierte mit 14 Pflanzenarten            Hier eine kleine Auswahl der Sorten, die in den Gärten der Nationalpark-Mitarbeiter*innen wachsen.
und in seinen letzten Lebensjahren noch an             Bild: Alexander Maringer
Honigbienen.

   Doch seine Zeitgenossen erkannten die        derländischen Botaniker Hugo deVries so-
Tragweite der Entdeckungen nicht. Seine ex-     wie den österreichischen Pflanzenzüchter
akt dokumentierte Forschung ging an rund        Erich von Tschermak-Seysenegg. Die drei
100 Naturforschervereinigungen und Univer-      Forscher standen untereinander in Kontakt,
sitätsbibliotheken. Es fand sich jedoch nie-    zum Teil sogar in wissenschaftlicher Konkur-
mand, der die Experimente wiederholen woll-     renz, sodass nicht ganz klar ist, wer zuerst
te oder die tiefere Bedeutung verstand. Dazu    auf Mendel stieß. Wichtiger als der Anteil der
beigetragen haben mag, dass Gregor Mendel       Personen an der Wiederentdeckung ist aber
Anhänger der Befruchtungstheorie war und        die Tatsache, dass die Arbeiten von Gregor               Richtigstellung
nicht die Verschmelzung von Ei und Samen-       Mendel danach breit aufgegriffen und wieder
zelle propagierte. Mendel stand in Kontakt      in das Licht der Forschung gerückt wurden.
mit dem Botanikprofessor Carl Nägeli in                                                                     Ausgabe: Winter 2020
München. Dem erhaltenen Schriftverkehr ist        Hatte Mendel (nicht) recht?                               Artikel: Die Universität der Wildnis
zu entnehmen, dass der Professor ihn etwas                                                                  Seite: 44
herablassend behandelte und die Versuche      Durch die erneute Auseinandersetzung
an Erbsen geringschätzte. Den von Mendel   mit den Publikationen fiel Wissenschaftlern                      Wir schrieben:
                                           auf, dass die Ergebnisse des Augustiner-
übermittelten Proben und detaillierten Anlei-                                                              „Sowohl die Gründung des Yosemite
tungen zur Wiederholung seiner Experimente mönches statistisch zu gut passten. Heute                     Nationalparks, des ersten Nationalparks
schenkte Nägeli keine besondere Aufmerk-   würde man das als „Beschönigung der Roh-                      der USA und somit der Welt, durch Roo-
samkeit.                                   daten“ missbilligen. Zugeschrieben wurde                      sevelt im Jahre 1906 als auch in weiterer
   1874 bricht der Briefkontakt ab, denn   dies damals einem Assistenten von Mendel,                     Folge die National Parks Sequoia, Grand
Mendel, mittlerweile Abt zu St. Thomas, istder die Ergebnisse wahrscheinlich mit der                     Canyon und Mount Rainier gehen direkt
mit Klosterangelegenheiten beschäftigt und Erwartungshaltung in Einklang brachte. Das                    auf den Einfluss John Muirs zurück.“
                                           ändert jedoch nichts an der Gültigkeit der Er-
findet keine Zeit mehr für seine Hybridisie-
rungsversuche.                             gebnisse. Besonderheiten der Genetik, wie                        Richtig ist:
   Im Jahr 1884 verstirbt Gregor Mendel    ein „Crossover“ oder die Distanz der Merk-                      „Sowohl die Gründung des Yosemite
im Alter von 61 Jahren an einem Nierenlei- male auf den Chromosomen, kannte und be-                      Nationalparks im Jahre 1890, als auch in
den und wird am Zentralfriedhof der Stadt  rücksichtigte Mendel offenbar nicht. Auch                     weiterer Folge die National Parks Sequoia,
Brünn beigesetzt. Nach seinem Tod wurde    das schmälert nicht seine Leistungen. Mit                     Grand Canyon und Mount Rainier, gehen
der Nachlass verbrannt, da sich niemand    seinen Kreuzungsexperimenten wurde Gre-                       direkt auf den Einfluss John Muirs zurück.“
fand, der Nutzen darin sah. So sind wohl   gor Johann Mendel zum Vater der Genetik.
umfangreiche Laboraufzeichnungen verloren  Auch modernste Techniken, wie die CRISPR/                        Zusätzliche Info:
gegangen. Was wir heute über seine Person  Cas-Methode (Clustered Regularly Interspa-                       Der erste Nationalpark der USA und so-
wissen, stammt zum überwiegenden Teil aus  ced Short Palindromic Repeats), mit der man                   mit der Welt ist der Yellowstone National-
den Korrespondenzen.                       einzelne Abschnitte des Erbguts bearbeitet,                   park, der im Jahre 1872 gegründet wurde.
                                           basieren auf seinen Erkenntnissen. Mit die-                      Das Jahr 1906 war für den Yosemite
   Altes Wissen neu entdeckt               ser Methode, deren Erfinder 2020 den No-                      Nationalpark aber dennoch von Bedeu-
                                           belpreis für Chemie erhielt, können heute                     tung, da er in diesem Jahr auf Anraten
   Die Wiederentdeckung Mendels erfolg- etwa Pflanzen ganz zielgerichtet und rasch                       John Muirs durch den Präsidenten Roo-
te beinahe zeitgleich um 1900 durch den manipuliert werden – ohne züchterische                           sevelt komplett unter Bundesverwaltung
deutschen Botaniker Carl Correns, den nie- Auslese, wie sie Gregor Mendel einst betrieb.                 gestellt wurde.

                                                                                                          Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2021             21
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