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INFO 01/2012 EIN KOMPASS IN BEWEGTEN ZEITEN Kompetenzvermittlung in der Akademie für Soziale Demokratie 3 VORDENKEN Lust auf Vielfalt - Mut zur Integration 9 MITWIRKEN Analyse: Die Politik versagt in der Krise 17 TEILHABEN Holocaustgedenken in der „dritten Generation“ 30 VERNETZEN Szenarien für die Eurozone 2020 37
2 DEZEMBER 2011 – JANUAR – FEBRUAR – MÄRZ 2012 Inhalt FES-INFO 1/2012 TEXTBEITRÄGE IN DIESER AUSGABE Joanna Andrychowicz, Jacob Birkenhäger, Bautista M. Brieger, Matthes Buhbe, Agata Chroboczek, Jochen Dahm, Oliver Dalichau, SCHWERPUNKT Anja Dargatz, Michael Dauderstädt, Knut Ein Kompass in bewegten Zeiten: Dethlefsen, Sina Dürrenfeldt, Matthias Eisel, Enrico Günther, Martin Graefe, Rainer Gries, Kompetenzvermittlung in der Björn Hacker, Felix Hett, Tina Hennecken, Akademie für Soziale Demokratie......................................3 Silke Hillesheim, Johannes Hohaus, Kathrein Orientierungshilfen: Hölscher, Daniela Iller, Susan Javad, Friederike Themenmodule der Akademie...........................................4 Kamm, Türkan Karakurt, Christos Katsioulis, Ursula Koch-Laugwitz, Helene Kortländer, Erfahrungsaustausch: Alberto Koschützke, Peer-Daniel Krause, Arbeitsformen der Akademie.............................................5 Christian Krell, Sebastian Kreth, Volker Lehmann, Anette Lohmann, Thomas Mättig, GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / Anja Minnaert, Kerstin Ott, Paul Pasch, SOZIALE DEMOKRATIE Tobias Paul, Tim O. Petschulat, Christoph Lust auf Vielfalt: Pohlmann, Johannes Platz, Franziska Richter, Stefanie Ricken, Patrick Rüther, Markus Klaus Wowereit wirbt für Integration.................................9 Schreyer, Günter Schultze, Bastian Schulz, Kinderrechte auf dem Vormarsch: Raphaela Schwaiger, Bastian Sendhardt, Neue Gesetzesgrundlage in der Diskussion.......................11 Jürgen Stetten, Axel Striebeck, Stephan Thalhofer, Urban Überschär, Sidonie Wetzig, Gefangen im Netz?: Das Internet im polnischen Nicole Zeuner, Harald Zintl Parlamentswahlkampf 2011.............................................13 Politik versagt in der Krise: Analyse der Anpassungsprogramme................................17 Binnennachfrage stärken: Kocheler Kreis tagt im Zeichen der Eurokrise....................18 Konsolidierung, Eurobonds und Wachstum................................................................18 Arbeitnehmer zahlen die Zeche: Gewerkschaftsarbeit in Griechenland...............................24 Dramatisches Problem der nahen Zukunft: Europaweites Projekt zu Wegen aus der Jugendarbeitslosigkeit......................................................25 IMPRESSUM Das norwegische Modell: Herausgeber: Vorbild für eine europäische Gender-Quote?....................29 Friedrich-Ebert-Stiftung Kommunikation und Grundsatzfragen INTEGRATION, BILDUNG, KULTUR Godesberger Allee 149 Gratwanderungen: D-53175 Bonn Telefon: 0228/883–0 Holocaustgedenken in der „dritten Generation“..............30 Internet: www.fes.de Grundwerte im digitalen Raum: E-Mail: presse@fes.de Aktuelle netzpolitische Fragen erörtert.............................33 Redaktion: Peter Donaiski, Das Wichtigste ist die Bildung: Pressestelle Berlin Tunesische Studentinnen in Deutschland..........................35 Hiroshimastraße 17, D-10785 Berlin Telefon: 030/269 35–7038 EUROPA UND DIE WELT Telefax: 030/269 35–9244 Szenarien für die Eurozone 2020 ....................................37 E-Mail: peter.donaiski@fes.de Quo vadis, Bosnien?.........................................................40 Satz, Layout, Herstellung: Myanmar: Publix, H. Eschenbach, Berlin Land im Umbruch............................................................41 Druck: Saarländische Druckerei & Nordkorea: Verlag GmbH, Saarwellingen Titelseite und Bild auf Seite 3 unter Impulse für Sechsparteiengespräche.................................42 Verwendung von Bildmaterial des AdsD Nach der Sonne greifen: sowie von fotolia.com Energiewende im Mittleren Osten und Nordafrika............44 Titelgestaltung / Montage: Das FES-Büro Singapur für regionale Wolfgang Rabe, Berlin Zusammenarbeit in Asien.................................................48 Printed in Germany, Mai 2012 PUBLIKATIONEN Gedruckt auf 90 g matt gestrichen Neue Publikationen der FES..............................................53 ISSN 0942-1351ISSN 0942-1351 FES I N F O 1 / 2 0 1 2
SCHWERPUNKT 3 DIE AKADEMIE DER SOZIALEN DEMOKRATIE EIN KOMPASS IN BEWEGTEN ZEITEN Einleitung zum Schwerpunktthema KOMPETENZVERMITTLUNG IN DER AKADEMIE FÜR SOZIALE D E M O K R AT I E ( A S D ) Im März 2007 fand das erste Seminar der Akade- auseinanderzusetzen und sich erfolgreich in sie mie für Soziale Demokratie statt. Damit startete einzubringen. in der Abteilung Politische Akademie ein neues, Als Zielgruppe wurden Engagierte im politischen bundesweit angebotenes Seminarprogramm mit und betrieblichen Ehrenamt, Mittler der politi- inhaltlich-programmatischer Ausrichtung. Die schen Kommunikation und politische Führungs- Friedrich-Ebert-Stiftung verfolgt mit dem Projekt kräfte aller Ebenen definiert. Das Projekt soll drei konkrete Ziele: also eine relativ große Bandbreite Interessierter 1. Eine theoretisch anspruchsvolle und ansprechen, von der Betriebsrätin in einem Che- praxisorientierte Fundierung in Grund- miekonzern über einen politisch engagierten fragen Sozialer Demokratie vermitteln. Studenten bis hin zur Vorsitzenden der Landtags- 2. Die Identifikation mit den Grundwerten fraktion einer Partei. Da Zeit bei der Zielgruppe Sozialer Demokratie erhöhen. der Akademie meist gering bemessen ist und da- 3. Die Motivation zu politischem her lange Anreisewege vermieden werden sollten, Handeln stärken. finden die Seminare an Wochenenden dezentral im gesamten Bundesgebiet statt. Zunächst geht es darum, grundlegende Orientie- rung aus der Perspektive der Sozialen Demokratie Welche Kompetenzen werden gebraucht? zu vermitteln. Über diese Wertorientierung hi- Um das Qualifizierungsprojekt nachfrageorien- naus verweisen die Ziele aber auch auf zentrale tiert gestalten zu können, wurden erste Skizzen zu Anliegen politischer Bildung insgesamt, wie etwa Inhalten und Konzepten aufgrund von systema- die Entfaltung demokratischer Einstellungen tischen Befragungen potenzieller Teilnehmerin- und Gestaltungswünsche. Die Teilnehmerinnen nen und Teilnehmer erarbeitet. und Teilnehmer sollen durch die Bildungsan- Werden die in der Befragung gebote der ASD in ihrer Kompetenz unterstützt deutlich gewordenen Anforde- werden, sich kritisch mit politischen Prozessen rungen der Teilnehmenden und 1 / 2 0 1 2 I N F O FES QR code generated on http://qrcode.littleidiot.be
4 SCHWERPUNKT die Ziele der FES gemeinsam betrachtet, zeigt die gewonnene Orientierung ein Anreiz zu poli- sich, dass die in der ASD zu vermittelnden Kom- tischem Engagement verstärkt bzw. das politische petenzen am ehesten als demokratische Orientie- Handeln zielgerichteter und effektiver weiterent- rungs- und Handlungskompetenzen beschrieben wickelt werden. werden können. Folglich ermöglichen die Semi- nare den Teilnehmenden einerseits, die Idee der Wie werden die Kompetenzen vermittelt? Sozialen Demokratie klar herauszuarbeiten, von Grundprinzip bei allen methodischen Überle- anderen politischen Strömungen zu unterschei- gungen ist der „Beutelsbacher Konsens“ (1977): Es den und einzelne Politiken vor diesem Hinter- gelten das „Überwältigungsverbot“, also die Ab- grund einzuordnen. Andererseits kann durch lehnung jedweder Indoktrination, die Akzeptanz ORIENTIERUNGSHILFEN THEMENMODULE DER AKADEMIE G R U N D L A G E N D E R S O Z I A L E N D E M O K R AT I E S TA AT, B Ü R G E R G E S E L L S C H A F T U N D Libertäre Demokratie vs. Soziale Demokratie S O Z I A L E D E M O K R AT I E Menschenbild der Sozialen Demokratie Primat der Politik Bürgerliche, ökonomische, soziale und Solidarische vs. liberale Bürgergesellschaft kulturelle Menschenrechte Verhältnis von Staat, Markt und Praxisbeispiele Sozialer Demokratie Bürgergesellschaft W I R T S C H A F T U N D S O Z I A L E D E M O K R AT I E G L O B A L I S I E R U N G U N D S O Z I A L E D E M O K R AT I E Koordinierte vs. unkoordinierte Marktwirt- Ursachen und Auswirkungen schaften der Globalisierung Gerechte und dynamische Wirtschafts- Soziale und ökologische Gestaltung der ordnung globalisierten Welt Wachstum, Nachhaltigkeit und sozialer Chancen und Grenzen von Global Governance Ausgleich Universelle Durchsetzung der Grundrechte Politische Positionen zur Wirtschaftspolitik FRIEDEN, SICHERHEIT UND S O Z I A L S TA AT U N D S O Z I A L E D E M O K R AT I E S O Z I A L E D E M O K R AT I E Sozialstaat und Demokratie • Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik im Gerechtigkeitsbegriffe Rahmen von EU und UN Sozialstaaten im europäischen Vergleich • Universelle Geltung der Menschenrechte Reformen des Sozialstaates und Reformen • Interessen und Instrumente in der im Sozialstaat Außenpolitik E U R O PA U N D S O Z I A L E D E M O K R AT I E Europäische Entscheidungsprozesse Europäisches Wirtschafts- und Sozialmodell Europa als Chance und Herausforderung Sozialer Demokratie I N T E G R AT I O N U N D S O Z I A L E D E M O K R AT I E Grundlagen der Integrationspolitik Wechselseitige Anerkennung in der Praxis Soziale Demokratie und kultureller Pluralismus Vermittlungsformen der Themenmodule sind Semi- Gleichberechtigte Teilhabe und gemeinsame nare, Lesebücher, Hörbücher, Lehrfilme und Policy- Bürgerschaft Papers. FES I N F O 1 / 2 0 1 2
SCHWERPUNKT 5 ERFAHRUNGSAUSTAUSCH ARBEITSFORMEN DER AKADEMIE G E S P R Ä C H S K R E I S J U N G E S O Z I A L E D E M O K R AT I E Fragen von Werten in der Politik stattfinden. Im Der Gesprächskreis junge Soziale Demokratie öffentlichen Teil richten sich die Kongresse an bringt in einer Kooperation der Berliner Akade- ein breites politisch interessiertes Publikum. Im miegespräche der FES und der ASD etwa 30 junge fachöffentlichen Teil kommen etwa 200 Spitzen- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus kräfte aus Politik und Wissenschaft zusammen, unterschiedlichen Disziplinen zusammen. Die um Zukunftsfragen der Sozialen Demokratie zu Teilnehmenden zeichnen sich durch fachliche diskutieren. Brillanz und Nähe zur Sozialen Demokratie aus. Das gemeinsame Ziel sind Diskussions- und Be- I N T E R N AT I O N A L E A R B E I T ratungspapiere und damit Beiträge zur program- Die Akademie für Soziale Demokratie ist auch ein matischen Erneuerung der Sozialen Demokra- Ansprechpartner für programmatische Grund- tie. Der Gesprächskreis tagt zweimal jährlich im satzfragen Sozialer Demokratie im In- und Aus- Plenum und arbeitet unter dem Jahr in Projekt- land – sei es für Delegationen von Partnerinnen teams. und Partnern in Deutschland, in Form von Ex- F O R E N S O Z I A L E R D E M O K R AT I E Die Foren Sozialer Demokratie sind Abendveran- staltungen. Gemeinsam mit ausgesuchten poli- tischen und wissenschaftlichen Spitzenkräften wird in den Foren Sozialer Demokratie im öffent- lichen Gespräch und der Diskussion mit dem Pu- blikum die programmatische Dimension Sozia- ler Demokratie kritisch und konstruktiv erörtert. So entwickeln die Foren Impulse und Maßstäbe für politisches Handeln. KONFERENZEN Die Konferenzen der ASD dienen der Entwick- lung des Curriculums, der Politikberatung und der Qualifizierung der Trainerinnen und Trainer der ASD. Sie werden ein- bis zweimal pro Jahr mit ca. 50 Personen in einem dreitätigen Format durchgeführt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Trainerinnen und Trainer, Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler sowie politische Nachwuchs- und Führungskräfte. perteneinsätzen im Ausland oder bei der Bera- tung ähnlicher Projekte der FES-Auslandsbüros. KONGRESSE In diesem Rahmen sind auf Initiative verschie- In 2011 wurde in Kooperation der Berliner dener Auslandsbüros auch eine Vielzahl Über- Akademiegespräche der FES und der ASD der setzungen der Lesebücher entstanden. In bisher Kongress „Demokratie in Deutschland“ durch- 15 Sprachen liegen Übersetzungen von Lesebü- geführt. Im Herbst 2012 wird ein Kongress zu chern vor oder sind in Arbeit. kontroverser Inhalte („was in Wissenschaft und Darüber hinaus sind die Überlegungen zum me- Politik umstritten ist, muss auch beim Lernen als thodischen Arrangement der ASD von unter- kontrovers dargestellt werden“) und das Prinzip schiedlichen Herausforderungen geprägt, wie der selbstständigen Interessenerkenntnis und z.B. heterogenen Teilnehmerstrukturen, die auf -vertretung der Teilnehmenden im Lernprozess. den breiten Zielgruppenanspruch zurückzufüh- 1 / 2 0 1 2 I N F O FES
6 SCHWERPUNKT ren sind, breite Themenfelder, ein eng bemes- Präsentation und Diskussion, Simulations- und sener zeitlicher Rahmen, sowie der Anspruch, in Planspiele oder Partnerarbeiten. nur einem Seminar Theorie und Praxis zu vermit- teln. Um diesen Herausforderungen Rechnung Wer macht das? zu tragen, muss ein komplexer Methodenmix Dem Anspruch, Soziale Demokratie in Theorie entwickelt werden. Erfahrungsaustausch, theore- und Praxis teilnehmerorientiert zu vermitteln, tische Inputs, Diskussion und die Erarbeitung ge- wird im Seminardesign auch personell Rechnung meinsamer Standpunkte müssen methodisch so getragen. Die Seminarleiterinnen und Semi- miteinander verbunden werden, dass die Zielset- narleiter der Akademie zeichnen sich einerseits zungen Sozialer Demokratie offen diskutiert wer- durch herausragende fachliche und didaktische den können. Aus diesem Grund ist beispielsweise Qualifikationen, andererseits durch praktische der stets sehr positiv bewertete wissenschaftliche Erfahrungen mit Sozialer Demokratie aus. Ihnen kommt eine an- spruchsvolle Auf- gabe zu, da sie zu- nächst eine Exper- tenrolle einneh- men, Fachwissen einbringen und Expertise bereitstel- len, darüber hinaus aber auch Modera- toren sind, die das Lernen organisie- ren und Gruppen- prozesse gestalten. Zwei weitere Perso- nengruppen wir- ken lehrend in den Seminaren mit. Wissenschaftlerin- nen und Wissen- schaftler – zusam- mengefasst im „Wissenschaftlich- en Lehrkörper der Akademie“ – liefern am ersten Abend des Seminars ei- nen Überblick zum Thema aus wissenschaftlicher Perspektive. Am zweiten Abend sind politische Prak- tiker eingeladen. Politikerinnen und Fachvortrag immer Bestandteil der Seminare. We- Politiker diskutieren mit den Teilnehmenden sentlich häufiger werden aber Methoden bemüht, praxisorientierte Handlungsansätze. Während die weniger von Input geprägt sind, sondern die Wissenschaftler demnach eine theoretische die Teilnehmenden aktiver beteiligen. Beispiele Grundlegung leisten, stellen die Politiker prak- hierfür sind Arbeitsgruppen mit anschließender tische Bezüge her und bieten Anknüpfungspunkte FES I N F O 1 / 2 0 1 2
SCHWERPUNKT 7 zur Identitätsbildung. So leisten die Seminare betonen hier insbesondere den Zugewinn an auch eine Transmission zwischen Wissenschaft Orientierungswissen („Ich weiß endlich wieder, und Politik und politischem Alltagsverständnis. wofür Soziale Demokratie steht“) und an Hand- lungskompetenzen („Gute Argumentationsan- Was bringt das? sätze gewonnen“, „Habe wieder richtig Lust, Die Frage, wie die Wirkung politischer Bildung mich zu engagieren“). gemessen werden kann, ist immer wieder Gegen- stand kontroverser Debatten und kann auch hier Wie geht es weiter? nicht abschließend beantwortet werden. Den- Nach einer Laufzeit von mehreren Jahren kann noch ist es für ein junges Projekt entscheidend, eine positive Zwischenbilanz gezogen werden. Ein die Angebote kritisch zu überprüfen, zu hinter- neues, werteorientiertes Bildungsangebot wird in fragen und auf dieser Grundlage weiterzuentwi- wachsendem Umfang nachgefragt und die Eva- ckeln. Es gibt daher keine Maßnahme, kein Se- luationsergebnisse sind ausgesprochen positiv. minar und keine Publikation der ASD, die nicht Zugleich zeigen sich aber auch verschiedene An- evaluiert wird. satzpunkte zur Weiterentwicklung des Projekts. Nach der Durchführung jeder Maßnahme wer- Neben der kontinuierlichen Aktualisierung der den die Teilnehmenden gebeten, in Fragebögen Seminarinhalte wurde der Ausbau ASD in drei Be- Einzelaspekte des Seminars zu bewerten (z.B. Ort reichen begonnen. So wurden zusätzlich zum rei- und Zeit, fachliche Kompetenz der Seminarlei- nen Seminarbetrieb andere Formate entwickelt, tung), generelle Einschätzungen vorzunehmen um weitere Zielgruppen zu erreichen. Verschie- (z.B. „Wie beurteilen Sie die Veranstaltung insge- dene Konferenzen sind etwa besonders auf poli- samt?“) und Angaben zu ihrer Person zu machen. tische Spitzenakteure und deren knappe Zeitres- Diese quantitativen Daten sind zur Weiterent- sourcen hin orientiert und dienen zugleich der wicklung der Seminare wichtig. Über die Wir- weiteren Qualifizierung der Seminarleiterinnen kung des Projekts, also die Frage, ob die Orientie- und Seminarleiter. Des Weiteren wurde mit dem rungs- und Handlungskompetenzen tatsächlich FES-Campus ein nur für Teilnehmende der Veran- gewachsen sind, leisten diese statistischen Anga- staltungen offener Onlinebereich geschaffen, in ben aber nur eine sehr begrenzte Aussage. dem Wissensangebote und Interaktionsmöglich- Durch verschiedene Methoden werden daher keiten die Präsenzveranstaltungen verstärken. auch qualitative Daten erhoben, etwa durch of- Und schließlich publiziert die ASD zu jedem Se- fene Fragen in den Fragebögen, durch münd- minarmodul Lese- und Hörbücher, in denen die liches und schriftliches Feedback oder durch wesentlichen Inhalte und Kontroversen der Semi- Einzelgespräche. Auch hier ist ein kritisches Hin- narthemen dargestellt und didaktisch aufbereitet terfragen sinnvoll, schließlich sind subjektive werden. Sie dienen der Vor- und Nachbereitung Verzerrungen durch soziale Erwünschtheit oder der Seminare, aber auch der eigenständigen An- strategische Wahrheiten möglich. Dennoch er- näherung an das jeweilige Thema. lauben die Daten belastbarere Einschätzungen (Erschienen in: zur Wirkung der Seminare. Die Teilnehmenden Praxis Politische Bildung, Heft 04/2008) (K)EINE DEFINITION Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind die drei Grundwerte der Sozialen Demokratie. Freiheit bedeutet, selbstbestimmt zu leben. Wirklich Freiheit ist dann erreicht, wenn auch die öko- nomischen und sozialen Voraussetzungen zum Gebrauch der Freiheit geschaffen sind. Gerechtig- keit beschreibt immer eine relative Dimension zur Verteilung von materiellen oder immateriellen Gütern. Sie gründet in der gleichen Würde aller Menschen und verlangt nicht nur Gleichheit vor dem Gesetz, sondern auch ein Mindestmaß an materieller Gleichheit, unabhängig vom familiären Hintergrund, von sozialer Herkunft, von Vermögen oder Geschlecht. Solidarität ist die Bereitschaft der Menschen, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu helfen. Entscheidend für das Verständnis Sozialer Demokratie ist das Verhältnis der Grundwerte zueinan- der. Sie sind gleichrangig, sie bedingen sich und sie stützen sich wechselseitig. Aber sie begrenzen 1 / 2 0 1 2 I N F O FES
8 SCHWERPUNKT sich auch. Das unterscheidet die Soziale Demokratie von anderen politischen Strömungen, die sich z. T. auf die gleichen oder auf ähnliche Grundwerte beziehen. Liberale etwa würden den Wert der Freiheit viel stärker gewichten als Gerechtigkeit und Solidarität. Soziale Demokratie betont, dass die drei Grundwerte nicht gegeneinander abgewogen werden können, sondern wechselseitig Voraus- setzung füreinander sind. Gerechtigkeit und Solidarität sind so wichtige Voraussetzungen zur Ver- wirklichung von Freiheit. Auch kann ein Grundwert nicht für sich alleine stehen. Solidarität kann es sicherlich auch in einer rechtsextremen Kameradschaft geben. Erst im Verbund mit den anderen Grundwerten kann Solidarität im Sinne Sozialer Demokratie wirken. Einflussreiche Theoretiker wie Hermann Heller, Thomas Marshall oder Thomas Meyer beschreiben Soziale Demokratie als Verhältnis von Grundrechten, die jedem und jeder gleichermaßen zustehen. Grundrechte können unterschieden werden in sogenannte negative und positive Freiheitsrechte. Ne- gative Freiheitsrechte sind abwehrende Rechte, die den/die Einzelne/n vor willkürlichen Eingriffen der Gesellschaft oder des Staates schützen. Dabei geht es zum Beispiel um das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit. Wenn der Staat die freie Meinungsäußerung oder die freie Wahl einschrän- ken will, schützen die negativen Freiheitsrechte davor. Positive Freiheitsrechte sind demgegenüber ermöglichende Rechte. Sie sollen dem/der Einzelnen ermöglichen, seine/ihre Freiheitsrechte aktiv auszuüben. Dazu gehören zum Beispiel das Recht auf Arbeit, auf freie Bildung und soziale Sicherheit. Die positiven Freiheitsrechte sind Voraussetzung für die Nutzung der negativen Freiheitsrechte. Ein Beispiel: Wer nicht über ein Mindestmaß an Bildung verfügt, wird seine Recht auf freie Meinungs- äußerung nicht in gleichem Maße ausüben können wie etwa eine hochgebildete und eloquente Akademikerin. Deshalb betont die Soziale Demokratie, dass positive und negative Freiheitsrechte gleichrangig sind. Wiederum ist der Blick auf andere politische Strömungen hilfreich: Teile des Li- beralismus würden betonen, dass negative Freiheitsrechte absoluten Vorrang vor positiven Freiheits- rechten haben müssen, da positive Freiheitsrechte die negativen Freiheitsrechte einschränken kön- nen. Aus Sicht Sozialer Demokratie sind die positiven Freiheitsrechte aber ganz entscheidend für die gleichberechtigte Ausübung der negativen Freiheitsrechte. Nur wenn die ermöglichenden, positiven Freiheitsrechte verwirklicht sind, wird auch jeder und jede in der Lage sein, seine negativen Frei- heitsrechte tatsächlich auszuüben. Soziale Demokratie ist demnach die weltweite Verwirklichung positiver und negativer Freiheitsrechte. Für die praktische Politik ergeben sich aus den drei Grundwerten und der Idee gleicher Grundrechte sehr konkrete Aufgaben. Eine Politik, die sich an diesen Werten orientiert, wird etwa eine ausrei- chende materielle Mindestsicherung für jede und jeden anstreben, ebenso wie freie Bildung und Aus- bildung, eine angemessene Gesundheitsvorsorge, die Gleichstellung der Geschlechter oder eine voll entwickelte Demokratie mit funktionierender Öffentlichkeit. In unterschiedlichen Ländern sind diese konkreten Politiken Sozialer Demokratie unterschiedlich verwirklicht, so dass im internatio- nalen Vergleich durchaus eine Rangfolge Sozialer Demokratie beschrieben werden kann. Die skan- dinavischen Staaten mit ihren umfassenden Sozialsystemen, ihren von der sozialen Herkunft relativ unabhängigen Bildungschancen und gut funktionierenden Demokratien können in diesem Ver- gleich in hohem Maße als Soziale Demokratien charakterisiert werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika können demgegenüber kaum als Soziale Demokratie beschrieben werden. Dort werden die negativen Freiheitsrechte weit höher bewertet als die positiven Freiheitsrechte mit entsprechenden Konsequenzen für die politische Praxis: Schwach ausgeprägter Sozialstaat mit hohen Armutsquoten, hohe Ungleichheit, starker Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozialen Hintergrund und einer zunehmend fragmentierten und polarisierten Öffentlichkeit (Stichwort: Fox-News), die die demo- kratische Willensbildung deutlich erschwert. Es zeigt sich, dass unterschiedliche politische Wertvorstellungen und Leitideen das Leben einzelner Menschen in hohem Maß beeinflussen. Umso wichtiger ist es, die eigenen Wertvorstellungen immer wieder zu überprüfen und sich ihrer zu vergewissern. Die Idee Sozialer Demokratie lebt davon, dass sich immer wieder Menschen mit ihr auseinandersetzen, sie weiterentwickeln und andere dafür be- geistern. FES I N F O 1 / 2 0 1 2
GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE 9 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGE- MENT / SOZIALE DEMOKRATIE V O R D E N K E N LUST AUF VIELFALT Buchvorstellung K L A U S W O W E R E I T W I R B T F Ü R I N T E G R AT I O N „Mut zur Integration. Für ein neues Miteinan- Deutschland neofeudal.“ Die beiden Autoren der“ – zu der Vorstellung von Klaus Wowereits waren sich darüber einig, dass Wahrnehmungs- Buch waren 600 Gäste in die Friedrich-Ebert- muster, die eine Spaltung in „Wir“ und „die Stiftung in Berlin gekommen. Das Buch behan- Anderen“ erlauben, Grundlage für Rassismus delt das zentrale Thema des Zusammenlebens in und Ausgrenzung sind. Terkessidis argumen- deutschen Städten und Gemeinden. Die Kom- tiert, dass Veränderungen nicht Korrekturen mune ist für Berlins Regierenden Bürgermeister des Regelbetriebs sein dürften, vielmehr müsse der Ort der Integration. Das gilt in ganz beson- der Regelbetrieb selbst verändert werden. Orga- derem Maße auch für Berlin: Integration ist eine nisationsstrukturen müssten verändert werden Gemeinschaftsaufgabe, der es sich voller Lust und so zu einem progressiven Gesellschaftsbild auf Vielfalt zu widmen gilt. Und dazu ruft Wo- führen. Wowereit möchte eine defizitorientierte wereit in seinen Buch auf: „Wenn wir den gesell- Debatte gerne durch eine Debatte über gemein- schaftlichen Zusammenhalt wollen, dann müs- same Ziele ersetzen; „Wir müssen uns endlich sen wir eine Gesellschaft werden wollen. Das gilt als das begreifen, was wir sind – ein Volk.“ für alle Beteiligten.“ Sozialer Aufstieg für alle, ist Leitmotiv Wowereits. Zugänge zu ermöglichen, Her- kunft und Zukunftsaussichten zu entkop- peln, dafür tritt er ein. Das dies noch nicht immer gelingt, und dass die Herkunft über den gesellschaftlichen Aufstieg noch stark mitentscheidet, daran erinnerte Mark Ter- Integration ist eine kessidis, Autor des Buches „Interkultur“, Gemeinschaftsauf- der an dem Abend mit Wowereit diskutier- gabe: Klaus Wowe- te: „In der Struktur der Bildung hat sich reit bei der Vorstel- lung seines Buches sehr wenig verändert, hier funktioniert (Foto: Himsel) 1 / 2 0 1 2 I N F O FES
10 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE Fachtagung und Workshops ZU WENIG AUFKLÄRUNG B Ü N D N I S PA R T N E R G E G E N R E C H T S G E S U C H T Regelmäßige Aufmärsche von Rechtsextre- Auch den Schulen kommt bei der Bekämpfung misten, gewalttätige Ausschreitungen, gezielte von Rechtsextremismus eine wichtige Aufgabe Regelverletzungen und die psychische und phy- zu. Am 20. März veranstalteten das FES-Forum sische Verfolgung Andersdenkender gehören Politik und Gesellschaft und „Schule ohne Ras- mittlerweile zum Alltag in Teilen des Ruhrgebiets sismus – Schule mit Courage“ in Berlin, einen und anderen Regionen in Nordrhein-Westfalen. Projekttag für Schülerinnen und Schüler. Die Bestandsaufnahme und eine Diskussion In einem der sieben Workshops wurde beklagt, über konkrete Gegenmaßnahmen, waren die In- dass in den Medien das Thema Rechtsextremis- halte einer Fachtagung der FES, die am 23. und mus häufig erst dann behandelt würde, wenn es 24. Februar im westfälischen Lüdenscheid statt- zu einem Verbrechen gekommen sei. Über den fand. Insbesondere Mitglieder des nordrhein- alltäglichen Rassismus in der Gesellschaft werde westfälischen Landtags, darunter die Wissen- leider nicht so ausführlich berichtet. Wolfgang schaftsministerin Svenja Schulze, berieten mit Thierse, MdB und Vizepräsident des Deutschen wissenschaftlichen Experten über Strategien zur Bundestages, hatte schon in seiner Einführung Bekämpfung des Rechtsradikalismus und der Si- darauf hingewiesen, dass es in der Bevölkerung cherung demokratischer Grundwerte. einen nicht geringen Prozentsatz von fremden- Vorgeschlagen wurde eine parteiübergreifende feindlichen und antisemitischen Einstellungen Initiative auf parlamentarischer Ebene wie auch gebe. In einer anderen Arbeitsgruppe drehte sich eine bessere Vernetzung der verschiedenen po- die Diskussion um rechtsextreme Symbole und litischen Institutionen und Organisationen der deren Verwendung. Von der Bedeutung einiger Zivilgesellschaft. Zusätzlich wurde auch über Codes und Kleidermarken habe er zuvor noch neue Bündnispartner wie zum Beispiel Sportver- gar nichts gewusst, bekannte ein Schüler. eine nachgedacht. Online-Angebot SAG WAS! D A S D E B AT T E N P O R TA L D E R F E S G A N Z V O R N Politische Bildung in den sozialen Netzen? Stiftung. Es setzt auf interaktive Nutzung, bietet Eine Internet-Plattform für politische Debatten Bewegtbilder und bringt sogar Antworten aus der macht es möglich: themenoffen, den Werten Politik. und Zielen der FES verpflichtet, lebendig und ak- Vom NPD-Verbot über die Situation in Russland tuell, und präsent auf Social-Media-Plattformen bis zur Frage nachhaltiger Ernährung – verschie- wie facebook. Sagwas.net – das im Oktober 2011 denste Themen werden zur Debatte gestellt. Dazu gegründete Debattenportal der Friedrich-Ebert- kommen regelmäßige Beiträge von Bloggern, die Stiftung erfreut sich einer stetig wachsenden für SagWas schreiben. Und: User können selbst User-Gemeinde. Und seit Ende Januar auch der Beiträge einstellen. Eine Debattenschule gehört Wertschätzung der Initiative „Land der Ideen“ zu den Angeboten, und das jüngste Vorhaben ist als einer der Preisträger 2012! ein Schulprojekt mit Online-Debatten auf Sag- Anfang 2011 entstand die Idee zu einem Experi- was.net, um das Portal für den Politikunterricht ment, dessen Grundfragen lauteten: Wie schaf- nutzbar zu gestalten. fen wir es, politische Bildungsangebote im Netz INTERNET zu platzieren? Wie erschließen wir uns die User www.sagwas.net des Internets? Wie befördern wir gleichzeitig auch eine neue Streitkultur? Und können wir im Netz diejenigen zum Mitreden bewegen, die sonst nicht so oft oder gar nicht zu unseren zahl- reichen Veranstaltungen kommen? Das Portal ist das erste Debattenportal einer politischen eine neue Streitkultur! FES I N F O 1 / 2 0 1 2
GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE 11 KINDERRECHTE AUF DEM VORMARSCH Fachkonferenz NEUE GESETZESGRUNDLAGE IN DER DISKUSSION Recht haben und Recht bekommen sind bekannt- Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD- lich häufig zwei ganz verschiedene Dinge. In Hin- Fraktion, Christoph Strässer, der darauf hinwies, blick auf die Kinderrechte ist im Dezember 2011 dass Deutschland das Zusatzprotokoll zwar be- auf internationaler Ebene ein wichtiger Schritt reits gezeichnet habe, nun aber auch rasch in den getan worden, um sicherzustellen, dass Kinder Ratifizierungsprozess eintreten müsse. Nach dem auch tatsächlich zu ihren Rechten kommen. Wie musikalischen Intermezzo des GRIPS-Theaters, andere Menschenrechtsverträge auch, wurde die das die rund 120 Konferenzteilnehmenden mit UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) um ein „Trau Dich!“ aus dem Mittagstief schüttelte, dis- Zusatzprotokoll ergänzt, das eine Individualbe- kutierte das fachlich versierte und junge Publi- schwerde bei der Verletzung der Kinderrechte kum am Nachmittag in drei Arbeitsgruppen mit urch einen Staat – nach Ausschöpfung des natio- Expertinnen und Experten die Relevanz der UN- nalen Rechtswegs – möglich macht. KRK, insbesondere die Frage, wie sich das Wissen Bei der Fachkonferenz „Rechte haben – Recht über die Inhalte der UN-KRK in die breite Öffent- bekommen! Das Individualbeschwerdeverfah- lichkeit tragen lässt. ren zur UN-Kinderrechtskonvention“ wurde Die Bundestagsabgeordnete Marlene Rupprecht, diese rechtliche Neuerung am 23. März mit Mitglied in der Kinderkommission des Deut- einem hochmoti- vierten Experten- publikum disku- tiert. Die von FES, Kinder not hilfe (KNH) sowie der National Coali- tion zur Umset- zung der UN-KRK in Deutschland Spaß muss sein: Das organisierte Gripstheater leistet einen musikalischen Ve r a n s t a l t u n g Beitrag zur Konfe- zeichnete den renz. (Foto: Schicke) langen, steinigen Verhandlungsweg nach, der gegangen werden schen Bundestags brachte dann viel persönliches musste, um das Zusatzprotokoll auf den Weg Engagement in die Diskussion und bekräftigte zu bringen. Hier konnte die Konferenz von den auch in Hinblick auf die Frage, ob Kinderrechte Einblicken der stellvertretenden Referatsleite- ins Grundgesetz aufgenommen werden sollten: rin Menschrechte im Auswärtigen Amt, Anke „Seit Jahrzehnten engagiere ich mich für die Kin- Konrad, profitieren, die für Deutschland die Ver- derrechte, ich möchte nicht bis zu meinem sieb- handlungen geführt hatte. Ergänzt wurde ihr zigsten Geburtstag darauf warten müssen, dass Beitrag von einem Kommentar des Sprechers für nun endlich etwas passiert!“ ONLINEAKADEMIE ZUR NACHHALTIGKEIT Grundlegende und vertiefende Texte zum Selbststudium greifen in einem neuen Themenmodul der FES OnlineAkademie den Begriff der Nachhaltigkeit auf und stellen ihn in Beziehung zu den Gestal- tungsanforderungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Glossar, Linkliste und Lehrmaterialien vervollständigen das Angebot. Die Startphase wird von einem Blog begleitet, dessen Autor alle zwei Wochen zur Onlinediskussion einlädt. www.fes-online-akademie.de 1 / 2 0 1 2 I N F O FES
12 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE Fortschrittsforum WÜNSCH DIR WAS ZUKUNFTSVISIONEN VON JUGENDLICHEN Wie wollen wir leben? Rund 180 Berliner Schü- Gruppen ging es um Toleranz. „Wertschätzung ler/innen stellten sich am 7. März dieser Frage. sollte ganz selbstverständlich allen Menschen Im Rahmen des Fortschrittsforums hatten die unabhängig von ihrer sozialen Herkunft oder Friedrich-Ebert-Stiftung, die Hans-Böckler-Stif- Nationalität entgegen gebracht werden“, so das tung und die Otto-Brenner-Stiftung gemeinsam Fazit einer Teilnehmerin. eingeladen, um in Erfahrung zu bringen, wie In einer anderen Gruppe wurden mehr Chan- sich junge Menschen zwischen 15 und 20 Jahren cengleichheit in der Gesellschaft und ein bes- das Zusammenleben in der Zukunft vorstellen. seres Bildungssystem angemahnt. Mit der Un- Welche Werte sind ihnen wichtig? Welchen Stel- gleichheit zwischen Arm und Reich setzten sich lenwert haben Familie, Freunde und Beruf? weitere Schüler/innen auseinander. Soziale Un- Gleich zu Beginn der Veranstaltung notierten terschiede werde es zwar immer geben, aber zu- viele ihre ganz persönlichen Zukunftsvisionen mindest sollten die Ärmeren mehr Chancen auf auf Moderationskarten. „Freiheit“ ist häufig zu gesellschaftliche Teilhabe und Aufstieg haben als lesen, aber auch „Frieden“ oder „weniger Ar- bisher, so der Wunsch eines Teilnehmers. mut“. In einer der anschließenden Workshop- Expertenrunde WORTE HABEN FOLGEN EINE LEHRE DES 20. JAHRHUNDERTS Die Meinungsfreiheit gehört zu den Grundpfei- Gebert. Der liberale Publizist und Leiter des Euro- lern, auf denen jedes demokratische Staatswesen pean Council of Foreign Relations in Warschau ruht. Doch sie ist auch anfällig für Missbrauch. erinnerte aber auch an das Vermächtnis von Bro- Was tun, „wenn aus Worten Waffen werden“? nislaw Geremek. „Worte haben Folgen“, sagte Ge- Diese Frage versuchte eine Expertenrunde auf bert und fügte hinzu: „Bronislaw Geremek hat der Einladung des Warschauer Geremek-Zentrums Freiheit der Rede stets die Verantwortung für das und der Friedrich-Ebert-Stiftung zu beantworten. gesprochene Wort hinzugestellt.“ Wie viel Meinungsfreiheit vertragen demokra- Der französische Philosoph und Schriftsteller tische Gesellschaften? Am 80. Geburtstag des Jacques Dewitte führte die Zuhörer zunächst an 2008 verstorbenen polnischen Historikers, Frei- den Ursprung des Menschseins zurück. „Wir sind heitskämpfers und postkommunistischen Außen- sprachliche Wesen“, sagte er und verwies auf die „Magie der Wörter“. Sprache besitze schöpfe- rische Kraft, könne aber auch vernichtende Wir- kung haben. Jede Verfolgung beginne mit Verbal- angriffen. Dies sei die Lehre des 20. Jahrhunderts mit seinen Gewaltexzessen in Wort und Tat, so der Philosoph. „Hasssprache gibt es auch losgelöst vom Op- fer“, erklärte die Psychologin Paula Sawicka und Mitbegründerin des Vereins „Offene Republik“, der sich den Kampf gegen Antisemitismus und Fremdenhass auf die Fahnen geschrieben hat. Einmischen er- Polen sei das beste Beispiel für ein Land, in dem wünscht: Meinungs- freudiges Publikum es zwar nur wenige Juden, aber dennoch einen in Warschau virulenten Antisemitismus gebe, stellte sie fest. ministers Bronislaw Geremek konnte es kaum ein „Wir haben lange für die Meinungsfreiheit ge- würdigeres Thema geben als diese Frage. „Je mehr kämpft. Wir haben sie schließlich erkämpft. Freiheit des Wortes möglich ist, desto besser“, lau- Nun müssen wir nur noch lernen, damit umzu- tete die Eingangsthese von Moderator Konstanty gehen“, sagte Sawicka. FES I N F O 1 / 2 0 1 2
GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE 13 GEFANGEN IM NETZ? Studie D A S I N T E R N E T I M P O L N I S C H E N PA R L A M E N T S W A H L K A M P F 2 0 1 1 Im Oktober 2011 wählte Polen ein neues Parla- politischen Positionen nie beantwortet. ment. Doch obwohl mittlerweile 65 Prozent der Der Abgeordnete der polnischen Bauernpartei, Jungwähler das Internet als ihre wichtigste Infor- Janusz Piechociński, machte den Zuhörern hin- mationsquelle bezeichnen, investierten die poli- gegen wenig Hoffnung auf eine baldige Besse- tischen Parteien und die einzelnen Kandidaten rung dieses Zustandes: „Für einen durchschnitt- wenig Zeit und Mühe in ihre Internetauftritte. lich bekannten Politiker übertrifft der Aufwand Wie eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung in eines eigenen Internetauftrittes dessen konkreten Polen und des Warschauer Instituts für Öffent- Nutzen. Gerade in den ländlichen Regionen liche Angelegenheiten belegt, besaß mehr als die zählt weiterhin vor allem die persönliche Anspra- Hälfte aller Kandidaten für Sejm und Senat nicht che der Wähler“, so Piechociński. Diese Aussage einmal eine eigene Internetseite. Doch selbst die konnte auch Lisa Peyer vom Institut für Kommu- wenigen existierenden Homepages hielten in der nikation in sozialen Medien teilweise bestätigen. Regel nur oberflächliche Informationen über den Zwar besäßen mittlerweile zwei Drittel aller Euro- Lebenslauf der betreffenden Politiker bereit. Stel- päer einen Internetanschluss. Doch lediglich ein lung zu inhaltlichen Themen bezog demgegenü- Drittel nutze dieses Medium, um sich politisch zu ber kaum ein Kandidat. informieren. Noch viel niedriger seien die Zahlen Unter dem Titel „Gefangen im Netz. Politiker in Bezug auf eine wahrnehmbare Aktivierung. und Wähler in der Welt des Internets“ luden die Bislang deuten alle Studien darauf hin, dass Par- Herausgeber des Berichts im Februar 2012 zur teien selbst mit guten Onlineauftritten maximal öffentlichen Diskussion der Ergebnisse ein. Im die eigenen Anhänger mobilisieren können. Der Rahmen einer Podiumsdiskussion tauschten sich durchschnittliche User hingegen wolle lediglich polnische und deutsche Politiker, Wissenschaft- informiert, nicht aber aktiviert werden. Insofern ler, Journalisten und Betreiber von Internetplatt- nehme die Bedeutung des Internets als Informa- formen über Defizite und Verbesserungsmöglich- tionsquelle sicherlich zu. Ob es aber für die tra- keiten des politischen Diskurses im Netz aus. ditionellen Parteien ein zeitgemäßes Instrument Teresa Bücker, die im neu eingerichteten News zur Mobilisierung neuer Anhängergruppen dar- Desk des Willy-Brandt-Hauses die Internet- stellen kann, bleibe zumindest für den Moment präsenz der SPD mitgestaltet, wies darauf hin, offen. dass sich die Parteien für eine effektive Online- Kommunikation zunächst einmal an ein neues SOZIALPOLITISCHES LESEBUCH Kurz notiert Kommunikationsverhalten gewöhnen müssten: „Zurzeit reagieren die etablierten Parteien noch Zum zweiten Mal traf sich im März der „Arbeits- weitgehend auf die netzpolitische Themenset- kreis Sozialdemokratische Sozialpolitik“ in der zung anderer Akteure, anstatt selbst die Agenda FES in Warschau. Junge Wissenschaftler, Journa- zu bestimmen.“ Róza Rzeplińska, die sich mit listen, Gewerkschafter und Politiker entwerfen ihrer Nichtregierungsorganisation Stowarzysze- ein gemeinsames Konzept für eine sozialdemokra- nie 61 für die Bereitstellung öffentlich relevanter tische Sozialpolitik in Polen. Am Ende des Jahres Informationen im Netz einsetzt, unterstrich zu- soll ein sozialpolitisches Lesebuch vorliegen. „Die dem die Bedeutung, die Bürger der virtuellen Publikation nimmt zunächst eine Definition so- Erreichbarkeit von Politikern beimessen. Im zialdemokratischer Werte und Grundannahmen Vorfeld der polnischen Parlamentswahl hatten vor. In den folgenden Kapiteln werden daraus sich über 300.000 Nutzer auf dem Internetpor- konkrete sozialpolitische Maßnahmen abgelei- tal von Stowarzyszenie 61 angemeldet, um dort tet“, erklärt Knut Dethlefsen aus dem Warschau- Informationen über die verschiedenen Parteien er Büro der FES. „Mit unserem Projekt wollen wir und Kandidaten abzufragen. Allerdings konnten versuchen, die rechte Dominanz zu durchbre- Rzeplińska und ihre Kollegen den Interessenten chen und die polnische Linke in sozialpolitischen oftmals nicht weiterhelfen: Trotz mehrfacher Belangen wieder sprachfähiger zu machen“, er- Aufforderung hatte über ein Drittel der Kandi- gänzt Projektpartner Michał Syska vom Breslauer daten den Fragebogen von Stowarzyszenie 61 zu Ferdinand-Lassalle-Zentrum für soziales Denken. 1 / 2 0 1 2 I N F O FES
14 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE Aktionsplattform ZUKUNFT, DIE WIR WOLLEN BRASILIANISCHE ZIVILGESELLSCHAFT VOR DER UN-KONFERENZ F Ü R N A C H H A LT I G E E N T W I C K L U N G Die Hoffnungen sind verhalten. „Die Beschlüsse durch marktwirtschaftliche Logik getriebenen werden weit hinter dem hinterherhinken, was Übergang. Über eine nötige Änderung von Kon- nötig wäre, um einen Wandel hin zu einer nach- sumgewohnheiten, soziale Gerechtigkeit und haltigen Gesellschaft zu bewerkstelligen und den die Sanktionierung umweltschädlichen Verhal- sozialen und ökologischen Kollaps unserer Zivi- tens, schweigt der Text hingegen weitgehend. lisation zu verhindern“, prophezeit Aron Belinky Der brasilianischen und internationalen Zivil- von der brasilianischen Nichtregierungsorgani- gesellschaft kommt deswegen die wichtige Rolle sation Vita Civilis. Zwanzig Jahre nach dem UN- zu, das offizielle UN-Dokument durch Vorschlä- Gipfel zu Umwelt und Entwicklung wird im Juni ge und Kritik zu beeinflussen sowie darüber hi- die internationale Gemeinschaft erneut in Rio naus Facetten eines Weges hin zu einer sozial de Janeiro zusammenkommen, um über Wege zu gerechten, ökonomisch stabilen und ökologisch einer nachhaltigen Entwicklung zu diskutieren. nachhaltigen Zukunft aufzuzeigen. 1992 hatte hier der historische Weltgipfel, wich- Die FES unterstützt ihre zivilgesellschaftlichen Partner darin, diese Herausforderung anzuge- hen, indem sie das zivilgesellschaftliche Komi- tee zu Rio+20 begleitet. Die Plattform vereint diverse soziale Netzwerke, NGOs und Interes- sengruppen, die sich zusammen getan haben, um eine zivilgesellschaftliche Parallelkonferenz zur UN-Konferenz auf die Beine zu stellen. Hart wird über Kritikpunkte, Alternativen und lo- Wichtiger Partner kale Anknüpfungspunkte eines nachhaltigen der FES in Brasilien: Wirtschaftens und einer zukunftsfähigen Um- Der Gewerkschafts- dachverband CUT weltpolitik diskutiert. Konsens besteht darin, tige Wegmarken gesetzt und die Konventionen dass das Umsteuern zu einem nachhaltigen Ent- zu Klimawandel, Biodiversität und der Bekämp- wicklungsweg nicht auf einen rein technischen fung der Verwüstung auf den Weg gebracht so- Umbau der Volkswirtschaften zu saubereren Pro- wie den Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ duktionsweisen verkommen darf, sondern mit mit ihren drei Säulen – sozial, ökologisch und Diskursen über gesellschaftliche Umverteilung, ökonomisch nachhaltig – geschaffen. alternative Produktionsformen und Konsum- Das Einschlagen eines neuen Entwicklungs- muster verbunden werden muss. weges erwies sich aber als eine komplexe Heraus- Die Gewerkschaften machen sich ebenfalls Ge- forderung: Während Industrieländer die Not- danken über den Übergang zur grünen Wirt- wendigkeit und den ökonomischen Nutzen des schaft. Sie erinnern an die oft vernachlässigte Umbaus der Volkswirtschaften zu einer grünen soziale Dimension der Nachhaltigkeit – im Wirtschaft betonen, befürchten Entwicklungs- Sinne von Beschäftigung, guter Arbeit und sozi- und Schwellenländer, der Verzicht auf fossile aler Umverteilung. Ein in Partnerschaft mit der Energieträger verhindere das für ihre wirtschaft- FES organisiertes internationales Seminar des liche und soziale Entwicklung nötige Wachstum. brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes Der kürzlich publizierte „Zero Draft“, also der Central Única dos Trabalhadores (CUT) und des erste Entwurf einer Abschlussdeklaration für lateinamerikanischen gewerkschaftlichen Regi- die anstehende Rio+20 Konferenz, geht nur un- onalverbandes (CSA) brachte rund 100 gewerk- zureichend auf diesen Konflikt ein. Der heftig schaftliche Entscheidungsträger in Sao Paulo debattierte Text zeichnet unter dem Titel „Die zusammen, um verschiedene Aspekte nachhal- Zukunft, die wir wollen“ ein recht eindimensi- tiger Entwicklung zu erörtern. CUT Präsident Ar- onales Bild einer grünen Wirtschaft. Armut soll tur Henrique betonte „grüne Jobs sind nur dann vor allem durch technologischen Fortschritt und gute Jobs, wenn sie die Grundnormen men- Effizienzgewinne überwunden werden, in einem schenwürdiger Arbeit respektieren.“ FES I N F O 1 / 2 0 1 2
GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE 15 VERÄNDERER FINDEN ZUSAMMEN Zukunftswerkstatt L E I P Z I G E R B Ü R G E R G E S TA LT E N P O L I T I K Am Schluss war klar: Veränderungen gibt es nur ten, wurden Ideen für ein besseres, lebenswerte- im Kleinen. So das Ergebnis einer Diskussion res Leipzig entwickelt. Leipziger Bürgerinnen und Bürger über die Zu- Soll ein bedingungsloses Grundeinkommen kunft ihrer Stadt. die Menschen absichern? Erreichen engagierte Die Chance wirkliche Veränderung anzustoßen, Bürger mehr durch direkte Demokratie oder da- benötigt die Beiträge der Menschen vor Ort. Aus- durch, dass sie in Parteien mitarbeiten? gehend von dieser Überlegung lud das Landesbü- Aus Ideen sollten konkrete Forderungen werden, ro Sachsen am 23. Februar in Leipzig zur lokalen erste Pläne für die Umsetzung waren gefragt. Zukunftswerkstatt unter dem Motto des Fort- Auf der Wunschliste standen schließlich ein schrittsforums „Wie wollen wir leben?“. durchdachtes Verkehrskonzept, ein „gläsernes“ Zu Beginn erläuterte die Leipziger MdB Daniela Rathaus, Unterstützung bei innovativen Unter- Kolbe die Ziele der von ihr geleiteten Enquete- nehmensgründungen und ein bundesweit ein- Kommission des Bundestages „Wachstum, Wohl- heitliches Bildungssystem. stand, Lebensqualität“, bevor sie mit Leipziger Nicht alle Ideen der Leipziger Zukunftswerkstatt Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kam. können Realität werden. Aber die Bürgerinnen Nach der Sammlung von Kritikpunkten, die von und Bürger haben einander kennengelernt als zu kurzen Ampelphasen über Lärm bis hin zu engagierte und kreative „Veränderer“, die sich zu- prekärer Beschäftigung, einem veralteten Schul- sammenschließen und Politik gestalten können. system und mangelnder Bürgerbeteiligung reich- JUGEND POSITIONIERT SICH Workshops ANREGUNGEN FÜR POLITISCHEN NACHWUCHS IN BOLIVIEN Seit dem Zerfall des alten Parteiensystems in Menschen je nach Region sehr unterscheiden. Bolivien und dem Aufstieg des Movimiento al Einen wesentlichen Beitrag konnte die FES bei Socialismo (MAS) kommt es zwischen der Regie- der Ausarbeitung eines Jugendstatuts zur An- rungspartei und der FES-Vertretung zu regelmä- erkennung einer eigenständigen Parteijugend ßigen Kooperationen. innerhalb der offiziellen Parteistruktur leisten. Ein Pfeiler der Zusammenarbeit besteht in der Statut und Struktur wurden auf dem nationalen Unterstützung der Parteijugend. Bisher hatte Parteikongress des MAS im März angenommen. die MAS-Jugend innerhalb der Parteistruktur keinen offiziellen Status und deshalb nur eine geringe eigenständige Identität entwickelt. Dies ist besonders gravierend in einem Land wie Bo- livien, in dem junge Menschen die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Deshalb legt die FES bei den Workshops besonderen Wert darauf, neben den zentralen Aspekten einer pluralen Aus allen Teilen Boliviens kamen die Demokratie auch die unabhängige Perspektive Teilnehmerinnen der Jugend zu fördern. Dass diese sich durchaus und Teilnehmer der Workshops zusam- kritisch von der Mutterpartei absetzen kann, ist men. eine der wichtigsten Erfahrungen, die die jungen Ein weiteres Ziel ist die Unterstützung der regi- Parteimitglieder dabei machen. Die FES versam- onalen und internationalen Vernetzung. Die melt in verschiedenen Workshops führende Ak- von der FES jährlich organisierte Sommerschu- tivisten der MAS-Jugend aus allen Landesteilen. le für sozialdemokratische und linksprogressive Logistisch in dem schwer zugänglichen Land Jugendorganisationen in Lateinamerika, liefert eine Herausforderung, inhaltlich aber von stra- auch Anregungen für die Positionierung des po- tegischer Bedeutung, da sich die Probleme der litischen Nachwuchses in Bolivien. 1 / 2 0 1 2 I N F O FES
16 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE Ausstellung „ETWAS BESSERES ÜBERGEBEN ALS DAS VORGEFUNDENE“ FES EHRT HANS-JOCHEN VOGEL Seit 1950 Parteimitglied, zwölf Jahre Oberbür- Bärbel Dieckmann folgten der Einladung und germeister in München, neun Jahre Bundesmi- wurden von Peter Struck empfangen, der den nister, ehemaliger Fraktionsvorsitzender und Abend eröffnete. Der Vorsitzende der Friedrich- Bundesvorsitzender der SPD – das ist der poli- Ebert-Stiftung bedankte sich bei Vogel und be- tische Lebenslauf eines der bedeutendsten SPD- zeichnete ihn als seinen „Lehrmeister“, von dem Politiker seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Archiv er das politische Handwerk gelernt habe. Struck der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stif- betonte in seiner Rede die Verlässlichkeit des Geehrten: „Ein Wort von Hans-Jochen Vogel war ein Wort, auf das man sich immer verlassen konnte.“ Hans-Jochen Vogel dankte Peter Struck für seine Rede, die erfreulicherweise kein Nach- ruf gewesen sei, sondern die „Worte eines Freun- des mit gutem Erinnerungsvermögen.“ Abschluss einer Ausstellung: Hans- Auf die Ausstellung blickend bedankte sich Vogel Jochen Vogel mit bei den Veranstaltern und seinen Weggefährten: seiner Frau Liselotte und der Vorsitzen- „Was hier in der Ausstellung mir zugeschrieben den des FES-Kura- wird, ist nur möglich gewesen, weil mir Men- toriums Ingrid Matthäus-Meier in schen geholfen haben.“ Bonn. Zum Abschluss kehrte er an die Anfänge seines tung und der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus politischen Wirkens zurück: „Es geht nicht nur würdigten mit einer Ausstellung das Lebenswerk um uns, sondern wir müssen sehen, dass wir der Hans-Jochen Vogels. Den Abschluss bildete eine Generation nach uns etwas Besseres übergeben Finissage in Bonn, pünktlich zum 86. Geburts- als wir vorgefunden haben“, beschrieb er seine tag des ehemaligen Kanzlerkandidaten. Viele Motivation, sich in der Nachkriegszeit zu enga- Freunde und Bekannte wie Rudolf Dressler und gieren. die ehemalige Bonner Oberbürgermeisterin Kurz notiert KONTRAHENTEN VON EINST ma: der Abwertung der Arbeit und der Arroganz „Zwei Köpfe, zwei Parteien – aber oft eine Mei- des Geldes. Er rief zu einem Aufstand gegen das nung“, so beschrieb die „Kölnische Rundschau“ „Diktat der Finanzwirtschaft“ auf. Rudolf Dreß- eine Diskussionsrunde der Kurt-Schumacher- ler unterstützte ihn: „Die Finanzwirtschaft muss Akademie in Bad Münstereifel, bei der Norbert an die Kette gelegt werden“. Blüm und Rudolf Dreßler – zwei Kontrahenten früherer Bundestagsdebatten – aufeinandertra- SZENARIEN ZUR MOBILITÄT fen. Norbert Blüm kam schnell zu „seinem“ The- „Mobilitätskultur in einer alternden Gesell- schaft: Szenarien für das Jahr 2030“, so der Titel eines Projektes, das Professor Georg Rudinger und Nicolaus Haverkamp vom Zentrum für Al- ternskulturen der Universität Bonn in der Kurt- Schumacher-Akademie, Bad Münstereifel vor- stellten. Gegenstand des Projektes sind sowohl Szenarien der Verkehrswelt älterer Menschen im Jahr 2030 als auch Mobilitätswünsche und -be- dürfnisse der Generation der „Baby-Boomer“, (Foto: Hering-Heidt) die dann 65 Jahre und älter sein werden. FES I N F O 1 / 2 0 1 2
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