Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt

Die Seite wird erstellt Hortensia-Sibylle Köster
 
WEITER LESEN
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
Zeitschrift der Bundespolizei              38. Jahrgang
ISSN 2190-6718                             1-2011

Küssen
verboten?
Wenn‘s am Arbeitsplatz funkt

  In- & Ausland:
  Vier Fragen zu den
  Werthebach-Empfehlungen
  an Dr. Thomas de Maizière
                                Seite 13

  Personal & Haushalt:
  Einblicke in das
  Auswahlverfahren der GSG 9
                                Seite 26

  Portrait:
  Reisebüro Bundespolizei
                                Seite 46
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
| 1-2011

                            Inhalt

Die ersten 100 Tage                                                Dem „Onkel“ auf der Spur                                         „Es lebe der Sport!“
bei der Bundespolizei
                                                                   Wie die Bundespolizeiinspektion
Zwei Polizeimeisteranwärter berichten                              Kriminalitätsbekämpfung Bexbach                                  Dienstsport in der Bundespolizei
von ihrem Start bei der Bundespolizei                              ein internationales Schleuser– und
                                                                   Drogennetzwerk zerschlug.
                                                Seite 10                                         Seite 14                                                                         Seite 50

„„ Titelthema                                                      „„ Personal & Haushalt                                           „„ Portrait

  Küssen verboten? –                                                 Challenge GSG 9  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 26                 Reisebüro Bundespolizei .  .  .  .  . 46
  Wenn‘s am Arbeitsplatz funkt  .  .  . 4                                                                                           „„ Technik & Logistik
                                                                     Warum entscheiden sich
  Näher als die Polizei erlaubt  .  .  . 8                           junge Menschen für die                                           Kein feuerrotes Spielmobil … .  . 48
                                                                     Bundespolizei? .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 28
„„ In- & Ausland                                                                                                                    „„ Sport & Gesundheit
  Die ersten 100 Tage                                                In Gedenken .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30
                                                                                                                                      Dienstsport in der
  bei der Bundespolizei  .  .  .  .  .  .  . 10                      Ein Schritt in die richtige                                      Bundespolizei .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 50
  Vier Fragen zu den Werthebach-                                     Richtung!  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 32
                                                                                                                                    „„ Leserbriefe
  Empfehlungen an Dr. Thomas de                                    „„ Recht & Wissen
  Maizière  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 13                                                                    „„ Zu guter Letzt
                                                                     60 Jahre Bundespolizei .  .  .  .  .  . 33
  KrimB Bexbach zerschlägt                                                                                                            Fliegender Notarzt für den
  internationales Schleuser- und                                     Besser gerüstet - Der modulare                                   neuen „Tatort-Kommissar“  .  .  .  . 54
  Drogennetzwerk  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14                 Studiengang .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 39
                                                                                                                                      16.000 Euro für die Ideen
  Der HOD – tatsächlich                                              The Afghan K-9 program  .  .  .  .  . 42                         aus 2010  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 54
  „bezahlter Urlaub“? .  .  .  .  .  .  .  .  . 18                   Identitätsfeststellung                                           Gewinner des Preisrätsels .  .  .  . 55
  Notfall? Du hilfst – ich auch! . .  . 20                           gem. § 23 Abs. 1 Nr. 4 BPolG . 44

  Der polnische Grenzschutz  .  .  . 22
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
| 1-2011

                                                                                                                                  3

                     Impressum
                           Herausgeber
                    Bundespolizeipräsidium

                                 Redaktion
   Sandra Pfeifer (V.i.S.d.P.), Kristian Veil,                Liebe Leserinnen und Leser,
        Alexander Geyer, Daniel Nedwed,
        Stefan Perschall, Freya Schröder,
  Michaela Heine, Friedrich-Willhelm Britt,         zunächst möchte ich mich bei         würden, die bereit wären, uns ihre
  Armin Thiel, Lars Beyer, Torsten Henkel,       Ihnen entschuldigen. Die letzte Aus-    Geschichte zu erzählen. Wir haben
              Sven Drese, Anika Manthey,         gabe der kompakt war stark fehlerbe-    uns daher sehr gefreut, dass die
                 Kurt Lachnit, Cora Thiele,
                                                 haftet. So haben Sie beispielsweise     Resonanz überraschend gut ausfiel.
            Thomas Borowik, Fiona Roloff
                                                 das auf der Titelseite angekündigte
                                Anschrift        und falsch geschriebene Preisrätsel       Hält eine Beziehung 24 Stunden
                  Heinrich-Mann-Allee 103
                           14473 Potsdam
                                                 vergeblich auf Seite 41 gesucht.        „Zweisamkeit“ aus? Wie sind die
                                                 Glücklicherweise haben es viele von     Reaktionen der Kollegen? Unsere
                               Telefon
                                                 Ihnen dennoch gefunden. Mein Re-        Pärchen behaupten: „Alles gut!“
               0331/97 997-9404, -9407
                               Telefax           daktionsteam und ich werden künftig     Überzeugen Sie sich selbst.
                     0331/97 997-9411            noch genauer hinschauen.
                                                                                            Erstmalig widmen wir unseren im
                                 E-Mail
      redaktion.kompakt@polizei.bund.de             Mit großer Spannung habe ich         letzten Jahr verstorbenen Kolleginnen
                                                 die Empfehlungen der Werthebach-        und Kollegen Raum in unserem Ma-
                           Layout & Satz
       Fachinformations- und Medienstelle
                                                 Kommission gelesen. Ich war ziem-       gazin. Wir wollen damit Ihnen, liebe
                        der Bundespolizei        lich überrascht oder soll ich sagen     Leserinnen und Leser, aber auch den
                                                 emotional berührt über das, was ich     Hinterbliebenen sagen: Seid glücklich
                                    Druck
Media-Print Informationstechnologie GmbH         dort über die Bundespolizei las. Umso   über die Momente, die Ihr gemeinsam
                                Paderborn        mehr interessierte mich, wie unser      hattet und seid stark für Euch selbst,
                                                 Bundesinnenminister die Bundes-         die Ihr im Leben steht. Wir vergessen
                                    Auflage
                                    12.000       polizei sieht. Die kompakt hat nach-    unsere Kolleginnen und Kollegen
                                                 gefragt: Wo steht die Bundespolizei     nicht!
  Wir danken allen Autoren für die in dieser
        Ausgabe veröffentlichten Beiträge.
                                                 heute und welche Zukunftschancen
Für den Inhalt der Beiträge sind grundsätz-      hat sie? Lesen Sie, was unser Minis-                    Ihre Sandra Pfeifer
           lich die Autoren verantwortlich.      ter dazu sagt.                            Redaktion Bundespolizei kompakt
  Die Redaktion behält sich das Recht der
 Kürzung und Änderung von Beiträgen vor.
                                                    Als wir uns in der Redaktion für
                       Redaktionsschluss         das Titelthema „Paare in der Bundes-
                 für die Ausgabe 2-2011
                                                 polizei“ entschieden haben, waren
                         25. Februar 2010
                                                 wir nicht sicher, ob wir Paare finden
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
Titelthema

                    Küssen verboten? –
                    Wenn‘s am Arbeitsplatz funkt
  Sie          sind der Heiratsmarkt
               für Singles: Kontakt-
börsen im Internet. Ihre vollmundigen
                                         despolizisten nicht vor Amors Pfeilen
                                         sicher, wenn sie aus den eigenen Rei-
                                         hen abgeschossen werden. Der Satz:
                                                                                   Nachdem es auf dem Diensttrip nach
                                                                                   Fernost aber nachhaltig knisterte,
                                                                                   läuteten 2001 die Hochzeitsglocken.
Versprechungen gleichen sich: per        „Gelegenheit macht Liebe“ gilt eben       Leon (9) und Paula (8) machten das
Mausklick zum Traumpartner - und         auch für die Romanze in Uniform.          Familienglück komplett. „Vor vier Jah-
das ganz unkompliziert. Doch ab-         Und die kann sogar an exotischen          ren haben wir ein Haus gebaut, einen
seits des Onlinedschungels hält sich     oder vielmehr eher unromantischen         Baum gepflanzt und uns einen Hund
eine eher schnöde Kontaktbörse           Orten entflammen. Bei Maike und           zugelegt“, lacht Jan. Dienstlich sehen
seit Jahrzehnten an der Spitze: der      Jan Jaskolla (beide 35) funkte es         sich die beiden nicht mehr so oft.
Arbeitsplatz. Obwohl viele bei dem       ausgerechnet während einer Sammel-        Maike versieht seit 2005 ihren Dienst
Wort nicht unbedingt an Romantik und     rückführung nach Hanoi im November        im Bundespolizeirevier am Mainzer
Liebe denken, hatte laut einer Studie    1999. Zwar kannten sich die beiden        Hauptbahnhof, während Jan nach wie
des Hamburger Meinungsforschungs-        bereits vom Sehen aus der Bundes-         vor bei der Bundespolizeidirektion auf
instituts GEWIS jeder fünfte Berufstä-   polizeiinspektion Flughafen Frankfurt/    dem Frankfurter Flughafen beschäftigt
tige in Deutschland schon einmal eine    Main II, sie waren aber in unterschied-   ist. Um für ihre beiden Kinder so oft
Beziehung am Arbeitsplatz. Jeder         lichen Dienstgruppen. „Wir haben uns      es geht da zu sein, arbeitet Maike in
Vierte davon hat sogar einen Kollegen    höchstens kurz zum Schichtwechsel         Teilzeit. Eine Bilderbuchgeschichte.
geheiratet. Natürlich sind auch Bun-     gesehen, das war’s dann“, sagt Jan.       Oft kann aber gerade der Beginn
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
| 1-2011

                                                                   Susann Kluge und Andreas Müller hatten am Anfang Angst, dass geredet und
                                                                   getratscht wird.

                                                                                             gen aber auch eingeweiht werden.
                                                                                                             Geheimniskrämerei
                                                                                                             schadet langfristig nur.
                                                                                                             Auch der Vorgesetz-
                                                                                                                                              5
                                                                                                            te sollte irgendwann
                                                                                                          involviert werden.“ Die
                                                                                                         Bedenken von Susann und
                                                                                                        Andreas waren allerdings
                                                                                                      unbegründet. Fair und loyal
                                                                                                    gingen die Kollegen mit dem
                                                                                                  Outing des Pärchens um. Böse
                                                                                               Anspielungen? - Fehlanzeige. „Es
                                                                                             gab hin und wieder einen lockeren
                                                                                             Spruch. Das war aber alles humorvoll
                                                                                             und freundschaftlich,“ erklärt Andreas
                                                                                             Müller. Das Paar sieht es als Vorteil,
                                                                                             in derselben „Branche“ zu arbeiten
                                                                                             und sich nicht nur privat zu sehen.
                                                                                             „Das muss eine Beziehung aushalten
                                                                                             können. Der Vorteil ist, dass wir nicht
                                                                                             viel erklären müssen und sich vieles
                                                                                             von selber versteht. Wichtig ist, dass
                                                                                             sich jeder einfach auch Freiräume
                                                                                             schafft, und das klappt gut bei uns “,
                                                                                             findet Susann. Während ihr Partner
                                                                                             sich dem Laufen, dem Rennrad sowie
einer Liebesbeziehung zwischen
                                         Bei Maike und Jan Jaskolla funkte es während einer Sammelrückführung nach Hanoi.
Kollegen holprig sein. Gerade, wenn
beide eng zusammenarbeiten. Das
Hauptproblem: Wie sage ich es dem
Rest des Teams, wenn es richtig
geknistert hat? Susann Kluge und
Andreas Müller hielten sich zunächst
bedeckt, als sie sich vor etwa sieben
Jahren im Bundespolizeirevier Gießen
kennen und lieben lernten. Die beiden
Diensthundeführer hatten zunächst
Bedenken: „Wir hatten Angst, dass
geredet und getratscht wird und dass
die Kolleginnen und Kollegen unsere
Beziehung verurteilen würden.“ Die
richtige Entscheidung - findet Kom-
munikationsexpertin Meike Müller
aus Berlin, die sich in ihrem Buch
„Rendezvous am Arbeitsplatz“ mit Pär-
chenbildung im Job auseinandersetzt:
„Grundsätzlich sollte man zunächst
abwarten, denn manche Liebelei ent-
puppt sich als Strohfeuer. Wenn man
sich sicher ist und auch das Bedürfnis
hat, dann sollten vertraute Kolle-
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
| 1-2011

                                                                                                          Schwulen, weil oft der Mut nicht da
                                                                                                          ist, zu sich und dem Partner zu stehen
                                                                                                          und damit Normalität zu leben.“

                                                                                                             Erik und Christian arbeiteten teil-
                                                                                                          weise zusammen. Besonders gefallen
6
                                                                                                          hat das Christian nicht. „Ich habe
                                                                                                          mich immer irgendwie beobachtet ge-
                                                                                                          fühlt. Das hat aber nichts mit schwul
                                                                                                          oder nicht-schwul zu tun. Ich denke,
                                                                                                          dass das für alle Paare gilt.“

                                                                                                             Kommunikationstrainerin Meike
                                                                                                          Müller bestätigt das: „Egal ob frisch
                                                                                                          verbandelt oder längst gelangweilt,
                                                                                                          immer sehen die Kollegen zu, wie
                                                                                                          sich die Beziehung entwickelt. Und
                                                                                                          gerade in schwierigen Phasen sind
                                                                                                          die Kollegen, die meist auch zum
                                                                                                          Freundeskreis gehören, hautnah da-
                                                                                                          bei. Das muss nicht immer gut sein.“

                                                                                                             Erik Werle ist inzwischen wieder
                                                                                                          Zugführer bei der MKÜ in Konstanz,
                                                                                                          sein Freund arbeitet weiterhin als
                                                                                                          Kontroll- und Streifenbeamter bei
                                                                                                          der Inspektion Stuttgart.170 Kilome-
                                                                                                          ter trennen die beiden. Wegen der
                                                                                                          Dienstpläne sehen sie sich etwa zwei
                             Christian Blohm und Erik Werle wollen frei sein und sich nicht verstecken.   bis drei Tage in der Woche. Trotzdem
                                                                                                          sind sie unlängst am Bodensee in
    der Wald- und Gartenarbeit widmet,            irgendwann gesagt, dass die Kollegen                    eine gemeinsame Wohnung gezogen.
    genießt die 32-jährige Polizeiober-           wissen müssen, dass wir zusammen                        Über eine eingetragene Lebenspart-
    meisterin ihre Zeit mit den Hunden,           sind. Wir wollten frei sein und uns                     nerschaft haben beide noch nicht
    die Natur sowie die Zeit mit Freunden.        nicht verstecken müssen.“ Erik war                      nachgedacht.
    Tochter Ronja macht das Glück der             immer offen mit seiner Homosexualität
    Familie perfekt. Nach einem Jahr              umgegangen und hatte damit schon                           Amouröse Verbindungen zwischen
    Babypause kehrte Susann in den                bei der Bundeswehr keine schlech-                       Kollegen bieten immer auch Stoff für
    Dienst zurück und ist in Teilzeit im          ten Erfahrungen gemacht. Christian                      jede Menge Fettnäpfchen, weiß Kom-
    Ermittlungsdienst des Bundespolizei-          sah das erstmal anders: „Ich hatte                      munikationstrainerin Meike Müller. Ein
    reviers Gießen tätig. Damit bekommt           während meiner Ausbildung immer ir-                     absolutes „No Go“: Zärtlichkeiten vor
    sie Familie und Beruf unter einen Hut.        gendwie das Gefühl: Schwulsein und                      anderen Kollegen. Pärchen, die sich
                                                  Polizei – das passt nicht zusammen“,                    wie verliebte Teenager verhalten und
       Anfängliche Sorgen wegen des               fasst er seine Sorgen zusammen.                         vor versammelter Mannschaft rumbus-
    „Outings“ machte sich auch Christi-           Doch diese erwiesen sich als völlig                     seln oder ständig in der „Wir-Form“
    an Blohm. Während der Ausbildung              unbegründet. Hundertschaftsführung,                     reden, werden schnell nicht mehr
    zum Bundespolizisten hatte er seinen          Dienstgruppenleiter und Kollegen                        ernst genommen. Außerdem besteht
    Partner Erik Werle vor knapp zwei             akzeptieren das Paar ohne Wenn und                      die Gefahr, dass sie sich durch derlei
    Jahren via Internet kennen gelernt.           Aber. „Wir erleben absolute Normali-                    Verhalten von den Kollegen distanzie-
    Erik arbeitete bei der MKÜ Stuttgart,         tät“, findet der 32 jährige Erik Werle.                 ren und aus den informellen Netzwer-
    Christian wurde nach dem Ende                 Und sein Freund ergänzt: „Die Prob-                     ken, von denen der Job auch lebt,
    seiner Ausbildung in der Schwaben-            leme gehen meistens auch nicht von                      ausklinken. „Job-Pärchen sollten nicht
    metropole eingestellt. „Wir haben uns         den Kollegen aus sondern von uns                        wie an der Hüfte zusammengewach-
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
| 1-2011

sen durchs Leben wanken, sondern          rund um den Sachverhalt sexuelle Be-      und Zeugnisverweigerungsrecht sind
ganz normal als Kollegin und Kollege      lästigung – besonders, wenn es um         heikel. „Aus personalwirtschaftlicher
auftreten“, rät Müller.                   Abhängigkeitsverhältnisse zwischen        Sicht versuchen wir deshalb private
                                          Chefs und Untergebenen geht.              Beziehungen und berufliche Abhän-
    „Wo die Liebe hinfällt“ – heißt es                                              gigkeitsverhältnisse auszuschließen
bekanntlich. Doch so einfach ist es          In Deutschland gehen Personalver-      und achten darauf, dass es dabei
                                                                                                                            7
nicht immer. Als besonders heikel         antwortliche mit der Liebe am Arbeits-    überhaupt nicht erst zum Konflikt
erweisen sich Liebesbeziehungen           platz grundsätzlich lockerer um. Wenn     kommt. Das ist etwa durch eine
zwischen Kollegen unterschiedli-          es aber um Partnerschaften zwischen       interne Umsetzung in einen anderen
cher Hierarchieebenen. Die Liste          Vorgesetzten und Untergebenen geht,       Aufgabenbereich in gegenseitigem
der prominenten Vorbilder ist lang.       gelten auch hier bestimmte Regeln.        Einverständnis mit den Betroffenen
So ehelichte „Fußballkaiser“ Franz Be-    Bei der Bundespolizei gibt es zwar        möglich“, erklärt Andreas Dally vom
ckenbauer gleich zwei seiner Sekretä-     keine Vorschrift, die derlei Beziehung    Personalreferat im Bundespolizeiprä-
rinnen und auch Ex-Daimler-Manager        per se verbietet, allerdings ergeben      sidium.
Jürgen Schrempp verliebte sich in         sich gewisse Beschränkungen aus
seine Büroleiterin. In den USA etwa       den Bestimmungen des Beamtenge-              Dass das Thema „Liebe am Arbeits-
werden solche Verbindungen nicht          setzes und anderer Vorschriften. Da-      platz“ auch zu einem echten Mobbing-
gerne gesehen. Im Land der Rekord-        runter fällt etwa das Neutralitätsgebot   Martyrium werden kann, musste Fran-
Schadenersatzklagen fürchtet man          oder die Verschwiegenheitspflicht.        ziska M. erleben. Es war die Zeit, in
teure prozessuale Verstrickungen          Aber auch die Themen Beurteilung          der Frauen beim damaligen BGS noch

  „Diskretion bitte!“
  Tipps für den richtigen Umgang mit der Liebe im Job
  Von Kommunikationsexpertin Meike Müller

  Wann sag’ ich es den Kollegen?
  Sagen Sie den Kollegen nichts, solange es noch keine feste Beziehung
  ist. Manche Liebeleien entpuppen sich als Strohfeuer. So vermeiden Sie
  unnötigen Klatsch und Tratsch. Wenn Sie merken, dass die Sache ernst
  ist, sollten Sie Kollegen und auch Vorgesetzte einweihen.

  Keine intimen Details!
  Halten Sie sich bei Gesprächen mit Kollegen zurück, auch wenn Sie mit
  Ihrem Partner offiziell zusammen sind. Es geht niemanden etwas an, ob
  Ihr Liebster karierte Boxershorts trägt oder ihre Liebste eine Vorliebe für
  Intimpiercings hat.

  Machen Sie sich nicht lächerlich!
  Turteln Sie nicht zu viel herum. Sie machen sich schnell lächerlich. Zeigen
  Sie als Paar im Job, dass Sie Privates und Berufliches voneinander trennen
  können.

  Schließen Sie ihre Kollegen nicht aus!
  Präsentieren Sie sich nicht ständig als Paar und verfallen Sie nicht in die „Wir-Form“. Pflegen Sie weiterhin selbst-
  ständig die informellen Netzwerke und suchen sie nach wie vor das Gespräch und den Austausch mit anderen
  Kollegen, um niemanden auszuschließen.

  Was tun, wenn es aus ist?
  Suchen Sie räumlichen und zeitlichen Abstand! Ein Urlaub kann schon helfen. Nur wenn es gar nicht anders geht
  und zu viel räumliche Nähe besteht, sollten Sie auch über eine Versetzung an einen anderen Dienstort nachdenken.
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
| 1-2011

    keine Selbstverständlichkeit waren.            treute, habe quasi ein Vorgesetzten-          Wichtig ist, dass die Betroffenen
    „Gerüchte und falsche Anschuldigun-            verhältnis bestanden. Ganz so negativ         Abstand nehmen können, etwa durch
    gen haben mir damals echt zugesetzt.           endete die Geschichte dann aber               Urlaub. Wenn das alles nicht fruchtet,
    Das ging sogar bis zum Disziplinarver-         doch nicht für Franziska und Thors-           dann müssen sich die Ex-Partner
    fahren“, berichtet die Bundespolizis-          ten. Im Gegenteil: Sie führte zu einem        überlegen, ob sie sich etwa an einen
    tin. Von einem verschmähten Verehrer           echten Happy -End. Das Erlebte                anderen Dienstort versetzen lassen“,
8
    und neidischen Kollegen wurde ihr              schweißte die beiden bis dato plato-          rät Paare-Expertin Meike Müller. Doch
    eine Affäre mit dem Führer einer               nischen Freunde so zusammen, dass             davon sollten sich frisch verliebte
    anderen Gruppe angedichtet, der die            nach Thorstens Versetzung und vielen          Kollegenpärchen nicht abschrecken
    damalige BGS-Schülerin in Selbst-              Telefongesprächen aus der angedich-           lassen. Denn Beziehungen, die am
    verteidigung ausbildete. „Er war ja            teten Beziehung eine echte wurde.             Arbeitsplatz entstehen, gelten in der
    nicht mal mein direkter Vorgesetzter.          Franziska und Thorsten sind heute             Regel als besonders stabil und halten
    Wir waren uns nur sympathisch und              verheiratet und haben drei Kinder. Sie        oft ein Leben lang. Durch den tägli-
    haben auch manchmal in der Freizeit            arbeiten im selben Revier – allerdings        chen Umgang und die Arbeitssituation
    etwas unternommen, unser Verhältnis            in verschiedenen Dienstgruppen.               lernen die Verliebten sich und die
    war aber rein platonisch“, erinnert                                                          Marotten des anderen besonders in-
    sich die heute 36-Jährige. Die Kon-               Parteibildung, Gerüchte und Mob-           tensiv kennen und lieben. Die Gefühle
    sequenz: Gruppenführer Thorsten                bing drohen aber auch dann, wenn              zueinander können so langsam und
    bekam ein Disziplinarverfahren und             eine Beziehung zwischen Kollegen              beständig wachsen.
    wurde versetzt. Offizielle Begründung:         zerbricht. „Das Problem dabei ist,
    Er sei zwar nominell kein Vorgesetzter         dass alle Kollegen meinen, mitre-
    gewesen, dadurch, dass er aber die             den zu können und sich der eine                                         Kristian Veil
    Ausbildung von Franziska zum Teil be-          oder andere auch das Maul zerreißt.

                         Näher als die Polizei erlaubt
                         Drei Pärchen erzählen, wie es bei ihnen „boom“ machte

                                                                             „Große Gefühle im Terminal C“

                                                                                Geknistert hat es auf dem Gang der Wache im Termi-
                                                                             nal C des Münchner Flughafens. Bernd kam gerade aus
                                                                             der Botschaft in Prag zurück und in die Dienstgruppe von
                                                                             Rosi. Dann ging es weiter über das erste Glas Rotwein bis
                                                                             zum gemeinsamen Kochen sowie Joggen im Englischen
                                                                             Garten. Wegen der weit auseinander liegenden Wohn-
                                                                             orte verbrachten beide privat nicht viel Zeit miteinander.
                                                                             Außerdem war Rosi als Triathletin an den Wochenenden
                                                                             viel unterwegs. Bernd unterstützte beim Sprinttraining
                                                                             im Englischen Garten. 2005 begann Rosi ihre 3-jähri-
                                                                             ge Aufstiegsausbildung in den gehobenen Dienst. Das
                                                                             bedeutete: Wochenendbeziehung. Nach Rosis Aufstieg
                                                                             machte das Paar Nägel mit Köpfen und zog zusammen.
                                                                             Dank zweier Tauschpartner bekamen beide eine Stelle in
                                                                             der Inspektion Rosenheim. Für die beiden wertvoller als
                                                                             ein Lottogewinn. Im September 2010 läuteten die Hoch-
                  Rosi und Bernd Balke – Bundespolizeiinspektion Rosenheim   zeitsglocken. Als Vorteil einer „Bundespolizeiliebe“ sehen
                                                                             sie vor allem gegenseitiges Verständnis für den Job und
                                                                             Planungssicherheit für die gemeinsame Freizeit.
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
| 1-2011

                                                                                „Familie ist alles!“

                                                                                   Gefunkt hat es schon 1995. Ganz klassisch in der
                                                                                Disco. Seitdem sind die beiden unzertrennlich. Ihre Liebe
                                                                                zueinander ist von ihren Kollegen immer akzeptiert wor-
                                                                                den. 1996 kamen sie auf eigenen Wunsch in die gleiche
                                                                                                                                               9
                                                                                Dienstgruppe. Rund um die Uhr waren die beiden zusam-
                                                                                men. In der ersten Zeit war das kein Problem. Mitte des
                                                                                Jahres 1997 heiratete das Paar. Die ganze Dienstgruppe
                                                                                stand an der Kirche Spalier. Frank und Martina stellten
                                                                                irgendwann fest, dass sich auch im Privaten alles um den
                                                                                Dienst drehte. Dieses „Problem“ erledigte sich anschlie-
                                                                                ßend von selbst als Sohn Maximilian Ende 1997 geboren
                                                                                und Martina Erziehungsurlaub nahm. 2004 folgte Tochter
                                                                                Leonie. Martina und Frank arbeiten heute im Bundespoli-
                                                                                zeirevier Hof in versetzten Dienstgruppen. Zu Hause wird
                                                                                über dienstliche Angelegenheiten nur selten gesprochen.
                                                                                Der Schichtdienst ist mit dem Inspektionsleiter so geplant,
                                                                                dass immer einer der beiden bei den beiden Kindern ist.
                                                                                Ein längerer Lehrgang ist für das Paar aus diesem Grund
                                                                                problematisch, weil der anderen in der Zeit Urlaub oder
                                                                                Dienstfrei nehmen müsste. Frank verzichtet deshalb auch
                         Frank und Martina Batschko – Bundespolizeirevier Hof   auf einen Aufstieg in den gehobenen Dienst. „Aufstieg ist
                                                                                nicht alles“, findet er.

Anna Theuring und Oliver Krainer – Bundespolizeiinspektion Frankfurt IV

„Zukunftspläne!“                                                                hung. Über den Dienst reden sie in ihrer Freizeit nur, wenn
                                                                                es gar nicht anders geht. „Aber es ist von Vorteil, wenn der
   Große Gefühle füreinander entdeckten Anna und Oliver                         Partner um die Probleme weiß, die sich im Dienst ergeben
während der Nachtschicht über die Weihnachtsfeiertage                           können, und mitreden kann“, sagt Anna. Über eine ge-
2007 auf dem Frankfurter Flughafen „Das war quasi unser                         meinsame Zukunft haben sie sich auch schon Gedanken
erstes gemeinsames Weihnachtsfest“, sagt die 26jährige                          gemacht. „Der Dienst am Frankfurter Flughafen ist zwar
Polizeikommissarin und schmunzelt. „Von da an waren wir                         interessant und vielseitig, aber mich zieht es doch zurück
dann ein Paar.“ Oliver entscheidet sich für den Aufstieg in                     in meine Heimat nach Sachsen-Anhalt“, erzählt Anna. „Der
den gehobenen Dienst. Das bedeutet: Wochenendbezie-                             Flughafen oder der Bahnhof in Halle oder Leipzig wären
                                                                                echt ein Traum.“
Küssen verboten? Wenn's am Arbeitsplatz funkt
In- & Ausland

                      Die ersten 100 Tage
                      bei der Bundespolizei
                      Endlich loslegen! – Nach dem langen Bewerbungsmarathon haben viele
                      Berufsanfänger nur einen Wunsch: endlich anzufangen. Für Anne Kathrin
                      Maletz und Eugen Willer, beide Polizeimeisteranwärter im Aus- und Fortbil-
                      dungszentrum Eschwege, ist dieser Wunsch am 1. September 2010 in Er-
                      füllung gegangen. Jetzt haben sie die ersten 100 Tage hinter sich gebracht,
                      sich sozusagen „warmgelaufen“.

  In      der Politik ist es üblich, nach
          den ersten 100 Tagen ein
erstes Resümee zu ziehen. Und auch
                                            sein könnte. Hoffentlich würden wir
                                            uns verstehen und uns nicht schon
                                            nach den ersten Tagen die Köpfe
                                                                                    Ausbildung bei der Bundespolizei
                                                                                    sein „altes“ Leben in seiner Heimat
                                                                                    Nordrhein-Westfalen hinter sich gelas-
Anne Kathrin und Eugen haben sich           einschlagen.“ Mittlerweile ist Anne     sen und ist zusammen mit seiner Frau
bereit erklärt, für die kompakt über ihre   Kathrin der Meinung, dass sie großes    und seinem Sohn nach Eschwege
Erfahrungen während der ersten 100          Glück mit ihrer Zimmernachbarin hat-    gezogen.
Tage ihrer Ausbildung zu berichten.         te. „Im Großen und Ganzen verstehen
                                            wir uns gut, auch wenn wir uns ab und      „Es ist schon eine ganz schön
   „Ich habe mich sehr auf meinen           zu mal anzicken.“                       große Umstellung für mich“, erzählt
Ausbildungsbeginn gefreut“, erzählt                                                 Eugen. „Der Tagesablauf ist durch
die 21-jährige Anne Kathrin, die               „Dass sich die anfänglichen Be-      den Stundenplan straff durchorga-
ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen        fürchtungen schnell verflüchtigten,     nisiert. Viele Stunden verbringen
kommt. „Ich hatte aber auch ziemlich        dazu trug unter anderem auch die        wir mit theoretischem Unterricht wie
große Angst. Ich wusste, dass wir auf       freundliche Begrüßung durch die         Rechts- und Einsatzlehre. Da müssen
keinen Fall ein Einzelzimmer bekom-         Lehrkräfte und Martin Kröger, den       wir besonders aufmerksam sein, da
men würden, also malte ich mir schon        Leiter des Bundespolizeiaus- und        das grundlegende Wissen wichtig für
die schlimmsten Horrorgeschichten           Fortbildungszentrums, bei“, sagt der    unsere zukünftige Tätigkeit als Polizei-
aus, wie meine Zimmernachbarin wohl         25 Jahre alte Eugen. Er hat für die     beamter ist. Man ist dann froh, wenn
| 1-2011

durch den Sport und die praktischen                Toilettengang ist wie ein „Sechser“ im                 Befragt nach besonders markanten
Ausbildungsabschnitte ein bisschen                 Lotto. Daran muss man sich erst mal                 Erlebnissen während der ersten 100
                 Bewegung in die                   gewöhnen.“                                          Tage bei der Bundespolizei geben
                 Sache kommt.“                                                                         beide die Schießausbildung und die
                                                      Zu den besonderen Highlights                     Vereidigung an.
                     „Gerade bei den               des Ausbildungsbeginns gehört für
                                                                                                                                                          11
                sportlichen Aktivitäten,           viele Anwärter auch der Empfang der                    „Mit dem Thema Schießen habe
              wie zum Beispiel beim                ersten Uniform.                                     ich oft meine Probleme“, berichtet
            Einsatztraining, muss man                                                                  Anne Kathrin. „Wenn mich meine
          sich vor allem als Frau häufig              „Es war das totale Chaos“, be-                   Eltern am Wochenende darauf an-
        beweisen“, sagt Anne Kathrin.              richtet Eugen. „Unzählige Kartons                   sprechen, bekomme ich schon eine
       „Aber gejammert hat bisher                  mussten ausgepackt und die Kleidung                 leichte Krise. Wenn ich meine Waffe
     noch nie eine von uns Frauen,                 auf Vollständigkeit und Passform über-              in der Hand halte, muss ich oft daran
   diese Blöße wollen wir uns vor den              prüft werden.“                                      denken, dass ich vielleicht mal andere
 Jungs einfach nicht geben. Manch-                                                                     Menschen verletzen oder sogar töten
mal trainieren meine Zimmerkollegin                    „Ich war megastolz darauf, das ers-             könnte. Obwohl der Respekt vor der
und ich sogar heimlich in unserem                  te Mal die Uniform zu tragen“, erzählt               Waffe überwiegt, macht mir das
Zimmer. Aber ich muss sagen, dass                  Anne Kathrin. „Das Gefühl kann ich                  Schießen aber Spaß“, so Anne Kath-
unsere männlichen Kollegen noch                    gar nicht mehr richtig beschreiben.                 rin.
nie einen dummen Spruch gemacht                    Es war mir in diesem Moment völlig
haben – von wegen: „Frauen haben                   egal, dass die Frauenhosen unvor-                      „Ich hatte zwar auch ein bisschen
bei der Polizei nichts zu suchen!.“                teilhaft geschnitten sind, das fällt mir            Angst, aber im Großen und Ganzen
                                                   erst jetzt so richtig auf. Ein Vorteil der          war es großartig, in der Schießaus-
   Der Berufsstart fordert von vielen              Dienstbekleidung ist die Zeitersparnis              bildung die Maschinenpistole MP5 in
Berufsanfängern enorme Veränderun-                 bei der morgendlichen Auswahl der                   den Händen zu halten“, erzählt Eu-
gen. Nicht nur die Umstellung auf ge-              Kleider.“                                           gen. „Aber als besonderes Highlight
regelte Zeitabläu-
fe, auch mit dem     Kennenlernen der Ausbildungsbereiche für Angehörige am 8. Oktober 2010, dem Tag der Vereidigung. Eugen Willer zeigt seiner Familie
                     Führungs- und Einsatzmittel in der Waffenkammer.
Unternehmen
beziehungsweise
mit der Behörde,
den Strukturen
und den Um-
gangsformen
muss man sich
vertraut machen.

   „Ab und zu
habe ich ehrlich
gesagt auch
Heimweh und
vermisse mei-
ne Familie und
Freunde“, sagt
Anne Kathrin.
„Selbst in Ruhe
telefonieren ist
unmöglich. In
der Unterkunft
hat man einfach
keine Privat-
sphäre. Auch
der ungestörte
| 1-2011

     ist mir unsere Vereidigungsfeier im
     Oktober 2010 in Erinnerung geblie-
     ben. Unsere Angehörigen hatten die
     Möglichkeit, unsere Unterkünfte und
     die verschiedenen Ausbildungsberei-
     che zu besichtigen. Außerdem waren
12
     verschiedene Führungs- und Einsatz-
     mittel der Bundespolizei ausgestellt.
     Die Bundespolizei live und zum
     Anfassen!“

         Bei der Vereidigungszeremonie
     wurde den Anwärtern höchste Diszip-
     lin abgefordert: in einer geschlosse-
     nen Formation marschieren und über
     eine Stunde auf der Stelle stehen,
     ohne sich zu bewegen. Das war nicht
     ganz einfach. Bei den Proben hatte                Ein „notwendiges Übel“ – aber auch die Pflege der Waffen gehört zum Dienstalltag.
     der Kreislauf einiger weniger Kollegen
     versagt. „Aber Gott sei Dank ist bei              die unterschiedlichen Fächerkombina-                   es gibt, und sie mussten nicht beson-
     der offiziellen Zeremonie dann alles              tionen machen unsere Arbeitswoche                      ders viel lernen. Ich konnte mich für
     gut gegangen. Es war für uns eine                 spannend und abwechslungsreich.“                       dieses Fach nicht ganz so begeistern
     feierliche und unvergessliche Veran-                                                                     und musste mich ganz schön zwin-
     staltung“, berichtet Eugen.                           „Na ja, mit den Unterrichtsfächern                 gen, dafür zu lernen. Aber zusammen-
                                                       ist das so eine Sache“, sagt Anne Ka-                  fassend kann auch ich sagen, dass
     Das Resümee fällt                                 thrin. „Ich habe in manchen Fächern                    die letzten 100 Tage sehr schön wa-
                                                       schon gemerkt, dass mir für einige                     ren. Wir sind alle zusammengewach-
     positiv aus                                       Sachen ein gewisses Verständnis                        sen, und es haben sich auch schon
                                                       fehlt. Zum Beispiel haben wir eine                     enge Freundschaften entwickelt. Mir
       „Wir haben in der kurzen Zeit                   Arbeit zum Thema „Funken“ geschrie-                    persönlich ist es sehr wichtig, dass
     schon sehr viel erlebt“, erzählt Eugen.           ben. Für die Jungs war die Technik                     mich meine Familie bei meinem weite-
     Der Unterricht gefällt uns sehr gut und           des Funkgerätes das Einfachste, was                    ren Weg in der Bundespolizei unter-
                                                                                                              stützt. Im Freundeskreis ist es leider
             Das Versorgungslager Hundstadt lieferte uns unzählige Kartons mit der ersten Dienstbekleidung.
                                                                                                              nicht immer so. Ein guter Freund hat
                                                                    Wohin bloß mit den „tausend“ Sachen?
                                                                                                              mich zum Beispiel schon mehrfach
                                                                                                              auf Videos bei YouTube hingewiesen,
                                                                                                              wo Situationen zwischen der Polizei
                                                                                                              und Demonstranten eskaliert sind und
                                                                                                              die Polizisten für ihn immer die Bösen
                                                                                                              waren. Meistens enden solche Situ-
                                                                                                              ationen mit endlosen Diskussionen,
                                                                                                              die zu keinem Ergebnis führen. Nicht
                                                                                                              alle akzeptieren meinen neuen Job,
                                                                                                              aber ich glaube, das gehört einfach
                                                                                                              dazu, und man lernt auch langsam,
                                                                                                              damit umzugehen. Trotz allem bin ich
                                                                                                              mir immer noch sicher, dass dies die
                                                                                                              richtige Ausbildung für mich ist.“

                                                                                                                                 Petra Schumacher
                                                                                                                                       Stefanie Kuhn
                                                                                                                     Foto (Rubrikbild): Brian J. Matis
| 1-2011

                 Wo stehen wir, Herr Minister?
                 Vier Fragen zu den Werthebach-Empfehlungen an Dr. Thomas de Maizière

                                                                                                                           13
                                                              de Maizière: Ganz im Gegenteil. Die Neuorganisation
                                                            der Bundespolizei und die Einrichtung der Oberbehörde
                                                            waren und sind die richtige Antwort auf eine veränderte
                                                            Gefährdungslage. Diese vorgenommenen Organisations-
                                                            änderungen sind eine gute Basis für die heutigen Überle-
                                                            gungen.

                                                               kompakt: Herr Minister, seit 60 Jahren können sich
                                                            unsere Mitbürger auf die Bundespolizei und ihre Kom-
                                                            petenzen verlassen. In einer solchen Zeitspanne wächst
                                                            natürlich eine Organisationsidentität und -kultur. Droht den
                                                            Mitarbeitern der Bundespolizei möglicherweise wegen der
                                                            nun bevorstehenden Neuordnung der Sicherheitsarchitek-
                                                            tur ein Identitätsverlust?

                                                               de Maizière: Die Bundespolizei ist ein verlässlicher
                                                            Partner in der deutschen Sicherheitsarchitektur mit wich-
                                                            tigen Aufgaben. Sie ist gewachsen und hat ihr Bild stetig
  kompakt: Herr Minister, im vergangenen Jahr haben Sie     verändert und den politischen Gegebenheiten angepasst.
vor den Führungskräften der Bundespolizei gesagt, dass      Denken Sie an den Einschnitt durch die Wiedervereini-
es bei der Überprüfung der Sicherheitsarchitekur des        gung, die Übernahme neuer Aufgaben – Bahnpolizei –
Bundes nicht darum geht, dass eine Behörde die andere       und die damit verbundene flächendeckende Aufstellung,
schluckt. Sie sagten auch, dass die Bundespolizei keine     jetzt an den Schengenbeitritt der letzten deutschen Anrai-
Angst vor dieser Überprüfung haben müsse, es sei denn,      nerstaaten und damit den Wegfall der letzten Landgrenze
sie habe Angst vor zusätzlichen verantwortungsvollen        rund um Deutschland – das sind nur Beispiele, aber alle-
Aufgaben. Wie sehen Sie Ihre Äußerungen heute vor dem       samt tiefe Einschnitte. Der dadurch ausgelöste Verände-
Hintergrund der Empfehlungen der Werthebach-Kommis-         rungsprozess ist Teil der Entwicklung vom Bundesgrenz-
sion?                                                       schutz zu einer modernen Polizeibehörde, und das ist ein
                                                            fester Bestandteil der heutigen Organisationsidentität und
   de Maizière: Ich stehe zu meinen Äußerungen auf der      -kultur. Das ist eine Stärke der Bundespolizei.
Führungskräftetagung. Wenn wir heute über Aufgaben-
verteilung zwischen und Neuzuschnitte von Behörden             kompakt: Herr Minister, worauf müssen sich die Angehö-
nachdenken, geht es nicht darum, dass eine Behörde          rigen der Bundespolizei in diesem Jahr bzw. in der Zukunft
die andere schluckt. Es geht um eine Verbesserung der       einstellen? Wo sehen Sie die Bundespolizei 2020?
Sicherheitsarchitektur. Beide Behörden haben ihre Auf-
gaben, ihr Profil und ihre Verdienste, das kann und wird       de Maizière: Sie müssen sich darauf einstellen, dass
ihnen niemand nehmen. Daraus ergeben sich aber auch         auch in Zukunft das Leben Veränderung bringen wird.
keine Denkverbote.                                          Ich sehe 2020 die Bundespolizei als eine hochmoderne,
                                                            schlagkräftige Polizei. Das wird sie sein, wenn und weil sie
   kompakt: Die seit 2006 laufende Neuorganisation der      nicht stehen bleibt, sondern sich weiter den Veränderun-
Bundespolizei sollte unter anderem die Sicherheitsar-       gen in der Welt stellt und sich darauf ausrichtet. Es werden
chitektur an die aktuelle Gefährdungslage anpassen und      vielleicht neue Aufgaben hinzukommen, alte Aufgaben wer-
die Effizienz steigern. Diese Reform ist noch nicht abge-   den in den Hintergrund treten, und die Bundespolizei wird
schlossen. Nun steht wieder eine Neuordnung ins Haus.       an den neuen Herausforderungen weiter wachsen.
Führt man damit nicht die damals begonnene Neuorgani-
sation ad absurdum?                                                                    Weitere Infos im Intranet unter:
                                                                                       http://kompakt.polizei.bund.de
| 1-2011

14

                                                                   Zugriffsvorbereitungen am frühen Morgen. Die BFE Blumberg in Berlin-Wedding

                      Dem „Onkel“ auf der Spur
                      Wie die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung (BPOLI KrimB)
                      Bexbach ein internationales Schleuser– und Drogennetzwerk zerschlug

       Ein         Mehrfamilienhaus in
                   Berlin-Wedding kurz
     vor sechs Uhr morgens. Acht dunkle
                                              Die Hand am Pistolenholster. Jeder im
                                              Team weiß, was er zu tun hat. Sie sind
                                              Spezialisten – und schwere Jungs
                                                                                               500 Kilometer südwestlich – in
                                                                                            einer Dienststelle der Bundespolizei
                                                                                            am Stadtrand von Frankfurt am Main
     Gestalten huschen durch das muffige      ihre Klientel. Wenn es gefährlich wer-        – schaut auch Andrea C. auf die Uhr.
     Treppenhaus. Sie tragen schwarze         den kann, ruft man Jan M. und seine           Sie ist die Leiterin der eigentlich in
     Overalls, Schutzwesten und Helme.        Kollegen. Tausend Mal haben sie das           Bexbach ansässigen Bundespolizeiin-
     Die Plexiglasvisiere sind herunter-      Eindringen in eine Wohnung geübt              spektion Kriminalitätsbekämpfung. Die
     geklappt. Sie sind Angehörige der        und auch immer wieder bei echten              40 jährigen Polizeioberrätin atmet tief
     Beweissicherungs- und Festnah-           Einsätzen unter Beweis gestellt. Die          durch. Um sie herum sitzen Frauen
     meeinheit (BFE) der Bundespolizei        Anspannung bleibt trotzdem. Die acht          und Männer an Computermonitoren.
     aus Blumberg (Brandenburg). Die          Männer wissen nicht genau, was sie            Einige von ihnen telefonieren. An ei-
     alten Holzstufen ächzen unter ihren      hinter der Holztür erwartet. Sie wissen       ner Wand hängen Bilder von grimmig
     Stiefeln. Vor der Wohnungstür im         nur, dass der Mann, den sie fest-             aussehenden Männern. P1, P2 oder
     dritten Stock halten die Beamten         nehmen wollen, gefährlich ist. Noch           P 16 steht darüber. In der Mitte hängt
     inne. Einheitsführer Jan M. schaut auf   eine Minute – gleich muss alles ganz          ein größeres Porträt. Der Mann darauf
     die Uhr. Noch zwei Minuten bis zum       schnell gehen. Hinter der Wohnungs-           schaut besonders grimmig. „Onkel“
     Zugriff. Er braucht nichts zu sagen.     tür bellt ein Hund.                           steht unter dem Foto. Der Blick von
     Seine Kollegen nehmen Aufstellung.                                                     Andrea C. wandert von einem Gesicht
| 1-2011

zum anderen. Sie kennt diese Män-         nen können Sekunden zu Stunden                           Beginn der Ermittlungen gegen den
ner, weiß fast alles über sie. Wann sie   werden“, so Klaus B. Der Chef des                        „Onkel“ und dessen Bande 120.000
ins Bett gehen, wer Stress mit seiner     Ermittlungsdienstes der „KrimB“ Bex-                     Telefongespräche ausgewertet;
Frau hat, wie die Geliebte heißt. An-     bach und seine Kollegen haben seit                       mithilfe von Dolmetschern, denn die
drea C. ist eine Jägerin, die Männer
auf den Fotos sind die Gejagten. Sie
                                                                                                                                         15
wissen es nur nicht. Noch nicht.

   Noch dreißig Sekunden. Fast 800
Polizisten und Zollfahndungsbeamte
hören heute auf das Kommando der
Inspektionsleiterin, darunter auch
zahlreiche Beamte der anderen Be-
weissicherungs- und Festnahmehun-
dertschaften aus Hünfeld, Bayreuth
und Spezialkräfte der Bundespolizei.
In ganz Deutschland und in Belgi-
en werden sie mehr als 60 Häuser,
Wohnungen und Lagerhallen durch-
suchen und die grimmig aussehenden
Männer verhaften. 17 Haftbefehle
haben die Staatsanwaltschaften in
Kassel und Berlin ausgestellt. Vier
Monate lang haben Andrea C. und
ihre Kollegen Telefongespräche
mitgehört, Verdächtige observiert,
Beweise gesammelt, massenweise
Überstunden produziert und dabei          Die BFE Hünfeld vor dem Zugriff: Dieser Schlüssel passt garantiert.
ein internationales Netzwerk von
Schleusern und Drogenhändlern auf-
                                          Die BFE Blumberg: Jetzt muss alles sehr schnell gehen.
gedeckt. Der „Onkel“ ist der Kopf der
Bande. Noch schläft er. „Bei seiner
Geliebten“, weiß Andrea C. Vor deren
Wohnung gehen Spezialkräfte der
belgischen Polizei in Stellung. Und
auch vor der Familienvilla, in der die
Ehefrau des „Onkels“ nichts ahnend
schläft. Andrea C. hat kaum geschla-
fen. Eine Stunde vielleicht – auf einer
Matratze im Büro, wie alle Kollegen
der Befehlsstelle: „So ist das eben in
einer solchen Nacht“, sagt sie. „Trotz
der jahrelangen Erfahrung ist man bei
einem Einsatz dieser Dimension natür-
lich angespannt. Es darf nichts schief
gehen. Dafür haben die Kollegen viel
zu viel Arbeit investiert“, ergänzt sie
und schaut auf die Uhr. Die Zeiger
scheinen zu kriechen. Noch 15 Se-
kunden bis zum Zugriff.

   „Zeit ist in solchen Momenten
relativ, und in bestimmten Situatio-
| 1-2011

     Männer stammen aus der Türkei.               Observationseinheiten heraus, dass                    gegen die Holztür und ruft: „Aufma-
     „Das ist im Hinblick auf die Anzahl der      der „Onkel“ Gruppen von Händlern in                   chen, hier ist die Polizei!“ Auf der
     Haftbefehle und der zu durchsuchen-          Kassel und Berlin durch Kuriere mit                   anderen Seite der Tür ist nur das
     den Wohnungen eines der größten              Cannabis versorgte. Diese deutschen                   Kläffen des Hundes zu hören. Jan M.
     und ereignisreichsten Verfahren, die         Teile des Netzwerks verkaufen die                     drückt den Klingelknopf und hämmert
     wir hier seit Langem hatten“, sagt der       Drogen dann an weitere Abnehmer.                      weiter gegen die Tür. In der Wohnung
16
     43-Jährige nicht ohne Stolz. Danach                                                                sind Schritte zu hören. Ein Mann, nur
     sah es anfangs aber noch gar nicht              Das Team von Carsten H. bleibt                     mit einer blauen Unterhose beklei-
     aus. Erst ging es um eine geplante           den mutmaßlichen Schleusern und                       det, öffnet die Tür. Hinter ihm steht
     Schleusung von 50 Kurden und den             Drogenhändlern stets auf den Fersen.                  eine Frau. Beide wirken überrascht.
     Handel mit gefälschten Papieren.             Gar nicht so einfach, denn die kennen                 Dann geht alles ganz schnell. Nur ein
     Kriminalistische Puzzlearbeit, Tele-         viele Tricks, um herauszufinden, ob                   paar Sekunden später liegt der Mann
     fonüberwachung und monatelange               „Verfolger“ ihnen auf den Fersen                      bäuchlings auf dem Boden im Flur
     Observationen offenbarten dann               sind. Aber für die „Verfolger“ lief alles             seiner Wohnung. Ein Polizist kniet
     die Dimensionen des Netzwerkes,              perfekt in den letzten Monaten. Zum                   auf ihm, hält ihn fest. Der eben noch
     an dessen Fäden der „Onkel“ in der           Schein wurden gefälschte Papiere                      kläffende Hund, eine französische
     belgischen Gemeinde Essen an der             gekauft. Zusammen mit dem Zoll                        Bulldogge, hat sich in das Hosenbein
     niederländischen Grenze zieht. Nicht         wurden zahlreiche Kuriere des „On-                    eines Beamten verbissen. Vor der
     nur Schleusungen im großen Stil              kels“ abgefangen. Dabei stellten die                  Lebensgefährtin des mutmaßlichen
     plante die Bande, auch der Schmug-           Bundespolizisten 160 Kilo Marihua-                    Drogenhändlers baut sich ein ande-
     gel mit Cannabis gehörte zu ihren            na sicher. „Wir brauchten Beweise,                    rer BFE-Mann auf. „Sicher, sicher,
     Aktivitäten. Deshalb holte Andrea C.         durften aber unser Verfahren nicht                    sicher!“, tönt es aus den anderen Zim-
     das Zollfahndungsamt Frankfurt mit           preisgeben, damit die Bandenmitglie-                  mern. Die BFE hat die Lage im Griff.
     ins Boot. Eine gemeinsame Ermitt-            der nicht misstrauisch werden und
     lungsgruppe wurde gegründet – ganz           sich ins Ausland absetzen“, erklärt                      Das Handy von Andrea C. piepst.
     formell, mit Kooperationsvertrag. Die        Andrea C.. Doch davon kann jetzt                      Eine SMS. Der knappe Inhalt: „06:05
     Leitung blieb beim „KrimB“-Team in           keine Rede sein – die Chefin weiß,                    Uhr, Onkel verhaftet.“ In der Befehls-
     Bexbach.                                     wo jede einzelne Zielperson sich zu                   stelle in Frankfurt ist von der anfäng-
                                                  diesem Zeitpunkt aufhält. „Wir haben                  lichen Anspannung nichts mehr zu
        „Wir genießen bei den Partnerbe-          jede von ihnen ins Bett gebracht“,                    spüren. Aus den anderen Orten, in
     hörden einen exzellenten Ruf. Das            scherzt MFE-Chef Carsten H.                           denen festgenommen und durchsucht
     liegt an der hohen Motivation der                                                                  wird, treffen ähnliche Nachrichten ein.
     Mitarbeiter und der Qualität unserer           Punkt sechs Uhr im dritten Stock                    „Zielperson verhaftet“, „Objekt gesi-
     Arbeit: effektiv, schnell, mit kurzen        des Mehrfamilienhauses im Berliner                    chert“, „Durchsuchung läuft“. Einer
     Entscheidungswegen. Wir haben                Wedding. BFE-Führer Jan M. haut                       der größten Einsätze der „KrimB“ in
     Erfolg, weil wir hoch flexibel sind,
     denn wir müssen uns komplett am
                                                  In Berlin stellten die Beamten eine Schreckschusspistole, SIM-Karten sowie größere Mengen Marihuana sicher.
     Täterverhalten orientieren. Ein großer
     Vorteil ist dabei, die Ermittler und die
     Observierer unter einem Dach’ zu
     haben“, erklärt die Chefin.

         Genaue Erkenntnisse über das
     Täterverhalten liefern die Fahn-
     dungs- und Observationseinheiten
     der Mobilen Fahndungseinheit (MFE).
     Aus dem Verborgenen folgen sie den
     Tätern, klären deren Vorgehensweise
     auf, observieren geheime Treffen. Ihre
     Mitglieder sind „die Augen“ der Ermitt-
     ler. Carsten H. ist einer der Observa-
     tionsleiter. Im engen Zusammenspiel
     mit den Ermittlerkollegen fanden die
| 1-2011

                                                                                                     Im Berliner Wedding hat BFE-Füh-
                                                                                                  rer Jan M. unterdessen dem Beschul-
                                                                                                  digten die Vorwürfe der Staatsanwalt-
                                                                                                  schaft und den Durchsuchungsbefehl
                                                                                                  vorgelesen und ihn über seine Rechte
                                                                                                  belehrt. Im Schlafzimmer packt die
                                                                                                                                            17
                                                                                                  Lebensgefährtin Bekleidung in eine
                                                                                                  Sporttasche. Auf dem Boden dane-
                                                                                                  ben spielt ein kleiner Junge. Auch
                                                                                                  die Bulldogge hat sich beruhigt. Der
                                                                                                  Rest des BFE-Teams und Ermitt-
                       Der Führungsraum KrimB Bexbach. Hier laufen alle Informationen zusammen.   lungsbeamte haben die Wohnung des
                                                                                                  mutmaßlichen Drogenhändlers bereits
Bexbach scheint ein voller Erfolg zu          das belgische Städtchen in der Pro-                 auf den Kopf gestellt. Sie finden
sein. Jetzt heißt es erst einmal Fakten       vinz Antwerpen gereist. Zusammen                    größere Mengen Marihuana und eine
sammeln und Beweise sichern. Für              mit den belgischen Spezialkräften                   Schreckschusspistole. Gleich kommt
die Polizisten besonders spannend:            koordiniert er die Durchsuchungs-                   der Gefangenentransport. In einigen
Was für Beweise finden die Ermittler?         maßnahmen an diesem Morgen. Kurz                    Stunden wird auch dieser Einsatz
Woher kommt das Cannabis? Hat                 nachdem der „Onkel“ in der Wohnung                  beendet sein. Doch der nächste lässt
der „Onkel“ tatsächlich eine eigene           seiner Geliebten verhaftet worden ist,              bestimmt nicht lange auf sich warten
Plantage, in der er und seine Leute           durchsuchen Oliver V. und belgische                 …
die Droge anbauen? Aufklärungs-               Beamte das Wohnhaus der Familie
ergebnisse der belgischen Polizei             des „Onkels“. Hinter den Fliesen im                    In den Räumen der „KrimB“ am
deuten darauf hin. Bei einem Aufklä-          Badezimmer kommen 30.000 Euro                       Stadtrand von Frankfurt ist es ru-
rungsflug über die belgische Gemein-          zum Vorschein. Ein belgischer Geld-                 higer geworden. Jetzt kommt der
de Essen hatte die Wärmebildkamera            spürhund hat das Versteck entdeckt.                 Papierkram: Beweise katalogisieren,
ein besonders warmes Areal in einer           Jetzt ist die ominöse Lagerhalle dran.              die Akten für die Staatsanwaltschaft
Lagerhalle identifiziert. 42 Grad – die       Ein echter Volltreffer. Auf 1.000 Qua-              vorbereiten. Andrea C. ist zufrieden:
ideale Temperatur für den Anbau von           dratmetern wachsen und gedeihen                     „Ich bin echt stolz auf alle meine
Hanfpflanzen. „Die Zusammenarbeit             bei tropischen Temperaturen 1.200                   Mitarbeiter. Vier Monate haben wir zu-
mit den Belgiern läuft großartig“,            Hanfpflanzen. „Allein die Pflanzen                  sammen geackert, und keiner hat sich
findet Andrea C.                              sind 120.000 Euro wert. Mit einer                   geschont. Es macht wirklich Spaß, mit
                                              Ernte hätte die Bande vermutlich etwa               diesem Team zu arbeiten!“
  So sieht das auch Polizeihauptkom-          300.000 Euro verdienen können.
missar Oliver V. Der stellvertretende         „Ein großer Wurf“, kommentiert Oliver                                         Kristian Veil
Leiter des Ermittlungsdienstes ist in         V. den Fund.
| 1-2011

                            Der HOD – tatsächlich
                            „bezahlter Urlaub“?
18
                            Der Hausordnungs- und Objektschutzdienst an deutschen Auslandsvertretungen

       Wer           hat schon elf Monate
                     bezahlten Urlaub am
     Stück? Wenn man diese Frage in der
                                                          pektion Kassel an. Er ist verheiratet,
                                                          hat drei Kinder und befindet sich
                                                          momentan in seiner 6. Verwendung
                                                                                                               ben aber auch die Dienstpläne und
                                                                                                               sind für die Urlaubsplanung des loka-
                                                                                                               len Sicherheitspersonals zuständig“,
     Bundespolizei stellt, bekommt man                    für das Auswärtige Amt (AA) als HOD                  erklärt Mohaupt. „An den meisten
     von vielen Seiten nur eine – und dazu                für drei Monate in Warschau. Vorher                  Botschaften ist der HOD der einzige
     ironische – Antwort: die Kollegen vom                war er elf Monate in Moskau, Buda-                   Schlüsselträger, der am Morgen die
     Hausordnungs- ­und Objektschutz-                     pest, Phnom Penh und Almaty sowie                    Botschaft aufschließt und die Sicher-
     dienst (kurz: HOD) bei den deutschen                 drei Monate in Minsk. Keine typischen                heit feststellt.“
     Auslandsvertretungen.                                Urlaubsziele! „Außerdem darf die
                                                          Familie nicht mit mir im Ausland leben.                 In insgesamt 72 Ländern sind ca.
        Diese Einstellung resultiert aus                  Diese Trennung geht natürlich nur,                   207 Beamte der Bundespolizei als
     der Unwissenheit über die Arbeit der                 wenn die Familie hinter einem steht“,                HOD-Kräfte eingesetzt. Gemeinsam
     Kollegen im Ausland. Der „Objekt-                    so Mohaupt.                                          mit dem Bundespolizeipräsidium ent-
     schutzdienst“ wird nur mit dem Bild                                                                       scheidet das Bundesinnenministerium
     eines Pförtners verbunden. Dass                         Und auch die Aufgaben sind keine                  über die Anträge des AA – von der
     unsere Kollegen im Ausland aber viel                 einfachen Pförtnertätigkeiten. Der                   Anzahl der eingesetzten Kräfte bis zu
     mehr sind als das, das sieht man erst                HOD ist für die Sicherheit an der                    den Einsatzländern. Dabei wird nicht
     bei genauerer Betrachtung.                           jeweiligen Botschaft verantwortlich. Er              jedem Antrag zugestimmt. Insbeson-
                                                          hat die Fachaufsicht über die lokalen                dere in Krisensituationen muss man
       Schauen wir uns zum Beispiel Jörg                  Sicherheitskräfte und koordiniert die                entscheiden, ob entweder zusätzliche
     Mohaupt von der Bundespolizeiins-                    Sicherheitsmaßnahmen. „Wir schrei-                   HOD-Kräfte, die Kollegen vom SIK
     Bundespolizisten des Hausordnungs- und Objektschutzdienst reden mit den lokalen Sicherheitskräften an der deutschen Botschaft in Sanaa/Jemen
| 1-2011

(Schutz deutscher Auslandsvertretun-        Durchsetzung
gen in Krisengebieten) und/oder die         des Hausrechtes
GSG 9 eingesetzt werden.                    die Nase gebro-
                                            chen. Aber auch
   Die Kollegen der Bundespolizei           ein „HOD“ kommt
sind für ihren freiwilligen, maximal elf-   irgendwann nach
                                                                                                                                           19
monatigen Einsatz dem AA unterstellt.       Deutschland
Dabei sind höchstens 4 Einsätze             zurück, und da
vorgesehen. Im Anschluss kann man           ergeben sich
noch für 2 Jahre in einem „Pool“            neue Probleme.
bleiben und für kurzfristige, bis zu        Er hat die Kolle-
dreimonatige Einsätze zur Verfügung         gen sozusagen
zu stehen. Diese Einsätze können            „11 Monate im
zum Beispiel durch Krisensituationen        Stich gelassen“,
oder krankheitsbedingte Ausfälle von        denn die muss-
Kollegen entstehen. Danach ist die          ten seine Arbeit
HOD-Zeit aber endgültig vorbei.             erledigen. Aber
                                            auch die Arbeit
   Doch warum wird auf die erfahre-         im Ausland ist
nen Kollegen nicht weiterhin zurück-        eine wichtige         Jörg Mohaupt (links) an der deutschen Botschaft in Minsk
gegriffen? Klaus Müller, zuständiger        und notwendige
Sachbearbeiter im Bundespolizeiprä-         Aufgabe, für die die Bundespolizei                schwierigsten Umständen, manchmal
sidium, erklärt: „Wir greifen auf die       bereits seit 1974 Kollegen zum AA                 regelrecht eingesperrt, die Sicherheit
Erfahrungen der Kollegen insoweit           abordnet.                                         der Vertretung organisieren? Selfma-
zurück, dass wir bei der Erst- und                                                            nagement wird großgeschrieben. Und
Zweitverwendung normalerweise                  Doch diese Probleme sind nicht                 auch wenn Familienheimfahrten zwar
einfachere Einsatzgebiete auswählen         die einzigen. Der Kollege bekommt                 grundsätzlich möglich sind, so entfallen
und erst bei späteren Verwendungen          von der Botschaft einen Beurtei-                  diese kurzerhand, wenn eine Krisensi-
die Kollegen in schwierigeren Gebie-        lungsbeitrag, welcher in vielen Fällen            tuation auftritt,“ so Müller.
ten zum Einsatz kommen. Aber das            für die dienstliche Beurteilung in
Hauptargument für die begrenzte Ver-        Deutschland wenig berücksichtigt wird;                Der Präsidenten des Bundespo-
wendung ist die Gleichberechtigung:         wobei angemerkt werden muss, dass                 lizeipräsidiums, Matthias Seeger,
Das HOD-Programm ist beliebt und            die Beurteilungen des AA nicht mit                würdigte bei der Feierstunde für die
um vielen die Teilnahme zu ermög-           denen der Bundespolizei vergleichbar              Teilnehmer an internationalen Po-
lichen, müssen wir irgendwo eine            sind. „Selbstverständlich möchte der              lizeimissionen im Januar auch die
Grenze ziehen. Wir haben aber die           Kanzler der Botschaft als Leiter der              Kollegen des HOD. „Der Hausord-
Möglichkeit von maximal drei auf vier       Verwaltung die gezeigten Leistungen               nungs- und Objektschutzdienst ist
Verwendungen erweitert.“                    würdigen und sicherstellen, dass der              eine wichtige Form des internationa-
                                            Kollege auch weiter als „HOD“ verwen- len Engagements, welches ich heute
   Jörg Mohaupt blickt gern zurück          det wird. Natürlich werden aber auch              nicht außer Acht lassen möchte,“ so
auf seine Auslandseinsätze: „Ich habe       Leistungen, die nicht den Anforderun-             Seeger.
viele neue Menschen und Kulturen            gen entsprechen, benannt. Manchmal
kennengelernt und Freundschaften            erreichen uns sogar Dankschreiben                     Jörg Mohaupt: „Ich bereue die Ent-
geschlossen. Gerade in Südostasien          von Botschaftern. Unlängst telefonierte scheidung nicht, am HOD-Programm
habe ich gesehen, dass man auch mit         ich mit einem Dienstgruppenleiter vom             teilzunehmen – auch wenn der eine
wenig Geld glücklich sein kann.“            Flughafen Tegel in Berlin, um ihm ein             oder andere beurteilungsmäßig an mir
                                            Feedback über einen zurückkehren-                 vorbeigezogen ist. Meine Erfahrungen
   Die Arbeit als „HOD“ ist kein            den Beamten zu geben. Der DGL war                 und Eindrücke werden mir stets im
Urlaub. Auch unter schwierigen              bestens im Bild, telefonierte regelmä-            Gedächtnis bleiben. Wer kann schon
Umständen versehen die Kollegen             ßig mit seinem Mann im Ausland und                seinen Enkeln später einmal erzählen,
ihren Dienst. Kürzlich wurde einem          wusste um dessen Sorgen. Perfekt!                 dass er in verschiedenen Ländern der
„HOD“ während einer Veranstaltung           Wer weiß denn schon, dass unse-                   Welt gelebt und gearbeitet hat?“
auf dem Botschaftsgelände bei der           re Kollegen vor Ort teilweise unter
                                                                                                                         Alexander Geyer
| 1-2011

                                Notfall? Du hilfst – ich auch!
                                Münchner trainieren Zivilcourage und Selbstsicherheit

20
       Während                        der
                                      Be-
     trunkene mit der Bierflasche in der
                                                               Eine plausible Antwort auf diese
                                                            Fragen und viele praktische Verhal-
                                                            tenstipps geben den 14 Teilnehmern
                                                                                                                   unangenehmen, bedrohlichen oder
                                                                                                                   gar lebensgefährlichen Situationen.
                                                                                                                   Situationen, die jederzeit und über-
     Hand durch das Abteil torkelt, wenden                  des Zivilcouragetrainings die beiden                   all, etwa während einer S-Bahnfahrt,
     die Fahrgäste einer nach dem ande-                     Münchner Bundespolizisten Hans-                        vorkommen könnten.
     ren die Gesichter von ihm ab. Auch                     Werner Faust und Hartmut Brach.
     als sich der Trunkenbold lallend ne-                   Nein, Patentlösungen werden in der                        Als die Trainer zusammen mit den
     ben einer jungen Frau niederlässt und                  vierstündigen Veranstaltung an einem                   Seminarteilnehmern eine Übungsepi-
     anfängt, sie zu begrapschen, bleibt es                 verschneiten Dezembernachmittag, in                    sode nach der anderen nachspielen
     ruhig im Zug. Niemand sagt, nie-                       der die soeben beschriebene Szene                      und analysieren, wird allmählich klar:
     mand tut etwas. Selbst die belästigte                  in einem Zugwagen im Verkehrs-                         Zivilcourage heißt vor allem, eine Kon-
     Reisende ist still. Zaghaft und unbe-                  zentrum des Deutschen Museums                          frontation zu vermeiden, die begin-
     holfen sehen ihre Versuche aus, den                    realitätsnah nachgestellt wurde, nicht                 nende Gewaltspirale zu erkennen und
     aufdringlichen Händen auszuweichen.                    angeboten. Was die Beamten ver-                        rechtzeitig zu unterbrechen. Genauso
     Warum ist­­das so? Warum tun wir                       mitteln, ist aber einen Einblick in die                falsch wie das Wegsehen und Nichts-
     alle nicht mehr? Und wie kann man                      sonst eher im Verborgenen liegenden                    tun ist es, einen Helden zu mimen
     sich eigentlich in solchen Situationen                 Beweggründe und Mechanismen                            und sich dadurch unnötig in Gefahr zu
     wirksam wehren?                                        des menschlichen Verhaltens in                         begeben. Zumeist ist es auch falsch,

     Obwohl die Seminarteilnehmer wissen, dass die Situation nur gespielt wird, erschaudern sie angesichts der Messerattacke; Entsetzen und Angst spiegeln sich in ihren
     Augen. Trainer Hans-Werner Faust von der Bundespolizeidirektion München (links im Bild, mit Messer in der Hand): „Wenn der Räuber Sie mit einem Messer bedroht,
     während er Ihre 1000-Euro-Uhr verlangt, geben Sie sie ihm. Spielen Sie nicht den Helden, denn nichts ist so wertvoll, dass Sie dafür Ihr Leben riskieren sollten!“
Sie können auch lesen