MAGAZIN - Einer für alle Wie das Teilen unsere Mobilität beeinflusst - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
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VCS mAGAZIN 4 / Oktober 2018 F Ü R M O B I L I TÄT M I T Z U K U N F T Einer für alle Wie das Teilen unsere Mobilität beeinflusst Seite 16
Beste Qualität gebaut Biologisch an Be quem e He imlieferung rn produziert Von Kleinbaue elswege Direkte Hand Fa ir geha nd elt gebana ist Pionierin des Fairen Handels in der Schweiz. Hervorgegangen ist sie aus der Bewegung der «Bananenfrauen», die sich seit den 1970er Jahren für bessere Ar- beitsbedingungen auf den Bananenplan- tagen einsetzte. Daher auch der Name: «GErechter BANAnenhandel». Heute sind wir in Afrika, Südamerika und Südeuropa mit Partnerfirmen vor Ort und arbeiten mit Bauernfamilien und kleinen Verarbeitungsbetrieben zusammen. Deren hochwertige Bio-Produkte vertreiben wir direkt an Konsumenten in der Schweiz. Wir engagieren uns langfristig und inves- tieren in Arbeitsplätze und ökologische Nachhaltigkeit. Im Jahr 2013 verschickten wir zum ersten Mal frische Orangen von Bio-Bauern auf der griechischen Halbinsel Peloponnes. In- zwischen ist das Sortiment um Clementi- nen, Grapefruits, Kiwis, Granatäpfel und Clementinen erweitert worden, denn die Beachten Sie auch das Kunden lieben die erntefrische Früchte. VCS-Bonus-Angebot auf Seite 26 in diesem Heft!
EDITORIAL P O L I T IK 5 Kurz & bündig Liebe Leserin, lieber Leser 6 Erfolgreiche Kampagne zum Bundesbeschluss Velo Ich habe fast zehn 7 Mobilität im Alter: Eine Studie liefert Antworten © VCS Jahre lang zumindest 9 «Youth Alpine Interrail»: Nachhaltig durch die Alpen teilweise in Italien ge- 10 Etappensieg beim Neuwagenziel lebt, genauer gesagt 11 Der Schulweg: Bewegung, Sicherheit und Freude im Hinterland von 12 Mobilität ohne fossile Treibstoffe: Grosseto, der Provinz- Der VCS bezieht Position hauptstadt im Süden 14 Mit autonomen Shuttlebussen in die Zukunft der Toscana. In Gros- 15 Sicher durch Tunnels und über Pässe seto befindet sich die Werkstatt von Irio Tommasini, der als einer der © Fabian Lütolf Letzten die Stahlrahmen für seine Velos noch vor Ort zusammenschweisst. Anstatt eines hochmodernen Karbonflitzers habe ich mir also von Irio ein eher altertümliches, aber wunderschönes Rennrad mit Stahlrahmen bauen lassen. Die Fahrt damit zurück ins hügelige Hin- terland war ein zwiespältiges Vergnügen. Das Rad rollte zwar wunderbar, fast wie von selber. Wären D OS SIE R da nicht die Schlaglöcher, eng überholende Autos 16 Ein Plädoyer fürs Teilen und Druckluft erzeugende Lastwagen gewesen, Weil einer für alle oft reicht: die in regelmässigen Abständen für zünftige Das Teilen beeinflusst unsere Mobilität. Adrenalinstösse sorgten. Umso mehr freue ich mich nun über die Entwick- 26 MITGLIEDER ANGEBOTE lung in der Schweiz: Das wuchtige JA zum Bundes- beschluss Velo am 23. September ist ein klares 30 BERICHTE AUS DEN REGIONEN Bekenntnis zum Velo. Wir werden uns nun dafür einsetzen, dass der Bundesbeschluss umgesetzt R E I SE N wird und die Velowege verbessert, vernetzt und 42 Eine Wanderung durch die Innerschweiz sicherer werden – zum Nutzen aller Verkehrsteil- 45 Ohne Flugzeug nach Dublin nehmenden. 46 Faszination Wasser in den Alpen Bundesrätin Doris Leuthard hat einen lobens- 49 Ein Ausflug zum blühenden Munder Safran werten Schlussspurt fürs Velo hingelegt. Um die Klimavereinbarung von Paris auch wirklich ein- 54 INTERVIEW zuhalten, braucht es aber weitere klimapolitische mit Pia Kaufmann von Thurgau Travel Massnahmen. 56 WETTBEWERB Modernes, städtisches Transportmittel gesucht Anders Gautschi, Geschäftsführer VCS Schweiz 57 BITTE MITDENKEN! mit Stéphanie Penher 58 C ARTOON Titelbild: © Fabian Lütolf VCS MAGAZIN 4/18 3
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© Wikipedia/Tore Saetre POLITIK Ressourcenverbrauch nicht genug gewichtet Der Bundesrat hat in seiner Botschaft zur dritten Generation der Ag- glomerationsprogramme das Kriterium Ressourcenverbrauch zu wenig E-Frachtschiffe ahoi gewichtet. Nach Ansicht des VCS muss gerade die Nachhaltigkeit bei der Auswahl der Strassenprojekte im Zentrum stehen. Die Schweiz Ein Flussreise auf der Donau, ein Szenario zu fossilfreien Energien hat sich mit der Energiestrategie 2050 und dem Klima-Abkommen und ein Pendlerschiff auf dem Lago di Lugano: In der letzten Aus- von Paris dazu verpflichtet, den CO2- gabe des VCS-Magazins haben wir an verschiedenen Stellen die Ausstoss beziehungsweise den © Kara/Fotolia Schifffahrt thematisiert. Ein engagiertes Mitglied – herzlichen Dank Gesamtenergieverbrauch massiv an dieser Stelle! – machte uns daraufhin auf ein spannendes Pro- zu senken. jekt aufmerksam. In den Niederlanden und in Belgien befindet sich Deshalb hat der VCS kein Ver- bereits eine Flotte von grossen Binnenfrachtschiffen mit vollelektri- ständnis, dass der Bundesrat schem Antrieb im Bau. In Norwegen ist seit Juli eine Fähre für 400 gemäss seiner Mitteilung den Passagiere mit Elektroantrieb in Betrieb (im Bild). Auf den Seiten 54 Ressourcenverbrauch erstmals nur und 55 löst Redaktorin Camille Marion übrigens ihr Versprechen der als zweitrangig für die Bewertung letzten Ausgabe ein: Sie hat mit Pia Kaufmann von Thurgau Travel der Qualität von Verkehrsprojekten über den Einfluss der Flussschifffahrt auf die Umwelt gesprochen. innerhalb von Agglomerationen behandelt. VCS unterstützt Auflagen für Fernbusse Das Parlament hat beschlossen, Fernbusse in der Schweiz nur dann Bevölkerung mit ihrer Zustimmung zur Finanzierung und zum Ausbau zuzulassen, wenn sie den Regionalverkehr ergänzen oder bestehende der Eisenbahninfrastruktur FABI – dem Gegenvorschlag zur ÖV-Initiative Schnellzüge nicht in ihrem Bestand gefährden. Damit ist aus Sicht des des VCS – bewusst entschieden, in den Ausbau der Bahninfrastruktur VCS eine erste Leitplanke gesetzt. Der VCS sieht keinen Nutzen für Fern- zu investieren. Bei ausländischen Destinationen erachtet der VCS Fern- busse im Inland, weil der Ausstoss des Treibhausgases CO2 in der Folge busse dann für sinnvoll, wenn der Zielort mit der Bahn schlecht erreicht zu- statt abnehmen würde. Die Bahn ist in der Schweiz mit ihrem CO2- werden kann. Einen umweltpolitischen Nutzen der Fernbusse sieht der freien Strom deutlich ökologischer als der Bus. Zudem hat die Schweizer VCS vor allem dann, wenn sie Reisen mit dem Flugzeug ersetzen. PARKIEREN BRAUCHT ZU VIEL PLATZ Allein in der Stadt Bern belegen die öffentlichen Strassen-Parkfelder eine Fläche von 21 Fussballfeldern. Zählt man die Parkflächen auf privaten Arealen dazu, steigt die Fläche um das Fünffache – nicht eingerechnet ist die effektiv be- nötigte Fläche (Manövrierfläche etc.). Damit kommt man laut «Parkierungskonzept Motorisier- ter Individualverkehr» auf über 100 000 Parkplätze in der Stadt Bern. Aktuelle statistische Erhebun- gen zur gesamtschweizerischen Anzahl Parkplätze gibt es leider keine. Schätzungen gehen aber von 10,5 Millionen aus – für die, gemäss Bundesamt für Statistik, © muellerluetolf.ch 4,6 Mio. immatrikulierten Perso- nenwagen (2017). VCS MAGAZIN 4/18 5
© Pia Neuhaus/VCS Anfang August drehte der VCS auf dem Bundesplatz eine Ehrenrunde mit einer breiten Palette von Velos: Alltagsvelo, Rennrad, Cargovelo, E-Bike, usw. Ein JA fürs Velo Unterstützung für den Bundesbeschluss mit einer «Ehrenparade» auf dem Bundesplatz in Bern. Dein Velo – unser Engagement Bei den Abstimmungen vom vergangenen 23. September hat sich der In den darauf folgenden Wochen wurden die VCS für den Bundesbeschluss Velo starkgemacht. In Zusammenarbeit VCS-Sektionen aktiv und versahen tausen- de in den Schweizer Strassen abgestellte Ve- mit den Sektionen stellte er einmal mehr sein Engagement für den los mit einem Sattelschutz. Mit der Aktion Veloverkehr unter Beweis. Von Camille Marion verbanden sie die nicht zu übersehende Bot- schaft: «Dein Velo – unser Engagement». Links und rechts haben sich die politischen Parteien und Organisationen auf die Seite des I m März 2016 hatte ein vor allem aus Ver- treterinnen und Vertreter des VCS Ver- kehrs-Club der Schweiz und von Pro Velo serung der Veloinfrastrukturen wollen. Der Bundesrat nahm das Anliegen auf und erar- beitete schliesslich den weniger weit gehenden Bundesbeschlusses Velo geschlagen. Diese Ein- mütigkeit unterstreicht die Berechtigung des neuen Verfassungstexts und die kaum bestrit- bestehendes Komitee bei der Bundeskanzlei Bundesbeschluss Velo. tene Notwendigkeit, Massnahmen zugunsten 100 000 Unterschriften zugunsten der Velo- Damit war der Startschuss zur breit ange- des Veloverkehrs zu treffen. Die Stimmberech- Initiative deponiert – und bewiesen, dass die legten Mobilisierung für das Velo gegeben: tigten haben am vergangenen 23. September Stimmberechtigten Massnahmen zur Verbes- Anfang August bekräftigte der VCS seine 73,6 Prozent JA-Stimmen eingelegt – danke! Bern Lausanne Zürich © zVg/VCS-Sektionen 6 6 VCS MAGAZIN 4/18
POLITIK Im Alter trägt man eine andere Brille Von Nelly Jaggi Für ältere Menschen ist Mobilität eine Herausforderung. Welche Bedürfnisse haben sie und was hilft ihnen dabei, mobil zu sein und mobil bleiben zu können? Eine Studie liefert Antworten. W ie sicher fühlen sich Seniorinnen und Se- © Stefan Wermuth nioren und was wünschen sie sich als Ver- kehrsteilnehmende? Fakt ist, dass Mobilität für ältere Menschen aufgrund der erhöhten Ver- letzlichkeit und der altersbedingten Einschrän- kungen eine Herausforderung darstellt. Das Unfallrisiko für Fussgängerinnen und Fussgän- ger steigt, je älter sie sind. Doch aus der Unfall- statistik lässt sich nicht alles rauslesen. Wenn an gewissen Orten keine älteren Menschen ver- unfallen, bedeutet das nicht unbedingt, dass es nicht gefährlich ist. Möglicherweise meiden sie die Stelle, weil die Angst zu gross ist. «Der VCS bietet Kurse für Seniorinnen und Senioren an und wollte genauer wissen, welche Bedürfnisse eigentlich vorhanden sind», erklärt Michael Rytz. Der Experte für Verkehrssicher- heit beim VCS Verkehrs-Club der Schweiz hat deshalb eine Studie in Auftrag gegeben. Befragt wurden 570 Menschen ab 65 Jahren. Eine Mittelinsel gibt älteren Menschen beim Überqueren der Strasse Sicherheit. Eine Pause in Ehren Damit Seniorinnen und Senioren mobil sein und bleiben können, muss der Verkehr – von zur Verfügung steht. Hoch ist das Sicherheits- «Obwohl es zwar in der Realität selten Zusam- den Verkehrsteilnehmenden bis zur Infra- empfinden hingegen im Auto und im ÖV, Un- menstösse zwischen Velofahrenden und Zu- struktur – Rücksicht auf ihre Bedürfnisse neh- sicherheit kommt bei Letzterem vor allem dann Fuss-Gehenden auf Mischflächen gibt, ist es men. «Im Alter trägt man eine andere Bril- auf, wenn kein Sitzplatz zur Verfügung steht. wichtig, auch auf das subjektive Sicherheitsge- le, und wer Mobilität plant, ist in der Regel fit Rytz wünscht sich, dass die Erkenntnisse fühl Rücksicht zu nehmen», erklärt Rytz. und mobil», gibt Michael Rytz zu bedenken. der Studie künftig bei der Verkehrsplanung Regelmässige Bahnbenutzerinnen und Die Studie hat nach dem Sicherheitsempfinden miteinbezogen werden: «Wenn die Leute so Bahnbenutzer fühlen sich auch im dichten beim Zu-Fuss-Gehen, auf dem Velo, im Öf- lange wie möglich selbstständig leben sollen, Bahnbetrieb deutlich sicherer. Insbesondere fentlichen Verkehr (ÖV) und im Auto gefragt. dann ist es wichtig, dass man ihnen keine das Umsteigen auf ein anderes Verkehrsmittel Die häufigste Fortbewegungsart älterer Steine in den Weg legt.» braucht Zeit. Für die Seniorinnen und Senio- Menschen ist das Zu-Fuss-Gehen. Über 90 ren selbst gilt also: Wer übt, bleibt fit. Prozent sind täglich oder regelmässig zu Fuss Wer übt, bleibt fit unterwegs. Doch auf dem Weg von A nach Aber nicht nur Verkehrsplanerinnen und Ver- B fehlt ihnen oft die Möglichkeit, eine Pause kehrsplaner sind gefordert. Weil ältere Men- Mobil sein und bleiben einzulegen. Sitzbänke, aber auch Mittelinseln schen mehr Zeit brauchen, um eine Situation Wie funktioniert der Billettautomat, wie kön- bei Fussgängerstreifen tragen sehr viel zum zu erfassen, und schnelles Improvisieren nur nen Stürze und Unfälle vermieden werden oder Sicherheitsempfinden bei – 55 Prozent der Be- noch eingeschränkt möglich ist, ist es wichtig, wie lassen sich Verkehrsmittel clever kombi- fragten sehen hier Verbesserungsbedarf. Auf dass sich die anderen Verkehrsteilnehmenden nieren? Die Mobilitätskurse «mobil sein & der Wunschliste stehen auch ein grösseres An- an die Regeln halten. Für ein friedliches Mitei- bleiben» vermitteln während eines halben gebot an öffentlichen Toiletten sowie der bes- nander braucht es nicht viel. Kündigt sich eine Tages Sicherheit im ÖV und auf der Strasse. sere Unterhalt von Trottoirs bei Rutschgefahr. junge Velofahrerin einem älteren Fussgänger Velofahren empfinden viele als problema- mit einem Klingeln an und überholt mit ge- Weitere Informationen zur Studie und zu den tisch, sobald kein Veloweg oder Velostreifen nügend Abstand, hat sie bereits einiges getan. Kursen: www.mobil-bleiben.ch VCS MAGAZIN 4/18 7
Tintendruckerpatronen Solarspar macht aus Sonne bis 50% günstiger! Strom. Werden Sie Mitglied und Druckerpatronen wiederaufbereiten spart Geld und schont die Umwelt. tragen Sie zur Energiewende bei. 100% Qualität seit 2004. Der Verein Solarspar setzt sich seit über 25 Jahren für Schweizer Profilabor erneuerbare Energien und Energieeffizienz ein. Jetzt profitieren: Tel. 061 3151020, im Online-Shop oder am Kundenschalter Mit unseren Mitgliedern bauen und betreiben wir Solaranlagen für sauberen Strom. THINKshop.ch Direktverkauf in Frenkendorf Parkstrasse 6 (Danfossgebäude), gegenüber Aldi Zusammen mit uns schaffen Sie einen Mehrwert für die Umwelt. www.solarspar.ch/mitglied-werden Ihre Spende bewegt Tonnen Sonnenenergie gewinnen 50 Spendenfranken = 110 kg Lebensmittel an Bedürftige Jetzt spenden: 60-788185-5 | www.schweizertafel.ch Solarspar CH-4450 Sissach T +41 61 205 19 19 www.solarspar.ch Geschenk an die nächste Generation Mit einem testamentarischen Vermächtnis an den VCS lebt weiter, was Ihnen wichtig ist. Bestellen Sie unsere Broschüre «Ich sorge für Mensch und Umwelt» oder melden Sie sich bei mir für ein Gespräch. Ich berate Sie gerne. Martin Enz Mitglied der Geschäftsleitung VCS Verkehrs-Club der Schweiz Aarbergergasse 61, 3001 Bern Tel . 031 328 58 58 www.verkehrsclub.ch « Ich sorge für Mensch und Umwelt.» So leben Ihre Ideale weiter. © fotolia
POLITIK Die Alpen mit dem Zug entdecken Von Camille Marion Das Projekt «Youth Alpine Interrail» ermöglichte 100 jungen Menschen aus Alpenländern, ihre eigenen Berge zu entdecken. Eine ehrgeizige Aktion, die das Ziel verfolgte, sie für die Klimaerwärmung in den Alpen zu sensibilisieren. D reizehn Mitglieder des Jugendbeirats der Internationalen Alpenschutzkommissi- on (CIPRA), alle zwischen 15 und 30 Jahre den und kümmerten sich um die sozialen Netzwerke des Projekts. Am 20. September kamen Vertreterinnen und Vertreter der Alpenkonvention und der im Verkehrsbereich tätigen Organisationen alt, wollten das nachhaltige Reisen fördern Mediales und politisches Echo sowie ein Teil der Reisenden im Alpinen Mu- und propagierten deshalb ein Zugticket, um Die CIPRA und die verschiedenen Akteure seum in Bern zur Abschlussveranstaltung die Alpen und die Vielfalt der Bergregionen des Projekts zeigen sich mit der ersten Erfah- zusammen. Bundesrätin Doris Leuthard zu entdecken. Ende 2017 übernahm die CI- rung und dem Engagement der Teilnehmen- unterstrich dabei die Notwendigkeit, unsere PRA die Federführung des Projekts «Youth den in den sozialen Netzwerken sehr zufrie- Berge zu schützen und eine nachhaltige und Alpine Interrail» (Yoalin), unterstützt vom den. Einige der jungen Reisenden trafen sich erschwingliche Mobilität zu fördern. Bundesamt für Raumplanung (ARE) und sogar mit Behördenmitgliedern der besuch- Die CIPRA möchte das Projekt erneut mit finanzieller Hilfe einiger Unterzeichner- ten Alpenländer, um mit ihnen die Heraus- durchführen. Sie erhofft sich die Entwicklung staaten der Alpenkonvention. forderungen zu diskutieren. Auf politischer eines internationalen Zugtickets für die Al- Die Fristen waren kurz, die naheliegends- Ebene erhofft sich die CIPRA so Initiativen penregion, das spezifischer ist als der aktuelle te Lösung bestand darin, von den Produkten für einen nachhaltigen Tourismus: «Ein Pro- Interrail-Pass. Dafür müssen aber die Alpen- und der Erfahrung von Eurail zu profitieren, jekt wie Yoalin soll die Entwicklung von er- länder und ihre ÖV-Unternehmen konkretes der Firma, die den Interrail-Pass vermark- schwinglichen ÖV-Angeboten fördern. Nur Interesse zeigen und Zeit sowie Geld in die tet. In Utrecht liess sich das niederländische so kann der Flugverkehr und sein beängs- Entwicklung des Projekts investieren. Unternehmen von der Begeisterung der Ini- tigender Einfluss auf das Klima konkurriert tiantinnen und Initianten überzeugen, umso werden», erläutert Katharina Conradin, Prä- Camille Marion durfte bei Yoalin mitmachen. mehr als man dort schon länger damit lieb- sidentin von CIPRA International. Lesen Sie den Bericht auf den Seiten 46 und 47. äugelt, Regionalpässe zu entwickeln. Junge Reisende, junge Organisierende Zu Beginn des Frühlings konnten sich in- Für dieses Bild durfte Nejc Kavka an der Abschlussveranstaltung einen Preis entgegennehmen. teressierte junge Menschen für das Pro- © Nejc Kavka jekt Yoalin bewerben. Sie mussten zwischen 16 und 27 Jahren alt sein, in einer Alpenre- gion wohnen und Interesse für die ökologi- schen Herausforderungen zeigen. Unter den 400 Bewerbungen wurden 100 Reisende aus- gewählt, die einen Interrail-Pass für nur 50 Euro erhielten, mit der einzigen Bedingung, ihn in den Alpen zu benutzen. Von Frank- reich über die Walliser Alpen, Liechtenstein, Österreich und das Südtirol bis nach Slowe- nien dokumentierten sie ihre Erlebnisse in den sozialen Netzwerken unter dem Hash- tag #yoalin. «Es war uns wichtig, dass es sich um ein Projekt für Junge und geleitet von Jungen handelte», betont Silvia Jost, Leiterin Inter- nationales beim ARE. Deshalb waren bei der CIPRA und beim ARE Praktikantinnen und Praktikanten für das Projekt zuständig. Sie beantworteten die Fragen der Teilnehmen- VCS MAGAZIN 4/18 9
POLITIK Etappensieg beim Neuwagenziel Von Martin Winder, Später als vom Volk beschlossen, will der Bundesrat das Flottenziel Projektleitung Verkehrspolitik für Neuwagen von durchschnittlich 95 g CO2/km einführen. Der VCS bekämpft diese Abschwächung der wichtigsten Massnahme zur Reduk- tion der CO2-Emissionen des Verkehrs – und erzielte einen ersten Erfolg. I m Rahmen der Abstimmung über die Energiestrategie hat das Volk auch der Verschärfung des Neuwagen-Flottenziels von 95 g CO2/km erreichen müssen. In An- betracht der Tatsache, dass es bisher nicht gelungen ist, die Treibhausgas-Emissionen Entscheid der Nationalratskommission Das Parlament befasst sich aktuell mit der Revision des CO2-Gesetzes. In diesem Zu- auf 95 g CO2/km per 2021 zugestimmt. des Verkehrs in den Griff zu bekommen, sammenhang muss auch das Neuwagen-Flot- In der Parlamentsdebatte hatte sich Doris ist diese Verzögerung inakzeptabel. Dazu tenziel bestätigt werden. Erfreulicherweise Leuthard noch gegen einen Antrag auf die kommt, dass Neuwagen 2017 erstmals seit hat sich die Umweltkommission des Natio- Verschiebung des Neuwagen-Flottenziels bis 1969 wieder mehr CO2 ausstossen. nalrats im August, wenn auch äussert knapp, 2024 mit folgenden Worten gewehrt: «Das gegen eine verzögerte Einführung des Neu- wäre natürlich eine massive Verwässerung Autoimporteure bezahlen nichts wagen-Flottenziels entschieden. Der VCS Ver- der Vorgaben und der CO2-Zielwerte.» Mit Unverständlich ist die Verzögerung auch des- kehrs-Club der Schweiz hat sich bei den Kom- seiner Verordnung hat der Bundesrat im letz- halb, weil die meisten Autoimporteure of- missionsmitgliedern für diesen Entscheid fenbar problemlos mit dem eingesetzt. CVP-Nationalrat Stefan Müller- bisherigen Flottenziel zu- Altermatt begründete in den Medien sei- In Anbetracht der Tatsache, dass es bisher rechtkommen. Wie kürzlich nen entsprechenden Antrag in der Kommissi- bekannt wurde, konnte es on damit, dass das Stimmvolk das verschärfte nicht gelungen ist, die CO2-Emissionen des in den Jahren 2014 bis 2016 CO2-Neuwagenziel bereits abgesegnet habe – von jeweils 70 bis 80 Prozent und nicht eine Abschwächung, wie sie der Bun- Verkehrs in den Griff zu bekommen, ist diese der Grossimporteure einge- desrat wolle. Verzögerung inakzeptabel. halten werden. Bei jenen, die Das letzte Wort ist jedoch noch nicht ge- wegen zu hoher CO2-Emis- sprochen. Der Entscheid der Kommission sionen Sanktionen zu zah- muss im Dezember vom Nationalrat noch ten November jedoch genau das getan: Er len hatten, lagen die Beträge bei maximal bestätigt werden. Nächstes Jahr wird der verfügte, dass die in der Schweiz verkauften 30 Franken pro verkauftem Auto. Bei Neuwa- Ständerat darüber beraten. Der VCS wird Neuwagen erst im Jahr 2023 einen durch- genpreisen von mehreren zehntausend Fran- sich auf jeden Fall weiterhin für eine Einfüh- schnittlichen ken spielen solche Bussen keine Rolle. rung des 95 g-Ziels im Jahr 2021 sowie für ein maximalen Die Autolobby hat versucht, diese In- möglichst strenges CO2-Gesetz einsetzen. Ausstoss formationen über die Sanktionszahlungen geheim zu halten. Das Konsumentenschutz- magazin «Saldo» hat jedoch die Veröffentli- chung der Daten per Entscheid des Bundes- Danke für Ihre Unterstützung! CO2 verwaltungsgerichts erkämpft. Der Erfolg unserer Arbeit ist nur dank finanzieller Unterstützung möglich. Wir danken daher an dieser Stelle allen unseren Mitgliedern von Herzen für ihre Treue. Sie leisten einen wertvollen Beitrag an unser Engagement für eine menschenwürdige und umweltfreundliche Mobilität. Ein beson- derer Dank geht an alle, die uns im Kampf für die Einhaltung des CO2-Neuwagenziels zusätzlich mit einer Spende unterstützt haben. Wer dies noch nachholen möchte, kann das gerne tun unter 2017 stossen Neuwagen erstmals seit 1969 www.verkehrsclub.ch/spenden. wieder mehr CO2 aus als in den Vorjahren. Wir freuen uns über jeden Beitrag! 10 VCS MAGAZIN 4/18
POLITIK Der Schulweg für Freude und Freunde Von Nelly Jaggi Bewegung, Sicherheit im Verkehr und vor allem Spass: Kinder, die den Schulweg zu Fuss zurücklegen, profitieren. Das VCS-Magazin hat die Zweitklässler Fabian, Milo und Tim während der Aktions- wochen «walk to school» auf ihrem Schulweg begleitet. E s herrscht eine spezielle Stimmung an © Nelly Jaggi diesem Montagmorgen in Derendingen bei Solothurn. Die Sonne blitzt zwischen den Häusern hindurch und macht den letz- ten Nebelschwaden den Garaus. Gemeinsam mit Katja Marthaler, der Projektleiterin der Aktionswochen «walk to school», werde ich heute Fabian und seine Freunde Milo und Tim auf dem Schulweg begleiten. Fabian erwartet uns bereits im Garten vor dem Haus. Er besucht die zweite Klasse und braucht zu Fuss für seinen Schulweg unge- fähr zehn Minuten – damit liegt er übrigens genau im schweizweiten Durchschnitt. Mit dabei sind auch seine Schwester Noémie, die das zweite Kindergartenjahr besucht, und seine Mutter Christine Bänninger. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg, um am anderen Ende des Quartiers auf Tim und Milo sowie auf eine Freundin von Noémie zu warten. Die zwei Kinder hüpfen ungeduldig umher, und sie können kaum erwarten, dass es weitergeht. Währenddessen strömen Kinder aus allen Richtungen an uns vorbei – die Äl- teren alleine, die Jüngeren in Begleitung eines Elternteils. «Die Kindergartenkinder begleiten Für die Fotografin dürfen Fabian, Tim und Milo (v. l. n. r.) ausnahmsweise von der Mauer springen. wir jeweils, bis sie die Hauptstrasse überquert haben», erklärt uns Christine Bänninger. Als die Gruppe komplett ist, rennen Fabian, Milo Schulreise verlost. 2018 haben sich rund 400 geben. Die Kinder sind motiviert, es klappt gut, und Tim los. Ich rufe ihnen hinterher, dass ich Schulklassen beteiligt, darunter erstmals auch und eine Sensibilisierung findet sicher statt.» ein Foto machen möchte. «Dann müssen Sie eine französischsprachige Klasse aus Biel. halt schneller laufen», erklärt Fabian und lacht. «Die Schülerinnen und Schüler sollen er- Viele Lerneffekte Erst die Ampel an der Hauptstrasse zwingt die leben, wie spannend der Schulweg sein kann, Fabian, Tim und Milo sind inzwischen beim Drei zu einer kurzen Pause. und die Eltern begreifen, wie wichtig und Schulhaus angekommen. Sie lassen sich dazu lehrreich diese Erfahrung für ihre Kinder ist», überreden, für ein letztes Foto zu posieren, be- Probleme mit Elterntaxis erklärt Katja Marthaler. Anliegen, die auch vor sie ins Schulhaus rennen und ihre anderen Die Schulklassen von Fabian, Tim und Milo Christine Bänninger wichtig sind. Elterntaxis Freunde begrüssen. Unser Fazit ist klar: Zu nahmen an den Aktionswochen «walk to seien leider ein Thema, sagt sie. Sie führten zu Fuss auf dem Schulweg passiert viel. Während school» teil, die jeweils zwischen den Som- mehr Verkehr auf dem Schulweg und vielen sich Eltern und Lehrpersonen über zusätzliche mer- und den Herbstferien stattfinden. Für je- Manövern von Autos direkt vor dem Schulhaus Bewegung, Verkehrskompetenz und Selbst- den zu Fuss zurückgelegten Schulweg gibt es – das mache es für Kinder, die zu Fuss gehen, ständigkeit freuen, macht er den Kindern in einen Punkt, mit Begleitaktionen können die gefährlich. Diese Einschätzung teilt auch Fa- erster Linie Spass. Springen sie vor dem Schul- Klassen zusätzliche Punkte sammeln. Unter bians Lehrerin Judith Friedli: «Wir haben ein haus aus dem Auto, entgeht ihnen Wichtiges denjenigen, die am meisten Punkte gesam- Problem mit Elterntaxis. Mit der Teilnahme und Schönes – das haben uns Fabian, Tim und melt haben, werden Reisegutscheine für die bei ‹walk to school› möchten wir Gegensteuer Milo am heutigen Morgen gezeigt. VCS MAGAZIN 4/18 11
POLITIK Mobilität ohne fossile Treibstoffe Von Martin Winder, Die Klimawissenschaft ist sich einig: Nur eine vollständige Abkehr von Projektleitung Verkehrspolitik fossilen Energieträgern kann die Erderwärmung stoppen. Der VCS schlägt in einem Positionspapier Massnahmen vor, um dieses Ziel für den Verkehr zu erreichen. D ie Zusammenhänge zwischen Erderwär- mung und den von Menschen verur- sachten Treibhausgas-Emissionen sind seit Energieträgern im Bereich des Verkehrs sind alle drei notwendig. te grosse Hebel. Je grösser der Anteil an Velo-, Fuss- und Bahnverkehr, desto gerin- ger die Treibhausgas-Emissionen. Mit dem Jahrzehnten bekannt. Seit bald 30 Jahren Vermeiden von Verkehr trägt wesentlich zur JA zum Bundesbeschluss Velo konnte der wird auch politisch um eine Lösung des Kli- Reduktion der Umweltbelastung bei. Vermei- VCS in diesem Bereich kürzlich einen wich- maproblems gerungen. Doch die Zeit läuft den bedeutet nicht zwingend Verzicht und tigen Erfolg verbuchen. ab: Um den Klimawandel in einem erträg- kann zusätzlichen Nutzen bieten. Wenn zwei lichen Rahmen zu halten, dürfen bis spätes- Personen eine Fahrgemeinschaft bilden, hal- Verbesserung des Verkehrs ist der entschei- tens 2050 keine fossilen Energieträger mehr bieren sie die pro Person verursachte Umwelt- dende Schritt, um eine vollständige Abkehr verbrannt werden. Je früher die Weichen in belastung, ohne ihre Mobilität einzuschrän- von fossilen Treibstoffen möglich zu ma- Richtung Ausstieg gestellt werden, umso ken – und sparen Geld. Eine Verkehrspolitik, chen. Verkehrsmittel müssen möglichst um- eher gelingt es, dem Klimawandel Einhalt zu welche die Nachfrage steuert, kann viel zur weltverträglich und effizient gebaut und be- bieten. Erreichung der Klimaziele beitragen. trieben werden: Vom Motorroller bis zum Der VCS Verkehrs-Club der Schweiz setzt Containerschiff müssen sie mit erneuerbarer dabei auf drei Säulen: Vermeiden, Verlagern Verlagerung von Verkehr auf möglichst um- Energie betrieben werden. Das ist technisch und Verbessern. Für die Abkehr von fossilen weltverträgliche Verkehrsmittel ist der zwei- heute grundsätzlich machbar. VERMEIDEN VERMEIDEN VERLAGERN VERLAGERN VERBESSERN VERBESSERN Homework Mit dem Velo zur Arbeit Mit dem Elektroauto und Solarstrom statt Homework statt pendeln Mit dem statt Velo zur Arbeit mit dem Auto Mit dem Elektroauto mit dem und Solarstrom Benzin-/Dieselauto zur statt Arbeit statt pendeln statt mit dem Auto mit dem Benzin/Dieselauto zur Arbeit Grafik: Keystone, Quelle: VCS Arbeitsplatz Arbeitsplatz Arbeitsplatz Arbeitsplatz Grafik: KEYSTONE, Quelle: VCS Drei konkrete Beispiele, wie beim Arbeitsweg Verkehr vermieden, verlagert und verbessert werden kann. 12 VCS MAGAZIN 4/18
POLITIK Der VCS positioniert sich Der Bund soll die Treibstoffbranche dazu verpflichten, dass Für einen tiefgreifenden Wandel sind 32 Jah- re keine lange Zeit. Der VCS hat das Positi- ein bestimmter Anteil des im Inland verkauften Treibstoffs onspapier «Verkehr ohne fossile Treibstof- fe» erstellt, das aufzeigt, welche politischen aus erneuerbaren Quellen stammt. Massnahmen zum letzten und entscheiden- den Schritt, der Verbesserung des Verkehrs, beitragen können. Mindestanteil erneuerbare Treibstoffe Neuwagen-Flottenziele Der Bund soll die Treibstoffbranche dazu Die Schweiz soll den durchschnittlichen Lenkungsabgabe verpflichten, dass ein bestimmter Anteil CO2-Ausstoss der Neuwagenflotte kon- Die CO2-Abgabe auf Treibstoffe ist ein des im Inland verkauften Treibstoffs aus tinuierlich reduzieren. Strenge und lang- wirksames Instrument zur Reduzierung erneuerbaren Quellen stammt. Dieser fristig festgelegte Flottenziele für Perso- von Treibhausgasen – der VCS setzt sich Anteil kann zu Beginn bei wenigen Pro- nenwagen sowie Last- und Lieferwagen bereits seit Langem dafür ein. Sie moti- zenten liegen und bis im Jahr 2050 auf 100 garantieren eine stetige Effizienzsteige- viert zur Umstellung auf Elektrofahrzeu- Prozent angehoben werden. Mit welchem rung der Fahrzeugflotte. Neue Fahrzeu- ge und erneuerbare Treibstoffe. Gleich- erneuerbaren Treibstoff der Mindestan- ge sollen – nicht nur bei der Zulassungs- zeitig kann sie eine Verlagerung auf den teil erfüllt ist, ist unerheblich. Zwingend prüfung, sondern auch in der Realität – je Öffentlichen Verkehr und den Velo- und ist, dass die Treibstoffe strengen Nachhal- länger, desto weniger CO2 ausstossen (sie- Fussverkehr bewirken. Erfolgsentschei- tigkeitskriterien entsprechen. Zu Beginn he auch Artikel S. 10). dend ist jedoch die Höhe der Abgabe. wären es primär Treibstoffe aus Biomasse. Durch eine Rückverteilung der CO2-Ab- Mit steigendem Mindestanteil würde die gabe auf Treibstoff an die Bevölkerung Bedeutung von erneuerbaren syntheti- Das Positionspapier «Verkehr ohne fossile und Unternehmen ist diese haushaltsneu- schen Treibstoffen zunehmen (siehe auch Treibstoffe» finden Sie unter tral und sozialverträglich. VCS-Magazin 3/2018, S. 6/7). www.verkehrsclub.ch/fossilfrei ANZEIGE KLEINER BEITRAG, pen ac für PostP maneutr 5 Rap al GROSSE WIRKUNG k li vers end e n «PRO CLIMA»- VERSAND Für wenige Rappen mehr versenden Sie Ihre Pakete klimaneutral. Erfahren Sie mehr: post.ch/klimaneutral VCS MAGAZIN 4/18 13
POLITIK Mit Shuttlebussen in die Zukunft Von Laura Andres, Seit fast einem Jahr betreiben die Freiburger Verkehrsbetriebe eine offizi- Projektleiterin «Autonome Shuttlebusse TPF» elle, in den Fahrplan aufgenommene Linie mit autonomen Shuttlebussen. Blick auf eines der ersten innovativen Projekte seiner Art in der Schweiz. W ie soll das Problem des «letzten Kilo- meters» («Last Mile») im Öffentlichen Verkehr gelöst werden? Wie könnte, anders um eine klare Unternehmensstrategie, wie Vincent Ducrot, Generaldirektor der TPF, be- tont: «In meiner Vision des Agglomerations- gründet, um Probleme möglichst zeitnah zu erkennen und zu lösen. Auf Seiten der Nutzerinnen und Nutzer gefragt, eine Lösung mit öffentlicher Mobi- verkehrs gibt es sehr gut frequentierte Haupt- herrscht Begeisterung. Marie-Rose, eine lität zwischen der Haltestelle einer bestehen- linien und daneben kleinere Linien, welche die Bewohnerin des an der Strecke liegenden den Linie und einem abgelegenen, etwa ei- Quartiere mit diesen Hauptlinien verbinden. Épinettes-Altersheims, hat an ihrem 100. nen Kilometer entfernten Ort aussehen? Die Wir wünschen uns, dass diese Verbindungen Geburtstag den Shuttlebus bestiegen. Ein Freiburger Verkehrsbetriebe (TPF) haben als durch autonome Busse erschlossen werden.» anderer Fan ist der 13-jährige Schüler Lucas, Antwort auf diese Frage ein Pilotprojekt mit der den Bus nimmt, wenn er nach der Schule zwei autonomen Shuttlebussen lanciert. Ein ehrgeiziges Projekt, das überzeugt Zeit hat oder bevor er ins Training geht. Das Marly Innovation Center (MIC) bot Die grösste Herausforderung besteht darin herauszufinden, ob ein solches Verkehrsmit- sich als ideales Testfeld an, soll doch das dor- Grünes Licht vom Bund tel eine zukunftsträchtige Für das ehrgeizige Projekt arbeiten die TPF Lösung ist, um die Fein- mit dem MIC und den kantonalen und kom- Auch in einem autonomen Fahrzeug kann die verteilung im Öffentlichen munalen Behörden zusammen. Ohne Hilfe Verkehr zu ergänzen. Doch des Bundesamts für Strassen, des Bundesamts Fahrt lang sein. Im Alltag beeinträchtigen auch in einem autonomen für Verkehr und des Bundesamts für Kom- immer wieder Störungen den Linienbetrieb. Fahrzeug kann die Fahrt munikation wäre die Umsetzung einer sol- lang sein. So gibt es im All- chen Idee nicht möglich gewesen. Unterstützt tag immer wieder Störun- wurde das Projekt auch von der Koordinati- tige Quartier mittelfristig über 1000 Wohnun- gen, die den Linienbetrieb beeinträchtigen onsstelle für nachhaltige Mobilität (KOMO). gen umfassen. Noch bevor der Ausbau über und die Projektentwicklung bremsen. Es Nach dem Kauf der zwei Fahrzeuge beim die Bühne geht, bieten nun die autonomen müssen kreative Lösungen gefunden werden, französischen Hersteller wurden mehrere Shuttlebusse eine Lösung für die Mobilitätsbe- um rasch reagieren zu können. Der Herstel- technische Kontrollen vorgenommen, um die dürfnisse des Standorts, an dem bereits heute ler des Navya-Shuttlebusses hat beispielswei- verschiedenen notwendigen Bewilligungen für über 500 Personen arbeiten. Dabei geht es auch se eine WhatsApp-Gruppe mit den TPF ge- den Betrieb der neuen ÖV-Linie zu erhalten. Die Bundesämter validierten die Strecke sowie das Betriebs-, Ausbildungs- und Sicherheits- © Jo Bersier modell und gaben damit grünes Licht für eine der ersten offiziell mit autonomen Shuttlebus- sen betriebenen Linien in der Schweiz. Weiterentwicklung des Projekts Auch nach den ersten Betriebsmonaten wer- den an der Strecke und der Ortung der Fahr- zeuge laufend Verbesserungen vorgenommen. Ziel ist, anschliessend einen fahrplanmässi- gen «Betrieb auf Verlangen» testen zu kön- nen, um die Bedürfnisse der Kundschaft zu bestimmen. Dazu kommt der Wille, die kon- ventionellen Busse mit den autonomen Shut- tlebussen kommunizieren zu lassen, um die Verbindungen zwischen den beiden Linien zu optimieren. Die grundsätzlich erneuerbaren Bewilligungen laufen bis 2019, dann soll eine Auf dem Gelände des Marly Innovation Center fahren seit fast einem Jahr autonome Shuttlebusse der TPF. umfassende Bilanz gezogen werden. 14 VCS MAGAZIN 4/18
© Jérôme Faivre Auf der Gotthardstrecke sollen in Zukunft nur noch Lastwagen mit modernen Sicherheitssystemen unterwegs sein. Sicher durch Tunnel und über Pässe Von Nelly Jaggi Eine Standesinitiative aus dem Kanton Tessin fordert «Sicherere Strassen jetzt!». Zeitgemässe Sicherheitssysteme für Lastwagen könnten viele Unfälle verhindern, sagt der Tessiner Kantonsrat Bruno Storni und will, dass nicht erst in 20 Jahren gehandelt wird. I mmer wieder kommt es zu schweren Un- fällen zwischen Lastwagen und anderen Verkehrsteilnehmenden – insbesondere auf LKWs Schweizer Tunnel und Pässe passieren dürfen, die entsprechend ausgerüstet sind. Gefordert werden namentlich ein Anti- Ein Blick nach Frankreich, Italien und Österreich zeigt, dass die Forderungen kei- neswegs vermessen sind. Italien und Frank- gefährlichen Strecken durch die Alpen. Da- blockiersystem, ein Notbremsassistent, ein reich kontrollieren am Montblanc sämtliche bei gäbe es längst Sicherheitssysteme, mit de- Stabilitätskontrollsystem, ein Spurwechsel- Lastwagen – Euro-0- und Euro-1-Lastwagen nen sich viele Auffahr- oder Frontalkollisio- assistent und ein Reifendrucksystem. Stor- sind seit langem nicht mehr zugelassen –, nen verhindern lassen würden. Die Tessiner ni weist darauf hin, dass bei der Forderung und auf der Brennerstrecke gelten für gewisse Standesinitiative «Sicherere Strassen jetzt!» nach einer zweiten Gotthardröhre mit dem Lastwagen Nacht- und Sektor-Fahrverbote. will das ändern. «Es ist absolut unverant- Thema Sicherheit argumentiert wurde. wortlich, dass man solche Situationen noch Er betont, dass eine Erhöhung der Sicher- Nächster Schritt im Spätherbst zulässt», sagt Bruno Storni, Urheber der heit auch kurzfristig wichtig ist und nicht Der Kanton Tessin fordert deshalb ein Fahr- Standesinitiative, Tessiner Kantonsrat und 20 Jahre bis zur Vollendung der Röhre auf verbot für Lastwagen, die nicht auf dem ak- Mitglied des VCS-Zentralvorstands. sich warten lassen darf: «Menschliches Ver- tuellen Stand der Technik sind, in Tunneln sagen kann immer passieren. Ist ein LKW in und auf Passstrassen. In Bern ist das Anlie- Die logische Fortsetzung einen Unfall involviert, kann es schnell zur gen im Januar in der Ständeratskommission Seit 2015 müssen alle neuen LKWs über be- Katastrophe kommen.» besprochen und gutgeheissen worden. stimmte Sicherheitssysteme verfügen. «Last- Voraussichtlich Ende Oktober oder An- wagen, die wenige Kilometer fahren und Eine europakonforme Forderung fang November – nach Redaktionsschluss eine längere Lebensdauer haben, könn- Das Gefahrenpotenzial des internationalen dieser Ausgabe – wird «Sicherere Strassen te man in Zukunft mit aktiven Sicherheits- Schwerverkehrs, der mehr als 80 Prozent des jetzt!» in der Kommission für Verkehr und systemen nachrüsten», betont Storni. Der gesamten Güterverkehrs durch die Alpen Fernmeldewesen des Nationalrats bespro- Kanton Tessin, der vom Schwerverkehr be- ausmacht, soll mit den geforderten Mass- chen. Wir hoffen, schon bald mit guten sonders betroffen ist, fordert, dass nur noch nahmen verringert werden. Nachrichten aufwarten zu können. VCS MAGAZIN 4/18 15
DOSSIER Teilen wird immer beliebter. Die Digitalisierung und neue Technologien vereinfachen das Teilen von Ressourcen und machen innovative Konzepte möglich. Wird das Teilen nicht mit einem Freipass für uneingeschränkte und möglichst günstige Mobilität gleichgesetzt, hat es viele positive Auswirkungen auf den Verkehr, die Umwelt und das Zusammenleben der Menschen. © Fabian Lütolf 16 VCS MAGAZIN 4/18
DOSSIER Ein Plädoyer fürs Teilen VCS MAGAZIN 4/18 17
DOSSIER © VC S Ob mit Karte, Smartphone-App oder analog mit einem Aufkleber Vom guten Teilen am Briefkasten: Teilen ist unkompliziert. Ob Anhänger, Velopumpe, Auto oder Wohnung: Immer mehr Menschen teilen Dinge. Das ist eine gute Sache – solange die geteilten Ressourcen nachhaltig und umweltbewusst eingesetzt werden. Von Nelly Jaggi D as Leergutdepot nimmt bedenkliche Ausmasse an? Für den Transport zur Entsorgungsstelle nen und ist dank der Digitali- sierung einfacher geworden. Das gilt auch für die Mobilität. Wäh- wie New York hat Uber das Verkehrs- aufkommen erhöht, weil die günstigen Preise den ÖV konkurrieren – ohne den stellt der nette Nachbar aus der Wohnung rend sich die Menschen in Bus, Tram Fahrerinnen und Fahrern ein gesichertes unten links gerne seinen Veloanhänger und Zug längst in aller Selbstverständ- und regelmässiges Einkommen zu ga- zur Verfügung. Der Ausgangspunkt der lichkeit gemeinsam von einem Fahrzeug rantieren. Bergtour ist nicht mit dem Öffentlichen von A nach B bringen lassen, wird auch Teilen hat nur dann positive Aus- Verkehr (ÖV) erreichbar? Am nächstgele- das Teilen von Autos und Velos immer wirkungen auf den Verkehr und die genen Bahnhof parkt ein Kleinwagen von beliebter. Gerade für junge Menschen Umwelt, wenn die geteilten Ressourcen Mobility. Die Feier dauerte länger als ge- steht die Verfügbarkeit des Fahrzeugs im nachhaltig und umweltbewusst einge- dacht und der letzte Bus ist bereits gefah- Vordergrund, ein eigenes Auto empfin- setzt werden. Teilen darf folglich weder ren? Das Velo an der Bikesharing-Station den sie als Last. gleichbedeutend mit möglichst günstig um die Ecke lässt sich schnell und einfach noch ein Freipass für unbegrenzte Mobi- mit der Smartphone-App öffnen. Bitte genau hinschauen lität sein. Teilen ist das gemeinsame Nutzen ei- Zwischen dem sozialen Gedanken des ner Ressource. Der Mensch ist ein sozia- Teilens und dem reinen Geschäfts- les Wesen, innerhalb der Familie teilt er modell ist es allerdings bisweilen ein meist ohne Vorbehalte: Es wird gemein- schmaler Grat. Während der Ferien wird die Wohnung kurzer- Bikesharing hand über die Plattform Für das Dossier der Ausgabe 1/2018 Was im ersten Moment gewinnbringend Airbnb an Touristen ver- haben wir Bikesharing-Angebote in der mietet, wer ein Auto und für alle scheint, stimmt beim genauen freie Zeit hat, kann sich Schweiz vorgestellt. Während Zürich und Winterthur inzwischen Obike-frei Hinschauen nachdenklich. mit Uber-Fahrdiensten sind, haben Bern und Zürich ihre Publi- ein Zubrot verdienen. Was im ersten Moment Bike-Flotten – nach zwischenzeitlichen sam gegessen, das Radio in der Küche un- gewinnbringend für alle scheint, stimmt Problemen – in Betrieb genommen. terhält alle, und die Velopumpe wird von beim genauen Hinschauen nachdenk- Eine aktuelle Zusammenstellung und allen verwendet. In den letzten Jahren hat lich. So wird Wohnraum plötzlich nicht weitere Information finden Sie auch das Teilen aber auch über die Familie hin- mehr an Privatpersonen, sondern profi- auf der Website des Forum Bikesharing aus immer stärker an Bedeutung gewon- tabel über Airbnb vermietet. In Städten Schweiz: www.bikesharing.ch 18 VCS MAGAZIN 4/18
DOSSIER «Das Leben dreht sich nicht um ein abwesendes Auto» Interview: Nelly Jaggi Daniel Baehler hat die Bewohnerinnen und Bewohner von neun autofreien und autoarmen Wohnsiedlungen in der Schweiz und in Deutschland befragt. Die Gemeinschaft sei ihnen dabei aber wichtiger, als die Abwesenheit von Privatautos, erzählt er im Interview mit dem VCS-Magazin. VCS-Magazin: Sie haben für Ihre vermarkten, das zwar oberirdisch keine Drittel der Bewohnerinnen und Bewoh- Doktorarbeit am Institut für Geo Parkplätze hat, aber über eine Einstell- ner haben einen Hochschulabschluss, grafie und Nachhaltigkeit an der halle verfügt. Die Plattform autofrei/au- das ist ungefähr doppelt so viel wie im Universität Lausanne Menschen toarm Wohnen (s. Kasten S. 21) versteht Schnitt in den Städten. befragt, die in autofreien oder unter autofreiem Wohnen, dass es bis autoarmen Wohnsiedlungen leben. 0,2 Parkplätze pro Wohnung gibt, von Privilegierte Menschen demnach? Wer entscheidet sich in der Schweiz autoarmem Wohnen spricht man bei bis Nicht nur. Man muss zwischen ver- dafür, ohne eigenes Auto zu leben? 0,5 Parkplätzen pro Wohnung. schiedenen Arten autofreier Siedlun- Daniel Baehler: Diese Frage ist nicht ein- gen unterscheiden. Es gibt zum einen die fach zu beantworten. Schaut man die au- Autobesitz zu verbieten, ist ein Wohnbaugenossenschaft, bei der sich tofreien Haushalte insgesamt an, sind es heikler Punkt. Leute zusammengetan und etwas entwi- häufig alleinstehende Menschen, die in Ein Bewohner einer Siedlung in Deutsch- ckelt haben. Zum anderen gibt es auch Städten leben. In den letzten 20 Jahren hat land hat sich vor Gesetz gegen ein solches relativ gewöhnliche Siedlungen. Ein Bei- sich aber viel verändert. Früher ist man Verbot gewehrt und recht bekommen. In spiel dafür ist der Sihlbogen in Zü- davon ausgegangen, dass niemand frei- der Schweiz wurde das von Anfang an an- rich: Dort gibt es viele Haushalte, willig ohne Auto lebt. Wer es sich leis- ders geregelt. Besitzt jemand ein Auto, das die einfach eine Wohnung ge- ten konnte, hatte eines. Obwohl schon bei einer Grosstante in der Garage steht, sucht haben und länger bekannt war, dass Autofahren der ist das nicht relevant. Wichtig ist, dass sowieso Umwelt schadet, brauchte es eine gewis- man kein Auto in einem gewissen Um- se Zeit, bis man deswegen auf ein eigenes kreis der Siedlung abstellt. Weil gerade in Auto verzichtet hat. Städten die Nachfrage nach solchen Sied- Immer mehr junge, städtische Haus- lungen gross genug ist, stellt es auch kein halte verzichten aber heute auch aus rein Problem dar. praktischen Gründen auf ein Auto. Mit dem Velo oder dem ÖV ist man schlicht Wer lebt – abgesehen von den schneller unterwegs, zudem ist das ÖV- eingangs erwähnten jungen Stadt- Netz – gerade in Kombination mit Car- menschen – typischerweise in sol- sharing-Angeboten – in der Schweiz ext- chen Siedlungen? rem zuverlässig und flächendeckend. Fast die Hälfte der Haushalte hat Kinder. Das ist ein extrem hoher Anteil und wi- Wie wird denn autofreies Wohnen derlegt die Annahme, dass junge Fami- definiert? lien mit dem ersten Kind auch ein Auto Unter dem Begriff autofreies Wohnen anschaffen – selbst wenn sie vorher sehr wird vieles verstanden. Für mich meint gut ohne gelebt haben. Ein Phänomen, er das Leben an einem Ort, an dem nie- das auch typischerweise in der Literatur mand ein eigenes Auto besitzt. Aber er beschrieben wird oder im privaten Um- kann auch dazu dienen, ein Quartier zu feld miterlebt werden kann. Fast zwei VCS MAGAZIN 4/18 19
DOSSIER «Mietet jemand einen Transporter, um in den Baumarkt zu fahren, fragt er seine Nachbarn eher, ob sie auch etwas brauchen.» kein Auto hatten. Man kann es nicht ver- ben, als es das noch vor 20 Jahren war. In sich um viele Dinge kümmern, und das allgemeinern, auch wenn sich Trends er- der Schweiz haben wir mit Mobility den wollen die meisten nicht. Für viele ist kennen lassen. ganz speziellen Fall eines landesweit flä- Mobilität ja nicht ein Bedürfnis per se. chendeckenden Angebots, das einfach Vielmehr wollen sie irgendwohin gehen Wer kein Auto hat, teilt meistens und zuverlässig ist. Das ist in Deutsch- oder etwas transportieren und brauchen eines. Richtig? land anders: Häufig hat man Zugang zu dazu das passende Verkehrsmittel. Ich Insgesamt sind etwa die Hälfte der er- einem einzelnen Anbieter, der nur in der habe oft Folgendes gehört: «Ich sehe kei- wachsenen Personen Mitglieder bei ei- Siedlung, im Quartier oder in der eige- nen Grund, ein Auto zu besitzen. Ich will nem Carsharing-Anbieter. Einige nutzen nen Stadt ansässig ist. Viele nutzen aber ein Auto nutzen können, wenn ich eines auch ein informell geteiltes Auto, etwa auch die Autos ihrer Eltern, etwa für Fe- brauche.» jenes der Eltern. Natürlich gibt es auch rien oder für einen grösseren Einkauf. einige wenige, die gar kein Auto nutzen. Das klingt ja alles schön und gut. Ist die Idee, das Auto zu teilen, Findet in diesen Siedlungen nicht Hat sich das Mobilitätsverhalten auch eine Generationenfrage? auch eine Verdrängung zugunsten auch aufgrund des immer wachsen- Das Verhältnis der jüngeren Generation Privilegierter statt? den Carsharing-Angebots verändert? zum Auto ist anders. Früher war es Sta- Es gibt sicher Siedlungen mit solchen Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist es heu- tussymbol. Heute wird ein eigenes Auto Tendenzen. Aber so einfach ist es nicht. te viel einfacher, ohne eigenes Auto zu le- mehr als lästig empfunden. Man muss Man kann autofreies Wohnen durch den Verzicht auf eine teure Einstellhalle auch dazu nutzen, preiswerten Wohnraum © Samuel Bernhard anzubieten. Gerade in Basel, Zürich oder Bern haben viele Investoren gemerkt, dass sie bei Neubauten auf halbleeren Einstellhallen stehen bleiben. Es wird folglich zunehmend auch zu einem öko- nomisch wichtigen Thema. Das Teilen von Mobilität hat einen Einfluss auf die Wohnbedürfnisse der Menschen. Die Mobilitätsform wird aber kaum die einzige Motivation sein, in eine solche Siedlung zu ziehen? Tatsächlich ist das Gemeinschaftliche sehr wichtig. Das Thema autofrei steht oft gar nicht im Zentrum – eigentlich lo- gisch, das Leben dreht sich ja nicht um ein abwesendes Auto. Es geht im Grunde vielmehr darum, über verschiedene An- gebote nachzudenken. Warum braucht man ein Auto? Zum Beispiel, um nach ei- nem Fest in einer abgelegenen Waldhütte wieder nach Hause zu kommen. Warum also nicht einen Gemeinschaftsraum in In der autofreien Siedlung Oberfeld in Ostermundigen bei Bern ist die Gestaltung des Aussenraumes wichtiges Thema. 20 VCS MAGAZIN 4/18
DOSSIER Der 31-jährige Berner Geograf © Nelly Jaggi Daniel Baehler hat herausgefunden: Menschen, die ohne eigenes Auto leben, teilen gerne. PAWO: ein wegweisendes VCS-Projekt Die Plattform autofrei/autoarm Wohnen (PAWO) ist das Schweizer Kompetenzzentrum für Wohnbau und nachhaltige Mobilität. PAWO hat ein Netzwerk mit wichtigen Akteuren des Wohnbaus aufgebaut und organisiert regelmässig Fachanlässe. Herzstück © Nelly Jaggi der Plattform ist eine umfassende Website mit allen wichtigen Informationen zum autofreien und autoarmen Wohnen. Sie umfasst Hintergrundwissen und liefert Argumente, Grundlagen und detaillierte Beschriebe zahlreicher Beispiele (insbesondere der der Siedlung planen, in dem Feste gefei- mit zwei Kindern wegfahren? Als sie sa- meisten bestehenden Siedlungen in der Schweiz). ert werden können? Oder Gästezimmer hen, dass es andere schaffen, probierten Ausserdem stellt sie praktische Informationen zur zur Verfügung stellen, damit der Besuch sie es auch. Im Nachhinein lautete das rechtlichen Situation sowie zur Standorteignung gleich vor Ort übernachten kann? Fazit oft, dass es kein Problem ist, wenn eines Kandidatenprojektes zur Verfügung. man ein wenig plant und organisiert. PAWO ist ein Projekt des VCS Verkehrs-Club der Fördert die gemeinsame Lebenshal- Schweiz – die Städtekonferenz Mobilität und Fuss- tung einen besseren Austausch und Letztlich reduzieren die hohe verkehr Schweiz sind Projektpartner. Die Plattform damit auch die Idee des Teilens? Lebensqualität und die gemein- wurde mit finanzieller Unterstützung des Dienstleis- Wenn alle ähnliche Werte teilen, tauscht schaftlichen Aktivitäten aber auch tungszentrums für innovative Mobilität des UVEK man sich mehr aus. Mietet jemand am einfach die Mobilitätsbedürfnisse? aufgebaut. Namhaft beteiligt war auch Interview- Wochenende einen Mobility-Transpor- Wenn es in der Siedlung ein Freizeitan- partner Daniel Baehler. ter, um in den Baumarkt zu fahren, gebot gibt, muss man nicht jedes Wo- fragt er seine Nachbarn eher, ob sie auch chenende einen Ausflug planen. Das Kontakt: Samuel Bernhard, Projektleiter, etwas brauchen. Viele Bewohnerinnen Teilen und gemeinsame Gestalten des info@wohnbau-mobilitaet.ch und Bewohner regeln solche Dinge auch Aussenraumes gewinnen an Bedeutung. Weitere Informationen: www.wohnbau-mobilitaet.ch über eigens dafür eingerichtete Kom- munikationskanäle wie Chatgruppen Letzteres funktioniert nur mit einem oder Blogs. gemeinsamen Konsens. Die durch- schnittliche Bewohnerin der Agglo- Man spricht also mehr zusammen? meration will vielleicht lieber eine Ein typischer Autofahrer kommt mit sei- sterile Rasenfläche, weil sonst nem Auto in die Einstellhalle und fährt Kinderlärm und Grillfeste bis mit dem Lift in seine Wohnung. Kommt Mitternacht drohen? man zu Fuss oder mit dem Velo in die Sicher. Mit solchen Räumen Siedlung, trifft man sich öfter. entstehen auch viele Konflikte. Allein das führt dazu, dass es mehr Der typische Investor entschei- Austausch gibt und mehr geteilt wird. det sich deshalb gerne für eine Ein spannendes Beispiel dafür, wie wich- einfache Rasenfläche. Vielleicht tig der Austausch ist, sind Ferien: Der mit einem definierten Bereich, auf erste Gedanke derjenigen, die ein Auto dem Kinder zu bestimmten Zeiten hatten, bevor sie in die Siedlung gezogen herumrennen dürfen, aber ansons- sind, war oft, dass man für Ferien ein ten ohne zu viele einladende Möglich- Auto mieten muss. Wie will man sonst keiten für Aktivitäten. VCS MAGAZIN 4/18 21
DOSSIER Heizen, kochen, Auto fahren … Von Nelly Jaggi Ein innovatives Pilotprojekt auf dem Areal Erlenmatt Ost in Basel verbindet zum ersten Mal in der Schweiz die Gebäudetechnik mit einem E-Carsharing-Angebot und ermöglicht damit das Teilen von Strom und Mobilität. S trom aus eigener Produktion fürs Wohnen und fürs Autofahren: Das ist auf dem Areal Erlenmatt Ost in Ba- dem produzierten Strom wird nun nicht mehr nur gekocht und via Wärmepum- pe geheizt, sondern auch ein Elektroauto Kommt es bei guten Bedingungen zu ei- ner Überproduktion von Strom, kann er in den Autobatterien gespeichert und bei sel seit Oktober Realität. Das Areal, des- gespeist, das in Form eines Carsharing- Bedarf – zum Beispiel abends oder bei sen Bewohnerinnen und Bewohner sich Angebots genutzt werden kann. Schlechtwetter – mittels eines bidirek- den Grundsätzen der 2000-Watt-Gesell- tionalen Ladesystems wieder zurück ins schaft verschrieben haben, deckt seinen Batterien als Pufferspeicher Netz des Areals gespeist werden. Strom- und Wärmebedarf mittels Wär- Das Konzept geht noch einen Schritt Initiantin des sogenannten «Vehicle- mepumpen, Abwärme aus dem Grund- weiter. Bei Nichtgebrauch dienen die to-home»-Projekts ist novatlantis – die wasser und Fotovoltaik-Anlagen. Mit Batterien des Autos als Pufferspeicher: gemeinnützige Gesellschaft für Nach- 22 VCS MAGAZIN 4/18
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