MBZ - Standes politik im Wandel
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MBZ 07/08 2017 Mitteilungsblatt Berliner Zahnärzte Senatorin Kolat und der Kammervorstand im Interview Standes politik im Wandel
Aus der Redaktion 10 Liebe Leserinnen, liebe Leser, • Auch in seinem Leitartikel auf Seite 6 erläutert Dr. Karsten Hee- gewaldt am Beispiel der Validierung, wie die Politik in den Praxis alltag eingreift und wendet sich strikt gegen eine staatliche Gänge- seit Anfang Dezember ist der neue Berliner Senat im Amt, seit lung der Zahnarztpraxen. Anfang Februar der neue Vorstand der Zahnärztekammer Berlin. Gerade hat Ende Juni der Berliner Senat den Entwurf des neuen Berliner Heilberufekammergesetzes verabschiedet. Ende Septem- • Der Fokus der höchsten Gremien der KZV Berlin und der Zahn- ärztekammer Berlin lag diesmal auf Wissenschaft und Fortbildung. ber sind wir zur Wahl zum Deutschen Bundestag aufgerufen. Ob Die Vertreterversammlung der KZV diskutierte mit den Professoren auf europäischer, Bundes- oder Landesebene, überall stehen poli- Dommisch und Dörfer die aktuelle Situation zur Parodontitisthera- tische Entscheidungen ins Haus, die letztlich den Alltag jeder Zahn- pie. In der Delegiertenversammlung der Zahnärztekammer bildete arztpraxis in Berlin betreffen werden. der positive Jahresbericht des Philipp-Pfaff-Instituts einen Schwer- punkt. Wir berichten ab Seite 18. Anlass genug nachzufragen: Wie sind die Positionen der neuen Se- natorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Dilek Kolat, zu aktuellen Themen, die den Berliner Zahnärztinnen und Zahnärzten • Zwei Zahnärztinnen aus Hamburg und Berlin erzählen ab Seite 52 von ihren Erfahrungen in Fortbildungen des Philipp-Pfaff-Insti- unter den Nägeln brennen. Und welche Pläne haben die Mitglie- tuts, von Hypnose und Kommunikation bei der zahnärztlichen Be- der des neuen Kammervorstands für ihre Amtszeit? handlung sowie von einem praktischen Endo-Kurs. Zwei Schwerpunkte werden deutlich. Das neue Kammergesetz möchte den Patienten in den Mittelpunkt stellen, der Kammervor- •BZÄK-Ausschuss Das Mutterschutzgesetz wurde novelliert und war Thema im Beruflicher Nachwuchs, Familie und Praxisma- stand seinen Service für die Berliner Zahnärztinnen und Zahnärzte nagement. Von der Tagung berichten wir auf Seite 30 und infor- weiter ausbauen. Lesen Sie die Interviews ab Seite 10. mieren auf Seite 59 über die wichtigsten Änderungen, die alle An- gestellten, ob Zahnärztin oder ZFA, in den Praxen betreffen. Darüber hinaus dokumentieren wir ab Seite 28 die gesundheits- politischen Perspektiven, die die Bundeszahnärztekammer für die Einen erquicklichen Sommer nächste Legislaturperiode auf Bundesebene einfordert: pro Pati- und eine anregende Lektüre wünscht ent, pro Kollegen, pro Gesellschaft. Stefan Fischer MBZ 07/08 2017 3
Inhalt Foto: BMG / Schinkel Foto: KZV Berlin 28 Beruf & Politik Vertreterversammlung der KZV Berlin 18 eGk-Produktivbetrieb 20 26 Delegiertenversammlung der ZÄK Berlin 22 Minamata-Übereinkommen verabschiedet 24 Digitalisierungs-Konzepte 25 Der KZV-Vorstand unterwegs 26 Gesundheitspolitische Perspektiven der BZÄK 28 Mutterschutz im Fokus 30 A us der Redaktion 3 Zahnmedizin Hypnose und Kommunikation 52 L eitartikel 6 Endo-Revision ohne Mikroskop 53 Kursangebot des Philipp-Pfaff-Instituts 54 M eldungen 8 Dienstagabend-Fortbildung der Zahnärztekammer 56 Fortbildung der BG Paro 56 T hema Seminar der DLG Gesundheit 56 Standespolitik im Wandel Herbstsymposium 2017 58 Interview mit Senatorin Kolat 10 Alte Pfaff-Kataloge gesucht 58 Interview mit dem Kammervorstand 13 Zahnmedizin barriereärmer 78 Anzeige NLP - Medical Prac?ce So beraten und führen Sie geschickt und wirksam! ...effek?v ◆ ethisch ◆ nachhal?g... Universitärer ZerAfikatskurs: Dr. med. dent. Anke Handrock Sie erlernen ein spezielles NLP, dass exakt an die Erfordernisse in www.pp-praeven?on.de Klinik und Praxis angepasst ist ● Sie und Ihr Team arbeiten info@pp-praeven:on.de effizienter, entspannter und zufriedener – zum Wohl der PaNenten! Tel: 030 - 364 30 590 6 Wochenenden (180 Punkte): 19.-21.01. & 2.-4.3. & 13.-15.4. & 1.-3.6. & 24.-26.8. & 14.-16.9.2018 (incl. DVNLP-Prac::oner) (...und NLP-Medical-Masterkurs für Fortgeschri3ene ab 26.01.2018) 4 MBZ 07/08 2017
Inhalt Foto: alice photo - fotolia.com 59 Recht Neues Mutterschutzgesetz 59 GOZ & BEMA GOZ-Workshops erfolgreich gestartet 60 Foto: KZV Berlin Berechnung einer Implantatabdeckung 60 Doppelabrechnung 61 Heilmittel-Richtlinie Zahnärzte 61 64 Praxis & Team Zahnärztliche Händehygiene 62 Abnahmeprüfung für DVT-Bestandsgeräte 64 Urlaubsvertretung 64 Amtliches Prüfungstermine Oralchirurgie 65 Panorama Prüfungstermine Kieferorthopädie 65 Seniorenfahrt nach Wittenberg 71 Prüfungstermine für ZFA 66 Entschädigungsregelung für Kalender FZP-Aufstiegsfortbildung 67 Deutscher Zahnärztetag 78 Kammerbeitrag 67 Brandenburgischer Zahnärztetag 78 Sitzungstermine des Zulassungsausschusses 68 Delegiertenversammlung der ZÄK Berlin 68 Rubrik-Anzeigen 72 Vertreterversammlung der KZV Berlin 68 Impressum 75 Neuzulassungen im Juni 70 Ansprechpartner 77 Anzeige MedConsult MedConsult Wirtschaftsberatung Wirtschaftsberatung fürfürmedizinische medizinischeBerufe Berufe Praxisverkauf Praxisverkauf Burkhardt Burkhardt Otto Otto Praxiswertermittlung Praxiswertermittlung Olaf Steingräber Kauf- Kauf- undund Mietvertragsabwicklung Mietvertragsabwicklung Olaf Steingräber Vermittlung von Kaufinteressenten Volker Schorling Vermittlung von Kaufinteressenten Unterstützung bei Vertrags- Unterstützung bei Vertrags- Arztsitzausschreibungen Arztsitzausschreibungen FAB Praxiskauf FAB Praxiskauf Niederlassungsberatung Investitionsberatung Investitionsberatung Niederlassungsberatung Finanzierungsvermittlung MedConsult Finanzierungsvermittlung Versicherungen MedConsult Wirtschaftsberatung für Versicherungen Wirtschaftsberatung medizinische Berufe oHG für Praxiskooperation medizinische Giesebrechtstraße Berufe 6 • 10629 oHG Berlin Praxiskooperation Job-Sharing Partnerschaften Giesebrechtstraße 6 • 213 Tel.: 213 90 95 • Fax: 10629 Berlin 94 94 Job-Sharing Partnerschaften MVZ-Konzepte Tel.: 213 90 E-mail: 95 • Fax: 213 94 94 info@fab-invest.de MVZ-Konzepte E-mail: info@fab-invest.de MBZ 07/08 2017 5
Leitartikel Pläne des Gesetzgebers Gegen eine staatliche Gängelung der Zahnarztpraxen Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit nunmehr gut vier Monaten ist der neue Vorstand dank Ihres re Aufbereitungsmaschinen eingelegt, die bestätigen sollen, dass Vertrauens bei der Kammerwahl im Amt, und seit dem zweiten Ju- die angegebenen Temperatur- und Vakuumdaten auch der Rea- ni-Wochenende liegt die erste Klausurtagung hinter uns. Alle Vor- lität entsprechen. Das ist Otto Normalbürger nicht verständlich zu standsmitglieder sind in ihrem neuen Bereich gut eingearbeitet. Wir machen. Und um noch einen draufzusetzen, werden drei Durch- schauen nach vorn und sind für die Interessen der Zahnärzteschaft gänge dieser Leistungskontrolle verlangt. Die Kammer steht zurzeit gut aufgestellt. Dafür zu kämpfen, lohnt sich und ist aktuell mehr als in Verhandlungen mit dem Landesamt für Gesundheit und Sozi- erforderlich. Denn die Pläne der staatlichen Seite bedrohen unse- ales (LAGeSo), um ein alternatives Verfahren genehmigt zu be- re Selbstverwaltung und damit die Praxis jedes einzelnen Kollegen. kommen. Das würde einen Durchgang bei der Leistungskontrolle So stellt das Anfang März in Kraft getretene sogenannte „Selbst- beinhalten und nach Untersuchungen vieler Validierungen in der verwaltungsstärkungsgesetz“ eine Gefahr für Kammer und KZV Vergangenheit eine ebenso hohe Qualität garantieren. Für die Pra- dar. Der Name an sich ist schon eine euphemistische Perversi- xis hieße das, die Kosten und die Praxisausfallzeit würden enorm on. Möchten doch das Bundesgesundheitsministerium und die reduziert. Gesundheitsverwaltungen der Länder das genaue Gegenteil: Drücken Sie uns bei den Verhandlungen die Daumen, denn ein die Selbstverwaltung schwächen und direkt Einfluss z. B. auf kammereigener Validierungsdienst ist – wie unser bewährter Q- unser Haushaltsrecht nehmen. Dabei handelt es sich nicht etwa BuS-Dienst – immer besser auf die Bedürfnisse unserer Praxen um öffentliche Steuern, die wir für uns investieren, sondern um eingestellt als private Unternehmen auf dem Markt, die derzeit die- die Gelder unserer Mitglieder für unsere Mitglieder. Doch es se Aufgabe übernehmen. passiert immer häufiger, dass die Senatsverwaltung bei ureige- Ständig ansteigende Hygienestandards müssen wir nur deshalb nen Aufgaben der Kammer ein Mitspracherecht einfordert und ertragen, weil in anderen Medizinbereichen wie den Krankenhäu- versucht, unsere inhaltliche Ausrichtung mitzubestimmen. sern oft hygienische Mängel offenbar werden. Unsere Zahnarzt- praxen werden hier in eine Gesamthaftung ge- Wir werden für Foto: ZÄK / Titze nommen, obwohl unser Hygienemängel anderer kammereigener Q-BuS- Dienst durch engagierte in Gesamthaftung genommen, Mitarbeiter einen aner- obwohl der kammereigene kannt hohen Hygiene- standard erreicht hat. Q-BuS-Dienst einen anerkannt Unsere Zahnarztpraxen hohen Standard hat. sind gut aufgestellt und werden trotzdem wei- Ein Beispiel hierfür ist eine ter gegängelt. Begehungen durch das LAGeSo bringen neue Unru- eigene Validierungsstelle, he in unsere Praxen. Doch unser Q-BuS-Dienst hat sich im neuen die die Zahnärztekammer Zyklus, der im nächsten Jahr beginnt, zum Ziel gesetzt, die Praxen Berlin im Referat Praxisfüh- für diese Begehungen fit zu machen. Wir werden diese Anforderun- rung gründen möchte. Diese gen vorstellen, um damit den Inhabern und Mitarbeitern ihre Sor- Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Zahnärztekammer Berlin stößt derzeit auf Widerstän- gen zu nehmen. de in der Gesundheitsver- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kammerarbeit lohnt sich für uns waltung – und auch Senato- alle. Ich verspreche Ihnen, dass der Vorstand immer für die Inter- rin Kolat äußert sich dazu im Interview mit dem MBZ (Seite 10) leider essen der Berliner Zahnärzteschaft eintreten wird, auch wenn uns nur vage. Neben dem Qualitätsmanagement, Betriebsärztlichen und der Wind zurzeit ins Gesicht bläst. Wir sind für Sie da! Sicherheitstechnischen Dienst (Q-BuS-Dienst) soll die Validierung un- sere Praxen auf sicherem Weg durch den aufgrund neuer Gesetze im Herzliche Grüße Hygienebereich immer dichteren Bürokratiedschungel führen. Ihr Denn es reicht leider nicht, wenn ein gewarteter Sterilisator fehler- frei arbeitet und wir mit unserem Teststreifen in der Helix nachwei- sen, dass er auch wirklich funktioniert. Die Richtlinien des Robert- Koch-Instituts fordern einen weiteren Funktionsnachweis – die Validierung. Bei der Validierung werden Fremdmessgeräte in unse- Karsten Heegewaldt 6 MBZ 07/08 2017
Meldungen Deutscher Ärztetag Finanzergebnisse der Krankenkassen Gesundheitsunterricht GKV-Reserven steigen an Schulen gefordert auf 25 Milliarden Euro D D Foto: Jakub Krechowicz- Fotolia.com er 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg hat eine frühzeiti- ie Gesamt- ge Förderung der Gesundheit und der gesundheitlichen reserven in Kompetenzen im Kindes- und Jugendalter gefordert. der gesetzli- „Kinder und Jugendliche sollen körperliche und seelische Prozes- chen Krankenversiche- se besser verstehen und Kenntnisse sowie die Motivation zu einer rung (GKV) sind auf gesundheitsförderlichen Lebensführung erlernen“, heißt es in ei- 25 Milliarden Euro ge- ner Entschließung des Ärzteparlaments. stiegen. Sie setzen sich Um dieses Ziel zu erreichen, schlägt die Ärzteschaft vor, gesund- aus den Reserven der heitsrelevante Themen in die Ausbildung von Lehrern und Erzie- Krankenkassen in Höhe von 15,9 Milliarden Euro und den Mitteln hern sowie in die schulischen Lehrpläne aufzunehmen. Denkbar im Gesundheitsfonds in Höhe von 9,1 Milliarden Euro zusammen. seien projektbezogener Unterricht, eigene Unterrichtseinheiten so- Demnach erwirtschafteten die Kassen im vergangenen Jahr einen wie ein eigenes Schulfach. An allen Schulen sollte im Lehrplan das Überschuss von 1,38 Milliarden Euro: 224,15 Milliarden Euro an Ein- Fach „Gesundheit und Prävention“ ab der ersten Jahrgangsstufe nahmen standen Ausgaben von 222,77 Milliarden Euro gegenüber. bis zum Schulabschluss eingeführt werden. Der Ärztetag forder- 2015 hatten die Krankenkassen noch ein Minus von 1,13 Milliarden te die Kultusministerkonferenz dazu auf, die entsprechenden Rah- Euro zu verzeichnen. Der Gesundheitsfonds schloss 2016 mit einem menbedingungen zu schaffen. Minus von rund 865 Millionen Euro ab, verfügte allerdings zum Jah- resende noch über Finanzreserven in Höhe von 9,1 Milliarden Euro. PM BÄK PM BMG Jugend forscht Marburger erfinden Zahncremes im Test Zahnarzt-Lampe Billig putzt am besten D D Foto: Stiftung Jugend forscht e. V. rei Studen- as Verbrauchermagazin Öko-Test unterzog 37 Zahn- ten des cremes einer genauen Prüfung, darunter auch Natur- Zentrums kosmetikprodukte. Ein Drittel erhielt in der Mai-Ausgabe für Zahn-, Mund- und nur ein „mangelhaft“ oder „ungenügend“. Kieferheilkunde in So verwenden beispielsweise zwölf Pasten zum Schäumen Na- Marburg haben beim triumlaurylsulfat, ein aggressives Tensid, das die empfindlichen Bundeswettbewerb Schleimhäute reizen kann. Zudem bemängelten die Tester, dass „Jugend forscht“ den fünf der Zahncremes, vorwiegend Naturkosmetikprodukte, kein ersten Preis in der Ka- Fluorid aufwiesen. Stattdessen kam hier Xylitol zum Einsatz. tegorie Arbeitswelt ge- Zu den Spitzenreitern im Test gehören die besonders günstigen wonnen. Sie entwi- Die Bundessieger in der Kategorie Arbeits- Zahnpasten. Von den 37 getesteten Zahncremes schnitten die ckelten eine Lampe, welt: v. l. Saeed Mohamad, Flavio Krug und Pasten der Discountermärkte am besten ab. Albrecht von Bülow die Zahnärzten die Ar- beit erleichtert. PM Öko-Test Stressfreies Legen von Kompositfüllungen – alles eine Frage der Be- leuchtung. Albrecht von Bülow (20), Flavio Krug (18) und Saeed Berliner Hilfswerk Zahnmedizin Mohamad (20) wissen als Studenten der Zahnmedizin um ein all- tägliches Problem aus der Zahnarztpraxis: Füllmaterial, das beim Auf- Dank für große Hilfe B tragen durch die Ausleuchtung der Mundhöhle mit herkömmlichen Dioden schnell zäh und spröde wird. ei der Meldung im MBZ 06/2017 zur gespendeten Be- Die drei Jungforscher haben deshalb eine Lampe entwickelt, die ein handlungseinheit für die Zahnarztpraxis für Obdachlose zu schnelles Aushärten des Materials verhindert. Sie basiert auf gel- fehlte durch ein technisches Versehen die Bildunterschrift, ben und türkisen LEDs und sorgt dennoch für kräftiges weißes Licht, so dass der Spender nur im Web-Link erwähnt wurde. Herzlichen wodurch sich die Verarbeitungszeit des Komposits vervielfacht. Dank noch einmal an rdv Dental. PM Jugend forscht BHZ 8 MBZ 07/08 2017
Thema Die Gesundheitssenatorin im Interview Der Patient im Mittelpunkt S eit Dezember ist der neue Berliner Senat im Amt und da- mit auch die Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleich- stellung. Ende Juni hat der Berliner Senat den Entwurf des neuen Berliner Heilberufekammergesetzes verabschiedet. Anlass für uns, bei Senatorin Dilek Kolat, SPD, nachzufragen, welche Zie- richtungen und die Einbeziehung anderer Berufsträger in eine Behandlung werden jetzt im Berufsrecht abgebildet. Die Weiter- bildung der Kammermitglieder als Kernaufgabe der Selbstverwal- tung wird flexibilisiert und entbürokratisiert. Die Berufsaufsicht wird gestärkt, indem die Vorschriften für das berufsrechtliche Verfahren le im Fokus der Änderung standen und wie ihre Position zu aktu- angepasst werden. Aufgrund einer Erweiterung des Sanktionsrah- ellen Themen ist, die den Berliner Zahnärztinnen und Zahnärzten mens können die Kammern bei Berufsvergehen ihrer Mitglieder unter den Nägeln brennen. neben Rügen und Geldauflagen auch Maßnahmen zur Qualitäts- sicherung verhängen. Frau Senatorin Kolat, Sie sind ein halbes Jahr im Amt. Gab es für Sie in Ihrer Einarbeitungszeit Unerwartetes, Überraschen- Welche Chancen bietet das Gesetz vier Jahrzehnte nach der des im Bereich der Gesundheitsthematik, womit Sie nicht ge- letzten großen Änderung des Berliner Kammergesetzes spezi- rechnet haben? ell den Berliner Zahnärzten und deren Patienten? Senatorin Dilek Kolat: Nicht innerhalb des Tagesgeschäftes. Al- Das Gesetz bietet den rechtlichen Rahmen für die fünf Heilbe- lerdings hat uns natürlich der fürchterliche Terroranschlag am 19. rufekammern in Berlin, die sich in ihrer Mitglieder- und Beschäf- Dezember überrascht und zutiefst erschüttert. Die Sicherheitsbe- tigtenanzahl stark unterscheiden. Die Kammern haben während hörden, Feuerwehr und der Krisenstab in meiner Verwaltung ha- der Erstellung des Gesetzentwurfs die Gelegenheit erhalten, ben gut und engmaschig zusammengearbeitet. In den Kranken- ihre Anliegen und Änderungswünsche einzubringen. Ich glaube häusern waren Hunderte Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und deshalb, dass auch alle Kammern gut damit arbeiten können. Pfleger in Bereitschaft, weil der interne Alarm gut funktioniert hat. Spezielle Regelungen für einzelne Kammern und ihre Mitglie- Ich war beeindruckt, wie viele auch außerhalb der Bereitschaft ge- der kann die Selbstverwaltung als Satzungsrecht beschließen. kommen sind, um zu helfen. Das Gesetz ermächtigt die Kammern an verschiedenen Stellen, konkretisierende Regelungen zu treffen. Die Zahnärztekammer Ende Juni hat der Berliner Senat den Entwurf des neuen Ber- Berlin kann diesen Gestaltungsspielraum für die Berliner Zahn- liner Heilberufekammergesetzes verabschiedet. Was sind die ärztinnen und Zahnärzte und deren Patientinnen und Patien- grundlegenden Neuerungen für die betroffenen fünf Heilbe- ten nutzen. rufekammern in Berlin? Inhaltlich soll vor allem die Position von Pa- tientinnen und Patienten verbessert wer- Das neue Kammergesetz sieht erweiterte den. Zum Beispiel durch die Einführung ei- Möglichkeiten der Berufsausübung vor, nes Auskunftsanspruchs, der die Kammern so dass die Vereinbarkeit berechtigt und verpflichtet, Beschwerde- führerinnen und Beschwerdeführern Sach- von Familie und Beruf gewährleistet ist. standsauskünfte zu geben und das Ergebnis der berufsrechtlichen Prüfung mitzuteilen. Eine solche Mitteilung der Kammern war bisher ohne die erforder- Immer mehr, vor allem junge Zahnärztinnen und Zahnärzte liche Rechtsgrundlage nicht zulässig. Besonders die Patienten- und legen Wert auf ein gutes Miteinander von Beruf und Familie. Datenschutzbeauftragten haben das kritisiert und deshalb wird das Inwieweit geht der Kammergesetz-Entwurf auf diese Bedürf- jetzt geändert. Eine weitere Verbesserung zum Schutz der Patien- nisse ein, z. B. im Bereich der Praxisführung und der zahnme- tinnen und Patienten ist die gesetzliche Verpflichtung der Kam- dizinischen Weiterbildung? mermitglieder, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten. Behandlungsfehler passieren, dürfen aber nicht zu Lasten der Pa- Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein wichtiges Thema, tientinnen und Patienten gehen. Außerdem gibt es Änderungen das ich als Senatorin für Gleichstellung immer mit im Blick habe. und Neuregelungen im Bereich der Berufsausübung und der be- Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist vielen jungen Menschen, ruflichen Kooperation. Zusammenschlüsse verschiedener Fach- nicht nur jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten, wichtig. Aus die- 10 MBZ 07/08 2017
Foto: Sen GPG Thema Dilek Kolat geboren in Kelkit im Nordosten der Türkei, Abitur in Berlin-Neukölln, Studium an der Technischen Universität Berlin, Diplom-Wirtschaftsmathematikerin 1995–1999 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Schöneberg seit 2001 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin für den Wahlkreis Friedenau seit 2004 Kreisvorsitzende der SPD Tempelhof-Schöneberg 2006–2011 stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus 2011–2016 Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen seit Dezember 2016 Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sem Grund wird auch das Weiterbildungsrecht flexibilisiert und die zess-Validierung der Aufbereitungsverfahren nur durch privat- Möglichkeit der Weiterbildung in Teilzeit gesetzlich verankert. Wäh- wirtschaftliche Betriebe der Dentalindustrie möglich, was zu rend das alte Kammergesetz nur die klassische Niederlassung in erheblichen Kosten für die Zahnarztpraxen führt. Das Qualitäts- eigener Praxis kannte, sieht das neue Gesetz erweiterte Möglich- management sowie der Betriebsärztliche und Sicherheitstech- keiten der Berufsausübung vor. Die Führung einer Praxis in der nische Dienst (Q-BuS-Dienst) als Angebot der Zahnärztekam- Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts, zum Beispiel mer Berlin an ihre Mitglieder wird von 90 Prozent der Berliner einer GmbH, wird unter bestimmten Voraussetzungen ausdrück- Zahnarztpraxen angenommen. Wie stehen Sie zu einer Über- lich zugelassen. Zahnärztinnen und Zahnärzte können dort im An- nahme der Validierung – wie in anderen Bundesländern üb- gestelltenverhältnis tätig werden und ihre Arbeitszeiten so festle- lich – durch die neutrale, nicht von wirtschaftlichen Interessen gen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet ist. geleitete und am Patientenwohl orientierte Zahnärztekammer? Künftig können nach dem Entwurf des Heilberufekammerge- Auch hier steht aus meiner Sicht der Patientenschutz im Mittel- setzes auch Studentinnen und Studenten freiwillig Kammer- punkt. Deshalb ist es unverzichtbar, die gesetzlich verankerten mitglied werden. Welche Erwartungen verbinden Sie mit der Forderungen einzuhalten. Das Thema Aufbereitung von Medizin- frühzeitigen Einbindung der Studierenden? produkten in Zahnarztpraxen ist sehr vielschichtig und im Detail fachlich anspruchsvoll. Berliner Aufsichtsbehörde ist das Landes- Studierende können als freiwillige Kammermitglieder die Aufga- amt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), das bei der Über- ben und Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung frühzeitig wachung selbstverständlich den Vorgaben der Medizinproduk- kennenlernen und sich beteiligen. In den verschiedenen Gremien te-Betreiberverordnung (MPBetreibV) und der Empfehlung der und Ausschüssen der Kammern ist viel ehrenamtliches Engage- Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention ment gefragt und es braucht auch hier Nachwuchskräfte, die sich (KRINKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) und des Bundesinsti- für den Berufsstand einsetzen. Der Eintritt in die Berufstätigkeit ver- tuts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (der sog. KRIN- langt den jungen Leuten viel ab, weshalb es gut ist, wenn das In- KO-BfArM-Empfehlung) sowie den geltenden Normen verpflich- teresse für die Kammern schon früher geweckt wird und die Kam- tet ist und auf deren Einhaltung achten muss. Das betrifft auch die mern von dem „frischen Wind“ profitieren können. Validierung des Aufbereitungsprozesses. Dabei ist es nicht vorge- schrieben, wer die Validierung durchführt. Es ist aber in der Medi- Aktuell interessieren sich die Berliner Zahnärzte besonders für zinprodukte-Betreiberverordnung vorgegeben, dass der Validierer die immer höheren Hygieneanforderungen im Bereich der für diese Tätigkeit einschlägig qualifiziert und weisungsunabhän- Aufbereitung von Medizinprodukten, da sie den Ablauf im gig sein und über eine geeignete technische Ausstattung verfügen Praxisalltag stark beeinflussen. Zurzeit ist in Berlin eine Pro- muss. Dazu kommen auch die personellen Ressourcen. Entschei- MBZ 07/08 2017 11
Thema dend wird bei einer behördlichen Inspektion der Zahnarztpraxis Ich sehe eine gute Zusammenarbeit zwischen Senat und der sein, ob alle diese Anforderungen nach den geltenden Vorschrif- Zahnärztekammer. Ich glaube, das hat man auch während des Ge- ten erfüllt sind. setzgebungsverfahrens gesehen. Außerdem findet auf Fachebene ein reger Austausch statt und es besteht ein vertrauensvolles, kol- Die Berliner Zahnärzte suchen intensiv nach Zahnmedizi- legiales Verhältnis. nischen Fachangestellten (ZFA) für ihre Praxisteams. Wenn es auch der Zahnärztekammer gelungen ist, im Vergleich Die SPD sieht in der Bürgerversicherung ein zentrales Projekt der Bundesländer den Anteil der ZFA-Auszubildenden im für die Bundestagswahl. Welche Kriterien sprechen aus Ihrer letzten Jahr um 16 Prozent zu steigern, bleibt doch der Sicht für eine Einführung? Fachkräftebedarf bestehen. Sehen Sie – in Zusammenar- beit mit Ihren Kolleginnen und Kollegen anderer Ressorts – Die Bürgerversicherung ist eine Frage der Gerechtigkeit: Wir wol- Möglichkeiten, z. B. bei den Beschulungszeiten unterstüt- len, dass alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen Zugang zur zend einzuwirken? Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung be- kommen. Es kann nicht sein, dass ganze Bevölkerungsgruppen Die Fachkräftesicherung ist eine große Aufgabe, an der wir alle wie Beamtinnen und Beamte oder Selbstständige mit geringem gemeinsam und stetig arbeiten müssen. Als Arbeitssenatorin hat Einkommen aus dem derzeitigen System der gesetzlichen Kran- mich das Thema umgetrieben und es beschäftigt mich auch jetzt kenversicherung de facto ausgeschlossen sind. im Gesundheits- und Pflegebereich, wo die demografischen Aus- wirkungen besonders deutlich werden. Wenn ich im Rahmen Frau Senatorin Kolat, die Arbeit des Senats steht noch am An- meiner Zuständigkeit unterstützend tätig werden kann, mache fang. Welche weiteren gesundheitspolitischen Schwerpunkte ich das gerne. möchten Sie in dieser Legis- Die Fachkräftesicherung laturperiode setzen? Die Zahnärztekammer setzt sich in vielfältiger Weise ist eine große Aufgabe, Ich möchte beispielsweise die ein: von der Gruppenpro- an der wir alle gemeinsam Investitionsförderung für die phylaxe in Kitas über die Berliner Krankenhäuser erhö- Patientenberatung bis zur und stetig arbeiten müssen. hen. Es ist eines meiner zen- Seniorenzahnmedizin, von tralen Projekte, bei den Kran- der Verbesserung der Mundgesundheit von Menschen mit kenhausinvestitionen ein gutes Stück voranzukommen. Für die Behinderung bis zur Behandlung von Wohnungslosen und Patientinnen und Patienten ist es ganz wichtig, dass sie nicht in Menschen ohne Krankenversicherung. Wie bewerten Sie maroden Krankenhäusern liegen müssen. Die Investitionen sind das soziale Engagement der Berliner Zahnärztinnen und aber auch für die Arbeitsbedingungen dort sehr bedeutsam. Es Zahnärzte? geht also zum einen um eine bessere Versorgung der Bevölke- rung, zum anderen um die Beschäftigten im Gesundheitswesen. Es ist natürlich toll, wenn sich einige Zahnarztpraxen für Menschen Ein weiterer Schwerpunkt ist der gleiche Zugang für alle zur Ge- ohne Krankenversicherung und für andere Mittellose einsetzen, in- sundheitsversorgung, unabhängig von der sozialen Stellung. Wir dem sie mit ihrem Wissen, durch Spenden und durch ehrenamt- haben zwar in Berlin eine Überversorgung mit Kassenärzten, in liche Arbeit helfen. Gleiches gilt für das Engagement für die Zahn- den ärmeren Bezirken aber oft zu wenig Fachärzte. Außerdem gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Auch hinsichtlich des wollen wir den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken. Wichtig Kinderschutzes gibt es bereits eine Zusammenarbeit zwischen den ist mir auch die Pflege, die in der neuen Verwaltung deutlich auf- Berliner Zahnärztinnen und Zahnärzten sowie den zuständigen Be- gewertet wird. Nicht nur im Titel und in der ministeriellen Struk- hörden wie Gesundheits- und Jugendämtern. tur, sondern vor allem natürlich auch inhaltlich. Ich sage immer ganz gerne: 17 Prozent der Berlinerinnen und Berliner haben Wie schätzen Sie die Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Kinder, aber alle haben Eltern, die auch Gott sei Dank immer äl- Senat und der Zahnärztekammer Berlin ein? Wo sehen Sie ter werden. Da spielt das Thema Pflege dann eine große Rolle. Optimierungsmöglichkeiten oder -notwendigkeiten, wo Syn- ergieeffekte? Interview: Stefan Fischer 12 MBZ 07/08 2017
Thema Der Vorstand der Zahnärztekammer Berlin im Interview Service für unsere Kolleginnen und Kollegen Zahnärzte arbeiten die Körper- Foto: ZÄK Berlin schaften ZÄK Berlin und KZV Berlin seit Jahren erfolgreich zu- sammen. Gibt es Pläne für wei- tere gemeinsame Projekte? Sehen Sie Verbesserungsmög- lichkeiten? Die Zusammenarbeit von Kammer und KZV in Berlin könnte nicht bes- ser sein. Das hat kürzlich auch wie- der die gemeinsame Vorstandssit- zung gezeigt. Neben den genannten Projekten möchten wir in Zukunft bei den Themen Qualitätsmanagement, Landesarbeitsgemeinschaft Berlin zur Verhütung von Zahnerkrankun- gen e. V. (LAG), Gutachterschulun- Der Vorstand der Zahnärztekammer Berlin gen oder gemeinsame Auftritte in den neuen Medien die Zusammen- arbeit weiter intensivieren. Kammer Herr Dr. Heegewaldt und Herr Dr. Dreyer, der neue Vorstand und KZV sollten nach außen mit ei- der Zahnärztekammer Berlin ist bald fünf Monate im Amt. Mit- ner Stimme sprechen. te Juni trafen Sie sich zu Ihrer ersten Klausurtagung, um sich Foto: ZÄK / Titze Gedanken über die künftige Ausrichtung der Kammer zu ma- Herr Dr. Heegewaldt, in ein chen. Wofür steht der neue Vorstand? Welche Themen stehen paar Wochen findet die Bun- referatsübergreifend in den nächsten Jahren für Sie im Fokus? destagswahl statt. Welche Wünsche haben Sie an die Ge- Service für unsere Kolleginnen und Kollegen ist die Kernmar- sundheitspolitik auf Bundes- ke der Zahnärztekammer Berlin. So sollen unsere Praxen zum ebene? Beispiel im neuen Zyklus des Q-BuS-Dienstes auf Begehungen durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) vor- Wir wünschen uns von einer zu- bereitet werden, damit Ängste in unseren Praxen genommen künftigen Bundesregierung ein und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem LAGeSo ver- deutliches Bekenntnis zur Freibe- tieft werden können. ruflichkeit. Wir erwarten eine klare Dr. Karsten Heegewaldt Grundsätzlich steht der Vorstand für Transparenz, den Erhalt der Absage an eine Bürgerversiche- Präsident Freiberuflichkeit und die Stärkung der Selbstverwaltung, da sie am Mitglied des Vorstands der Bun- rung und stattdessen eine patien- nächsten am Berufsalltag der Kollegen ist. deszahnärztekammer (BZÄK) tenorientierte Weiterentwicklung BZÄK-Vorstandsreferent Soziale Viele Gesetze in Deutschland und Europa gefährden gerade die Aufgaben, Hilfsorganisationen der dualen Krankenversicherung, Einheit unseres Berufsstandes – nur unsere Selbstverwaltung ga- Mitglied im BZÄK-Ausschuss um die uns die ganze Welt benei- Praxisführung und Hygiene rantiert ein selbstbewusstes, deutliches und einheitliches Auftreten det. Wir fordern einen Bürokra- gegenüber den politischen Kräften unseres Landes. Wir streben ei- tieabbau in unseren Praxen, der nen konstruktiven Dialog mit unserer Senatsverwaltung und dem seinen Namen verdient, und eine Stärkung unserer Selbstver- Bundesministerium für Gesundheit an. waltung. Wir erwarten die Beibehaltung der freien (Zahn-)Arzt- wahl und eine gute Prävention für unsere Patienten, die auch Bei einigen Projekten wie dem Berliner Zahnärztetag, dem durch mehr Geld im System untermauert wird. Wichtig ist die Herbstsymposium und der Patientenberatung der Berliner Beibehaltung eines guten und ständigen Dialogs mit der Politik. MBZ 07/08 2017 13
Thema In den letzten Jahren hat sich die Zusammenarbeit mit der und vielen weiteren Akteuren in der Zahnklinik der Cha- Berliner Senatsverwaltung positiv entwickelt. Wie vertritt die rité in Berlin-Wilmersdorf veranstaltet, war letztes Jahr so Kammer die Interessen der Berliner Zahnärzte auf der politi- gefragt, dass sogar interessierten Schulklassen abgesagt schen Ebene? werden musste. Was steckt hinter dem Erfolg und welches Ziel verfolgen Sie mit dieser Veranstaltung? Wir pflegen mit allen politischen Ebenen eine gute Kommuni- kation. Nur auf diesem Weg können wir zum Beispiel die Mitar- Der große Aktionstag mit Kinder-Uni, einem Marktplatz Zahn- beiter der Senatsverwaltung für unsere Themen sensibilisieren. gesundheit, einem Bakterienabwehrzelt, Kariestunnel, mit Kino Ein Gegeneinander bringt eine unnötige Konfrontation. So konn- und vielem mehr spricht Schüler altersgerecht und spielerisch ten wir in der Vergangenheit beim Thema Hygiene trotz immer an, sich mit dem Thema Mundgesundheit auseinanderzusetz- neuer gesetzlicher Regelungen, hervorgerufen durch Probleme in ten. Spannende Vorlesungen für die Schüler bieten die Möglich- Krankenhäusern, in Verhandlungen unter Einbeziehung des Pati- keit, in der Kinderzahnheilkunde den zahnärztlichen Arbeitsplatz entenschutzes passgenaue Anforderungen für unsere Praxen er- mal anders kennenzulernen. Die Angebote aller Abteilungen reichen. der Charité-Zahnmedizin und der weiteren Beteiligten geben die Gelegenheit, Mundgesundheit auf vielfältige Weise zu er- Herr Dr. Dreyer, mit dem Refe- leben. rat Öffentlichkeitsarbeit haben Die Rückmeldungen der Kinder und der Lehrer zeigen, dass wir Sie in den letzten Jahren er- damit unser Ziel, die Kinder für die Mundgesundheit zu interes- folgreich regelmäßige Veran- sieren, erreichen. Die große Nachfrage erfüllt alle Beteiligten mit staltungen für den zahnärzt- Stolz, spornt uns an, diesen tollen Aktionstag weiterhin zu veran- lichen Nachwuchs etabliert. stalten und dem Gedanken der Prävention in Patienten-Veranstal- Warum liegt Ihnen diese Ziel- tungen zusätzliche Impulse zu verleihen. gruppe besonders am Herzen? Herr Dr. Förster, durch vielfäl- Mit dem Netzwerk Junge Zahn- tige Aktionen wie z. B. Messe- Dr. Michael Dreyer ärzte und dem Welcome Day auftritte und eine große Kam- Vizepräsident für unsere Neumitglieder wol- pagne des ZFA-Referats ist im Öffentlichkeitsarbeit len wir neue Anknüpfungspunkte letzten Jahr die Zahl der ZFA- Zahnärztl. Behindertenbehandlung zur Zahnärztekammer bieten, In- Auszubildenden um stolze 16 formationen in persönlichen Ge- Prozent gestiegen. Gibt es noch sprächen weitergeben, aber auch mögliche Hemmschwellen weiteres Potenzial, um die Aus- gegenüber der Institution Zahnärztekammer abbauen. Selbst- zubildendenzahl zu erhöhen verständlich möchten wir auch das Interesse an der berufs- und dem wachsenden Fach- politischen Tätigkeit der Kammer verstärken und die Unter- kräftemangel entgegenzuwir- Dr. Detlef Förster stützungsmöglichkeiten zum Beispiel bei der Niederlassung Aus- und Fortbildung ken? darstellen. Zahnmedizinischer Fach Gerade aus den Gesprächen mit jungen Kollegen über deren Pro- angestellter Die Anpassung der Ausbildungs- bleme im Arbeitsalltag können wir neben konkreten Hilfen auch vergütung ist nach wie vor von zukünftige Ausrichtungen der Kammer erarbeiten. Die jungen Kol- zentraler Bedeutung; derzeit laufen wieder Tarifverhandlun- legen sind unsere Zukunft und werden noch viel mehr Zeit im Be- gen. Uns ist es wichtig, dass die ZFA-Ausbildungsvergütung im rufsalltag verbringen als wir schon länger Tätigen. Die Kammer ar- Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen attraktiv und kon- beitet für die Zukunft der Zahnärzte, deshalb liegen mir die jungen kurrenzfähig bleibt. Darüber hinaus engagieren wir uns regel- Kollegen besonders am Herzen. mäßig auf Ausbildungsmessen und konzipieren laufend neue, zeitgemäße Werbemittel wie zum Beispiel Infobroschüren Der Tag der Zahngesundheit, den die ZÄK Berlin mit dem oder Postkarten und überlegen uns zielgruppengerechte An- CharitéCentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, sprechmöglichkeiten für Schüler und potenzielle ZFA-Auszu- den Zahnärztlichen Diensten der Bezirksämter, der LAG bildende. 14 MBZ 07/08 2017
Thema Welche konkreten Ziele und Wünsche haben Sie für Ihr Re- endlich zum Abschluss bringen. Wir möchten außerdem das The- ferat? ma Qualitätszirkel wieder mehr in den Fokus rücken und begin- nen jetzt mit einer Umfrage zum Thema. Den Fragebogen gibt es Ich wünsche mir, dass unsere nicht-ärztlichen Kollegen in den ab Herbst bei uns im Referat. Ich würde mich freuen, wenn die Praxen für ihre Arbeit noch mehr wertgeschätzt werden, damit Dienstagabend-Fortbildung weiter so gut angenommen wird und sie ihre Freude am Beruf behalten. Um die Ausbildungsqualität auch Wünsche für Themen und Referenten des nächsten Jahres konstant sichern zu können, ist es unser Ziel, dass die Ausbil- an mich herangetragen werden. dung kontinuierlich in Praxis und Berufsschule erfolgt und dass Fotos: ZÄK / Titze die Fehlzeiten der Schüler deutlich reduziert werden. Wir en- Herr Dr. Kesler, mit welchen gagieren uns zudem für weiter wachsende Ausbildungszahlen Maßnahmen und Einrichtungen und für optimale Ausbildungsbedingungen, die mit dem zahn- unterstützt das Referat Praxis- medizinischen Fortschritt Schritt halten. Deshalb beteiligt sich führung die Berliner Zahnarzt- die ZÄK Berlin auch im BZÄK-Ausschuss an der Novellierung Kolleginnen und Kollegen im der Ausbildungsverordnung für ZFA. Praxisalltag? Frau von Hoyningen-Huene, wa- Bei der Führung einer Zahnarzt- rum ist Ihrer Meinung nach eine praxis ist eine Fülle von Richtlini- Änderung der Weiterbildungs- en, Verordnungen und Gesetzen ordnung (WBO) notwendig? zu beachten. Getreu dem Motto Dr. Helmut Kesler Welche Punkte betrifft dies be- Praxisführung „Wir sind für Sie da!“ wollen wir sonders? Prophylaxe vom Referat Praxisführung un- seren Mitgliedern möglichst um- Die neue WBO soll die Quali- fänglich mit Beratung, Information und Angeboten zu allen Fra- tät der Weiterbildung verbes- gen der zahnärztlichen Praxisführung zur Seite stehen. Dabei sern und gleichzeitig die aktuelle ist es mir besonders wichtig, dass wir unsere Mitglieder rechts Rechtslage abbilden. Die theo- sicher in der Praxisorganisation, dem Arbeitsschutz und der Hy- ZÄ Juliane v. Hoyningen-Huene M. Sc. retischen Inhalte werden festge- giene unterstützen. Daneben wird das Thema Patientenschutz Zahnärztliche Fort- und schrieben, die dann durch Fortbil- bei uns großgeschrieben. So verantwortet z. B. unsere Zahn- Weiterbildung, Hochschulwesen dungen oder den Weiterbildungs- ärztliche Stelle die Qualitätssicherung nach der Röntgenverord- Beruf und Familie berechtigen vermittelt werden. nung und die Aktualisierung der Fachkunde sowie Kenntnis- Der Gesetzgebung insbesonde- se im Strahlenschutz für die Zahnarztpraxen. Die bekannteste, re zur Anerkennung der im europäischen Ausland erworbenen sichtbarste und praxisnahste Unterstützung unserer Mitglieder Fachzahnarzttitel wird Rechnung getragen. Bisher war die Un- dürfte jedoch unser Q-BuS-Dienst darstellen. terbrechung der Weiterbildung sowie eine Teilzeitweiterbildung zeitlich nur sehr begrenzt möglich. Mein Wunsch ist es, die Wei- Welche konkreten Ziele und Wünsche haben Sie für Ihr Re- terbildungsordnung an die Musterordnung der BZÄK anzuglei- ferat? chen. Diese empfiehlt eine Gesamtzeit von sieben Jahren, in der die Weiterbildung abgeschlossen werden muss. Auch die Wir werden den zunehmenden Hygieneanforderungen mit praxis- Weiterbildung in Teilzeit wäre dann ohne Angabe von Gründen nahen Lösungen begegnen, so dass alle geforderten Rechtsvor- möglich – ein wichtiger Schritt zur Vereinbarkeit von Beruf und schriften einfach, aber sicher dokumentiert werden können. Wir Familie. möchten unser Portfolio an Dienstleistungen sukzessive erweitern. Zu den von uns angestrebten Serviceleistungen sollen z. B. nicht Welche konkreten Ziele und Wünsche haben Sie für Ihr Re- an wirtschaftlichen Interessen orientierte Validierungen der Auf- ferat? bereitungsverfahren von Medizinprodukten gehören. Zusätzlich werden wir zukünftig alle Arbeitsmittel neben der gewohnten ana- Die WBO ist schon meine Hauptbaustelle, seit ich vor mehr als logen Papierform auch in digitaler Form und gegebenenfalls inter- sechs Jahren das Referat übernommen habe. Die möchte ich jetzt aktiv anbieten. MBZ 07/08 2017 15
Thema Herr Dr. Kuhn, die Anfragen im Re- nen und Kollegen war die GOZ-Einführung gedacht, zum Thema ferat Berufsrecht nehmen – auch Steigerungsfaktor hatten wir dann generell Zahnärztinnen und Zahn- in ihrer Schärfe – von Jahr zu Jahr ärzte eingeladen. Dies taten wir aus der Erfahrung des Referates he- deutlich zu. Woran liegt das? Ha- raus, denn immer wieder gibt es gerade dazu viele Fragen auch aus ben sich die Themenschwerpunk- „gestandenen“ Praxen. Zum Thema Analogberechnung haben wir te verlagert? den Teilnehmerkreis auch für das Praxispersonal geöffnet, da sich in den meisten Fällen die oder der ZMV um diese teils sehr komplizier- In den letzten Jahren hat sich die te Berechnungsform in den Praxen kümmert. Die Hauptzielgruppe Möglichkeit für Patienten, ihre Rechte werden aber auch in Zukunft die jungen Zahnärztinnen und Zahn- im Behandlungsvertrag wahrzuneh- ärzte sein. Wir möchten sie gerne an die Zahnärztekammer heran- men, sehr deutlich erweitert. Mit dem führen und uns speziell um deren Bedürfnisse kümmern. Dr. Dietmar Kuhn Berufsrecht, Schlichtung, Gutachter Patientenrechtegesetz sind 2013 klar definierte Anforderungen geregelt Mitgliederverwaltung Patientenberatung worden. Nicht zuletzt durch das Inter- Wir möchten uns speziell um net ist der Informationsstand hierüber die Bedürfnisse der jungen Zahn in der Bevölkerung, anders als beispielsweise noch vor zwanzig Jahren, ärztinnen und Zahnärzte kümmern. sehr hoch, so dass sehr viele Bürger Rat bei auf solche Fälle spezialisier- ten Anwälten suchen. Die Eingaben bei der Zahnärztekammer haben sich in den letz- Für alle anderen zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen sowie ten zehn Jahren rund verzehnfacht, zudem muss jeder Fall heutzu- Azubi, ZMF, ZMP, ZMV und DH gibt es ganz hervorragende Kur- tage individuell juristisch und zahnmedizinisch aufgearbeitet wer- se und Workshops im Philipp-Pfaff-Institut, dem Fortbildungsins- den. Nur so kann der hohe Standard in der Bewertung der Fälle titut der Zahnärztekammern Berlin und Brandenburg. Schön wäre von vermuteten Behandlungsfehlern, aber auch z. B. bei Uneinig- es, einen sich regelmäßig treffenden GOZ-Qualitätszirkel für junge keit über die Rechnungshöhe und sonstigen Auseinandersetzun- Zahnärzte zu etablieren, in dem sowohl inhaltlich gearbeitet wer- gen zwischen Patienten und Zahnärzten einerseits, jedoch auch den als auch ein kollegialer Austausch stattfinden kann. unter zahnärztlichen Kollegen andererseits, gehalten werden. Welche konkreten Ziele und Wünsche haben Sie für Ihr Re- Welche konkreten Ziele und Wünsche haben Sie für Ihr Re- ferat? ferat? Ich wünsche mir, dass die Berliner Kolleginnen und Kollegen unser Es ist das erklärte Ziel des Referats Berufsrecht, den erhöhten Anfor- Referat als Servicestelle für ihre Praxen ansehen und unsere Angebo- derungen gerecht zu werden, so dass die Interessen beider Seiten te weiterhin reichlich nutzen. Zu allen Fragen rund um die GOZ kön- gewahrt und eine zahnmedizinisch-fachlich richtige Einschätzung im nen die Mitarbeiter im Referat täglich kontaktiert werden. Viele Fragen Rahmen des Praxisalltages möglich bleiben. können schnell am Telefon geklärt werden. Auch Praxen können je- derzeit einen Kostenplan oder eine Abrechnung zur gebührenrecht- Fotos: ZÄK / Titze Frau Dr. Lo Scalzo, Sie sind erst lichen Überprüfung einreichen. Dies steht übrigens auch den Patien- ein paar Monaten als Vorstands- ten zu. Wir führen nach Zustimmung von Behandler und Patient eine mitglied im Amt und haben be- neutrale Rechnungsprüfung durch. Weiterhin wünsche ich mir regen reits erfolgreich GOZ-Workshops Kontakt zu den jungen Kolleginnen und Kollegen. Aus eigener Erfah- eingeführt. An wen richtet sich rung weiß ich, dass gerade das Thema GOZ anfangs sehr kompliziert dieses neue Angebot und was und undurchsichtig ist. Gerne würde ich mit dem Referat auch enger erhoffen Sie sich von diesen re- mit der BZÄK zusammenarbeiten, um unsere Kompetenz auch auf gelmäßigen Arbeitstreffen? Bundesebene einzubringen. Eine ständige Überarbeitung und Novel- lierung der GOZ (und der GOÄ) ist sicherlich für alle Praxen und Pati- Die Zielgruppe für die ersten drei enten wünschenswert. Dr. Jana Lo Scalzo Workshops war je nach Thema fest- Gebührenordnung für Zahnärzte gelegt. Speziell für junge Kollegin- Interview: Kornelia Kostetzko 16 MBZ 07/08 2017
Beruf & Politik Vertreterversammlung der KZV Berlin Standespolitik trifft Wissenschaft S tudien zufolge sind die Erfolgsaus- sichten einer Parodontitisbehand- lung umso größer, je früher die Er- krankung erkannt und therapiert wird. Die nach aktuellen, internationalen Empfeh- kontinuierlicher risikoorientierter Nachsor- ge“ erläuterte Dommisch anschaulich an- hand eines Praxisbeispiels die vier Phasen der systematischen PAR-Therapie – ein System konsequenter Reevaluation, bei Grundsätzlich stört sich Dommisch am Begriff „Vorbehandlung“. Seiner Meinung nach verwirre dieser den Patienten, da Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt bereits Teil der Behandlung seien. lungen in der Fünften Deutschen Mund- der die Beurteilung des Krankheitsverlaufs gesundheitsstudie (DMS V) durchgeführ- der wesentliche Aspekt sei. Compliance des Patienten ten Untersuchungen zur Parodontitis legen Das oberste Ziel der PAR-Therapie sei es, entscheidend nahe, dass die Erkrankung in der Bevölke- Zähne zu erhalten, wobei in erster Linie rung sogar eher weiter verbreitet ist, als bis- die Entzündungsflächen reduziert werden Zunächst werde nach Dommisch eine op- lang angenommen: Demzufolge ist davon müssten. Weitere Ziele der PAR-Therapie timale professionelle mechanische Pla- auszugehen, dass die bisherigen Schätzun- sind: queentfernung (PMPR) durchgeführt. Hier- gen zur parodontalen Erkrankungslast in • optimale interdisziplinäre medizinische bei sei von entscheidender Bedeutung, der Bevölkerung – methodisch bedingt – Situation dass der Patient umfassend informiert eher auf zu niedrigen Werten basieren. • optimale Mundhygiene (Plaque- und werde und auf ihn angepasste Instruktio- Die Kassenzahnärztliche Bundesvereini- Blutungsindex ≤ 15 %) nen zur Mundhygiene erhalte. Mit Verweis gung wird voraussichtlich im Herbst dieses • Sondierungstiefen ≤ 4–5 mm auf verschiedene Studien verdeutlichte er, Jahres ein modernes Versorgungskonzept • keine Suppuration wie wichtig die Compliance des Patienten vorstellen; die Richtlinie zur systemati- • keine harten Beläge ist. Eine Beratung über Rauchstopp und schen Behandlung von Parodontopathien • keine Lockerungen Diabeteseinstellung sollte ebenso berück- wird gerade im Gemeinsamen Bundesaus- • gesunde Mundschleimhautverhältnisse sichtigt werden wie eine eventuelle Abklä- schuss überarbeitet. rung bezüglich anderer Systemerkrankun- Für die Vertreterversammlung der Kassen- Bei der Frage, ob eine Vorbehandlung in gen. Diese Schritte dienen, so Dommisch, zahnärztlichen Vereinigung Berlin (KZV manchen Fällen die systematische PAR- zur Beseitigung von sog. Plaqueretentions- Berlin) Anlass genug, Professor Dr. Hen- Therapie sogar überflüssig werden lassen faktoren. rik Dommisch, Leiter der Abteilung Paro- kann, differenziert Dommisch: Bei der Di- Dommisch erläuterte, dass neue moleku- dontologie und Synoptische Zahnmedizin agnose „Klinisch gesund/Gingivitis“ kann larbiologische Erkenntnisse zum Verständ- im Charité Centrum Zahn-, Mund- und Kie- nur die primäre Prävention (Prävention nis beitragen, inwiefern Zusammenhänge ferheilkunde, einzuladen, um mit ihm die der Gingivitis) das Risiko für die Entwick- zwischen parodontalen und systemischen aktuelle Situation zur Parodontitistherapie lung einer Parodontitis reduzieren. Wird Erkrankungen bestehen. Es ist bekannt, (PAR-Therapie) zu diskutieren. aber eine Parodontitis diagnostiziert, kann dass systemische Erkrankungen parodon- Mit seinem Vortrag „Einfluss von Mund- die professionelle Zahnreinigung (PZR) al- tale Entzündungsreaktionen beeinflus- hygieneinstruktionen, professioneller Ent- lein die systematische PAR-Therapie nicht sen können. Umgekehrt kann eine syste- fernung von bakteriellen Belägen und von ersetzen. matische PAR-Therapie zu Veränderungen systemischer Erkrankungsverläufe führen. Foto: parostatus.de Folglich besteht eine Wechselbeziehung zwischen der Parodontitis und kardiovas- kulären Erkrankungen, Diabetes mellitus sowie Rheumatoider Arthritis. Anhand von Schaubildern verdeutlichte Dommisch, dass klinische Parameter und individuel- le Risikofaktoren die Grundlage für die in- dividuelle Einschätzung des Patienten mit anschließender Festlegung der Therapie und der Behandlung bilden. Neben den zahnbezogenen und lokalen Faktoren wie bspw. die Gesamtzahl der residualen Ta- schen und der parodontale Knochenab- bau in Bezug zum Alter des Patienten sind die patientenbezogenen Faktoren wie das Parodontale Befunderhebung mittels PISA-Score (Periodontal Inflamed Surface Area – www.parostatus.de) – PA-Vergleich mit Visualisierung der Gesamtentzündungsfläche, hier: Rauchen, die Medikamente und Mundhy- Parodontitis_b – chronische_PA-Status-Vergleich1717 giene sowie systemische und genetische 18 MBZ 07/08 2017
Beruf & Politik Foto: KZV Berlin Faktoren von besonderer Bedeutung. Das (bei jeder UPT). Hier ergänzte Dörfer, dass die Definition Patientenverhalten bedingt die Prognose; • Systemische Parameter sind kontrol- von „Erkrankung“ entscheidend sei, und die Compliance ist somit entscheidend. lierbar. warf die Frage auf, ob es nur um den De- Dommisch betonte, dass die unterstützen- • Die Compliance des Patienten ist aus- fekt oder die tatsächliche Erkrankung gehe. de Parodontitistherapie (UPT) integraler reichend. Welche realistischen Veränderungen also Teil der PAR-Therapie ist. Seiner Meinung sollte der „Kassenzahnarzt“ in Angriff neh- nach müsse aber sowohl die kontinuier- Bewusstsein in der Gesellschaft men? Hierfür, so Dörfer, müsse das Be- liche Diagnostik als auch eine adäquate schaffen wusstsein in der Gesellschaft geschaffen Therapie hinzukommen. Gleichzeitig müs- werden, die diese Frage letztlich auch be- se die UPT entsprechend der individuellen Die anschließende Diskussionsrunde, die antworten müsse. Mit Verweis auf die an- Patientenbedürfnisse optimiert werden. von Professor Dr. Christof Dörfer, Präsident schauliche Darstellung der Entzündungs- Zahlreiche Studien würden belegen, dass der Deutschen Gesellschaft für Parodonto- fläche auf der Hand (siehe Abbildung) die UPT für den langfristigen Erfolg der logie e. V., moderiert wurde, eröffnete der machte Dörfer deutlich, dass es sich hier- PAR-Therapie erforderlich ist. Sein Appell VV-Vorsitzende, Dr. Heinrich Schleithoff, mit bei auch um eine ethische Frage handle – an den behandelnden Zahnarzt: Er müs- der Frage, wie die Therapie in den Zahn- nämlich, ob solche Entzündungen behan- se immer die Gesamtziele der PAR-Thera- arztpraxen mit dem Leistungskatalog der delt werden sollen. Denn wenn der Patient pie im Hinterkopf haben, also: gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kein „Putzproblem“, sondern ein systemi- • Kontrolle der Infektion umgesetzt werden könne. Nach Dörfer ist sches Problem habe, stelle sich zwangs- • Vermeiden der Re-Infektion entscheidend, optimale Bedingungen zu läufig die Frage, inwieweit die Gesellschaft • Therapeutische Intervention schaffen, um Zähne zu erhalten. Seiner bereit sei, hierfür solidarisch die Kosten zu Meinung nach müsse der Anspruch dahin- tragen. Ob es möglich sei, das Ergebnis der akti- gehend formuliert werden, auch mit klei- Dr. Jörg Meyer, stv. Vorsitzender des Vor- ven PAR-Therapie über Jahre hinweg stabil nen Therapieerfolgen zufrieden zu sein. standes der KZV Berlin, fragte, inwieweit zu halten, bejaht Dommisch daher auch Im Ergebnis: Selbst wenn der Zahn letzt- Studien erstellt werden können, die vom nur eingeschränkt; die folgenden Voraus- lich gezogen werden müsse, sei zumindest Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit setzungen müssen erfüllt sein: aufgebauter Knochen vorhanden. (IQWIG) akzeptiert werden. Hierzu erläu- • Die Behandlungsziele konnten weitest- Dr. Jörg-Peter Husemann, Vorsitzender des terte Dörfer das Problem, dass alle Studi- gehend erreicht werden (Cave: ST ab Vorstandes der KZV Berlin, betonte, dass en, die nicht so aufgebaut sind wie Arznei- 6 mm, BOP, Furkation). die PAR-Richtlinie nicht mehr den heutigen mittelstudien, vom IQWIG als nicht evident • Eine regelmäßige UPT (PMPR inkl. Mo- Ansprüchen entspricht. Er stellte die Frage bezeichnet werden. Dies wirft die grund- tivation) wird durchgeführt (zwei- bis in den Raum, inwieweit die Krankenkassen sätzliche Frage auf, ob die Methoden des viermal im Jahr). die Kosten für die UPT übernehmen soll- IQWiG zur Nutzenbewertung von Arznei- • Ein individuelles Risiko wird bestimmt ten, obgleich diese Therapie langwierig ist. mitteln überhaupt auf nicht medikamentö- MBZ 07/08 2017 19
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