Ostsee-Kooperationen - hlb Hochschullehrerbund
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Ausgabe 05-2020 FÜR ANWENDUNGSBEZOGENE WISSENSCHAFT UND KUNST Ostsee-Kooperationen Campusnotizen hlb aktuell Aus Wissenschaft Wissenswertes Lehramtsausbildung für Promotionsrecht: Replik & Politik Erleichterter Zugang berufliche Schulen auf Beiträge in der „F & L“ Quote der Studienabbrüche zu Prüfungsunterlagen sinkt 6 18 33 34
2 Inhalt Campusnotizen Titelthema: hlb aktuell 4 Beuth Hochschule: Hochschul- Ostsee- 18 Das eigenständige kooperation mit der TU Danzig Kooperationen Promotionsrecht für HAW Replik auf Beiträge in der Erneuerbare Energien in „Forschung & Lehre“ Westafrika: Sonnenstunden nicht gleich Energieausbeute 8 Kreativität als Antriebskraft für 19 hlb -Kolumne: Keine falsche Kooperationen im Ostseeraum Bescheidenheit | Von Nicolai 5 Berufsbegleitendes | Von Prof. Dipl.-Ing. Achim Hack und Müller-Bromley Masterstudium: Nachfrage nach Dr. Laima Gerlitz flexiblen Weiterbildungsmodellen 12 Mit strategischen Partnerschaften Wirtschaftspsychologie: Netzwerke ausbauen | Von Hohe Frauenquote, viele private Christine Boudin und Prof. Dr. Marco Wissenswertes Anbieter, kaum Standorte im Osten Hardiman 6 Hochschule Harz: 34 Alles, was Recht ist 14 Ostseeraum lebendig: Ingenieurpädagogik studieren 35 Neue Bücher von Kolleginnen International Management Hochschule Kaiserslautern: Studies in the Baltic Sea Region und Kollegen Operational Excellence in Krankenhaus | Von Prof. Dr. Björn P. Jacobsen 36 Neuberufene und Pflege 7 Hochschule Darmstadt: Online-Nutzeridentifikation: sicherer, Aus Wissenschaft Standards benutzerfreundlicher und günstiger & Politik Studentischer Bundesverband: 3 Editorial Hochschuldemokratie in der Krise 30 Niedersachsen: Mehr Geld für besonders wichtig 33 Autorinnen und Autoren gesucht Öffnung der Hochschulen 33 Impressum Internationale Forschungs- praktika: Mobilität für Studierende 38 Stellenanzeigen Fachaufsätze im Ostseeraum 40 hlb -Seminartermine 2020 31 Hessen: Zentrum für KI gegründet 20 Gelebte Exklusion: Mobbing | Von Prof. Dr. habil. Stefan Piasecki China: Deutsch-chinesische Kooperationen zukunftsfest gestalten 24 Same same but different? Kulturelle Besonderheiten 32 Baden-Württemberg: „Corona- von Hochschulen | Von Prof. Dr. Erklärung“ der HAW BW Sebastian Kaiser-Jovy Mecklenburg-Vorpommern: 28 Möglichkeiten und Grenzen der Verlängerung der Regelstudienzeit kooperativen Promotion | Von 33 Deutsches Zentrum für Hochschul- Prof. Dr. Dieter Scholz und Wissenschaftsforschung: Analyse zum Studienabbruch 05 | 2020 DNH
Editorial 3 Die Chancen nutzen Die Ostsee bildet auf unseren Landkarten oft den Rand Deutschlands. Wenn wir umgekehrt einmal Deutschland als Rand der Ostsee wahrnehmen, öffnet sich der Blick auf eine Region voller Möglichkeiten für Partnerschaften in Lehre, Studium, Forschung, Wirtschaft und Technologie. Beim Stichwort „Hanse“ haben wir sofort Christine Boudin und Marco Hardiman das Bild der Ostsee als eines wirtschaft- beleuchten die Chancen und Schwierig- lich starken Raumes vor Augen. Damals keiten bei der Mobilität von Studieren- wurde nicht nur Geld verdient, sondern den und Lehrenden. Ungleichgewich- Foto: Fotoladen Wedel es kam auch zu befruchtendem kulturel- te zwischen den beiden Richtungen des len Austausch und zu wirkungsvollen Austauschs bringen Mobilitätsabsprachen technologischen Impulsen. (Und ja, regel- immer wieder in Gefahr. Aber mit span- mäßige kriegerische Auseinandersetzun- nenden Themen lassen sich dann doch Christoph Maas gen gab es auch.) auch längerfristige Formen der Koopera- Chefredakteur tion begründen (Seite 12). All das verbinden wir aber mit einer weit zurückliegenden Vergangenheit. In den Der Beitrag von Björn P. Jacobsen steht letzten Monaten war in der Berichterstat- beispielhaft für Zusammenarbeit bei der tung vor allem von vollen Stränden und Ausgestaltung von Studienangeboten. Ein ausgebuchten Hotels zwischen Flensburg seit 25 Jahren bestehender Studiengang hat und Ahlbeck die Rede. Wenn wir heute sich stets mit den wechselnden Verhältnis- die Ostsee vor allem als Tourismusgebiet sen lebendig weiterentwickelt und setzt einordnen, übersehen wir, dass sie wirt- vor allem auf Double-Degree-Abkom- schaftlich und technologisch hoch entwi- men, die Studierenden ermöglichen, ohne ckelte Länder miteinander verbindet, die Zeitverlust an mehreren Hochschulen zu zahlreiche Gelegenheiten für lohnende studieren (Seite 14). Formen der Zusammenarbeit bieten. In den Rubriken ‚Campusnotizen‘ und Die Beiträge in diesem Heft lassen erken- ‚Aus Wissenschaft und Politik‘ finden Sie nen, aus welch unterschiedlichen Blick- Beispiele für weitere Formen der Koope- winkeln eine Kooperation angepackt ration im Ostseeraum (Seiten 4 und 30). werden kann. Heute darf ich Ihnen zum 50. Mal ein Achim Hack und Laima Gerlitz arbei- neues Heft der DNH vorlegen – ein guter ten daran, traditionell aufgestellte Firmen Anlass, mich bei allen zu bedanken, die mit Unternehmen aus der Kreativbranche mit Lob und Kritik, Nachrichten, Meldun- zusammenzubringen. Beim Thema Indus- gen und Aufsätzen, aber auch mit enga- triedesign konnte mit Unterstützung des giertem Einsatz hinter den Kulissen unse- EU-Regionalfonds eine Zusammenarbeit re Zeitschrift zu dem machen, was sie ist. von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus unterschiedlichen Ostseean- rainerstaaten etabliert werden (Seite 8). Ihr Christoph Maas DNH 05 | 2020
4 Campusnotizen Beuth Hochschule Hochschulkooperation mit der TU Danzig Für die Berliner liegt die Ostsee geogra- Welche Ergebnisse liegen bisher vor? West- und südliches Ostpreußen. Eine fisch nah und ist ihnen u. a. als Bade- Hochschullehreraustausch zwischen solche Kooperation kann natürlich nur wanne in den Badeorten auf Usedom ein und fünf Wochen, Forschungsaus- leben, wenn dieser Austausch regelmä- oder Rügen vertraut. So lag es nah, tausch mittels Fachvorträgen, beidseiti- ßig mit Besuchen belebt wird, neben dass die Beuth Hochschule Berlin sehr ger Besuch von Studierenden, Austausch einem kontinuierlichen kommunikati- früh nach der Wende bereits 1994 eine zur Studiengangumstellung nach Bolog- ven Austausch. Nur so profitieren sowohl Kooperation mit der TU Danzig abge- na, insbesondere auch Beratungen durch die polnische als auch die deutsche Hoch- schlossen hat (Initiator und Koordina- den langjährigen artikelunterzeichnen- schule. tor u. g. Unterzeichner) – hier speziell den Studiendekan und Möglichkeiten der die Fachbereiche „Elektronik/techni- Promotion. Ergänzend konnten die ange- Prof. Dr. Helmut Keutner sche Informatik/Telekommunikation“ nehmen Seiten kennengelernt werden, Beuth Hochschule für Technik Berlin der TU Danzig und Fachbereich „Infor- wie die unterschiedlichen Kulturen, die keutner@beuth-hochschule.de matik und Medien“ der TU Danzig und neu aufgebaute Altstadt der ehemaligen aufseiten der Beuth HS mit Studiengang „Freien Stadt Danzig“, Kulinarisches, „Technische Informatik“. Geografie wie die Kulturlandschaften Erneuerbare Energien in Westafrika Sonnenstunden nicht gleich Energieausbeute In Westafrika, wo im Jahr 2017 erst von Aerosolen für diesen Kraftwerkstyp rund 55 Prozent der Haushalte über- stärker ist als für die PV-Technologie, die haupt ans Stromnetz angeschlossen neben der direkten Einstrahlung auch waren, könnte bei der Entwicklung des die diffuse Strahlung für die Stromer- Netzes sofort auf erneuerbare Ressourcen zeugung nutzt. gesetzt werden. Allerdings ist die Solar- energie mit ihrem Potenzial stark von Die gängige Vorstellung, dass in Afri- Foto: Bernd Evers-Dietze atmosphärischen Bedingungen abhän- ka immer die Sonne scheint und deshalb gig. Um diesbezüglich den Einfluss von Solarenergie nahezu unbegrenzt zur atmosphärischen Aerosolen zu ermes- Verfügung stehen muss, ist nur bedingt sen, stützte sich Ina Neher auf meteo- richtig. Im Modell zeigte sich stattdes- rologische Daten aus dem Jahr 2006. sen fast erwartungsgemäß, dass Aerosole Er folgt immer der Sonne: der Suntracker auf dem Anhand der Daten von sechs Messstati- während eines Sandsturms den Stromer- Hochschuldach. Die Pyranometer messen die onen modellierte sie den Ertrag zweier trag eines Photovoltaikkraftwerks um bis Globalstrahlung. Kraftwerkstypen, die auf unterschiedli- zu fast 80 Prozent verringern können. Bei che Weise solaren Strom erzeugen: den einem Parabolrinnenkraftwerk kann es Ina Neher, Doktorandin am Internationa- eines Photovoltaik- und den eines Para- sogar zu einem Totalausfall der Produk- len Zentrum für nachhaltige Entwicklung bolrinnenkraftwerks. Beim ersten wird tion kommen. Doch auch an klaren (IZNE) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg die Strahlung der Sonne direkt in elek- Tagen reduzieren Aerosole den Ertrag von (H-BRS), hat an der Universität zu Köln trischen Strom umgewandelt. Ein Para- Photovoltaikanlagen um durchschnitt- ihre Doktorarbeit vorgelegt, in der sie sich bolrinnenkraftwerk, auch Solarwärme- lich 13 bis 22 Prozent und den von Para- mit den Bedingungen für ein solarbetriebe- oder solarthermisches Kraftwerk, erzeugt bolrinnenkraftwerken sogar um 22 bis nes Energiesystem in Westafrika beschäf- hohe Temperaturen, die zum Betreiben 37 Prozent. Damit sind Parabolrinnen- tigt. Dabei untersucht sie zum einen den einer Dampfturbine benötigt werden, kraftwerke sehr viel anfälliger für hohe Einfluss von atmosphärischen Aerosolen, indem es zunächst die Strahlung der Aerosolkonzentrationen als Photovol- insbesondere von Staubstürmen, auf die Sonne über Spiegel fokussiert und dann taikanlagen. solare Energieproduktion. Zum anderen absorbiert. Durch die Fokussierung der analysiert sie langfristige Veränderungen Solarstrahlung im Parabolrinnenkraft- Kontakt: in der atmosphärischen Variabilität und werk spielt die Veränderung der direkten Prof. Dr. Stefanie Meilinger die Konsequenzen für mögliche Photovol- Einstrahlung von der Sonne eine beson- stefanie.meilinger@h-brs.de taikerträge in Westafrika. Zudem spricht dere Rolle, da diffuse Strahlung nicht sie eine Empfehlung für den Netzausbau gebündelt werden kann. Aerosole wirken H-BRS in Nord-Süd-Richtung aus. aber wie ein Diffusor, sodass der Effekt 05 | 2020 DNH
5 Berufsbegleitendes Masterstudium Nachfrage nach flexiblen Weiterbil- dungsmodellen Koblenz, das rein englischsprachige Fern- konnten sie sich jetzt intensiv mit dem studium International Business Manage- Thema berufsbegleitende Weiterqualifi- ment MBA an der HWG in Ludwigshafen zierung zur fachlichen und persönlichen und Wirtschaftsingenieurwesen MBA & Weiterentwicklung beschäftigen. Die Eng. der TH Mittelhessen zählen zu den Fernstudienangebote im zfh-Hochschul- gefragtesten Fernstudienangeboten mit verbund, welche sowohl in Form einzel- MBA-Abschluss. Im technischen/naturwis- ner Module wie auch als Gesamtstudium Grafik: zfh senschaftlichen Bereich ist das Fernstudium mit Bachelor- oder Masterabschluss belegt Informatik der Hochschule Trier – sowohl werden können, passen sich an die Bedürf- Fernstudiengänge auf Masterniveau sind gefragt mit dem Abschluss Master of Computer nisse der Beschäftigten und Unternehmen wie nie. Science als auch mit Zertifikatsabschluss an und sind aufgrund ihrer ausgeprägten – sehr gefragt. Corona hat sich demnach Flexibilität mit den beruflichen und/oder Zum Wintersemester 2020/21 verzeichnet nicht negativ auf die Beliebtheit von Fern- anderweitigen Verpflichtungen bestens das Zentrum für Fernstudien im Hochschul- studienangeboten ausgewirkt. Ganz im vereinbar. Darüber hinaus führen sie als verbund (zfh) mit 711 Bewerberinnen und Gegenteil – in der Lockdown-Phase mit Teil wissenschaftlicher Weiterbildung an Bewerbern ein Allzeithoch in der Nachfrage einem sehr eingeschränkten Freizeitan- staatlichen Hochschulen zu anerkannten nach berufsbegleitenden Masterfernstudi- gebot hatten viele Berufstätige nach dem Kompetenzen und Bildungsabschlüssen. engängen. Das MBA-Fernstudienprogramm Homeoffice Zeit zur Reflexion und haben am RheinAhrCampus der Hochschule Zukunftspläne geschmiedet. Beispielsweise zfh Wirtschaftspsychologie Hohe Frauenquote, viele private Anbieter, kaum Standorte im Osten Wirtschaftspsychologie als Alternative klassische Studienbereiche zu etwas Neuem gut zwei Drittel, im Master 80 Prozent zum klassischen Psychologiestudium ist kombiniert und dabei auch Themen aus der Studierenden Frauen. An den priva- beliebt bei Studieninteressierten. Die aller- dem Gesundheitsbereich wie Stress oder ten Hochschulen, bei denen Studienge- meisten der noch vergleichsweise wenigen Arbeitsbelastung aufgreift“, so der Autor bühren anfallen, sind die Studiengänge Angebote staatlicher Hochschulen sind der Studie. in der Regel zulassungsfrei. Anders ist die zulassungsbeschränkt. Es gibt jedoch viele Situation an den gebührenfreien staatli- private Hochschulen, die das Fach anbie- Insgesamt wird das Fach Wirtschaftspsy- chen Hochschulen. „Wenn man die seit ten und seltener Zulassungsbeschränkun- chologie aktuell an 47 Standorten an Jahren hohe Nachfrage beim universitä- gen haben, wie eine aktuelle Auswertung Fachhochschulen bzw. Hochschulen ren Psychologiestudium bedenkt, dann des CHE Centrum für Hochschulentwick- für angewandte Wissenschaften (HAW), ist es schon erstaunlich, dass das Fach lung zeigt. Wirtschaftspsychologie exis- angeboten. Mit der Wirtschaftspsycho- gerade einmal an 17 der rund 100 staat- tiert an deutschen Hochschulen erst seit logie eng verwandte Studiengänge, wie lichen Fachhochschulen bzw. HAW ange- 1998 als Studienangebot. Das Studien- Kommunikations- oder Werbepsycho- boten wird. Die privaten Anbieter haben fach ist u. a. für diejenigen eine interes- logie, wurden ebenfalls einbezogen. Die hier offenbar schneller auf die Nachfra- sante Alternative, denen der flächende- CHE-Auswertung zeigt mit 63,8 Prozent ge reagiert“, bilanziert CHE-Geschäfts- ckende Numerus Clausus ein universitäres einen hohen Anteil an Angeboten von führer Frank Ziegele. „Das Fach ist aber Psychologiestudium verwehrt. Es ist aber privaten Hochschulen. Die meisten Studi- insgesamt ein gutes Beispiel für die Anpas- auch für diejenigen attraktiv, die Interes- enangebote finden sich an großen Hoch- sungsfähigkeit des Hochschulsystems. se an einem Psychologiestudium haben schulstandorten in Westdeutschland. Den HAW gelingt es, akademische Fächer und sich praxisorientiert und speziell für Abgesehen von den Angeboten in Berlin in praxisorientieren Studiengängen neu eine Tätigkeit in der Wirtschaft qualifi- sind nur zwei der 47 Studiengänge in zu kombinieren.“ zieren möchten. „Wirtschaftspsychologie ostdeutschen Bundesländern angesiedelt. ist ein typisches Beispiel für die Entwick- Publikation unter: lung des Studienangebotes in Deutsch- Wie auch im Fach Psychologie ist die www.che.de/download/wirt- land“, erklärt Cort-Denis Hachmeister. Mehrzahl der rund 10.000 Studierenden schaftspsychologie/ „Es handelt sich um ein stark nachgefrag- der Wirtschaftspsychologie weiblich. tes Studienfach, das interdisziplinär zwei Durchschnittlich sind im Bachelorbereich CHE DNH 05 | 2020
6 Campusnotizen Hochschule Harz Ingenieurpädagogik studieren Ingenieurpädagogik berufsbildenden Schulen sind“, erläutert belegt, macht den Prof. Dr. Andrea Heilmann, Dekanin des ersten Schritt auf Fachbereichs Automatisierung und Infor- dem Weg ins Lehr- matik der Hochschule Harz. „So können amt an berufsbilden- Interessierte gesucht werden, die in der den Schulen. In sechs Region bleiben wollen.“ Der Bachelor-Ab- Semestern qualifizie- schluss in Ingenieurpädagogik qualifiziert ren sich die Studieren- bereits für außerschulische Lehrtätigkei- den in den Fächern ten. „Der aufbauende Master-Studien- Foto: Hochschule Harz Informationstech- gang ‚Lehramt an berufsbildenden Schu- nik und Elektrotech- len‘ führt zur Beamtenlaufbahn. Er endet nik mit Schwerpunkt mit dem Abschluss Master of Education Automatisierungs- und wird an der Universität Magdeburg technik. Die beglei- angeboten“, schildert Prof. Dr. Klaus Jene- Wer am Wernigeröder Standort der Hochschule Harz den Bachelor-Studiengang tende pädagogische wein, Leiter des dortigen Lehrstuhls Inge- Ingenieurpädagogik belegt, macht den ersten Schritt auf dem Weg ins Lehramt Ausbildung erfolgt nieurpädagogik und gewerblich-techni- an berufsbildenden Schulen. durch die Universität sche Fachdidaktiken. Interessierte ohne Magdeburg, wobei Hochschulzugangsberechtigung, die beruf- Sachsen-Anhalt sucht Lehrerinnen und alle Lehrveranstaltungen in Wernigerode lich besonders befähigt sind, können über Lehrer – auch an berufsbildenden Schu- stattfinden. Das Angebot steht auch Inter- eine sogenannte Immaturenprüfung ihre len und dort verstärkt in den ingenieur- essierten ohne Hochschulzugangsberech- Studierfähigkeit nachweisen. Auch eine pädagogischen Fachrichtungen. Hier setzt tigung offen. Ingenieurpädagogik ist an berufliche Aufstiegsfortbildung, wie die ein gemeinsames Studienangebot der der Hochschule Harz eines der jüngsten Techniker- oder Meisterausbildung, quali- Hochschule Harz und der Otto-von-Gue- Studienangebote. „Die Uni Magdeburg hat fiziert für den Weg ins Lehramt an berufs- ricke-Universität Magdeburg an. Wer nach Kooperationspartnern bei der Lehr- bildenden Schulen. am Wernigeröder Standort der Hoch- amtsausbildung gesucht, um diese dezen- schule Harz den Bachelor-Studiengang tral anbieten zu können – dort, wo die Hochschule Harz Hochschule Kaiserslautern Operational Excellence in Krankenhaus und Pflege Die Herausforderungen für das Gesund- Excellence und der Innovationsmethodik. einen das Erlernen erforderlicher Fähig- heitswesen sind vielfältig. Neben Kosten- Wie in vielen anderen Themenstellungen, keiten und der Erwerb neuer Kompeten- druck und Kapazitätsfragen ist es insbeson- z. B. im Feld des Qualitätsmanagements, zen durch das Personal. Zum anderen aber dere auch der Wandel, der Krankenhäuser, stammen solche Methoden ursprünglich auch das systematische Ermitteln und Pflegeeinrichtungen sowie andere Einrich- aus der Industrie und finden dann im Erkennen von Barrieren und Hindernis- tungen des Gesundheitswesens in beson- Laufe der Zeit auch in anderen Branchen sen für die Annahme von Innovationen, derem Maße betrifft. Dabei geht es um wie dem Gesundheitswesen Anwendung. die oftmals nicht nur sachlich oder quali- unvorhergesehene exogene Veränderun- Um die oben beschriebenen Veränderun- fikationsbedingt, sondern auch motivati- gen, z. B. durch die aktuelle Pandemie gen zu bewältigen und die herausfor- onal und emotional begründet sind. Und verursacht, aber in großem Umfang auch dernden Innovationen in Einrichtun- schließlich das Erlernen von Methoden um Veränderungen im Gesundheitswe- gen aufnehmen zu können, eignen sich zur Veränderung und Verbesserung des sen, im Gesundheitsmarkt oder im tech- beispielsweise die Lean-Healthcare-Metho- Gesamtsystems bei der Integration von nologischen Bereich. Veränderungen den des Training Within Industry (TWI) Innovationen – diese entwickeln ihre führen unweigerlich zu Innovationen im für Krankenhäuser, medizinische Labo- vollen Vorteile meist erst nach einer Gesundheitswesen – neuen Techniken, re, Pflegeeinrichtungen usw. Diese eigent- detaillierten Untersuchung und Verbes- Arbeits- und Behandlungsverfahren, Medi- lich sehr alten Methoden sind in den USA serung begleitender sowie vor- und nach- zinprodukten, Digitalisierung etc. Profes- „wiederentdeckt“ und aus der Industrie auf gelagerter Abläufe. sor Thurnes, Leiter des Kompetenzzen- das Gesundheitswesen übertragen worden. trums OPINNOMETH an der Hochschu- Kompetenzzentrum OPINNOMETH: le Kaiserslautern – Campus Zweibrücken, Um Innovation annehmen und Verän- https://www.hs-kl.de/opinnometh/ beschäftigt sich mit methodischen Vorge- derung leben zu können, müssen verschie- hens- und Lernverfahren der Operational dene Lernfelder betrachtet werden. Zum HS-KL 05 | 2020 DNH
7 Hochschule Darmstadt Online-Nutzeridentifikation: sicherer, benutzerfreundlicher und günstiger Ob Überweisung oder Kfz-Anmeldung: das Team die technischen und recht- Prepaid-Telefon-Anbieter in der gesam- Dank der Online-Identifikation funktio- lichen Grundlagen für einen sicheren ten EU profitieren. niert mittlerweile vieles im Netz. Dafür und vertrauenswürdigen Online-Iden- müssen sich Nutzerinnen und Nutzer bei titätsnachweis schaffen. „Die derzeit SEIN nutzt eine sogenannte jedem Anbieter ausweisen. Das ist zeitin- gängigen Identifikationsverfahren wie Access-to-Account-Schnittstelle, eine tensiv, oft unkomfortabel und hinter- POST-Ident, Video-Ident oder Ausweis- Programmierschnittstelle für Drittpartei- lässt viele gespeicherte Daten im Netz, Ident erweisen sich als nutzerunfreund- en, und greift auf die neue Zahlungsricht- die von Hackern ausgespäht werden lich und sind kompliziert in der Anwen- linie aus dem Online-Banking zurück. können. Das Projekt „Schneller elektro- dung. Wir können die Identifizierung Das Projekt verfolgt damit das Ziel, nischer Identitätsnachweis auf Vertrau- von natürlichen und juristischen Perso- elektronische Identitäten der Inhaber ensniveau ‚substanziell‘ (SEIN)“ will das nen stark vereinfachen, beschleunigen eines Online-Banking-Kontos für siche- ändern: Ziel des Teams ist es, dass beste- und vor allem kostengünstiger gestalten. re abgeleitete Identitäten zu verwenden. hende Login-Daten, etwa bei Banken, Und zwar so, dass eine Speicherung der Kundinnen und Kunden sollen als Iden- auch zur Anmeldung bei weiteren Anbie- Daten nicht vonnöten und die IT-Sicher- tifikationsnachweis ihr vorhandenes tern genutzt werden können – jedoch heit immer gewährleistet ist“, erklärt Banking-Login verwenden können und ohne einen Datenaustausch zwischen Michael Massoth die Motivation seines umgehen damit eine zusätzliche Regis- Bank und anfragendem Unternehmen, Gründungsvorhabens. Neben der IT-Si- trierung oder Speicherung ihrer Daten. dem potenziellen Geschäftskunden oder cherheit steht die Gewährleistung einer Eine zentrale Bedeutung kommt dem sonstigen Beteiligten. Kopf des wachsen- hohen Benutzerfreundlichkeit im Fokus Datenschutz zu. Die SEIN-Lösung wird den Teams ist Prof. Dr. Michael Massoth der Forschung. Der Identifikationsnach- einen direkten Datenaustausch zwischen vom Fachbereich Informatik der Hoch- weis soll in Echtzeit erfolgen und damit kontoführender Bank und anfragender schule Darmstadt (h_da). zu einer deutlichen Beschleunigung Firma, potenziellen Geschäftskunden und Optimierung beitragen. Mithil- oder sonstigen Beteiligten verhindern. In einer digitalisierten und vernetz- fe des SEIN-Identifikationsnachweises Die Bank hat keine Kenntnis über das ten Gesellschaft sind vertrauenswür- könnten künftig Online-Geschäfte deut- beteiligte Unternehmen und das Unter- dige elektronische Geschäftsprozes- lich automatisierter ablaufen. So sollen nehmen erhält keinen Einblick in die se zwischen Unternehmen, Behörden Kosten gesenkt und Kundenbedürfnisse Bankdaten der Kundinnen und Kunden. sowie Bürgerinnen und Bürgern von besser bedient werden. Von der Lösung immer größerer Bedeutung. Deshalb will könnten künftig etwa Behörden oder h_da Studentischer Bundesverband Hochschuldemokratie in der Krise besonders wichtig Die Corona-Krise hat die Wichtigkeit und eine entsprechende Repräsentation in rundheraus ignoriert, dann ist eine starke studentischer Mitbestimmung deut- ihren Gremien sorgt dafür, dass studenti- Bundesvertretung, wie es der fzs ist, Gold lich gezeigt, so die bundesweite Studie- sche Positionen berücksichtigt und durch- wert. Der fzs gibt der Not der Studieren- rendenvertretung fzs. „Gerade dort, wo gesetzt werden können. Zugleich steigt das den eine Stimme.“ studentische Vertreter*innen wirklich in Verständnis füreinander, wenn z. B. auch Entscheidungsprozesse involviert wurden, in Hochschulleitungen studentische Betei- fzs fanden Hochschulen einen vergleichsweise ligung sichergestellt wird“, führt Zachrau verträglichen Umgang mit der Pandemie“, aus. Dass gerade auch die bundesweite stellt fzs-Vorstandsmitglied Sebastian Zach- Interessenvertretung unverzichtbar ist, rau fest. „Studentische Stimmen sind vom zeige sich in der derzeitigen Debatte um Seminar über den Senat bis zum Rektorat Finanzhilfen für Studierende. Amanda Die Meldungen in dieser Rubrik, soweit an allen Stellen der Hochschule eigentlich Steinmaus, ebenfalls Mitglied im Vorstand sie nicht namentlich gekennzeichnet unverzichtbar. Eine enge Zusammenarbeit des fzs, sagt dazu: „Wenn die zuständi- sind, basieren auf Pressemitteilungen mit den anderen Gruppen der Hochschule ge Ministerin studentische Interessen der jeweils genannten Institutionen. DNH 05 | 2020
8 Ostsee-Kooperationen Kreativität als Antriebskraft für Kooperationen im Ostseeraum Seit 2017 ist die Hochschule Wismar Projektträger des „CTCC“ im südlichen Ostseeraum, gefördert durch das „Interreg South Baltic“-Programm der EU. Klein- und mittelständische Unternehmen werden mit Kreativen zur Stärkung des Innovationsgeistes verknüpft. | Von Prof. Dipl.-Ing. Achim Hack und Dr. Laima Gerlitz Deutsche, polnische, litauische und schwedische Intern, an der Hochschule Wismar, dienten die klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) Erfahrungen der Zusammenarbeit zwischen den arbeiten im CTCC-Projekt zusammen mit Experten, Fakultäten für Gestaltung, Ingenieurwissenschaf- Freelancern und Start-ups aus der Kreativwirtschaft ten und Wirtschaftswissenschaften einerseits als der Bereiche Architektur, Design, Werbung, Soft- Beispiel für transdisziplinäre Kooperationen und ware und Gamedesign, um gemeinsam grenzüber- andere gemeinsame Forschungsinitiativen und ande- greifende Lösungsansätze zu den Themen Innovati- rerseits als organisatorische Grundlage für das geplan- onsentwicklung, Management und Wertschöpfung te CTCC-Projekt. Im Rahmen des vorhergehenden zu entwickeln. Das Projektende ist für Dezember grenzüberschreitenden EU-Projektes „Design Entre- 2020 anvisiert. preneurSHIP“, welches auf die Entwicklung eines gemeinsamen Trainingscurriculums zum Aufbau und zur Erweiterung von Designmanagementkompeten- Kreatives Potenzial schafft Synergie und Nachhal- zen zielte, konnten vorab wertvolle Erfahrungen tigkeit gesammelt werden. Zur Stärkung der Innovations- und Wettbewerbs- Ziel des im Mai 2011 gestarteten EU-Projektes fähigkeit von Kleinen und Mittleren Unterneh- „Design EntrepreneurSHIP – Integration and educa- men (KMU) durch eine engere Kooperation mit tion of students, graduates and SME’s in terms of Kreativen war bis zum dritten Aufruf des Inter- industrial design management“ war es, das Markt- reg-Programms „Südliche Ostsee 2014–2020“ im potenzial des Sektors Industriedesign im südlichen Jahr 2016 zunächst noch kein Projekt bewilligt Ostseeraum besser auszuschöpfen. Die Hochschu- worden. Erst mit den „Schlussfolgerungen des le Wismar war dabei einer von vier Projektpartnern Rates zu kulturellen und kreativen Crossover-Ef- neben dem Innovationszentrum in Gdynia (Polen), fekten zur Förderung von Innovation, wirtschaft- der schwedischen Stiftung für Industriedesign (SVID) licher Nachhaltigkeit und sozialer Inklusion“ vom und dem Hanseatischen Institut für Unternehmer- 27. Mai 2015 wurde die Zusammenarbeit zwischen tum und regionale Entwicklung (HIE-RO) an der Kreativen und der Industrie sowie die Notwen- Universität Rostock. Maßgeblich unterstützt wurde digkeit des Kompetenzausbaus im KMU-Bereich das Projekt außerdem von der Academy of Fine Arts auch in der grenzüberschreitenden Zusammenar- in Danzig (Polen). Bis 2014 wurde „Design Entre- beit zum Thema. Regionalplaner und Akteure aus preneurSHIP“ mit dem European Project Center an der Politik und Wirtschaft erkannten die Wich- der Hochschule Wismar als Projektpartner reali- tigkeit der sektorenübergreifenden Zusammen- siert. Konkrete Ziele ausgewählter KMUs wurden in arbeit. Das EU-Projekt „CTCC – Zusammenarbeit transdisziplinärer Zusammenarbeit unter die Lupe zwischen kreativen und traditionellen Unterneh- genommen. Dabei konnten exemplarische Lösun- men“ (engl. „CTCC – Creative Traditional Compa- gen und Ideen für die Optimierung von Produkten nies Cooperation“) mit der Laufzeit von Juli 2017 und Dienstleistungen oder von internen Unterneh- bis Dezember 2020 und einem Budget von rund mensprozessen entwickelt werden. 1,6 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) stützt sich auf Ein Benefit des Projektes war zudem die hochschul- den Aufruf in der EU, mehr sektorenübergreifende interne interdisziplinäre Forschungskompetenz im Lösungen und Synergien im Rahmen der Koope- Bereich Designmanagement und Kreativwirtschaft ration mit Kreativen zu schaffen sowie die Tren- auszuweiten und gleichzeitig jungen Nachwuchs- nung zwischen den Feldern Wirtschaft, Techno- wissenschaftlern eine Chance innerhalb der ange- logie und Kreativität zu überwinden. wandten Forschung zu ermöglichen. 05 | 2020 DNH
9 Karte: © Europäische Union, 2019 Eines der Ergebnisse war beispielswei- und Wirtschaft berücksichtigt. Meck- se die projektbegleitende Promotion zum lenburg-Vorpommern und die südliche Thema „Design Management as a Driver Ostseeregion sind wirtschaftlich geprägt Foto: Fakultät Gestaltung, for Innovation in Small and Medium durch traditionelle Unternehmen der Hochschule Wismar Sized Enterprises“, welche 2018 durch Blue und Green Economy. Wichtige Ziel- Laima Gerlitz an der School of Business märkte sind der maritime Transport, and Governance der Technischen Univer- Schiffbau, erneuerbare Energien und der sität Tallinn erfolgreich verteidigt wurde. maritime Tourismus. Um den Herausfor- derungen des Umweltschutzes gestärkt Prof. Dipl.-Ing. Achim Hack entgegentreten zu können, wünschen Dekan der Fakultät Gestaltung Kreativität als wichtige Ressource sich viele KMUs mehr Raum für Innova- Professur für Innenarchitektur, Möbel tionen. Hier setzt das „CTCC“-Projekt an. und raumbildenden Ausbau, Entwurf und Die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Bisher fast ausschließlich auf die Gestal- Projekt „Design EntrepreneurSHIP“ und tung und Nutzung von Marketinginstru- Konstruktion, Fakultät Gestaltung der begleitenden Forschungsarbeit im menten begrenzt, stellen sich Koopera- Hochschule Wismar Bereich Designmanagement fanden tionen mit Kreativen zur Entwicklung achim.hack@hs-wismar.de Anwendung bei der Konzipierung des von umweltfreundlicheren und nach- CTCC-Projektes. Kreativität als Fähig- haltigen Produkten oder Dienstleistun- keit, Design als Kernkompetenz sowie gen, insbesondere in der maritimen Wirt- Leitbild und Unternehmenskultur schaft, meist als unzureichend dar. Auf gelten als wesentliche Bestandteile zur der anderen Seite sind Kreative meis- Foto: eigene Aufnahme Förderung der Wettbewerbsfähigkeit. tens als sehr kleine oder mittelständische Unternehmen, welche den Faktor Unternehmer aktiv und zeichnen sich, Design in den Vordergrund stellen, und sowohl regional als auch über die Gren- Kreativität als Arbeitsmittel verstehen, zen hinaus, dementsprechend durch erzielen nicht nur eine höhere Wert- eine geringe Kooperationsbereitschaft schöpfung, sondern verbessern durch aus. Bedingt durch eine eher begrenz- Dr. Laima Gerlitz die Entwicklung einer wahrnehmbaren te Zusammenarbeit mit Industriepart- Senior Project Manager Unternehmenskultur ihre Innovations- nern und dem Mittelstand bleiben die Head European Project Center fähigkeit sowie Kundenzufriedenheit. Kreativen in der Entwicklung von unter- Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Das Aufzeigen fundierter Chancen, nehmerischen Fähigkeiten und Manage- Hochschule Wismar das Konkretisieren von existieren- mentkompetenzen oftmals beschränkt. den Bedürfnissen der KMUs und die Daraus resultieren unter anderem auch laima.gerlitz@hs-wismar.de Entwicklung eines gemeinsamen Fahr- eine ungleichmäßige Unternehmensent- plans zur Unternehmensoptimierung wicklung und größere Unterschiede in beide: bildeten das stabile Rückgrat für das der Innovationsfähigkeit. Hochschule Wismar nachfolgende CTCC-Projekt. University of Applied Sciences, Technology, Das wird insbesondere deutlich im Business and Design Vorbereitend wurden konkrete Vergleich von litauischen und polni- Fakultät Gestaltung/ Herausforderungen der Region „Südli- schen mit deutschen und schwedischen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften che Ostsee“ in Bezug auf die vorherge- Regionen in Bezug auf ihre Innovati- Philipp-Müller-Straße 14 | 23966 Wismar hende überregionale Kooperation und onsleistung, dort besitzt die Kreativ- eine transdisziplinäre Zusammenar- branche in Wirtschaft und Gesellschaft www.hs-wismar.de beit in den Bereichen Design, Technik einen sehr differenzierten Stellenwert, https://movecreative.eu DNH 05 | 2020
10 Ostsee-Kooperationen bedingt durch unterschiedliche Managementkultu- Die Eröffnung des Kreativen Hubs war im Okto- ren sowie verschiedene historische und gesellschaft- ber 2017 in Klaipeda in Litauen. Die Projektpartner, liche Entwicklungen. Association of Polish Communes of Euroregion Baltic (Elblag, Polen), ATI erc gGmbH (Wismar, Deutsch- land), Blekinge Tekniska Högskola (Karlskrona, Interdisziplinäre Teams schaffen neue Potenziale Schweden), FINT (Rostock, Deutschland), Hoch- schule Wismar (Wismar, Deutschland), Klaipeda Das Projekt bringt sowohl akademische als auch Science and Technology Park (Klaipeda, Litauen), Einrichtungen der Wirtschaftsförderung (Indus- Media Dizajn (Szczecin, Polen), Pomeranian Science trie- und Handelskammern, Business-Inkubatoren) and Technology Park (Gdynia, Polen), Rietavas sowie politische Träger (Kommunen und Verbän- Tourism and Business Information Centre (Rieta- de) als direkte Partner zusammen. Als assoziierte vas, Litauen), Rietavas Women Emploment Cent- Partner sind rund 30 Institutionen aus dem ganzen re (Rietavas, Litauen), trafen im Oktober 2018 und Ostseeraum in das Projekt eingebunden, die ebenso 2019 in Stettin zusammen, um das Projekt und die verschiedene Sektoren repräsentieren – aus Wissen- bereits erzielten Ergebnisse im Rahmen der polni- schaft und Forschung sowie Wirtschaft und Politik. schen Konferenzreihe „Design Plus“ vorzustellen und neue Synergien auszuloten. Mit starkem regi- Im Laufe des Projektes fanden mehrere Präsenz- onalen Bezug fanden Workshops für die mariti- und Online-Workshops zu den Themen Marketing men Unternehmen aus dem Solar- und Wind- und Management, Innovation, Design Thinking und energiesektor in Klaipeda (Litauen), Stettin (Polen), Prototypisierung sowie Trainingssessions im Rahmen Karlshamn (Schweden) und Rostock in der Zeit von Tagungen und internationalen Kongressen statt. von September 2018 bis Januar 2019 statt. An der Die Ergebnisse sind das Erfassen regionaler Potenzia- im April 2019 in Gdynia stattfindenden Konferenz le, der Erfahrungsaustausch über Maßnahmen zum „Design spricht Wirtschaftssprache“ (engl. Design Ausbau von Kapazitäten und bei der Entwicklung Talks Business) nahmen neben den Projektpart- von Prototypen im Produkt- bzw. Dienstleistungsbe- nern mehr als 150 Unternehmer aus dem südli- reich oder bei der Umstellung unternehmensinter- chen Ostseeraum teil. ner Prozesse, wie beispielsweise Change-Management oder der Änderung der Marketing- und Kommuni- kationsstrukturen. Foto: eigene Aufnahme Kick-Off-Meeting mit den Projektpartnern in Gdynia, v.l.n.r. (obere Reihe): Karolina Skrzypik (Pomeranian Science and Technology Park), Hanna Gryka (Pomeranian Science and Technology Park), Rasa Baliuleviciene (Rietavas Tourism and Business Information Centre), Marzyn Bak (Media Dizajn), Veronika Schubring (FINT), Monika Spychalska-Wojtkiewicz (Media Dizajn), Lawrence Henesey (Blekinge Institute of Technology). Mittlere Reihe: Paulina Lieder (Association of Polish Communes of Euroregion Baltic), Ausra Dockeviciute (Association Rietavas Women Employment Center), Laima Dockeviciene (Rietavas Tourism and Business Information Centre), Teresa Trabert (FINT), Steffi Groth (ATI erc gGmbH), Monika Tomczyk (Media Dizajn). Untere Reihe: Laima Gerlitz (Hochschule Wismar), Angela Olejko (FINT) und Malgorzata Samusjew (Association of Polish Communes of Euroregion Baltic), August 2017 05 | 2020 DNH
11 „Der ‚Kreative Broker‘ versteht sich als neuartiger Dienstleister und Vermittler bei der Zusammenarbeit von traditionellen Unternehmen und der Kreativbranche.“ Foto: Michal Wojtarowicz Prof. Achim Hack bei einem Vortrag auf der Konferenz „DesignPlus“ in Stettin, Oktober 2019, Quelle: Michal Wojtarowicz Transdisziplinäre Zusammenarbeit in der Zukunft das ganze unternehmerische Ökosystem, hinterfragen kritisch den Kunden- und Nutzerkreis und stimmen Eine wesentliche Basis für die Aufrechthaltung der die neuen Ideen, Lösungsansätze oder Konzepte der Zusammenarbeit auch während der Beschränkun- Unternehmen aufeinander ab. Dabei versteht sich gen durch die Pandemie schafft die als Projekt- der „Kreative Broker“ als neuartiger Dienstleister und ergebnis entwickelte projektinterne Online-Trai- Vermittler bei der Zusammenarbeit von traditionellen ning-Plattform, in der Akademiker, Unterneh- Unternehmen und der Kreativbranche mit dem Ziel, mer und Vertreter aus Organisationen und Politik die Innovationsfähigkeit von Unternehmen zu stei- zusammentreffen können. gern und die Kreativen verstärkt am Entwicklungs- prozess zu beteiligen. Bereits jetzt zählen mehr als 40 Als nächster Schritt folgt die Phase einer gemeinsa- „Kreative Broker“ zum CTCC Creative Broker Netz- men Prototypisierung. Dabei werden die ausgewähl- werk, welches letztes Jahr offiziell gegründet wurde. ten Unternehmer aus Deutschland, Litauen, Polen und Schweden mit Kreativschaffenden zusammen- Auch in der Zukunft werden diese Dienstleister mit arbeiten und Prototypen im Produkt- und Dienstleis- ihren Methoden bzw. Trainingswerkzeugen für die tungsbereich beziehungsweise neue Marketingstra- Vereinfachung der sektorenübergreifenden Zusam- tegien oder Innovationen in unternehmensinternen menarbeit ausschlaggebend sein. Die Notwendigkeit Strukturen, wie zum Beispiel dem Change-Manage- der Neuausrichtung vieler sozialer, umweltbezoge- ment-Bereich, entwickeln. Die Entwicklung eines ner und wirtschaftlicher Tätigkeitsbereiche, auch in Prototypen für die neue Online-App zum Vertreiben Folge der Konsequenzen durch die Corona-Pandemie, von unverpackten Produkten des Rostocker Unter- wird ein hohes Maß an Kreativität verlangen, die sich nehmens oder Aufstellung einer neuen Marketing- mithilfe einer strukturierten und auf Nachhaltigkeit und Kommunikationsstrategie für eine Initiative der ausgerichteten Vorgehensweise leichter entfalten plastikfreien Stadt Rostock zählen zu den 30 Proto- lässt. Dies ist durch das gegründete überregionale typen, die von den ausgewählten Unternehmen in CTCC-Netzwerk, die Einbindung von Trainingsin- Litauen, Polen, Schweden und Deutschland entwi- halten in die Curricula der am Projekt beteiligten ckelt werden. Bildungseinrichtungen, die Vergabe von Abschluss- arbeiten in den Partneruniversitäten oder durch die Am Ende dieser Phase, die seit April 2019 bis Ende Ausrichtung jährlicher Wettbewerbe für traditionel- 2020 verläuft, sollen 30 konkrete Lösungen entste- le Unternehmen und Kreative geplant. Im Rahmen hen, die für die teilnehmenden Unternehmen als einer weiteren Verwertung von Projektideen, in der Sprungbrett für die Einwerbung von Zukunftsinves- Hochschullehre und -forschung sowie extern im titionen aus den weiteren Förderungsfonds sowie Rahmen der Ostseekooperation wird der Forschungs- für die Sicherstellung der Finanzierung zur Erwei- schwerpunkt zur Kreativwirtschaft und zum Design- terung, Anpassung oder dem Ausbau von Produkt- management institutionell verankert und ausgebaut, linien oder Dienstleistungsprogrammen dienen gerade mit Aussicht auf die neue Förderperiode 2021 können. Sogenannte „Kreative Broker“ analysieren bis 2027 und die Fortsetzung des Projekts, prioritär mithilfe eines für Projektzwecke entwickelten kreati- im Bereich des nachhaltigen Wachstums und der ven Auditwerkzeugs alle Unternehmensbereiche und Stärkung des KMU-Sektors. DNH 05 | 2020
12 Ostsee-Kooperationen Mit strategischen Partnerschaften Netzwerke ausbauen Die Fachhochschule Kiel mit ihren sechs Fachbereichen engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in der Ostseezusammenarbeit mit dem Ziel, die Studierenden- und Lehrendenmobilität zu Partnerhochschulen rund um das Mare Balticum zu stärken. | Von Christine Boudin und Prof. Dr. Marco Hardiman Die Fachhochschule (FH) Kiel kooperiert in acht Ostsee- aus diesen Ländern an die FH Kiel gekommen, was anrainerstaaten mit insgesamt 33 Partnerhochschulen etwa 25 Prozent der Incoming-Erasmus-Mobilitäten und hat rund 50 Erasmus-Abkommen in den verschie- entspricht. In diesem Zahlenverhältnis wird eine der denen Studiengängen auf Bachelor- und Masterpro- Herausforderungen mit Kooperationen im Ostseeraum grammebene abgeschlossen. Die Hochschulkooperatio- erkennbar: Die Hochschulen in den Ostseeanrainer- nen in Kiels Partnerstädten Tallinn (Estland) und Vaasa ländern entsenden weniger Studierende. Besonders in (Finnland) gehören zu den langjährigen Partnerschaften Dänemark, Estland, Schweden und Norwegen ist die mehrerer Fachbereiche. Mit sechs Hochschulen, über- Outgoing-Mobilität zu uns rückgängig und nicht nur wiegend Universities of Applied Sciences (UAS), wurden seit der Corona-Pandemie. Aufgrund des Ungleichge- in den Fachbereichen Medien und Wirtschaft attrakti- wichts haben in den zurückliegenden Jahren Partner- ve Doppelabschlussprogramme aufgebaut. Doppelab- hochschulen in Dänemark und Schweden bilaterale schlüsse bestehen zurzeit mit den Hochschulen in Finn- Abkommen gekündigt, sehr zum Bedauern unserer land (South-Eastern Finland UAS), Litauen (TU Vilnius Studierenden. Neue zusätzliche Partnerschaften zu und Mykolo Romerio University), Lettland (Vidzemes initiieren war nicht einfach. Beispiel einer gelunge- UAS), Norwegen (Volda UAS) und Schweden (Mälardalen nen Kooperation ist die bereits seit dem Jahr 2003 University). In den Ingenieurwissenschaften bestehen bestehende Partnerschaft des Fachbereichs Wirtschaft die Kontakte zu Hochschulen in Kongsberg (Norwe- mit der LAUREA University of Applied Sciences im gen), Turku und Vaasa (Finnland) auch durch die vor Raum Helsinki. Ort ansässigen Unternehmen und Forschungszentren, die den Kieler Studierenden ein Praxisprojekt oder eine anwendungsbezogene Abschlussarbeit in Kooperation Strategische Partnerschaft mit der LAUREA mit Industriepartnern ermöglichen. Die Zusammenarbeit der beiden Hochschulen inten- In der aktuellen Erasmusperiode, die 2014 begann, sivierte sich ab dem WS 2006/2007 mit gemeinsamen haben 274 Kieler FH-Studierende einen Auslands- Lehrangeboten. Dabei handelte es sich um singuläre aufenthalt in den Ostseeanrainerstaaten absolviert. Kurse, beispielsweise in Jelgava (Lettland) oder Leices- Das sind 44,8 Prozent unserer gesamten europäi- ter (England), die zwar bilateral, aber auch teilweise schen Mobilität. Beliebteste Zielländer sind Norwe- mit Universitäten anderer Länder Erasmus-finanziert gen und Schweden. Im Gegenzug sind 96 Studierende durchgeführt wurden. Aufgrund des großen Anklangs des Konzepts wurden diese Kurse bilateral weiterent- wickelt und fanden mit der Zeit regelmäßiger statt. Mit dem gemeinsamen Ansatz des International Approach to Design Thinking (IADT) (vgl. Henriksson et al. 2020) wurde ein anspruchsvolles bilaterales projektbasiertes Kurskonzept umgesetzt, das in intensiven ein- oder zweiwöchigen Blockkursen gestaltet wurde. Ab dem Herbst 2016 wurden die Blockkurse seitens der LAUREA Foto: ESN Vilnius University und der FH Kiel dauerhaft angeboten. Heute ist der Kurs Bestandteil im Wahlpflichtbereich des Curriculums des Studiengang BA BWL mit Schwerpunkt Marketing sowie des Minors „Marketing and Cross Culture“ und steht zusätzlich allen Studierenden der FH Kiel als interdis- ziplinärer Kurs zur Verfügung. Die ESN Vilnius University in Litauen ist eine der Koopera- tionspartnerinnen der FH Kiel. 05 | 2020 DNH
13 „Auch die vor Ort ansässigen Unternehmen und Forschungszentren ermöglichen den Kieler Studierenden ein Praxisprojekt oder Karte: © Europäische Union, 2019 eine anwendungsbezogene Abschlussarbeit in Kooperation mit Industriepartnern.” Erasmus+ Strategic Partnerships Erfolgreicher Ansatz Motiviert durch den Erfolg wurde von der Der positive Verlauf dieser Aktivitäten ermu- LAUREA UAS für eine noch weitreichende- tigte die LAUREA und die FH Kiel, einen re Durchführung und Finanzierung dieser weiteren Erasmus-Projektantrag zu initiie- Foto: privat Kurse ein gemeinsamer Erasmus+-Antrag im ren. Anfang 2020 wurde der Antrag für das Bereich Strategic Partnerships (KA 203) mit Projekt froM Overtourism To Innovating positivem Ergebnis gestellt. Das Programm sOlutioNs (MOTION) bewilligt. In diesem fördert den Austausch, die Zusammenar- Projekt geht es in den nächsten Jahren Christine Boudin beit für Innovation sowie den Erfahrungs- darum, Innovationen für eine andere Art International Office austausch für die allgemeine und berufli- von Destinationen zu entwickeln: Ziel des christine.boudin@fh-kiel.de che Bildung (European Commission, 2017) Projekts ist es, Lösungen für touristische und unterstützt ein breites Spektrum unter- Top-Destinationen, die unter Massentou- schiedlicher Projekte von Partnern. Für den rismus leiden, zu entwickeln (z. B. Stätten Antrag wurden Konsortium und Kurskon- des UNESCO Weltkulturerbes). Im Fokus zept auf weitere Universitäten aus Schwe- steht der Schutz der Orte und ihrer Umwelt. den, Schottland, Griechenland und Kroa- Die aktuelle Corona-Situation konnte in Foto: Matthias Pilch tien erweitert. Das Projekt Versatile Islands den Antrag noch nicht einfließen, wird das cooperating for new Services and Inno- Projektgeschehen allerdings maßgeblich vation in Tourism (VISIT) beinhaltete die beeinflussen, da ein wesentlicher Teil des Entwicklung neuer innovativer Services Projekts die Berücksichtigung ungewisser für den jeweiligen lokalen Tourismus auf Zukünfte ist. In der Lehre wird das erfolg- kleinen Inseln. Jede der Partneruniversi- reiche Konzept der internationalen Block- Prof. Dr. Marco Hardiman täten, die allesamt am Meer liegen, wenn- kurse weitergeführt. Fachbereich Wirtschaft gleich nicht alle an der Ostsee, brachten eine kleine Insel als Projektpartner ein. In Fachhochschule Kiel IADT-Kursen entwickelten die Studieren- Bilanz Sokratesplatz 1 den Serviceinnovationen in internatio- 24149 Kiel nalen Teams, was dazu führte, dass dem Der Aufbau des Netzwerks im Ostseeraum ist Design-Thinking-Prozess eine neue und für uns noch nicht abgeschlossen. Wesent- marco.hardiman@fh-kiel.de weitere Kreativitätsdimension hinzugefügt lich für unseren bislang sehr erfolgreichen wurde. Die örtlichen Herausforderungen Weg ist unsere Partnerschaft mit der finni- wurden vor den vielfältigen kulturellen schen LAUREA. Wir haben noch viele Ideen Literatur Hintergründen sowie länderspezifischen und Projekte, die wir gemeinsamen ange- European Commission (2017): Erasmus+ strategic Erfahrungen und Gegebenheiten betrach- hen möchten. Seit dem WS 2016/17 haben partnerships: Compendium 2014. [Compendi- tet, was sich in vielfach besseren Lösun- über diesen Weg 88 Studierende in interna- um]. Publications Office of the European Union. gen widerspiegelte. Die Projektergebnisse tionalen Teams in verschiedenen Partner- Henriksson, K., Mantere, P., Mänty, I., & Hardiman, M. (2020): IADT - Design Thinking with a Twist. wurden im Nachgang in Businesspläne zur ländern unsere Blockkurse besucht. Hinzu In: Hirvikoski, Tuija; Erkkilä, Laura; Fred, Minna; Implementierung der erarbeiteten Innova- kamen etwa ein Dutzend Lehrende. In den Helariutta, Ailo; Kurkela, Ilkka; Pöyry-Lassila, Päivi; Saastamoinen, Kaisla; Äyväri, Anne (Hrsg.): tionen überführt und den teilnehmenden letzten Jahren haben wir die Partnerschaft Co-creating and Orchestrating Multistakeholder Unternehmen überreicht. mit unserer finnischen Partnerhochschule Innovation, S. 264–270. LAUREA University of Applied Sciences. http://www.theseus.fi/hand- in vielen Bereichen intensiviert und gemein- le/10024/344909 sam unser Netzwerk durch internationale VISIT Erasmus+ Project – Versatile Islands coopera- Lehrveranstaltungen gefestigt. ting for new Services and Innovation in Tourism. http://www.visit-islands.eu DNH 05 | 2020
14 Ostsee-Kooperationen Ostseeraum lebendig: International Management Studies in the Baltic Sea Region Im Jahr 1996 wurde an der Hochschule Stralsund ein betriebswirtschaftlicher Studiengang mit dem Fokus „Ostseeraum“ eingerichtet. Welche Erfahrungen wurden gemacht und vor welchen Herausforderungen steht der Studiengang 25 Jahre später? | Von Prof. Dr. Björn P. Jacobsen Der Ostseeraum hatte spätestens seit Um diese Chancen für die regional- Foto: Timo Roth, Hochschule Stralsund dem Ende der Hanse im 17. Jahrhundert wirtschaftliche Entwicklung nutzbar zu seine wirtschaftspolitische Bedeutung machen, hat das Land Mecklenburg-Vor- zu einem guten Teil eingebüßt. Besten- pommern die Hochschule Stralsund falls für die deutschen Ostseehafenstäd- bereits im Jahr 1996 dabei unterstützt, te hatte diese Region naturgemäß auch einen betriebswirtschaftlichen Studi- weiterhin eine Bedeutung, die vorrangig engang einzuführen, der sich auf den von der wirtschaftlichen Entwicklung Ostseeraum konzentriert: anfangs „Baltic der Ostseeanrainerstaaten abhing. Der Management Studies“ genannt und seit Prof. Dr. Björn P. Jacobsen Großteil des deutschen seewärtigen Im- dem Jahr 2017 präziser in „Internatio- Hochschule Stralsund und Exports wurde jetzt über die Nord- nal Management Studies in the Baltic Lehrgebiet: Managementlehre und seehäfen Hamburg und Bremen abge- Sea Region“ umbenannt. Dieser acht- Internationales Management wickelt. Die Situation verschärfte sich semestrige Bachelor-Studiengang wurde Fakultät für Wirtschaft infolge des Zweiten Weltkriegs, denn in der DNH 06/2017 beschrieben, sodass Zur Schwedenschanze 15 faktisch verlief der Eiserne Vorhang von auf eine detaillierte Darstellung an dieser 18435 Stralsund der finnisch-russischen Grenzen quer Stelle verzichtet wird. Vielmehr sollen die durch die Ostsee, bevor er zu einer Land- derzeitigen und zukünftigen Herausfor- www.hochschule-stralsund.de/jacobsen grenze wurde. „Irgendwie“ hatten sich derungen des Studiengangs im Kontext bjoern.jacobsen@hochschule-stralsund.de die Anrainer in dieser Situation einge- der Ostseeraumzusammenarbeit skizziert richtet, was zu einem weiteren Wahr- werden. nehmungs- und Bedeutungsverlust des Ostseeraums aus deutscher Perspektive führte. In der Bundesrepublik dauer- Fokus Ostseeraum – te es bis zum Jahr 1988, als der damals Wunsch und Wahrnehmung neu gewählte schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm die Die grundsätzlichen wirtschafts- und Chancen der Ostseeraumzusammenar- bildungspolitischen Intentionen im Jahre beit für sein Bundesland erkannte und 1996 waren (und sind) einleuchtend: ein das Thema auf die politische Agen- betriebswirtschaftlicher Studiengang, der da setzte. Das entscheidende Ereignis, die Absolventinnen und Absolventen befä- welches aus dem geteilten Binnenmeer higt, sich in dem prosperierenden, aber von einen neuen, starken Wirtschaftsraum vielen nationalen und regionalen Besonder- entstehen ließ, war der Fall des Eiser- heiten geprägten Wirtschaftsraum Ostsee nen Vorhangs. Speziell die norddeut- erfolgreich zu bewegen. Diesen Intentionen schen Bundesländer, allen voran Meck- trug und trägt der Studiengang zum einen lenburg-Vorpommern, erkannten und durch die Sprachlichkeit Rechnung: Die ergriffen die Chancen – ohne dass sich Studieninhalte werden komplett in engli- jedoch bis heute auf bundesdeutscher scher Sprache vermittelt und es besteht Ebene ein wirklicher Wahrnehmungs- die Verpflichtung, mindestens eine weite- wandel vollzogen hätte. re Sprache des (erweiterten) Ostseeraums 05 | 2020 DNH
15 „Während aus deutscher Sicht die wirtschaftlichen Chancen nicht vornehmlich im Norden liegen, ist Deutschland umgekehrt der wichtigste Wirtschaftspartner für die meisten Foto: Timo Roth, Hochschule Stralsund Ostseeanrainerstaaten.“ – derzeit Norwegisch, Schwedisch oder Russisch – zu die meisten Ostseeanrainerstaaten. Diese Tatsache erlernen. Zum anderen legt der Studiengang Wert auf greift der Studiengang „International Management die Vermittlung interkultureller Kompetenz mit einem Studies in the Balic Sea Region“ auf und sucht gezielt Schwerpunkt auf den Kulturen des Ostseeraums. Abge- Kontakt zu Schulen mit deutschsprachigem Zweig rundet wird dies durch curricular verankerte Exkursi- im Ostseeraum. Ergänzt werden diese Bemühun- onsangebote und die jährliche Studierendenkonferenz gen durch Abkommen mit Partnerhochschulen im „Baltic Sea Forum“ zu jeweils einem Länderschwer- Ostseeraum, um so verstärkt ausländische Studie- punkt der Region. Damit ist Schritt für Schritt ein fokus- rende – sei es in Vollzeit oder im Austausch – in sierter Studiengang entstanden. den Studiengang zu integrieren. Bei den Hochschul- partnerschaften handelt es sich neben den „klassi- Die Herausforderung besteht – nach wie vor – darin, schen“ ERASMUS-Vereinbarungen in der Regel um dieses Studienangebot über den norddeutschen Raum Double-Degree-Abkommen, die es den Studieren- hinaus bei Studieninteressierten zu positionieren. den ermöglichen, ohne Verlängerung der Studienzeit Eine der wesentlichen Gründe liegt dabei erfahrungs- einen Abschluss an der Hochschule Stralsund und gemäß in der bereits angesprochenen Wahrnehmung gleichzeitig an der ausländischen Partnerhochschu- des Ostseeraums, den man bestenfalls als Urlaubsre- le zu erwerben. Derzeit bestehen solche Abkommen gion, nicht jedoch als starke Wirtschaftsregion sieht: mit Partnern in Finnland, Litauen, Polen und Russ- Silicon Valley kennt jeder, Medicon Valley nur die land. Die Wahrnehmung dieser Angebote seitens Eingeweihten. der Studierenden gestaltet sich positiv, sodass hier ein wirklicher Mehrwert entstanden ist und weiter ausgebaut werden soll. Für einen vergleichsweise kleinen – und damit ressourcenmäßig eng begrenzten – Studiengang besteht die Herausforderung, diese Abkommen auszu- arbeiten, zu pflegen und vor allem in die prakti- sche Umsetzung zu bringen. Dies ist mit Bord- bzw. zeitlich begrenzten Projektmitteln nachhaltig nicht leistbar. Durch die Aufnahme der Internationalisie- rung und speziell den Ausbau der Double-Degree-Ab- Foto: privat kommen in den Hochschulentwicklungsplan der Hochschule Stralsund sowie die geplante finanzi- Abbildung 1: Studierende in der Original Kulisse des IKEA elle Unterstützung seitens des Bildungsministeri- Katalogs, Älmhult, Schweden ums Mecklenburg-Vorpommern werden derzeit die ersten Weichen für eine nachhaltige Zukunftsent- Es handelt sich hierbei um eine „Süd-Nord“-Heraus- wicklung gestellt. forderung: Während aus deutscher Sicht die wirt- schaftlichen Chancen nicht vornehmlich im Norden Es kann festgehalten werden, dass es somit gelun- liegen, ist Deutschland umgekehrt der (oder zumin- gen ist, ein interessantes Studienangebot zu entwi- dest einer der) wichtigste(n) Wirtschaftspartner für ckeln, welches Studierende mit den Kompetenzen DNH 05 | 2020
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